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German Pages 282 Year 2018
Irmgard Diewald Männlichkeiten im Wandel
Gender Studies
Irmgard Diewald (Dr. phil.), geb. 1982, ist Sozialwissenschaftlerin mit den Schwerpunkten Arbeits- und Organisationssoziologie sowie Geschlechterforschung. Sie promovierte am Institut für Sozial- und Organisationspädagogik an der Universität Hildesheim, gefördert durch die Hans-Böckler-Stiftung.
Irmgard Diewald
Männlichkeiten im Wandel Zur Regierung von Geschlecht in der deutschen und schwedischen Debatte um ›Männer in Kitas‹
Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Hans-Böckler-Stiftung.
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Inhalt
1. Einleitung | 9 1.1 Verortung der Arbeit | 11 1.2 Auf bau der Arbeit | 13
2. Ländervergleichende Verortung des Analysegegenstands | 17 2.1 Vergleichende Wohlfahrtsstaatsanalyse | 18 2.2 Vergeschlechtlichte Arbeitsmarktstrukturen | 20 Exkurs: geistige Mütterlichkeit | 23 2.3 Die Rekrutierung von ›Männern‹ in den elementarpädagogischen Bereich | 23 2.3.1 ›Männer in Kitas‹ | 24 2.3.2 ›män i förskolan‹ | 27 2.4 Politik und Geschlecht | 30
3. Diskursanalyse//Gesellschaftsanalyse | 33 3.1 Diskurstheoretische Verortung | 35 3.1.1 Wahrheits- und Wirklichkeitsverständnis | 37 3.1.2 Macht/Wissen | 39 3.1.3 Bestimmung des Diskursbegriffs | 41 3.2 Gesellschaftsanalyse | 48 3.2.1 Diskursive Konstruktion von Geschlecht | 49 3.2.2 Gouvernementalität | 53 3.2.3 Geschlecht regieren | 55 3.3 Diskurstheoretische Gesellschaftsanalyse | 61
4. Methodologie und methodisches Vorgehen | 65 4.1 Der Blick auf das Material – eine »detektivische Haltung« | 67 4.2 Das methodische Vorgehen//Datenerhebung, Korpusbildung und Feinanalyse | 72 4.2.1 Datenerhebung und Korpusbildung | 73 4.2.2 Leitfadengestützte Expert*inneninterviews | 79 4.2.3 Oberflächen- und Feinanalyse | 82 4.2.4 Gütekriterien der Diskursanalyse | 85 4.3 De-rekonstruktives Forschen | 85
5. ›Männer in Kitas/män i förskolan‹ als diskursives Ereignis | 89 5.1 Die Problematisierung der Abwesenheit von ›Männern‹ und Männlichkeit | 91 5.2 Männlichkeitswandel als gleichstellungspolitisches Desiderat | 95 5.3 MEHR ›Männer‹ als arbeitsmarktpolitisches Desiderat | 107 5.4 Öffnung und Rahmung eines diskursiven Raums | 124
6. Sprechen zwischen Politik_Wissenschaft_Praxis | 131 6.1 Politik/Wissenschaft | 133 6.1.1 Diskursive Verortung institutionellen Sprechens | 133 6.1.2 Diskursive In-Beziehung-Setzung vergeschlechtlichter Positionierungen | 147 6.2 Politik/Wissenschaft – Sprechen über Praxis | 152 6.2.1 Wissen als Moment der Positionierung | 158 6.2.2 Positionierungen zu einer Jungenkrise | 165 6.3 Wissensvermittelnde Positionierungen des Sprechens | 173
7. Widerstreitendes Macht/Wissen von Geschlecht | 177 7.1 Zwischen Differenzblindheit und Differenzfixiertheit | 178 7.1.1 Naturalisierung | 179 7.1.2 Konstruktivistische Perspektivierungen | 181 7.1.3 Heteronormativität | 182 7.1.4 Dekonstruktivistisches Macht/Wissen | 183 7.2 Männlichkeit zwischen Verherrlichung und Problematisierung | 184 7.2.1 Männliche Reproduktionsarbeit | 186 7.2.2 Auf der Suche nach einer geistigen Väterlichkeit | 187 7.2.3 Väterlichkeit – eine Bewegung in Ambivalenzen | 202 7.2.4 Verschiebung vergeschlechtlichter Grenzziehungen | 203 7.2.5 Pädophilie oder der Generalverdacht | 208 7.3 Die Positionierung des Anderen | 217 7.3.1 Die »weibliche Kitakultur« | 218 7.3.2 Über Geschlecht hinaus | 223 7.4 Widerstreitende Subjektkonstitutionen | 233 7.4.1 In-Beziehung-Setzung divergierender Männlichkeitskonstruktionen | 234 7.4.2 Das Verschwimmen von privat und öffentlich | 236
8. Die Regierung von Geschlecht | 239 8.1 Ländervergleichende Perspektivierung | 240 8.1.1 Institutionalisierte Verschiebungen | 240 8.1.2 Institutionalisierte nationalstaatliche Politiken | 245 8.2 Zwischen Einigkeit und Konflikthaftigkeit | 246
8.2.1 Hervorbringung von Geschlecht als unabschließbares Unterfangen | 247 8.2.2 Sowohl Subjekt als auch Struktur | 249 8.2.3 Sicherheit/Schutz | 250 8.3 Überlegungen zum Verhältnis von Geschlecht/Macht/Arbeit | 251 8.3.1 Vergeschlechtlichte Care-Arbeit | 253 8.3.2 Geschlechtsspezifische Arbeitsteilung | 254 8.3.3 Verflechtung von Gleichstellungspolitik und Arbeitsmarktwandel | 256 8.4 Resümee: Veränderung versus Tradierung | 258
9. Literaturverzeichnis | 261 Danksagung | 279
1. Einleitung »Man fragt mich nicht wer ich bin, man sage mir nicht, ich solle der gleiche bleiben: das ist eine Moral des Personenstandes; sie beherrscht unsere Papiere. Sie soll uns frei lassen, wenn es sich darum handelt, zu schreiben« (F oucault 1981, S. 30).
»Bli en av de viktigaste i världen. Bli förskollärare« (Skolverket 2016). – »Sei einer der Wichtigsten der Welt. Werde Vorschullehrer«, so lautet der Slogan der schwedischen Schulbehörde (Skolverket), um mehr ›Männer‹1 in die Vorschule zu rekrutieren. Auch in Deutschland wird seit einigen Jahren eine rege Diskussion zu männlichem Personal in Kitas geführt. Im Rahmen der Bundesinitiative »MEHR Männer in Kitas«, gefördert durch den Europäischen Sozialfonds (ESF), wurde von 2011 bis 2013 eine bundesweite Kampagne zur Erhöhung des Männeranteils in Kitas durchgeführt. Unter anderem wurden 16 Modellprojekte in 13 Bundesländern initiiert und umgesetzt, mit der Zielsetzung, »praxistaugliche Konzepte und Strategien« (BMFSFJ 2011, S. 2) zu erarbeiten. So wurde zum Beispiel in Hamburg mit dem Slogan »Vielfalt Mann, dein Talent für Hamburger Kitas« (Der PARITÄTISCHE Wohlfahrtsverband Hamburg 2017) für den Erzieher*innenberuf geworben. Das Thema ›Männer in Kitas‹ wurde in Deutschland Anfang der 2000er Jahre zum ersten Mal auf die politische Agenda gesetzt. Im Gegensatz dazu gab es in Schweden schon in den 1970er Jahren eine Kampagne, um die Anzahl männlicher Erzieher zu erhöhen. Diese führte jedoch nicht dazu, dass das Thema seit den 1970er 1 | In der Arbeit werden ›Männer‹, ›Frauen‹, ›Jungen‹ und ›Mädchen‹ durchweg in Anführungszeichen gesetzt. Dies soll verdeutlichen, dass die Einteilung in eine binäre Zweigeschlechtlichkeit erst durch gesellschaftliche Konstruktionsprozesse zur Wahrheit wird. Dekonstruiert werden soll die identitäre Gleichsetzung von sex, gender und Begehren in einer Person. Erst durch die Einschreibung von gender in biologisierte Körper wird dies zu etwas Gleichursprünglichem.
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Jahren präsent ist. Vielmehr verebbte dieses, aufgrund sich wandelnder Männlichkeitsbilder2, Anfang der 1980er Jahre wieder. Erst mit dem Amtsantritt der liberalen Gleichstellungsministerin Maria Arnholm im Januar 2013 wurde die Debatte zu ›Männern‹ in der Vorschule auch in Schweden politisch wieder relevant. Mit der Gegenüberstellung von Schweden und Deutschland wird in der Arbeit eine ländervergleichende Perspektivierung eingenommen, der eine kontrastierende Fallauswahl zugrunde liegt. Beide Länder werden in gängigen Wohlfahrtsstaatstheorien divergierenden Typen zugeordnet: Schweden steht als Prototyp für den sozialdemokratischen Wohlfahrtsstaat, in dem sich ein Zwei-Verdiener-Modell erkennen lässt, während Deutschland dem konservativen Typus zugeordnet wird. Dort dominiert das männliche Ernährermodell, welches sich in den letzten Jahren hin zu einem 1,5-Verdiener-Modell entwickelte (Esping-Andersen 1990; Lewis/Ostner 1994). Trotz dieser unterschiedlichen theoretischen Zuordnung und der Hervorhebung Schwedens als gleichstellungspolitisches Vorbild (Jönsson 2005) ist der Anteil an männlichen Erziehern in beiden Ländern mit circa 4 % in Deutschland (Koordinationsstelle Männer in Kitas 2015) und 3 % in Schweden (Skolverket 2016) in etwa gleich hoch. Beide Länder sind durch eine horizontale geschlechtsspezifische Arbeitsmarktsegregation3 geprägt, in der Dienstleistungstätigkeiten überwiegend von ›Frauen‹ erbracht werden. Bis dato gibt es ländervergleichend keine Forschungsarbeiten, die erklären, warum trotz unterschiedlicher (intensiver und historisch langer) Geschlechterpolitiken sowie nationaler Selbstverständnisse und trotz unterschiedlicher Wohlfahrtsmodelle ein so ähnliches Ergebnis in Bezug auf den Anteil männlicher Erzieher zu sehen ist. An dieser Forschungslücke setzt die vorliegende Arbeit an. Zentral wird die Frage nach der Rolle von Geschlechterwissen, welches der Auseinandersetzung zu ›Männern‹ im elementarpädagogischen Bereich4 immanent ist. 2 | Stand in den 1970er Jahren die Veränderung von Männlichkeitsbildern im gesellschaftlichen und politischen Fokus, lässt sich in den 1980er Jahren eine verstärkte Forderung nach ›echten‹ Männern erkennen (vgl. Kapitel 5). 3 | Geschlechtsspezifische Arbeitsmarktsegregation wird einerseits als vertikale Segregation verstanden, das heißt als eine ungleiche Verteilung von ›Männern‹ und ›Frauen‹ auf unterschiedliche Statuspositionen; andererseits als horizontale Segregation, bei der sich ›Männer‹ und ›Frauen‹ in bestimmten Berufen konzentrieren (Gottschall 2010; Achatz 2008). 4 | Unter dem Begriff elementarpädagogischer Bereich wird in der Arbeit sowohl die Krippe (für Kinder von null bis drei Jahren) sowie der Kindergarten beziehungsweise die Kindertagesstätte (für Kinder von drei bis Schuleintritt) in Deutschland als auch die schwedische Vorschule (für Kinder von null bis Schuleintritt) verstanden. Im Englischen
1. Einleitung
Exemplarisch werden anhand der Debatten in Deutschland und Schweden länderspezifische Unterschiede sowie Gemeinsamkeiten analysiert. Gefragt wird nach dem der Debatte immanenten Geschlechterdiskurs an der Schnittstelle zwischen Politik und Wissenschaft 5. Anknüpfend an die vorausgegangenen Überlegungen stellt sich die Frage nach der Konstruktion von Geschlecht und Politik. Als übergreifende Thematik lässt sich die Aushandlung von vergeschlechtlichter Care-Arbeit erkennen. Damit rücken tradierte vergeschlechtlichte Familien- und Arbeitsmarktstrukturen in den Fokus zumeist gleichstellungspolitischer Auseinandersetzungen6. Angestrebt wird die Öffnung eines bis dato als klassisch weiblich verstandenen Dienstleistungsberufs für ›Männer‹. In Frage gestellt werden damit nicht nur Gesellschaftsstrukturen, die sich durch die Trennung einer öffentlichen, produktiven, männlichen Sphäre von einer privaten, reproduktiven, weiblichen Sphäre auszeichnen. Darüber hinaus rücken (naturalisierte) Geschlechterdifferenzen sowie tradierte Männlichkeits- und Weiblichkeits-konstruktionen in den Fokus und machen daher die Debatte ›Männer in Kitas/män i förskolan‹ zu einem Ort, an dem der Zusammenhang von Arbeit und Geschlecht (neu) ausgehandelt wird.
1.1 V erortung der A rbeit Die Debatte ›Männer in Kitas/män i förskolan‹ wird aus analytisch-theoretischer Perspektive einer Diskursanalyse und unter Bezugnahme auf feministisch politikwissenschaftliche Theorien untersucht. Geschlecht wird als diskursive Konstruktion gefasst, in der die Einteilung in zwei Geschlechter selbst als sozialer Prozess verstanden wird (Meissner 2008, S. 4). Es wird davon ausgegangen, dass die gewandelte Konstituierung von Subjekten verstärkt in gleichstellungspolitischen Debatten stattfindet. In den Fokus rückt die Frage nach der Verbindung zwischen staatlicher Politik und der diskursiven Konstruktion von Geschlecht in ihrer Wirkmächtigkeit für die vergeschlechtlichte (Re-)Strukturierung von Berufsfeldern und damit verknüpften Subjektpositionen. wird dies unter der Begrifflichkeit ECE ›early childhood education‹ gefasst (Brownhill et al. 2015, S. 2). 5 | In der Debatte fließen unterschiedliche mediale, wissenschaftliche und politische Diskurse ineinander. Mediale Diskursformationen und der Alltagsdiskurs finden in der Arbeit nur insofern Berücksichtigung, als sich diese in den politischen und den wissenschaftlichen Auseinandersetzungen wiederfinden lassen. 6 | Sowohl in Schweden als auch in Deutschland wurde die Kampagne vom Gleichstellungsministerium initiiert und finanziell gefördert.
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In Anlehnung an Ludwig (2011) wird der Zusammenhang von Staat und Geschlecht als strukturierende Struktur verstanden. Einerseits wird die Konstitution von Staat vom Subjekt aus gedacht, andererseits die Konstitution kollektiver und individueller Subjekte vom Staat aus. Letzteres wird in der Arbeit als poststrukturalistischer Analyserahmen herangezogen: Es geht zentral darum, sichtbar zu machen, wie in staatlichen Politiken geschlechtliche Subjektivitäten hergestellt werden (Ludwig 2015a, S. 48). Aufgrund dieser Überlegungen verortet sich die Arbeit in der vergleichenden, poststrukturalistischen, feministischen Wohlfahrtsstaatsforschung. Ziel der Analyse ist es nachzuvollziehen, inwieweit und auf welche Weise in der Debatte ›Männer in Kitas/män i förskolan‹ sowohl Verschiebungen von vergeschlechtlichten Differenzsetzungen als auch Festschreibungen in einer heteronormativen Binarität stattfinden. Die zentrale Frage der Arbeit lautet: Welche (vergeschlechtlichten) Wahrheiten werden im Geschlechterdiskurs in der Debatte ›Männer in Kitas/män i förskolan‹ produziert? In Anlehnung an Ludwig (2011) eröffnet sich in der Bereitstellung vergeschlechtlichten Macht/Wissens ein Moment der Regierung von Geschlecht. Vergeschlechtlichte Subjektkonstitutionen werden entlang ökonomischer Grenzziehungen sowie im Rahmen der Unterscheidung zwischen öffentlich und privat in Bewegung gesetzt und (neu) ausgehandelt. Ausgehend von einem poststrukturalistischen, diskursiven Verständnis der Konstruktion von Geschlecht stellt sich in der Arbeit die Frage, wie vergeschlechtlichte Grenzziehungen in Bewegung geraten. Der analytische Fokus liegt auf diskursiven Mechanismen und Regelhaftigkeiten der Bereitstellung vergeschlechtlichten Macht/Wissens und damit einhergehenden Differenzsetzungen und Normalisierungen. Hervorzuheben ist, dass die Debatte ›Männer in Kitas/män i förskolan‹ nicht nur viele divergierende gesellschaftliche Bereiche mit einschließt, sondern vor allem auch im Forschungszeitraum der Arbeit von 2011 bis 2015 eine große Dynamik entwickelt hat. Viele Äußerungen, die zu Beginn der Debatte zentral waren, sind zu einem späteren Zeitpunkt zu etwas Sagbarem/nicht mehr Sagbarem geworden. So gab es zum Beispiel 2011 auf nationaler politischer Ebene in Schweden keine dezidierten Bemühungen, den Männeranteil in der Vorschule zu erhöhen. Erst durch den personellen Wechsel im Gleichstellungsministerium 2013 wurde die Thematik zu einer zentralen (gleichstellungs-)politischen Zielsetzung. Auch wurde in der deutschen Auseinandersetzung von politischer Seite aus zu Beginn der Kampagne 2011 die Wichtigkeit männlicher Erzieher für ›Jungen‹ stark betont – ein Argument, das später durchaus kritisch diskutiert wurde.
1. Einleitung
Für die vorliegende Forschungsarbeit bedeutet dies, dass unterschiedliche Akteur*innen in der Debatte verschiedene Positionen eingenommen haben und einnehmen. Deutlich wurden im Laufe der Analyse nicht nur Interessenskonflikte zwischen verschiedenen Akteur*innen, vielmehr lässt sich auch eine Widersprüchlichkeit des Sprechens innerhalb einer Person erkennen. Aus diesem Grund sowie vor dem Hintergrund der diskursanalytischen Konzeption der Arbeit erfolgte eine Ablösung des analytischen Fokus auf einzelne Akteur*innen als zentral handelnde Personen und stattdessen eine Fokussierung auf diskurstheoretisch gefasste Sprecher*innenpositionen 7. Nach Foucault müssen diese von Personen eingenommen werden, um intelligible Subjekte zu werden und damit im Diskurs gehört zu werden (Foucault 1981). Besonders deutlich wurde die Frage nach legitimem Sprechen sowie (Un-)Sagbarkeiten in der Debatte anhand der Reaktionen, die meiner Arbeit gegenüber gezeigt wurden. Diese bewegten sich entlang divergierenden Geschlechterwissens zwischen einem feministischen Schulterschluss und durchaus abgrenzenden Äußerungen. Gerade durch den diskursanalytischen Blick sollen diese vermeintlichen Grenzziehungen herausgefordert und aufgebrochen werden. An verschiedenen Stellen der Arbeit stellte sich für mich selbst als schreibende Autorin die Frage, wer spricht, wer wird gehört und welche Positionen bleiben im Verborgenen.
1.2 A ufbau der A rbeit Zur Beantwortung der Fragestellung wurde folgendes Vorgehen gewählt. Zu Beginn der Arbeit wird in Kapitel 2 eine ländervergleichende Verortung des Analysegegenstands vorgenommen. Dafür wird zuerst in Kapitel 2.1 die Einteilung von Schweden und Deutschland in gängigen Wohlfahrtsstaatstheorien ausgeführt. Daran anschließend werden die divergierenden gleichstellungspolitischen Ausrichtungen nachgezeichnet. In Kapitel 2.2 rückt die für beide Länder signifikante geschlechtsspezifische Arbeitsmarktsegregation in den Fokus. Diese hat sich im Laufe der Nationalstaatsgründung in westliche Wohlfahrtsstaaten eingeschrieben. Ergänzt werden die Ausführungen um einen Exkurs zu ›geistiger Mütterlichkeit‹ im elementarpädagogischen Bereich in Deutschland. In den beiden darauffolgenden Kapiteln werden die zentralen Eckpunkte der Debatten ›Männer in Kitas‹ sowie ›män i förskolan‹ skizziert (2.3.1/2.3.2). In Kapitel 2.4 wird zusammenfassend der Zusammenhang von Politik und Geschlecht als Ausgangspunkt der diskurstheoretischen Rahmung der Arbeit ausgeführt. 7 | Näheres zur Entwicklung eines diskurstheoretisch analytischen Fokus auf Sprecher*innenpositionen siehe Kapitel 3.1.3.
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In Kapitel 3 wird die theoretische Rahmung der Arbeit entwickelt. Dies erfolgt anhand der Verknüpfung eines diskurstheoretischen Zugangs mit gesellschaftstheoretischen Überlegungen. In Kapitel 3.1 werden das diskurstheoretische Wahrheits- und Wirklichkeitsverständnis expliziert und daran anschließend mit einem Griff in die ›diskursanalytische Werkzeugkiste‹ 8 zentrale Begrifflichkeiten der Arbeit ausgeführt. Ausgehend von der These, dass in der Debatte zentral Geschlecht und Männlichkeit verhandelt wird, rückt in Kapitel 3.2 die Regierung von Geschlecht in den Fokus. Verstanden wird dies als die Bereitstellung von vergeschlechtlichtem Macht/Wissen im Zusammenspiel divergierender staatlicher sowie zivilgesellschaftlicher Kräfteverhältnisse. Hervorgebracht werden vergeschlechtlichte Normierungen, die den Subjekten durch Regierungstechniken und Selbstführungstechniken eingeschrieben werden. Subjekte, wie in der vorliegenden Arbeit männliche Erzieher und deren Positionierung durch die Debatte, werden daran anknüpfend als Effekte staatlicher Macht gefasst. Ausgehend von diesen Überlegungen erfolgt in 3.3 die Formulierung der diskursanalytischen Fragestellung. In Kapitel 4 werden der methodologische Zugang und das daran anschließende methodische Vorgehen ausgeführt. In Anlehnung an Gasteiger (2008) wurde im Forschungsprozess eine ›detektivische Haltung‹ eingenommen (4.1). Im Weiteren wird das methodische sowie das analytische Vorgehen expliziert (4.2/4.3). Deutlich wurde im Laufe des Forschungsprozesses sowie der Korpusbildung, dass eine klare Trennung zwischen einem politischem und einem wissenschaftlichen Diskurs nicht möglich ist. Sowohl in Schweden als auch in Deutschland erfolgte eine Initiierung der Kampagnen auf politischer Ebene. Mit der Umsetzung wurden jedoch wissenschaftliche Institutionen9 beauftragt. Der Datenkorpus verortet sich damit an der Schnittstelle zwischen Politik und Wissenschaft. Neben Publikationen, die sich zwischen Politik und Wissenschaft bewegen, wurden in Deutschland drei und in Schweden sieben Expert*inneninterviews, mit zentralen Akteur*innen der Debatte an ebenjener Schnittstelle, geführt (4.2.1/4.2.3). Diese sind ebenso Teil des Datenkorpus. Als analytisches Vorgehen wurden im Sinne eines de-rekonstruktivistischen Forschens diskursanalytisch informierte Fragen an das Material gestellt (4.3). In den Kapiteln 5 bis 7 erfolgt die Ausführung der Ergebnisse der Diskursanalyse. Insgesamt kristallisierten sich im Laufe der Analyse mit Problematisierungen, Sprecher*innenpositionen sowie Subjektkonstitutionen drei Pers-
8 | Vgl. Kerchner und Schneider 2007. 9 | In Deutschland wurde die Koordinationsstelle ›Männer in Kitas‹ an der katholischen Hochschule in Berlin angesiedelt. In Schweden wurde der Zusammenschluss der Provinziallandtage und Kommunen (Sveriges Kommuner och Landsting, SKL) mit der Umsetzung betraut.
1. Einleitung
pektivierungen des Geschlechterdiskurses in der Debatte ›Männer in Kitas/ män i förskolan‹ heraus. In Kapitel 5 »›Männer in Kitas/män i förskolan‹ als diskursives Ereignis« rückt die Frage in den analytischen Fokus, wie beziehungsweise vor welchem Hintergrund die Debatte zu einem diskursiven Ereignis wurde. Anhand divergierender Problematisierungen wird aufgezeigt, wie sich ein diskursiver Raum des Sprechens zwischen Arbeitsmarkt- und Gleichstellungspolitik (5.2/5.3) eröffnet. Als signifikante Regelhaftigkeit zeigte sich die Gleichsetzung von ›Männern‹/Männlichkeit in einer Problematisierung ihrer Abwesenheit (5.1). Mit der Hervorbringung der Debatte ›Männer in Kitas/män i förskolan‹ eröffnet sich gleichzeitig ein diskursiver Raum des Sprechens. In Kapitel 6 »Sprechen zwischen Politik_Wissenschaft_Praxis« wird nachgezeichnet, welche institutionellen Plätze zwischen Politik und Wissenschaft eingenommen werden, um ein intelligibles Subjekt des Sprechens in der Debatte sein zu können (6.1). Daran anknüpfend stellt sich die Frage, wie sich divergierende Positionen des Sprechens in Beziehung zueinander setzen. Als signifikante Regelhaftigkeit wurde eine wissensvermittelnde Positionierung des Sprechens herausgearbeitet (6.3). Diese findet sich insbesondere im Sprechen über Praxis zwischen Politik und Wissenschaft (6.2). Auf die bisherigen Ergebniskapitel auf bauend geht es in Kapitel 7 »Widerstreitendes Macht/Wissen von Geschlecht« um die Frage, welches vergeschlechtlichte Macht/Wissen in der Debatte diskursiv produziert wird, und daran anknüpfend, welche vergeschlechtlichten Subjektkonstitutionen entlang der divergierenden Macht/Wissensordnung von Geschlecht hervorgebracht werden. Während in Kapitel 5 und 6 länderspezifische Rahmungen des Sagbaren herausgearbeitet werden, lassen sich zentrale Regelhaftigkeiten der Hervorbringung vergeschlechtlichten Macht/Wissens gleichermaßen in beiden Ländern finden. Deshalb wird in Kapitel 7 überwiegend auf eine länderspezifische Darstellung verzichtet. Ausgehend von der Frage nach vergeschlechtlichten Wahrheiten werden in Kapitel 7.1 die verschiedenen Formen von vergeschlechtlichtem Macht/Wissen expliziert, welche in der Debatte Wirkmächtigkeit erlangen. Wie sich eine Vergeschlechtlichung des Berufsfeldes auf mögliche und durchaus widerstreitende Männlichkeitskonstruktionen auswirkt, dem geht Kapitel 7.2 nach. Ebenso rücken die Effekte einer solchen Vergeschlechtlichung und abgrenzenden Forderung nach mehr Männern für Weiblichkeitskonstruktionen (7.3) wie für Forderungen nach einer Professionalisierung als Ent-Vergeschlechtlichung (7.3.1) in den Fokus. Die Bedeutung dieser vergeschlechtlichten Grenzziehungen für die Unterscheidung Privatheit und Öffentlichkeit vor dem Hintergrund einer öffentlichen, aber gleichzeitig feminisierten Fürsorge im elementarpädagogischen Bereich wird abschließend in 7.4 diskutiert.
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In Kapitel 8 erfolgt eine Zusammenführung der Ergebnisse. Ausgehend von länderspezifischen Unterschieden auf Ebene der Sagbarkeiten (8.1) werden zentrale Konfliktlinien in der Aushandlung vergeschlechtlichter Subjektkonstitutionen ausgeführt. Herausgearbeitet wird eine ambivalente Regierung von Geschlecht, in der vergeschlechtlichte Grenzziehungen entlang eines Kontinuums zwischen naturalisiertem sowie (de-)konstruktivistischem Macht/Wissen ausgehandelt werden (8.2). Ergänzt wird diese in einem abschließenden Schritt (8.3) um die Konstruktion von Arbeit, welche in Verknüpfung zu Geschlecht gleichzeitig hervorgebracht wird.
2. Ländervergleichende Verortung des Analysegegenstands
Schweden und die skandinavischen Länder werden insbesondere in Fragen der Gleichstellungspolitik oft als Best-Practice-Beispiele herangezogen. So entstand unter anderem das Elterngeld in Deutschland in Anlehnung an das schwedische Modell. Oft übersehen wird, dass Schweden eines der Länder Europas mit der höchsten horizontalen geschlechtsspezifischen Arbeitsmarktsegregation ist. Wie aufgezeigt, liegt auch hier, trotz massiver Anstrengungen auf politischer Ebene schon in den 1970er Jahren, die Anzahl männlicher Vorschullehrer bei knapp 3 %. Anknüpfend an diese Überlegungen erfolgt im Anschluss eine Einordnung der Debatte ›Männer in Kitas/män i förskolan‹ aus einer ländervergleichenden Perspektivierung. Mit Schweden und Deutschland wurde aus Sicht der ländervergleichenden Wohlfahrtsstaatsforschung eine kontrastierende Fallauswahl getroffen. Wie sich diese in gängigen wohlfahrtsstaatlichen Theoretisierungen widerspiegelt, wird zu Beginn des Kapitels expliziert. Daran anschließend rückt als länderübergreifende Gemeinsamkeit die Einschreibung vergeschlechtlichter Arbeitsmarktstrukturen in den Fokus. Sowohl in Schweden als auch in Deutschland wird Care-Arbeit1 überwiegend von ›Frauen‹ verrichtet. Die Rekrutierung von ›Männern‹ in den elementarpädagogischen Bereich wird daran anknüpfend als eine politische Strategie verstanden, diesem vergeschlechtlichten Gesellschaftsmuster entgegenzuwirken. Zusammenfassend stellt die Debatte ›Männer in Kitas/män i förskolan‹ eine Verflechtung von wohlfahrtsstaatlicher Politik und Geschlechterverhältnissen dar.
1 | Care-Arbeit ist »eine fürsorgliche Tätigkeit, also die Sorge um und die Sorge für Personen. Die Sorge um Personen meint, dass bei der Care-Arbeit immer emotionale Dimensionen beteiligt sind, während die Sorge für die Personen eher die konkreten Tätigkeiten der Versorgung umfasst« (Stiegler 2009, S. 27).
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2.1 V ergleichende W ohlfahrtsstaatsanalyse Mit Schweden und Deutschland als Länderauswahl wurde ein most different case design gewählt (Schneider/Janning 2006). Sowohl in der Wohlfahrtsstaats-Typologie von Esping-Andersen als auch in Geschlechterregime-Typologien werden Schweden und Deutschland kontrastierenden Typen zugeordnet. Schweden als Prototyp des sozialdemokratischen Wohlfahrtsregimes zeichnet sich durch universalistische Leistungen aus, die ein hohes Maß an Gleichheit gewähren sollen (Kulawik 2005, S. 6). Gleichzeitig gilt Schweden seit den 1970er Jahren als Beispiel für ein schwaches Ernährermodell (Lewis/Ostner 1994) beziehungsweise für ein Zwei-Verdiener-Modell (Björnberg 2004, S. 356). Deutschland ist dagegen ein prototypischer Fall eines konservativen Wohlfahrtsregimes mit stark erwerbsbezogenen sozialen Leistungen, die nur eine geringe Umverteilungswirkung haben (Esping-Andersen 1990). Gekoppelt ist dies an eine klare Rollenverteilung zwischen männlicher Erwerbsarbeit und weiblicher Hausarbeit, weshalb Deutschland lange als Beispiel für ein starkes Ernährermodell galt (Lewis/Ostner 1994). Erst in den letzten Jahren ist ein Wandel hin zu einem Zuverdienermodell zu erkennen, das sich durch das Leitbild der geteilten Elternschaft und die Erwerbstätigkeit beider Eltern auszeichnet 2 (Leitner 2008). Ebenso werden beide Länder unterschiedlichen Gleichstellungsregimen zugeordnet. Diese werden als historisch gewachsen und pfadabhängig verstanden (Wahl 2000, S. 283). Das sozialdemokratische Gleichstellungsregime, zu dem Schweden gezählt wird, ist durch eine egalitäre Geschlechterpolitik gekennzeichnet, die den Eintritt von ›Frauen‹ in den Arbeitsmarkt fördert sowie öffentliche soziale (Betreuungs)Einrichtungen zur Verfügung stellt. Dem entgegen steht der Typ des konservativen Gleichstellungsregimes. In Deutschland werden ›Männern‹ und ›Frauen‹ deutlich unterschiedliche Lebensbereiche zugewiesen. Dies führt zu einer geringen Bereitstellung öffentlicher Einrichtungen und einem erschwerten Arbeitsmarktzugang für ›Frauen‹ (ebd., S. 260f.). Allerdings ändert sich dies gegenwärtig durch die Einführung des Elterngelds und den Ausbau der Betreuungsplätze für unter Dreijährige (Ostner 2006). Lange Zeit war es vor allem in Deutschland gleichstellungspolitisches Ziel, ›Frauen‹ einerseits in den Arbeitsmarkt zu integrieren und andererseits den Zugang zu sogenannten ›Männerberufen‹ zu ermöglichen. Erst in den letzten Jahren rückt auch in der Gleichstellungspolitik verstärkt die Frage nach ›Männern‹ in den Fokus. Icken unterscheidet drei Phasen der deutschen Gleich2 | Im Gegensatz zu Westdeutschland entwickelte sich in Ostdeutschland, ebenso wie in Schweden, ein Zwei-Verdiener-Modell. Es wird jedoch davon ausgegangen, dass Genderideologien weitgehend erhalten blieben und dies keinen großen Einfluss auf die aktuelle Gleichstellungspolitik auf Bundesebene hat.
2. Länder vergleichende Veror tung des Analysegegenstands
stellungspolitik (Icken 2012a). In Deutschland wurde Gleichstellungspolitik erst in den 1980er Jahren auf bundespolitischer Ebene institutionalisiert. Die erste Etappe war explizite ›Frauenpolitik‹ mit dem Ziel, ›Frauen‹ vor Gewalt und Diskriminierung zu schützen sowie gleiche Rechte durchzusetzen. In den 1990er Jahren verschob sich der Schwerpunkt von ›Frauenpolitik‹ zu Gleichstellungspolitik. Daraus entwickelte sich das aktuelle Verständnis von Gleichstellungspolitik als »nachhaltige Politik der Chancengerechtigkeit für Frauen und Männer« (BMFSFJ 2012, S. 8). Ziel ist es, neben der Erhöhung der Chancengleichheit von ›Frauen‹ zunehmend Politiken für ›Männer‹ und ›Jungen‹ zu implementieren, um ihnen jenseits traditioneller und einengender Männlichkeitsentwürfe neue Perspektiven zu eröffnen (BMFSFJ 2012a; Cremers/ Krabel 2010; Icken 2012). Im Gegensatz zu Deutschland hat Schweden den Pfad Richtung Gleichstellung der Geschlechter bereits in den 1960er und 70er Jahren eingeschlagen (Jönsson 2005, S. 41). Es sollte ›Frauen‹ ermöglicht werden, erwerbstätig zu sein. Gleichzeitig war es Ziel, die Rolle von ›Männern‹ dahingehend zu verändern, dass diese mehr Verantwortung im Care-Bereich übernehmen (Bergman/Hobson 2002). Gleichstellungspolitik bedeutete die Abkehr vom Ernährermodell hin zu einem Zwei-Verdiener-Modell (Björnberg 2004, S. 356). Die 1990er Jahre waren durch eine Schwerpunktverlagerung geprägt, die Rolle von ›Männern‹ wurde aktiv in die Gleichstellungspolitik miteinbezogen und die Rolle des Vaters wurde in den Fokus gerückt (Bergman/Hobson 2002; Lundqvist 2011). In Schweden lässt sich ein historisch und kulturell gewachsenes, starkes gesellschaftliches Engagement für Geschlechtergleichheit erkennen (Kulawik 2005, S. 17). Doch trotz jahrzehntelanger Versuche, traditionelle Geschlechterrollen zu verändern und vergeschlechtlichte Strukturen aufzulösen, wird aktuell die Persistenz traditioneller Männlichkeitsideologien kritisch diskutiert (SOU 2010:53)3. Aus gleichstellungspolitischer Perspektive ist es Ziel, vergeschlechtlichte traditionelle Ideologien und strukturelle Barrieren abzubauen (ebd.). Obwohl Schweden seit den 1960er Jahren eine aktive Gleichstellungspolitik betreibt, führte der Übergang zur Dienstleistungsgesellschaft zu einer Verfestigung und Erhöhung geschlechtsspezifischer Arbeitsmarktsegregation. Schweden ist heute eines der Länder mit der höchsten Frauenerwerbstätigkeit, der Arbeitsmarkt ist jedoch massiv nach Geschlecht segregiert (Bothfeld et al. 2011; Rauhala 2009). Während in den 1950er Jahren in beiden Ländern von einem goldenen Zeitalter der Hausfrau gesprochen wurde, divergieren die weitere Entwicklung und aktuelle policies auf gleichstellungspolitischer Ebene. Es 3 | Statens offentliga utredningar (SOU) sind offizielle schwedische Regierungsberichte, in denen Ergebnisse von Untersuchungen, die von der Regierung in Auftrag gegeben wurden, zusammengefasst werden.
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scheinen unterschiedliche Geschlechterideologien4 zu dominieren (Diewald 2011): Die deutsche (Gleichstellungs-)Politik fokussiert auf die Unterschiedlichkeit der Geschlechter. Männerpolitik ist somit kein neu eingeschlagener Weg, sondern die Fortführung geschlechtsdifferenzierender Identitätspolitik (Diewald 2013). In Schweden wurde dagegen mit dem Leitmotiv der Jämställdhet (Gleichheit) eine gesellschaftsübergreifende Fokussierung institutionalisiert, die insbesondere geschlechtsspezifische Machtstrukturen in den Blick nimmt (Lundqvist 2011; SOU 2004: 115). Trotz dieser konträren Einordnung in verschiedene wohlfahrtsstaatliche Typologien sowie divergierenden gleichstellungspolitischen Ausrichtungen findet sich in beiden Ländern eine massive horizontale und vertikale geschlechtsspezifische Arbeitsmarktsegregation.
2.2 V ergeschlechtlichte A rbeitsmark tstruk turen Eine scheinbare Selbstverständlichkeit ist die Aufteilung des Arbeitsmarkts in sogenannte ›Männer- und Frauenberufe‹. Beide Berufsfelder scheinen sich komplementär und dabei ausschließend gegenüberzustehen. In dieser Ergänzung spiegeln sich die binären Zuschreibungen heteronormativer Zweigeschlechtlichkeit wider. ›Männerberufe‹ werden verstanden als professionelle Vollzeittätigkeiten. Im Gegensatz dazu gelten ›Frauenberufe‹ als Sackgassenberufe, in denen es nicht möglich ist, trotz Fort- und Weiterbildungen aufzusteigen, da entweder die Hierarchien sehr flach sind oder die Berufe als Assistenzberufe fungieren. Ein weiteres Kennzeichen ist ein uneindeutiger Berufscharakter. Die Tätigkeiten und deren Qualifikationsprofil verorten sich zwischen beruflicher Qualifizierung und Laienqualifikation. Diese Merkmale führen zu einem geringen beziehungsweise ambivalenten Ansehen der Berufe in der Gesellschaft (Rabe-Kleberg 1999, S. 95). ›Männer‹ und ›Frauen‹ haben somit in der Arbeitswelt unterschiedlich zu sein, »und wo es Angleichungen und Überschneidungen gibt, zum Beispiel beruflicher Art, werden symbolische oder räumliche Markierungen eingesetzt, um Differenz trotzdem sichtbar zu halten« (Heintz et al. 1997, S. 36). Dies können Uniformen sein, die die Unterschiedlichkeit der Geschlechter hervorheben, eine geschlechtsdifferenzierte Bezeichnung oder ein räumlich getrennter Arbeitsplatz (ebd.). Geschlechterstereotype werden somit viel mehr verstärkt als aufgelöst. 4 | Gesellschaften unterliegen einer vergeschlechtlichten Strukturierung, sie sind gekennzeichnet durch tief verwurzelte Geschlechterstereotype. Geschlechterideologien, die zumeist einer binären Konstruktion von Geschlecht folgen, sind die Grundlage für die Ausgestaltung elementarer Lebensbereiche, wie Arbeit und Familie (Charles 2005).
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Gayle Rubin betont anhand des »sameness taboo«, dass ›Männer‹ und ›Frauen‹ nicht gleich sein dürfen. Davon ausgehend, dass die Einteilung in zwei Geschlechter nicht naturgegeben sei, stellt sie schon 1975 fest, dass vor allem die Arbeitsteilung ›Frauen‹ und ›Männer‹ zu Unterschiedlichen mache (Wetterer 2008, S. 128). »The division of labor by sex can therefore be seen as a ›taboo‹: a taboo against the sameness of men and women, a taboo dividing the sexes into two mutually exclusive categories, a taboo which exacerbates the biological differences between the sexes and thereby creates gender […]. But they are not so different as day and night, earth and sky, yin and yang, life and death. In fact, from the standpoint of nature, men and women are closer to each other than either is to anything else – for instance, mountains, kangaroos, or coconut palms« (Gayle 1975, S. 178f.).
Durch die Arbeitsteilung wird demnach Geschlecht erst hergestellt (Gildemeister/Wetterer 1992). Dies deckt sich mit der »Ausgangsannahme einer feministischen Perspektive in der politischen Theorie […], dass Geschlecht Effekt von machtvollen Konstruktionsprozessen ist und als solches konstitutiv in die politische Ordnung moderner westlicher Gesellschaften eingeschrieben ist« (Bargetz et al. 2015, S. 15). Daran anschließend lässt sich für westliche Staaten eine vergeschlechtlichte Genealogie feststellen. Geschlecht, einer heteronormativen Logik folgend, wurde einerseits dem Nationalstaat eingeschrieben, andererseits ist es ein zentrales Merkmal kapitalistischer Produktionsweise. Ausgangspunkt ist der Entstehungsprozess der geschlechtsspezifischen Aufteilung der Gesellschaft sowie des Arbeitsmarkts zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Die Herausbildung der bürgerlichen Familie ging mit einer Aufteilung in einen weiblich konnotierten privaten, nicht öffentlichen Bereich, in dem Haus- und Reproduktionsarbeit geleistet wird, und einem öffentlichen, nach außen gerichteten Bereich, der durch männliche Erwerbsarbeit gekennzeichnet ist, einher (Rabe-Kleberg 2006, S. 98; Hausen 2007, S. 173ff.). Diese Binarität kennzeichnet bis heute die gesellschaftliche Arbeitsteilung. Das sogenannte Normalarbeitsverhältnis, das heißt eine dauerhafte Vollzeitbeschäftigung mit umfangreicher sozialer Absicherung, ist vorrangig meist gewerkschaftlich organisierten, weißen, männlichen Arbeitnehmern vorbehalten (Candeias 2004, S. 398). »Historisch gesehen sind im Zuge von Industrialisierung und Modernisierung bestimmte von Frauen […] im Familienkontext oder im Ehrenamt erbrachte Dienstleistungen zwar ins Erwerbssystem transferiert und auch ein Stück weit transformiert worden […]; es erfolgte jedoch keine vollständige Verberuflichung« (Gottschall 1995, S. 128). Die Herausbildung typischer ›Frauenberufe‹ ging mit einer vergeschlechtlichten Hierarchisierung und Differenzierung des Arbeitsmarkts einher (ebd.).
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In dieser dem Nationalstaat eingeschriebenen heteronormativen Trennung der öffentlichen Produktions- und der privaten Reproduktionssphäre (Bargetz et al. 2015, S. 16) verortet sich die (politische) Debatte um ›Männer in Kitas/ män i förskolan‹. Mit dem Versuch, ›Männer‹ in diesen beruflichen Bereich zu integrieren, erfolgt aus gesellschaftstheoretischer Sicht die Infragestellung jahrzehntelanger tradierter diskursiver Macht/Wissensverhältnisse, die sich in einer hierarchisierten Berufs- und vor allem in Geschlechterordnungen materialisiert und institutionalisiert haben. »Wenn Sie sagen, das System des familiären Daseins, der Erziehung, der auf das Kind verwendeten Sorge bringe das Begehren des Kindes dazu, als erstes – als zeitlich erstes – Objekt die Mutter zu wählen, so kann ich Ihnen zustimmen. Denn dann sprechen wir über die geschichtliche Struktur der Familie, der Pädagogik, der auf das Kind verwandten Sorge. Wenn Sie aber sagen, die Mutter sei das Urobjekt, das wesentliche Objekt, das fundamentale Objekt, das ödipale Dreieck sei charakteristisch für die Grundstruktur des menschlichen Daseins, dann sage ich nein« (Foucault 2003a, S. 130).
An dieser Aussage Foucaults setzt die zentrale Annahme der Arbeit an, dass der Zusammenhang zwischen Geschlecht und Arbeit 5 und damit Geschlechterverhältnisse permanent diskursiv (re-)produziert werden. Wie im Vorhergehenden gezeigt, wird schon seit längerem eine Diskussion um den Wandel von Geschlechterverhältnissen geführt. Zentrale Themen sind die Veränderung von Männlichkeit, unter anderem hervorgerufen durch die Erosion männlicher Normalarbeitsverhältnisse, sowie das Erstarken weiblicher Positionen auf dem Arbeitsmarkt. Die tradierten Ausgangsbedingungen für geschlechtsspezifische Arbeitsmarktsegregation scheinen sich zu verändern und vergeschlechtlichte Macht/Wissenskomplexe werden neu ausgehandelt. Ein zentraler Ort der Einflussnahme auf vergeschlechtlichte Arbeitsmarktstrukturen sind gleichstellungpolitische Programme. Welche Versuche auf politischer Ebene unternommen werden, diese vergeschlechtlichten Strukturen aufzubrechen, wird im Folgenden genauer ausgeführt. Damit rückt auch die Frage nach Geschlechter- beziehungsweise Männlichkeitskonstruktionen und vergeschlechtlichter Identität in den Fokus. Die Debatte zu ›Männern‹ im elementarpädagogischen Bereich wird mit dieser Arbeit in Auseinandersetzungen zur Gleichstellung von ›Männern‹ auf nationaler und internationaler Ebene verortet.
5 | Der Geschlechterforschung liegt ein weiter Arbeitsbegriff zugrunde. »Arbeit umfasst die bezahlte und die unbezahlte Arbeit, also die Erwerbs-, Haus-, Eigen-, Subsistenz-, Freiwilligenarbeit, das Ehrenamt und zivilgesellschaftliches Engagement« (Aulenbacher 2013, S. 36).
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E xkurs: geistige Mütterlichkeit Mütterlichkeit war in Deutschland eine zentrale Argumentationsfigur bei der Debatte um die Entstehung professioneller Frauenberufe. Helene Lange und ihre Mitstreiterinnen benutzten das Konzept der ›geistigen Mütterlichkeit‹, um die genderspezifische Professionalisierung der Kinderbetreuung zu legitimieren (Rabe-Kleberg 2009, S. 215). »The idea was to make motherliness a more or less gender-specific form of professional competence« (ebd.). Unter Mütterlichkeit wurde die Fähigkeit und Bereitschaft zu emotionaler Nähe und Bindung sowie zu Geduld und Zurückhaltung verstanden (Rabe-Kleberg 2006, S. 100). Diese einseitige Zuschreibung sicherte nicht nur die hierarchischen Geschlechterstrukturen, sondern beschränkte auch die männliche Kompetenzentwicklung. Mütterlichkeit wurde zu einer zentralen Ressource im Erzieher*innenberuf. »Mutter als bildungsbürgerlicher ›Beruf‹ mit der Entwicklung spezifischen Wissens und komplexer Kompetenzen (›Mütterlichkeit‹) wurde im Genderkontext zu einer allgeblichen allen Frauen anhängenden Fähigkeit sozialisiert, schon bald auch als Teil der weiblichen Natur verstanden« (Rabe-Kleberg 2006, S. 101).
Die Verantwortung wurde nicht ›Frauen‹, sondern explizit Müttern eingeschrieben (ebd.). In Bezug auf den Erzieher*innenberuf stellt Mütterlichkeit einerseits eine allgemeine menschliche Fähigkeit, andererseits eine reflexive Kompetenz dar. Diese Diskrepanz zwischen natürlicher Mütterlichkeit und professionellem reflektiertem Handeln kennzeichnet bis heute den Erzieher*innenberuf. Es lässt sich eine immer noch starke Verknüpfung zwischen Mütterlichkeit und Erziehen als Profession in Deutschland erkennen (RabeKleberg 2006; 2009). Ähnliches lässt sich für Schweden proklamieren. Obschon bei Sozialstaatsgründung eine stärkere Fokussierung auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erkennen ist, erfolgte auch hier eine Gleichsetzung von ›Frauen‹ und Mutterschaft (Kulawik 1999, 2005). »In addition, child care has been seen as a natural feminine pursuit, rather than as work, and the actual caring often takes place in private homes« (Nyberg 2000, S. 6).
2.3 D ie R ekrutierung von ›M ännern ‹ in den elementarpädagogischen B ereich In den letzten Jahren ist die Forderung nach (mehr) ›Männern‹ im elementarpädagogischen Bereich zu einer internationalen Debatte angewachsen. Zurückführen lässt sich dies unter anderem auf das von der Europäischen
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Union festgelegte Ziel, den Anteil männlicher Pädagogen in frühkindlichen Bildungseinrichtungen auf 20 % zu steigern (Netzwerk der Europäischen Kommission für Kinderbetreuung 1996). Mittlerweile ist die Rekrutierung von ›Männern‹ auf nationaler sowie auf internationaler Ebene6 ein viel diskutiertes sowie beforschtes Feld7.
2.3.1 ›Männer in Kitas‹ In Deutschland verortet sich die Debatte ›Männer in Kitas‹ auf politischer Ebene im Bereich der Gleichstellungspolitik 8, welche als eine Politik »der Geschlechtergerechtigkeit für Frauen und Männer« (Icken 2012a, S. 335) verstanden wird und als Weiterentwicklung der bis dato vorherrschenden Gleichstellungspolitik mit einer Fokussierung auf ›Frauen‹ gilt (ebd.). Das erste Mal wurde eine explizite Politik für ›Männer‹ im Koalitionsvertrag der schwarz-gelben Koalition von 2009 bis 2013 festgeschrieben. Dort heißt es: »Wir wollen eine eigenständige Jungen- und Männerpolitik entwickeln und bereits bestehende Projekte für Jungen und junge Männer fortführen und intensivieren. Damit eröffnen wir ihnen auch in erzieherischen und pflegerischen Berufen erweiterte Perspektiven« (Koalitionsvertrag 2009, S. 75). Auf einer institutionell/organisationalen Ebene wurde dies durch die Einrichtung des Referats 415 ›Gleichstellungspolitik für Jungen und Männer‹ in der Abteilung ›Gleichstellung und Chancengleichheit‹ des BMFSFJs umgesetzt (Icken 2012, S. 19)9. Die Debatte ›Männer in Kitas‹ wird damit zu einer Form expliziter Männerpolitik. 6 | Internationales Forschungsnetzwerk SIG »Gender Balance« im Rahmen der EECERA (www.eecera.org/networks/sigs/gender-balance/). 7 | Einen umfassenden Überblick über internationale Entwicklungen bietet der Beitrag »Männer in der Elementarpädagogik: Ein aktueller internationaler Überblick« (Rohrmann 2012a). 8 | In Deutschland liegt die Zuständigkeit der Kinderbetreuung bei der Kinder- und Jugendhilfe. Geregelt ist diese im SGB VIII (Kinder- und Jugendhilfegesetz/K JHG). Der Bereich der Bildung unterliegt der Kompetenz der 16 Bundesländer. In Bezug auf die Kindertagesbetreuung hat die Bundesregierung Anregungskompetenz, zuständig ist hier das Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ). Dies bedeutet, dass gesetzliche Vorgaben auf Ebene des Bundes im Länderrecht umgesetzt werden müssen. Für die Bereitstellung der Finanzen und die Durchführung der gesetzlichen Erlasse und Politiken sind jedoch die Kommunen zuständig (vgl. Oberhuemer/ Schreyer 2010, S. 70). »So tragen die Bundesregierung, die Bundesländer und die Kommunen jeweils einen Teil der Gesamtverantwortung für die Kindertagesbetreuung« (ebd.). 9 | Aus einer diskursanalytischen Perspektivierung vergleiche hierzu Kapitel 5.
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In einem Artikel der Wochenzeitschrift DIE ZEIT äußerte sich die ehemalige Familienministerin10 Kristina Schröder dazu wie folgt: »Richtig ist, dass die Regierung erstmals ausdrücklich eine Jungen- und Männerpolitik betreiben wird. Einmal, weil eine moderne Familienpolitik ohne Männer nicht funktioniert. Zum anderen wissen wir, dass nicht mehr wie früher die Mädchen, sondern Jungen die Problemkinder sind. […] Das schlechtere Abschneiden von Jungen liegt unter anderem daran, dass Kindergärten und Schulen weiblich dominiert sind« (Kristina Schröder (CDU), Bundesfamilienministerin (DIE ZEIT, 22.04.2010 zitiert nach Hurrelmann et al. 2012, S. 17)).
In Anlehnung an Lepperhoff (2010) lässt sich die Debatte ›Männer in Kitas‹ in divergierenden Strömungen der deutschen Gleichstellungspolitik verorten. Wirkmächtig werden einerseits die Strategie des Gender Mainstreaming der rot-grünen Bundesregierung und andererseits die identitätspolitische Ausrichtung der Jungen- und Männerpolitik, angestoßen durch die große Koalition 2005 bis 2009 (Lepperhoff 2010). Eine erste wegweisende Studie, die auch in der vorliegenden Diskursanalyse als Schlüsseldokument fungiert, war das Forschungsprojekt »Männer in der Ausbildung zum Erzieher und in Kindertagesstätten«, das 2008 bis 2010 an der katholischen Hochschule für Sozialwesen in Berlin durchgeführt wurde11. Gefragt wurde unter anderem nach der gesellschaftlichen Akzeptanz männlicher Erzieher, nach Strategien zur Erhöhung des Männeranteils und nach den organisationalen Rahmenbedingungen. Ein zentrales Ergebnis der Studie ist, dass ›Männer‹ in Kitas sich großer Erwünschtheit erfreuen, sowohl bei den Eltern als auch den Erzieher*innen. Daran anknüpfend wurden abschließend Handlungsempfehlungen ausgesprochen, die teilweise im Bundesprogramm »Mehr Männer in Kitas« umgesetzt wurden (Cremers/Krabel 2010). Als Teil des Bundesprogramms beschäftigte sich die Dresdner Studie »Tandem – ein Forschungsprojekt zu Frauen und Männern in der Elementarpädagogik« von 2010 bis 2014 mit der Frage nach geschlechterdifferentem Verhalten von Personal in der elementarpädagogischen Praxis (Brandes 2014). Ein weiterer Bestandteil des Bundesprogramms ›Mehr Männer in Kitas‹ waren das eingangs erwähnte ESF-Modellprogramm ›MEHR Männer in Kitas‹ mit den 16 Mo10 | Kristina Schröder (CDU) war Bundesfamilienministerin von 2009 bis 2013. Seit 2013 ist das ›Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend‹ mit Manuela Schwesig unter SPD-Führung. Die Studie zu ›Männern in Kitas‹ wurde schon 2008 von der damaligen Ministerin Ursula von der Leyen (CDU) im Rahmen einer großen Koalition (CDU/CSU und SPD) auf den Weg gebracht. 11 | »Männliche Fachkräfte in Kindertagesstätten – Eine Studie zur Situation von Männern in Kindertagesstätten und in der Ausbildung zum Erzieher« (Cremers/Krabel 2010).
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dellprojekten, die in mehr als 1300 Kitas durchgeführt wurden. Als zentrale Vermittlungsinstanz wurde an der katholischen Hochschule Berlin die Koordinationsstelle ›Männer in Kitas‹ eingerichtet. Diese »hat die Aufgabe, die verschiedenen Akteure in diesem Feld zu vernetzen, Forschungslücken zu identifizieren, selbst zur Forschung beizutragen und dem Zusammentragen und Verbreiten von Informationen zu dienen« (Icken 2012a, S. 343). Ein weiteres Teilprojekt der gleichstellungspolitischen Gesamtinitiative war das sogenannte Quereinsteigerprogramm. Ziel war es, in Zusammenarbeit mit den Ländern sowie der Bundesagentur für Arbeit, (arbeitslosen) ›Männern‹, die bereits Berufserfahrung besaßen und geeignet waren, den Quereinstieg in das Berufsfeld zu ermöglichen (Icken 2012a, S. 343f.). Aus diesem Teilprojekt resultierte das ebenso vom Europäischen Sozialfonds geförderte Nachfolgeprojekt »Quereinstieg – Männer und Frauen in Kitas«. Dieses ist an der ›Koordinationsstelle Chance Quereinstieg‹12 angesiedelt. Insgesamt wurde das Bundesprogramm ›Mehr Männer in Kitas‹ vom Europäischen Sozialfonds sowie vom BMFSFJ mit 15,2 Millionen Euro gefördert. Deutlich wird anhand der Ausführungen die politische Verankerung der Debatte ›Männer in Kitas‹ in geschlechterpolitischen Auseinandersetzungen. Demgegenüber steht die wissenschaftliche Auseinandersetzung, die sich vor allem im deutschsprachigen Raum überwiegend in der elementarpädagogischen Praxis verortet. Nach Budde et al. (2014) ist es auffallend, »dass der Diskurs um Männlichkeiten in pädagogischen Institutionen zumindest vordergründig vorwiegend als bildungspolitischer und kaum als geschlechterpolitischer Diskurs geführt wird. Zum Beispiel geht es um Bildungschancen für Jungen, nicht aber um eine Veränderung der geschlechtsspezifischen Segregation des Arbeitsmarktes, in dem Geschlechterhierarchien nach wie vor (re-)produziert werden« (Budde et al. 2014, S. 11).
In den Fokus aktueller Forschungsprojekte rücken Fragen nach dem Zusammenhang zwischen Geschlecht, pädagogischem Handeln und Bildungserfolg. Ein Forschungsprojekt, das sich mit der Konstruktion von Männlichkeit im praktischen Handeln auseinandersetzt, ist die Dissertation von Buschmeyer mit dem Titel »Zwischen Vorbild und Verdacht. Wie Männer im Erzieherberuf Männlichkeit konstruieren«. Anhand qualitativer Interviewstudien mit männlichen Erziehern bildet Buschmeyer divergierende Männlichkeitstypen heraus, die Erziehern zur Verfügung stehen (Buschmeyer 2013). Aus einer etwas anderen Perspektivierung näherte sich das Forschungsprojekt »Frühpädagogische Professionalisierung in Genderperspektive« der Universität Halle-Wittenberg der Thematik an. In Anlehnung an eine Teilakademisierung 12 | Vormals Koordinationsstelle Männer in Kitas.
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der Frühpädagogik wird nach einem Zusammenhang zwischen Professionalisierung und Geschlecht gefragt (Pasternack/Keil 2013)13. Ebenso eine professionstheoretische Sichtweise nimmt die Studie »Männer in Kindertageseinrichtungen. Eine rekonstruktive Studie über Geschlecht und Professionalität« ein (Breitenbach et al. 2015). Gefragt wird anhand biografischer Interviews nach dem Zusammenhang zwischen den biografischen Erfahrungen männlicher Erzieher und einem professionell pädagogischen Handeln. Aus einem diskursanalytischen Blickwinkel nähern sich Fegter14 sowie Rose und Stibane der Debatte um ›Männer in Kitas‹ an. In ihrer Dissertation »Die Krise der Jungen in Bildung und Erziehung. Diskursive Konstruktion von Geschlecht und Männlichkeit« (Fegter 2012) analysiert Fegter die diskursive Reproduktion der Ordnung von Geschlecht und Männlichkeit. Rose/Stibane arbeiten in ihrer Untersuchung »Männliche Fachkräfte und Väter in Kitas. Eine Analyse der Debatte und Projektpraxis« divergierende Argumentationsfiguren heraus, die der Debatte zugrunde liegen. Ebenso erfolgt eine Dokumentenanalyse aktueller Praxisprojekte (Rose/Stibane 2013).
2.3.2 ›män i förskolan‹ Im Gegensatz zu den meisten europäischen Ländern wurde in Schweden schon in den 1970er Jahren eine Debatte zur Erhöhung männlicher Erzieher geführt15. Ziel der Auseinandersetzung war es, die Anzahl von ›män i barnomsorgen‹16,17 zu erhöhen und gleichzeitig zu mehr Gleichstellung beizu13 | Neben Deutschland wurden im deutschsprachigen Raum insbesondere in Österreich und in der Schweiz Forschungsprojekte zu männlichen Erziehern durchgeführt. In Österreich »Elementar – Männer in der pädagogischen Arbeit mit Kindern« sowie die Schweizer Studie »Puppenstuben, Bauecken und Waldtage: (Un)doing gender in Kinderkrippen« (vgl. http://mika.koordination-maennerinkitas.de/forschung/abgeschlosse ne-forschungsprojekte/). 14 | Ein weiteres Forschungsprojekt, das mit einer Laufzeit von zwei Jahren (20162018) an der TU Berlin angesiedelt ist, beschäftigt sich mit »(Neu)Ordnungen professioneller Sorge und Geschlecht. Zur Forderung nach ›mehr Männern‹ in Kitas aus Perspektive der Professionellen«. 15 | Im Gegensatz zu aktuellen Auseinandersetzungen, die meist von bürgerlich-konservativen Regierungen initiiert werden, war es in Schweden in den 1970er Jahren eine sozialdemokratische Regierung, die eine geschlechtsunspezifische Berufswahl forcierte (Hedlin 2011). 16 | Männer in der Kinderfürsorge. 17 | Mit dem Zuständigkeitswechsel für die Kinderbetreuung im Juli 1996 vom Gesundheits- und Sozialministerium zum Ministerium für Bildung und Wissenschaft änderte sich die Bezeichnung für Kinderbetreuung von daghem (Kindergarten) zu förskola (Vor-
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tragen (Wernersson/Lander 1979; Hedlin/Åberg 2012). Um dies zu erreichen, wurde in den 1970er Jahren unter anderem eine Quotenreglung verabschiedet. »During the 1970s, to make seats for male applicants who did not have sufficient merits to be admitted to preschool teacher education in the usual way, so-called free quota were used« (Hedlin/Åberg 2012, S. 150). Tatsächlich führte dies zu signifikant mehr Männern in diesem Bereich. Dieser Erfolg hielt jedoch nur für kurze Zeit und hatte somit keinen gesellschaftsverändernden Charakter (Hedlin/Åberg 2012; Pagels 2010, S. 31). Vielmehr trugen die Auseinandersetzungen zur Reproduktion traditioneller Geschlechterverhältnisse bei (Flising 2007). Dies steht im Gegensatz zur Zielsetzung des Lehrplans der schwedischen Vorschulen: »The ways in which adults respond to boys and girls, as well as the demands and requirements imposed on children contribute to their appreciation of gender differences. The preschool should work to counteract traditional gender patterns and gender roles. Girls and boys in the preschool should have the same opportunities to develop and explore their abilities and interest without having limitations imposed by stereotyped gender roles« (Skolverket 2006, S. 4).
Deutlich wird anhand des nationalen Lehrplans, dass schon Vorschulen in Schweden als gleichstellungspolitische Arenen verstanden werden (Eidevald/ Lenz Taguchi 2011, S. 19ff.). Die Rekrutierung von ›Männern‹ in die Vorschule wird dabei als einer von mehreren Punkten zur Erreichung von Gleichstellung gesehen (SOU 2004:115). Zwar gab es schon 2008 eine Forderung des damaligen Bildungsministers Jan Björklund sowie der Gleichstellungsministerin Nyamko Sabuni18, die Anschule) (Bergqvist/Nyberg 2002, S. 294). Ziel war es, das pädagogische Profil der Kinderbetreuung zu schärfen und ein universales Vorschulsystem zu gewährleisten. Schule und Kinderbetreuung wurden einem Ministerium unterstellt. »Legislation for the whole child care sector has been brought into the School Act and the National Agency for Education has the supervisory responsibility« (ebd.). 18 | Von 2006 bis 2014 war Fredrik Reinfeldt schwedischer Ministerpräsident. Er regierte unter dem Zusammenschluss der konservativen Parteien (Moderate Sammlungspartei, Volkspartei, Zentrumspartei sowie die Christdemokraten) zur sogenannten schwedischen Allianz. Von 2006 bis 2010 hatte diese die Mehrheit im schwedischen Reichstag. Aufgrund des Erstarkens der rechtsgerichteten Schwedendemokraten verlor die Allianz 2010 bis 2014 die Mehrheit, woraus eine Minderheitsregierung resultierte. Seit 2014 ist Stefan Löfven Ministerpräsident in einer Minderheitsregierung von der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei sowie der Umweltpartei die Grünen. In der Regierung Reinfeldt war Gleichstellung dem Bildungsministerium (utbildningsdepartemente) zugeteilt. Minister hierfür war Jan Björklund (Volkspartei). Ministerin für
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zahl von ›Männern‹ in Schulen zu erhöhen, doch wurde die Debatte zu ›män i förskolan‹ erst 2011 auf die (politische) Agenda gesetzt (Hedlin/Åberg 2012, S. 149). Unter anderem wurde von Regierungsseite die Studie »Män i förskolan – kartläggning och analys av insatser« in Auftrag gegeben. Diese wurde von 2011 bis 2012 an der Högskolan Väst durchgeführt und befasste sich auf der Basis von quantitativen und qualitativen Erhebungen mit aktuellen Daten sowie Strategien in Bezug auf die Erhöhung der Anzahl männlicher Mitarbeiter (Wernersson/Granbom 2012). Mit einem personellen Wechsel im Gleichstellungsministerium rückte die Debatte um ›Männer‹ in Vorschulen in Schweden noch deutlicher in den politischen Fokus. Nach ihrem Amtsantritt im Januar 2013 äußerte sich die neue Gleichstellungsministerin Maria Arnholm in der überregionalen schwedischen Tageszeitung Dagens Nyheter in Bezug auf die Rekrutierung von ›Männern‹ in die Vorschule wie folgt: »Ich denke dabei an eine nationale Strategie um den Anteil der Männer in den Vorschulen zu erhöhen und es wäre schön dies gemeinsam mit Schwedens Kommunen und Provinziallandtagen zu tun und vielleicht auch mit den Hochschulen und Universitäten. Und eine gemeinsame Strategie zu entwickeln, sagt sie. Sie betont, wie wichtig es für kleine Kinder ist, sich mit etwas identifizieren zu können, Vorbilder zu haben und der Vielfalt zu begegnen, was sowohl die Geschlechterrollen betrifft als auch anderes. Das ist, laut ihr, notwendig um zu erfahren, welche Möglichkeiten es gibt, wenn man sich als Mensch und Individuum entwickelt« (Dagens Nyheter 2013/eigene Übersetzung) 19.
Die im Zeitungsinterview angekündigte nationale Strategie wurde mittlerweile in Zusammenarbeit mit dem Zusammenschluss der schwedischen Provinziallandtage und Kommunen (Sveriges kommuner och landsting SKL 20) Gleichstellung war von 2010 bis 2013 Nyamko Sabuni sowie von 2013 bis 2014 Maria Arnholm. Mit dem Regierungswechsel von 2014 wechselte die Zuständigkeit für Gleichstellung zum Sozialministerium (Socialdepartement), momentan ist Åsa Regnér (Sozialdemokratische Arbeiterpartei) schwedische Gleichstellungsministerin. 19 | »Jag tänker mig en nationell strategi för att öka andelen män i förskolan och det vore fint att göra det ihop med Sveriges kommuner och landsting och kanske ihop med lärosätena. Och göra en gemensam strategi, säger hon. Hon lyfter fram hur viktigt det är för små barn att kunna identifiera sig, få förebilder, möta mångfald både könsmässigt och på andra sätt. Det behövs, anser hon, för att se vad som är möjligt när man håller på att utvecklas som människa och individ« (Dagens Nyheter 2013). 20 | »The Swedish Association of Local Authorities and Regions, SALAR, is both an employersʼ organisation and an organisation that represents and advocates for local government in Sweden. All of Sweden’s municipalities, county councils and regions are
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umgesetzt. Seit 2014 gibt es in folgenden sieben Kommunen Bestrebungen, den Anteil männlicher Erzieher zu erhöhen: Arjeplog, Umeå, Eskilstuna, Jönköping, Vänersborg, Borås und Malmö (SKL 2016). Ebenso wie in Deutschland ist es neben der Umsetzung von Praxisprojekten Ziel, wissenschaftliche Erkenntnisse zu erlangen. Unter anderem wurde im Rahmen des Projekts eine Übersicht der Forschung zu ›män i förskolan‹ in den letzten 10 bis 15 Jahren erstellt (Heikkilä 2015b). Auch in der schwedischen Auseinandersetzung verorten sich Forschungsarbeiten überwiegend in der Praxis. In einer Interviewstudie mit ›Männern‹, die als Vorschullehrer arbeiten beziehungsweise gearbeitet haben, geht Eidevald der Frage nach, warum ›Männer‹ sich für den Beruf als Vorschullehrer entscheiden und was Gründe sind, nicht in diesem zu verbleiben (Eidevald 2014). Ebenso beschäftigen sich Heikkilä und Hellmann im Rahmen einer qualitativen Interviewstudie mit der Frage nach der Konstruktion von Männlichkeit, von ›Männern‹, die sich für den Beruf des Vorschullehrers entschieden haben (Heikkilä/Hellman 2016). Aus einer kritischen Perspektive setzt sich der internationale Sammelband »Men, masculinities and teaching in early childhood education. International perspectives on gender and care« (Brownhill et al. 2015) mit der Thematik auseinander. Hervorgehoben werden in diesem bis dato nur wenig beachtete länderspezifische Unterschiede. »For example, there is a striking contrast between the UK’s policy rhetoric about a need for male role models (assumed to provide patterns of manliness) compared with policy discourse in Sweden about ECE staff as gender-neutral professionals« (Warin/Wernersson 2015, S. 2). Deutlich wird daran anknüpfend, dass bei näherer Betrachtung die vermeintliche Eindeutigkeit der Forderung nach (mehr) ›Männern‹ und damit die Erhöhung der Anzahl männlicher Erzieher brüchig wird.
2.4 P olitik und G eschlecht Wie aufgezeigt wurde, wurde in den letzten Jahren sowohl in Schweden als auch in Deutschland eine Auseinandersetzung zu ›Männern‹ im elementarpädagogischen Bereich auf die politische Agenda gesetzt. In beiden Ländern werden divergierende Strategien verfolgt, um die Anzahl männlicher Mitarbeiter zu erhöhen. Insbesondere in Deutschland wurde die Forderung nach mehr ›Männern‹ im elementarpädagogischen Bereich zu Beginn oftmals mit einer Krise von
members of SALAR. SALAR represents and acts on their initiative.« (https://skl.se/ tjanster/englishpages.411.html).
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›Jungen‹ verbunden. Die Anwesenheit von männlichen Pädagogen21 wird als gleichstellungspolitisches Moment verstanden, um eine Chancengleichheit für ›Jungen‹ zu gewähren. In den Fokus rücken auf dieser Ebene bildungspolitische Fragestellungen. Verortet in der vergleichenden Wohlfahrtsstaatsforschung wird jedoch deutlich, dass in der Debatte ›Männer in Kitas/män i förskolan‹ vielmehr eine tradierte vergeschlechtlichte Gesellschaftsordnung in Frage gestellt wird. In den Fokus politischer Auseinandersetzung rückt die in klassischen Wohlfahrtsstaatstheorien oftmals ausgeblendete Reproduktionsarbeit. Die Debatte beinhaltet damit die Forcierung einer Neuordnung von Arbeitsmarktstrukturen und Geschlechterverhältnissen. Durch die Debatte erfolgt eine Relevanzsetzung des Geschlechts der Mitarbeiter*innen im elementarpädagogischen Bereich. Fragen, die im Zusammenhang mit der vergeschlechtlichten Personalstruktur aus unterschiedlichen Perspektiven, wie Politik, Wissenschaft oder Praxis, immer wieder gestellt werden, sind, warum sich nur so wenige ›Männer‹ für diesen Beruf entscheiden. Was fehlt in diesem traditionell ›weiblich‹ geprägten Bereich, wenn keine ›Männer‹ da sind? Inwiefern würde die Anwesenheit von ›Männern‹ zur Veränderung von Geschlechterverhältnissen und damit zu mehr Gleichstellung führen? Implizit ist diesen Fragen, wie in der Arbeit gezeigt wird, eine Auseinandersetzung mit der Konstruktion von Geschlechterverhältnissen. Aufgrund der im Vorhergehenden skizzierten Forschungsergebnisse und der daran anschließenden Frage nach der Hervorbringung von Geschlecht wird in der Arbeit das Zusammenspiel von Politik und der Konstruktion von Geschlechterverhältnissen aus einer poststrukturalistischen Perspektivierung betrachtet. Gefragt wird nach der diskursiven Konstruktion von Geschlecht, die gedacht wird als Verknüpfung staatlicher Macht und der diskursiven Hervorbringung vergeschlechtlichter Subjektkonstitution. »Erst wenn eine vorangehende sozialwissenschaftliche Problemstellung diskursive Praktiken und Diskursordnungen als Teil eines Problemzusammenhangs annimmt, eröffnet sich die diskursanalytische Dimension« (Diaz-Bone 2007, S. 79). In Anlehnung an Diaz-Bone sowie ausgehend von den sozialwissenschaftlichen Vorüberlegungen zu der Debatte immanenten Verflechtung von Politik und Geschlecht wird im Folgenden die diskursanalytische Dimension der Arbeit expliziert.
21 | Die Debatte wird sowohl für den elementarpädagogischen Bereich als auch für die Grundschule geführt (vgl. Baar 2010).
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3. Diskursanalyse//Gesellschaftsanalyse Wie im vorhergehenden Kapitel ausgeführt, ist es Ziel der Arbeit, den Geschlechterdiskurs in der als politisch verstandenen Debatte um ›Männer‹ im elementarpädagogischen Bereich zu de- und damit auch zu rekonstruieren. Ausgehend von Diskursanalyse, verstanden als machtkritisches Projekt der Gesellschaftsforschung, setzt sich die Arbeit mit der Frage der Herstellung und Legitimation einer binären Geschlechterordnung in der ›Debatte Männer in Kitas/män i förskolan‹ auseinander. Herausgearbeitet wird die Einschreibung einer heteronormativen Zweigeschlechtlichkeit in wohlfahrtsstaatliche Politiken. Geschlecht wird als situierte Wissensordnung verstanden, die durch Selbst- und Fremdführungstechnologien den Subjekten eingeschrieben ist. Diese situierte Wissensordnung wird in Diskursen beständig hergestellt, reproduziert und modifiziert. Nach Diaz-Bone können Diskursanalysen zweierlei in den Fokus stellen. Einerseits versuchen diskursanalytische Fragestellungen »zu rekonstruieren, wie der Ermöglichungszusammenhang von diskursiven und nicht-diskursiven Praktiken entstanden ist und oftmals auch warum er sich verändert« (Diaz-Bone 2006, S. 257). Andererseits können Diskursanalysen »aber auch (international oder über verschiedene Felder hinweg) vergleichend Wissensordnungen analysieren und ihre Unterschiedlichkeit soziologisch zu erklären versuchen« (ebd.). Die Arbeit setzt an letzterer Überlegung an. Jedoch geht es nicht (nur) darum, Unterschiedlichkeiten zwischen den länderspezifischen Geschlechterdiskursen herauszuarbeiten, vielmehr stellt sich auch die Frage nach diskursiven Ähnlichkeiten. Nach van Dyk lassen sich drei wesentliche Problematisierungen poststrukturalistischer1 Theorien erkennen: die Problematisierung von Wahrheit, 1 | »Der Poststrukturalismus wendet sich gegen ein sinngenerierendes Zentrum, das heißt, der Poststrukturalismus geht davon aus, daß es keine Essenzen oder festgelegten Bedeutungen gibt. […] Der Poststrukturalismus geht davon aus, daß Bedeutungen nicht vor der Sprache existieren, also nicht das Ergebnis eines bereits vorhandenen, immer schon dagewesenen Gesellschaftskörpers ist, sondern daß Bedeutungen durch die Sprache geschaffen werden. Sprache wird im Poststrukturalismus nicht als bloße
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Struktur und der Affirmation des souveränen Subjekts (van Dyk 2012, S. 192). Hauptanliegen poststrukturalistischer Theorien ist es, den repressiven Charakter von Norm(-ativität) aufzuzeigen (Wartenpfuhl 2000, S. 194), woran auch die vorliegende Arbeit anknüpft. Ausgehend von einem diskursanalytischen Wahrheitsverständnis, das in Kapitel 3.1 expliziert wird, zielt die Arbeit darauf, den Geschlechterdiskurs der Debatte, speziell die im Geschlechterdiskurs hergestellten normativen (vergeschlechtlichten) Subjektkonstitutionen, zu analysieren. Auf theoretischer Ebene wird dies anhand der Verknüpfung diskursanalytischer/archäologischer und machtanalytischer Elemente der theoretischen Überlegungen Foucaults geschehen2 (Kapitel 3.1/3.2). Schon in seinen frühen Arbeiten war es Foucaults Interesse, die Konstitution des modernen Subjektes3 zu analysieren. Im Zuge der gouvernementalitätstheoretischen Überlegungen wurde dieses Interesse um eine machttheoretische Dimension erweitert (Bargetz et al. 2015, S. 13). Wie in Kapitel 3.1.2 gezeigt wird, steht im Mittelpunkt Macht/Wissen, wie es unter anderem in der Ausbildung von Institutionen und Subjektkonstitutionen wirkmächtig wird. Die Konstitution von (vergeschlechtlichten) SubjektWissen und die Machtstrukturen werden nicht unabhängig voneinander, sondern unauflöslich miteinander verzahnt gedacht. »Feministisch-dekonstruktivistische Arbeiten […] rücken jedoch die politischen Institutionen und Techniken ins Zentrum, die die Intelligibilität von Subjekten an deren heteronormative Vergeschlechtlichung knüpfen« (ebd., S. 17). Im Fokus steht somit die Verwobenheit des Subjekts mit ebenjener Macht, die es hervorbringt (ebd.). Ziel ist es, gesellschaftstheoretische Überlegungen zu Gouvernementalität und Geschlecht, insbesondere in Anlehnung an die Konzeption der Regierung von Geschlecht (Ludwig 2011), mit einer diskursanalytischen Heuristik zu verknüpfen (Kapitel 3.2). »In diesem Sinne verstehen wir Diskursanalyse nicht als reine Sprachanalyse, sondern als ein machtkritisches Projekt der Gesellschaftsforschung« (Belina/Dzudzek 2009, S. 129). Die Arbeit versteht sich Worte verstanden, sondern als ein Bedeutungssystem bzw. als eine symbolische Ordnung. Diese symbolische Ordnung wird durch Diskurs geschaffen« (Wartenpfuhl 2000, S. 28f.). 2 | »Zur Erläuterung von ›Archäologie‹ und ›Genealogie‹ als methodologische Ausrichtungen in Foucaults Denken – Erstere zielt primär auf die Analyse von historisch kontingenten Diskursen als geregelte Aussagesysteme, Letztere richtet sich auf die historische Analyse der mit der Entstehung und Entwicklung von Diskursen verbundenen Machtpraktiken und ihren Machtwirkungen« (Bührmann/Schneider 2008, S. 19). 3 | »The individual is no doubt the fictitious atom of an ›ideological‹ representation of society; but he is also a reality fabricated by this specific technology of power that I have called ›discipline‹« (Foucault 1994, S. 212).
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somit nicht als reine Textanalyse. Vielmehr werden aus einer machttheoretischen Dimension gesellschaftliche Prozesse und disziplinäre Konstruktion miteinbezogen. Im Folgenden wird in Kapitel 3.1 die diskurstheoretische Verortung, somit das Wahrheits- und Wirklichkeitsverständnis poststrukturalistischer Diskursanalysen und die damit einhergehende Annahme, dass soziale Wirklichkeit und Wahrheit Effekte diskursiver Praktiken sind, ausgeführt. Im Anschluss daran wird in Kapitel 3.2 dargelegt, wie durch die diskursive Hervorbringung von Macht/Wissenskomplexen auf staatlicher Ebene (vergeschlechtlichte) Subjektkonstitutionen hergestellt werden und wie Geschlecht somit regiert wird. Darauf folgt die gesellschaftstheoretische Grundlegung der Diskurse und ihrer Analyse (Bublitz 1999, S. 26). Anhand eines poststrukturalistischen Verständnisses von Geschlecht, in Verknüpfung mit Gouvernementalität und Regieren, wird die nach Foucault unauflösbare Verknüpfung von Macht und Wissen expliziert.
3.1 D iskurstheore tische V erortung Deutlich wurde anhand der Ausführung zu geschlechtsspezifischer Arbeitsmarktsegregation, dass sich gesellschaftliche Macht- und Herrschaftsstrukturen herausgebildet haben, in denen sich eine vergeschlechtlichte Wissensordnung der Zweigeschlechtlichkeit manifestiert und Geschlecht dadurch regierbar wird. Ausgehend von dieser gesellschaftstheoretischen Rahmung werden in diesem Kapitel anhand eines Griffs in die ›diskursanalytische Werkzeugkiste‹ 4 Fragen zum diskurstheoretischen Zugang geklärt. Ziel ist es, mittels der gesellschafts- und diskurstheoretischen Überlegungen das heuristische Modell zu explizieren und die methodologische Grundlage für die Diskursanalyse zu legen. Diaz-Bone hält hierzu fest: »Vorbereitet werden kann die […] Analyse durch die Entwicklung eines Systems von heuristischen Fragestellungen, die auf die Elemente der diskursiven Formation hinführen und den ›analytischen Blick‹ sensibilisieren helfen sollen« (Diaz-Bone 2006, S. 258). Dieser Logik folgend werden am Ende des Kapitels heuristische Fragen formuliert, die den Blick für die Analyse schärfen. Die Debatte ›Männer in Kitas‹ wird als Moment der Regierung von Geschlecht verstanden. Diskursiver Ausgangspunkt der Debatte ist, dass der fehlende Anteil von ›Männern in Kitas/män i förskolan‹ als (politisches) Problem formuliert wird und damit als diskursives Ereignis an die Oberfläche tritt. Mit dieser Problematisierung scheinen auf einen ersten Blick tradierte 4 | Vgl. Kerchner/Schneider 2007, S. 9.
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Geschlechterverhältnisse in Bewegung zu geraten. Anliegen der Arbeit ist es, den Geschlechterdiskurs zu analysieren, der der Debatte um ›Männer‹ im elementarpädagogischen Bereich immanent ist, und ihn damit zu dekonstruieren und zu rekonstruieren. Diskurs wird gleichzeitig als Ausgangspunkt sowie als Ergebnis der Analyse verstanden. »Die Diskursanalyse schafft sich ihre Gegenstände – historische Diskurse im Moment ihres Erscheinens – selbst, sie analysiert die Diskurse, die sie selbst herstellt und die sie als Diskurse nicht in der Gesellschaft vorfindet« (Bublitz 1999, S. 29). Im Fokus der Analyse stehen daran anknüpfend die Deutungskämpfe und Wahrheitsspiele in Bezug auf das diskursive Konstrukt Geschlecht. Die Diskursanalyse befasst sich nicht mit dem Inhalt eines Textes, sondern fragt nach der Herstellung von Texten, nach der Regelhaftigkeit von Aussagen und wie diese auch anders gedeutet werden können. In einem ersten Schritt werden Aussagen analysiert und zu Diskursformationen zusammengefasst. »Foucaultsche Diskursanalysen […] fokussieren weniger auf den Inhalt von zirkulierendem Wissen als auf die Formationsregeln als normalisierende Äußerungsbedingungen« (Wrana et al. 2014, S. 153). Der analytische Blick richtet sich somit darauf, welche Normalisierungsstrategien und Differenzierungsstrategien den Diskurs kennzeichnen, was sagbar wird und was nicht sagbar verbleibt, oder welche Ausschlüsse im Diskurs produziert werden. Diskurs wird damit nicht als etwas Statisches gefasst, vielmehr wird die Dynamik des »diskursive[n] In-Beziehung-Setzen[s]« (Wrana/Langer 2007, S. 12) mit in die Analyse einbezogen. Diskurs wird als eine »Kette von Äußerungsakten, die als diskursive Praxis Wirklichkeit nicht nur stabilisieren, sondern auch variieren und wieder auflösen« (ebd., S. 8), verstanden. »Die diskursive Praktik knüpft ein Beziehungsnetz zwischen Adressat(in) und Adressat(in) zwischen Sprecher(in)/Autor(in) und den imaginären Leser(inne)n« (ebd.). Diskurse werden gefasst als Orte der Hervorbringung von Wissen und Macht. Wie noch zu zeigen ist, sind nach Foucault Macht und Wissen unauflösbar miteinander verflochten. »Ausgehend von diesen erkenntnistheoretischen Grundorientierungen sind jedwede Formen gesellschaftlichen Seins – der Umgang mit ›den Dingen‹, Handlungsmuster und soziale Beziehungen sowie (Selbst-)Erfahrung und die damit verbundene Konstitution als Subjekt – als historisch konkrete Aktualisierungen von diskursiv vermittelten Macht-/Wissensordnungen zu verstehen« (Bührmann/Schneider 2008, S. 38).
Deutlich wird, dass das Subjekt nicht etwas dem Diskurs Vorgängiges ist, sondern Positionierungen durch diskursive Aussagen/Formationen und damit einhergehende Differenzsetzungen entstehen. Die Herstellung von Subjekten wird in der Analyse auf zwei Ebenen relevant. Ausgehend von der Frage nach
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dem »wer spricht?« (Foucault 1981, S. 75) wird nach der diskursiven Herstellung von (vergeschlechtlichten) Subjektkonstitutionen gefragt, die in Bezug auf ›Männer in Kitas/män i förskolan‹ hervorgebracht werden. In jeder Gesellschaft gibt es Aussagen, die als wahr oder richtig angesehen werden, im Gegensatz zu Aussagen, die falsch beziehungsweise unsagbar sind und deshalb verworfen werden. Doch wie, mit welchen Methoden und Techniken werden diese Aussagen hervorgebracht und wie werden Erkenntnisse als wahr oder falsch beurteilt (Meissner 2010, S. 97)? Um diese Fragen beantworten zu können, werden im Folgenden ausgehend von dem der Diskursanalyse zugrunde liegenden Wahrheits- und Wirklichkeitsverständnis Begrifflichkeiten des diskurstheoretischen Zugangs expliziert.
3.1.1 Wahrheits- und Wirklichkeitsverständnis Zentrales Erkenntnisinteresse der Arbeit ist die Herstellung von Subjektkonstitutionen und damit einhergehende Aushandlungsprozesse von Geschlecht. Es geht gerade nicht darum, nach Akteur*innen und objektivierten Wissensbeständen zu suchen, »denn das Ziel der Diskursforschung ist es nicht herauszufinden, was AkteurInnen antreibt (wie etwa Motivationen, Intentionen, Interessen etc.). Sie zeigt sich auch skeptisch bei dem Versuch, Gegenstände und Sinn als objektive Gegebenheiten der sozialen Welt abzubilden« (Angermuller/Schwab 2014, S. 646). Nach Diaz-Bone wäre »eine Diskursanalyse, die bei einzelnen Aussagen, einzelnen Akteuren oder Institutionen ansetzt, […] diskursanalytisch sinnlos, da sie die systemische Ebene verfehlt, auf der die diskursive Praxis als kollektive Praxis in einem Feld ihre Realität hat« (DiazBone 2007, S. 79). Daran anknüpfend wird die Welt jenseits des Diskurses nicht, wie oftmals an poststrukturalistischen Zugangsweisen kritisiert, in Abrede gestellt, sondern vielmehr deren Unerfahrbarkeit problematisiert (van Dyk 2012, S. 189). Es geht nicht um die eine Wahrheit, sondern um unterschiedliche Wahrheiten, die unter anderem in wissenschaftlichen Bereichen diskutiert, ausgehandelt und festgeschrieben werden (Angermuller/Schwab 2014, S. 646). Ziel der Diskursanalyse ist »es vielmehr, soziale, kulturelle, sprachliche Ordnungen als ein Produkt kommunikativer Praktiken und Dynamiken zu verstehen« (ebd.). Geschlecht wird damit nicht als etwas Objektives gedacht, dem man sich zum Beispiel über eine Debatte von ›Männern in Kitas/män i förskolan‹ annähern kann. Im Gegenteil bietet die Debatte vielmehr den Raum, der diskursiven Aushandlung von Wahrheiten und Wirklichkeiten von Geschlecht(erverhältnissen) nachzugehen. Im Gegensatz zu einem positivistischen Verständnis von Wahrheit wird in einem diskurstheoretischen Verständnis Wahrheit nicht als etwas gefasst, was es nur einmal gibt und dem sich wissenschaftlich angenähert werden kann.
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Die Wahrheit oder Wirklichkeit ist dem Diskurs nichts Vorgängiges, sondern gewinnt erst durch diesen an Bedeutung (Foucault 1981, S. 68). »Der Diskurs ist nicht in ein Spiel von vorgängigen Bedeutungen aufzulösen. Wir müssen uns nicht einbilden, daß uns die Welt ein lesbares Gesicht zuwendet, welches wir nur zu entziffern haben. Die Welt ist kein Komplize unserer Erkenntnis. Es gibt keine prädiskursive Vorsehung, welche uns die Welt geneigt macht« (Foucault 1991, S. 34).
Vielmehr wird Wahrheit als relationales Feld verstanden, welches unmittelbar mit Wissensordnungen verknüpft ist, welche nur im Plural gedacht werden können (Wrana et al. 2014, S. 436). Diskursive Ordnungen produzieren Wahrheitseffekte, die bestimmte Konfigurationen oder Gegenstände als objektives Wissen hervorbringen. Daran anknüpfend werden Wahrheiten als diskursive Praktiken verstanden, die veränderbar sind. Die Produktion von Wahrheit kann gelingen oder auch scheitern (ebd.). Wahrheit wird auf einer gesellschaftlichen Ebene und damit in sozialen Ordnungen produziert. Es stellt sich die Frage, welche Diskurse hegemonial und damit vermeintlich wahr werden. Nach Foucault hat »jede Gesellschaft ihre eigene Ordnung der Wahrheit, ihre ›allgemeine Politik‹ der Wahrheit: d.h. sie akzeptiert bestimmte Diskurse, die sie als wahre Diskurse funktionieren lässt; es gibt Mechanismen und Instanzen, die eine Unterscheidung von wahren und falschen Aussagen ermöglichen und den Modus festlegen, in dem die einen oder anderen sanktioniert werden; es gibt bevorzugte Techniken und Verfahren der Wahrheitsfindung; es gibt einen Status für jene, die darüber zu befinden haben, was wahr ist und was nicht« (Foucault 1978, S. 51).
Bezogen auf die (gleichstellungs-)politische Debatte um ›Männer‹ im elementarpädagogischen Bereich stellt sich die Frage, welche (Geschlechter-)Diskurse hegemonial werden und welche Wahrheiten in diesen (Geschlechter-)Diskursen produziert werden. Neben der gesellschaftlichen Dimension wird Wahrheit andererseits innerhalb des Diskurses produziert. Wahrheit und Wissen sind zentral an der Herstellung und Aufrechterhaltung einer sozialen Ordnung beteiligt, die mit einer bestimmten Wissensordnung einhergeht (Saar 2007, S. 27). Der Kampf um Wahrheit entscheidet, welche Wissensordnungen und Wissensformationen sich im Diskurs durchsetzen. Kämpfe um Wahrheit stellen eine politische und damit auch eine Machtfrage dar (ebd., S. 31). Daran anknüpfend stellt sich die Frage, welche Wissensordnungen und welche Aussagen als legitim angesehen und damit gesellschaftlich sagbar werden. Im Kontext der Arbeit bedeutet dies die Frage, welches Wissen von Geschlecht(erverhältnissen) hegemonial und damit wahr wird. »Wahrheit ist also an Machttechniken und -wirkungen
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gebunden; sie erscheint als eine Dimension und Wirkmöglichkeit der Macht. Dies manifestiert sich u.a. darin, dass Diskurse Praktiken sind, die (allgemeinverbindliche) Wahrheiten produzieren und so soziale Wirklichkeit konstituieren« (Bublitz et al. 1999, S. 11). Diesbezüglich lässt sich mit Angermuller und Schwab festhalten: »Indem Wahrheit als ein Produkt von historischen Praktiken, Prozeduren und Prozessen gefasst wird, wird der Blick auf die Frage gerichtet, wie sich gewisse Wissensclaims erhärten und eine Hierarchie von mehr oder minder gesicherten Wissensbeständen instituieren. Nicht um die Wahrheit, sondern um die vielen Wahrheiten geht es, die in den vielen wissenschaftlichen Gemeinschaften mit ihren unterschiedlichen Prozeduren, ihren Ressourcen und ihren machtvolleren oder weniger machtvollen Apparaten gemacht werden« (Angermuller/Schwab 2014, S. 646 kursiv i.O.).
Daran anknüpfend ist ein zentraler Punkt der foucaultschen Diskurstheorie die unauflösliche Verwobenheit von Macht und Wissen (Bublitz et al. 1999, S. 11). »Wahrheit beruht für Foucault auf einem spezifischen gesellschaftlichen Wissen, welches wiederum in eine besondere historische Ordnung von Praktiken und Institutionen eingebunden ist« (Meissner 2010, S. 97). Dabei basiert das Wissen nicht auf naturgegebenen ontologischen Erkenntnissen, sondern wird in Diskursen permanent neu verhandelt und hergestellt. »Soziale Wirklichkeit wird also nicht in Diskursen repräsentiert, sondern Diskurse konstituieren, eingebunden in ein komplexes Kräftediagramm, gesellschaftliche SinnOrdnungen und -Unordnungen, deren Effekt – nicht Ausgangspunkt – ein sinnhaft handelndes Subjekt ist« (Bublitz et al. 1999, S. 13 kursiv i.O.).
3.1.2 Macht/Wissen Im Gegensatz zu einem alltäglichen Verständnis wird in Anlehnung an Foucault Macht weder ausschließlich als etwas Negatives gedacht, noch verkürzt sich der Begriff auf die Vorstellung eines gradlinigen staatlichen Handelns: Macht ist vielmehr Bestandteil jeder menschlichen Interaktion und damit auch Produzentin von Widersprüchen. »Das Individuum ist zweifellos das fiktive Atom einer ›ideologischen‹ Vorstellung der Gesellschaft; es ist aber auch eine Realität, die von der spezifischen Machttechnologie der ›Disziplin‹ produziert worden ist. Man muß aufhören, die Wirkungen der Macht immer negativ zu beschreiben, als ob sie nur ›ausschließen‹, ›unterdrücken‹, ›verdrängen‹, ›zensieren‹, ›abstrahieren‹, ›maskieren‹, ›verschleiern‹ würde. In Wirklichkeit ist die Macht produktiv und sie produziert Wirkliches« (Foucault 2013, S. 250).
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Ein zentraler Punkt in der Theorie Foucaults ist die unauflösbare Verwobenheit von Macht und Wissen, welche Ausschlüsse produziert und damit zur Herstellung von normierten Subjektivitäten beiträgt. »Macht und Wissen stehen in einem relationalen Wirkungsverhältnis zueinander« (Bublitz 2011, S. 250). Macht bedeutet dabei, dass etwas zum Gegenstand des Wissens wird (ebd., S. 251). »Es geht also nicht darum, zu beschreiben, was Wissen ist und was Macht ist und wie das eine das andere unterdrückt oder mißbraucht, sondern es geht darum, einen Nexus von Macht/Wissen zu charakterisieren, mit dem sich die Akzeptabilität eines Systems […] erfassen läßt« (Foucault 1992, S. 33). Macht äußert sich darin, dass etwas zum diskursiven Ereignis wird und damit zu greif barem Wissen (Bublitz et al. 1999, S. 11). »Eher ist wohl anzunehmen, daß die Macht Wissen hervorbringt (und nicht bloß fördert, anwendet, ausnutzt); daß Macht und Wissen einander unmittelbar einschließen; daß es keine Machtbeziehungen gibt, ohne daß sich ein entsprechendes Wissensfeld konstituiert, und kein Wissen, das nicht gleichzeitig Machtbeziehungen voraussetzt und konstituiert. Diese Macht/Wissen-Beziehungen sind darum nicht von einem Erkenntnissubjekt aus zu analysieren, das gegenüber dem Machtsystem frei oder unfrei ist. Vielmehr ist in Betracht zu ziehen, daß das erkennende Subjekt, das zu erkennende Objekt und die Erkenntnisweisen jeweils Effekte jener fundamentalen Macht/Wissen-Komplexe und ihrer historischen Transformationen bilden. Es ist also nicht so, daß die Aktivität des Erkenntnissubjektes ein für die Macht nützliches oder gefährliches Wissen hervorbringt; sondern die Formen und Bereiche der Erkenntnis werden vom Komplex Macht/ Wissen von den ihn durchdringenden und konstituierenden Prozessen und Kämpfen bestimmt« (Foucault 2013, 39f.).
Machtausübung und Wissenskonstitution sind damit unauflösbar miteinander verwoben (Saar 2007, S. 27). Daran anknüpfend wird in der Analyse davon ausgegangen, dass das diskursiv erzeugte Wissen zu Geschlecht nicht außerhalb von Machtprozessen/strukturen steht, sondern die Machtstrukturen gleichzeitig mit der Aushandlung über Wissen von Geschlecht (re)produziert werden5. In der Herausbildung von Subjekten kommt dem Wissen, dass die Subjekte über sich haben, ein zentraler Stellenwert zu. Das Wissen wird den Subjekten als Alltagswissen eingängig, ist jedoch über Herrschaftsmechanismen nur bestimmten Subjekten zugänglich (Kajetzke 2008, S. 38). »An die Stelle einer Macht, die sich durch das unübersehbare Auftreten der Machtausübenden manifestiert, setzen die Disziplinen eine Macht, welche die Objekte ihrer Machtausübung insgeheim heimtückisch vergegenständlicht; anstatt prunkvolle Zei5 | Vgl. Ausführungen zu gesellschaftstheoretischem Rahmen.
3. Diskursanalyse//Gesellschaf tsanalyse chen von Souveränität zu entfalten, formieren sie ein Wissen von den unterworfenen Subjekten« (Foucault 2013, S. 283).
Dies bedeutet für die Arbeit, dass von bestimmten (hegemonialen) Sprecher*innenpositionen, die sich im Feld bewegen, in dem Macht und Wissen über Geschlecht artikuliert werden, verhandelt wird, welches Wissen von Geschlecht Subjekte zu intelligiblen Subjekten macht. Die Aushandlung von Geschlecht wird somit nicht außerhalb gesellschaftlicher Macht- und Herrschaftsstrukturen, sondern unauflösbar mit diesen verwoben gedacht. »Subjektivierungspraktiken sind damit kein autonomes Terrain, sondern finden immer innerhalb eines ökonomischen, politischen und gesellschaftlichen Feldes statt« (Pieper 2007, S. 274). Ludwig spricht an dieser Stelle von der Regierung von Geschlecht. Erst durch die (staatliche) diskursive Herstellung von Macht/Wissenskomplexen erfolgt eine diskursive Hervorbringung vergeschlechtlichter Subjektkonstitutionen6. Bevor dies näher erläutert wird, werden im Folgenden das Verständnis von Diskurs sowie zentrale Begrifflichkeiten, die das analytische Vorgehen rahmen, expliziert.
3.1.3 Bestimmung des Diskursbegriffs Was als Diskurs gefasst wird, kann je nach diskurstheoretischem Blickwinkel sehr unterschiedlich sein. Foucault selbst formuliert kein eindeutiges Verständnis von Diskurs. Diskurs wird nicht als etwas Gegenständliches verstanden, sondern vielmehr als eine Regelhaftigkeit/Ordnung, die es aus einem methodologischen Blickwinkel zu erfassen gilt. Diskurs erscheint somit als etwas sehr Uneinheitliches, im Sinne eines »vielschichtige[n] Prozess[es] des Erfahrbarmachens einer in diesem Prozess konstituierten Welt« (van Dyk et al. 2014, S. 351).
3.1.3.1 Aussagen Als »Atom des Diskurses« (Foucault 1981, S. 116) sind laut Foucault Aussagen die kleinste Einheit des Diskurses. Diskurs wird folglich als eine »Menge von Aussagen, die einem gleichen Formationssystem zugehören« (Foucault 1981, S. 156), verstanden, »dessen historisch sich wandelnde Regeln das heute Sagbare ordnen« (Kerchner 2006, S. 10 nach Foucault 1981, S. 170). Diskurse sind 6 | »Konsequenterweise handelt es sich bei dem Regieren von Geschlecht auch nicht um eine Form der Subjektkonstitution, die auf Zwang und Unterwerfung reduziert werden kann: Die Selbsttechnologien ermöglichen, dass das Regieren von Heteronormativität auch subvertiert und zurückgewiesen werden kann« (Ludwig 2011, S. 212).
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damit ein vernetztes Set von Aussagen, welche eine produktive Wirkung entfalten und Wissen sowie Macht erzeugen und transportieren (Kajetzke 2008, S. 83f.). »[D]enn erst dadurch, dass im Diskurs Konzepte aufeinander bezogen, umschrieben und gebraucht werden, erhalten sie eine Bedeutung und treten an der Oberfläche des Aussagesystems als ›Begriffe‹ auf« (Diaz-Bone 2006, S. 252). Ziel der Diskursanalyse ist es, die den Aussagen zugrunde liegenden (gesellschaftlichen) Regelhaftigkeiten und damit die Konstruktion sozialer Wirklichkeit zu rekonstruieren (Bublitz 2011, S. 253). In Anlehnung an Foucault stellt die Sprachanalyse hinsichtlich eines diskursiven Faktums immer die gleiche Frage: »gemäß welchen Regeln ist eine bestimmte Aussage konstruiert worden und folglich gemäß welchen Regeln könnten andere ähnliche Aussagen konstruiert werden?« (Foucault 1981, S. 42) Aussagen werden als typische Aussagepraktiken zu Handlungsroutinen der Wissensproduktion und »produzieren sowohl den Sprechenden als auch das Ausgesprochene« (Gasteiger 2008, S. 40). Die Analyse folgt dabei einem offenen Vorgehen 7. Regelhaftigkeiten und damit einhergehende Wissenseinheiten werden erst aus dem Material rekonstruiert und auf ihre Erscheinungsbedingungen hinterfragt (Bublitz 2011, S. 254). Im Sinne Foucaults sollen Wissensordnungen ihrer Quasievidenz entrissen werden, es soll gezeigt werden, dass diese nicht von alleine existent sind, sondern »dass sie stets die Wirkung einer Konstruktion sind, deren Regeln man erkennen […] muss« (Foucault 1981, S. 40). Für die Analyse des Geschlechterdiskurses in der Debatte ›Männer in Kitas/män i förskolan‹ wird davon ausgegangen, dass sich bestimmte Aussagen und deren Regelhaftigkeiten aus dem Material herausarbeiten lassen, denen der Geschlechterdiskurs folgt.
3.1.3.2 Diskursive Formation Die korrelierten Aussagen bilden zusammen mit dem Archiv8 diskursive Formationen (Wrana et al. 2014, S. 152). Nach Foucault sind diskursive Formationen keine »Menge von Texten, Textfragmenten oder Äußerungen«, sondern vielmehr ein »Bündel von Beziehungen« (Foucault 1981, S. 70, 126). Sie sind »gesellschaftliche Wissensfelder und -ordnungen, von denen her sich Äußerungen bilden können« (Wrana 2012, S. 196). 7 | Vgl. Kapitel 4. 8 | Nach Foucault ist das Archiv »das allgemeine System der Formation und der Transformation der Aussagen« (Foucault 1981, S. 188 kursiv i. O.). Nach Kammler et al. wird das Denken Foucaults an dieser Stelle um eine historische Variabel erweitert (Kammler et al. 2014, S. 221). »Was wir historisch als ›Wissen‹ verstehen, wird von kontingenten Faktoren geprägt. Diese historisch variablen Faktoren, die für die Formation des Wissens verantwortlich sind, nennt Foucault […] Archiv« (ebd.).
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Je nach diskursiven Beziehungen und damit Formationssystemen können Aussagen divergierend verstanden werden. So kann zum Beispiel je nach diskursiver Formation die Aussage ›Männer in Kitas/män i förskolan‹ ganz unterschiedliche, teilweise konträre Bedeutungen einnehmen. Einerseits können damit männliche Pädagogen gemeint sein, andererseits aber auch ›Männer‹, die Hausmeistertätigkeiten in der Kita nachgehen. Der Diskurs ist also nicht als eine isolierbare Einheit zu begreifen, sondern als die Funktion der »Herstellung von Beziehungen, die die diskursive Praxis selbst charakterisiert« (Wrana/Langer 2007, S. 2).
3.1.3.3 Diskursive Ereignisse und die Bändigung des Diskurses Neben der Frage nach der Regelhaftigkeit von Aussagen stellt sich für Foucault die Frage, warum bestimmte Aussagen erschienen sind und andere nicht. »Die Beschreibung der diskursiven Ereignisse stellt eine völlig andere Frage: wie kommt es, daß eine bestimmte Aussage erschienen ist und keine andere an ihrer Stelle« (Foucault 1981, S. 42)? Es wird nicht danach gefragt, welche latenten Aussagen in einem Diskurs mitschwingen, sondern es geht vielmehr darum »die Aussage in der Enge und Besonderheit ihres Ereignisses zu erfassen; die Bedingungen ihrer Existenz zu bestimmen, auf das Genaueste ihre Grenzen zu fixieren, ihre Korrelationen mit den anderen Aussagen aufzustellen, die mit ihm verbunden sein können, zu zeigen, welche anderen Formen der Äußerung sie ausschließt« (Foucault 1981, S. 43).
Diskurse besitzen als Felder, in denen Kämpfe um Deutungsmacht geführt werden, einerseits externe Ausschlussmechanismen, und andererseits interne Strukturierungen, die dem Wuchern des Diskurses entgegenwirken (Kajetzke 2008, S. 49). »Ich gehe davon aus, daß in jeder Gesellschaft die Produktion des Diskurses zugleich kontrolliert, selektiert, organisiert und kanalisiert wird – und zwar durch gewisse Prozeduren, deren Aufgabe es ist, die Kräfte und Gefahren des Diskurses zu bändigen, sein unberechenbares Ereignishaftes zu bannen, seine schwere und bedrohliche Materialität zu umgehen« (Foucault 1991, S. 11).
Foucault macht an dieser Stelle zwei unterschiedliche Formen der Regulation von Diskursen fest: Die äußeren und die inneren Prozeduren. Unter ersteren versteht er Prozeduren der Ausschließung. Die drei großen Ausschließungssysteme sind: die verbotenen Worte, die Ausgrenzung des Wahnsinns und der Wille zur Wahrheit (Foucault 1991, S. 16). So ist die Debatte ›Männer in Kitas/ män i förskolan‹ durch den Willen geprägt, eine Antwort darauf zu finden, wa-
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rum mehr ›Männer‹ notwendig sind. Gleichzeitig erfolgt eine Ausschließung nicht-heteronormativer Geschlechterkonstruktionen. Durch interne Prozeduren üben Diskurse über sich selbst Kontrolle aus. Diese Prozeduren können als Klassifikations-, Anordnungs- und Verteilungsprinzipien wirken (Foucault 1991, S. 17). »Es geht vielmehr darum, dass Zufälle und Ereignisse in einem bereits vorhandenen Deutungskontext eingegliedert und selbst mit einer bestimmten Deutung versehen werden, welche sie in der bereits bestehenden Ordnung platziert« (Kajetzke 2008, S. 47). Innere Prozeduren, die den Diskurs beschränken, sind der Kommentar, das Prinzip der Verknappung und die Disziplin (Foucault 1991, S. 17ff.). Bublitz versteht Diskurse daran anknüpfend als kontextualisiert; »ihre Bedeutung bestimmt sich durch das Verhältnis von Subjekt, Objekt und durch den Kontext, in dem sie auftauchen« (Bublitz 2011, S. 267). Neben der Analyse von Regelhaftigkeiten geht es also auch darum, die Bedingungen zu analysieren, unter denen etwas zum Objekt eines möglichen Wissens werden kann (Foucault 1994a, S. 699). Bezogen auf die Thematik der Arbeit lässt sich die Forderung nach ›Männern in Kitas/män i förskolan‹ als diskursives Ereignis begreifen. Die Anwesenheit von ›Frauen‹ und die gleichzeitige Abwesenheit von ›Männern‹ wird diskursiv zum Problem gemacht (Fegter 2012). Dabei wird die Forderung immer zum diskursiven Problem, wenn ein Arbeitskräftemangel im frühpädagogischen Bereich zum diskursiven Problem wird. Erst dann, so scheint es, wird die Forderung nach ›männlichem‹ Personal sagbar. Verknüpft ist diese Problematisierung mit politischen Strategien und Programmen. Van Dyk hält hierzu fest, dass die Materialität konkreter Regierungstechniken Problematisierungen und damit diskursive Mechanismen voraussetzt (van Dyk et al. 2014, S. 350). »Das Denken wird dadurch blockiert, dass man implizit oder explizit eine Form von Problematisierung annimmt und eine Lösung sucht, die sich an die Stelle der Lösung setzen lässt, die man akzeptiert. Nun, wenn die Arbeit des Denkens einen Sinn hat – dann den, die Art und Weise, wie die Menschen ihr Verhalten (ihre sexuelle Aktivität, ihre Strafpraxis, ihre Haltung gegenüber dem Wahnsinn usw.) problematisieren, an ihrer Wurzel wieder aufzugreifen« (Foucault 2005, S. 751).
Daran anschließend muss die Suche nach »besseren Lösungen […] bei der kritischen Analyse der Problemstellung beginnen, da diese die Spielräume für alternative Entwürfe diskursiv vorgibt und beschränkt« (Klöppel 2010, S. 55). Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Diskursanalytiker*innen an der Oberfläche des Diskurses ansetzen und versuchen, von dort aus zu Strukturierungen diskursiver/sozialer Ordnungen zu gelangen: indem sie das Auftreten von Aussagen, damit den manifesten oberflächlichen Sinn, sowie die
3. Diskursanalyse//Gesellschaf tsanalyse
Bedingungen, die das Ereignis möglich gemacht haben, in welchen Serien es auftritt und welche möglichen anderen Alternativen ausgeschlossen werden, untersuchen (Sarasin 2006, S. 108).
3.1.3.4 Diskursive Praktiken und Äußerungsakte Daran anschließend stellt sich die Frage, wie Aussagen in Beziehung gesetzt werden beziehungsweise sich in Beziehung setzen. Wrana bezeichnet in Beziehung Gesetztes als Äußerungsakte und damit als Ergebnis diskursiver Praktiken (Wrana 2015). Zentral für die Arbeit ist die Frage nach der Analyse von vergeschlechtlichtem Macht/Wissen, das heißt, wie Geschlecht in Äußerungsakten in Beziehung gesetzt wird und damit den Äußerungsakten als strukturierende und strukturierte Struktur eingeschrieben ist. Diskursive Praktiken werden verstanden als »die Handlungsweisen, in denen sich das Sagbare und Sichtbare formt und in denen die Bedeutungen und Gegenstände des Wissens ebenso konstituiert werden wie die Subjektpositionen der diskursiv Handelnden« (Wrana 2012, S. 196). Laut Foucault ist es Aufgabe, Diskurse nicht als »Gesamtheiten von Zeichen, (von bedeutungstragenden Elementen, die auf Inhalte oder Repräsentationen verweisen), sondern als Praktiken zu behandeln, die systematisch die Gegenstände bilden, von denen sie sprechen« (Foucault 1981, S. 74). Eine zentrale diskursive Praktik ist der Äußerungsakt, der sich aus Aussagen zusammensetzt. Durch den Äußerungsakt wiederum werden diskursive Beziehungen hergestellt, deren Regelhaftigkeit es zu analysieren gilt (Wrana 2015). In der Arbeit werden verschiedene Materialien als Äußerungsakte und damit als diskursive Praktiken aufgegriffen und zum Gegenstand der Analyse gemacht, unter anderem Berichte sowie politische Stellungnahmen zur Debatte ›Männern in Kitas/män i förskolan‹, aber auch die geführten Interviews. Diaz-Bone betont, dass diskursive Praktiken bei einem Vergleich besser sichtbar werden. »Dabei kann man synchron angelegte Vergleiche einrichten, wenn zum Beispiel Diskurse in verschiedenen sozialen Feldern untersucht werden können, wie dies bei einer vergleichenden Policy-Analyse möglich ist, etwa wenn man international vergleichend forscht« (Diaz-Bone 2007, S. 81). In Anschluss an Wrana und Langer wird in der Arbeit keine Unterscheidung zwischen diskursiven und nicht-diskursiven Praktiken getroffen, sondern vielmehr in Anlehnung an Foucault davon ausgegangen, dass das Diskursive an den Grenzen des Diskursiven zum Nicht-Diskursiven verortet ist (Wrana/Langer 2007). Gedacht in Zusammenhang mit einem machtanalytischen Blickwinkel bleibt Diskurs nicht auf Sprache beschränkt, sondern steht in enger Verknüpfung mit außersprachlichen Aspekten, wie zum Beispiel Positionierungen im Äußerungsprozess oder die situativ unterschiedlichen Bedingungen der Kommunikation. »Außersprachliches ist also einem Diskurs immer schon eingeschrieben, das Diskursive umfasst das Außersprach-
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liche, sie sind unentwirrbar miteinander verknüpft« (van Dyk et al. 2014, S. 357). »Der ›Diskurs‹ besteht in einer solchen Analyse also nicht in stabilen Deutungsmustern, die von den Sprechenden aktualisiert werden, sondern in einer Kette von Äußerungsakten, die als diskursive Praxis Wirklichkeit nicht nur stabilisieren, sondern auch variieren und wieder auflösen« (Wrana/Langer 2007, S. 12). Diskursive Praktiken und die Konstitution von Wissen sind unauflöslich mit Macht sowie mit der Produktion von Wahrheit verknüpft. »Vielmehr lassen sich Diskurse als diskursive Praktiken selbst als Machtpraktiken in einem Ensemble verschiedener Machtpraktiken und Machtbeziehungen verstehen« (ebd. S. 5). Daran anschließend stellt sich die Frage nach den differenten Positionen, die diskursiv hergestellt werden. »Die beobachteten Äußerungsakte sind damit nicht nur in einer Kette von Äußerungsakten eingebunden, sondern zugleich in ein Netz von Subjektpositionen und gesellschaftlichen Gruppen. Diese bilden als diskursive Arena nicht nur den Ort, an dem sich der Äußerungsakt situieren, sondern an dem er im Text erscheinen und eine Position einnehmen kann« (Wrana/Langer 2007, S. 7).
Gleichzeitig erfolgt aus den Positionierungen eine Form des (Wahr-)Sprechens, »einem sprechenden Tun« (Wrana/Langer 2007, S. 4), in welcher das Gesagte erst hervorgebracht wird. Äußerungsakte werden zu diskursiven Akten des Wahrsprechens. Daran anknüpfend stellt sich mit Foucault die Frage, wer von welcher Position aus und mit welcher Legitimation im Diskurs spricht.
3.1.3.5 Sprecher*innenpositionen Nach Foucault erscheint der Diskurs erst im Moment des Sprechens: »Aber dieser Diskurs ist nicht da; Souveränität erlangt das ›ich spreche‹ nur in Abwesenheit jeglichen anderen Sprechens; der Diskurs, von dem ich spreche, existiert nicht, bevor ich diesen nackten Satz ausspreche, und er verschwindet, sobald ich verstumme« (Foucault 2001, S. 671f.). In der Analyse stellt sich die Frage, wer aus welcher Position heraus sprechen darf beziehungsweise welche Orte des Sprechens eingenommen werden können. Eine zentrale Frage, die sich Foucault in Anlehnung an Nietzsche stellt, ist: »Wer spricht? Wer in der Menge aller sprechenden Individuen verfügt begründet über diese Art von Sprache? Wer ist ihr Inhaber? Wer erhält von ihr seine Einzigartigkeit, sein Prestige, und umgekehrt: Von wem erhält sie wenn nicht ihre Garantie, so wenigstens ihren Wahrheitsanspruch? Welches Statut haben die Individuen, die […] das reglementäre oder traditionelle, juristisch definierte oder spontan akzeptierte Recht besitzen, einen solchen Diskurs vorzubringen« (Foucault 1981, S. 75).
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Positionen werden nicht mit Personen, Gruppen, Akteur*innen oder Institutionen gleichgesetzt, sondern vielmehr geht es um Positionen, die im Diskurs eingenommen werden können. Das sprechende Subjekt ist damit nicht dem Diskurs vorgängig, sondern nimmt eine bestimmte Funktion und Position von Sagbarkeiten erst im Sprechakt selbst ein. »Eine Formulierung als Aussage zu beschreiben besteht nicht darin, die Beziehungen zwischen dem Autor und dem, was er gesagt hat (oder hat sagen wollen oder, ohne es zu wollen, gesagt hat) zu analysieren, sondern darin, zu bestimmen, welche Position jedes Individuum einnehmen kann und muß, um ihr Subjekt zu sein« (Foucault 1981, S. 139).
Der Blick wird also auf strukturell mögliche Sprecher*innenpositionen gerichtet, die gerade nicht als Akteurskonstellationen verstanden werden (Truschkat 2008, S. 38). Daran anschließend stellt sich die Frage, wie Sprecher*innenpositionen im und vom Diskurs hergestellt werden und wie diese analysiert werden können. Angermuller hält dazu fest: »Um am Diskurs teilzunehmen, kommen die Beteiligten nicht umhin, Positionen einzunehmen – als jemand an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt, und zwar ganz gleich, ob diese Positionen bewusst intendiert oder strategisch angestrebt werden oder nicht. Der Diskurs ist eine Positionierungspraxis, in der Positionen in kommunikativen Dynamiken konstruiert werden, die von den Beteiligten nicht kontrolliert werden« (Angermuller 2014b, S. 114).
Positionierungen werden auf diese Weise als dynamisch gefasst. Sie ergeben sich durch Strukturierungen und einem In-Beziehung-Setzen zu anderen Positionen (Wrana 2015, S. 128). Es stellt sich die Frage, welche Sprecher*innenpositionen eingenommen werden können, was Sagbar wird und was im Verborgenen bleibt. Positionierungen können dabei verstanden werden als Momente »eines diskursiven Kampfes um die Gültigkeit von Wissensordnungen« (ebd.). »In der Analyse diskursiver Praktiken (vor allem in Gesprächen und Interviews) wird der Begriff der Positionierung gebraucht, um nachzuzeichnen, wie in Äußerungsakten, mit denen eine Position in einem diskursiven Feld bezogen wird, zugleich das diskursive Feld eine topologische Umsortierung erfährt und (Selbst-)Subjektivierungen vollzogen werden« (Wrana et al. 2014, S. 303).
Positionierungen sind damit eng mit teilweise widerstreitenden Wissensordnungen verknüpft und dienen der Analyse als Anknüpfungspunkte, um Aushandlungspraxen widerstreitender Wissensordnungen von Geschlecht herauszuarbeiten.
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Im Vorhergehenden wurden unterschiedliche diskurstheoretische Begrifflichkeiten expliziert. Beginnend mit Aussagen als kleinste Einheit des Diskurses wurde der Begriff der diskursiven Formation, verstanden als Bündel von Beziehungen diskursiver Aussagen, ausgeführt. Daran schließt sich die Frage nach dem Warum an, im Sinne der Frage nach dem Zustandekommen von diskursiven Aussagen in einem diskursiven Ereignis. Warum wird etwas zu einem bestimmten Zeitpunkt sagbar, während andere Aussagen(-formationen) im Verborgenen bleiben, und welche Mechanismen gibt es, die dem Wuchern des Diskurses entgegenwirken? Weitergehend wurden diskursive Praktiken als Form eines (Wahr-)Sprechens im Diskurs ausgeführt. Dieses (Wahr-)Sprechen kann von divergierenden Positionierungen im Diskurs erfolgen. Gleichzeitig damit vollzieht sich eine Hervorbringung von vergeschlechtlichtem Macht/Wissen, welches in Macht- und Herrschaftsverhältnisse eingebunden ist.
3.2 G esellschaf tsanalyse Ausgehend von einem diskursiven Verständnis der Konstruktion von Geschlecht wird im Folgenden die Begrifflichkeit der Regierung von Geschlecht in den analytischen Fokus gerückt (Ludwig 2011). Geschlecht wird nicht nur durch staatliche Macht reguliert, sondern »[v]ielmehr wirkt der moderne Staat auf Geschlechterverhältnisse ein, indem er Geschlecht in der spezifisch modernen Form regiert – wobei sich regieren hier darauf bezieht, dass das, was regiert wird, darin erst hervorgebracht wird« (Ludwig 2009, S. 99). Von besonderer Bedeutung ist das Verständnis von Staatlichkeit sowie Macht und Hegemonie in Anlehnung an Foucault und Gramsci. Staatliche Macht wird nicht als etwas Monolithisches, Abgeschlossenes, einer Zivilgesellschaft Gegenüberstehendes verstanden, sondern schließt Zivilgesellschaft gleichsam mit ein (vgl. Ludwig 2011, S. 28). Bargetz et al. betonen, dass gerade die Verknüpfung gouvernementalitätstheoretischer Einsichten Foucaults mit theoretischen Überlegungen zur Subjektkonstitution sehr gewinnbringend sein kann (Bargetz et al. 2015, S. 22). »Zum einen kann ein solcher Rückgriff die Debatten zu Geschlecht und Subjektkonstitution stärker staats- und gesellschaftstheoretisch ausrichten« (ebd.). Zum anderen erlaubt eine solche Perspektive, Subjektkonstitution als Effekt staatlicher Macht zu verstehen (Ludwig 2011). Zusammengedacht werden in Anlehnung an Ludwig ein queer-feministisches Verständnis von Subjekten sowie ein hegemonie-/gouvernementalitätstheoretisches Staatsverständnis. Staatliche Macht und vergeschlechtlichte Subjektkonstitution werden daran anschließend als ko-konstitutiv verstanden (ebd.).
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Um die diskursive Konstruktion von vergeschlechtlichten Subjektkonstitutionen zu analysieren, wird der poststrukturalistische Zugang neben Foucault mit theoretischen Überlegungen von Judith Butler, Hannelore Bublitz, Sabine Hark und Gundula Ludwig ausgearbeitet (Butler 1991; Bublitz 1999; Hark 2006; Ludwig 2011). Anknüpfend an diese theoretischen Überlegungen wird die Debatte ›Männer in Kitas/män i förskolan‹ und der ihr immanente Geschlechterdiskurs als Teil der Regierung von Geschlecht begriffen.
3.2.1 Diskursive Konstruktion von Geschlecht Ausgehend von der Annahme, dass in gleichstellungspolitischen Debatten Geschlecht und Geschlechterverhältnisse verhandelt werden, wird auch hier nach der Konstruktion von Geschlecht in der Auseinandersetzung zu ›Männern‹ im elementarpädagogischen Bereich gefragt. Je nach theoretischer Zugangsweise, wie also die Konstruktion von Geschlecht gefasst wird, eröffnen sich hierfür divergierende analytische Blickwinkel. Dabei stellt die generelle Auffassung, dass Geschlecht eine soziale Konstruktion ist, so etwas wie einen Minimalkonsens in der Geschlechterforschung dar (Meissner 2008, S. 2). Gildemeister kritisiert, dass der theoretische Zugang über die Konstruktion von Geschlecht oft mehr verdeckt als erhellt, da theoretische Differenzen nicht expliziert werden (Gildemeister 2001, S. 68). Zentrales Unterscheidungsmerkmal ist das Wahrheits- und Wirklichkeitsverständnis, welches der Analyse der Konstruktion von Geschlecht zu Grunde gelegt wird. In Anlehnung an Gildemeister wird davon ausgegangen, dass Konstruktivismus ein weites Feld erkenntnistheoretischer Positionen darstellt, in deren Kern es darum geht, »welcher Status der Wirklichkeit und der Realität in der Erkenntnis zukommt« (ebd., S. 70). Wie diese Konstruktion vonstattengeht, ist jedoch eine zentrale Baustelle im feministischen Theoriediskurs (Villa 2007, S. 19). »Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es. Keine biologische, psychische oder ökonomische Bestimmung legt die Gestalt fest, die der weibliche Mensch in der Gesellschaft annimmt« (Beauvoir 1992, S. 334). Geschlecht wurde mit dieser richtungsweisenden Aussage von Simone de Beauvoir zu etwas sozial Veränderbarem und war nicht mehr länger einer starren biologischen Bestimmung unterlegen. Daran anknüpfend entwickelte sich die Unterscheidung in sex und gender: sex bezieht sich auf die sichtbaren biologischen Differenzen, während gender sich auf die soziale Klassifikation in ›männlich‹ und ›weiblich‹ bezieht (Kerner 2007, S. 6). Diese Differenzierung macht es möglich, Geschlecht als Konstruktion zu begreifen. »Geschlecht wird als durch und durch kulturell und historisch wandelbares Klassifikationssystem betrachtet, als eine sozial und gesellschaftlich folgenreiche Unterscheidung« (Riegraf 2010, S. 59).
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Im Kontext der diskurstheoretischen Überlegungen von Foucault und den Ausführungen von Derrida zu Dekonstruktion9 entstanden auch in der Geschlechterforschung diskurstheoretische poststrukturalistische Zugänge. In den Fokus rückt die Konstruktion der Realität durch Sprache, Wissen und Diskurs. Es wird davon ausgegangen, dass alle sozialen Phänomene und Differenzierungen hergestellt werden und nicht von Natur aus gegeben sind (Hark 2006, S. 357). Innerhalb der poststrukturalistisch-feministischen Theoriebildung wird Geschlecht damit als diskursives Konstrukt gefasst, welches sich in einer heteronormativen10 Matrix verortet (Ludwig 2015a, S. 31). In Anlehnung an Butler lassen sich neben der bereits erwähnten Ablehnung der Naturalisierung des biologischen Geschlechts weitere Kernpunkte der diskurstheoretisch informierten Kritik nennen, wie die Privilegierung der Normen, die einer heterosexuellen Logik folgen, sowie die Kritik an der Zweigeschlechtlichkeit, mit der eine in den meisten Gesellschaften alternativlose Einteilung in ›Frauen‹ und ›Männer‹ einhergeht (Kerner 2007, S. 12). Die Frage ist nicht, ob es Geschlecht gibt, sondern wie es existiert: »[A]ls wesensmäßige, überhistorische und/oder transkulturelle Erfahrung oder als Effekt der Formierung und Verschränkung verschiedener Wissensbereiche« (Hark 2006, S. 364)? Anknüpfend an Letzterem wird Geschlecht aus einer diskurstheoretischen Perspektive als situierte Wissensordnung verstanden (ebd.). Geschlecht ist eine »variable Konfiguration diskursiv erzeugter Positionierungen. Es wird formiert im Wechselspiel semiotischer und institutioneller Verhältnisse und entsteht innerhalb von Aushandlungs- und Bezeichnungspraxen, die ineinander verwoben und in einem ständigen wechselseitigen Bestimmungsverhältnis begriffen sind« (ebd.).
Damit stellt sich die Frage, welche Mechanismen ›Frauen‹ zu ›Frauen‹ und ›Männer‹ zu ›Männern‹ machen (Villa 2011, S. 153). Ein zentraler Punkt ist die diskursive Produktion von Sinn, die damit einhergehende Konstruktion 9 | »In der Dekonstruktion selbst jedoch, so wie sie von Derrida geprägt und entwickelt wurde, geht es jedoch vielmehr um die Ermöglichung von Differenzen, um ein Denken von Differenzen jenseits binärer Oppositionen und um Auflösung oder Dekonstruktion derselben« (Wartenpfuhl 2000, S. 35). 10 | »In Anlehnung an Adrienne Rich bezeichnet der Begriff die hegemoniale Norm, heterosexuell zu sein. Das heißt, Heterosexualität wird als das Normale, das Richtige, das Natürliche angenommen. Andere sexuelle Orientierungen werden demgegenüber als abweichend, unnatürlich, anormal bewertet und/oder unsichtbar gemacht. Heteronormativität operiert mehr oder minder stillschweigend, ist also üblicherweise und traditionell nicht Gegenstand politischer oder sonstiger öffentlicher Auseinandersetzungen« (Villa 2003, S. 160).
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von Differenzen und von Innen und Außen. Dies spiegelt die Ambivalenz von (Identitäts-)Kategorien wider, die einerseits etwas produzieren, andererseits dabei auch immer ausschließend wirken. Um in der Gesellschaft ein intelligibles Subjekt zu sein, ist es notwendig, sich in die symbolische Ordnung einzufügen, was mit Verlust und Ausschließungen einhergeht (Villa 2011). Dieser Logik folgend fragt Butler »nicht mehr nach, wer wie ist oder wer wie sein sollte, sondern fragt nach den symbolisch-diskursiven Konstitutionsprozessen bestimmter Subjektivitäten und den dadurch produzierten Ausschlüssen« (Meissner 2010, S. 71 kursiv i.O.). Butler spricht an dieser Stelle von Subjektivation: »›Subjektivation‹ bezeichnet den Prozess des Unterworfenwerdens durch Macht und zugleich den Prozess der Subjektwerdung« (Butler 2001, S. 8). Subjekt und Geschlecht sind aufgrund ihrer Gleichursprünglichkeit untrennbar miteinander verbunden. Vergeschlechtlichte Identitäten unterliegen dabei einer symbolischen Konstruiertheit. Butler geht davon aus, dass die Geschlechtsidentität nicht etwas Natürliches, dem Subjekt Vorgelagertes ist, sondern erst durch performative Akte hervorgebracht wird. In Anlehnung an Austin versteht Butler unter performativen Sprechakten solche, die das, was sie äußern, auch erzeugen, und zwar gerade indem die Äußerungen getätigt werden (Villa 2003, S. 158). »Hinter den Äußerungen der Geschlechtsidentität (gender) liegt keine geschlechtlich bestimmte Identität (gender identity). Vielmehr wird diese Identität gerade performativ durch diese ›Äußerungen‹ konstituiert, die angeblich ihr Resultat sind« (Butler 1991, S. 49, kursiv i.O.). Das wohl prominenteste Beispiel eines performativen Akts ist die vergeschlechtlichte Anrufung des Kindes nach der Geburt. Dem Kind wird erst durch die Worte »es ist ein Junge/ein Mädchen« eine Geschlechtsidentität zugewiesen und es wird dazu aufgefordert, diese im Laufe des Lebens immer wieder zu wiederholen und zu bestätigen. »Damit ein Performativ funktionieren kann, muss es aus einem Satz sprachlicher Konventionen schöpfen und diese Konventionen, die traditionell funktioniert haben, rezitieren, um eine gewisse Art von Effekten hervorzurufen. […] Die Macht des Rezitierens ist nicht Funktion der Intention des Einzelnen, sondern Effekt der historisch abgelagerten sprachlichen Konventionen« (Butler 1993, S. 124).
Butler konzentriert sich in ihrer Arbeit auf die diskursive Naturalisierung der Geschlechterverhältnisse. Im Fokus ihrer Auseinandersetzungen steht die Frage nach der Produktion vergeschlechtlichter Identitätskategorien und wie diese zu etwas werden, das als von Natur aus wahr erscheint. Ziel ist es zu zeigen, wie die vermeintlich von Natur aus bestehende Geschlechterdifferenz ebenso erst durch essentialisierende soziale Konstruktionsprozesse entsteht (Villa 2011, S. 150).
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Aus einem diskurstheoretischen Blickwinkel werden somit nicht nur die Konstitution von Geschlecht und Geschlechterdifferenz in Frage gestellt, indem die Formen der Unterscheidung und der Herstellung zum Bezugspunkt der Untersuchung werden, sondern auch die Konstitution des Forschungsgegenstands und die eingesetzten Mittel können kritisch hinterfragt werden (Hark 2006, S. 357). So ist eine zentrale Problematik der Geschlechterforschung die Reproduktion der Kategorien ›Frau‹ beziehungsweise ›Mann‹ allein durch das Moment ihrer Benennung: »Der Vorwurf, […] Erklärungsansätze, die den Prozess der sozialen Konstruktion von Geschlecht empirisch und theoretisch rekonstruieren, würden unter Umständen zur Reifizierung der Differenz und damit zu genau dem beitragen, was sie an anderen Ansätzen auf das Schärfste kritisieren« (Wetterer 2002, S. 206f.). So muss folglich auch Theoriebildung selbst als diskursive politische Praxis verstanden werden, die Wirklichkeit herstellt (Hark 2006). Die Einteilung in zwei Geschlechter muss als sozialer Prozess und daran anknüpfend die Polarisierung der Geschlechtscharaktere als historisch gewachsen gesehen werden (Meissner 2008, S. 4). Folgernd aus den vorhergehenden Ausführungen kann Geschlecht auf drei Ebenen gefasst werden, zum einen als »sozio-symbolische Matrix, die soziale Beziehungen und kulturelle Ordnungen generiert und diese repräsentiert, als ein innerhalb jener symbolischen Ordnungen hergestelltes, kulturelles Konstrukt und schließlich als Effekt und Zeichen von Machtrelationen« (Hark 2007, S. 168 kursiv i.O.). Verknüpft ist dies mit einer gesellschaftstheoretischen Dimension, die sich durch »die Art und Weise, mit welchen Legitimationen, in welchen spezifischen Hierarchisierungen, auch als ›was‹ die Geschlechter gesellschaftlich zueinander in Beziehung gesetzt werden, […] ausmacht« (Villa 2011, S. 36). Geschlechterverhältnisse werden als omnipräsentes gesellschaftliches Phänomen verstanden. »Geschlechterunterschiede repräsentieren kulturelle Regelsysteme – in und durch Geschlecht werden gesellschaftliche Beziehungen von Unter- und Überordnung, aber auch von Gleichrangigkeit konstruiert und legitimiert; Geschlechterunterschiede müssen aber auch als durch und in jenen kulturellen Regelsystemen, das heißt in Repräsentationssystemen und diskursiven Praktiken produziert begriffen werden« (Hark 2007, S. 168).
3. Diskursanalyse//Gesellschaf tsanalyse
Je nach theoretischer Strömung und Wirklichkeitsverständnis lassen sich unterschiedliche Sichtweisen auf Geschlecht, Staat und damit auf Macht- und Herrschaftsverhältnisse erkennen. Dem im Vorhergehenden explizierten Wahrheits- und Wirklichkeitsverständnis folgend, rücken in der Analyse poststrukturalistisch-feministische Ansätze in den Fokus11. Geschlecht wird in diesen als diskursives Konstrukt begriffen. Ein wichtiger Referenzpunkt ist die Begrifflichkeit der Gouvernementalität nach Foucault. »Die Bezugnahme auf Foucaults Gouvernementalitätsvorlesungen ermöglicht, dekonstruktivistische Überlegungen in die Staatstheorie zu integrieren. Diese wurden lange Zeit vor allem den Kultur- und Geisteswissenschaften zugerechnet, während die in der Politikwissenschaft und auch in der feministischen Politikwissenschaft kaum rezipiert wurden. Die Skepsis dekonstruktivistischen Ansätzen gegenüber lag in der Annahme begründet, dass Analysen von geschlechtlichen Macht- und Herrschaftsverhältnissen, gesellschaftlichen Strukturen und politischen Institutionen nicht möglich wären, wenn Institutionen ebenso wie Subjekte und Geschlecht ›lediglich‹ als Konstruktion angesehen würden. Foucaults staatstheoretische Überlegungen eröffneten demgegenüber die Möglichkeit, auch essenzialismuskritische Einsichten zu Geschlecht und vergeschlechtlichten Subjekten mit Staat, Geschlecht, Gesellschaft und Ökonomie in Beziehung zu setzen« (Ludwig 2015a, S. 44).
Geschlecht wird durch staatliche Macht in die Subjekte eingeschrieben. Subjekte werden nicht als autonom, sondern vielmehr schon als unterworfen verstanden, was nicht außerhalb von sozialen, symbolischen und diskursiven Ordnungen erscheint/erscheinen kann (Wrana et al. 2014, S. 391). Im Folgenden wird die Begrifflichkeit von Gouvernementalität ausgeführt, um zu verdeutlichen, wie staatliche Macht sich in Form von Selbst- und Fremdführungstechnologien, in einer Form der Regierung von Geschlecht, in vergeschlechtlichten Subjektkonstitutionen manifestiert.
3.2.2 Gouvernementalität Das erste Mal verwendete Foucault den Begriff der Gouvernementalität, welcher sich vom französischen Adjektiv gouvernemental, die Regierung betreffend (Kammler et al. 2014, S. 260), ableitet, in seinen Vorlesungen am Collège de France 1978/1979. Erst in diesen Vorlesungen zur Geschichte der Gouvernementalität nimmt Foucault die Frage nach der theoretischen Fundierung von Staat in den Blick. 11 | Ludwig 2015 unterscheidet als weitere theoretische Strömungen marxistisch-feministische sowie gesellschaftstheoretisch-feministische Ansätze (Ludwig 2015a, S. 31f.).
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Damit überwindet er auch seine »Staatsphobie« (Foucault 2006, S. 115) aus vorangegangenen Schriften (Sauer 2015, S. 92). Nach Saar ist Gouvernementalität »nichts anderes als der Rahmen für die Entstehung derjenigen Formen von Subjektivität, die den regierten Individuen verfügbar sind, und die gouvernementalen Techniken und Institutionen sind wirksame Kräfte bei der Prägung politischer Formen des Selbst« (Saar 2007, S. 39). Zentral ist, dass in der Arbeit in Anlehnung an Foucault nicht von einem engen Staats-/Politikbegriff ausgegangen wird. Foucault denkt Staat nicht als eine juridische Herrschaft, die autonomen Subjekten gegenübersteht, sondern versteht den Staat ausgehend von einem weiten Staats- und Regierungsbegriff12 selbst als Resultat gesellschaftlicher Kräfteverhältnisse (Lemke 2001). »Der Staat ist demnach nicht viel mehr als eine Kristallisation von Kräfteverhältnissen, und er ist weder reines Instrument (in den Händen irgendeiner sozialen Gruppe) noch ein vollständig verselbständigter bürokratischer Apparat. Weil der Staat eine soziale Einheit in einem Netz von Beziehungen mit anderen sozialen Institutionen ist, an deren Wissensproduktionen und Regulationsfunktionen er partizipiert, ist er keine von der ›Gesellschaft‹ (und ihren strategischen Dynamiken) klar unterschiedene Instanz« (Saar 2007, S. 33).
Der Begriff der Gouvernementalität nimmt eine »Scharnierfunktion« ein. »Erstens vermittelt er zwischen Macht und Subjektivität. […] Zweitens erlaubt die Problematik der Regierung eine systematische Untersuchung der von Foucault immer wieder herausgestellten engen Beziehungen zwischen Machttechniken und Wissensformen« (Kammler et al. 2014, S. 261). Die Beziehung zwischen Wissen und dem gouvernementalen Staat wird im Gegensatz zu einem statischen, gegebenen Wissensverständnis im souveränen Staat als ständig in Bewegung verstanden (Bargetz et al. 2015, S. 12f.). Kerner und Saar gehen davon aus, dass »in Foucaults Augen staatlich organisierte Macht eines Wissensfundaments sowie eines sie umgebenden Wahrheitsregimes bedarf«13 (Kerner/Saar 2015, S. 118). Wissen wird jedoch nicht vom Staat selbst hervorgebracht, sondern ist vielmehr Ergebnis wissenschaftlicher Auseinandersetzungen (Bargetz et al. 2015, S. 13).
12 | Damit verfolgt Foucault ebenso wie Gramsci ein integrales Staatsverständnis, »dem zufolge neben Zwang auch ›kulturelle und moralische Führung‹ (GH: H10, Teil I, §7: 1239) eine Wirkweise staatlicher Macht ist. Formelhaft beschreibt Gramsci daher den integralen Staat als ›politische Gesellschaft + Zivilgesellschaft, das heißt Hegemonie gepanzert mit Zwang‘ (GH: H6, § 88:783 nach Ludwig 2011, S. 57)«. 13 | Vgl. hierzu Kapitel 3.1.
3. Diskursanalyse//Gesellschaf tsanalyse »Auf die Konsequenzen dieser Wissenschaft aber, auf ihre Resultate kann die Regierung nicht verzichten. Man sieht also, dass ein Verhältnis zwischen Macht und Wissen in Erscheinung tritt, zwischen der Regierung und dieser Wissenschaft, das von ganz besonderer Art ist« (Foucault 2004, S. 503f.).
Politik und Wissenschaft werden daran anknüpfend nicht als sich monolithisch gegenüberstehend verstanden, sondern vielmehr als durch diskursive Praktiken und Formationen untrennbar miteinander verwoben begriffen. Saar hält des Weiteren fest, da »das Soziale ein Feld ist, dessen Einheiten sich in einem komplexen Machtgeschehen erst bilden, ist es nicht sinnvoll, von der Existenz bestehender Einheiten auszugehen und das politische Geschehen daraus abzuleiten, wie es jede institutionalisierte Erklärung tun würde (Saar 2004) 14 . Stattdessen können die einzelnen strategischen Elemente analysiert werden, die zur Formierung oder ›Kristallisation‹ solcher Einheiten beitragen« (Saar 2007, S. 32).
In der Arbeit geht es also gerade nicht darum zu fragen, warum im elementarpädagogischen Bereich überwiegend ›Frauen‹ arbeiten, und dies mit einem scheinbaren Mangel an männlichen Vorbildern zu erklären. Vielmehr geht es um die diskursive Herstellung eines feminisierten elementarpädagogischen Bereichs, der erst durch einen vermeintlichen Mangel an Männlichkeit entsteht. Den abwesenden ›Männern‹ werden divergierende Subjektkonstitutionen eröffnet, welche diskursiv durch die Bereitstellung (vergeschlechtlichter) Macht/Wissenskomplexe hergestellt werden.
3.2.3 Geschlecht regieren Neben der Herausarbeitung eines Staatsverständnisses ist die Einführung des Begriffs der Regierung die wohl wichtigste Weiterentwicklung in Foucaults Vorlesungen zur Gouvernementalität (Ludwig 2015, S. 166). Die Geschichte der Gouvernementalität wird dabei zugleich als eine Geschichte des Subjekts verstanden (Lemke 2007, S. 55) und damit, wie zu zeigen ist, die moderne Subjektkonstitution zu einem Effekt von Regierung (Ludwig 2011, S. 123). Regieren kann als eine Form staatlicher Machtausübung verstanden werden, »in der durch Führung eine bestimmte Form des Subjekt-›Seins‹ konstituiert wird« (Ludwig 2011, S. 107). Regieren nach Foucault bedeutet, dass »das 14 | Saar, Martin (2004): Subjekt. In: Göhler, Gerhard; Iser, Matthias; Kerner, Ina (Hg.): Politische Theorie: 22 umkämpfte Begriffe zur Einführung. Wiesbaden, VS Verlag für Sozialwissenschaften (UTB), S. 332-349.
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Subjekt über ›Schemata, die es in seiner Kultur vorfindet und die ihm vorgegeben, von seiner Kultur, seiner Gesellschaft, seiner Gruppe aufgezwungen sind‹ [Foucault 2005, S. 889]15, dazu angeleitet wird, sich selbst und sein Leben auf eine bestimmte Art und Weise zu führen« (Ludwig 2011, S. 27). Die Regierung von Subjekten geschieht insbesondere durch die Bereitstellung von Wissen. »Regierbarkeit bedeutet hier […] die Ermöglichung einer Form staatlicher Machtausübung, die sich in der Konstitution der Subjekte materialisiert, indem Regierungstechniken in Selbsttechnologien umgearbeitet werden« (Ludwig 2011, S. 198). Zentral sind staatlich vermittelte Normen. Erst im Verhältnis zu diesen werden Subjekte intelligibel, wobei der Prozess der Aneignung dieser sowohl »fremdgeführte als auch aktive Elemente enthält« (Ludwig 2009, S. 95). Regierung wird jenseits staatlicher Institutionen verortet (Lemke 2007, S. 50) und »verweist auf unterschiedliche Handlungsformen und Praxisfelder, die in vielfältiger Weise auf die Lenkung und Leitung von Individuen und Kollektiven zielen. Auf diese Weise wird es erstens möglich zu untersuchen, wie Praktiken politischer Regierung auf Subjektivierungsformen und Techniken der Selbstregierung rekurrieren. Zweitens erlaubt die Problematik der Regierung eine systematische Untersuchung der engen Beziehungen zwischen Wissenssystemen und diskursiven Formationen auf der einen und der Konstitution von Politikfeldern und staatlichen Regierungsformen auf der anderen Seite« (Lemke 2007, S. 50).
Ausgehend von diesen Überlegungen wird die Debatte ›Männer in Kitas/ män i förskolan‹ nicht als von staatlichen Institutionen hervorgebracht begriffen, sondern vielmehr als eine stetige dynamische Aushandlung von (Geschlechter-)Wissen in gesellschaftlichen, politischen und wissenschaftlichen Beziehungsgeflechten. Die Debatte wird damit als Praktik politischer Regierung von Geschlecht begriffen. Wie die Regierung von Geschlecht theoretisch zu fassen ist, wird im Folgenden genauer ausgeführt. Aus Sicht einer feministischen, poststrukturalistisch informierten Staatstheorie wird die Konstituierung vergeschlechtlichter Subjekte auf zwei Ebenen relevant. Einerseits wird Geschlecht als zentrales Vergesellschaftungsmoment verstanden, andererseits wird die vergeschlechtlichte Subjektkonstitution staatstheoretisch unterfüttert. In Anlehnung an Ludwig 2011 wird der Zusammenhang von Staat und Geschlecht als strukturierende Struktur verstanden und enthält damit eine doppelte Bewegung: Die Konstitution von Staat ist ein 15 | Foucault, Michel (2005): Die Ethik der Sorge um sich als Praxis der Freiheit. In: Defert, Daniel; Ewald; François, Foucault, Michel (Hg.): Dits et Ecrits. Schriften in vier Bänden. Frankfurt a.M., S. 875-902.
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Effekt diskursiven Wissens der Subjekte, gleichzeitig geht die Konstitution von kollektiven und individuellen Subjekten vom Staat und dessen diskursiven Wahrheitswirkungen hervor. Letzteres wird in der Arbeit als poststrukturalistische Analyserichtung gesetzt. Bargetz et al. halten in diesem Zusammenhang fest, dass »Gouvernementalität als vergeschlechtlichtes und vergeschlechtlichendes Ordnungsmuster« (Bargetz et al. 2015, S. 15) zu verstehen ist. Es geht »weniger um die Frage, wie der Staat Frauen in Ungleichheit zu Männern behandelt, sondern vielmehr darum, wie unterschiedliche Staaten, Staatsapparate und -diskurse mit divergierenden Instrumenten vergeschlechtlichte Subjekte herstellen und wie umgekehrt in diesen Subjektkonstitutionsprozeß Staatlichkeit [entsteht]« (Sauer 2001, S. 157 kursiv i.O.).
Somit ist es zentral sichtbar zu machen, wie in staatlichen Politiken geschlechtliche Subjektivitäten hergestellt werden (Ludwig 2015a, S. 48). »Die Herausbildung vergeschlechtlichter Subjektpositionen kann dann als Staatspraxis dechiffriert werden, wie umgekehrt die vergeschlechtlichenden Praxen als Bedingung von Staatlichkeit und gesellschaftlicher Ordnung begriffen werden müssen« (Sauer 2015, S. 107). Die Regierung von vergeschlechtlichten Subjekten vollzieht sich nicht als Top-down-Prozess, sondern vielmehr als permanente Aushandlung zwischen divergenten zivilgesellschaftlichen und politischen Akteur*innen. »Jenseits einer exklusiven politischen Bedeutung verweist Regierung also auf zahlreiche und unterschiedliche Handlungsformen und Praxisfelder, die in vielfältiger Weise auf die Lenkung, Kontrolle, Leitung von Individuen und Kollektiven zielen und gleichermaßen Formen der Selbstführung wie Techniken der Fremd-Führung umfassen« (Lemke 2001, S. 255).
Daran anknüpfend wird nach der Bereitstellung von Wissen gefragt, welches sich in Möglichkeitsfeldern der Macht bewegt. Dabei ist entscheidend, dass das Individuum nicht durch fremde direkte Machtausübung regiert wird, sondern indem durch die Bereitstellung von Macht/Wissen Möglichkeitsfelder eröffnet werden, die dem Individuum zur Verortung zur Verfügung stehen. Um gesellschaftlich intelligibel zu werden, muss sich das Individuum in diesem Möglichkeitsfeld verorten, da es keine legitime Subjektposition außerhalb dieser Felder gibt. Ludwig fasst dies zusammen: »Macht im Modus des Regierens wird […] nicht direkt auf das Verhalten der Subjekte ausgeübt, sondern über das Abstecken eines Möglichkeitsfeldes, innerhalb dessen das Subjekt auf sich selbst einwirkt« (Ludwig 2015, S. 167). Im Sinne der Selbst- und Fremdführung verortet sich das (vergeschlechtlichte) Subjekt folglich selbst, aber gleichsam
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unter Zwang, der in der Vorgabe von Möglichkeitsfeldern der vergeschlechtlichten Subjektpositionierungen steckt. Da, wie im Vorhergehenden gezeigt wurde, diskursiv erzeugtes Wissen untrennbar mit Macht verbunden ist, bilden sich somit Macht/Wissenskomplexe, die als Moment der Führung verstanden werden. Als zentrale Technologien der Selbst- und Fremdführung eines vergeschlechtlichten Subjekts werden Normalisierungs- und Differenzierungsstrategien verstanden. Normalität wird dabei über das Abweichende konstituiert (Bublitz 1999, S. 35). »Geschlecht als Norm materialisiert sich daher in vergeschlechtlichten Subjekten darüber, dass sich die Subjekte an staatlichen Normen in ihrer Subjektwerdung orientieren und sich auch selbst als Frauen und Männer wahrnehmen und diese Norm in alltäglichen Praxen leben« (Ludwig 2009, S. 99).
Butler geht in Anlehnung an Foucault davon aus, dass im Zusammenspiel von sex, gender und Begehren eine heteronormative Matrix entsteht, in welcher sich das vergeschlechtlichte Subjekt verorten muss. Butler bricht in ihren theoretischen Auseinandersetzungen zu Geschlecht mit der Unterscheidung zwischen sex (biologisches Geschlecht) und gender (soziales Geschlecht). Sie versteht vielmehr Geschlecht insgesamt als diskursives Produkt und damit sozial konstruiert (Butler 1991; Kerner 2007; Meissner 2008). »Demgegenüber fasste Butler Zweigeschlechtlichkeit als Resultat machtvoller Wissenspolitiken, die produktiv die geschlechtliche Subjektivation im Feld der Intelligibilität hervorbringen« (Wedl 2014, S. 281). Erst wenn sich Subjekte in dieser heteronormativen Matrix verorten, werden diese als gesellschaftlich intelligibel anerkannt. »›Intelligible‹ Geschlechtsidentitäten sind solche, die in einem bestimmten Sinne Beziehungen der Kohärenz und Kontinuität zwischen dem anatomischen Geschlecht (sex), der Geschlechtsidentität (gender), der sexuellen Praxis und dem Begehren stiften und aufrechterhalten« (Butler 1991, S. 38, kursiv i.O.). »Innerhalb des Zwei-Geschlechter-Modells gibt es nicht nur kein Geschlecht oder kein Subjekt jenseits von weiblich oder männlich, sondern darüber hinaus wird genau der vergeschlechtlichte Körper zur Begründung von natürlichen Verhaltensweisen und vergeschlechtlichtem Subjekt-Sein« (Ludwig 2011, S. 18)16. Im politischen Macht/Wissenskomplex werden diskursiv neue Deutungsmuster von Geschlecht bereitgestellt, in denen sich verge16 | Brüchig wird diese Äußerung an Stellen, an denen es möglich ist, sich nicht als ›männlich‹ oder ›weiblich‹ zu positionieren, wie dies zum Beispiel durch die Änderung des § 22 Personenstandgesetz in Deutschland geschehen ist. »Kann das Kind weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden, so ist der Personenstandsfall ohne eine solche Angabe in das Geburtenregister einzutragen« (§ 22
3. Diskursanalyse//Gesellschaf tsanalyse
schlechtlichte Subjekte verorten können. Zweigeschlechtlichkeit ist damit eine Form von Regierung. »It [state activity] also helps to constitute gender relations and the social categories, they define« (Connell 2003, S. 17). Normen nehmen dabei eine ambivalente Position ein: »we need norms in order to live, and to live well, and to know in what direction to transform our social world, we are also constrained by norms in ways that do violence to us, and which, for reasons of social justice, we must oppose« (Butler 2004, S. 205f.). Ebenso wie sein Verständnis von Macht und Staat entwickelt Foucault in seinen Arbeiten das Verständnis von Norm weiter. Unter anderem in »Überwachen und Strafen« geht Foucault von einer Disziplinarmacht aus, welche sich auf Normalisierung bezieht (Foucault 2013). »Normalisierung bezeichnet im Frühwerk von Foucault den Prozess der Korrektur, Formung und Regulation von Subjekten durch moderne Formen der Macht, insbesondere der Disziplinarmacht« (Wrana et al. 2014, S. 283). In seinen gouvernementalitätstheoretischen Ausführungen verändert sich dieses Verständnis hin zu Normation in Bezug auf Norm. Normalisierung gebraucht Foucault nun nur noch für die Normen, die anhand statistischer Daten überprüft und damit legitimiert werden. Normalisierung richtet sich jetzt im Sinne der Biopolitik 17 auf die Bevölkerung und nicht mehr ausschließlich auf das einzelne Individuum (ebd., S. 283f.). Für die Arbeit ist das Verständnis von Norm zentral, welches Butler in Anlehnung an Foucault entwickelt. Nach Butler regieren Normen das Sagbare, sie bestimmen, was nicht in der sozialen Welt erscheint und was gesellschaftlich lebbar wird (Butler 2004, S. 41f.). »Normen sind immer schon in die Existenzweise von Subjekten eingeschrieben. […] Normalisierung und Normierung werden bei Butler synonym verwendet. Die beiden Begriffe grenzen den Bereich dessen ein, was als intelligibel und menschlich gelten kann« (Wrana et al. 2014, S. 284 kursiv i.O.). Absatz 3 PStG). Ebenso wurde in Schweden neben den Pronomen han (dt. er) und hon (dt. sie) ein drittes geschlechtsneutrales Pronomen hen eingeführt. 17 | »Wenn man behauptet, dass die Macht im 19. Jahrhundert vom Leben Besitz ergriffen hat oder zumindest, dass die Macht im 19. Jahrhundert das Leben in Beschlag genommen hat, heißt das, dass es ihm gelungen ist, die gesamte Oberfläche abzudecken, die sich vom Organischen zum Biologischen, vom Körper zur Bevölkerung dank des doppelten Spiels der Disziplinartechnologien einerseits, der Regulierungstechnologien andererseits erstreckt. Wir befinden uns somit im Innern einer Macht, die den Körper und das Leben vereinnahmt oder die das Leben im Allgemeinen, wenn Sie so wollen, mit den Polen des Körpers auf der einen und der Bevölkerung auf der anderen Seite in Beschlag genommen hat. Es handelt sich folglich um eine Bio-Macht […]« (Foucault 1999, S. 292f.).
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Regieren wird daran anknüpfend als (teils zwangsweise, teils freie) Zustimmung der Subjekte zu hegemonialen Normen verstanden. Gerade auch Geschlechterverhältnisse repräsentieren eine zentrale gesellschaftliche Machtordnung (Ludwig 2009, S. 93). Damit werden nicht nur Subjekte vergeschlechtlicht, sondern auch die gesellschaftliche Ordnung hergestellt, beispielsweise über eine Arbeitsteilung, der, wie eingangs dargelegt, eine Trennung zwischen einer ›weiblichen‹ zumeist privaten und einer ›männlich‹ als öffentlich verstandenen Arbeitssphäre zugrunde liegt. Diese Arbeitsteilung wird damit als ebenso diskursiv hergestellt und naturalisiert begriffen. Anschließend an diese Überlegungen wird in der Arbeit davon ausgegangen, dass in der Debatte um ›Männer in Kitas/män i förskolan‹ durch eine Verknüpfung von Männlichkeit mit einer genuin weiblich gefassten Arbeitssphäre eine diskursive Verschiebung von Normalitätskategorien stattfindet. »Diskurse bilden die beweglichen und offenen Elemente, die sich zu kontingenten Strukturmustern und schließlich Normalisierungsachsen und -polen der Gesellschaft verbinden« (Bublitz 2011, S. 265). Eingebunden ist diese Hervorbringung von Normen in die im Vorhergehenden ausgeführten diskursiven Macht/Wissenskomplexe. Nach Keller ist der rote Faden in Foucaults Arbeiten »die Analyse von Macht/WissenRegimen bzw. -Diskursen entlang der Frage nach ihrer Hervorbringung moderner Subjekte« (Keller et al. 2012, S. 11). Ziel der Arbeit ist es, den der Debatte ›Männer in Kitas/män i förskolan‹ immanenten Geschlechterdiskurs zu analysieren. In diesemverbindet sich (politische) Macht mit Wissen und über die diskursive Positionierung von Subjekten werden Geschlecht(erverhältnisse) verhandelt. Der Geschlechterdiskurs in der Debatte ›Männer in Kitas/män i förskolan‹ wird als Verknüpfung zwischen staatlicher Macht und Subjektkonstitution18 gedacht. Es wird demnach also gefragt, über welche Regierungstechniken und damit verbundene Differenzsetzungen und Normalisierungsweisen vergeschlechtlichte Subjekte (im Neoliberalismus) konstituiert werden. Diskurse werden als Erzeugungsmomente unterschiedlicher Macht/Wissenskomplexe und damit Subjektkonstitutionen verstanden.
18 | Ludwig geht in diesem Zusammenhang davon aus, dass die Konstitution »einer intelligiblen Form von Subjektivität und einer intelligiblen Form von Körper« (Ludwig 2015, S. 162) untrennbar miteinander verknüpft sind.
3. Diskursanalyse//Gesellschaf tsanalyse
3.3 D iskurstheore tische G esellschaf tsanalyse Das Erkenntnisinteresse der Arbeit ist der Geschlechterdiskurs in der Debatte ›Männer in Kitas/män i förskolan‹. Um diesen analysieren zu können, wurden in diesem Kapitel diskurs- sowie gesellschaftstheoretische Grundlegungen vorgenommen, die im Folgenden nochmals zusammengefasst werden. Wie in Kapitel 2 herausgearbeitet wurde, setzen die Debatte und der dieser immanente Geschlechterdiskurs an tradierten Geschlechterverhältnissen an. Die Konstruktion von Geschlecht und die Geschlechterordnungen werden als diskursive Konstruktion verstanden. Durch diese diskursive Konstruktion schreibt sich staatliche Macht in vergeschlechtlichte Subjekte ein. Ludwig begreift das Verhältnis von Staat und Geschlecht als ko-konstitutiv, dies bedeutet nicht nur der Staat regiert vergeschlechtlichte Subjekte, vielmehr tragen diese auch zur Regierung des Staates bei. Die Debatte ›Männer in Kitas/män i förskolan‹ wird anschließend an die Überlegung als ein Knotenpunkt staatlich subjektivierender Macht begriffen. In der Analyse sollen neben den (vergeschlechtlichten) Subjektkonstitutionen die Kämpfe um Deutungsmacht sichtbar gemacht werden. Anknüpfend an ein diskursanalytisches Wahrheits- und Wirklichkeitsverständnis wird davon ausgegangen, dass es nicht die eine (objektive) Wahrheit gibt, sondern Wahrheit und Wirklichkeit vielmehr Effekte diskursiver Aushandlungen sind, welche sich in gesellschaftlichen Wissensordnungen manifestieren. Wahrheit kann etwas sehr Widersprüchliches sein. Neben der Rekonstruktion von diskursiv erzeugten Wahrheiten ermöglicht die Diskursanalyse auch, Wissenseinheiten ihrer Quasievidenz zu entreißen (Bublitz 2011, S. 248). Nicht nur Wahrheit, sondern auch Wissen und damit verwoben Macht sind somit etwas sich stets in Bewegung Befindendes, diskursiv Erzeugtes. Ebenso wie Wahrheit und Wirklichkeit nicht als etwas Einheitliches angesehen werden, versteht Foucault auch Staat als ein dynamisches Verhältnis, das permanent durch diskursive Praktiken und Aushandlungen hergestellt wird. Diesen Überlegungen liegt ein breiter Staatsbegriff zugrunde. Foucault begreift Staat nicht als einen monolithischen Block, dem zivilgesellschaftliche Akteur*innen in einem hierarchischen Verhältnis gegenüberstehen, sondern diese sind vielmehr diskursiv untrennbar miteinander verwoben. Je nach Macht- und Herrschaftskonstellationen werden unterschiedliche Deutungen eines ›Problems‹ hegemonial. Es gibt nicht die eine vermeintlich richtige Lösung, sondern vielmehr werden sowohl ›Probleme‹ als auch deren Lösungen diskursiv in Wahrheits- und Wirklichkeitsspielen mit widerstreitenden Deutungsmustern hergestellt. Es wird davon ausgegangen, dass im Diskurs bestimmtes Wissen von Geschlecht beziehungsweise Geschlechterverhältnissen bereitgestellt wird. Macht/Wissen, welches diskursiv erzeugt wird, ist unauflösbar miteinander
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verknüpft. Durch diese Macht/Wissenskomplexe wird es möglich, (vergeschlechtlichte) Subjektkonstitutionen als Effekt staatlicher Macht diskursiv herzustellen und Subjekte zu führen. Erst indem Subjekte normativ bereitgestellte Subjektpositionen einnehmen, können diese intelligibel und damit gesellschaftlich sichtbar werden. Die Aushandlung vergeschlechtlichter Subjektkonstitutionen und damit die Bereitstellung (staatlich) vermittelter Normen werden unter dem Begriff der Regierung von Geschlecht gefasst. Die Aushandlung findet dabei im Zusammenspiel unterschiedlicher (politischer und wissenschaftlicher) Kräfteverhältnisse statt. Der Geschlechterdiskurs wird daran anschließend als situierte Wissensordnung verstanden, die normativ auf (vergeschlechtlichte) Subjektkonstitutionen hinwirkt. In der Arbeit werden die Geschlechterdiskurse in der deutschschwedischen Debatte ›Männer in Kitas/män i förskolan‹ an der Schnittstelle zwischen Politik und Wissenschaft vergleichend gegenübergestellt. Ziel ist es, nicht nur Unterschiede herauszustellen, sondern insbesondere auch Gemeinsamkeiten und somit das Macht/Wissen zu Geschlecht in der Verflochtenheit der Debatten herauszuarbeiten. Aus diesen Überlegungen ergibt sich die diskursanalytische Fragestellung: Welche (vergeschlechtlichten) Wahrheiten werden im Geschlechterdiskurs in der Debatte ›Männer in Kitas/män i förskolan‹ produziert? Eine zentrale erkenntnisleitende Frage ist die nach divergierendem vergeschlechtlichtem Macht/Wissen, das dem Geschlechterdiskurs als strukturierte und strukturierende Struktur eingeschrieben ist. Dieses wird anhand von Regelhaftigkeiten von Aussagen und Aussageformationen analysiert. Es wird danach gefragt, was sagbar wird, nicht gesagt werden darf, beziehungsweise was im Verborgenen bleibt. Um vergeschlechtlichte Naturalisierungen und Biologisierungen nicht aus dem Blick zu verlieren, wird in Anlehnung an Butler nicht von einer sex-gender-Unterscheidung ausgegangen, sondern Geschlecht(-erordnung) vielmehr als diskursiv konstruiert verstanden. Welche Ausschlüsse, Abgrenzungen und Differenzsetzungen lassen sich finden? Welches Innen und Außen bringt die diskursive Konstruktion von normierten Differenzen hervor? Welche Annahmen und Zuschreibungen von Wissen(sordnungen) gehen damit einher? Diskurs wird als Praxis verstanden, die erst das hervorbringt, wovon sie spricht. Zu Beginn steht eine Mannigfaltigkeit von Deutungen von ein und demselben Ereignis, die zunächst prinzipiell gleichberechtigt nebeneinander stehen. Welche Version, welche Interpretation sich durchsetzt, ist eine Frage von Macht (Herschinger/Nonhoff 2014, S. 193). Für die Arbeit bedeutet dies, dass die Debatte ›Männer in Kitas/män i förskolan‹ und der dieser immanente Geschlechterdiskurs erst durch bestimmte diskursive (politische und wissenschaftliche) Konstellationen hegemonial und damit zum diskursiven Ereignis wurde.
3. Diskursanalyse//Gesellschaf tsanalyse
Diskursanalyse nimmt dabei eine doppelte Rolle ein. Einerseits ist sie »methodisches Instrumentarium« (Bublitz 1999, S. 28), andererseits ist sie »immer schon Teil dessen, was sie analysiert, und zugleich analysierendes Medium« (ebd.). Um dieser Doppelbestimmung des Diskurses als methodisches Instrumentarium und Erkenntnisgegenstand gerecht zu werden, erfolgt in Anlehnung an die ausgeführten Überlegungen und heuristischen Forschungsfragen im nächsten Kapitel die Formulierung des methodologischen und methodischen Vorgehens.
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4. Methodologie und methodisches Vorgehen Die Arbeit »von uns selbst an uns selbst als freie Wesen« (F oucault 1990, S. 50)
Zu Beginn des Forschungsvorhabens stand die Frage nach dem Diskurs über1 ›Männer in Kitas/män i förskolan‹ im Fokus der Analyse. Im Laufe der Auseinandersetzung mit Diskurs wurde jedoch klar, dass dieser verstanden nach Foucault nicht etwas ist, was auf der Textoberfläche greif bar wird. Diskursanalyse hat vielmehr einen unsicheren Ausgangspunkt: Am Anfang wird davon ausgegangen, dass diskursive Regeln bestehen, diese können jedoch erst aus dem Material gewonnen werden (Diaz-Bone 2006, S. 257). Die Herausarbeitung des Diskurses aus dem Material kann verstanden werden als »Untersuchungen des Wechselspiels von Wissen und den Mechanismen seiner Produktion, die soziale, institutionelle und politische Elemente einschließen« (Saar 2007, S. 26). In der Analyse geht es darum, die Bedingungen und Praktiken, die Wissen erst hervorbringen, herauszuarbeiten. Die Geschichte von Wissensbildung wird daher im Kontext von Kraftfeldern und sozialen Kämpfen gesehen (ebd., S. 29). Vor diesem Hintergrund wird Diskursanalyse als eine historisch eingebettete Sichtbarmachung kurzzeitig fixierter diskursiver Regelhaftigkeiten verstanden. Diskursanalyse versteht sich nicht als große Theorie, die umfassend gesellschaftliche Strukturen erklären kann, sondern als eine bestimmte analytische Blickrichtung2 . Laut Schrage geht es darum, eine neue »Position theoretischen Sprechens zu konstruieren, von de(r) aus ›mehr‹ sichtbar ist« (Schrage 1999, S. 67). 1 | »Immer, wenn das Wort Diskurs in Verbindung mit den Präpositionen ›über‹, ›um‹, › an‹ oder ›zu‹ auftritt (oder auftreten könnte), hat der oder die Autorin nicht Foucault im Hinterkopf« (Schöttler 1997, S. 141). 2 | »Unterstellt wird in einem Diskursraum zwar nicht mehr die Existenz einer geschlossenen, a-historischen, universalen Struktur […], aber unterstellt wird zumindest die Existenz eines durch diskursive Regeln strukturierten Aussagenzusammenhangs (Strukturalität), der als Ermöglichungskontext der Aussagenproduktion in jedem Moment wirkmächtig ist« (Diaz-Bone 2007, S. 78).
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Männlichkeiten im Wandel »Diskursanalyse ist in diesem Sinne eine Perspektive, ein Versuch, eine neuartige Position des theoretischen Sprechens zu konstruieren, eher Reflexion auf Ordnungsprobleme in der Praxis der Untersuchung als Ordnungsmethode empirischen Materials, ein Versuch, die Diskontinuitäten des spezifischen Raums auf ihre Regelhaftigkeit hin zu untersuchen, und kein Weg, aus diesem Raum allgemeine Regeln ›des Diskursiven‹ abzuleiten« (Schrage 1999, S. 67 kursiv i.O.).
Nach einer ersten Auseinandersetzung mit dem Material wurde deutlich, dass in der Debatte über ›Männer in Kitas/män i förskolan‹ ein Geschlechterdiskurs, verstanden als die Bereitstellung vergeschlechtlichter Subjektkonstitutionen, hervorgebracht wird (Großkopf 2012, S. 215). Ziel der Analyse ist es, die Regelhaftigkeit der Aussagen und die diskursiven Praktiken der Hervorbringung aus dem Material herauszuarbeiten. Diskursanalyse aus der Denktradition des Strukturalismus und der historischen Epistemologie widmet sich neben der »Rekonstruktion der Aussageregeln und Aussagepraktiken diskursiver Formationen immer mehr auch der machtvollen Hervorbringung und praktischen Formierung von (Aussage-)Subjekten. Der von ihr untersuchte Wirklichkeitsausschnitt wird also von diskursiven Praktiken mit ihren Aussagefeldern und Sagbarkeitsräumen gebildet, die sich in machtvollen, d.h. für Subjekte handlungswirksamen Wissensordnungen manifestieren« (Gasteiger/Schneider 2014a, S. 143).
Die Analyse reduziert sich somit nicht auf ein überzeitliches, sprachliches Zeichensystem, sondern vielmehr wird nach »konkrete(n), historisch-kulturell generierte(n) und sozial kontextuierte(n) Sprech- und Aussagepraktiken als diskursive Formationen« gefragt (Gasteiger/Schneider 2014a, S. 143). Laut Diaz-Bone müssen im Rahmen einer Diskursanalyse folgende Schritte vollzogen werden: »auf der Grundlage des eigenen Erkenntnisinteresses, der verfolgten Forschungsfrage(n), [sollen] die diskurstheoretischen Fundamente sowie die damit einhergehenden methodologischen Prinzipien ausgewiesen werden, um in einem nächsten Schritt adäquate Vorgehensweisen zur Sammlung des erforderlichen Textmaterials zu entwickeln und dazu passende Auswertungsstrategien zu bestimmen« (Diaz-Bone/Schneider 2008, S. 524).
Nachdem in Kapitel 2 und 3 das Erkenntnisinteresse sowie das diskurstheoretische Verständnis der Arbeit expliziert wurden, werden im Folgenden der methodologische und methodische Zugang der Arbeit genauer ausgeführt. Ausgehend von einer an die interpretative Analytik angelehnten detektivischen Haltung dem Material gegenüber (4.1), wird das methodische Vorgehen
4. Methodologie und methodisches Vorgehen
expliziert. Zu Beginn des Kapitels 4.2 stehen Ausführungen zur Materialgewinnung; dieses setzt sich aus unterschiedlichen Textsorten, nämlich Regierungspapieren, (wissenschaftlichen) Publikationen sowie insgesamt zehn Expert*inneninterviews, zusammen und verortet sich an der Schnittstelle zwischen Politik/Wissenschaft. Daran anschließend werden die Oberflächen- und Feinanalyse expliziert sowie die Auswertung im Sinne einer de-rekonstruktiven Lesart von Geschlechterwissen entwickelt (4.3).
4.1 D er B lick auf das M aterial – eine » de tek tivische H altung « 3 Ebenso wie der Diskursbegriff immer wieder neu gefasst werden muss, gibt es bei einer Diskursanalyse im Gegensatz zu ›klassischen‹ sozialwissenschaftlichen Forschungsansätzen kein klares methodologisches/methodisches Vorgehen. Foucault macht in seinen Arbeiten zwar Überlegungen zur Methode, expliziert diese jedoch nicht genauer. »Ich habe keine Methode, die ich unterschiedslos auf verschiedene Bereiche anwendete. Im Gegenteil, ich möchte sogar sagen, ich isoliere ein und denselben Gegenstandsbereich, ein und denselben Objektbereich mit Hilfe von Instrumenten, die ich vorfinde oder die ich mir während meiner Forschungsarbeit selbst schaffe, ohne dabei dem Problem der Methode eine besondere Stellung einzuräumen« (Foucault 2003b, S. 521).
Diskursanalyse nach Foucault wird damit nicht als Methode verstanden, sie ist vielmehr ein Hybrid, welches sich nicht einordnen lässt, und sich zwischen Methodik, Methodologie oder Methodenkritik bewegt (Großkopf 2012, S. 209). Die Uneinordenbarkeit der Diskursanalyse stellt gleichzeitig ihre analytische Stärke dar, das »Mehr der Diskursanalyse« (ebd., S. 212 kursiv i. O.). Dieses Mehr liegt laut Großkopf in der Verbindung der theoretischen Perspektive und Diskursanalyse als Instrument (ebd., S. 214). Diskursforscher*innen wenden Methoden an, »um Gegenstandsdiskurse in Theoriediskurse zu übersetzen, d.h. eine Expertise zu einem bestimmten Gegenstandsbereich in einer für das Feld plausiblen und akzeptablen Übersetzungspraxis relevant und interessant zu machen« (Angermuller/Schwab 2014, S. 647). Anknüpfend an diese Überlegungen wird in der Arbeit von einem methodischen Holismus nach Diaz-Bone ausgegangen. Dieser setzt sich zusammen aus der Ebene der Diskurstheorie und eventuellen Erweiterungen, der Ebene der Methodologie als reflexive Instanz sowie der Ebene der methodischen Praxis (Diaz-Bone 2012, S. 4). Es geht um das Verhältnis von Theorie und Empirie und das Verhältnis von Theo3 | Vgl. Gasteiger 2008, S. 38.
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rie und Methode, wobei die Methodologie die Vermittlungsinstanz zwischen theoretischen Annahmen und wissenschaftlichem Vorgehen ist (Truschkat 2013, S. 70f.). Foucault hat zwar keine eigenständige Methode expliziert, aber sehr wohl eine Methodologie, welche die reflexive Grundlage für die Diskursanalyse bildet und diese als historische, dekonstruktive und konstruktive Sozialforschung verortet (Diaz-Bone 2007, S. 70). »Der Faden, der sich durch Foucaults vielschichtiges Werk zieht, ist die methodologische Haltung, stets neue Fragen zu entwerfen, die eigenen Prämissen zu variieren und möglichst unvoreingenommen für neue Horizonte zu bleiben, die sich im Laufe des Forschungsprozesses eröffnen« (Gasteiger 2008, S. 34).
Daran anknüpfend wird im Forschungsprozess ein relativ freies Vorgehen gewählt, welches gekennzeichnet ist durch Neuausrichtungen und Verwerfungen. Nach Gasteiger sind Perspektivverschiebungen erlaubt und konsequent (Gasteiger 2008, S. 39). Als methodologische Perspektivierung wurde in Anlehnung an Dreyfus und Rabinow die interpretative Analytik gewählt. Unter Analytik wird eine »pragmatisch orientierte Lektüre der Kohärenz gesellschaftlicher Praktiken« verstanden (Dreyfus/Rabinow 1994, S. 154). Ziel ist es, epistemische Gewissheiten aufzubrechen. Der diskursanalytische Prozess zeichnet sich nicht nur durch das Auf brechen von Quasievidenzen aus, sondern gleichzeitig wird Nicht-Wissen mit hergestellt (Gasteiger 2008, S. 39). Von besonderer Bedeutung ist die Frage nach der Positionierung beziehungsweise analytischen Haltung der forschenden Person. Diese wird als Teil des Forschungsprozesses gesehen. Diskursanalytiker*innen befinden sich selbst innerhalb eines historischen Archivs und sind ebenso mit bestimmten diskursiv hergestellten Perspektiven verflochten (ebd.). Dreyfus und Rabinow halten hierzu fest: »Wer interpretative Analytik praktiziert, bemerkt, daß ihn selbst erzeugt hat, was er untersucht; folglich kann er niemals außerhalb davon stehen« (Dreyfus/Rabinow 1994, S. 154). Auch der Forschungsgegenstand selbst wird erst durch bestimmte diskursive Konstellationen ermöglicht, die die Frage im wissenschaftlichen Diskurs hegemonial gemacht haben. Die forschende Person nimmt eine Position des Dazwischen ein – zwischen Situiertheit und Distanziertheit (Truschkat 2013, S. 72). »Interpretatives Verstehen kann nur von jemandem erzielt werden, der die Betroffenheit des Akteurs teilt und sich zugleich davon distanziert. Diese Person muss die harte historische Arbeit der Diagnose und Analyse der Geschichte und der Organisation geläufiger kultureller Praktiken auf sich nehmen. […]. Sie [die Analyse, ID] beansprucht
4. Methodologie und methodisches Vorgehen weder eine Übereinstimmung mit den den Akteuren gemeinsamen Alltagsbedeutungen, noch – in irgendeinem einfachen Sinn – die Enthüllung der den Praktiken innewohnenden Bedeutung. In diesem Sinne ist Foucaults Methode interpretativ, aber nicht hermeneutisch« (Dreyfus/Rabinow 1994, S. 154).
Diesem analytischen Umstand wird im Laufe des Forschungsprozesses durch folgende zentrale Strategien Rechnung getragen: Einerseits wird die Haltung einer permanenten Selbstreflexion eingenommen. Dieser liegt das Verständnis der Autorin zu Grunde, selbst Teil heteronormativer Strukturierungen und biologistischer Zuschreibungen zu sein. Gleichzeitig wird gerade dies in Frage gestellt. Andererseits erfolgt ein kontinuierlicher Austausch sowohl mit gegenstandsfremden Personen in verschiedenen Arbeitsgruppen und Kolloquien als auch Personen, die sich ebenso mit dem Gegenstand auseinandersetzen und sich in ähnlichen diskursiven Auseinandersetzungen bewegen. Wichtig ist, dass, wie in Kapitel 3 gezeigt, aus einer diskursanalytischen Sicht nicht von einem/r autonom handelnden Akteur*in ausgegangen wird. Der Blick richtet sich vielmehr auf intersubjektive Wissensformationen, die scheinbar unabhängig vom/von der handelnden Akteur*in wirklichkeitskonstruierend wirken (Truschkat 2013, S. 74). »Diskurse werden von Alltagsakteuren nicht ›verstanden‹ und bestehen nicht aus dem subjektiv Gemeinten und befinden sich nicht ›in den Köpfen‹ der Akteure, sondern haben eine eigene (inter)diskursive (und nicht: psychische) Materialität. Schlussfolgerungen auf Interessen oder Mentalitäten von Akteuren klammert die interpretative Analytik aus« (Diaz-Bone 2007, S. 76).
Anknüpfend an diese Überlegung wird in der Analyse – insbesondere der Interviews – nicht nach der ›versteckten‹ Intention beziehungsweise dem Willen der Akteur*innen gefragt, sondern vielmehr werden die Interviews auf einer Ebene mit den anderen Texten gestellt und als gleichberechtigte Fragmente eines gesellschaftlichen Wissens verstanden. Erst durch die textübergreifende Analyse können diskursive Regelhaftigkeiten zu Geschlecht herausgearbeitet werden. Es geht nicht darum, die Tiefenstruktur von Alltagskonzepten zu analysieren, sondern vielmehr um das Auf brechen vermeintlicher Selbstverständlichkeiten und Normalitäten (Truschkat 2013, S. 72; Diaz-Bone 2007, S. 76). Historische Situationen, wie sie vorgefunden werden, spiegeln nur eine von vielen Deutungsmöglichkeiten wider. Die jeweils vorherrschende Deutung wird erst durch Machtspiele zum Ereignis und damit sozialkonstitutiv. »Diskursstrukturen sind zugleich Machtstrukturen; diskursive Auseinandersetzungen sind machthaltige Konflikte um Deutungsmacht« (Keller 2008, S. 207). An dieser Stelle wird die interpretative Analytik zu einer »Analytik der Macht« (Gasteiger
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2008, S. 43). Gefragt wird nach machtvollen Wahrheitsspielen und dahinterstehenden Wissenspolitiken. Der forschende Blick richtet sich dabei auf Bruchstellen der historischen Entwicklung (Truschkat 2013, S. 72). Mit Foucault gesprochen rücken Problematisierungen in den Fokus der Analyse: »Die Untersuchung der Problematisierungen […] ist also eine Art und Weise, wie man Fragen von allgemeiner Bedeutung in ihrer historischen einzigartigen Form analysiert« (Foucault 2007, S. 189 kursiv i.O.). Gefragt wird nicht nach dem Text immanenten, kohärenten Einheiten, sondern es geht darum, die Regelhaftigkeiten der Aussagenpraxis zu entziffern (Truschkat 2013, S. 72). Neben den Vermittlungen zwischen den diskurstheoretischen Überlegungen und der Empirie stellt die interpretative Analytik einen Verknüpfungspunkt zwischen Theorie und dem methodischen Vorgehen dar (Truschkat 2013). Während in Verbindung zwischen diskurstheoretischer Perspektive und Empirie nach der Regierung von Geschlecht gefragt wird, stellt sich auf methodischer Ebene die Frage, wie dies analytisch zugänglich gemacht werden kann. Anknüpfend an den methodologischen Blick der interpretativen Analytik geht es darum, einen methodischen Zugang im Sinne einer interpretativrekonstruktiven Diskursforschung zu entwickeln. Diskursanalyse ist »keine Textanalyse von manifesten Texteigenschaften« (Diaz-Bone 2007, S. 76), die im Sinne einer Inhaltsanalyse vergleichend herausgearbeitet werden müssen. Es geht gerade nicht darum, Inhalte nachzuerzählen, sondern »nach und nach rekonstruierend […] von einer […] Materialmenge auf eine latente und soziohistorische, systematische Wissenspraxis zu schließen« (ebd., S. 76f.). Der Forschungsprozess der Diskursanalyse folgt einer abduktiven Logik. Abduktion »ermöglicht es, von den im Datenmaterial anzutreffenden Aussagen über die möglichen, sie organisierenden und bedeutungsgenerierenden Praktiken und Regeln auf die dahinterliegende gesellschaftliche Wissensordnung zu schließen« (Bechmann 2007, S. 46 kursiv i.O.). Die Arbeit entsteht somit aus dem Material heraus. »So bildet letztlich ein grundlegend reflexives Verhältnis von Theorie und Empirie im Sinne des Hinterfragens der je eigenen Sozialtheorie des wissenschaftlichen Forschungssubjekts und dessen fortwährende datenbezogene Arbeit an den (formal- bzw. meta-)theoretischen Konzepten im Kontext des konkreten Forschungsprozesses die unerlässliche Basis für einen Forschungsprozess, der auf Abduktion zielt« (Gasteiger/ Schneider 2014a, S. 146).
Wie mit dem Prinzip der Abduktion deutlich wird, ist ein zentraler Punkt des diskursanalytischen Forschungsprozesses die Ergebnisoffenheit (Truschkat 2008, S. 73). Der Forschungsprozess wird als offener Suchprozess verstanden, »durch den neue Zusammenhänge und neue Konzepte zu entdecken sind«
4. Methodologie und methodisches Vorgehen
(Truschkat 2013, S. 82). Interpretative Analytik folgt einem iterativ-zyklischen Erkenntnisprozess, in dem sich Theorieformierung und Analyse abwechseln (Truschkat 2008, S. 73). »Generell werden die verschiedenen Phasen, insbesondere diejenigen der Literaturauswertung und Datenerhebung/Datenanalyse, selten in streng linearer Reihenfolge umgesetzt. Häufiger sind Wechselbewegungen zwischen den Etappen des Forschungsprozesses« (Keller 2008, S. 199). Die Bildung von Hypothesen wird daran anknüpfend über die Regeln der Aussagepraxis vollzogen (Gasteiger/Schneider 2014a, S. 143). »Die interpretative Analytik beansprucht, eine systematische Analyse zu sein, gleichzeitig ist sie eine zirkuläre Rekonstruktion ohne sicheren Grund: sie nimmt die Rekonstruktion der Grundlogik im Material auf und vergewissert sich der Zwischenstände am selben Material; keine deduktive Thesenprüfung, keine Induktion, sondern ein fittingProzess, der immer wieder die Zwischenresultate zu korrigieren bereit ist« (Diaz-Bone 2007, S. 79 kursiv i.O.).
Wichtig ist an dieser Stelle, dass das Forschungsinteresse und der Forschungsprozess so angelegt sind, dass sie es ermöglichen, flexibel auf Überraschungen und Unerwartetes reagieren zu können (Gasteiger 2008, S. 38). Gasteiger spricht an dieser Stelle von einer detektivischen Haltung (ebd.). Doch ist es schwer, diesen distanziert situierten Blickwinkel ganz ohne vorhergehende Bezugspunkte einzunehmen. Foucault hält an dieser Stelle fest, »daß man ohne Bezugspunkte alle möglicherweise so erscheinenden Relationen beschreiben kann. Bei einer ersten Annäherung muß man eine provisorische Zerteilung in Kauf nehmen: Ein anfängliches Gebiet, das bei der Analyse umgestoßen und wenn nötig, neu organisiert wird« (Foucault 1981, S. 45f.).
Als ein solcher Bezugspunkt wird für die vorliegende Arbeit das Forschungsinteresse an der Konstruiertheit von Geschlecht verstanden. Mit Blumer lässt sich diesbezüglich von einem »theoretical sensitizing concept« (Blumer 1954) sprechen. Die Ausführungen in Kapitel 3.2 zur Regierung von Geschlecht werden in diesem Kontext als theoretische Sensibilisierung der Analyse verstanden und nicht als festgelegtes Konzept beziehungsweise Strukturierung, die nur an das Material angelegt werden muss. Neben einer offenen Vorstrukturierung der Analyse des Materials ermöglicht der Zugang über eine theoretische Sensibilisierung auch die Zusammenstellung eines Datenkorpus. Ausgehend von der methodologischen Grundhaltung, welche als detektivische Haltung verstanden wird, werden im Folgenden Überlegungen zur Materialgewinnung und zum methodischen Vorgehen getroffen.
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Männlichkeiten im Wandel
4.2 D as me thodische V orgehen //D atenerhebung , K orpusbildung und F einanalyse Wie schon in den vorherigen Kapiteln erwähnt wurde, lehnt sich das analytische Vorgehen der vorliegenden Arbeit an die nach Diaz-Bone 2006 vorgeschlagene Analyse von Diskursen an. Die einzelnen Schritte werden dabei nicht chronologisch abgearbeitet, sondern die Formierung des Forschungsprozesses und damit einhergehend auch die Analyse des Diskurses finden in wechselseitig sich ergänzenden Bewegungen statt. Der Forschungsprozess ist somit nicht geradlinig, wie er am Ende und hier in der Beschreibung des methodischen Vorgehens dargestellt wird, vielmehr findet dieser iterativ in Wellenbewegungen statt. »Wenig regelgeleitet ist […] der Analyseprozess […] doch ist auch dieses kein theorieoder hypothesengeleiteter, sondern vielmehr meist ein explorativer Prozess, in dem Materialsammlung, Analyseverfahren und Ergebnisse flexibel im Laufe der Analyse dem Gegenstand schrittweise angepasst werden« (Wedl et al. 2014, S. 552).
Bei der Zusammenstellung des Materials geht es in Anlehnung an die Offenheit des Forschungsprozesses nicht darum, eine Grundgesamtheit zu repräsentieren, sondern sich vielmehr der »Breite des zur Verfügung stehenden Materials« zu bedienen (Truschkat 2013, S. 79). An den Anfang seines Analyseprogramms stellt Diaz-Bone die Formierung von Theorie, woran sich dann in einem weiteren Schritt die Sondierungsphase und die provisorische Korpuserstellung anschließen. Im Rahmen der Sondierungsphase stehen Fragen nach der Strukturierung des Untersuchungsfeldes im Vordergrund. Ziel ist die Beschaffung von Informationen, die sowohl das Feld sondieren als auch im Weiteren zur Begründung der Korpuserstellung dienen (Diaz-Bone 2006, S. 258). In der vorliegenden Arbeit war die Sondierungsphase sowie die Korpuserstellung ein Prozess, der eng miteinander verwoben stattgefunden hat. Erst durch die Auseinandersetzung mit dem provisorischen Korpus wurde deutlich, was auf diskursiver Ebene für die Analyse von Interesse zu sein schien. Diese Überlegungen wurden in der Ausformulierung des theoretischen Rahmens zu ›Geschlecht regieren‹ und mit den in Kapitel 3.3 ausformulierten heuristischen Forschungsfragen konkretisiert. In der sich daran anschließenden Oberflächenanalyse des Materials, in der zentrale Begriffe, Objekte und Strategien im Fokus standen, wurden die theoretischen Ausführungen und das heuristische Modell in Bezug auf den Forschungsgegenstand verfeinert. Der Forschungsprozess der Diskursanalyse kann als unauflösbares Zusammenspiel zwischen Theorie, Analyse, Gegenstand und Material gefasst werden.
4. Methodologie und methodisches Vorgehen
4.2.1 Datenerhebung und Korpusbildung Nach Angermuller werden Datenkorpora in der Diskursforschung »eingesetzt, um aus einer begrenzten Anzahl sprachlicher Äußerungen Aufschluss über einen Gegenstand zu gewinnen, der sich nicht ohne Weiteres überblicken lässt« (Angermuller 2014a, S. 604). In der Arbeit wird von einem offenen, weiten Korpusbegriff ausgegangen (ebd.), wobei Korpus als »qualitative Material-, Text- oder Datensammlung« (ebd.) verstanden wird. Bei der Materialerhebung wurde ebenso wie bei der Interviewdurchführung auf ein offenes Vorgehen geachtet, um Raum für Irritationen und Überraschungen zu lassen. Der Datenkorpus wurde durch unterschiedliche Suchprozesse gewonnen und verfeinert. Die Datenerhebung bestand aus einer umfassenden Internetund Literaturrecherche, dem Besuch von thematisch einschlägigen Konferenzen sowie der Durchführung von teilstandardisierten Expert*inneninterviews. Am Anfang des Forschungsprozesses Ende 2011 stand eine vertiefte Auseinandersetzung mit der Frage nach geschlechterpolitischen Maßnahmen im elementarpädagogischen Bereich (Diewald 2011). Auf den ersten Blick zeigten sich deutliche Unterschiede zwischen der schwedischen und der deutschen Politik. Während in Deutschland die Rekrutierung von ›Männern‹ in Kitas ein zentrales Moment von Gleichstellung darstellte, waren in Schweden vor allem genderpädagogische Strategien im Vordergrund (SOU 2004: 115)4. Daraus resultierte zu Beginn des Forschungsprojekts die Frage, wie die unterschiedliche gleichstellungspolitische Ausrichtung im elementarpädagogischen Bereich in beiden Ländern zu erklären sei. Wie in Kapitel 2 ausgeführt, lassen sich in Schweden seit Ende 2011 jedoch ebenfalls auf Regierungsebene Bestrebungen zur Erhöhung des Männeranteils in der Vorschule erkennen5. Aus dieser Veränderung der politischen Auseinandersetzung zu Gleichstellung im elementarpädagogischen Bereich resultierte für beide Länder eine erste Verengung des Suchprozesses auf Materialien6, die sich dezidiert mit der Rekrutierung von ›Männern‹ in den elementarpädagogischen Bereich auseinandersetzen. Im Zuge dieser Auseinandersetzung wurden für beide Länder Schlüsseltexte zur Rekrutierung von ›Männern‹ in den elementarpädagogischen Bereich bestimmt, welche als Ausgangspunkt für den weiteren Forschungsprozess dienten. Dies ist in Deutschland die Studie »Männliche Fachkräfte in 4 | Die Rekrutierung von mehr Männern in die Vorschule wurde dabei als nicht zentral für die Erreichung von Gleichstellung erachtet (SOU 2004:115; vgl. Kapitel 6). 5 | Noch einmal intensiviert wurden diese Anfang 2013 mit dem Amtsantritt der Gleichstellungsministerin Maria Arnholm. 6 | Dies waren unter anderem Regierungspapiere, wissenschaftliche Texte, Homepages, Kinderbücher, Zeitungsartikel, Werbematerial sowie Videos.
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Kindertagesstätten. Eine Studie zur Situation von Männern in Kindertagesstätten und in der Ausbildung zum Erzieher« (Cremers/Krabel 2010) und in Schweden die Studie »Män i förskolan – kartläggning och analys av insatser« 7 (Wernersson/Granbom 2012). Beide Studien wurden auf Regierungsebene in Auftrag gegeben und in Zusammenarbeit mit einer Fachhochschule beziehungsweise in Schweden einer Hochschule8 (högskola) umgesetzt. Deutlich wird die Verknüpfung zwischen Politik und Wissenschaft. Die Auseinandersetzung mit der Thematik wurde zwar von politischer Seite initiiert, umgesetzt wurde diese jedoch dann auf wissenschaftlicher Ebene. Eine weitere Parallele lässt sich in der Zielsetzung der Studien erkennen: In beiden wird nach der aktuellen Situation männlicher Fachkräfte im elementarpädagogischen Bereich gefragt. Neben der zeitlichen Differenz von zwei Jahren, in denen die Studien umgesetzt wurden, lassen sich zentrale Unterschiede in den finanziellen, personellen und zeitlichen Ressourcen erkennen. In Deutschland wurden im Zeitraum vom 01.09.2008 bis zum 30.11.2009 (Cremers/Krabel 2010, S. 33) sowohl quantitative als auch qualitative Verfahren eingesetzt, um die aktuelle Situation männlicher Erzieher zu analysieren, während in Schweden in einem deutlich kürzeren Zeitraum von Ende 2011 bis Anfang 2012 vor allem Sekundärliteratur analysiert wurde (Wernersson/Granbom 2012). Ausgehend von diesen Texten wurden im Weiteren vor allem zwei Verfahren der Textgewinnung für den Datenkorpus verfolgt. Einerseits wurden leitfadengestützte Expert*inneninterviews durchgeführt. Diese begründen sich vor allem in der Ungleichzeitigkeit der Debatten in Deutschland und Schweden. Da sich, wie im Vorhergehenden ausgeführt, die schwedische Debatte erst im Laufe des Forschungsprozesses verstärkt entwickelt hat, ermöglichten die Expert*inneninterviews zu Beginn der Forschung einen Zugang zur schwedischen Auseinandersetzung. Neben den Interviews wurden andererseits anhand von Schlüsselwörtern und Mehrfachnennungen Texte für den Korpus ausgewählt. Im Laufe des Analyseprozesses kristallisierten sich für Deutschland folgende Schlüsselwörter heraus, ›Mann‹/›Männer in Kitas‹, ›Mehr Männer in Kitas‹, Gleichstellung und ›Männer‹, Gleichstellung und Kita, ›Männer‹ und Care, Männlichkeit und Erziehung. Ausgewertet wurden ebenso die Literaturverzeichnisse einschlägiger Publikationen, wie »Männer in Kitas« (Koordinationsstelle »Männer in Kitas« 2012) oder »Jungen als Bildungsverlierer. Brauchen wir eine Männerquote in Kitas und Schulen?« (Hurrelmann/Schultz 2012). Eine weitere wichtige Quelle war die sehr ausführliche und permanent 7 | »Männer in der Vorschule – Erhebung und Analyse von Aktionen« (Wernersson/ Granbom 2012 – eigene Übersetzung) 8 | Diese sind der deutschen Fachhochschule ähnlich, zeichnen sich durch eine stärkere Praxisausrichtung aus sowie zumeist einem eingeschränkten Promotionsrecht.
4. Methodologie und methodisches Vorgehen
aktuell gehaltene Homepage der Koordinationsstelle Männer in Kitas »www. koordination-maennerinkitas.de/« sowie der Newsletter der Koordinationsstelle. Aus dem provisorischen Datenkorpus wurde am Ende ein Korpus von 10 Dokumenten für die Feinanalyse erstellt. Die Dokumente der Feinanalyse unterscheiden sich mit drei bis 100 Seiten deutlich in ihrer Länge und wurden zwischen 2010 und 2015 veröffentlicht. Nicht mit in die Feinanalyse eingeflossen sind Dokumente, die als Wegbereiter für die Debatte verstanden werden. Dies sind insbesondere Publikationen im Rahmen der Projekte ›Neue Wege für Jungs‹, ›Gender Loops‹ sowie auf politischer Ebene scheinbar richtungsweisende Forschungsprojekte zur Veränderung von Männlichkeit9. Der Datenkorpus für Deutschland setzt sich neben den Interviewtranskripten aus folgenden Textdokumenten zusammen: Datenkorpus Deutschland (sortiert nach Erscheinungsjahr): Schlüsseldokument: Cremers, Michael; Krabel, Jens (2010)
Männliche Fachkräfte in Kindertagesstätten. Eine Studie zur Situation von Männern in Kindertagesstätten und in der Ausbildung zum Erzieher.
Folgende Artikel aus dem Sammelwerk ›Männer in Kitas‹ flossen in die Auswertung mit ein: Aster, Reiner (2012)
Das ESF-Modellprogramm im beschäftigungspolitischen Rahmen der Europäischen Union. In: Michael Cremers (Hg.): Männer in Kitas. Opladen: Budrich, S. 103-111.
Brandes, Holger; Andrä, Markus; Röseler, Wenke (2012)
Das »Männliche« in der Erziehung. Geschlechtsspezifisches Erziehungsverhalten und männliches Rollenvorbild. In: Michael Cremers (Hg.): Männer in Kitas. Opladen: Budrich, S. 151-166.
Icken, Angela (2012)
Das Bundesprogramm ›Männer in Kitas‹ – ein gleichstellungspolitischer Ansatz. In: Michael Cremers (Hg.): Männer in Kitas. Opladen: Budrich. S. 17-26.
9 | Volz, Rainer; Zulehner, Paul M. (2009): Männer in Bewegung. Zehn Jahre Männerentwicklung in Deutschland; ein Forschungsprojekt der Gemeinschaft der Katholischen Männer Deutschlands und der Männerarbeit der Evangelischen Kirche in Deutschland. Baden-Baden: Nomos.
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Männlichkeiten im Wandel Rohrmann, Tim (2012b)
Warum mehr Männer? In: Michael Cremers (Hg.): Männer in Kitas. Opladen: Budrich, S. 115-130.
Weitere Textdokumente: Rohrmann, Tim; Cremers, Michael; Krabel, Jens (2010)
Männer in Kitas – welche Bedeutung hat das Geschlecht pädagogischer Fachkräfte? 44-55. In: Archiv für Wissenschaft und Praxis der sozialen Arbeit 41 (2), S. 1-12.
Cremers, Michael; Krabel, Jens (2012):
Männer-Quoten in Care-Bereichen. In: Hurrelmann, Klaus; Schultz, Tanjev (Hg.): Jungen als Bildungsverlierer. Brauchen wir eine Männerquote in Kitas und Schulen? Weinheim: Beltz Juventa (Pädagogische Streitschriften), S. 78-100.
Icken, Angela (2013)
Jungen und junge Männer im Fokus der Gleichstellungspolitik: Welche Ziele verfolgt eine emanzipatorische Männer- und Jungenpolitik? Bonn, 2013.
Koordinationsstelle Männer in Kitas (2014b):
Handreichung für die Praxis. Geschlechtergerechte Personal- und Organisationsentwicklung – Grundlagen, Praxisreflexionen und -materialien. Berlin.
Koordinationsstelle Männer in Kitas (2014a)
Geschlechtersensibel pädagogisch arbeiten in Kindertagesstätten – Forschungsergebnisse und Praxisempfehlungen. Handreichungen für die Praxis. Berlin.
Rohrmann, Tim; Brandes, Holger (2015)
Männer in Kitas. Chance und Herausforderung für pädagogische Qualität. In: Frühe Bildung 4 (2), S. 110-112.
Rose, Lotte; Stibane, Friederike (2013)
Männliche Fachkräfte und Väter in Kitas. Eine Analyse der Debatte und Projektpraxis. Band 35. München.
Für Schweden wurde ein ähnliches Vorgehen gewählt. Neben einer ausführlichen Internet- und Literaturrecherche lag ein besonderes Augenmerk auf den Untersuchungen »Statens offentliga utredninga«10 (SOU). Schlagwörter, nach denen gesucht wurde, waren unter anderem: ›män i förskolan‹, ›fler män i förskolan‹, ›män‹ och jämställdhet, jämställdhet och förskolan. Ebenso wie der deutsche Korpus umfasst auch der schwedische Datenkorpus für die Feinanalyse 10 Dokumente, der Zeitraum ist mit 2012 bis 2015 etwas kürzer als in Deutschland. Eine Besonderheit ist in Schweden, dass es schon in den 1970er 10 | Swedish Government Official Reports, von der schwedischen Regierung in Auftrag gegebene Untersuchungen.
4. Methodologie und methodisches Vorgehen
Jahren eine Debatte zu ›Männern‹ im elementarpädagogischen Bereich (›män i barnomsorgen‹11) gab. Diese Debatte fließt in die Arbeit insofern mit ein, wie sie durch Texte12 in der aktuellen Debatte zentral wird. Neben der Suche nach schwedischen und deutschen Texten wurde unter den Schlagwörtern ›men in childcare‹, ›more men in childcare‹, childcare and equality auch nach englischsprachiger Literatur gesucht, die sich auf Deutschland oder Schweden bezieht. Der Datenkorpus für Schweden setzt sich neben den Interviewtranskripten aus folgenden Textdokumenten zusammen: Datenkorpus Schweden (sortiert nach Erscheinungsjahr): Schlüsseldokument: Wernersson, Inga; Granbom, Ingrid (2012)
Män i förskolan – kartläggning och analys av insatser. Online verfügbar unter http://lum 2015aol.files.wordpress. com/2013/01/mc3a4n-i-fc3b6rskolankartlc3a4ggning-oh-analys-av-insatser.pdf, zuletzt geprüft am 20.06.2014.
Folgende Artikel aus der Anthologie »Fler män i förskolan. En antologi om breddad rekrytering« (SKL 2015) flossen in die Auswertung mit ein: SKL (Hg.) (2015)
Fler män i förskolan. En antologi om breddad rekrytering. Stockholm: Sveriges kommuner och landsting.
Jalmert, Lars (2015)
Maskulinitet och omsorg – gamla mönster för män i förskolan. In: SKL (Hg.): Fler män i förskolan. En antologi om breddad rekrytering. Stockholm: Sveriges kommuner och landsting, S. 77-89.
Heikkilä, Mia (2015c)
Män i förskolan och på förskollärarutbildningen – vilka är ni? In: SKL (Hg.): Fler män i förskolan. En antologi om breddad rekrytering. Stockholm: Sveriges kommuner och landsting, S. 51-66.
11 | Erst mit dem Wechsel der Zuständigkeit vom Gesundheits- und Sozialministerium zum Ministerium für Bildung und Wissenschaft änderte sich die Bezeichnung für Kinderbetreuung von daghem (Kindergarten) zu förskola (Vorschule) (Bergqvist/Nyberg 2002, S. 294). Deutlich wird der Schritt hin zu einem universalen Vorschulsystem. Ziel war es, das pädagogische Profil der Kinderbetreuung zu schärfen. 12 | Ein Schlüsseldokument der Debatte aus den 1970er Jahren ist: »Män och kvinnor i barnomsorgen. En analys av könskvotering, yrkesval och arbetstrivsel« (Wernersson/ Lander 1979).
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Männlichkeiten im Wandel Heikkilä, Mia (2015d)
»Manliga« förebilder i förskolan – hur kan det förstås? In: SKL (Hg.): Fler män i förskolan. En antologi om breddad rekrytering. Stockholm: Sveriges kommuner och landsting, S. 85-97.
Folgende Artikel aus dem Sammelwerk »Men, masculinities and teaching in early childhood education« (Brownhill et al. 2015) sind Teil des Datenkorpus: Warin, Jo (2015)
Pioneers, professionals, playmates, protectors, ›poofs‹ and ›paedos‹: Swedish male pre-school teachers construction of their identities. In: Brownhill, Simon; Warin, Jo; Wernersson, Inga (Hg.): Men, masculinities and teaching in early childhood education. International perspectives on gender and care. London, New York, NY: Routledge, S. 95-106.
Warin, Jo; Wernersson, Inga (2015)
Introduction. In: Brownhill, Simon; Warin, Jo; Wernersson, Inga (Hg.): Men, masculinities and teaching in early childhood education. International perspectives on gender and care. London, New York, NY: Routledge, S. 1-10.
Wernersson, Inga (2015)
More men? Swedish arguments over four decades about ›missing men‹ in ECE and care. In: Brownhill, Simon; Warin, Jo; Wernersson, Inga (Hg.): Men, masculinities and teaching in early childhood education. International perspectives on gender and care. London, New York, NY: Routledge, S. 13-25.
Weitere Texte des Datenkorpus: Heikkilä, Mia (2015a)
Eine neue Generation männlicher Kindheitspädagogen? Online verfügbar unter http://mika.koordination-maennerinkitas. de/unsere-themen/detailansicht/article/ eine-neue-generation-maennlicher-kindheitspaedagogen/, zuletzt geprüft am 08.06.2016.
Heikkilä, Mia; Hellman, Anette (2016)
»New preschool teacher students? – forming an alternative masculinity« im Rahmen der EECERA 2016.
4. Methodologie und methodisches Vorgehen
Der gesamte Datenkorpus setzt sich damit aus folgenden unterschiedlichen Textarten zusammen: Interviewtexte, wissenschaftliche Publikationen und politische Paper. Das Datenmaterial verortet sich damit an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Politik13. In Anlehnung an den in Kapitel 3 explizierten theoretischen Rahmen zur Regierung von Geschlecht sowie die der Arbeit zugrunde liegenden Fragen nach vergeschlechtlichten Wahrheiten werden diese Textarten als diskursive Praktiken der Bereitstellung von Geschlechterwissen verstanden, welches in einem politik-wissenschaftlichen Diskurs hegemonial wird. Diese disziplinenübergreifende Verortung der Debatte ist Ergebnis einer ersten Oberflächenanalyse des gesamten Datenmaterials. Nachdem zuerst nur nach politischen Dokumenten und Strategien gefragt wurde, wurde zu Beginn der tiefergehenden Aufarbeitung des Materials deutlich, dass sich viele der Texte nicht klar einer Sphäre zuordnen lassen. Deutlich wurde bei der Sichtung und Auswahl des Materials die nach Foucault unumgängliche Verschränkung des politischen und des wissenschaftlichen Diskurses. Der Großteil der Texte entstand im Rahmen der von politischer Seite initiierten Kampagnen zur Rekrutierung von mehr ›Männern‹. Zumeist sind die Kampagnen mit Forschungsaufträgen verbunden, die sich mit der aktuellen Situation von ›Männern‹ im elementarpädagogischen Bereich auseinandersetzen und Handlungsstrategien für die Umsetzung der Kampagnen auf politischer sowie praktischer Ebene erarbeiten sollen. Vor diesem Hintergrund wurden sowohl politische wie auch wissenschaftliche Dokumente in den Korpus aufgenommen.
4.2.2 Leitfadengestützte E xpert*inneninter views Ein Teil des Korpus setzt sich aus leitfadengestützten Expert*inneninterviews zusammen. Im Gegensatz zur klassischen Sozialforschung werden Interviews eher selten in der Diskursforschung zur Materialgewinnung genutzt. »Vielleicht liegt dies daran, dass aufgrund des diskurstheoretischen Problembewusstseins nicht davon ausgegangen werden kann, dass so produzierte Aussagen eine ›Meinung‹ oder ›Einstellung‹ oder eine ›biographische Erfahrung‹ abzubilden in der Lage sind« (Wrana 2014, S. 635). Interviews werden daran anschließend als diskursive Orte, an denen Wissen hervorgebracht wird, verstanden.
13 | Aufgrund der theoretischen sowie analytischen Fokussierung auf die Auseinandersetzung an der Schnittstelle Politik/Wissenschaft wurden in die Analyse Medientexte sowie die zahlreichen Publikationen, die in Deutschland im Rahmen der Modellprojekte entstanden sind, nicht miteinbezogen.
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Männlichkeiten im Wandel »In Interviews, die im Rahmen von Sozialforschung abgehalten werden, sind in besonderer Weise Machtwirkungen am Werke, die die Adressaten (die Interviewten) in diskursive Ordnungen rekrutieren, oft bereits und in besonderer Weise dadurch, dass sie als ein bestimmter Jemand angesprochen werden und auf diese Weise ein Erzählstimulus gesetzt wird« (Bender/Eck 2014, S. 476).
In Anlehnung an Bogner und Metz wird beim Expert*innenbegriff von einer konstruktivistischen Definition ausgegangen. »Diesem zufolge ist Experte, wer gesellschaftlich zum Experten gemacht wird […]« (Bogner/Menz 2005, S. 41). Erweitert um eine diskurstheoretische Perspektivierung wird die Begrifflichkeit der/des Expert*in als eine hegemoniale Subjektposition verstanden, welche im Interview hergestellt wird. Die Interviews wurden sowohl in Deutschland als auch in Schweden in einem Zeitraum von einem Jahr (Mai 2014 bis Mai 2015) geführt. Diese erfüllen in der Arbeit zwei Funktionen, einerseits stecken diese den Analyserahmen ab und dienen als Situierung des gesellschaftstheoretischen Kontexts, andererseits fungieren die Interviews als Teil des Datenkorpus. Insgesamt wurden im Rahmen des Forschungsprojekts zehn Interviews geführt, davon sieben in Schweden und drei in Deutschland. Dieses zahlenmäßige Ungleichgewicht resultiert zum einen aus einer unterschiedlichen Menge an verfügbarem Textmaterial in Deutschland und Schweden. Wie zu Beginn ausgeführt, wird in Deutschland auf politischer und wissenschaftlicher Ebene eine viel intensivere Debatte um ›Männer in Kitas‹ geführt, was zu deutlich mehr Textproduktion als in Schweden geführt hat. Zum anderen sind in Schweden viele Texte nur auf Schwedisch verfügbar. Zwar wurde bei der Auswertung weitestgehend mit den schwedischen Originaltexten gearbeitet, aufgrund sprachlicher Barrieren stellen die Interviewtexte jedoch eine wichtige Ergänzung dar, da diese auf Englisch geführt werden konnten. Bei der Auswahl der Interviewpersonen wurde ein offenes Vorgehen gewählt. Die ersten Interviews wurden mit Personen geführt, die vor dem Hintergrund der Sondierung des Feldes für die Debatte in Schweden und Deutschland als zentral erachtetet wurden. Weitere Interviewpersonen wurden nach dem »Schneeballsystem« (Helfferich 2011, S. 176)14 gewählt. Die Interviews dauerten zwischen 45 Minuten und zwei Stunden. Für beide Länder wurde ein konzeptionell ähnlicher Interviewleitfaden verwendet – vor allem die zentralen Begrifflichkeiten, wie Kita oder förskolan, wurden an den jeweiligen Länderkontext angepasst. Die interviewten Personen setzen sich entweder im 14 | »Beim Schneeballsystem werden Personen, die man kennt, gefragt, ob sie Personen kennen, die bestimmte Kriterien für die Interviewteilnahme erfüllen, […]. Am Ende von durchgeführten Interviews können auch die Interviewpartner- oder partnerinnen nach weiteren Kontakten gefragt werden […]« (Helfferich 2011, S. 176, kursiv i.O.).
4. Methodologie und methodisches Vorgehen
Rahmen einer wissenschaftlichen Tätigkeit intensiv mit der Thematik ›män i förskolan‹ auseinander oder sind direkt in die politische Auseinandersetzung im Rahmen von Forschungsprojekten beziehungsweise der Umsetzung der Kampagne involviert. Gemeinsam ist den Personen fast durchweg die Positionierung an der Schnittstelle zwischen Politik-Wissenschaft und Praxis. Da sich die Fokussierung auf die Schnittstelle schon sehr früh im Forschungsprozess herauskristallisierte, wurde bewusst auf die Durchführung von Interviews mit Personen verzichtet, die entweder nur auf einer politischen oder nur auf einer praktischen Ebene in die Debatte involviert sind. In Schweden wurden mit sieben Personen Interviews geführt, die als Professor*innen oder Mitarbeiter*innen an Hochschulen im erziehungs- wie kinder- und jugendwissenschaftlichen Bereich tätig sind und in dieser Funktion zum Teil Forschungsaufträge im Rahmen der Kampagnen durchgeführt haben und/oder in politischen Kommissionen involviert waren/sind. Ähnlich wie in Schweden wurden auch in Deutschland drei Personen interviewt, die entweder Mitarbeiter*innen oder Professor*innen an Fachhochschulen sind und/oder gleichzeitig auf politischer Ebene in die Umsetzung der Kampagne involviert waren. Die Besonderheit bei leitfadengestützten Expert*innenInterviews ist die Verwendung eines Leitfadens, »in dem Fragen oder Stichworte für Fragen festgehalten sind; die Formulierung und Reihenfolge der Fragen kann in unterschiedlichem Maß flexibel vorgegeben sein« (Helfferich 2011, S. 36). Die Erarbeitung des Interviewleitfadens erfolgte in Anlehnung an das »SPSSPrinzip« (ebd., S. 182), unter dem folgende vier Schritte verstanden werden: »›Sammeln‹, ›Prüfen‹, ›Sortieren‹ und ›Subsumieren‹« (ebd.). Insgesamt wurden fünf Fragen herausgearbeitet, die zur Strukturierung der Interviews dienten. Diese wurden unterteilt in eine inhaltliche und eine institutionelle Ebene sowie einen Fragenkomplex, der auf die Konstruktion von Geschlecht und die Selbstverortung der interviewten Personen zielte. Vor Beginn der Interviews wurde die Zustimmung zur Aufzeichnung der Interviews eingeholt. Im Zuge der diskursanalytischen Offenheit des Forschungsprozesses wurde bei der Durchführung der Interviews trotz des Leitfadens auf eine größtmögliche Offenheit geachtet, insbesondere durch aktives Zuhören und Zurückhaltung bei Nachfragen. Die Interviews wurden als gesprochene Texte transkribiert, das bedeutet, ohne besondere Aufmerksamkeit auf Dialekt, Pausen, Betonungen oder Wortdehnungen beziehungsweise Füllwörter (Kowal/O’Connell 2012, S. 441). Die durch die Interviews produzierten Texte fließen in die Analyse mit ein. Im Weiteren werden die Interviews nicht als an die Akteur*innen gekoppeltes Expert*innenwissen verstanden, welches es zu analysieren gilt, sondern im
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diskurstheoretischen Sinne als im Diskurs hergestellte und den Diskurs herstellende Texte15 begriffen.
4.2.3 Oberflächen- und Feinanalyse Am Anfang der Analyse stand die Auswertung ganzer Publikationen, die sich dezidiert mit der Frage nach ›Männern‹ im elementarpädagogischen Bereich auseinandersetzen und im Kontext der politisch-wissenschaftlichen Debatte stehen. Dies waren neben den oben erwähnten Schlüsseltexten in Deutschland vor allem Beiträge aus dem Sammelband »Männer in Kitas« (Koordinationsstelle »Männer in Kitas« 2012) sowie in Schweden die Interviewtexte I, III, IV und VII16. Im Laufe des Forschungsprozesses erfolgte daran anschließend ein gezieltes Sampling von Textstellen, welche vergleichend gegenübergestellt wurden und bezüglich der diskursiven Regelhaftigkeiten einer Hervorbringung von Geschlecht analysiert wurden. Der iterativ-zyklischen Logik des Forschungsprozesses folgend, ist die Analyse des Datenmaterials nicht zeitlich chronologisch. Vielmehr stehen die Erstellung des Datenkorpus, die Oberflächenanalyse sowie die Feinanalyse in einem reziproken Verhältnis. Zu Beginn zielte das methodische Vorgehen im Rahmen der Oberflächenanalyse darauf ab, relevante Textstellen aus dem Material herauszuarbeiten. Gesucht wurde nach »›Objekten‹, ›Begriffen‹ und thematischen Wahlen/Strategien: Welche wiederkehrenden Thematisierungen, Problematisierungen finden sich? Wie treten Sprecher auf […]« (Diaz-Bone 2006, S. 258). Zentrale Begrifflichkeiten, die herausgearbeitet wurden, sind länderübergreifend relevant: geschlechtsspezifische Arbeitsteilung, Personalstrukturen, Arbeitskräftemangel, Gleichstellung (jämställdhet), ›Männer‹ und Care, Jungenkrise, Bildung sowie Feminisierung. Für die deutsche Debatte zeigten sich zusätzlich der Begriff Väter sowie in Schweden die Begriffe Normen und Geschlechtermachtordnung bedeutsam.
15 | Um dies zu verdeutlichen, wurden die Interviews in den Quellenangaben der Analyse als Texte bezeichnet und mit römischen Ziffern von I bis VII in Schweden und I bis III in Deutschland durchnummeriert. 16 | Im Laufe des Forschungsprozesses erschienen mehrere Publikationen, die ebenso wie in Deutschland im Rahmen einer politischen Auseinandersetzung entstanden sind. Unter anderem war dies die Anthologie »Fler män i förskolan. En antologi om breddad rekrytering« (SKL 2015). Im Sinne des offenen Forschungsprozesses wurden diese in die Analyse miteinbezogen und sowohl oberflächen- als auch feinanalytisch ausgewertet. Die Ergebnisse wurden vergleichend gegenübergestellt mit den Interviewtexten; deutlich wurde dabei, dass sich sowohl in den publizierten Texten als auch in den Interviews dieselben diskursiven Regelhaftigkeiten finden lassen.
4. Methodologie und methodisches Vorgehen
Die Zusammenstellung des Datenkorpus sowie die erste Oberflächenanalyse des Materials wurden mit Hilfe der Software MaxQDA durchgeführt. Die QDA-Software wird dabei selber als gesellschaftliches Konstrukt verstanden, welches bestimmte Spielräume eröffnet, jedoch auch Grenzen setzt (Gasteiger/ Schneider 2014b). Nach Gasteiger und Schneider ist zu Beginn zu klären, wie die im Programm angelegten technischen Funktionen für das diskursanalytische Vorgehen genutzt werden können (Gasteiger/Schneider 2014b, S. 165). In der Arbeit diente die Software einerseits der Strukturierung und Zusammenstellung des Datenkorpus. Hierfür wurden zwei Dateien angelegt, eine für das schwedische sowie eine für das deutsche Analysematerial. Andererseits erfolgte die Bildung von offenen Codes17 und die Erstellung von Memos18, in denen erste Regelhaftigkeiten für die Feinanalyse festgehalten wurden. Die daran anknüpfende Feinanalyse der Tiefenstruktur des Diskurses wurde hingegen nicht mit dem Auswertungsprogramm durchgeführt, sondern mit Papier und Stift. Ziel dieses Schrittes war es, übergreifende Diskursmuster und Diskursstrukturen freizulegen (Keller 2008). Der Logik eines abduktiven Forschungsprozesses gemäß erfolgte die Bildung von Hypothesen über die Regeln der Aussagepraxis (Gasteiger/Schneider 2014a, S. 143). »Die jeweilige Aggregation zum textübergreifenden Interpretationsrepertoire ist eine Konstruktionsleistung der ForscherInnen. […]. Typisch für Diskurse ist gerade die zugleich heterogene und partielle Repräsentation diskursspezifischer Deutungsmuster in einzelnen Texten« (Keller 2008, S. 211).
Im Rahmen der Feinanalyse unterscheidet Diaz-Bone eine erste und zweite Phase. In der ersten Phase wurde die Einheit der einzelnen Dokumente aufgebrochen und in Anlehnung an die methodologischen Vorüberlegungen die hergestellte Textform und Strukturiertheit des Materials aufgelöst. In einem weiteren Schritt wurde eine Verdichtung des Materials vorgenommen und nach Regelhaftigkeiten und Mustern gefragt, die dem Diskurs zugrunde liegen. 17 | »Kodierverfahren werden eher im Sinne eines Erschließens der Uneindeutigkeit und Vieldeutigkeit des Gesagten sowie zur Entwicklung von generativen Fragen und zum Generieren von Hypothesen über die Regeln und Bedingungen des Aussagens eingesetzt« (Wedl et al. 2014, S. 554). 18 | »Sinnvolles Kodieren ist ohne das Schreiben von Memos, d.h. einem sich selbstdokumentierenden Reflexionsprozess, in dem ein Abstraktionsvorgang (Theoretisierung der Daten) stattfinden muss und eine Auseinandersetzung mit unterschiedlichen theoretischen Rahmungen sowie den Grundlagen des je eigenen Theoretisierens stattfinden kann, nicht denkbar« (Gasteiger/Schneider 2014a, S. 147, kursiv i.O.).
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Männlichkeiten im Wandel »Eine ›reine Beschreibung diskursiver Ereignisse‹ ist schlechterdings unmöglich, wenn damit gemeint ist, dass Regelmäßigkeiten ohne Vorwissen bzw. Hypothesen oder Vermutungen als Zusammenhang auch anerkannt werden können. Erst eine theorie- bzw. hypothesengeleitete Beobachtung gibt Hinweise, nach welchen Zeichen gesucht werden muss und wie sich eine Regelmäßigkeit als solche zeigt« (Diaz-Bone 1999, S. 128).
Die Diskursanalyse beabsichtigt »aus dem Korpus zunächst provisorisch und thesenhaft Regelhaftigkeiten heraus zu analysieren und diese nach und nach zu korrigieren, anzupassen und zu systematisieren« (Diaz-Bone 2006, S. 257). In dieser zweiten Phase der interpretativen Analytik wird die Tiefenstruktur des Diskurses herausgearbeitet und die Rekonstruktion fertiggestellt. Gefragt wird: »(w)elche impliziten Klassifikationsprinzipien lassen sich nach und nach erschließen?« (Diaz-Bone 2006, S. 259) Ein zentrales Moment war an dieser Stelle der Vergleich. Dieser wird in der Arbeit auf zwei Ebenen relevant. Einerseits ist dieser schon im ländervergleichenden Forschungsdesign angelegt. Vergleichend gegenübergestellt werden daran anknüpfend die in der Analyse herausgearbeiteten Geschlechterdiskurse in den Debatten ›Männer in Kitas/män i förskolan‹. Andererseits stellt ein vergleichendes Vorgehen in der Auswertung eine wichtige Untersuchungsgrundlage der sozialwissenschaftlichen Diskursforschung dar. »Das heißt konkret, dass es nicht reicht, einzelne Diskursordnungen und einzelne diskursive Praktiken zu untersuchen, sondern dass diskursive Praktiken im Vergleich besser sichtbar werden« (Diaz-Bone 2007, S. 81). Im Rahmen der Auswertung geht es somit um einen permanenten Vergleich und die Gegenüberstellung der herausgearbeiteten Regelhaftigkeiten und Strukturierungen. »Das Ergebnis dieses Prozesses ständigen Erhebens und Vergleichens von Daten ist eine gegenstandsbezogene Theorie im Sinne einer möglichst gut fundierten Hypothese« (Gasteiger/Schneider 2014a, S. 147). Ein erster Eindruck, der durch den Vergleich und die Oberflächenanalyse der beiden Schlüsseltexte gewonnen wurde, war, dass der Frage nach männlichen Pädagogen in Deutschland scheinbar ein höherer gesellschaftlicher Stellenwert eingeräumt wird. Deutlich wurde im Laufe der Feinanalyse, dass sich zwar die Sagbarkeiten sowie die länderspezifischen Modalitäten des Sprechens unterscheiden, jedoch die Hervorbringung von Geschlecht in beiden Ländern ähnlichen Diskursmustern folgt. Ausgehend von diesen Überlegungen wurde der Ländervergleich im Lauf der Analyse aufgebrochen19 und die Bereitstellung vergeschlechtlichter Subjektkonstitutionen als länderübergreifende Regelhaftigkeit verstanden.
19 | Aus diesem Grund wurde auch in Kapitel 7 auf eine dezidierte vergleichende Gegenüberstellung der beiden Länder verzichtet.
4. Methodologie und methodisches Vorgehen
4.2.4 Gütekriterien der Diskursanalyse Auch wenn in der Diskursforschung nicht so strenge Gütekriterien anlegt werden, wie in der klassischen Sozialforschung üblich, kommt sie nicht ohne diese aus. Ein Kernpunkt ist die kritische Selbstreflexion. Wichtig ist es dabei, sich als forschende Person immer wieder irritieren zu lassen und über Grenzen hinaus zu denken. Wie schon in den Ausführungen zum Wahrheitsverständnis in Kapitel 3.1.1 aufgezeigt, geht es nicht darum, die eine Wahrheit aus dem Material herauszuarbeiten. Objektivität wird vielmehr als Teil, Mechanismus und Strategie von Wahrheitsspielen begriffen. Diese gilt es anhand des Auf brechens, unter anderem von Normalisierungen, permanent in Frage zu stellen. Zentral ist der Bruch mit etablierten Vorkonzepten. Diskursanalyse wird dabei nicht als etwas völlig Willkürliches begriffen, sondern die Ergebnisse sollen nachvollziehbar und plausibel dargestellt werden (Wedl et al. 2014, S. 551f.). Jedoch liegt nicht der Anspruch der Reproduzierbarkeit vor, »weil eine Analyse aufgrund der bereits vorliegenden Erkenntnisse – oder Erfahrungen – niemals gleich aussehen kann, da wir ›am Ende des Buches zu dem, um das es geht, in neue Beziehung treten können‹. […] Insofern steht gerade die Nachvollziehbarkeit und Plausibilität der Schlussfolgerungen im Fokus von Diskursanalysen« (Wedl et al. 2014, S. 551f.).
Bevor in den Kapiteln 5 bis 7 die Ergebnisse der Diskursanalyse nachgezeichnet werden, werden im Folgenden zentrale Fragen ausgeführt, die im Sinne einer de-rekonstruktivistischen Lesart die Analyse des Materials strukturiert haben.
4.3 D e - rekonstruk tives F orschen Als analytisches Vorgehen wurde ausgehend von der interpretativen Analytik ein de- beziehungsweise rekonstruktives Verfahren im Sinne einer Lesart gewählt. Zentral für diese Art des methodischen Zugangs sind die in Kapitel 3 ausgeführten Überlegungen zum Wahrheits- und Wirklichkeitsverständnis der Foucault’schen Diskursanalyse sowie die Betonung der Konstituiertheit der Subjekte. »Ich versuche weniger zu untersuchen, was ich gesagt habe und was ich hätte sagen können, vielmehr bemühe ich mich, in der ihm eigenen und von mir schlecht beherrschten Regelmäßigkeit das erscheinen zu lassen, was das möglich machte, was ich sagte« (Foucault 1981, S. 166). Ziel der Analyse ist es gerade nicht, einer hermeneutischen Logik folgend Sinneinheiten einzelner Akteur*innen herauszuarbeiten und als wahr darzustellen, sondern
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vielmehr die Bedeutungserzeugungen im Textmaterial aufzuzeigen/aufzulösen (Villa 2006, S. 93). Durch das Auf brechen des Materials und die Dekonstruktion der im Diskurs erzeugten Sinneinheiten werden Bedeutungsverschiebungen sichtbar. Gefragt wird nach den Mechanismen, die Bedeutung generieren (ebd., S. 95). Praktisch angeleitet wird die Analyse durch die im Diskurstheoretischen erarbeiteten Begrifflichkeiten der Problematisierungen, der diskursiven Praktiken sowie des vergeschlechtlichten Macht/Wissens20 (Gasteiger 2008, S. 38). Die Analyse ist geprägt durch eine Wechselseitigkeit von De- und Rekonstruktion – etwas wird dekonstruiert und gleichzeitig wieder rekonstruiert (ebd., S. 40). Nach Villa ist Dekonstruktion »eine Lese-Strategie, eine kritische Reflexion auf Texte« (Villa 2006, S. 93). Es stellt sich die Frage nach Differenzsetzungen, die gleichzeitig mit Normalisierungen einhergehen (ebd.). »Dekonstruktion befasst sich damit, wie Bedeutungen und Sinnhaftigkeit erzeugt werden, allerdings in dezidierter Abkehr von jeder Hermeneutik. […], sind dekonstruktivistische Perspektiven darum bemüht, die Unmöglichkeit der Fixierung von Sinn überhaupt zu zeigen. Das heißt etwa, dass die ›genaue‹, ›letztendliche‹, ›eigentliche‹ Bedeutung eines Begriffs wie Demokratie oder Gerechtigkeit nicht gefunden werden kann, weil es diesen nicht gibt. Für eine forschungspraktische Analyse von Material (Interviews, Dokumente) ergibt sich daraus, dass man Bedeutungen nicht wirklich ›dingfest‹ machen kann. Analog verkörpern etwa interviewte Personen auch keine subjektive ›Authentizität‹, da auch das ›Subjekt‹ in einer dekonstruktivistischen Perspektive radikal dezentriert ist« (Villa 2006, S. 94).
Daran anschließend geht es in der Analyse nicht darum zu zeigen, was Geschlecht ist und warum mehr ›Männer‹ im elementarpädagogischen Bereich nötig sind oder auch nicht. Vielmehr geht es darum zu zeigen, wie Geschlecht erst in diskursiven Macht- und Wahrheitsspielen hervorgebracht wird und damit die Debatte um ›Männer‹ in Kitas als ein Ort der (Neu-)Aushandlung von Männlichkeiten, Geschlecht und Arbeit begriffen werden kann. Von Interesse im Sinne eines dekonstruktivistischen Lesens sind »Strategien der Verwerfung, Auslöschung, Absonderung und Differenzmarkierung« (Villa 2006, S. 95), da »im Herzen identitätslogischer Begriffe immer das vermeintlich ›andere‹ bzw. Verworfene wohnt« (ebd., S. 99). Ausgehend von der Annahme, dass Diskurs immer dann aufschlussreich wird, wenn Normalitäten zur Debatte stehen und sich Brüche, Widersprüche und Paradoxien zeigen, wird nach homogenen Aussagen wie Wiederholungen, Zitaten oder Ähnlichkeiten sowie dazu im Kontrast stehenden Aussagen gesucht. Gefragt wird nach gleichzeitigen Differenzen und diachronen Umbrüchen (Gasteiger 2008, 20 | Siehe Kapitel 3.
4. Methodologie und methodisches Vorgehen
S. 41). Daran anknüpfend wird im Laufe der Analyse nicht nur Normalisierungen sowie Differenzsetzungen nachgegangen, sondern auch nach Verworfenem und nicht Sagbarem gefragt. Ergänzt wurde die de-rekonstruktivistische Lesart durch sensibilisierende Fragen an das Material, die sich im Laufe des Forschungsprozesses herauskristallisierten. Mit Kerchner, die in Anlehnung an Foucault und die Archäologie des Wissens sieben Leitfragen formuliert hat, können diese wie folgt zusammengefasst werden: Die erste Frage rückt das Auftreten diskursiver Ereignisse in den Fokus, gefragt wird nach dem »Auftauchen des Problems« (Kerchner 2011, S. 10). Daran schließen sich die Fragen nach der »Formation der Gegenstände« (ebd.) und deren »Äußerungsmodalitäten« an. Welche Aussagen werden getroffen, was wird sagbar und was verbleibt im Verborgenen? Als weitere Leitfrage nennt Kerchner die Frage nach der »Subjektposition« (ebd.). Gefragt wird danach, von welchem Standpunkt aus gesprochen werden darf. Dabei sind die sprechenden Subjekte in institutionelle Konstellationen, unter anderem wissenschaftliche Disziplinen, eingebunden, von denen aus es zu einem bestimmten historischen Zeitpunkt möglich wird, zu sprechen (Kerchner 2011, S. 10). Daran schließt sich die Frage nach der Beziehung zwischen »Äußerungen und Aussagen« an (ebd.). »Welche Äußerungen verdichten sich im Laufe der Zeit (durch Wiederholung, Verstärkung, Zustimmung) zu Aussagen, die innerhalb spezifischer Wissenschaften als ›wahr‹ anerkannt werden?« (ebd.) Die beiden letzten Leitfragen beschäftigen sich mit übergreifenden Ordnungen des Diskurses; einerseits wird nach regelmäßigen Mustern gefragt, die die Aussageordnungen strukturieren. Andererseits wird nach »Machteffekten« (ebd.) gefragt. »Wie ›materialisiert‹ und verwirklicht sich die historische Aussageordnung in den Programmen der jeweiligen Zeit? Wie wirken die als ›wahr‹ anerkannten Aussagen […] bis in die Problemdefinition und das Selbstverständnis der Gegenwart« (Kerchner 2011, S. 10)? Anhand dieser Leitfragen strukturieren sich der Auf bau und die Struktur der Analysekapitel. In einem ersten Schritt wird nach der Debatte ›Männer in Kitas/män i förskolan‹ als diskursives Ereignis gefragt. Nachgezeichnet werden zentrale Problematisierungen, die das Erscheinen der Debatte ermöglichen. Dies wird in Kapitel 5 ›Männer in Kitas/män i förskolan‹ als diskursives Ereignis erarbeitet. Daran anschließend stellt sich die Frage, wer auf legitime Weise, von welcher Position aus sprechen darf und wie sich dieses Sprechen zueinander in Beziehung setzt. Diesen Fragen widmet sich das Kapitel 6 Sprechen zwischen Politik_Wissenschaft_Praxis. Ein besonderer Fokus wird auf Regelhaftigkeiten der Hervorbringung und Bereitstellung vergeschlechtlichten Macht/Wissens gelegt, was den Gegenstand des Kapitels 7 Widerstreitendes Macht/Wissen von Geschlecht bildet. Fragen, die die Analyse struktu-
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rieren sind: Wie taucht Geschlecht auf? In welchen Zusammenhängen wird Geschlecht sichtbar? Welche Ein- und Ausschlüsse lassen sich erkennen? Wo sind Brüche, Wiederholungen, Verstärkungen, Zustimmungen beziehungsweise Widersprüchlichkeiten? In einem letzten Schritt erfolgt in Kapitel 8 ein Rückbezug der Ergebnisse zur Theorieformierung und zur Sondierungsphase (Diaz-Bone 2006, S. 259) – und damit zur Frage nach den regierenden Effekten der Debatte in der Bereitstellung von Geschlechterwissen. Die Ergebnisse werden auf bereitet und mit den eingangs formulierten Überlegungen in Diskussion gebracht. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf dem (Länder-)Vergleich und den unterschiedlichen Weisen, wie in der Debatte diskursiv Macht/Wissenskomplexe zu Geschlecht hervorgebracht werden und Wirkmächtigkeit erlangen.
5. ›Männer in Kitas/män i förskolan‹ als diskursives Ereignis
Im Folgenden werden die Ergebnisse der Diskursanalyse ausgeführt. Im Laufe der Auseinandersetzung mit dem Material kristallisierte sich eine Dreiteilung der diskursiven Hervorbringung von ›Männern in Kitas/män i förskolan‹ und dem diesen zugrunde liegenden Geschlechterdiskurs heraus. Zu Beginn steht die Frage nach diskursiven Problematisierungen, die das Erscheinen der Debatte ermöglichen. Dem widmet sich dieses Kapitel. Dem schließt sich in Kapitel 6 die Frage an: Wer darf sprechen? Wie drittens in Kapitel 7 gezeigt wird, ist dieses Sprechen untrennbar verknüpft mit der diskursiven Hervorbringung von vergeschlechtlichtem Macht/Wissen, welches Subjekten eingeschrieben wird. Ziel ist es, den Geschlechterdiskurs in seiner Konflikthaftigkeit sowie Widersprüchlichkeit nachzuzeichnen. Herausgearbeitet wird, was zunächst nicht offensichtlich erscheint. Es geht um die Unabschließbarkeit von Begriffen, die gerade nicht auf den einen unhinterfragbaren Punkt gebracht werden können, sondern im Sinne der diskursiven Formationen je nach diskursivem Kontext ganz unterschiedlich gefüllt werden. Ein erster Blick der Analyse, wie er im Weiteren erarbeitet wird, richtet sich auf die Frage, welche Problematisierungen die Debatte ›Männer in Kitas/män i förskolan‹ und die damit verbundene Aushandlung von Geschlechterverhältnissen ermöglichen. Nach Foucault sind Probleme nicht bestehende Objektivitäten, sondern vielmehr ist diesen die Frage nach einem gesellschaftlichen Konstruktionsprozess implizit, den es zu ergründen gilt. »Ich versuchte von Anfang an, den Prozess der ›Problematisierung‹ zu analysieren – was heißt: Wie und warum bestimmte Dinge (Verhalten, Erscheinungen, Prozesse) zum Problem wurden« (Foucault 1996, S. 178). Eng verknüpft ist das Zum-ProblemWerden mit dem Erscheinen diskursiver Ereignisse. Diese werden erst durch Problematisierungen hervorgebracht. »Insofern Problematisierungen Ereignisse aktualisieren, stehen sie weder in einem willkürlichen Verhältnis zum historischen Geschehen, noch sind sie durch diese determiniert« (Klöppel 2010, S. 259). Problematisierungen sind damit mit Macht/Wissensformatio-
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nen verflochten, die je nach gesellschaftlichen Kräfteverhältnissen einem diskursiven Wandel unterzogen oder stabilisiert werden (vgl. ebd.). Daran anknüpfend wird nach Formationsregeln gefragt, denen Wissensordnungen in Deutschland und Schweden auf einer strukturell gesellschaftlichen Ebene unterliegen. Diskursive Formationen werden als Bündel von Beziehungen verstanden, die Wissensordnungen hervorbringen und damit Aussagen ermöglichen (vgl. Kapitel 3). Wie aufgezeigt, wird Geschlecht als strukturierende und strukturierte Ordnung begriffen. Gekennzeichnet ist die Geschlechterordnung in Deutschland und Schweden durch eine sich gegenseitig ergänzende, homogene Zweigeschlechtlichkeit, die einer permanenten diskursiven Herstellung unterliegt. Erst durch sich in Bewegung befindende vergeschlechtlichte Wissensordnungen eröffnet sich ein diskursiver Raum, der es ermöglicht, tradierte Normierungen in Frage zu stellen und Differenzsetzungen neu auszuhandeln. Durch diese Verschiebungen wird die Debatte zu ›Männern in Kitas/män i förskolan‹ zu etwas Sagbarem. Aus diskursiver Sicht erfüllt die Debatte zwei durchaus widersprüchliche Funktionen. Einerseits werden aus politisch wissenschaftlicher Sicht im Rahmen dieser Debatte vergeschlechtlichtes Macht/Wissen (neu) ausgehandelt und Geschlechtergrenzen verschoben, andererseits wird eine binäre Geschlechterordnung reproduziert. Ludwig hält diesbezüglich fest: »Eine tiefgreifendere Analyse gegenwärtiger Formen des Regierens von Geschlecht beziehungsweise binärer Geschlechtlichkeit […] müsste daher auch die Widersprüche in den hegemonialen Diskursen und Praktiken fokussieren, die Geschlecht flexibilisieren und zugleich in einer rigiden Binarität festschreiben« (Ludwig 2011, S. 241).
Auf politischer Ebene geht die diskursive Problematisierung der männlichen Abwesenheit mit Aushandlungsprozessen von vergeschlechtlichtem Macht/ Wissen und damit einer Regierung von Geschlecht einher. Die Leerstelle ›der Männer‹ wird aus politischer Sicht aus divergierenden Perspektiven hergestellt und diskursiv gefüllt. Insgesamt wurden drei diskursive Problematisierungen analysiert, die die Forderung nach ›(mehr) Männern in Kitas/(fler) män i förskolan‹ ermöglichen. Aus gleichstellungspolitischer Sicht wird erstens das Desiderat eines Männlichkeitswandels relevant gemacht (Kapitel 5.2), demgegenüber steht aus einer arbeitsmarktpolitischen Perspektive zweitens das Desiderat nach einem Mehr an ›Männern‹ im elementarpädagogischen Bereich (Kapitel 5.3). Die arbeitsmarktpolitische Forderung ist eng mit der diskursiven Problematisierung eines bestehenden oder drohenden Fachkräftemangels verknüpft. Als übergreifende Strukturierung lässt sich schließlich drittens die Problematisierung der Abwesenheit von ›Männern‹ und Männlichkeit im elementarpädagogischen Bereich sowie die Herstellung einer gesellschaftlichen Akzeptanz
5. ›Männer in Kitas/män i förskolan‹ als diskursives Ereignis
dieser erkennen (Kapitel 5.1). Alle drei Problematisierungen lassen sich sowohl in Deutschland als auch in Schweden in ähnlicher Verflechtung finden. Ein deutlicher Unterschied ist jedoch im Bereich des Sagbaren zu erkennen. Während in Deutschland die Problematisierung eines Erzieher*innenmangels eher im Nicht-Sagbaren verbleibt, ist die Herstellung eines gefürchteten Fachkräftemangels in Schweden ein deutliches Legitimationsmoment der Debatte ›fler män i förskolan‹. Im Folgenden werden die aufgeführten Problematisierungen näher ausgeführt. Dargestellt werden die divergierenden Verflechtungen und Sagbarkeiten im deutschen und schwedischen Diskurs sowie die damit einhergehenden Widersprüchlichkeiten und Ausschlüsse, welche auch die Möglichkeiten vergeschlechtlichter Subjektkonstitutionen regulieren.
5.1 D ie P roblematisierung der A bwesenheit 1 von ›M ännern ‹ und M ännlichkeit Eine erste Frage aus diskurstheoretischer Sicht ist, warum und wie die Debatte um ›Männer in Kitas/män i förskolan‹ zum diskursiven Ereignis wird2 . Lange Zeit wurde es als normal angesehen, dass überwiegend Frauen in sozialen Berufen tätig sind. Erst durch die Problematisierung der Abwesenheit von ›Männern‹ und Männlichkeit in diesem Bereich entstand eine Leerstelle, welche die Debatte ›MEHR Männer in Kitas/fler män i förskolan‹ diskursiv ermöglichte. Daran anknüpfend wird zu Beginn als zentrale Diskursstrategie die Problematisierung3 der Abwesenheit von ›Männern‹ beziehungsweise Männlichkeit im elementarpädagogischen Bereich aufgezeigt. Diese geht mit der gleichzeitigen Herstellung einer gesellschaftlichen Akzeptanz von ›Männern‹ in diesem Berufsfeld einher und lässt sich als übergreifende Strukturierung in beiden Debatten finden. »This absence of men in ECE 4 and care is the norm for Sweden despite affirmative actions that took place at the start of the 1970s« (Wernersson 2015, 2015, S. 13).
1 | Vgl. Fegter 2012. 2 | Fegter begründet dies auf Ebene der medialen Diskursivierung mit einem Fehlen männlicher Vorbilder für Jungen, welches im Zusammenhang mit der sogenannten Jungenkrise hervorgebracht wird (Fegter 2012). 3 | Wie später zu zeigen ist, wird die Abwesenheit von ›Männern‹ nicht nur als Problematisierung wirkmächtig, sondern auch als Schutz von Kindern vor Missbrauch. Dieser wird in der Debatte durchweg als etwas per se Männliches hergestellt. 4 | Early childhood education.
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Lange Zeit war die Abwesenheit von ›Männern‹ im elementarpädagogischen Bereich in Deutschland5 und Schweden die Norm. Erst in den letzten Jahren erfolgte mit der Problematisierung der Abwesenheit von ›Männern‹ eine Infragestellung dieser vergeschlechtlichten Berufssphäre. Wie in Kapitel 2 ausgeführt, erfolgte die Problematisierung in Schweden und Deutschland jedoch mit einer zeitlichen Differenz. Während die Forderung in Deutschland erst in den letzten Jahren hegemonial wurde, gab es in Schweden schon in den 1970er Jahren gesellschaftspolitische Maßnahmen zur Rekrutierung von ›Männern‹. Gleichzeitig geht die Abwesenheit von ›Männern‹ mit der komplementären Konstruktion der Anwesenheit von ›Frauen‹ einher6. Diese Gegenüberstellung führt zur Verortung des Geschlechterdiskurses in einer Zweigeschlechtlichkeit. Durch das Fehlen von ›Männern‹ wird eine vergeschlechtlichte Leerstelle im elementarpädagogischen Bereich geschaffen, die von den als homogene Gruppe gedachten weiblichen Erzieher*innen aufgrund naturalisierter Geschlechterzuschreibungen nicht gefüllt werden kann. Neben der Forderung einer rein quantitativen Erhöhung männlicher Mitarbeiter eröffnet sich mit der Debatte ein diskursiver Raum, in dem Forderungen nach einer Veränderung von Geschlechterverhältnissen, insbesondere von Männlichkeit und ›Männern‹ zu etwas Sagbarem werden. In der gleichzeitigen Problematisierung der Abwesenheit von ›Männern‹ und Männlichkeit vollzieht sich in der Debatte eine diskursive Ineinssetzung eines biologischen (sex) und eines sozialen Geschlechts (gender). Beide werden als unauflösbar miteinander verknüpft hergestellt 7. Exemplarisch wird dies im Folgenden anhand zweier Ausschnitte aus dem deutschen und dem schwedischen Interviewmaterial aufgezeigt. »Das ist immer dieses […] lerntheoretische Denken. Wenn die Kinder sehen, dass diese Tätigkeit auch von Männern gemacht wird, dass das durchaus auch männlichkeitskonform ist. Dann erweitert sich damit ihr eigenes Spektrum der geschlechtlichen Identifizierung« (Deutschland Text I, S. 4).
In der Äußerung, welche aus einer wissenschaftlichen Sprecher*innenposition getätigt wird, wird ein Zusammenhang zwischen der Anwesenheit von 5 | »Die zahlenbezogene Unterrepräsentanz von Männern in der Sozialen Arbeit ist kein neues Phänomen. Pointiert ist es so alt wie die Soziale Arbeit selbst. Die Forderung nach ›mehr Männern‹ im Sozial- und Bildungswesen steht dagegen erst seit einigen Jahren auf der öffentlichen und politischen Agenda« (Fegter 2012, S. 4). 6 | Vgl. Fegter 2012. 7 | Queertheoretischen Ansätzen folgend, wird das Zusammenspiel von sex, gender und desire erst aus einer dekonstruktivistischen Perspektivierung in Frage gestellt (Butler 1991; Kerner 2007).
5. ›Männer in Kitas/män i förskolan‹ als diskursives Ereignis
›Männern‹ und der Veränderung von Männlichkeitskonstruktionen hergestellt. Aus einer lerntheoretischen Perspektivierung wird angenommen, dass Kinder alleine durch die Anwesenheit von ›Männern‹ lernen, dass die Arbeit im elementarpädagogischen Bereich auch »männlichkeitskonform« ist. Dies wird mit einer Erweiterung der geschlechtlichen Identifizierungsmöglichkeiten der Kinder verknüpft. Erkennen lässt sich in der Äußerung die Regelhaftigkeit der Ineinssetzung von ›Männern‹ und Männlichkeit. »So you can see that there is a pattern here: It is actually problematic that it is seen as problematic […] or unnatural, if you want, […] to see that men are actually very caring and can be very caring, can be very close, and it is important for them to be there. […]. It is seen as more natural for a man to sort of regulate, be very harsh, or to be with older children, to do administrative things, […], but to move away from these very close, these very caring actions. And I think that is very sad. And actually, you can see […] discourses about masculinity« (Schweden Text V, S. 3).
In der Äußerung werden anhand der Problematisierung von Männlichkeit und Care vergeschlechtlichte Gesellschaftsmuster aufgezeigt. ›Männer‹, die Care-Tätigkeiten übernehmen, werden tradierten Männlichkeitsvorstellungen gegenübergestellt. Während es als unnatürlich bezeichnet wird, wenn ›Männer‹ fürsorglich sind, wird es als natürlicher für ›Männer‹ hervorgebracht, wenn diese eine autoritäre, regulative Funktion gegenüber den Kindern einnehmen beziehungsweise für administrative Aufgaben verantwortlich sind. Verknüpft wird diese naturalisierende Perspektivierung auf ›Männer‹ mit aktuellen Männlichkeitsdiskursen. Darin vollzieht sich wiederholt eine Gleichzeitigkeit von sex und gender. Wie im Laufe der Analyse gezeigt wird, bildet diese Ineinssetzung in der Debatte ›Männer in Kitas/män i förskolan‹ ein wichtiges Moment, das die Konflikthaftigkeit des Geschlechterdiskurses eröffnet. Aus dieser resultiert eine Diskrepanz divergierenden vergeschlechtlichten Macht/Wissens, welches sich gegenseitig ergänzt oder ausschließt. Wie in Kapitel 7 noch genauer ausgeführt wird, lässt sich diese Ineinssetzung vor allem im Zusammenspiel konstruktivistischen sowie biologisierenden/naturalisierenden Macht/Wissens erkennen. So wird zum Beispiel die Hervorbringung einer Care-Männlichkeit nur durch das gleichzeitige Auf brechen von Geschlechterkonstruktionen und der Einschreibung einer pflegenden Männlichkeit in die Subjektkonstitutionen qua biologischen Geschlechtes möglich. Im Nicht-Sagbaren verbleibt, dass auch Erzieherinnen nicht eine per se homogene Gruppe mit durchweg ›weiblich‹ konnotierten Eigenschaften sind.
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Ebenso wird der elementarpädagogische Bereich als durchweg feminisiert konstruiert 8. Gleichzeitig zur diskursiven Problematisierung des Fehlens wird eine gesellschaftliche Akzeptanz beziehungsweise Erwünschtheit von ›Männern‹ und Männlichkeit im elementarpädagogischen Bereich hergestellt. Auf den ersten Blick scheint insbesondere in Deutschland eine Einmütigkeit zu herrschen, dass die Forderung nach (MEHR) ›Männern‹ im elementarpädagogischen etwas gänzlich Positives ist. Brandes 2015 stellt hierzu fest, dass die Erhöhung des Männeranteils an pädagogischen Personal sowohl im deutschen als auch im europäischen Raum von politischer Seite gewollt ist und auch aktiv gefördert wird (Brandes 2015, S. 7). Daneben scheinen auch »viele Eltern, Erzieherinnen und Trägerorganisationen […] Männern in Kindertagesstätten in hohem Maße aufgeschlossen gegenüberzustehen« (ebd.). Hergestellt wird in der Debatte ein kollektives Moment der Zustimmung, wodurch (vorerst) kritische Stimmen im Verborgenen verbleiben9. Ähnliches lässt sich auch für Schweden proklamieren: »The reason is that if you ask Swedish people, 95 % of the people say this is important, and the parents, the colleagues and everyone, we have a massive support for this« (Schweden Text VII, S. 8).
Auch in dieser Äußerung lässt sich die Herstellung einer kollektiven gesellschaftlichen Zustimmung erkennen. Ausgehend von 95 % der schwedischen Bevölkerung werden erst mit den Eltern und Kolleg*innen zentrale Akteur*innen genannt und davon wiederum mit »everyone« auf eine Allgemeinheit geschlossen. Anknüpfend an die Problematisierung der Abwesenheit, welcher eine Gleichsetzung von ›Männern‹ und Männlichkeit implizit ist, setzt sich die Arbeit im Folgenden mit den zentralen Problematisierungen auf politischer Ebene auseinander, die die Debatte zu ›Männern in Kitas/män i förskolan‹ hervorbringen und rahmen.
8 | Vgl. Kapitel 7.3.1. 9 | Wie im Weiteren ausgeführt wird, wird die gesellschaftliche Akzeptanz bei einem genaueren Blick jedoch brüchig. Reibungspunkte sind Vorstellungen, die mit tradierten Geschlechterstrukturen und Männlichkeitsvorstellungen einhergehen, wie das geringe Gehalt, wenig gesellschaftliches Ansehen oder die Problematisierung von Missbrauch.
5. ›Männer in Kitas/män i förskolan‹ als diskursives Ereignis
5.2 M ännlichkeitswandel als gleichstellungspolitisches D esider at Die Begrifflichkeit der Gleichstellung (jämställdhet) wird im Weiteren als wichtiges Ermöglichungsmoment der Debatte verstanden und nimmt sowohl in Deutschland als auch in Schweden eine zentrale Stellung im Geschlechterdiskurs ein. Gleichstellung wird, wie in Kapitel 7 anhand der Ausführungen zu vergeschlechtlichtem Macht/Wissen gezeigt wird, diskursiv unterschiedlich gefüllt. Hieraus resultieren divergierende Desiderate, die in gleichstellungspolitischen Strategien zum Ausdruck kommen. Durch diese wird es möglich, vergeschlechtlichte Subjektkonstitutionen neu auszuhandeln und damit staatliche Macht in autonome Subjekte einzuschreiben. Im Folgenden werden die diskursiven Mechanismen herausgearbeitet, die der Neuaushandlung von Geschlecht unterliegen. Dabei erscheint Gleichstellung als wechselseitiger Prozess, in dem das jeweils ›andere‹ Geschlecht als Kontrastfolie dient.
DEUTSCHL AND Eine zentrale Aussage, die wiederholt als Ausgangsbedingung für die Debatte ›Männer in Kitas‹ formuliert wird, ist, dass sich ›Frauen‹ bereits verändert haben und dass es nun an der Zeit ist, dass auch ›Männer‹ sich verändern. Beispielhaft wird dies im Folgenden an einem Zitat von Icken (2012) aufgezeigt. Diese äußerte sich in ihrem Artikel »Das Bundesprogramm ›Männer in Kitas‹ – ein gleichstellungspolitischer Ansatz«, welcher im Sammelband »Männer in Kitas« (Koordinationsstelle »Männer in Kitas« 2012) erschienen ist, wie folgt zur Veränderung von Rollenbildern: »Die – im Vergleich zur Müttergeneration – deutlich moderneren und vielfältigeren Rollenbilder junger Frauen waren und sind zweifellos Resultate der Frauenbewegung und der daraus hervorgegangenen Frauen- und Mädchenförderung. Die Frauenbewegung und die von ihr angeschobene institutionalisierte Gleichstellungspolitik haben das Leben und die Rollenvorstellungen von Frauen und Mädchen verändert. Obwohl bereits in den 70er und 80er Jahren seitens der Frauenbewegung gefordert wurde, nicht nur die weiblichen, sondern auch die männlichen Geschlechterrollen in den Blick zu nehmen, hat in der Praxis keine oder nur eine geringe Rollenveränderung stattgefunden« (Icken 2012, S. 17).
Eine zentrale Position kommt in dieser Äußerung dem Begriff der Rolle im Sinne von Rollenbildern und Rollenvorstellungen zu. Durch die Begrifflichkeit der Geschlechterrolle wird Geschlecht auf den ersten Blick von einem vermeintlichen biologischen Determinismus befreit. Geschlecht wird zu etwas, das wir einnehmen, wie eine Rolle, die wir spielen und die somit auch
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verändert werden kann. In der Äußerung wird gleichzeitig eine sex/genderUnterscheidung festgeschrieben. Es sind die ›Männer‹ oder die ›Frauen‹, die eine bestimmte gesellschaftlich vorgegebene und veränderbare Rolle einnehmen können, diese wird ihnen je nach biologischem Geschlecht zugewiesen. Erkennen lässt sich ein Widerspruch, da dem Wandel, durch eine Betonung der Zweigeschlechtlichkeit, eine Fokussierung auf Biologie und Körper eingeschrieben ist und damit der Veränderung von Geschlechterrollen klare (biologisierte) Grenzen gesetzt sind. Die Rollenveränderung von ›Männern‹ und damit auch ein Wandel von Männlichkeit werden in Abhängigkeit zu einem Wandel von Rollenbildern für ›Mädchen‹ und ›Frauen‹ gesetzt. Diese werden als geschlossene homogene Gruppe konstruiert, wodurch kein Raum für Differenzen innerhalb der vermeintlich homogenen Kategorie ›Frau‹ bleibt. Die Kategorie ›Frau‹ wird in einer doppelten Abgrenzung zu einem vergangenen Verständnis von ›Frau‹ und zu ›Männern‹ gedacht. Welche erweiterten Rollen ›Mädchen‹ und ›Frauen‹ durch diesen gesellschaftlichen Wandel mittlerweile einnehmen können, wird nicht ausbuchstabiert und bleibt damit im Verborgenen. Deutlich wird jedoch, dass es in Abgrenzung zu einer »Müttergeneration« geschieht. Männerrollen scheinen sich im Gegensatz dazu seit den 1970er/80er Jahren nicht maßgeblich verändert zu haben. Hieraus resultiert die Forderung, dass es jetzt auch für ›Männer‹ Zeit wird, sich zu verändern. Unter anderem aus einer intersektionellen Perspektive zeigen sich darin Unsagbarkeiten, die die einseitige Forderung nach Veränderung von ›Männern‹/Männerrollen/ Männlichkeit ermöglichen, ohne auf weitere Ungleichheitsverhältnisse beziehungsweise Macht- und Hierarchiestrukturen einzugehen, die der vergeschlechtlichten Wissensordnung eingeschrieben sind. Die Veränderung von Geschlecht wird zu einer individualisierten, personenbezogenen Aufgabe. Dies geht mit der diskursiven Herstellung einer komplementären Gegenüberstellung eines binären Wissens von Geschlecht einher, in dem Weiblichkeit als sich aktiv verändernd und verändert gedacht wird und im Kontrast zu einer passiven, in alten Mustern verharrenden Männlichkeit steht. Daran schließt sich die Forderung an, dass Männlichkeit verändert werden muss beziehungsweise ›Männer‹ sich verändern müssen. Der Äußerung folgend ist es ›Frauen‹ und ›Mädchen‹ aufgrund der Kämpfe der Frauenbewegung möglich, modernere und vielfältigere Rollen einzunehmen. Dabei wird ›die Frauenbewegung‹ ebenso wie die ›Männer‹ und die ›Frauen‹ als etwas Einheitliches hergestellt. Außen vor bleiben so nicht nur divergierende feministische Strömungen, sondern auch Kritik, die wiederum insbesondere aus einer intersektionellen Perspektive an eine weiße Mittel-
5. ›Männer in Kitas/män i förskolan‹ als diskursives Ereignis
schichts-Frauenbewegung gerichtet wurde10. Die so gedachte Frauenbewegung nimmt die Funktion des zentralen Antriebsmotors zur Veränderung von Geschlechterrollen ein. Diese kümmert sich nicht nur um ihre eigenen vergeschlechtlichten gesellschaftlichen Positionierungen, sondern fordert auch ›Männer‹ in den Blick zu nehmen. Gleichzeitig wird die Institutionalisierung von Gleichstellungspolitik als Verdienst der Frauenbewegung hergestellt. Es wird ein diskursiver Raum eröffnet, der es erlaubt, Männlichkeit und damit ›Mann‹/›Männer‹ aus einer institutionalisierten gleichstellungspolitischen Perspektive herzustellen und zu positionieren. Die Verantwortung für einen Männlichkeitswandel wird auf gleichstellungspolitischer Ebene verankert. Offen bleibt (vorerst), in welche Richtung Männlichkeit/›Männer‹ sich verändern sollen. Auf politischer Ebene wird ein Konsens erzeugt, dass jetzt auch etwas für ›Jungen‹ und ›Männer‹ geschehen muss. Nicht thematisiert werden (vergeschlechtlichte) gesellschaftliche Macht- und Hierarchieverhältnisse, die Geschlechterverhältnisse strukturieren11. Auf gleichstellungspolitischer Ebene wird ein Zusammenhang zwischen Gleichstellung, der Veränderung des elementarpädagogischen Bereichs und den gesellschaftlichen Positionierungen von ›Männern‹ und Männlichkeit hergestellt. So heißt es in der Studie von Cremers und Krabel (2010): »Die gesellschaftliche Aufwertung frühkindlicher Erziehung und Bildung fällt in eine Zeit, in der sich auch in der deutschen Gleichstellungspolitik ein Paradigmenwechsel vollzieht. Neben gleichstellungspolitischen Maßnahmen zur Erhöhung der Chancengleichheit von Frauen richtet sich die Politik zunehmend an Männer und Jungen mit dem Ziel, ihnen neue Perspektiven jenseits traditioneller und einengender Männlichkeits- und Lebensentwürfe zu eröffnen« (Cremers/Krabel 2010, S. 9).
10 | »Neben lesbischen Feministinnen […] kritisierten Aktivistinnen und Theoretikerinnen aus minorisierten ›rassischen‹ und ethnischen Gruppen – v.a. Afro-Amerikanerinnen und Latinas in den USA sowie Afro-Deutsche und Migrantinnen in Deutschland – die ›allgemeinen‹ Gendertheorien als Reflexionen einer weißen und/oder inländischen Mittelschichtsposition, in denen sie ihre eigenen Lebensbedingungen nicht miterfasst sahen. […] Die Isolation des geschlechtlichen Aspekts von Normen und Identität blende aus – so die Kritik –, dass Geschlechternormen und Geschlechtsidentität mit anderen Aspekten wie der ethnischen Zugehörigkeit und der sozialen Position eng verwoben sind – eine Einsicht, die seit ein paar Jahren zunehmend unter dem Label ›Intersektionalität‹ verhandelt wird« (Kerner 2007, S. 10). 11 | So war es zum Beispiel nicht nur Ziel der Frauenbewegung, vergeschlechtlichte Rollenmuster und Erwartungen aufzubrechen, vielmehr ging es um eine Kritik patriarchaler gesellschaftlicher Macht- und Herrschaftsverhältnisse.
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Männlichkeiten im Wandel
Zentral ist an dieser Stelle die Konstruktion eines Zusammenhangs zwischen frühkindlicher Erziehung und Bildung, Gleichstellung und Männlichkeitskonstruktionen. Gleichstellungspolitik muss ›Männern‹ und ›Jungen‹ neue Perspektiven eröffnen. Diese werden vor allem im Bereich der Erziehung und Bildung verortet, welche gleichzeitig aufgewertet werden soll12 . Hergestellt wird dieser Zusammenhang, wie schon im Vorhergehenden, anhand der Kontrastfolie zur Gleichstellung von ›Frauen‹. Einerseits geschieht dies auf Ebene der Geschlechterrollen. Es wird eine Differenz zwischen traditionellen, einengenden Männlichkeitsvorstellungen sowie Lebensentwürfen und den modernen beziehungsweise vielfältigen Rollen hergestellt, die ›Frauen‹ mittlerweile einnehmen können. Andererseits lässt sich eine Differenzierung auf Ebene des gleichstellungspolitischen Handelns erkennen. Um Chancengleichheit für ›Frauen‹ zu erreichen, wurden gleichstellungspolitische Maßnahmen verabschiedet. Für ›Männer‹ und ›Jungen‹ müssen hingegen erst neue Perspektiven entwickelt werden, damit es diesen möglich wird, sich aus »einengenden Männlichkeits- und Lebensentwürfen« zu befreien. Auch hier wird der Veränderung von ›Männern‹ und Männlichkeit eine passive Rolle zugeschrieben. Gleichzeitig wird die Veränderung von männlich vergeschlechtlichten Lebensentwürfen zur Grundvoraussetzung erhoben, um Gleichstellung zu erreichen. Gleichstellung wird als etwas Positives, Erstrebenswertes, das Neues hervorbringt, konstruiert. Die Verflechtung zwischen dem elementarpädagogischen Bereich, Gleichstellung sowie Jungen- und Männerpolitik ist kennzeichnend für die Debatte ›Mehr Männer in Kitas‹ und wurde unter anderem auch auf politischer Ebene im Koalitionsvertrag der schwarz-gelben Regierungskoalition (2009 bis 2013) festgeschrieben. Icken (2012) zitiert in ihrem Artikel »Das Bundesprogramm ›Männer in Kitas‹ – ein gleichstellungspolitische Ansatz« Passagen aus dem Koalitionsvertrag der schwarz-gelben Regierung von 2009 bis 2013, um die Grundlage des Programms zu verdeutlichen: »Wir werden deshalb verstärkt in die Weiterbildung von Erzieherinnen und Erziehern investieren […]« (Wachstum. Bildung. Zusammenhalt. 2009, S. 60). »Diese Koalition will gleiche Chancen für Frauen und Männer im Beruf wie im Familienleben verwirklichen« (ebd. S. 67). »Wir wollen eine eigenständige Jungen- und Männerpolitik entwickeln […]« (ebd. S. 74).13 12 | Mit der Thematisierung, wer ist ein ›Mann‹ und welche Weisen ›Mann‹ zu sein sind möglich, lässt sich hier ein identitätspolitisches Moment erkennen. 13 | Vgl. Icken 2012, S. 18
5. ›Männer in Kitas/män i förskolan‹ als diskursives Ereignis
In der Verflechtung der drei Bereiche rücken neben Geschlechterverhältnissen im öffentlichen Raum auch familiäre und damit Vergeschlechtlichungen im privaten Raum in den Blick. ›Frauen‹ und ›Männer‹ sollen sowohl im Berufswie auch im Familienleben gleiche Chancen haben. Die selbstverständliche Zusammenführung der drei Bereiche erweist sich in der Analyse als Normalisierungsstrategie, durch die es ermöglicht wird, die Forderung nach einem Wandel von ›Männern‹/Männlichkeit mit dem Desiderat einer Veränderung des familiären und beruflichen Lebens zu verknüpfen. Auf gleichstellungspolitischer Ebene verbleibt die Forderung nach einem Männlichkeitswandel im Abstrakten. Erst durch eine Übertragung dieser aus dem Politischen in alltagsweltliche14 Bereiche wird die Forderung nach ›(mehr) Männern in Kitas‹ zum diskursiven Ereignis. »Fakt ist, dass die gleichstellungspolitische Signalwirkung, die vom Bundesprogramm ›Mehr Männer in Kitas‹ ausgeht, nicht unterschätzt werden darf und deutlich über den Bereich der frühkindlichen Erziehung hinausgeht. Das Programm ist ein wichtiger Baustein für die Erweiterung von Geschlechterrollen« (Icken 2012, S. 25).
Dieser dezidierten Forderung auf qualitativer Ebene steht die rein quantitative Forderung aus einer arbeitsmarktpolitischen Sicht nach MEHR ›Männern‹ entgegen. Einerseits sollen ›Männer‹ ihre Geschlechterrolle, ihre Männlichkeit verändern, andererseits zählt alleine das biologische Geschlecht. Neben dem Wandel von Geschlechterkonstruktionen wird unter Gleichstellung auf struktureller Ebene auch die Aufweichung geschlechtsspezifischer Arbeitsteilung und daran anknüpfend die Öffnung von Berufsfeldern gefasst. Der Verweis auf Gleichstellung wird auf diese Weise zu einer Strategie, gleichberechtigten (geschlechtsunabhängigen) Zugang zu allen Berufsfeldern zu fordern. Dies wird im Diskurs mit der Metapher »zwei Seiten einer Medaille« (Deutschland Text II, S. 17) zum Ausdruck gebracht. Berufliche Gleichstellung wird in der Gegenüberstellung zwischen ›Frauen‹ in Führungspositionen und ›Männern‹ im elementarpädagogischen Bereich gefasst. »dann gibt es […] auch schlichte gleichstellungspolitische Stimmen, […] nach dem Motto wir wollen Gleichstellung in unserer Gesellschaft, das heißt auch im Beruf und das ist auch ein Berufsfeld. Und so wie wir auch schreien, dass Frauen in Führungspositionen oder in Männerberufe sollen, dann ist auch ganz klar, sie sollen auch in die traditionellen Frauenberufe« (Deutschland Text I, S. 1).
Sogenannte Männerberufe und traditionelle Frauenberufe werden als zwei Seiten einer Medaille zusammengefügt. Im Gegensatz zur Veränderung von 14 | Mit alltagsweltlich ist hier die berufliche sowie die familiäre Sphäre gemeint.
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›Männern‹ und Männlichkeit wird an dieser Stelle nicht Geschlecht als Rolle relevant gesetzt, sondern vielmehr rückt das biologische Geschlecht und damit sex in den Vordergrund. Die historische Entstehung dieser vergeschlechtlichten Arbeitsteilung wird nicht hinterfragt. Im Verborgenen bleiben damit, wie schon im Vorhergehenden, gesellschaftliche Macht- und Hierarchiestrukturen, die, wie in Kapitel 3 ausgeführt wurde, im Rahmen der Sozialstaatsgründung gesellschaftlich verankert wurden. Zusammenfassend lässt sich für den deutschen Diskurs festhalten, dass mit der Forderung nach neuen Geschlechterrollen für ›Männer‹ ein gleichstellungspolitisches Desiderat hergestellt wird, welches den diskursiven Raum für die Debatte ›Männer in Kitas‹ eröffnet und damit auch die diskursive Veränderung von Männlichkeit begründet. Vergeschlechtlichte Wissensordnungen werden in Bewegung gesetzt. Der Wandel von Männlichkeit wird in der Forderung nach der Veränderung von binären Geschlechterkonstruktionen verortet, die das Familien- und Berufsleben strukturieren. Das gleichstellungspolitische Desiderat rahmt nicht nur den Raum für die Verschiebung von vergeschlechtlichten Grenzsetzungen auf Subjektebene. Sondern gleichzeitig eröffnet sich durch die Forderung der Veränderung vergeschlechtlichter Familien- und Berufsstrukturen ein diskursives Spannungsfeld. Dieses lässt sich in der Aushandlung vergeschlechtlichter Subjektkonstitutionen wiederfinden. So steht zum Beispiel die Forderung nach ›Männern in Kitas‹ mit der Begründung, der »weiblichen Bastel- und Kitawelt« (Aigner in DIE ZEIT 2010)15 ›männliche‹ Elemente entgegenzusetzen, im Widerspruch zur Feststellung, dass es einer Veränderung klassischer Männlichkeitsvorstellungen bedarf. Die Debatte stützt sich auf der einen Seite auf eine Differenzierung zwischen sex und gender, wenn bei der Forderung nach einem Wandel männlicher Geschlechterkonstruktionen sex nur bedingt in den Vordergrund rückt. Auf der anderen Seite stellt das biologische Geschlecht bei der beruflichen Gleichstellung das zentrale Beurteilungsmerkmal dar. Das hieraus entstehende Spannungsfeld wird in einem Kontinuum von Macht/Wissen zwischen Differenz und (De-)Konstruktion verortet16. Bevor ein genauerer Blick auf die den Geschlechterdiskurs strukturierenden Ambivalenzen erfolgt, wird im Folgenden der Fokus auf einen Männlichkeitswandel als gleichstellungspolitisches Desiderat in Schweden gelegt.
15 | Aigner, Josef, zitiert in: Lüpke-Narberhaus, Frauke (2010): Cowboy mit pinkfarbenem Turnschuh. Mädchen spielen mit Bauklötzen, Jungs mit Puppen – so will es die Gender-Pädagogik. Alte Rollenbilder aufzubrechen ist ihr Ziel. Ob das klappt, schon im Kindergarten? DIE ZEIT, 02.06.2010 Nr. 23. 16 | Vgl. Kapitel 7.
5. ›Männer in Kitas/män i förskolan‹ als diskursives Ereignis
SCHWEDEN Im Gegensatz zu Deutschland wird die Forderung nach einem Männlichkeitswandel in Schweden nur bedingt mit der Kampagne ›(fler) män i förskolan‹ zusammengeführt. Die Veränderung von ›Männern‹ und Männlichkeit stellt ebenso ein gleichstellungspolitisches Desiderat dar. Es lassen sich ähnliche Aussagen wie im deutschen Diskurs finden, aber mit divergierenden Positionierungen und damit auch mit anderen Wirkmächtigkeiten. Die Forderung nach Veränderungen von ›Männern‹ und Männlichkeit wurde nicht wie in Deutschland erst Anfang der 2000er Jahre auf gleichstellungspolitischer Ebene implementiert, sondern lässt sich vielmehr in unterschiedliche Phasen von Männerpolitik einbetten. Die gleichstellungspolitischen Maßnahmen stehen in enger Verknüpfung mit den jeweiligen Theoretisierungen von Geschlecht17. Als schwedisches Alleinstellungsmerkmal wird in der Debatte die frühe Orientierung auf ›Männer‹ und Männlichkeit betont. Dies unterstreicht die in der Debatte hervorgebrachte schwedische Fortschrittlichkeit in gleichstellungspolitischen Fragen. In seinem Aufsatz »Männer und Geschlechterpolitik in Schweden« (Jalmert 2004) betont Jalmert die frühe Orientierung der schwedischen Männer hin zu Gleichstellung. So kam schon Ende der 1970er Jahre die Regierungskomission ›Gleichheit zwischen den Geschlechtern‹ zum Schluss, »dass der Kenntnisstand über die Situation schwedischer Männer verbessert werden müsse« (Jalmert 2004, S. 199). Die Ergebnisse einer darauffolgenden Studie zeigten, dass schwedische Männer ein auf Gleichstellung basierendes Leben führen wollen. Kritisch hinterfragt wird dies im Verweis auf Lippenbekentnisse. Jalmert stellt weiterhin fest: »Und auch wenn ich damals das Gefühl hatte, nicht weit vorangekommen zu sein, muss ich aus heutiger Sicht sagen, dass diese positive Einstellungsänderung ein bemerkenswerter Schritt in die richtige Richtung war« (ebd. S. 199f.). Im Gegensatz zu Deutschland wird ›Männern‹ in der Frage nach der Ereichung von Gleichstellungszielen keine passive Rolle zugewiesen, sondern deren eigene Bereitschaft hervorgehoben, ein auf Gleichstellung basierendes Leben zu führen. Diesem aktiven Moment steht der Verdacht eines Lippenbekenntnisses gegenüber, das einem genaueren Blick nicht standhält. Trotz dieses skeptischen Moments wird in der Logik einer Pfadabhängigkeit die positive 17 | Hearn et al. teilen die schwedische Genderforschung mit Fokussierung auf ›Männer‹ und Männlichkeit in drei Phasen ein. »[T]he 1960s and 1970s before the formulation of the concept of hegemonic masculinity; the 1980s and 1990s when the concept was important for a generation of researchers developing studies in more depth; and the 2000s with a younger generation committed to a variety of feminist and gender critiques other than those associated with hegemonic masculinity« (Hearn et al. 2012, S. 1).
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Einstellung von ›Männern‹ gegenüber Gleichstellung in den 70er Jahren als richtungsweisend für aktuelle Auseinandersetzungen benannt und damit eine historische Kontinuität hergestellt. In Kontrast zu dieser Einstellungsveränderung steht ebenso wie in Deutschland die Aussage, dass ›Frauen‹ ihre beruflichen Möglichkeiten bereits verändert haben, aber ›Männer‹ eher in tradierten Mustern verblieben sind. Exemplarisch wird dies anhand einer Äußerung aus dem Artikel »More men? Swedish arguments over four decades about ›missing men‹ in ECE and care« (Wernersson 2015) dargestellt. »There has been a long struggle for women to establish the rights and realities of finding gainful work in traditionally male areas, but it still appears to have been easier for women than for men to step over social and mental gender borders regarding occupations« (Wernersson 2015, S. 13).
Während es ›Frauen‹ mittlerweile geschafft haben, sich in sogenannten traditionellen männlichen Berufen zu etablieren, scheint es für ›Männer‹ immer noch schwierig zu sein, diese vergeschlechtlichten beruflichen Grenzen zu überschreiten. Ebenso wie in Deutschland wird der Eintritt von ›Frauen‹ in sogenannte männliche Berufsfelder mit einem aktiven, kämpferischen Moment verbunden. ›Frauen‹ haben über lange Zeit für ihr Recht und die Bedingungen gekämpft, vergeschlechtlichte Arbeitsmarktgrenzen zu überschreiten. Im Gegensatz zu Deutschland wird die Aussage nicht in Abgrenzung zu einer Müttergeneration getroffen, sondern es wird vielmehr eine Differenz zwischen tradierten männlichen und weiblichen Arbeitsfeldern produziert. Diskursiv hergestellt und reproduziert wird eine vergeschlechtlichte Arbeitsmarktsegregation, die auf eine horizontale Ebene reduziert wird. Neben der Reproduktion vergeschlechtlichter stereotyper Zuschreibungen auf Arbeitsmarktebene verbleibt im Verborgenen, dass die Geschlechtermachtordnung (könsmaktordning) nicht nur eine horizontale, sondern auch eine vertikale Ebene hervorbringt. Die divergierende diskursive Historisierung von Männer- beziehungsweise Gleichstellungspolitik führt zu einer kritischeren Auseinandersetzung mit der Thematik ›(fler) män i förskolan‹. Im Gegensatz zu Deutschland wird keine klare diskursive Verortung der Debatte auf gleichstellungspolitischer Ebene vollzogen. Vielmehr sind Aussagen bezüglich der Debatte ›fler män i förskolan‹ und Gleichstellung (Jämställdhet) durch einen kritischen Impetus gekennzeichnet, der sich unter anderem in der Aussage ›we had that already‹ manifestiert. Dies stellt zugleich eine Abgrenzungsstrategie zu anderen europäischen Ländern dar und unterstreicht die diskursive Herstellung von
5. ›Männer in Kitas/män i förskolan‹ als diskursives Ereignis
Schweden als Vorbild auf gleichstellungspolitischer Ebene18. Wie in Kapitel 2 ausgeführt, gab es in Schweden schon in den 1970er Jahren Bestrebungen, die Anzahl männlicher Pädagogen zu erhöhen. Dies wird in der aktuellen Auseinandersetzung zu ›fler män i förskolan‹ immer wieder relevant gesetzt. »Since the 1970s there have been many activities […] aimed at breaking traditionally gendered educational and occupational choices. ›Girls into science and technology‹ was the most visible theme in the school context and it was also moderately successful. After the 1970s the parallel ›Boys into care‹ and ›Men into teaching‹ has not been forgotten but moved somewhat into the background« (Wernersson 2015, S. 18).
Als zentrales Ziel der gleichstellungspolitischen Aktivitäten seit den 1970er Jahren wird das Auf brechen einer traditionellen, vergeschlechtlichten Bildungs- und Berufswahl genannt. Dabei werden zwei homogene und sich gegenüberstehende Gruppen konstruiert, die sich scheinbar in ihrer Berufs- und Ausbildungswahl komplementär ergänzen. Die Rekrutierung von ›Mädchen‹ in Naturwissenschaften und Technologie19 wird der Förderung von ›Jungen‹ in Care gegenübergestellt. Der Gruppe der ›Männer‹ wird die Berufswahl der Lehrtätigkeit zugewiesen, während die Positionierung von ›Frauen‹ im Verborgenen bleibt. Deutlich wird in der Äußerung, dass die Forderung für ›Mädchen‹, eine geschlechtsuntypische Ausbildungs- und Berufswahl zu treffen, gesellschaftlich akzeptierter war und damit erfolgreicher als die Rekrutierung von ›Männern‹ in den Care-Bereich. Die Forderung nach mehr ›Männern‹ im Elementarbereich wurde, wie im Weiteren gezeigt wird, nach den 1970er Jahren mit einem Tabu belegt und rückte so in den Bereich des Nicht-Sagbaren. 18 | In einer international vergleichenden Perspektive nimmt in der Debatte um ›Männer‹ im elementarpädagogischen Bereich Norwegen mit knapp 10 Prozent die Vorreiterposition ein. 19 | Auch in Deutschland gibt es politische Strategien, Kinder und Jugendliche für eine geschlechtsunspezifische Berufswahl zu interessieren. So findet zum Beispiel einmal im Jahr der so genannte Girls’ und Boys’Day statt. »Das Projekt ›Girls’Day – MädchenZukunftstag‹ soll dazu beitragen, die Berufschancen von Mädchen in zukunftsträchtigen Berufsfeldern, in denen sie bisher unterrepräsentiert sind, d.h. insbesondere in (informations-)technologischen und naturwissenschaftlichen Bereichen sowie in handwerklichen Berufen, auszubauen, um ihre Arbeitsmarkt-, Karriere- sowie Verdienstchancen zu verbessern. […] Das Projekt ›Boys’Day – Jungen-Zukunftstag‹ gibt Jungen die Möglichkeit, Berufe kennenzulernen, in denen Männer immer noch unterrepräsentiert sind, vor allem Berufe aus dem sozialen, erzieherischen und pflegerischen Bereich. Durch jungenspezifische Schnupperpraktika, aber auch Workshops, werden neue Zukunftsoptionen in der Berufs- und Lebensplanung eröffnet sowie Sozialkompetenzen gestärkt« (BAFzA 2017).
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Wie im Vorhergehenden für Deutschland herausgearbeitet wurde, wird die Rekrutierung männlicher Vorschullehrer in den 1970er Jahren ebenso in Begrifflichkeiten der Veränderung von Geschlechterrollen formuliert. »I think the idea of gender as a role was quite big in the seventies in Sweden […]. I think that gender equality was built upon the idea: ›We play a role, it’s not biology, it’s a role.‹ And when men entered preschool it was as if they were taking another role. So they were recreating the role as a man and that was a good idea, I would say, in one way, […]« (Schweden Text IV, S. 4).
Auch im schwedischen Diskurs wird die Begrifflichkeit der Rolle dazu genutzt, Geschlecht aus einem biologischen Determinismus zu befreien und damit veränderbar zu machen. Der Eintritt von ›Männern‹ in die Vorschule wird mit der Neuausrichtung der männlichen Geschlechterrolle gleichgesetzt. Geschlecht wird zu etwas, das wie Kleidung gewählt werden kann und je nach Umfeld und Anlass abgelegt beziehungsweise neu definiert werden kann/muss. Die Vorstellung von Geschlecht als Rolle wird gleichzeitig zum Fundament der Idee von Gleichstellung. Wie im deutschen Diskurs fokussiert diese Vorstellung eines Wandels auf einzelne Subjekte und geht mit einer Verdeckung von vergeschlechtlichten Macht- und Hierarchiestrukturen einher. Die Veränderung von vergeschlechtlichten Wissensordnungen wird zu einer individuellen Angelegenheit. Durch diese individualisierende Sichtweise und indem einzelne Subjekte Gegenstand staatlicher Programme und Maßnahmen werden, wird es möglich, staatliche Macht in die Subjekte einzuschreiben. Vergeschlechtlichte Subjektkonstitutionen können reformuliert und damit neu ausgehandelt werden. ›Männern in Kitas‹ wird eine Positionierung der Besonderung20, im Sinne einer Hervorhebung, zugewiesen. Ihre Aufgabe wird nicht nur im Bereich des Beruflichen verortet, sondern, wie sich im folgenden Zitat zeigt, auf gesellschaftspolitischer Ebene als Verantwortliche eines Geschlechterwandels. »[…] but in another way that actually made the men that went into preschool. They had quite big expectations for themselves and they were carrying the Swedish gender equality project on their shoulders. And that was actually outside the preschools. In the preschools […] they didn’t have that high position in the hierarchy« (Schweden Text IV, S. 4).
Mit der Berufswahl des Vorschullehrers wird nicht nur die Übernahme der damit beruflichen Aufgaben verbunden. Vielmehr werden die ›Männer‹, die sich für diesen Beruf entscheiden, zu Trägern eines gesellschaftspolitischen 20 | Wie in Kapitel 7 gezeigt wird, wird diese Besonderung auf Ebene der Bereitstellung vergeschlechtlichter Subjektkonstitutionen divergierend gefüllt.
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Projekts. Die daraus resultierende gesellschaftliche Anerkennung außerhalb des Berufsfeldes steht im Kontrast zur Positionierung innerhalb dieses. Wie folgende Äußerung zeigt, wird Gleichstellung von einer gesellschaftspolitischen Strategie zu einem individualisierten, an einzelne Personen gebundenen Projekt. »In the 1970s […] it was a time of social revolution and social reformation, it was a very political time, radical, progressive and there were no problems. […] and of course to be in a preschool was to take part in changing the world« (Schweden Text VI, S. 4).
Eine als geschlechtsuntypisch verstandene Berufswahl wurde in den 1970er Jahren zu einem politischen Statement erhoben. Die Berufswahl wurde somit aus gleichstellungspolitischer Sicht politisiert. Das damit verbundene (politische) Ziel war die Veränderung der Welt und damit die Herstellung einer neuen Normalität. Eine solche Heroisierung von ›Männern‹, die mit einer sozialen Reformation und sogar einer Revolution innerhalb einer feminisierten Kitawelt verbunden wurde, hatte jedoch nur kurze Zeit Bestand. Schon in den 1980er und 1990er Jahren erfolgte, wie aus dem folgenden Zitat deutlich wird, eine diskursive Re-Traditionalisierung von Geschlechterrollen. Diese steht in Abgrenzung zu den in den 1970er Jahren geforderten ›neuen Männern‹. »The velour men, they had a really low status in the society. So I think that was also a problem. When we were talking about this role idea, and of course there were reactions to this, and the men entered preschool and they said: ›I want to enter not to play another role. I want to enter preschool as a man.‹ So we had this reaction in the 80s and in the 90s, I would think, where male were supposed to enter preschools as a real man. Because there was so much femininity and the femininity in the preschool was actually destroying the children. And that are some of the reasons why it is so complicated today for men to enter preschool, because men face so many kinds of different expectations« (Schweden Text IV, S. 4).
Zwischen den 1970er und 1980er Jahren lassen sich diskursive Verschiebungen auf geschlechterpolitischer Ebene erkennen. Die in den 1970er Jahren als Träger der sozialen Revolution geltenden ›Männer‹ hatten in den 1980er und 1990er Jahren nur einen sehr geringen Status in der Gesellschaft. Diskursiv erzeugt wurde dies unter anderem durch die Begrifflichkeit des »velour man«. In Differenz zu diesen verweichlichten ›Männern‹ steht in den 1980er und 1990er Jahren die Forderung nach »real men« in der Kinderbetreuung. Es geht nicht mehr darum, eine andere (männliche) Rolle einzunehmen, sondern der Feminisierung im elementarpädagogischen Bereich etwas entgegenzusetzen. Weiblichkeit wird als Bedrohung für die Kinder hergestellt. Dies geht
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mit der Besonderung von ›Männern‹ und Männlichkeit einher, welche in einer doppelten Abgrenzung vollzogen wird. Einerseits in Abgrenzung zu den vorher als Helden hergestellten ›Männern‹, die neue vergeschlechtlichte Rollen einnehmen sollten. Andererseits sollen die ›echten Männer‹ Kinder vor dem schädlichen weiblichen Einfluss beschützen. ›Männer‹ werden nicht mehr als Helden der Gleichstellung in der Vorschule, sondern als ›real men‹ und damit als Retter der Kinder gefordert. In beiden diskursiven Formationen werden Männlichkeit und ›Männer‹ mit Rettung, dem Abwenden von Gefahr und Schutz verbunden. Auch hier lässt sich die schon im Vorhergehenden für Deutschland beschriebene Widersprüchlichkeit zwischen der Forderung nach Veränderung von Geschlechter-konstruktionen auf der einen Seite und der Fokussierung auf die bloße Anwesenheit von ›Männern‹ auf der anderen Seite erkennen. Gleichzeitig wird diese Ambivalenz als Begründung der geringen Anzahl männlicher Vorschullehrer hergestellt. Der Besonderung von ›Männern‹ und Männlichkeit wird die Aussage entgegengestellt, dass es gerade diese vielen divergierenden Erwartungen sind, die ›Männer‹ aus diesem Bereich fernhalten. Neben der Aussage, dass es in Schweden bereits eine Kampagne zu ›Männern‹ in Kindertagesstätten gab, lässt sich als Weiteres die Problematisierung der Reproduktion vergeschlechtlichter Stereotype erkennen. »The other question is more scientific and feministic, and this is that when you talk about men in preschool, you are working with a dualism like categorization, which makes gender in the way of thinking in gender terms more problematic. […]. Because you are supporting stereotypes when talking about men and women in preschool. Like when you are talking about boys and girls and when you are dividing, separating boys and girls in the preschool work or in school, then you are working with stereotypes and categorizations. It’s bad for the goal. The goal which is equality and to develop the gender borders. Develop what’s possible for a boy, what’s possible for a girl« (Schweden Text VI, S. 1).
Aus Sicht einer (de-)konstruktivistisch informierten Sprecher*innenposition führt die Forderung nach ›(fler) män i förskolan‹ zu einer Reformulierung und damit Reproduktion vergeschlechtlichter Stereotype. Damit geht die Herstellung eines Dualismus zwischen ›Jungen‹ und ›Mädchen‹ beziehungsweise ›Männern‹ und ›Frauen‹ einher – ein Dualismus, der auf gleichstellungspolitischer Ebene gleichzeitig aufgebrochen werden soll. Problematisiert wird, dass die Herstellung geschlechtshomogener Gruppen erst durch vergeschlechtlichte Kategorisierungen und Stereotypisierungen möglich wird. Dies steht im Kontrast zu gleichstellungspolitischen Bestrebungen der Erweiterung von Geschlechtergrenzen. Die Begrifflichkeit der Gleichstellung wird in Abgrenzung zu dem im Vorhergehenden ausgeführten Desiderat der Veränderung von Geschlechterrollen hergestellt. Es lässt sich
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eine Verschiebung gleichstellungspolitischer Zielsetzungen erkennen, die im Kontrast zur Forderung nach ›(fler) män i förskolan‹ stehen. Trotz dieser diskursiven Abgrenzungsstrategien wird mittlerweile auch in Schweden wieder eine Debatte zur Erhöhung der Anzahl männlicher Vorschullehrer geführt. Im Gegensatz zu Deutschland wird diese viel deutlicher mit einem drohenden Fachkräftemangel und damit aus einer arbeitsmarktpolitischen Perspektive legitimiert. Zusammenfassend wird die Problematisierung der Abwesenheit von ›Männern‹ und Männlichkeit als gleichstellungspolitisches Desiderat in Schweden und Deutschland aufgrund divergierender diskursiver Historisierungen unterschiedlich wirkmächtig und sagbar. Während in Deutschland auf einer individualisierten Ebene die Veränderung von tradierten Männlichkeitsrollen betont wird, steht in Schweden die Hervorbringung als gleichstellungspolitisches Vorbild im Vordergrund. Erreicht wird dies unter anderem durch eine dezidierte Abgrenzung zu einer Forderung nach mehr ›Männern‹ auf gleichstellungspolitischer Ebene, da diese zu einer Reproduktion binärer vergeschlechtlichter Grenzziehungen führe.
5.3 MEHR ›M änner ‹ als arbeitsmark tpolitisches D esider at Nachdem im vorherigen Kapitel die zentrale Problematisierung in der Debatte zu einem gleichstellungspolitischen Desiderat ausgeführt wurde, welche mit der Forderung nach einem Männlichkeitswandel verknüpft ist, geht es im Weiteren um die dritte Problematisierung. Dieser liegt eine arbeitsmarktpolitische Forderung nach MEHR ›Männern‹ zugrunde, wodurch das biologische Geschlecht in den Vordergrund rückt. Die Fokussierung auf eine rein quantitative Erhöhung von ›Männern‹ im elementarpädagogischen Bereich wird als Antwort auf einen drohenden Fachkräftemangel konstruiert. Je nach diskursiver Problematisierung lassen sich divergierende Aushandlungsstrukturen von Geschlecht erkennen. Aussagen, die eine rein quantitative Erhöhung des Männeranteils fordern, werden vermehrt von Sprecher*innenpositionen mit einer Orientierung auf das biologische Geschlecht getätigt. Auf Ebene der vergeschlechtlichten Diskursstrukturen folgt auch diese diskursive Problematisierung einer heteronormativen Logik, die sich in einem Spannungsfeld zwischen biologisierenden und (de-) konstruktivistischen Aussagen bewegt 21.
21 | Im Gegensatz dazu stellen Rose und Stibane fest, dass sich die Frage nach Geschlecht aus Sicht des Fachkräftemangels nicht stellt. »Diese Legitimationsfigur ist in-
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DEUTSCHL AND – Zwischen Fachkräftemangel und Berufsfeldorientierung Eine Aussage, die in der Debatte in Deutschland getroffen wird, ist, dass in den nächsten Jahren ein Mangel an Fachkräften im elementarpädagogischen Bereich zu erwarten sei. Verdeutlicht wird dies im Folgenden anhand eines Ausschnitts aus dem deutschen Interviewmaterial. »Und dann, was ganz ganz schwach oder eigentlich traut sich das gar keiner richtig zu sagen, aber ich glaube, dass ist das entscheidende Antriebsmoment, das ist der Nachwuchskräftemangel in dem Beruf. Na, der wirklich ganz dramatisch ist und das, sage ich jetzt mal, ist nun kein Zufall, dass in dem Moment, wo echt Not ist angesichts der Expansion dieses Jugendhilfefeldes, man gar nicht mehr weiß, wie man die Fachkräfte dafür kriegen soll, dass in dem Moment plötzlich das ja ganz wichtig ist und pädagogisch ganz wertvoll« (Deutschland Text I, S. 1).
In der Äußerung wird ein Zusammenhang zwischen einem drohenden, ja sogar dramatischen Nachwuchskräftemangel und dem plötzlichen Entstehen einer Debatte um ›Männer in Kitas‹ hergestellt. Die Debatte wird zur Folge des Nachwuchskräftemangels, erst vor diesem Hintergrund wird die Forderung nach ›Männern‹ wichtig und legitim. Auf diese Weise findet eine Verknüpfung zwischen der quantitativen Erhöhung männlicher Erzieher und der pädagogischen Aufwertung des Bereichs statt. ›Männer‹ werden auch hier mit einem doppelten Moment der Besonderung ausgestattet. Einerseits stellen sie die rettende Antwort auf einen drohenden Fachkräftemangel dar, andererseits werden sie als etwas pädagogisch Wertvolles hergestellt. Die Äußerung verbleibt dabei in einer Dichotomie. Der Fachkräftemangel wird zwar als wichtigster Antriebsmotor hergestellt, jedoch durch die Formulierung »eigentlich traut sich das gar keiner richtig zu sagen« als etwas Tabuisiertes markiert. Metaphorisch verstanden wird die Äußerung hinter vorgehaltener Hand ausgesprochen und dadurch als etwas Nicht-Sagbares gekennzeichnet. Der scheinbaren NichtSagbarkeit wird die Äußerung gegenübergestellt, dass gerade der Mangel an Fachkräften in den nächsten Jahren der entscheidende Antriebsmotor für die Rekrutierung männlicher Fachkräfte sei. Die rein quantitative Forderung nach mehr ›Männern‹ im elementarpädagogischen Bereich scheint das Ziel der Gleichstellung zu konterkarieren. An dieser Stelle entsteht in Bezug auf Gleichstellungs- und Arbeitsmarktpolitik eine Diskrepanz. Einerseits werden arbeitsmarktpolitische Desiderate mit einem Tabu belegt, andererseits wird, wie im Weiteren deutlich wird, eine reziproke Gleichzeitigkeit von Arbeitsmarktanforderungen und gleichstellungspolitischen Strategien hergestellt. sofern aufschlussreich, als sie das Thema ›Männer in Kitas‹ nun arbeitsmarktpragmatisch verortet und damit geschlechtsneutralisiert« (Rose/Stibane 2013, S. 13).
5. ›Männer in Kitas/män i förskolan‹ als diskursives Ereignis
Unter den Schlagworten »Gleichberechtigter Zugang zum Arbeitsmarkt – Gleichstellungspolitik« (Aster 2012, S. 104 kursiv i.O.) im Artikel »Das ESFModellprogramm im beschäftigungspolitischen Rahmen der Europäischen Union«22 stellt Aster (2012) fest: »Betrachtet man die Interventionsbereiche des ESF, wie sie vom Europäischen Parlament und dem Europäischen Rat 2006 verabschiedet wurden, stellt auch die Verbesserung des ›Zugangs‹ zum Arbeitsmarkt ein wesentliches Kriterium für den ESF dar. Im Sinne der durch den ESF geförderten Gleichstellungspolitik soll es keine Diskriminierungen bei diesem Zugang geben, weder für Frauen noch für Männer […]« (Aster 2012, S. 104f.).
Mit der Nennung der europäischen Institutionen des Europäischen Parlaments und dem Europäischen Rat wird die Äußerung und damit das Desiderat eines Arbeitsmarktwandels hin zu mehr Gleichberechtigung auf einer supranationalen Ebenen verortet. Gleichstellung wird als gleichberechtigter Zugang zum Arbeitsmarkt verstanden. Somit liegt der Fokus auf einer Veränderung von (öffentlichen) Arbeitsmarktstrukturen und nicht primär auf der Veränderung von Geschlecht. Im Gegenteil wird Geschlecht in einer klaren Binarität zwischen ›Männern‹ und ›Frauen‹ hergestellt. Ausgehend von einer heteronormativen Logik bleibt im Verborgenen, dass aufgrund der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung eine einseitige Veränderung von Arbeitsmarktstrukturen nicht ausreichend ist, sondern vielmehr auch die im Privaten geleistete Reproduktionsarbeit umverteilt werden müsste, um ›Frauen‹ und ›Männern‹ einen gleichberechtigten Zugang zum Arbeitsmarkt zu gewähren. Der arbeits- und gleichstellungspolitischen Auseinandersetzung ist somit auch eine verdeckte familienpolitische Komponente inhärent. Ein gleichstellungspolitisches Instrument, das diese Problematik auf arbeitsmarkpolitischer Ebene verdeutlicht, ist der Ausbau der Kinderbetreuung für unter Dreijährige. Erst dadurch kommt es in Deutschland zu einem Mangel an Arbeitskräften in diesem Bereich. »Der quantitative Ausbau und die qualitative Aufwertung von Kindertagesstätten in der Bundesrepublik Deutschland schreiten voran und werden dazu führen, dass eine höhere Anzahl von Erziehern und Erzieherinnen in diesem Bereich tätig sein werden. Da der Anteil von männlichen Erziehern mit ca. drei Prozent derzeit sehr gering ausfällt und der Bedarf an Erzieherinnen und Erziehern in Kindertageseinrichtungen wächst, ist auch nicht davon auszugehen, dass eine Steigerung des Anteils männlicher Erzieher zu einer Verdrängung von Frauen in diesem Bereich führt« (Aster 2012, S. 104). 22 | Dieser erschien im Sammelband »Männer in Kitas« (Koordinationsstelle »Männer in Kitas« 2012).
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Im Gegensatz zum Zitat aus dem Text Deutschland I wird in der Äußerung von Aster (2012) die Forderung nach mehr ›Männern‹ nicht negativ als Folge eines Arbeitskräftemangels hergestellt. Vielmehr macht der Fachkräftemangel die Forderung nach männlichen Erziehern zu etwas Sagbarem. Dieser wird damit zu einem positiven Ermöglichungsmoment. Dies lässt sich einerseits auf den geringen Anteil männlicher Erzieher zurückführen, andererseits werden ›Frauen‹ nicht aus dem Arbeitsfeld verdrängt. Hervorgebracht wird eine Zweigeschlechtlichkeit, die auf dem Arbeitsmarkt konträr und in Konkurrenz zueinander steht. Insgesamt wird das Feld der Kinderbetreuung als ein beruflicher Bereich hergestellt, der sich in Bewegung befindet. Diese Bewegung findet ihren Ausdruck in einem gleichzeitigen quantitativen Ausbau und einer qualitativen Aufwertung des Bereichs. Eine weitere Problematik, die aus arbeitsmarktpolitischer Sicht mit beziehungsweise in der Debatte um ›Männer in Kitas‹ verhandelt wird, ist eine gestiegene (männliche) Arbeitslosigkeit, die in Zusammenhang mit der Erosion eines klassischen Normalarbeitsverhältnisses und dem Erstarken des Dienstleistungssektors gebracht wird. Auf diskursiver Ebene wird diese in der Aussage problematisiert, dass aufgrund der Erosion traditioneller männlicher Arbeitsplätze für ›Männer‹ neue Arbeitsmöglichkeiten geschaffen werden müssen. Rose und Stibane stellen in ihrer Diskursanalyse »Männliche Fachkräfte und Väter in Kitas. Eine Analyse der Debatte und Projektpraxis« (Rose/Stibane 2013) dazu Folgendes fest: »Damit wird eine andere Seite im Ruf nach Männern in sozialen und pflegerischen Berufen sichtbar: Der Zugang der Männer zu entsprechenden beruflichen Tätigkeiten soll helfen, die Arbeitsmarktkrise abzufedern und Männern, denen in den klassischen Männerberufen zunehmend Arbeitslosigkeit droht, eine berufliche Perspektive zu sichern« (Rose/Stibane 2013, S. 13f.).
In Ergänzung zum vorher beschworenen Arbeitskräftemangel wird mit der Eröffnung neuer beruflicher Möglichkeiten in Sozial- und Pflegeberufen eine andere Seite des Rufs nach ›Männern‹ in Kitas aufgemacht. Die Rekrutierung von ›Männern‹ wird in diesem Zusammenhang als Abfederung einer Arbeitsmarktkrise hergestellt 23. Als Arbeitsmarktkrise wird die Erosion klassischer 23 | Lepperhoff (2012) stellt in diesem Zusammenhang fest: »Vor dem Hintergrund wachsender ökonomischer Unsicherheiten, auch für Männer, ist es jedoch von Bedeutung, dass der soziale Dienstleistungsbereich selbst bei schlechten Arbeitsbedingungen zunehmend als interessantes Arbeitsfeld für Männer verhandelt und in der politischen Öffentlichkeit diskursiv neu vermessen wird« (Lepperhoff 2012, S. 35). Problematisiert wird, dass der soziale Dienstleistungsbereich in seiner bisherigen Aus-
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Männerberufe verstanden. Der heteronormativen Logik der Debatte folgend verbleibt die Arbeitsmarktsituation für ›Frauen‹ im Verborgenen. Neben dieser Problematik lässt sich ein weiterer Bruch erkennen. So wird die Rekrutierung von Männern aufgrund der Veränderungen von Arbeitsmarktstrukturen teilweise im Kontrast zur vorherigen qualitativen Aufwertung des Arbeitsfelds hergestellt. »Wenn die Männer, welche die Kitas als neue Fachkräfte bereichern sollen, so unverblümt unter den Benachteiligten des Arbeitsmarktes gesucht – und gefunden – werden, bestätigt dies einmal mehr das sowieso vorhandene öffentliche Bild der fachlichen Anspruchslosigkeit und Minderwertigkeit dieses Berufsfeldes. Auch wenn dies so niemals explizit formuliert wird, werden auf diese Weise die Kindertageseinrichtungen unter der Hand zu Auffangbecken für problematische männliche Gruppen des Arbeitsmarktes gemacht« (Rose/Stibane 2013, S. 14).
Während im Vorhergehenden noch die Aufwertung des Arbeitsfelds diskutiert wurde, um mehr ›Männer in Kitas‹ zu rekrutieren, geht es nun um eine gegenteilige Problematisierung. Nämlich um die Abwertung des Berufsfelds aufgrund der ›Männer‹, welche mit dem Programm angesprochen werden sollen. Die Rekrutierung »problematische[r] männliche[r] Gruppen des Arbeitsmarktes« wird in der obigen Aussage mit der Reproduktion der »fachlichen Anspruchslosigkeit und Minderwertigkeit dieses Berufsfeldes« gleichgesetzt. Mit dieser Form der Rekrutierung entsteht ein Widerspruch zur im Vorhergehenden geforderten und hergestellten Aufwertung des Kinderbetreuungsbereichs. Aus einer intersektionellen Perspektive wird an dieser Stelle neben Geschlecht die Differenzlinie der Klasse wirkmächtig. Der Geschlechterdiskurs, der der Debatte um ›Männer in Kitas‹ zu Grunde liegt, wird um ein klassistisches Moment erweitert. Deutlich wird in der Äußerung, dass nicht per se aufgrund des biologischen Geschlechts alle ›Männer‹ in der Kita erwünscht sind, sondern vielmehr mit der Debatte aus einer arbeitsmarktpolitischen Perspektivierung bestimmte gesellschaftliche Gruppen angesprochen werden sollen.
Politische Strategien zur Rekrutierung von ›Männern‹ in Kindertagesstätten//Neue Wege für Jungs versus Quereinstieg Die Problematisierung der Abwesenheit von ›Männern‹ und Männlichkeit im elementarpädagogischen Bereich beginnt nicht erst mit der Herstellung ihres Fehlens in den öffentlichen Einrichtungen. Auch der Zugang zu diegestaltung nicht attraktiv für ›Männer‹ ist. Da tradierte Männlichkeitskonstruktionen im Gegensatz zu den im Berufsfeld geforderten (vergeschlechtlichten) stereotypen Anforderungen stehen, geht es nun vielmehr um eine (›männergerechte‹) Neuvermessung des Arbeitsfeldes.
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sem Berufsfeld wird auf politischer Ebene (neu) ausgehandelt. Für Deutschland lassen sich zwei unterschiedliche zentrale Strategien ausmachen. Dies ist einerseits das 2005 vom BMFSFJ initiierte Pilotprojekt »Neue Wege für Jungs – Bundesweites Netzwerk und Fachportal zur Berufswahl und Lebensplanung von Jungen« und andererseits das aus dem Modellprogramm »MEHR Männer in Kitas« erwachsene Nachfolgeprojekt »Quereinstieg – Männer und Frauen in Kitas« (2015-2020). In der Studie »Männliche Fachkräfte in Kindertagesstätten. Eine Studie zur Situation von Männern in Kindertagesstätten und in der Ausbildung zum Erzieher« (Cremers/Krabel 2010) wird die Initiative »Neue Wege für Jungs« wie folgt positioniert: »Ein weiteres Ziel der Gleichstellungspolitik ist zudem, veraltete und zunehmend dysfunktionale Männerleit- und Rollenbilder zu erweitern und mehr Männer und Jungen für bisher eher weiblich konnotierte Tätigkeitsfelder (Betreuung, Erziehung, Pflege und frühkindliche Bildung) zu gewinnen. Beispielhaft hierfür sind […] Initiativen wie das 2005 ins Leben gerufene Projekt Neue Wege für Jungs mit den drei Schwerpunktthemen ›Erweiterung des Berufswahlspektrums‹, ›Flexibilisierung der männlichen Rolle‹ und ›Förderung sozialer Kompetenzen‹ […]« (Cremers/Krabel 2010, S. 11).
Wie in Kapitel 5.2 herausgearbeitet, liegt der Initiative »Neue Wege für Jungs« ebenso ein gleichstellungspolitisches Desiderat des Männlichkeitswandels zugrunde. Die Veränderung von veralteten und dysfunktionalen Männlichkeitsbildern wird mit dem Eintritt in bisher weiblich konnotierte Tätigkeitsfelder gleichgesetzt. Damit wird auf politischer Ebene eine klare Richtung vorgegeben, wohin ›Jungen‹ und ›Männer‹ sich zu verändern haben. Ziel ist es, den Männlichkeitskonstruktionen ein ›pflegerisches Moment‹ einzuschreiben, welches mit der Förderung von sozialer Kompetenz einhergeht. Hergestellt wird eine sogenannte Care-Männlichkeit. Diese Normalisierung wird in Abgrenzung zu veralteten Männlichkeitsvorstellungen sowie mit Verweis auf weiblich konnotierte Tätigkeitsfelder hervorgebracht. Neben der gleichstellungspolitischen Verortung findet sich in der Positionierung der Initiative mit dem Schwerpunktthema »Erweiterung des Berufswahlspektrums« ebenso eine Verknüpfung zu arbeitsmarktpolitischen Forderungen. Während »Neue Wege für Jungs« insbesondere auf die Veränderung männlich strukturierter Lebensläufe abzielt, rücken im Modellprogramm »Quereinstieg – Männer und Frauen in Kitas« vergeschlechtlichte Ausbildungsstrukturen in den Vordergrund. So erläutert eine interviewte Person die Ziele des Programms: »X: […] also im Rahmen des Modellprojekts oder der Modellprojekte ist einfach klar geworden, dass es zwar europaweit diese Forderung gibt nach dem lebenslangen Lernen,
5. ›Männer in Kitas/män i förskolan‹ als diskursives Ereignis aber dass jetzt für Deutschland auch sich eigentlich Berufsausbildung und berufliche Weiterbildung sehr am Dualen System orientiert und das für andere Bereiche, wie zum Beispiel die Erzieher*innenausbildung, ein lebenslanges Lernen gar nicht möglich ist, weil das ja eine schulische, unbezahlte Ausbildung ist. Und wenn ich natürlich als Berufswechsler kein Geld mehr verdiene oder maximal noch ein Meister-BAföG von 500 Euro, ich weiß nicht genau, dann kann ich mir das nicht leisten. Und in dem neuen Projekt geht’s ja darum, dass die Auszubildenden während der Ausbildung 1250 Euro verdienen. Das ist so das eine. […]. Zum anderen geht es in dem Projekt aber auch nochmal um eine adäquate Steigerung des Männeranteils, die ist regional spezifisch, also vor allem die soll adäquat eine Steigerung sein. Und zum Dritten soll die Ausbildung geschlechtersensibel sein« (Deutschland Text II, S. 10).
An anderer Stelle wird, auf Nachfrage, nochmals die gleichstellungspolitische Ausrichtung betont: »I: Und es ist aber trotzdem auch wieder ein gleichstellungspolitisches Programm? X: Jetzt nochmal expliziter, also ich mein schon im Namen. Also der Name heißt jetzt ›Quereinstieg Männer und Frauen in Kitas‹« (Deutschland Text II, S. 5).
Ausgehend von der Verortung der Äußerung im europäischen Rahmen, wird aus gleichstellungspolitischer Perspektive nicht das unbezahlte, schulische Ausbildungssystem für den Erzieher*innenberuf problematisiert, sondern dass dieses ein lebenslanges Lernen nicht ermöglicht. Dies wird mit der Problematik der Vergütung für Berufswechsler*innen in Bezug gesetzt, die sich eine Umschulung in diesem Bereich damit nicht leisten können. Neben der monetären Vergütung sind zwei weitere Zielsetzungen des Quereinstieg-Programms die Erhöhung eines Männeranteils sowie eine geschlechtersensible Gestaltung der Ausbildung. Im Verborgenen verbleibt, was genau unter geschlechtersensibel zu verstehen ist. Beide Programme haben die Veränderungen von (vergeschlechtlichten) Arbeitsmarktstrukturen und die damit einhergehende geschlechtsspezifische Berufswahl zum Ziel. Die Kampagnen setzen an divergierenden Punkten im Lebenslauf an. Während die Initiative »Neue Wege für Jungs« explizit ›Jungen‹ anspricht, orientiert sich das Modellprogramm des Quereinstiegs vor allem an älteren Personengruppen. An dieser Stelle wird neben Geschlecht die Differenzlinie Alter wirkmächtig. Dies ermöglicht es, die Ausbildung im Zuge des Quereinstiegs mit einer Vergütung für ›Männer‹ (und auch für ›Frauen‹) zu verbinden. Der dem Geschlechterdiskurs zugrunde liegenden heteronormativen Logik folgend, ergibt sich hiermit eine vergeschlechtlichende Hierarchisierung. Die unbezahlte schulische Ausbildung, die zumeist junge ›Frauen‹ einschlagen, erscheint nicht problematisch und wird erst vor dem Hintergrund von (älteren) Quereinsteiger*innen zum Problem. Um diesem zu begegnen,
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erfolgt über das Programm eine Bezahlung und damit monetäre Aufwertung des Quereinstiegs, der gleichzeitig auf politischer Ebene mit der Rekrutierung von ›Männern‹ verknüpft ist und dem damit eine geschlechterpolitische Komponente innewohnt. Was mit der Logik des Programms nicht in Frage gestellt wird, ist erstens das System der dualen Ausbildung sowie zweitens vergeschlechtlichte Ausbildungsstrukturen. Dies führt zu einer Reifizierung ihrer gesellschaftlichen Gewordenheit und einer Reproduktion der ihnen immanenten Geschlechterordnung. Wie die Debatte ›Männer in Kitas‹ bewegen sich beide politische Strategien auf der Handlungsebene zwischen einem arbeitsmarkt- und einem gleichstellungspolitischen Desiderat. Zusammenfassend lassen sich in Deutschland aus arbeitsmarktpolitischer Perspektive zwei zentrale Problematisierungen erkennen, die diskursiv miteinander verknüpft werden. Dies ist einerseits ein drohender Fachkräftemangel, welchem andererseits die Erosion traditionell männlicher Beschäftigungsverhältnisse gegenübergestellt wird. Als Lösung dieser diskursiv hervorgebrachten Problematisierung lassen sich daran anknüpfend zum einen die Hervorbringung einer Care-Männlichkeit und zum anderen die Fokussierung auf die Veränderung von Arbeitsmarkt- und Berufsqualifizierungsstrukturen erkennen.
SCHWEDEN – Arbeitsmarkt- versus Gleichstellungspolitik Im Gegensatz zu Deutschland ist die diskursive Problematisierung eines drohenden Fachkräftemangels in Schweden viel deutlicher zu erkennen. Sowohl für die Debatte in den 1970er Jahren als auch für die aktuelle Debatte wird ein (drohender) Personalmangel als Legitimation herangezogen. Diese divergierende Positionierung und damit auch die Sagbarkeit eines drohenden Fachkräftemangels lassen sich nicht zuletzt auf die unterschiedliche gesellschaftliche Positionierung von Gleichstellung zurückführen. Schon im diskursiven Erscheinen von Gleichstellung in den 1970er Jahren wurde diese in Zusammenhang mit aktiver Arbeitsmarktpolitik gestellt. »In the 1960s and especially in the 1970s the Swedish preschool […] was developed, and this was a part of a general policy of gender equality. You know the Swedish term jämställdhet? And for instance, the Prime Minister Olof Palme […] held a famous speech in 1972 […] where he was talking about jämställdhet and an importance of women in the labour force. That was one of the economic arguments, that women were needed in the labour force, you know, there was a lack of labours […] So »Women to the labour force«, and that also included jämställdhet, and that was why then childcare was needed. And so, it was started to be valued. By then there were not so many children in preschool […] it was also discussed about […] gender equality that should affect men and women, boysʼ and girlsʼ choices of education, choices of occupation« (Schweden Text I, S. 1).
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Gleichstellungsbestrebungen in den 1970er Jahren werden in Schweden mit der Öffnung des Arbeitsmarkts für ›Frauen‹ verknüpft und aus ökonomischer Perspektive mit einem Arbeitskräftemangel begründet. Gleichstellung wird zu einem arbeitsmarktpolitischen Instrument. Dabei erfolgt eine diskursive Herstellung eines Zusammenhangs zwischen Gleichstellung, der Rekrutierung von ›Frauen‹ in den Arbeitsmarkt sowie dem Ausbau und der Aufwertung öffentlicher Kinderbetreuung. Wie in Deutschland wird der Ausbau der Kinderbetreuung als gleichstellungspolitische Strategie hergestellt. Durch die Bereitstellung öffentlicher Kinderbetreuung soll ›Frauen‹ die Partizipation am Arbeitsmarkt ermöglicht werden. Mit dieser gleichstellungpolitischen Strategie werden nicht nur Handlungsmöglichkeiten für ›Frauen‹ eröffnet, sondern vielmehr den Subjekten vergeschlechtlichte Geschlechterkonstruktionen eingeschrieben. Im Sinne der Regierung von Geschlecht wird zur Norm erhoben, dass ›Frauen‹ Teil des Arbeitsmarkts sein sollen, während die Betreuung der Kinder zu einer staatlichen und damit öffentlichen Aufgabe gemacht wird. Mit der expliziten Öffnung des Arbeitsmarkts für ›Frauen‹ durch die Bereitstellung von Kinderbetreuung geht eine Verschiebung ›weiblich‹ konnotierter Betreuungsarbeit einher. Diese findet nun nicht mehr im privaten, sondern im öffentlichen Raum statt. Gleichzeitig entsteht die Möglichkeit, die Arbeitsmarktpartizipation von Menschen, insbesondere von ›Frauen‹ mit Kindern, staatlich zu lenken. Die Bereitstellung öffentlicher Kinderbetreuung stellt damit eine Form der Regierung von Geschlecht dar24. Aufgrund sich in den letzten Jahren verändernder Gesellschaftsstrukturen steht die öffentliche Kinderbetreuung vor dem Problem eines steigenden Personalmangels. Diese Problematisierung liegt in Schweden dem Sagbar-Werden der Forderung nach ›fler män i förskolan‹ zugrunde. »Bedenken wir außerdem, dass die Vorschulen aufgrund von wachsenden Kinderzahlen und anstehenden Pensionierungen viel mehr Mitarbeiter*innen rekrutieren müssen, sollte die Sache entschieden sein« (SKL 2015, S. 7/eigene Übersetzung) 25 .
Im Gegensatz zur aktuellen deutschen und zur historischen schwedischen Debatte in den 1970er Jahren wird als Ursache des aktuellen Personalmangels 24 | Die Aushandlung findet jedoch nicht nur auf einer politischen Ebene statt, sondern vielmehr sind im Sinne divergierender Kräfteverhältnisse verschiedenste zivilgesellschaftliche Akteur*innen, wie Gewerkschaften oder Kirche, an der Ausgestaltung der Kinderbetreuung beteiligt (siehe auch Scheiwe/Willekens 2009). 25 | »Lägger vi till att förskolan på grund av växande barnantal och kommande pensionsavgångar behöver rekrytera många fler medarbetare så borde saken vara avg jord« (SKL 2015, S. 7).
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in Schweden nicht der Ausbau der Kinderbetreuung benannt. Vielmehr geht es um steigende Kinderzahlen und eine erhöhte Anzahl von Verrentungen. Um diese Tendenzen auszugleichen, wird die Rekrutierung von mehr Personal dringend notwendig. Diese Rekrutierung wird in der folgenden Äußerung mit einer diskursiven Sichtbarmachung der Abwesenheit von ›Männern‹ verknüpft. »You need more people in preschool, because there is a lack of educated professionals. […] both in care in nursing and in preschool, which is so much dominated by one sex. They have to see what they do. »If we can’t get more women, what do we do?« That’s not gender policy, that’s […] a kind of working labour. That’s more labour politics than gender politics. But you can motivate labour politics by a more accepted symbol perhaps by talking about gender. That’s a value in itself, to talk about having both men and women working with children. But so on the one side […] there is a need for developing this in this working area. So to summarize my impression of the actual debate is that »more men in preschool« and to recruit more men is an ongoing discussion, which is both criticized and motivated by other reasons than equality« (Schweden Text V, S. 1).
Wiederfinden lässt sich in dieser Äußerung die Problematisierung des Personalmangels in der Vorschule sowie in Krippen. Bei Personal geht es dabei nicht um irgendein Personal, das die Kinder betreut, sondern um »educated professionals«26. Herausgehoben wird die Dominanz durch ein biologisches Geschlecht. Im Fokus steht daran anknüpfend nicht die Problematisierung der Abwesenheit von ›Männern‹, sondern dass in den nächsten Jahren nicht genug ›Frauen‹ rekrutiert werden können. ›Männer‹ werden als eine potenziell neue Gruppe hergestellt, die als Personal in die Vorschulen rekrutiert werden kann. Im darauf Folgenden wird ein Zusammenhang zwischen Arbeitsmarktund Gleichstellungspolitik gezogen. Dies geschieht zuerst in einer Abgrenzung der beiden Politikfelder. »That’s not gender policy, that’s […] a kind of working labour«. Hergestellt wird eine Unmöglichkeit der Gleichzeitigkeit von Gleichstellungs- und Arbeitsmarktpolitik. Diese wird im folgenden Satz durch eine Hierarchisierung der beiden Politikfelder wieder aufgehoben. »That’s more labour politics than gender politics«. Geschlechterpolitik wird als legitimatorisches Moment und als Katalysator für Arbeitsmarktpolitik konstruiert. Mit der Kopplung von Arbeitsmarkt und Gleichstellung geht durch die Relevanzsetzung von Geschlecht eine moralische Aufladung der Debatte einher. Damit wird aus der Debatte ›fler män i förskolan‹ viel mehr als die rein quantitativ motivierte und auf den Fachkräftemangel bezogene Rekrutierung von ›Männern‹. Neben der Problematisierung des Fehlens von ›Männern‹ eröffnet
26 | Vergleiche Kapitel 7.
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sich ein Raum, in dem Geschlechterverhältnisse neu gerahmt und ausgehandelt werden. Wie in Kapitel 2 ausgeführt, gibt es in Schweden auf nationaler Ebene nur geringe Bestrebungen, die Anzahl männlicher Vorschullehrer zu erhöhen. So existiert beispielsweise seit 2014 auf kommunaler Ebene ein Zusammenschluss von sieben Kommunen, die sich dieses Ziel gesetzt haben. Im Rahmen dieses Zusammenschlusses erschien 2015 die Anthologie »Fler män i föskolan. En antologi om breddad rekrytering« (SKL 2015)27 Im Einführungstext wird ausgeführt: »Die Vorschulen müssen in den nächsten Jahren viele kompetente Mitarbeiter*innen rekrutieren, sowohl Erzieher*innen als auch Vorschullehrer*innen. Die Rekrutierung zu erweitern ist eine Maßnahme für Arbeitgeber*innen, um dieser Herausforderung gerecht zu werden. Andere Strategien sind die effektive Nutzung von Kompetenzen, das Aufzeigen von Karrieremöglichkeiten, das Erleichtern der Gehaltsentwicklung, die Förderung von Engagement und die Vermarktung des Berufes. Deshalb ist es wichtig, dass die Vorschule sowohl für Männer als auch für Frauen ein denkbarer Arbeitsplatz ist. Derzeit ist der Anteil von Männern in den Vorschulen unverhältnismäßig niedrig. Sowohl Männer als auch Frauen werden in den Vorschulen gebraucht« (SKL 2015, S. 3/eigene Übersetzung) 28 .
Wie schon im Vorhergehenden wird auch hier der Mangel an Mitarbeiter*innen sowohl im Bereich der Krippe als auch in der Vorschule problematisiert. Zuvorderst steht die Forderung nach einer erweiterten Rekrutierung. Diese wird mit weiteren Strategien verknüpft, um Personal für die Vorschulen zu gewinnen. Dies sind unter anderem die Betonung von Kompetenzen, das Aufzeigen von Karrieremöglichkeiten sowie die Erleichterung von Lohnerhöhungen. Gemeinsam ist den Strategien, dass die Attraktivität des Berufsfeldes gesteigert werden soll, indem es mit männlich konnotierten beruflichen Stereotypen, wie Karriere oder hoher Lohn, verknüpft wird. Betont wird die Wichtigkeit, das Arbeitsfeld sowohl für ›Frauen‹ als auch für ›Männer‹ attraktiv zu gestalten. Unklar bleibt, wie es zu dieser Verknüpfung und damit zur 27 | »Mehr Männer in den Vorschulen. Eine Anthologie über erweiterte Rekrutierung« (SKL 2015/eigene Übersetzung). 28 | »Förskolan behöver rekrytera många kompetenta medarbetare de närmaste åren, både barnskötare och förskollärare. Att bredda rekryteringen är ett sätt för arbetsgivarna att möta utmaningen. Andra strategier är att använda kompetensen rätt, visa karriärmöjligheter, underlätta lönekarriär, skapa engagemang och att marknadsföra jobben. I detta sammanhang är det är viktigt att både män och kvinnor ser förskolan som en tänkbar arbetsplats. I dag är andelen män bland förskolans personal orimligt låg. Både män och kvinnor behövs i förskolan« (SKL 2015, S. 3).
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Relevanzsetzung sowie Sichtbarmachung von Geschlecht kommt. Als diskursive Wahrheit wird in der Äußerung hervorgebracht, dass sowohl ›Männer‹ als auch ›Frauen‹ in der Vorschule gebraucht werden, womit sich eine Herstellung von Zweigeschlechtlichkeit vollzieht.
Kompetentes Personal für die beste Vorschule der Welt Anknüpfend an die Problematisierungen des drohenden Personalmangels und der Abwesenheit von ›Männern‹ werden in der Auseinandersetzung »Fler män i förskolan. En antologi om breddad rekrytering« (SKL 2015) vier Ausgangspunkte formuliert. Diese werden der Rekrutierung von mehr ›Männern‹ zu Grunde gelegt und mit Zielsetzungen auf einer Handlungsebene verknüpft. Ähnlich wie in Deutschland bewegen sich die Rekrutierungsstrategien zwischen Gleichstellungs- und Arbeitsmarktpolitik. »Die strategische Arbeit, um die Anzahl der Männer an Vorschulen zu erhöhen, lässt sich mit den folgenden vier Ausgangspunkten zusammenfassen: > Erweiterte Rekrutierung ist eine Lösung zur zukünftigen Kompetenzsicherung > Das Geschlecht soll kein Hindernis sein, um in der Vorschule zu arbeiten > Es braucht mehr Wege in die Vorschule > Kompetente Mitarbeiter*innen sind der Grundstein für die beste Vorschule der Welt« (SKL 2015, S. 7/eigene Übersetzung) 29.
Als erster Ausgangspunkt wird eine erweiterte Rekrutierung angeführt, um den Personalmangel zu lösen und eine zukünftige Kompetenzversorgung zu gewährleisten. »Um den Bedarf an kompetentem Personal in näherer als auch ferner Zukunft zu decken, ist es notwendig, die ganze Bevölkerung als potenzielle Mitarbeiter*innen zu betrachten, sowohl Männer als auch Frauen« (ebd./eigene Übersetzung) 30 .
Die erweiterte Rekrutierung wird mit der Erschließung neuer Personalgruppen gleichgesetzt, die jetzt (vermeintlich) nicht mehr nur in einem Teil der 29 | »Vi sammanfattar det strategiska arbetet med fler män till förskolan i fyra utgångspunkter > Breddad rekrytering är en lösning för framtida kompetensförsörjning > Kön ska inte vara ett hinder för jobb i förskolan > Fler vägar behövs in i förskolan > Kompetenta medarbetare skapar världens bästa förskola« (SKL 2015, S. 7). 30 | »För att kunna möta dagens och morgondagens behov av kompetent personal är det därför nödvändigt att se möjliga medarbetare i hela befolkningen, bland både män och kvinnor« (ebd.).
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Bevölkerung gesucht werden, sondern in der ganzen. Wie schon im Vorhergehenden geht es nicht um irgendein Personal, sondern um »kompetentes Personal«. Im Verborgenen verbleibt, was unter der Attribution kompetent 31 verstanden wird. Mit der Suche nach potenziellen Mitarbeiter*innen wird eine ganzheitliche Bevölkerung, bestehend aus ›Männern‹ und ›Frauen‹, hergestellt. Es wird der Eindruck erweckt, dass bis dato nur ein Teil der Bevölkerung als potenzielle Mitarbeiter*innen in der Vorschule gesehen wurden. Dieser Eindruck wird mit der Äußerung »sowohl ›Männer‹ als auch ›Frauen‹« vergeschlechtlicht und damit einhergehend die »ganze Bevölkerung« in einer Zweigeschlechtlichkeit verortet. Problematisiert wird nicht nur die Abwesenheit von ›Männern‹, sondern diese werden als potenzielle neue Mitarbeitergruppe in der Vorschule hergestellt. Geschlecht wird an dieser Stelle relevant gesetzt. Im zweiten Ausgangspunkt wird diese Relevanzsetzung noch einmal verstärkt. Während eine erweiterte Rekrutierung und damit einhergehend die Erschließung neuer Personalgruppen als klare arbeitsmarktpolitische Strategie fungiert, wird der zweite Punkt mit einer Bezugnahme auf Geschlecht um eine geschlechterpolitische Komponente erweitert. Unter dem Schlagwort »Normen herausfordern«32 (SKL 2016) wird die Forderung aufgestellt, dass Geschlecht kein Hinderungsgrund für die Berufswahl sein darf. »Hier gibt es die Möglichkeit aufzuzeigen, dass die Berufe sowohl für Männer als auch Frauen geeignet sind. Männer sollten jedoch nicht an die Vorschulen gelockt werden, um eine besondere ›männliche‹ Funktion auszufüllen. Auch sind mehr Männer in den Vorschulen nicht die Lösung, um eine gleichgestellte Vorschule zu schaffen. Es kann jedoch ein Weg von vielen sein, um Gleichstellung an diesem Arbeitsplatz zu diskutieren und die Aufgabe der Vorschule wahrzunehmen, traditionellen Geschlechterrollen entgegenzuwirken. Kinder in der Vorschule sollen erfahren, dass man das wählen, ausprobieren und machen kann, was einen interessiert, unabhängig davon, ob man sich als Junge oder Mädchen versteht. Die gleichen Voraussetzungen sollen natürlich auch für das Kind gelten, das sich nicht als Junge oder Mädchen identifiziert« (SKL 2015, S. 8/ eigene Übersetzung) 33 . 31 | Gleichzeitig wird damit jedoch eine Setzung vorgenommen, das Arbeiten im Vorschulbereich etwas mit Kompetenz zu tun hat und weniger (als bisher) mit Geschlecht zu tun haben soll. 32 | Im Original: »utmana norma«. 33 | »Här finns möjlighet att visa att yrkena passar lika bra för män och kvinnor. Män ska dock inte lockas till förskolan för att fylla någon specifikt »manlig« funktion. Och fler män i förskolan är inte lösningen för att uppnå en jämställd förskola. Men det kan vara en av flera vägar för arbetsplatsen att lyfta frågan om jämställdhet och realisera förskolans uppdrag om att motverka traditionella könsmönster. Barn i förskolan ska veta att
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In der Äußerung wird die Regelhaftigkeit der Abgrenzung im schwedischen Diskurs deutlich, die auch schon im Zusammenhang mit dem gleichstellungspolitischen Desiderat herausgearbeitet wurde. Betont wird, dass mehr ›Männer‹ gerade nicht die Lösung für eine gleichgestellte Vorschule sind. ›Männer‹ sollen nicht unter der Voraussetzung in die Vorschule rekrutiert werden, um dort eine bestimmte »›männliche‹ Funktion« einzunehmen. Damit ergibt sich ein Moment der Reibung zu dem im Vorhergehenden explizierten Muster der Gleichsetzung von ›Männern‹ und Männlichkeit. Diese Reibung zeigt sich durch die weitere Äußerung. Es wird ein Bezug zwischen der Rekrutierung von ›Männern‹ in die Vorschule und dem Aufwerfen von Gleichstellungsfragen hergestellt. Gleichstellung wird nicht als Intention, sondern vielmehr als willkommener Effekt in Bezug auf die Debatte ›fler män i förskolan‹ hergestellt. Deutlich wird das legitimatorische Moment, das der Debatte in der Verortung in gleichstellungspolitischen Themen eingeschrieben wird. Verwiesen wird auf den Bildungsauftrag der schwedischen Vorschulen, traditionellen Geschlechtermustern entgegenzuwirken34. Gleichstellung wird nicht mehr als individualisierte Aufgabe gesehen, die den männlichen Erziehern mit Eintritt in die Vorschule auferlegt wird. Vielmehr werden eine Diskussion über und ein Wandel von vergeschlechtlichten Gesellschaftsstrukturen relevant gesetzt. Kindern in der Vorschule soll vermittelt werden, dass sie alles ausprobieren, wählen und machen können, egal ob sie sich als ›Junge‹ oder ›Mädchen‹ identifizieren. Damit wird eine Trennung von Geschlechtsidentität und gesellschaftlicher Positionierung vorgenommen, insbesondere durch die Berufswahl. Die mit der Äußerung hergestellte Zweigeschlechtlichkeit, dass eine Berufswahl unabhängig davon sei, ob man sich als ›Junge‹ oder ›Mädchen‹ verstehe, wird im darauffolgenden Satz aufgebrochen: »Die gleichen Voraussetzungen sollen natürlich auch für das Kind gelten, das sich nicht als Junge oder Mädchen identifiziert«. Auf diese Weise wird die Möglichkeit eröffnet, sich weder als ›Junge‹ oder ›Mädchen‹ zu identifizieren und damit diskursiv die Option geschaffen, sich nicht in einer Zweigeschlechtlichkeit zu verorten35. Gleichstellung wird damit nicht nur zu einer Frage der Berufswahl, sondern zu einem gesellschaftlichen Bildungsauftrag, der sich mit dem Öffnen rigider Zweigeschlechtlichkeit bis in den Vorschulbereich zieht und durch die Anwesenheit von männlichen Erziehern angestoßen wird. Damit werden du kan prova, välja och göra det som intresserar dig, oavsett om du identifierar dig som pojke eller flicka. Samma villkor ska självklart gälla för det barn som inte identifierar sig som pojke eller flicka« (SKL 2015, S. 8). 34 | Vgl. Nationaler Lehrplan für die Vorschule. 35 | Im Gegensatz zum schwedischen Diskurs, in dem solche Momente der Dekonstruktion immer wieder zu finden sind, wäre so eine Äußerung im deutschen Diskurs nicht sagbar.
5. ›Männer in Kitas/män i förskolan‹ als diskursives Ereignis
Kinder zu einem wichtigen Bezugspunkt von Gleichstellungspolitik. Gleichzeitig entsteht ein Moment der Dekonstruktion von Geschlecht. Neben der Verschiebung und Auflösung von vergeschlechtlichten Normierungen ist ein weiterer Ausgangspunkt, der als Möglichkeit zur Rekrutierung von mehr ›Männern‹ hergestellt wird, die Bereitstellung divergierender Eintrittsmöglichkeiten in das Berufsfeld. »Viele Männer in den Vorschulen und in der Ausbildung zum Vorschullehrer erzählen, dass es für sie entscheidend war, bereits vor ihrer Studien- und Berufswahl Erfahrungen im Bereich der pädagogischen Arbeit mit Kindern gesammelt zu haben. Dies zeigt, wie wichtig es ist, das Berufsbild auf verschiedenen Wegen zu vermitteln und Möglichkeiten zu schaffen, den Beruf auszuprobieren. Das beinhaltet auch Möglichkeiten, während des Berufslebens die Arbeit zu wechseln und nach Schnittmengen mit anderen Ausbildungen und Berufen zu suchen. Dafür benötigt man Wissen darüber, welche weiteren Kompetenzen für die Arbeit an Vorschulen benötigt werden« (SKL 2015, S. 9/eigene Übersetzung) 36 .
Ebenso wie in der deutschen Debatte werden in Schweden divergierende Strategien der Rekrutierung von ›Jungen‹ und ›Männern‹ diskutiert. Zuvorderst wird herausgestellt, dass viele ›Jungen‹ und ›Männer‹, die sich für das Berufsfeld entscheiden, schon zuvor Erfahrungen mit der pädagogischen Arbeit mit Kindern sammeln konnten. Daraus resultiert die Überlegung, dass es nötig ist, den Beruf an verschiedenen Stellen zu präsentieren und die Möglichkeit zu eröffnen, den Beruf zu testen. Des Weiteren soll es ermöglicht werden, den Beruf des Vorschullehrers im mittleren Lebensabschnitt zu beginnen. Wie in der deutschen Debatte führt auch hier die Thematisierung von Rekrutierungsstrategien neben der Aushandlung von Geschlecht zu einer Relevanzsetzung der Differenzlinie Alter. Um den Beruf in der Lebensmitte beginnen zu können, müssen, so die obige Äußerung, Schnittstellen zu anderen Arbeitsfeldern herausgearbeitet werden. »Das beinhaltet auch Möglichkeiten, während des Berufslebens die Arbeit zu wechseln und nach Schnittmengen mit anderen Ausbildungen und Berufen zu suchen«. Zur Bestimmung dieser Schnittstellen, brauche es jedoch Kenntnis davon, welche Kompetenzen für die Arbeit in der Vorschule 36 | »Många män i förskolan och på förskollärarutbildningen berättar att det var avgörande för dem att de innan studie och yrkesvalet hade fått erfarenhet av pedagogiskt arbete med barn. Det visar på ett behov av att förmedla bilden av yrket på fler sätt och utveckla möjligheterna att testa yrket. Det rör sig även om möjligheterna att byta yrke mitt i livet och att hitta skärningspunkter med andra yrken och utbildningar. För det krävs kunskap om vilken ytterligare kompetens som behövs för arbete i förskolan« (SKL 2015, S. 9).
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nötig seien. An dieser Stelle lässt sich eine weitere Widersprüchlichkeit in der Debatte festmachen: Auf der einen Seite sollen Rekrutierungswege geöffnet werden, um Zugang zu kompetentem und ausgebildetem Personal zu erhalten. Auf der anderen Seite scheint ungeklärt, welche Kompetenzen in der Kita überhaupt gebraucht werden. Die zentrale Stellung von Kompetenz wird im vierten Ausgangspunkt noch einmal hervorgehoben, wenn formuliert wird, dass »kompetente Mitarbeiter*innen der Grundstein für die beste Vorschule der Welt« seien. Aufgrund ihrer kompetenten Mitarbeiter*innen wird die schwedische Vorschule als beste der Welt hervorgebracht. »Es gibt allen Grund, auf die Vorschulen stolz zu sein, die ein wichtiger Bestandteil unserer Wohlfahrtgesellschaft sind und den Grundstein für das lebenslange Lernen der Kinder bilden. Neun von zehn Elternteilen sind zufrieden mit den Vorschulen, was unserer Auffassung nach am hohen Anteil des kompetenten Personals liegt, was wiederum die schwedische Vorschule auszeichnet« (SKL 2015, S. 9/eigene Übersetzung) 37.
Im Gegensatz zu Deutschland wird die Vorschule nicht als ein defizitäres Berufsfeld hergestellt. Vielmehr wird diese als ein gesellschaftlich hoch relevanter Ort hervorgebracht, auf den es sich lohne, stolz zu sein. Die gesellschaftliche Relevanz der Vorschulen wird mit der Verortung in der schwedischen Wohlfahrtsgesellschaft hergestellt und mit der Bereitstellung der Grundlagen des lebenslangen Lernens für die Kinder begründet. Die Vorschule wird zu einem Ort der Bildung38. Die Zufriedenheit der Eltern wird mit einem hohen Anteil von kompetentem Personal verknüpft. Wie schon im Vorhergehenden bleibt im Verborgenen, um welche Kompetenzen es sich handelt, die das schwedische Vorschulpersonal auszeichnen. Deutlich wird, dass mit dem Desiderat nach ›fler män i förskolan‹ keine grundlegende Diskussion des schwedischen Vorschulsystems angestoßen wird. Vielmehr lässt sich wiederum ein Moment der Abgrenzung erkennen, indem die schwedische Vorschule durch die Debatte als die beste der Welt hergestellt wird. Dies wird in der darauffolgenden Ausführung noch einmal bekräftigt.
37 | »Det finns all anledning att vara stolt över förskolan, en viktig del av vårt välfärdssamhälle som lägger grunden för barnens livslånga lärande. Nio av tio föräldrar är nöjda med förskolan, och det tror vi har att göra med den höga andelen av kompetent personal som utmärker den svenska förskolan« (SKL 2015, S. 9). 38 | Dies steht im Gegensatz zur politischen Verortung von Kindertageseinrichtungen in Deutschland im BMFSFJ und der gesetzlichen Regelung im Kinder- und Jugendhilfegesetz. Betont wird dadurch der Bereich der Betreuung und Pflege.
5. ›Männer in Kitas/män i förskolan‹ als diskursives Ereignis »Bei den Bemühungen die Rekrutierung zu erweitern und mehr Männer in den Vorschulen zu engagieren, geht es nicht darum, den Auftrag der Vorschulen und ihrer Mitarbeiter*innen zu verändern. Es geht darum hervorzuheben, wieso die schwedische Vorschule so wichtig für unsere Kinder, ihren Lernprozess und ihre Entwicklung ist. Wir müssen die Wahrnehmung dieses Arbeitsplatzes und der dafür geeigneten Arbeitskräfte nuancieren. Wir müssen von der sinnvollen Arbeit berichten, die dort jeden Tag geleistet wird. Deshalb müssen wir für diejenigen, die in den Vorschulen arbeiten, stets gute Voraussetzungen schaffen, sowohl für Frauen als auch für Männer (SKL 2015, S. 10/eigene Übersetzung) 39.
Betont wird, dass die erweiterte Rekrutierung von ›Männern‹ nicht mit einer Veränderung des Auftrags der Vorschule beziehungsweise dem Auftrag der Mitarbeiter*innen einhergehen soll. Vielmehr wird der Bildungsauftrag der Vorschule für die schwedischen Kinder relevant gesetzt. Mit ›våra barn‹, also ›unseren Kindern‹, wird eine zentrale Positionierung der Kinder vorgenommen. In den Fokus rücken die Kinder in der schwedischen Gesellschaft sowie deren Lernmöglichkeiten und Entwicklung. Zu erkennen ist eine nationalstaatliche Schließung, in der die Vorschule zum Teil öffentlicher Strategien wird, die gleichstellungspolitische Vorreiterposition Schwedens zu stärken. Im Gegensatz zum Bildungsauftrag der Vorschule, der nicht in Frage gestellt wird, wird daran anknüpfend eine Veränderung des Arbeitsplatzes gefordert. Neben einer Erweiterung des Wissens über den Arbeitsplatz Vorschule – und wer diese Tätigkeit ausführen kann – wird die Forderung gestellt, dass in der Vorschule für alle konstant gute Arbeitsbedingungen herrschen sollen. Die Äußerung, dass das Arbeitsfeld für alle geöffnet werden soll, wird mit dem Nachsatz vergeschlechtlicht, dass dies »sowohl für Frauen als auch für Männer« gelte. Es erfolgt die Herstellung einer binären Geschlechtlichkeit, die mit einem gleichzeitigen Ausschluss derjenigen einhergeht, die sich nicht in einer Zweigeschlechtlichkeit verorten. Diese Zweigeschlechtlichkeit wird an zwei Stellen brüchig. So wird mit der Fokussierung auf Bildungspolitik ein dieser impliziter Geschlechterauftrag wirkmächtig, welcher die Auflösung tradierter Geschlechterordnungen zum Ziel hat. Ähnliches lässt sich in der Verwendung der Begrifflichkeit ›kompe-
39 | »Arbetet med att bredda rekryteringen och få in fler män i förskolan handlar inte om att förändra förskolans eller medarbetarnas uppdrag. Det handlar om att se och sätta fingret på varför den svenska förskolan är så viktig för våra barn, deras lärande och utveckling. Vi måste nyansera bilden av arbetsplatsen och vem som passar att arbeta där. Vi behöver berätta om de meningsfulla arbeten som utförs varje dag. Därför behöver vi ständigt ge bra förutsättningar till alla dem som arbetar i förskolan, både kvinnor och män« (SKL 2015, S. 10).
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tent‹ erkennen, welche neutralisierend wirkt und zu einer De-Thematisierung der hergestellten vergeschlechtlichten Differenzsetzungen führt. Im Gegensatz zu Deutschland wird in Schweden viel stärker aus einer arbeitsmarktpolitischen Perspektive argumentiert und damit ein drohender Fachkräftemangel problematisiert. Gleichstellung40 und daran anschließende Politiken, so die weitere Logik, ergeben sich aus dem Fachkräftemangel. Gleichzeitig wird im Verweis auf den nationalen Lehrplan für Vorschulen, in dem als Zielsetzung die Veränderung traditioneller Geschlechterverhältnisse formuliert ist, eine Verortung des gleichstellungspolitischen Auftrags neben der Ebene der Erzieher*innen auch auf der Ebene der Identitätsbildung der Kinder vorgenommen. Im Sinne der Auflösung tradierter Normen soll diesen die Möglichkeit eröffnet werden, eine Identität jenseits tradierter Geschlechtervorstellungen zu entwickeln, was auch ein Jenseits der Zweigeschlechtlichkeit mit einschließt.
5.4 Ö ffnung und R ahmung eines diskursiven R aums Im Folgenden werden zentrale Ergebnisse des Kapitels zusammenfassend gegenübergestellt. Im Vorhergehenden wurde herausgearbeitet, innerhalb welcher unterschiedlichen Problematisierungen die Debatte ›Männer in Kitas/ män i förskolan‹ möglich wurde und sich aufspannt. Gleichzeitig wurden politische Strategien aufgezeigt, die im Sinne von Regierungstechnologien das Handlungsfeld vergeschlechtlicher Subjekte strukturieren. Als übergreifende Problematisierung wurde zu Beginn die Abwesenheit von ›Männern‹ im elementarpädagogischen Bereich herausgearbeitet. Diese wird in Verknüpfung mit einer gesellschaftlichen Akzeptanz hergestellt. Herausgestellt wurde anhand dieser Problematisierung die identitäre Ineinssetzung von ›Männern‹ und Männlichkeit, damit von sex und gender. Gleichzeitig wird durch die Problematisierung der Abwesenheit von ›Männern‹ die Aushandlung vergeschlechtlichten Macht/Wissens ermöglicht. Als weitere Problematisierung wurde die Forderung nach ›Männern‹ als gleichstellungspolitisches Desiderat nachgezeichnet. Dies lässt sich auf zwei Ebenen fassen, einerseits ist das Ziel ein Wandel von Männlichkeit, welchem andererseits die Forderung nach mehr ›Männern‹ als Gegenpol zur feminisierten Kitawelt gegenübersteht. Als dritte Problematisierung lässt sich ein arbeitsmarktpolitisches Desiderat erkennen. In diesem wird ein drohender Fachkräftemangel problematisiert. Sichtbar wurden damit drei Problematisierungen, die im 40 | Gleichstellung wird hier im Sinne der Erhöhung des Anteils von männlichen Erziehern verstanden. Der Eintritt von ›Männern‹ in die Vorschule wird mit der Irritation von tradiertem Geschlechterwissen gleichgesetzt.
5. ›Männer in Kitas/män i förskolan‹ als diskursives Ereignis
Folgenden daraufhin diskutiert werden, wie in ihnen Geschlechterdiskurse strukturiert sind. Für die Analyse ist zentral, welche diskursiven Räume sich durch die Problematisierungen eröffnen und wie diese im Weiteren die Bereitstellung vergeschlechtlichter Subjektkonstitution regulieren. In den verschiedenen Problematisierungen, die die Debatte ›Männer in Kitas/män i förskolan‹ zum diskursiven Ereignis werden lassen, erfolgt eine Verortung des Geschlechterdiskurses zwischen der Veränderung von Arbeitsmarktstrukturen und Geschlechterkonstruktionen. Der Suche nach Lösungen liegen divergierende politische Strategien zugrunde, die mit einer Veränderung beziehungsweise Reproduktion tradierter vergeschlechtlichter Normierungen einhergehen und in diesem Sinne eine regierende Wirkung entfalten. Erkennen lässt sich durch diese Regierungstechniken eine Einschreibung vergeschlechtlichter Normen und Normierungen in Subjekte, die sich fast durchweg in einer heteronormativen Matrix verorten (Ludwig 2011, S. 180). Zusammenfassend wurden in Bezug auf die Hervorbringung von Geschlecht folgende Regelhaftigkeiten und Diskursmuster analysiert.
sex/gender/desire – einer heteronormativen Logik folgend Zuvorderst stehen als Erstes die Problematisierung der Abwesenheit von ›Männern‹ sowie eine damit einhergehende Herstellung einer gesellschaftlichen Akzeptanz dieser im elementarpädagogischen Bereich. In der Abwesenheit wird eine Leerstelle hervorgebracht, welche gesellschaftlich legitimiert – divergierend gefüllt – wird. Einerseits werden ›Männer‹ als echte ›Männer‹ gefordert, andererseits geht es im Widerspruch dazu gerade um die Veränderung tradierter Männlichkeitskonstruktionen. ›Männer‹ und Männlichkeit werden dabei fast durchgängig41 als untrennbar voneinander hervorgebracht. Als diskursive Regelhaftigkeit wurde daran anschließend die gleichzeitige Hervorbringung von sex (›Mann/Frau‹) und gender (Männlichkeit/Weiblichkeit) analysiert. Die Forderung nach ›Männern‹ beziehungsweise ›Mann‹ wird nicht alleinig auf das biologische Geschlecht sex zentriert. Vielmehr findet im Sinne einer heteronormativen Logik neben der Differenzierung in ein biologisches Geschlecht und ein soziales Geschlecht (gender) eine Ineinssetzung dieser gedacht als Zweigeschlechtlichkeit statt. Im Verborgenen bleibt (vorerst) die Frage nach Sexualität beziehungsweise Begehren42 . Die Ineinssetzung lässt sich als zentrale Regelhaftigkeit in der Auseinandersetzung um ›Männer‹ im elementarpädagogischen Bereich erkennen. Diese macht es zum Beispiel
41 | Wie gezeigt, wird diese Ineinsetzung in der schwedischen Debatte brüchig, wenn es um die Auflösung tradierter Geschlechtermuster geht. 42 | Wie zu zeigen ist, wird Sexualität/Begehren bei der Bereitstellung von Subjektkonstitutionen sehr wohl relevant (vgl. Kapitel 7).
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erst möglich, mehr ›Männer‹ zu fordern und gleichzeitig die Abwesenheit von Männlichkeit zu problematisieren. Darauf auf bauend wurden die Problematisierungen eines gleichstellungsund arbeitsmarktpolitischen Desiderats herausgearbeitet, die sich in der Debatte ›Männer in Kitas/män i förskolan‹ materialisieren.
Ambivalenz als Regelhaftigkeit Als zweite Problematisierung wurde die Forderung nach ›Männern‹ als gleichstellungspolitisches Desiderat nachgezeichnet. In beiden Ländern lässt sich auf gleichstellungspolitischer Ebene eine diskursive Verhandlung vergeschlechtlichter Wissensordnungen erkennen. Neben diesem gemeinsamen Ausgangspunkt lassen sich aus Perspektive eines gleichstellungspolitischen Desiderats für Deutschland und die aktuelle Debatte in Schweden jedoch teilweise verschiedene Regelhaftigkeiten erkennen. Dies resultiert unter anderem aus einer historisch divergierenden Diskursivierung der aktuellen Debatte in Schweden. Während in Deutschland erstmals auf Bundesebene eine Auseinandersetzung zum Fehlen männlicher Erzieher geführt wird, war diese Thematik in Schweden schon in den 1970er Jahren auf der politischen Agenda. Dies führt in der schwedischen Debatte zu deutlichen Abgrenzungsstrategien zu den Bemühungen in den 1970er Jahren. Problematisiert werden vor allem die Gefahr der Reproduktion vergeschlechtlichter Stereotype sowie das Verständnis von Gleichstellung, das der Debatte in den 1970er Jahren zugrunde lag. Die Konstruktion von Gleichstellung bewegt sich in beiden Ländern zwischen einer rein quantitativen Parität, der Veränderung von Geschlechterrollen und der Verschiebung von gesellschaftlich verankerten vergeschlechtlichten Grenzziehungen. Daran anschließend lässt sich für beide Länder ein Spannungsfeld zwischen Differenz und (De-)Konstruktion proklamieren, das sich (größtenteils) in einer heteronormativen Matrix verortet. Der Geschlechterdiskurs in der Debatte ›Männer in Kitas/(fler) män i förskolan‹ ist durch eine Widersprüchlichkeit zwischen dem Auf brechen tradierter Männlichkeitsvorstellungen beziehungsweise der Eröffnung neuer Perspektiven für ›Männer‹ und der expliziten Forderung nach ›echten Männern‹ gekennzeichnet43. Die Fokussierung auf Geschlechterrollen führt einerseits zur Veränderung von Geschlecht als eine individualisierte Aufgabe, die den Subjekten durch (staatliche) Politiken eingeschrieben wird. Andererseits rücken mit vergeschlechtlichten Grenzziehungen und geschlechtsspezifischer Arbeitsmarktsegregation gesellschaftliche Strukturen in den Vordergrund, denen Geschlecht 43 | Dies steht teilweise im Widerspruch zu der im Vorhergehenden ausgeführten Ineinssetzung von ›Männern‹ und Männlichkeit und führt zur Brüchigkeit des Geschlechterdiskurses.
5. ›Männer in Kitas/män i förskolan‹ als diskursives Ereignis
eingeschrieben ist. Beiden Ländern ist die Frage nach der Übertretung von Geschlechtergrenzen gemeinsam, die länderspezifisch diskursiv divergierend hergestellt werden. Mit dieser Frage geht gleichzeitig die diskursive Reproduktion von vergeschlechtlichten Grenzziehungen einher. Insgesamt eröffnet sich eine Ambivalenz, welche durch die Veränderung und Auflösung tradierter Männlichkeitsvorstellungen und die Reproduktion traditioneller Geschlechtervorstellungen sowie damit verbundenen Hierarchie- und Machtstrukturen gekennzeichnet ist. Diese teilweise naturalisierte und naturalisierende Ambivalenz lässt sich als signifikante Regelhaftigkeit im Geschlechterdiskurs in der Debatte ›Männer in Kitas/män i förskolan‹ erkennen44. Diese aus unterschiedlichen Sprecher*innenpositionen heraus diskursiv erzeugte Ambivalenz strukturiert neben der Herstellung unterschiedlicher Subjektkonstitutionen einen Handlungsrahmen von Subjekten im elementarpädagogischen Bereich. Wie gezeigt, gehen damit als weitere Problematisierung divergierende Erwartungen an ›Männer‹ einher, wenn diese vermeintlich berufliche und damit auch vergeschlechtlichte Grenzen überschreiten.
Verflechtung von Arbeit und Geschlecht Neben diesem gleichstellungspolitischen Desiderat wurde als Drittes eine Problematisierung aus arbeitsmarktpolitischer Sicht herausgearbeitet. Hier lassen sich ähnliche Regelhaftigkeiten und diskursive Muster wiederfinden. Es geht nicht um eine rein quantitative Erhöhung des Personals und somit um die Fokussierung auf ein biologisches Geschlecht. Vielmehr zeigt sich auch in Bezug auf Arbeit das im Vorhergehenden ausgeführte Spannungsfeld zwischen dem Aufbrechen traditioneller Männlichkeitsvorstellungen und der Reproduktion tradierter Geschlechterverhältnisse. Dies lässt sich unter anderem auf den doppelten ›Antwortcharakter‹ der Debatte »Männer in Kitas/fler män i förskolan« aus arbeitsmarktpolitischer Sicht zurückführen. Einerseits wird die Debatte als Antwort auf einen drohenden Fachkräftemangel im elementarpädagogischen Bereich hergestellt. Andererseits werden gleichzeitig institutionalisierte geschlechtsspezifische Arbeitsmarktstrukturen in Bewegung gesetzt und verschoben. Ziel ist es, vergeschlechtlichte Strukturen aufzubrechen, die bei der Berufswahl wirkmächtig werden und ein zentrales Moment der Identitätsbildung intelligibler Subjekte bilden. Die Debatte ›Männer in Kitas/fler män i förskolan‹ wird zu einer Strategie der Neuausrichtung, mittels derer vergeschlechtlichte Grenzziehungen, die sich entlang von Arbeit und vergeschlechtlichter Identität bewegen, verschoben 44 | Wie in Kapitel 7 gezeigt wird, lässt sich diese Regelhaftigkeit auch in den im Diskurs hervorgebrachten Subjektkonstitutionen wiederfinden.
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werden. Neben Geschlecht wird die Differenzlinie Alter auf zwei Ebenen wirkmächtig. Einerseits werden diskursiv neue Möglichkeiten der Berufswahlentscheidung und damit auch veränderte Möglichkeiten der Subjektkonstitution für ›Jungen‹ hervorgebracht. Andererseits sollen gerade die Programme zum Quereinstieg älteren ›Männern‹/Menschen den Einstieg in das Berufsfeld ermöglichen. Deutlich wird die unauflösbare Verknüpfung zwischen Geschlecht und Arbeit, welche durch gesellschaftliche Hierarchie- und Machtstrukturen geprägt ist. So ist die Berufswahl in Gesellschaftsstrukturen eingebettet, die aus einer intersektionellen Perspektive durch die Differenzlinien Geschlecht, Klasse und race strukturiert sind. In beiden Ländern ist die Forderung nach mehr ›Männern‹ diskursiv mit einer Auseinandersetzung zu Qualität und Quantität verflochten. Es geht nicht nur um die Rekrutierung von Mitarbeiter*innen, sondern um kompetente, ausgebildete und professionelle Mitarbeiter*innen. Was darunter konkret zu verstehen ist, verbleibt jedoch im Nicht-Sagbaren. Es lässt sich ein Spannungsfeld zwischen Qualität und Quantität erkennen. Während Quantität fast durchgehend mit Geschlecht in Verbindung gebracht wird, lassen sich bei Qualität divergierende Muster erkennen45. Diese bewegen sich zwischen Geschlecht als Qualitätsgarantie und Qualität als Kompetenz, die zunächst als geschlechtslos erscheint46. In beiden Ländern lässt sich eine divergente Positionierung der Kita beziehungsweise Vorschule erkennen. Während in Deutschland eher die negativen Aspekte einer weiblichen Bastel- und Küchenwelt betont werden, wird die schwedische Vorschule mit Hervorhebung des Bildungsauftrags als beste Vorschule der Welt konstruiert. Dies spiegelt sich auch in den politischen Strategien zur Rekrutierung von ›Männern‹ wider. Während in Deutschland als Ziel die Veränderung von Männlichkeitsrollen beziehungsweise eine geschlechtsunspezifische Berufswahl im Vordergrund stehen, wird in Schweden die Rekrutierung von kompetentem Personal betont. Dies ermöglicht ein Handeln jenseits von Geschlecht. Als weiterer Unterschied lässt sich festhalten, dass in Deutschland die Problematisierung eines Fachkräftemangels in Zusammenhang mit der Abwesenheit von ›Männern‹ zumeist im Verborgenen bleibt, während dies in Schweden in den letzten Jahren zu etwas diskursiv Sagbarem wurde. Insgesamt lässt sich festhalten, dass in der Debatte ›Männer in Kitas/män i förskolan‹ gleichstellungspolitische und arbeitsmarktpolitische Desiderate ineinanderfließen. Diese Verschränkungen lassen sich auf mehreren Ebenen finden. Verschiebungen auf dem Arbeitsmarkt werden in Verbindung mit 45 | Dieses Muster lässt sich in beiden Ländern finden, jedoch mit unterschiedlich gewichteter Artikulation. 46 | Dieses Diskursmuster findet sich vor allem in der schwedischen Debatte.
5. ›Männer in Kitas/män i förskolan‹ als diskursives Ereignis
gleichstellungspolitischen Strategien hergestellt. Der Mangel an Personal wird sowohl in Schweden in den 1970er Jahren als auch aktuell in Deutschland auf einen Ausbau der Kinderbetreuung zurückgeführt. Dieser wird in Zusammenhang mit einem Desiderat der Arbeitsmarktpartizipation von ›Frauen‹ gestellt. Gleichzeitig wird die Erosion eines Normalarbeitsverhältnisses problematisiert und die Forderung nach neuen Arbeitsmöglichkeiten für ›Männer‹ relevant gesetzt. Dies geht einher mit dem Desiderat eines Wandels von Männlichkeit47. Eine einzelne Problematisierung würde die Debatte ›Männer in Kitas/män i förskolan‹ wohl nicht zum diskursiven Ereignis machen. So ist zum Beispiel die alleinige Forderung nach mehr ›Männern‹ aus arbeitsmarktpolitischer Perspektive und vor dem Hintergrund eines Fachkräftemangels insbesondere in Deutschland mit einem Tabu belegt. Durch die diskursive Verortung dieser Forderung auf gleichstellungspolitischer Ebene wird die Debatte in beiden Ländern jedoch um eine gesellschaftlich normativ hergestellte Relevanz erweitert. Erst die diskursive Verflechtung der Problematisierungen erzeugt eine Rahmung des Geschlechterdiskurses und eröffnet einen ›Spielraum‹48, in dem auch Geschlecht formbar wird. Durch die Verbindung des arbeitsmarktpolitischen und des gleichstellungspolitischen Desiderats entsteht ein wechselseitiger Prozess der Aushandlung und Normalisierung von Geschlecht und vergeschlechtlichten Gesellschaftsstrukturen. Dieser Prozess wird von Brüchen und Ambivalenzen durchzogen, wie in der Analyse, zum Beispiel mit der gleichzeitigen Forderung nach echten ›Männern‹ einerseits und der Veränderung von tradierten Männlichkeitskonstruktionen andererseits, aufgezeigt wurde. Gleichzeitig lässt sich eine Verschränkung der diskursiven Hervorbringung von Geschlecht und Arbeit konstatieren. Dies wird unter anderem deutlich, wie in Kapitel 5.3 gezeigt, wenn Berufswahlentscheidungen mit der Veränderung von Männlichkeitskonstruktionen verknüpft werden. Aber auch, wenn der Eintritt von ›Männern‹ in die schwedische Vorschule als Möglichkeit der Veränderung tradierten Geschlechterwissens hervorgebracht wird. Durch diese Verflechtung entsteht ein Moment der Regierung von Geschlecht, ein Moment des Wahrsprechens. Staatliche Macht, welche unter anderem in Form politisch initiierter Programme ausgeübt wird, wird anhand der Verschiebung von Differenzsetzungen sowie Normalisierungsstrategien in der Verflechtung von Arbeit und Geschlecht vergeschlechtlichten Subjekten eingeschrieben.
47 | Dieses Desiderat lässt sich wiederum auch auf gleichstellungspolitischer Ebene in der Aussage finden, dass ›Frauen‹ sich schon verändert hätten und jetzt die ›Männer‹ an der Reihe seien. 48 | Im Sinne eines diskursiven Raums, in dem Spiele von Wahrheit stattfinden.
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Sowohl auf Ebene des Arbeitsmarkts als auch auf Gleichstellungsebene verbleiben Geschlechterkonstruktionen in einer heteronormativen Logik49. Dies wird unter anderem durch die Verschiebung von naturalisierten vergeschlechtlichten Stereotypen, die zu einem Aspekt der Konstitution intelligibler Subjekte werden, erreicht. Zusammenfassend lässt sich ein Diskurmuster erkennen, welches einer heteronormativen Logik folgt, die sich in einem Spannungsfeld zwischen biologisierenden und (de-)konstruktivistischen Aussagen bewegt. Anknüpfend an die Problematisierungen stellt sich die Frage, welche Lösungen diskursiv hergestellt werden und welche Verschiebungen der Macht/Wissensordnung damit einhergehen. Insgesamt ermöglicht die Debatte eine Flexibilisierung von Geschlechterkonstruktionen, die jedoch in einer Logik der Zweigeschlechtlichkeit verbleiben. Wie diese Geschlechterkonstruktionen je nach Sprecher*innenposition divergierenden Logiken folgen, wird in einem nächsten Schritt analysiert.
49 | Eine Ausnahme stellen hier die Momente der Dekonstruktion in der schwedischen Debatte dar.
6. Sprechen zwischen Politik_Wissenschaft_Praxis
Die im Vorhergehenden aufgeführten Problematisierungen eröffnen einen diskursiven Raum des Sprechens. In diesem verortet sich die Forderung nach ›Männern in Kitas‹ zwischen gleichstellungs- und arbeitsmarktpolitischen Desideraten. Wie gezeigt wurde, stellt sich die Aussage, dass wir (mehr) ›Männer‹ brauchten, als eine sehr brüchige Wahrheit dar, der sich widerstreitende und eben keine eindeutigen Lösungsansätze anschließen. Vielmehr geraten vergeschlechtlichte Macht/Wissensordnungen in Bewegung. Daran anknüpfend stellt sich die Frage, welche Aushandlungspraxen sich in der Debatte finden, die den widerstreitenden Macht/Wissensordnungen von Geschlecht zugrunde liegen. Die Aushandlung geschieht anhand eines Sprechens, welches sich im Sinne eines prozesshaften Werdens in gesellschaftlichen Macht- und Kräfteverhältnissen permanent hervorbringt. Daraus resultiert, dass erst durch das Einnehmen bestimmter Positionierungen an einem bestimmten Ort und zu einem bestimmten Zeitpunkt Äußerungsakte im Diskurs ermöglicht werden. Gleichzeitig erfolgt im Äußerungsakt eine Positionierung des Subjekts. So lässt sich im Diskurs zum Beispiel ein Sprechen aus einer wissenschaftlichen Positionierung erkennen, welches mit dem Status eines*r Geschlechterforscher*in verknüpft ist. In den divergierenden Sprecher*innenpositionen spiegeln sich die Widersprüchlichkeiten der Äußerungen wider. Auf diesen Zusammenhang von Sprecher*innenpositionen und Sagbarkeiten verweist auch Foucault, wenn er formuliert: »Man müsste das Gesetz all dieser verschiedenen Äußerungen und den Ort, von dem sie kommen, finden« (Foucault 1981, S. 75). Mit Foucault rückt damit die Frage nach dem »Wer spricht?« in den analytischen Fokus. »Wer in der Menge aller sprechenden Individuen verfügt begründet über diese Art von Sprache?« (ebd.). Diese Frage beantwortet Foucault auf unterschiedlichen Ebenen. Zuvorderst rücken institutionelle Plätze in den Fokus, von denen aus gesprochen wird. »Man muss auch die institutionellen Plätze beschreiben, von denen aus der Arzt seine Rede hält und wo diese ihren legitimen Ursprung und ihren Anwendungspunkt findet« (ebd., S. 76 kursiv i. O.). So wird das Sprechen aus
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einer Positionierung als Geschlechterforscher*in erst durch die Anbindung an wissenschaftliche Institutionen1, wie Universität oder Fachhochschule, ermöglicht. Erkennen lässt sich eine Rahmung der Positionierungen des Sprechens, welche sich auf einer institutionellen Ebene materialisieren. Gleichzeitig findet anhand von diskursiven Ein- und Ausschlüssen eine In-Beziehung-Setzung institutionalisierten Sprechens statt. Daran anknüpfend stellt sich die Frage nach der Position des (sprechenden) Subjekts. »Die Positionen des Subjektes werden ebenfalls durch die Situation definiert, die es seinen Möglichkeiten nach im Verhältnis zu verschiedenen Gebieten oder Gruppen von Gegenständen einnehmen kann« (Foucault 1981, S. 78). Es geht um die Hervorbringung von Gegenständen durch das »[…] In-Beziehung-Setzen (innerhalb des ärztlichen Diskurses) einer bestimmten Zahl von unterschiedenen Elementen, von denen die einen den Status der Mediziner, andere den institutionellen und technischen Ort, von dem aus sie sprachen, andere ihre Position als wahrnehmende, beobachtende, beschreibende, unterrichtende Subjekte betrafen. Man kann sagen, daß das In-Beziehung-Setzen von verschiedenen Elementen, von denen bestimmte neu, andere schon vorher existent sind, durch den klinischen Diskurs bewirkt wird: Er als Praxis stellt zwischen ihnen ein Beziehungssystem her, das nicht ›wirklich‹ gegeben noch im Vorhinein konstituiert ist« (Foucault 1981, S. 80).
Modalitäten der Äußerung werden nicht auf ein Subjekt bezogen (ebd. S. 81), sondern vielmehr geht es um die Zerstreuung des Subjekts/von Subjektpositionen innerhalb eines diskursiven Raumes. »Es ist ein Raum der Äußerlichkeit, in dem sich ein Netz von unterschiedlichen Plätzen entfaltet« (ebd., S. 82). Damit erfolgt erst durch den der Debatte immanenten Geschlechterdiskurs eine Verknüpfung divergierender Sprecher*innenpositionen. Die Bereitstellung von vergeschlechtlichtem Macht/Wissen ist unauflöslich mit dem Ort des Sprechens verbunden, von dem aus die Äußerungen getätigt werden. Im folgenden Analyseschritt rücken diese prozesshaften InBeziehung-Setzungen von Positionierungen des Sprechens in den Fokus. Aufgezeigt werden im Folgenden Sprecher*innenpositionen, die aus dem Material herausgearbeitet wurden, entlang ihrer Positionierung in der Verflechtung Politik/Praxis/Wissenschaft. Zuerst geht es in Kapitel 6.1 um das Sprechen zwischen Politik/Wissenschaft. Ergänzt wird dies in Kapitel 6.2 um die Frage nach Praxis. Deutlich wird eine In-Beziehung-Setzung divergierender Orte des Sprechens in der Positionierung zu Formen des (Geschlechter-)Wissens (6.3). Positionierungen des Sprechens setzen sich zusammen aus den institutionali-
1 | Institutionalisierung wird im Sinne geronnener Diskurse gefasst (van Dyk et al. 2014, S. 358).
6. Sprechen zwischen Politik_Wissenschaf t _Praxis
sierten Orten des Sprechens, dem Status, der im Sprechen eingenommen wird, sowie der In-Beziehung-Setzung zu vergeschlechtlichtem Macht/Wissen. Institutionalisiertes Sprechen wird im Sinne der Regierung von Geschlecht als eine Form der Selbst- und Fremdführung verstanden. Nach Fegter können Sprecher*innenpositionen2 als wichtiger formativer Aspekt von Regierung verstanden werden, als »jener Macht, die sich darin zeigt, dass Menschen in ihrem Handeln gelenkt werden, ohne unmittelbarem Zwang ausgesetzt zu sein« (Fegter 2013, S. 130). Im Sinne einer strukturierten und strukturierenden Struktur wird die diskursive Hervorbringung von Sprecher*innenpositionen als Rahmung von Sagbarkeiten im Geschlechterdiskurs begriffen und im Weiteren aus dem Material heraus erarbeitet.
6.1 P olitik /W issenschaf t Sowohl in Deutschland als auch in Schweden haben sich diskursiv Orte gebildet und institutionalisiert, von denen aus ein legitimes (Wahr-)Sprechen im Rahmen der Debatte ›Männer in Kitas/män i förskolan‹ möglich ist. In Deutschland ist dies die Koordinationsstelle »Männer in Kitas«. In Schweden erfolgte diese Institutionalisierung durch das Netzwerk von sieben Kommunen zur Thematik »fler män i förskolan«, welches dem kommunalen Zusammenschluss »Sveriges Kommuner och Landsting« unterstellt ist. Durch diese diskursiv erschaffenen Orte entsteht ein Sprechen an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Politik. Fragen, die sich daran anschließen, sind: Welche (vergeschlechtlichten) Sprecher*innenpositionen werden durch diese Verflechtung von Politik und Wissenschaft eröffnet? An welchen Orten wird das Sprechen gehört und welches Sprechen verbleibt im Verborgenen?
6.1.1 Diskursive Verortung institutionellen Sprechens Im Folgenden geht es darum aufzuzeigen, von welchen (institutionellen) Orten aus ein Sprechen möglich ist und welche Differenzsetzungen und Tabuisierungen damit einhergehen. Nachgezeichnet wird, ausgehend von politischen Auseinandersetzungen, die Entstehung (neuer) Orte des Sprechens, in denen ein Sprechen zwischen Politik/Wissenschaft und Praxis möglich wird. Daran anknüpfend wird der Frage nachgegangen, wie diese diskursiv institutionalisierten Orte des Sprechens, verstanden als Kristallisationspunkt von Regierungsmacht, sich zueinander in Beziehung setzen. 2 | Wie zu Beginn herausgearbeitet, sind Sprecher*innenpositionen nicht an einzelne Personen oder Akteur*innen gebunden, sondern können vielmehr unterschiedlich besetzt werden.
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DEUTSCHL AND Auf politisch institutioneller Ebene verortet sich die Kampagne zu ›Männern in Kitas‹ im Ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ). Schon an der Namensgebung des Ministeriums wird eine identitätspolitische Ausrichtung auf ›Frauen‹ deutlich. Unter der Annahme von Zweigeschlechtlichkeit werden weder ›Jungen‹/›Männer‹ noch Gleichstellung genannt. In ihrer Rede zu »Jungen und junge Männer im Fokus der Gleichstellungspolitik: Welche Ziele verfolgt eine emanzipatorische Männer- und Jungenpolitik?« (Icken 2013) äußert sich die die Leiterin des Referats »Jungen- und Männerpolitik« wie folgt zur aktuellen Gleichstellungspolitik: »In den vergangenen Jahren der Bundesregierung [ist] ein bemerkenswerter Kommunikationsprozess gelungen. Es konnte sehr erfolgreich vermittelt werden, dass die Bundesregierung ›Gleichstellungspolitik‹ nicht als ›Frauenpolitik‹ versteht, sondern als Politik, die beide Geschlechter in den Blick nimmt: Eben als Politik der fairen Chancen für Frauen und Männer, die für beide Geschlechter gleiche Verwirklichungschancen schaffen will« (Icken 2013).
Aus einer politischen Sprecher*innenposition wird in dieser Äußerung eine wertende Positionierung eingenommen. Hervorgehoben wird, dass der Bundesregierung ein »bemerkenswerter Kommunikationsprozess« gelungen sei. Dieser zeichne sich durch den innovativen Moment aus, dass Gleichstellungspolitik nicht als Frauenpolitik verstanden werde, sondern als Politik, die beide Geschlechter in den Blick nehme. Hergestellt wird somit eine binäre Geschlechtlichkeit, die in der Äußerung durch eine zweimalige Wiederholung hervorgehoben wird. Die Debatte ›Männer in Kitas‹ wird zu einer Politik der fairen Chancen für ›Männer‹ und ›Frauen‹. Im Verborgenen verbleiben hierarchisierte Arbeitsmarktstrukturen, welche den Zutritt zu divergierenden Berufsfeldern vergeschlechtlicht strukturieren. Das Desiderat einer Gleichstellungspolitik für ›Jungen‹ und ›Männer‹ wurde erst im Koalitionsvertrag der schwarz-gelben Regierung von 2009 explizit formuliert. Für die Weiterentwicklung und Umsetzung von Gleichstellung für »beide Geschlechter« (Icken 2012a) entstand in der Abteilung Gleichstellung das Referat 415 »Jungen- und Männerpolitik«. Durch die Institutionalisierung des Referats wurde ein neuer Ort des Sprechens geschaffen. Gleichzeitig ergeben sich durch die politische Verortung der Kampagne im Referat 415 des BMFSFJ Schließungen gegenüber dem Bildungsbereich3. Exemplarisch wird im Folgenden anhand eines Ausschnitts aus einem Interview die prozesshafte Hervorbringung sowie die In-Beziehung-Setzung 3 | Im Gegensatz dazu ist der elementarpädagogische Bereich in Schweden dem Bildungsministerium unterstellt.
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institutionalisierter Orte des Sprechens nachgezeichnet. Diese verorten sich in einem Changieren zwischen Jungen-/Männer-/Gleichstellungs-/Kita- und Bildungspolitik. »Die Gleichstellungsabteilung hatte in diesem Zeitraum, wo unser4 erstes Projekt war oder kurz davor, ich weiß nicht genau, ein Referat Jungen und Männer5 bekommen, und das ist die Frau Icken. […]. Und die hat das Gleichstellungsreferat geleitet, ist dann rübergegangen und hat das Männer- und Jungenreferat geleitet und hat dort diese Programme mit entwickelt, mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, und hat dann aber auch die Brücke geschlagen zur Kitaabteilung, was immer nicht so leicht ist, als Gleichstellungsabteilung irgendwo anders ein Thema mit zu platzieren« (Deutschland Text III, S. 5).
In der Äußerung wird eine Gleichzeitigkeit der Entstehung eines Referats für Jungen- und Männerpolitik und der Kampagne ›Männer in Kitas‹ hergestellt. Die Entwicklung der Programme wird aus dem Gleichstellungsreferat heraus initiiert. Daraus ergeben sich divergierende Positionierungen der Sprecher*innen aus Politik und der Koordinationsstelle zueinander. Einerseits wird eine Gleichzeitigkeit des Sprechens betont, andererseits wird Sprechen im Rahmen der Koordinationsstelle erst durch eine politische Diskursivierung möglich. Implizit ist diesem Verhältnis ein hierarchisierendes Moment, indem das Sprechen innerhalb der Koordinationsstelle erst aufgrund eines politischen Agenda-Settings möglich wird. Die Kampagne ›Männer in Kitas‹ wird in einem Referat verortet, das explizit mit der Gleichstellung von ›Jungen‹ und ›Männern‹ befasst ist. Daraus resultiert die Herstellung einer Zweigeschlechtlichkeit, die mit der Nennung von ›Jungen‹ und ›Männern‹ mit einer gleichzeitigen Verdeckung von den in der Differenzierung mitgedachten ›Mädchen‹ und ›Frauen‹ besteht. Diese werden zur Kontrastfolie oder verbleiben in der Differenzsetzung im Nicht-Sagbaren. Ebenso werden mit der Fokussierung auf die homogenisierte Geschlechterkategorie ›Jungen‹ und ›Männer‹ vergeschlechtlichte Hierarchie- und Machtstrukturen ausgeblendet. Neben der Verortung der Kampagne ›Männer in Kitas‹ erfolgt eine Verknüpfung des Referats Jungen- und Männerpolitik sowie der Gleichstellungsabteilung mit der Kitaabteilung6, wenn in der Äußerung von einem BrückeSchlagen zur Kitaabteilung die Rede ist. In dieser Äußerung lässt sich eine 4 | Gesprochen wird aus der Position der Koordinationsstelle. 5 | Das Referat wurde im Zusammenhang mit dem Koalitionsvertrag von 2009 im Jahr 2010 eingeführt. 6 | Vgl. Kapitel 5.
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einseitig gerichtete Bewegung erkennen. Gleichstellung und damit die Frage nach Geschlecht beziehungsweise Geschlechterverhältnissen werden erst durch die Problematisierung innerhalb der Gleichstellungsabteilung zu einem Thema in der Kitaabteilung gemacht. Die Verknüpfung der Bereiche Gleichstellung, ›Männer‹ und ›Jungen‹ sowie Kita spezifiziert Möglichkeiten des Sprechens und schränkt sie gleichzeitig ein, worauf die Äußerung verweist, dass es nicht »immer […] so leicht ist, als Gleichstellungsabteilung irgendwo anders ein Thema mit zu platzieren«. In diesem Satz wird die Verknüpfung der drei Bereiche mit einer Bewertung belegt, der ein hierarchisierendes Moment eingeschrieben wird. So liegt der primäre Fokus auf Geschlecht beziehungsweise Männer-, Jungenpolitik und Gleichstellung. Erst innerhalb dieser Auseinandersetzung wird Kita relevant gemacht. Die Platzierung von gleichstellungspolitischen Themen wird ebenso als etwas Prozess- und Konflikthaftes hervorgebracht, das durchaus umstritten ist. In dieser Äußerung werden Gleichstellungsstimmen diskursiv ins Zentrum gerückt, jedoch nicht mit einer selbstverständlichen hegemonialen Positionierung im Bereich der Kita. Vielmehr geht es um die strategische Platzierung von gleichstellungspolitischen Äußerungen. Wie im Weiteren dargestellt wird, findet mit der Verortung der Debatte im BMFSFJ gleichzeitig eine Abgrenzung zu Sprecher*innenpositionen mit einer divergierenden institutionellen Verortung statt. Diese können zwar eingenommen werden, spielen jedoch in der Rekrutierung von ›Männern in Kitas‹ und damit im Geschlechterdiskurs nur eine marginale Rolle. »X: Es gibt zum Beispiel auch eine Studie […] zum Thema Akademisierung und gender 7. In Halle […], das ist ja BMBF 8 , also ein anderes Ministerium, auch dort wird zu diesem Thema gearbeitet. Aber das heißt nicht, dass die Ministerien sich jetzt mal zusammensetzen und sagen, ›wir wollen das gender-Thema in der Kita mal zusammen aufrollen‹. […]. Also die haben alle ihr Eigenleben, die Abteilungen. Und ganze Ministerien haben ein Eigenleben und es ist nicht so einfach grad bei Themen, die so dazwischenliegen, […] die wirklich miteinander zusammenzubringen. Und so ein Projekt gemeinsam laufen zu lassen, ist eine hohe Kunst. […]. I: Und die Forschung im BMBF kam aber, erst nachdem dieses ›Männer in Kitas‹ schon angelaufen war? X: Jein, das kann man so gar nicht sagen, ich glaube, das ist parallel gelaufen. Es gibt eine ganze Zeit schon Forschung zur Akademisierung im Kitabereich, […] und dann ist 7 | Gemeint ist das in Kapitel 2 ausgeführte Forschungsprojekt »Frühpädagogische Professionalisierung in Genderperspektive«, welches an der Universität Halle-Wittenberg von 2011-2014 durchgeführt wurde. Gefördert wurde dies im Rahmen des BMBFProgramms »Frauen an die Spitze«. 8 | BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung.
6. Sprechen zwischen Politik_Wissenschaf t _Praxis es sozusagen eine der Fragen, die aufgetaucht ist: Passiert das, was manche befürchten, dass wenn jetzt mehr Männer da rein kommen, dann schnappen wir den Frauen die Stellen weg« (Deutschland Text III, S. 6).
In der Äußerung werden das BMFSFJ und das BMBF in Abgrenzung zueinander und als divergierende, in sich geschlossene Orte des Sprechens hergestellt. Mit Verweis auf eine Studie, die sich mit dem Thema »Akademisierung und gender« beschäftigt, wird die Positionierung der beiden Ministerien verdeutlicht. Im Gegensatz zur Kampagne ›Männer in Kitas‹ wird die Studie zu Akademisierung und gender im Kitabereich vom BMBF gefördert. Betont wird in der Äußerung das »Eigenleben« der verschiedenen Ministerien, welches es schwierig mache, Schnittpunkte und potenziell gemeinsame Themen auch gemeinsam zu bearbeiten. Gleichzeitig erfolgt mit der Differenzsetzung der institutionellen Verortung eine thematische Gleichsetzung der Kampagne ›Männer in Kitas‹ mit dem Forschungsprojekt »Akademisierung und gender«. Auf diese Weise wird gender in Kitas zu einem Thema, das so dazwischenliegt. Durch diese Platzierung eröffnen sich Sprecher*innenpositionen, die durch die institutionelle Verortung im BMFSFJ ausgeschlossen wurden. Neben der Frage nach Gleichstellung werden Veränderungen von Ausbildungsstrukturen sowie bildungspolitische Fragen relevant. Trotz dieser festgestellten Gemeinsamkeit erfolgt keine Ministerien-übergreifende Zusammenarbeit. Vielmehr werden die Möglichkeiten des Sprechens wieder eingeschränkt. Die thematische Gleichsetzung löst sich im Folgenden durch die kritische Perspektivierung auf ›Männer in Kitas‹ im Rahmen des Forschungsprojekts zu gender und Akademisierung teilweise wieder auf. Eine Frage, die im Rahmen des Forschungsprojekts »Akademisierung und gender« relevant wurde und die in der Äußerung formuliert wird, ist, was passiere, wenn mehr ›Männer‹ in diesem Bereich arbeiten würden. Akademisierung wird mit einem mehr an ›Männern‹ verbunden, die den ›Frauen‹ die Stellen wegnehmen. Hergestellt werden zwei homogene vergeschlechtlichte Gruppen, die in Konkurrenz um Arbeitsplätze zueinander stehen. Die Frage bleibt jedoch offen. Je nach Antwort positioniert die Studie sich aus Gleichstellungsperspektive konträr zur Rekrutierung von mehr ›Männern in Kitas‹. In der Studie wird der Befürchtung nachgegangen, dass »wir« den ›Frauen‹ die Stellen wegschnappen. Durch das »wir« wird in der Äußerung eine vergeschlechtlichte Positionierung als ›Mann‹ eingenommen. Aus dieser Positionierung heraus werden ›Männer‹ als Bedrohung (der Arbeitsplatzsicherheit) für ›Frauen‹ hergestellt. Dies steht konträr zum Ziel der Gleichstellung, welches der Kampagne durch die Verortung im Referat 415 mit eingeschrieben ist. Indem mit Hinweis auf die Studie »Akademisierung und gender« Zusammenhänge zwischen Bildungswegen, Geschlecht und Selektion zum Thema
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gemacht werden, erfolgt eine Problematisierung der Kampagne ›Männer in Kitas‹. Durch die Herstellung zweier in sich geschlossener Orte wird die Position aus Sicht der Koordinationsstelle marginalisiert. Gleichzeitig erfolgt indirekt eine Abgrenzung zur Frage nach der Akademisierung des elementarpädagogischen Bereichs. Aus dieser diskursiven Praxis resultiert ein enger Praxisbezug der Koordinationsstelle. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass in der Äußerung zum einen eine abgrenzende Positionierung zum Forschungsprojekt stattfindet, über die jedoch gleichzeitig (kritische) Sprecher*innenpositionen, wie sie mit der Studie sagbar werden, vereinnahmt werden. Deutlich wird diese In-Beziehung-Setzung von Orten des Sprechens auch in der folgenden Äußerung, gesprochen aus der Position der Koordinationsstelle ›Männer in Kitas‹: »Wir haben den Kontakt dann hergestellt, weil wir von dem Projekt erfahren haben, und haben uns dann auch vernetzt. Also sind zu Tagungen gefahren, haben die mit auf unsere Tagungen geschleppt. Aber das ist wiederum ein anderes Feld, das ist auch ein Hochschulfeld, also ein Universitätsfeld, weil Halle-Wittenberg eine Universität ist. […] und dann hatten wir das schon zur Kenntnis genommen, dass es auch schon die Anderen gab, aber es ist eine andere Art auch, es ist ja ein anderes akademisches Feld, […], es sind andere Diskurse, in die man gerät. Und wir sind im Kitabereich, dadurch, dass der Kitabereich in Deutschland sehr kanalisiert ist, ist der auch ein Stück abgeschnitten vom wissenschaftlichen Fachdiskurs und hat Mühe, wir haben es jetzt geschafft, […] in der Frühen Bildung […]« (Deutschland Text III, S. 6).
Zuerst geht es um die Kontaktaufnahme zu dem im Vorhergehenden thematisierten Forschungsprojekt an der Universität Halle. Der Kontakt wird, so die Äußerung, von Seiten der Koordinationsstelle aktiv hergestellt. Im Gegensatz dazu erscheint die Position des Forschungsprojekts als passiv, was den Kontakt sowie die gemeinsame Teilnahme und Vernetzung auf Tagungen betrifft. Dadurch wird eine Hierarchisierung von Sprecher*innenpositionen vorgenommen und der Koordinationsstelle eine zentrale, aktive Positionierung zugewiesen. Gleichzeitig erfolgt durch die Betonung der Andersartigkeit und der mehrmaligen Unterstreichung der Verortung des Projektes im universitären Bereich eine aktive Abgrenzung und Differenzsetzung zu universitärer Kitaforschung. Diese Abgrenzung wird auf divergierenden Ebenen mehrfach wiederholt und zeigt sich damit als wirkmächtig in ihren Folgen: »dass es auch schon die Anderen gab, aber es ist eine andere Art auch, es ist ja ein anderes akademisches Feld, […], es sind andere Diskurse, in die man gerät. Und wir sind im Kitabereich, dadurch, dass der Kitabereich in Deutschland sehr kanalisiert ist, ist der auch ein Stück abgeschnitten vom wissenschaftlichen Fachdiskurs«. In der Aneinanderreihung des Anderen lässt sich eine Steigerung erkennen.
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Beginnend mit die Anderen im Sinne von anderen Personen folgt eine Abgrenzung zu einer andere[n] Art sowie zu »einem andere[n] akademische[n] Feld«, in dem »andere Diskurse« hegemonial sind. Im Gegensatz zu dem sehr breit gezeichneten Anderen wird ein kanalisierter Kitabereich hergestellt, der »ein Stück abgeschnitten vom wissenschaftlichen Fachdiskurs« verstanden wird. Die universitär-wissenschaftliche, marginal gesehene Positionierung der Debatte steht im Kontrast zur im Vorherigen hergestellten zentralen Positionierung der Koordinationsstelle9. Zu erkennen ist der Versuch, den starken Praxisbezug der Debatte aus der Position der Koordinationsstelle aufzubrechen, hin zu einer universitär-wissenschaftlichen Auseinandersetzung. Dies gelingt jedoch aufgrund historisch gewachsener Zuordnungen nur sehr bedingt. Im Gegensatz dazu steht die hegemoniale Sprecher*innenposition der Koordinationsstelle innerhalb der Debatte ›Männer in Kitas‹, wie in folgender Äußerung, gesprochen aus einer wissenschaftlichen Positionierung, deutlich wird. »[…] und dann gab es das EU-Projekt, die Berliner Koordinationsstelle, und das war ja nun gut ausgestattet, und dann haben die mit ihren Initiativen in allen Ländern das flächendeckend besetzt, das Feld. Und es war auch nicht viel Anderes. Also es hatte auch ne Monopolfunktion« (Deutschland Text I, S. 7).
Hervorgebracht wird eine Monopolstellung der Koordinationsstelle, welche als EU-Projekt verstanden wird. Diese wird in der Gegenüberstellung der finanziell gut ausgestatteten Koordinationsstelle und einer gleichzeitigen Abwesenheit anderer Initiativen oder Programme verdeutlicht. Das Agieren der Koordinationsstelle und damit deren (regierende) Wirkmächtigkeit wird als alle Bundesländer betreffend hergestellt. Im Gegensatz zum Sprechen, das sich zwischen Koordinationsstelle und Praxis bewegt, erfolgt daran anknüpfend eine Verortung der Debatte im wissenschaftlichen Diskurs. »Und die [Mitarbeiter*innen der Koordinationsstelle ID] haben dann auch den Diskurs bestimmt, weil es waren immer dieselben Leute, die sich da artikuliert haben […] auch das ist wieder ein interessegeleiteter Diskurs, weil es ging darum zu bestätigen, die Richtigkeit dieses Programms [Männer in Kitas ID]. Also es waren alles Mitglieder dieses Programms, denen natürlich dann in besonderer Weise auch der Mund gebunden ist, und andere kamen ja gar nicht zum Sprechen, dass andere [Personen ID] auch gar nicht gesprochen haben, also es gibt ja keine Kontroversen, es gibt gar […] keine Gegenpositionen, die sich artikulieren, die sich damit profilieren. Ist das jetzt so ein Pipifax, 9 | In einer umgekehrten Logik lässt sich anmerken, dass aus einer universitär-wissenschaftlichen Perspektivierung die Auseinandersetzung zu ›Männern in Kitas‹ zum marginalisierten Anderen wird.
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Männlichkeiten im Wandel dass man sich damit nicht profilieren kann? Also das ist für Wissenschaft, also da muss man ja auch fragen, wer, in welchen Kontexten artikulieren sich jetzt Menschen? Der Wissenschaftsbetrieb ist ein starker. Offenbar ist das kein Thema, mit dem ich mich im Wissenschaftsbetrieb profilieren kann. […]. Alle nicken nur und finden das ganz toll, und in der Praxis passiert ist ja gar nichts« (Deutschland Text I, S. 7).
Wie schon in der Begrifflichkeit der Monopolfunktion angelegt, wird das Sprechen aus der Position der Koordinationsstelle als etwas Einheitliches hergestellt. Artikulationsprozesse werden einem kleinen Kreis an bestimmten Personen zugeschrieben. Diesen wiederum wird die Intention eingeschrieben, geradlinig die Zielsetzung des Programms ›Männer in Kitas‹ zu verfolgen. Das Sprechen erhält somit die Funktion, die Richtigkeit des Programms zu bestätigen. Dieses einseitige, homogenisierte Sprechen wird durch Verweis auf die Abwesenheit von abweichenden Sprecher*innenpositionen unterstrichen, es gäbe ja keine Kontroversen. Damit wird Sprechen außerhalb der Koordinationsstelle zu etwas Nicht-Sagbarem und Gegenpositionen, die vor allem im universitären Wissenschaftsbetrieb verortet werden, als nicht-hegemonial hergestellt. Hervorgebracht wird eine Einmütigkeit, die als totale und allgemeine beschrieben wird und die einem Scheitern des Programms in der Praxis gegenübersteht. Im Gegensatz zur Betonung der Monopolfunktion der Koordinationsstelle steht die im Vorhergehenden dargestellte Gegenüberstellung der Debatte ›Männer in Kitas‹ und der Auseinandersetzung zu Akademisierung und gender auf einer universitär-wissenschaftlichen Ebene. Deutlich wird die Positionierung der Koordinationsstelle zwischen Politik, Wissenschaft und Praxis. In der Verknüpfung zwischen Wissenschaft und Praxis verortet sich institutionalisiertes Sprechen vor allem an Fachhochschulen. »Und das hat oft dazu geführt, dass was im Kitabereich läuft im Grunde mehr so im Praxisbereich läuft und nicht wirklich auf einer Ebene, wo andere Diskurse auch […] Ja, also in diesem Graubereich, so Fachhochschulen halt, oder diese ganzen Kitafachzeitschriften, die eben keine wissenschaftlichen Fachzeitschriften sind im Wesentlichen. I: Und die Koordinationsstelle war ja auch angeknüpft an die FH. X: Katholische Hochschule […] und sie war dort auch nur angegliedert und auch selbst dort nicht wirklich in der Ausbildung, sie ist ja immer noch da, die gibt’s ja noch. Sie ist aber wirklich eher wie so ein eigenes Institut und ist ja denn auch mehr mit der Praxis fest verknüpft als mit der Hochschule selber« (Deutschland Text III, S. 6).
Im Gegensatz zur über weite Teile hinweg marginalisierten Positionierung der Koordinationsstelle im universitär-wissenschaftlichen Diskurs steht die hegemoniale Verortung im Fachhochschuldiskurs; erkennen lässt sich hier ein deutlicher Praxisbezug der Sprecher*innenposition der Koordinationsstelle.
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Dieser diskursiven Platzierung ist eine Differenzsetzung zwischen Forschung und Praxis implizit. Damit wird die Arbeit in Kitas im Praxis- und nicht im akademischen Bereich verortet. Fachhochschulen werden in der Äußerung zum nicht näher definierten »Graubereich«. Gleichzeitig werden Kitafachzeitschriften als nicht wissenschaftlich hergestellt. »Ganz aktuell gibt’s in der Frühen Bildung, und Frühe Bildung ist die Fachzeitschrift im Kitabereich, die wissenschaftliche Fachzeitschrift […]. Genau, und es ist jetzt in den letzten beiden Ausgaben eine kontroverse Diskussion zum Thema Männer in Kitas veröffentlicht worden […]. Und das haben wir jetzt geschafft, aber das hat auch eine Weile gedauert, bis sozusagen das Thema so viel diskutiert worden ist, dass jetzt so eine Zeitschrift die Notwendigkeit spürte, das mal zu thematisieren, und bis vor wenigen Jahren gab es ja so eine Fachzeitschrift gar nicht. Das heißt es gab gar keinen Ort, wo so eine wissenschaftliche Diskussion hätte geführt werden können« (Deutschland Text III, S. 6).
Erkennen lässt sich in der Äußerung eine Prozesshaftigkeit der Orte des Sprechens sowie damit einhergehend die Verschiebungen von Sprecher*innenpositionen. Mit der Etablierung der Fachzeitschrift Frühe Bildung entsteht ein neuer Ort des Sprechens, der Kitas nicht mehr im Care-Bereich verortet, sondern schon in der Namensgebung auf Bildung fokussiert. Mit der Erscheinung der Kontroverse in der Frühen Bildung konnte sich die Debatte auch im bildungswissenschaftlichen Diskurs platzieren. Es wurde jedoch nicht eine bestimmte Sprecher*innenposition aufgegriffen, sondern vielmehr eine »kontroverse Diskussion zum Thema ›Männer in Kitas‹«10 veröffentlicht. Mit dem Verweis, dass »wir« das jetzt geschafft hätten, wird die Platzierung der Debatte in der Frühen Bildung als etwas hervorgebracht, das mit einer Anstrengung verbunden ist. Die Koordinationsstelle wird, wie schon im Vorhergehenden bei der Kontaktaufnahme zum Forschungsprojekt in Halle, als etwas Aktives hergestellt. Über das kollektive »wir« erscheint die Koordinationsstelle als in sich geschlossen und homogen. Diese Vereinheitlichung steht im Kontrast zur kontrovers geführten Debatte. Die Koordinationsstelle wird im Dazwischen verortet. Sie ist kein explizites Forschungsprojekt, jedoch auch nicht direkt in die Ausbildung der Erzieher*innen involviert. Diese wird als eigenständige Institution verstanden, die vor allem in der Auseinandersetzung mit der Praxis steht. Damit wird die Koordinationsstelle zu einem Hybrid des Sprechens, das zwar an der katholischen Hochschule angegliedert ist, jedoch eigenständig bleibt.
10 | Der Kontroverse liegt divergierendes vergeschlechtlichtes Macht/Wissen zugrunde, welches nicht klar durch die Artikel abgegrenzt werden kann.
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Eröffnet werden divergierende Richtungen des Sprechens. Gleichzeitig werden durch die starke Abgrenzung zu universitär-wissenschaftlichen Diskursen Positionierungen ausgeschlossen. Aus den institutionellen Plätzen, von denen aus gesprochen wird, ergibt sich ein diskursiver Handlungsrahmen,11 der für Möglichkeiten des Sprechens in Bezug auf ›Männer in Kitas‹ sowohl Schließungen als auch Öffnungen erzeugt. Zuvorderst geht es um die diskursive Herstellung einer Gleichstellung12 von ›Jungen‹ und ›Männern‹ (im Kitabereich). Damit gehen differierende Positionierungen zu Geschlecht sowie Formen des Wahrsprechens einher.
SCHWEDEN Im Gegensatz zu Deutschland war in Schweden lange kein legitimes Sprechen über die aktive Rekrutierung von ›Männern‹ in der Vorschule möglich. Erst mit dem Amtsantritt der liberalen Gleichstellungsministerin Maria Arnholm im Januar 2013 wurde die Debatte (wieder) auf die politische Agenda gesetzt. »I think that just this male thing […], it’s something that has come up very recently and I don’t think it’s one of the main strategies 13 . I think it’s a very small strategy. I think that what we have tried to do more before is more of changing norms on a general level in preschool. And then we hope that this would also make the environment for male and female preschool teachers better. […] But maybe now I don’t know, but maybe the politicians or skolverket, maybe they thought that we have done this now and […] the number of men is still the same, so maybe we need to do something else« (Schweden Text V, S. 9).
Die Forderung nach ›Männern‹ im Vorschulbereich wurde erst vor kurzem sagbar. Betont wird, dass die Sprecher*innenposition eingenommen werden kann, gleichzeitig wird diese mit dem Einschub, »it’s a very small strategy«, wieder marginalisiert. Im Gegensatz zu Deutschland werden ›Männer in Kitas‹ nicht als Hype, sondern vielmehr als eine sehr kleine Strategie verstanden. Die Positionen, von denen aus mehr ›Männer in der Vorschule‹ gefordert werden, werden in Bezug zu bis dato hegemonialen Positionierungen gesetzt, die sich mit der Veränderung von Geschlechternormen beschäftigen. »And then we hope that this would also make the environment for male and female preschool teachers better.« Artikuliert wird die Hoffnung, dass die Veränderung von Ge-
11 | Im Sinne von diskursiven Praktiken des (Wahr-)Sprechens. 12 | Offen bleibt, was mit Gleichstellung verbunden wird, ob diese verstanden wird als Aufhebung von Jungenbenachteiligung, dem Aufbrechen von vergeschlechtlichten Arbeitsmarktstrukturen oder der Auflösung traditioneller Männlichkeitsmuster. 13 | Gemeint sind hier Strategien der Gleichstellung in der Vorschule.
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schlechternormen auch eine Verbesserung der Umgebung für männliche und weibliche Vorschullehrer*innen mit sich bringt. Dieser Hoffnung wird durch die Wiederholung von »but maybe« ein Moment des Zweifels entgegengesetzt. Gleichzeitig wird aufgrund eines Sprechens aus politischer Sicht sowie der schwedischen Schulbehörde (Skolverket) ein Sagbarkeitsfeld eröffnet. In folgender Äußerung wird das politische Ansinnen, die Anzahl männlicher Vorschullehrer zu erhöhen, deutlicher hervorgehoben. »X: One of the persons that actually inspired this is the person who worked with equality, the minister for equality issues, Maria Arnholm. She was here on a conference that we had […] and she talked about that, that was one year ago14, and then she said ›that I really want to start this network, I think it is very needed‹. I: And did she say why? X: Yes, because it is important also to increase the number of men in preschool. […]. So then we said: ›We would appreciate, because there is actually a lot of research done in this area, so it would be great if […] you and the people, if you sort of listen to the research that is done in this field in Sweden and also if the people who are running this network later on […] are in the field of gender or related to that.‹ So and I think she listened. Because […] there were a lot of people […] that put forward these questions to her« (Schweden Text V, S. 9).
Ein zentraler Impuls für die Debatte um mehr ›Männer in der Vorschule‹ wurde durch die schwedische Gleichstellungsministerin gegeben. Maria Arnholm eröffnet mit der Forderung nach der Erhöhung der Anzahl männlicher Vorschullehrer eine für die schwedische Debatte neue Sprecher*innenposition. Durch die gleichzeitige Positionierung als Gleichstellungsministerin wird dies zu etwas politisch Relevantem. Dem schließt sich die Initiierung eines Netzwerks an, das sich mit der Erhöhung des Männeranteils in der Vorschule auseinandersetzt. Wie in Deutschland wird ein institutionalisierter Ort des Sprechens geschaffen. Gleichzeitig trifft die Position auf tradierte (wissenschaftliche) hegemoniale Sprecher*innenpositionen. Gefordert wird eine Verbindung des Vorhabens, ein Netzwerk zu etablieren, mit aktueller Forschung, welche nicht ignoriert werden soll. Die Notwendigkeit eines Netzwerkes und dessen Anknüpfung an wissenschaftliche Diskussionen wird mit einem (theoretischen) Anspruch begründet, vergeschlechtlichte Normen aufzubrechen. Diese Positionierung steht im kritischen Gegensatz zur Biologisierung von 14 | Das Interview wurde im September 2014 geführt. Zu dieser Zeit war in Schweden Wahlkampf und mit der Wahl am 14. September 2014 gab es nach acht Jahren einen Regierungswechsel. Die Amtszeit als Gleichstellungsministerin von Maria Arnholm endete somit kurz nach Entstehen des Interviews.
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Geschlechterverhältnissen, wie sie der alleinigen Rekrutierung von ›Männern‹ implizit ist. Im Gegensatz zur positiv wertenden Positionierung zur Auswahl der Personen für das Netzwerk ›män i förskolan‹, steht folgende Äußerung aus einer biologistisch informierten Sprecher*innenposition15. »But in my way I am […] very impressed by Maria Arnholm. I think she […] has done a good job, but perhaps she picked the wrong persons. […] I trust her, perhaps I am naïve, but she is challenging a powerful position by doing this« (Schweden Text VII, S. 7).
Dieser Äußerung ist, aus einer wertenden Positionierung, eine Ambivalenz eingeschrieben. Die Arbeit von Maria Arnholm wird als positiv bewertet. Sie wird als eigenständige Person hergestellt, die einen guten Job macht und gemacht hat. Diesem positiven Moment wird jedoch ein Ausdruck der Enttäuschung gegenübergestellt, dass sie vielleicht die falschen Personen für das Netzwerk ausgewählt hätte. Während in der vorhergehenden Äußerung16 die Personen im Netzwerk als genau richtig verstanden wurden, sind diese aus einer biologistischen Sprecher*innenposition »the wrong persons«. Trotz dieser Skepsis wird gleichzeitig ein unterstützendes Moment formuliert: »I trust her«. Dieses Vertrauen wird wieder relativiert mit der Äußerung: »perhaps I am naïve, but she is challenging a powerful position by doing this«. Die Sprecher*innenposition, aus der mehr ›Männer in der Vorschule‹ gefordert werden, wird als so wirkmächtig hergestellt, dass diese auch machtvolle Positionen herausfordern kann. »Yes, and she is brave. I think she is […], but the people she hired to make these conferences, they are not as brave. […]. She is the same person who said in 2008 that this is not important. And Anna Ekström, she is the chief of the skolverket, she was the head of the investigation ›jämställdhet i förskolan‹, and said this is not an important question. […]. She gave this investigation to the minister and said this is what we are, our solution, we don’t need men in preschool, we can do it very much on ourselves. If they come here they will only be stereotypized. Three years later Maria Arnholm gave this mission to Anna Ekström: ›Please start a campaign and recruit men to preschool‹, and three years earlier Anna Ekström […] had said this is not important« (Schweden Text VII, S. 7).
15 | Mit biologistischen beziehungsweise im Folgenden auch (de-)konstruktivistischen Sprecher*innenpositionen werden Positionen des Sprechens verstanden, denen das jeweilige vergeschlechtlichte Macht/Wissen immanent ist (vgl. Kapitel 7). 16 | Gemeint ist hier die Äußerung Schweden Text V, S. 9, in der die richtige Personenwahl der Ministerin hervorgehoben wird.
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Maria Arnholm wird als mutige Person entworfen, die Grenzen des Sagbaren erweitere. Dem gegenüber stehen die Personen, die mit der Umsetzung der Konferenzen beauftragt wurden und sich, so die Äußerung, als weniger mutig erwiesen. In der weiteren Ausführung wird deutlich, dass die Frage nach (keinem) Mut mit Sprecher*innenpositionen gleichgesetzt wird, die sich gegen die Forderung nach mehr ›Männern in der Vorschule‹ stellen. An die Oberfläche tritt die Frage nach der Wichtigkeit der Forderung nach ›Männern in der Vorschule‹. Gleichzeitig wird dadurch das Feld von Sagbarkeiten strukturiert. Durch die Initiierung des Netzwerks wird die Artikulation der Forderung nach mehr ›Männern‹ zu etwas Sagbarem. Dies wird jedoch durch die Besetzung des Netzwerks mit Personen, die die Forderung als eher marginal erachten, eingeschränkt. Es findet eine institutionelle Verortung der Position in der schwedischen Schulbehörde statt. Problematisiert wird das diskrepante Sprechen einer Person, die aus dieser institutionellen Verortung divergierende Sprecher*innenpositionen einnimmt. »She gave this investigation to the minister17 and said this is what we are, our solution, we don’t need men in preschool, we can do it very much on ourselves.« Aus dieser Position wird die Rekrutierung von ›Männern‹ mit der Frage nach Gleichstellung in der Vorschule gleichgesetzt. Diese werden als nicht wichtig für das Ziel der Gleichstellung erachtet. In der Äußerung erfolgt eine kritische Distanzierung zu Sprecher*innenpositionen, die Gleichstellung auch ohne ›Männer in der Vorschule‹ erreichen wollen. Dabei geht es nicht um die Frage nach mehr ›Männern‹, sondern ob überhaupt ›Männer in der Vorschule‹ sein sollen. Daraus resultiert eine konflikthafte Gegenüberstellung, der eine Generalisierung eingeschrieben ist, zwischen einem nicht näher bestimmten »we« und der Position, die ›Männer in der Vorschule‹ als wichtig erachtet. Deutlich wird in dieser Äußerung, dass sich diskursive Strukturen verändert haben. Bisher nicht Sagbares wird sagbar. Ebenso lässt sich ein reziprokes Verhältnis divergierender Positionierungen erkennen, die sich auf unterschiedliche Weise beeinflussen können. »Three years later Maria Arnholm gave this mission to Anna Ekström: ›Please start a campaign and recruit men to preschool‹, and three years earlier Anna Ekström […] had said this is not important.« Was vor drei Jahren als nicht wichtig erachtet wurde, erscheint nun an der diskursiven Oberfläche. Dies steht im Kontrast zu dem 2008 gegebenen Ratschlag in Bezug auf Gleichstellung in der Vorschule, die aus der
17 | Was an dieser Stelle im Verborgenen bleibt, ist, dass zwischen der Studie 2008 und der Thematisierung von ›Männern in der Vorschule‹ ein Wechsel der Gleichstellungsministerin stattfand.
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institutionellen Verortung der Schulbehörde an das Ministerium18 gegeben wurde. Es lässt sich eine wissensvermittelnde Positionierung erkennen, die sich zwischen Politik und Wissenschaft verortet. Mit Anna Ekström wird die Leiterin der Schulbehörde mit der Umsetzung der Rekrutierung von mehr ›Männern‹ in die Vorschule beauftragt. Es entsteht eine Verknüpfung mit bildungspolitischen Diskursen. »But the ministry who is involved in the campaign or in study19 was the ministry for education 20 and the national board of education. The national board of education is thought of as the active part« (Schweden Text I, S. 9).
Im Gegensatz zu Deutschland verorten sich die Plätze des institutionalisierten Sprechens stärker im bildungspolitischen Bereich. Gesprochen wird vor allem aus der institutionellen Positionierung des Bildungsministeriums sowie der nationalen Schulbehörde. Initiiert wurde das kommunale Netzwerk zwar aus einer gleichstellungspolitischen Sprecher*innenposition, institutionell verortet ist diese jedoch im Bildungsministerium. »It’s like a huge association of all municipalities in the whole country 21 . And they have got money from the government now to work with the question ›men in preschool‹. […] Well, […] there is a network of municipalities, seven municipalities that are going to be a part of that network trying to increase the number of men in preschools, and then we will meet this network, and then we will write books, anthologies with different articles, and then there will be some smaller things done, but these are the largest« (Schweden Text IV, S. 6).
Mittlerweile wurde das vom Gleichstellungsministerium initiierte kommunale Netzwerk zur Erhöhung des Männeranteils in der Vorschule umgesetzt. Im Gegensatz zu Deutschland stehen nicht die aktive Auseinandersetzung mit der Praxis und die Umsetzung einzelner Rekrutierungsstrategien in Vor18 | An dieser Stelle ist eine zeitliche Unstimmigkeit, da Maria Arnholm erst 2013 Gleichstellungsministerin wurde. 19 | Gemeint ist die Studie »Män i förskolan – kartläggning och analys av insatser« (Wernersson/Granbom 2012). 20 | Mit dem Regierungswechsel im Herbst 2014 hat sich auch die ministerielle Struktur verändert, Gleichstellung (jämställdhet) ist mittlerweile nicht mehr dem Bildungsministerium (Utbildingsdepartementet) unterstellt, sondern dem Sozialministerium (Socialdepartementet). 21 | Gemeint ist der Zusammenschluss der schwedischen Kommunen und Provinziallandtage (SKL – sveriges kommuner och landsting). Diese sind für Umsetzung der Neuerungen im Vorschulbereich verantwortlich.
6. Sprechen zwischen Politik_Wissenschaf t _Praxis
schulen im Fokus, sondern die wissenschaftliche Aufarbeitung der Thematik. Ebenso ist das Netzwerk auch nicht in eine große politische Kampagne involviert, sondern verbleibt eher im Kleinen und zielt auf die Ebene der Wissensgenerierung. Ländervergleichend festhalten lässt sich, dass die Forderung nach ›Männern‹ im elementarpädagogischen Bereich durch unterschiedliche Sagbarkeitsfelder strukturiert ist. Während diese in Deutschland als etwas Neues und Innovatives verstanden wird, ist das Bestreben in Schweden wesentlich geringer und durch divergierendes Geschlechterwissen mit deutlichen Einschränkungen belegt.
6.1.2 Diskursive In-Beziehung-Setzung vergeschlechtlichter Positionierungen Wie im Folgenden gezeigt wird, lassen sich in den vorhergehenden herausgearbeiteten institutionellen Orten des Sprechens, je nach vergeschlechtlichtem Macht/Wissen, divergierende Positionierungen zueinander erkennen.
DEUTSCHL AND Anhand der folgenden Auseinandersetzung um die Namensgebung für die Koordinationsstelle »Männer in Kitas« werden vergeschlechtlichte Differenzsetzungen verdeutlicht. »X: Wir haben uns beispielsweise explizit Koordinationsstelle ›Männer in Kitas‹ genannt und nicht ›mehr Männer in Kitas‹, weil wir immer verbunden haben, das Thema Männer in Kitas eben mit geschlechtsbezogener Pädagogik. Oder mit Gleichstellungsfragen, die eben auch Frauen betreffen, und uns sozusagen dieses ›mehr Männer in Kitas‹ eher zu quantitativ ausgerichtet war. Aber überhaupt schon der Begriff Männer in Kitas, also der öffnet Türen, aber er schließt eben auch Türen, und bei der Namensgebung war es eben auch total schwierig, da was zu finden, was sozusagen potenzieller Öffentlichkeitswirksamkeit gerecht wird auf der einen Seite und dem Geschlechterdiskurs gerecht wird auf der anderen Seite. I: Was gab’s da für Alternativen? X: Naja, gerade zu dem Zeitpunkt war ja Gender Mainstreaming zum Beispiel noch ein Thema. Alternativen waren halt gender in die Kita und gender und Kita, aber das machte eben einfach nicht explizit, dass es auch um mehr Männer in Kitas geht. I: Und warum wurde gender in Kitas verworfen […]? X: Weil das nicht das Ziel war, also das Ziel sozusagen des Ministeriums war eben tatsächlich mehr Männer in Kitas, auch immer unter Gleichstellungsperspektive. Aber gender in Kitas hat halt nicht zum Ausdruck gebracht, worum es dem Ministerium, dem Referat Männer oder Jungen- und Männerpolitik, da ging« (Deutschland Text II, S. 5).
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Eine Sprecher*innenposition, die aus politischer Perspektive eingenommen wird, ist die Forderung nach mehr ›Männern in Kitas‹. Das Mehr und die damit hergestellte Intention kann unterschiedlich gedeutet werden. Einerseits kann das Mehr im Sinne der Betonung des biologischen ›männlichen‹ Geschlechts und dem damit einhergehenden politischen Agenda- Setting verstanden werden. Andererseits kann es auch um ein Mehr im Sinne eines Personalmangels gehen. In beiden Lesarten findet eine Fokussierung auf das biologische Geschlecht sowie eine Reproduktion von Zweigeschlechtlichkeit statt. Dem entgegen steht die Positionierung der Koordinationsstelle, die sich gerade nicht Koordinationsstelle ›mehr Männer in Kitas‹ genannt hat. Dies wird unterschiedlich begründet. Zum einen wird die Debatte ›Männer in Kitas‹ mit einer geschlechtsbezogenen Pädagogik verbunden. Dies wäre bei einer Fokussierung auf die rein quantitative Erhöhung männlicher Erzieher nicht möglich gewesen. Gleichzeitig wird die Debatte durch die Thematik der geschlechtsbezogenen Pädagogik um ein bildungspolitisches Moment erweitert. Zum anderen wird die Abgrenzung zu einem Mehr in Bezug zu Gleichstellungsfragen gesetzt, die eben auch ›Frauen‹ betreffe. Auch hier folgt die Namensgebung einer heteronormativen Logik. Gleichzeitig findet eine deutliche Abgrenzung zur alleinigen Zielsetzung der Erhöhung des Männeranteils statt. In Bezug zu den in Kapitel 5 dargestellten Desideraten resultiert aus der Differenzierung eines Bundesprogramms für ›Mehr Männer in Kitas‹ und der Koordinationsstelle »Männer in Kitas« eine Öffnung des diskursiven Raums, indem sowohl aus arbeitsmarktpolitischer Perspektive die rein quantitative Erhöhung des Männeranteils sowie aus gleichstellungspolitischer Perspektive die Veränderung von Geschlechterkonstruktionen gefordert werden kann. In der Auseinandersetzung um geschlechterpädagogische Ausrichtungen wird dies um eine bildungspolitische Komponente ergänzt. Mit der Bezeichnung der Begrifflichkeit ›Männer in Kitas‹ als door opener wird die Namensgebung als strategisches Moment hergestellt. Gleichzeitig wird betont, dass ›Männer in Kitas‹ auch Türen verschließt. Insgesamt wird die Forderung nach ›Männern in Kitas‹ zu etwas Sagbarem. Je nach Positionierung verortet sich die Begrifflichkeit im Spannungsbogen zwischen Öffentlichkeitsarbeit 22 und Geschlechterdiskurs und damit zwischen politischen Strategien und wissenschaftlichen Auseinandersetzungen 23. Als weitere Möglichkeiten der Namensgebung werden Gender Mainstreaming, gender in der Kita sowie gender und Kitas genannt.
22 | Dies wird verstanden als Schaffung einer Öffentlichkeit zur Anwerbung von männlichen Erziehern. 23 | Gemeint sind hier vor allem die Auseinandersetzungen in Bezug auf eine geschlechtsbezogene Pädagogik.
6. Sprechen zwischen Politik_Wissenschaf t _Praxis
Im Gegensatz dazu steht die Forderung nach Gender Mainstreaming als etwas, das auf politischer Ebene zu etwas Nicht-Gewolltem und damit Nicht-Sagbarem wird. Ein zentrales Moment von Gleichstellungspolitik ist in Deutschland aus politischer Sicht eine quantitative Erhöhung des Männeranteils in Kitas und damit eine explizite Jungen- und Männerpolitik. Hieraus resultiert eine Fokussierung auf das biologische Geschlecht. Mit der Ablehnung der Begrifflichkeit gender werden konstruktivistische Sprecher*innenpositionen marginalisiert und es erfolgt eine Reproduktion binärer Geschlechtlichkeit. Gleichzeitig würde diese Begrifflichkeit die Verortung im Referat für Jungenund Männerpolitik konterkarieren. Damit wird die Sprecher*innenposition des Ministeriums, insbesondere in Verweis auf das Referat für Jungen- und Männerpolitik, hegemonial. Deutlich wird die Verflechtung von Politik und Wissenschaft durch die Vergabe von Geldern. Gleichzeitig geht damit eine Hierarchisierung der Sprecher*innenpositionen einher. In folgender Äußerung lässt sich eine Umkehrung der Hierarchisierung institutioneller Orte des Sprechens aus Politik und Wissenschaft erkennen. Diese erfolgt entlang vergeschlechtlichter Grenzziehungen. Während in der vorhergehenden Äußerung die Koordinationsstelle und ihr Handeln als abhängig von den politischen Geldgebern hergestellt wurden, geht es nun, wie im Folgenden verdeutlicht wird, um die Vermittlung von Wissen. Während in der vorhergehenden wertenden Äußerung aus einer politischen Sprecher*innenposition eine Zweigeschlechtlichkeit mit der Betonung auf ›Jungen‹ und ›Männern‹ hergestellt wurde, wird nun aus der Position der Koordinationsstelle eine konträre Äußerung getätigt, in der die Thematisierung von Wissen in den Fokus rückt. »Und auch da darf man ja auch nicht vergessen, im Ministerium gibt’s ja unterschiedliche Akteure. Das Referat ist eins, die Ministerin zu dem Zeitpunkt war eine andere und die Ministerin beispielsweise hat am Anfang immer von Männern und Jungen gesprochen und im Verlauf oder im Prozess hat sie dann irgendwann auch angefangen von Jungen und Mädchen zu sprechen. Und ich würde schon sagen, das ist zumindest meine Wahrnehmung, dass sozusagen bei den Akteuren, mit denen wir in Kontakt waren, ob das die Ministerin war, die Modellprojekte, die Akteure in den Modellprojekten, immer hat dieses Thema Männer in Kitas eigentlich auch immer zu einer Geschlechtersensibilisierung beigetragen, weil wir immer auch sehr betont haben, es fängt ja schon an bei so ganz einfachen Dingen, wer ist eigentlich sichtbar?« (Deutschland Text II, S. 6).
Es erfolgt eine Gegenüberstellung einer wissenschaftlichen Sprecher*innenposition zu Akteur*innen im politischen sowie im praktischen Feld. Aus der Positionierung eines kollektiven Wirs wird ein Prozess der Geschlechtersensibilisierung relevant gesetzt und in der Auseinandersetzung zwischen Wis-
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senschaft und Politik beziehungsweise Praxis verortet. Aufgezeigt wird ein von wissenschaftlicher Seite aus angestoßener Lernprozess, der anhand des Sprechens der Ministerin näher ausgeführt wird. Zu Beginn der Debatte erfolgte aus der Positionierung der Ministerin ein ausschließendes Sprechen über ›Jungen‹ und ›Männer‹. Dies hat sich im Laufe der Auseinandersetzung gewandelt hin zu einem Sprechen, in dem auch ›Frauen‹ und ›Mädchen‹ inkludiert wurden. Der Prozess der Geschlechtersensibilisierung wird im Sinne eines (de-)konstruktivistischen Sprechens mit der Frage verknüpft, wer eigentlich sichtbar ist. Auch hier werden Wissenschaft und Politik zueinander positioniert. Auf politischer Ebene wird ein Lernprozess proklamiert, der durch die Koordinationsstelle angestoßen wurde. Gleiches lässt sich für die Modellprojekte feststellen, in denen ebenso ein Prozess der Geschlechtersensibilisierung initiiert wurde. Herausgearbeitet wurde im Vorhergehenden ein wechselseitiger Prozess zwischen Politik und Wissenschaft, der sich entlang vergeschlechtlichten Macht/Wissens strukturiert. Während auf politischer Ebene die Rekrutierung von Männern im Fokus steht, erfolgen durch die wissensvermittelnden Positionierungen der Koordinationsstelle ›geschlechtersensible‹ Impulse, die sowohl Sichtbarkeiten als auch Sagbarkeiten eröffnen24.
SCHWEDEN Auf politisch-wissenschaftlicher Ebene lassen sich im schwedischen Diskurs ähnliche Positionierungen finden, jedoch ist diesen eine divergierende Fokussierung eingeschrieben. Während in Deutschland die Begrifflichkeit gender in Kitas aus oben erarbeiteten Gründen abgelehnt wurde, ist die Auseinandersetzung um genus25 i förskolan ein zentrales Element der schwedischen Debatte26. So wird in der Anthologie »Fler män i förskolan. En antologi om breddad rekrytering« (SKL 2015) die Bedeutung der Auseinandersetzung mit Geschlecht und Vorschule hervorgehoben.
24 | Gedacht wird dies auch als Erweiterung von Handlungsspielräumen. 25 | Aus einer feministischen Perspektive lässt sich die Differenzierung der Begrifflichkeiten ›kön‹ und ›genus‹ wie folgt fassen: In Schweden wurde »von der Begrifflichkeit ›kön‹ (Geschlecht) zu ›genus‹ (als Versuch einer Übersetzung von Gender) gewechselt […], um jetzt wieder auf ›kön‹ zurückzukommen und die Grundsätzlichkeit der sozialen Konstruktion durch die Verwendung des Begriffs, der zuvor eine Natürlichkeit von Geschlecht zum Ausdruck brachte, zu betonen« (Walgenbach 2007, S. 85). 26 | So gab es zum Beispiel von 2003 bis 2006 eine Untersuchung von Regierungsseite, die sich mit der Frage nach Gleichstellung in der Vorschule auseinandergesetzt hat (SOU 2004: 115; SOU 2006:75).
6. Sprechen zwischen Politik_Wissenschaf t _Praxis »Eine fortgesetzte Debatte über Gleichstellung und gender in der Vorschule trägt dazu bei, die Bedeutung von Männern in der Vorschule zu normalisieren und zu minimieren. Das kann dazu führen, dass mehr Männer die Vorschule wählen, da sie nicht in erster Linie ihr Geschlecht in der Vorschule repräsentieren, sondern auf Grundlage ihrer Kompetenzen und ihrer Interessen eintreten (Heikkilä 2015c, S. 61/eigene Übersetzung) 27.
Es wird davon ausgegangen, dass eine vertiefte Auseinandersetzung mit Gleichstellung und gender in der Vorschule die Bedeutung von ›Männern in der Vorschule‹ normalisiert und damit gleichzeitig vermindert. Dies geht mit der Problematisierung einher, dass ›Männer in der Vorschule‹ eben nicht nur als Repräsentanten ihres biologischen Geschlechts gesehen werden können oder sollten, sondern deren Berufswahl auch als kompetenz- und interessengeleitet sichtbar gemacht werden soll. Dieser Positionierung, in der Gleichstellung durch die bewusste Auseinandersetzung mit gender erreicht werden soll, stehen Aussagen entgegen, die das biologische Geschlecht in den Fokus rücken. »So within the middle of 2000 I was the most unmodern person in Sweden. Perhaps not the most hated, but I was definitely […] a ›no-no person‹, […] within the university, within the equality movement, […] ›He is bad, he is evil.‹ […]. It’s also the Swedish way: if you are a third wave feminist and we have this agreement ›don’t talk about boys‹ […]. We have this structural unbalance, and if you are a man and in some way not proud, but you are not […] ashamed as well. At least it’s a problem, because the Swedish theories, Connell, Kimmel, and this […] very critical movement said: ›We got to fight masculinity‹, and here comes this guy […] and says: ›Well, I can handle it‹. So it was very tense« (Schweden Text VII, S. 3).
In der Äußerung wird ein Sprechen, welches das biologische Geschlecht betont, als marginalisiertes Sprechen verortet und unter anderem mit der Zuschreibung »most unmodern« belegt. Daran anschließend erfolgt eine zweifache In-Beziehung-Setzung. Damit wird der Positionierung ein wertendes Moment eingeschrieben, »[p]erhaps not the most hated«, welches in Bezug auf die Universität und die Gleichstellungsbewegung mit einer institutionellen Nicht-Sagbarkeit verknüpft wird. Hervorgehoben wird diese Nicht-Sagbarkeit durch die Zuschreibung »he is bad, he is evil«. In der Äußerung wird eine biologistische Sprecher*innenposition bezogen, die sich durch Abgrenzung zu einem hegemonialen Sprechen eines Drit27 | »Ett fortsatt samtal om jämställdhet och genus i förskolan bidrar till att normalisera och minimera betydelsen av män i förskolan. Det kan göra att fler män väljer förskolan för att de slipper att i första hand representera sitt kön i förskolan, utan istället får vara verksamma utifrån sin kompetens och sitt intresse« (SKL 2015, S. 61).
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ten-Welle-Feminismus bildet. Darin wird Männlichkeit und Mann-Sein nur im Rahmen kritischer Männlichkeitsforschung thematisierbar und nicht, wie in der obigen Äußerung, mit einer positiven Konnotierung belegt. Hervorgebracht wird diese als etwas sehr Spannungsvolles. Daran anknüpfend werden in folgender Äußerung konstruktivistische Sprecher*innenpositionen problematisiert. »And the groups 28 say: ›Sex is a social construction‹. It’s rather isolated because it’s: ›Well, so we can damn them, we can analyze it and do our own interpretation‹. But most of the Swedish people think: ›Well, social construction, yes‹ […]. They are [men in preschool ID] very appreciated. For different reasons, some bosses always they want pure masculinity: ›Come here and be the man‹« (Schweden Text VII, S. 8).
In der Äußerung lässt sich eine Brüchigkeit erkennen, die der Herstellung der gesellschaftlichen Akzeptanz besonders in Schweden eingeschrieben ist. Die Feststellung, dass die Mehrheit der Bevölkerung mehr ›Männer in der Vorschule‹ unterstützt, geht mit der Abgrenzung zu Gruppierungen einher, die Geschlecht unter einer sozialkonstruktivistischen Perspektive fassen. In der Herstellung der Erwünschtheit von ›Männern‹ findet eine Marginalisierung und Abwertung von sozialkonstruktivistischen Sprecher*innenpositionen statt. Im Gegensatz dazu wird mit der Begrifflichkeit ›pure masculinity‹ ein biologistisches Moment betont. Deutlich wird, dass der Geschlechterdiskurs, der der Debatte ›fler män i förskolan‹ zugrunde liegt, durch konflikthafte Sprecher*innenpositionen gekennzeichnet ist, die sich zwischen (De-)Konstruktion und Naturalisierung bewegen. In der Gegenüberstellung zur vorhergehenden Positionierung, die die Veränderung gesellschaftlicher Normen fokussiert, wird deutlich, dass nicht, wie in der deutschen Debatte aufgezeigt, biologistische Positionierungen hegemonial sind. Vielmehr ist es in der schwedischen Debatte legitimer, Äußerungen von sozialkonstruktivistischen Sprecher*innenpositionen aus zu formulieren. Demgegenüber steht die biologistische Positionierung, die mehr ›Männer in der Vorschule‹ fordert.
6.2 P olitik /W issenschaf t – S prechen über P r a xis Neben den Sprecher*innenpositionen, die sich an der Schnittstelle zwischen Politik und Wissenschaft verorten, lässt sich deren Verflechtung zur Praxis erkennen. Dies ist gekennzeichnet durch die divergierenden Desiderate, die 28 | Gemeint sind an dieser Stelle die Personen, die die Kampagne auf nationaler Ebene begleiten.
6. Sprechen zwischen Politik_Wissenschaf t _Praxis
mit den unterschiedlichen Sprecher*innenpositionen aus Politik und Wissenschaft einhergehen. Einerseits wird auf Ebene des Personals die Erhöhung der Anzahl männlicher Erzieher gefordert. Demgegenüber steht andererseits auf einer geschlechter- beziehungsweise bildungspolitischen Ebene die Implementierung von gender im elementarpädagogischen Bereich. Eine zentrale diskursive Regelhaftigkeit, die sich erkennen lässt, ist, dass Praxis vor allem in einem Sprechen-Über hergestellt wird.
DEUTSCHL AND Exemplarisch verdeutlicht wird dies anhand folgender Stelle aus dem Artikel »Männer in Kitas – welche Bedeutung hat das Geschlecht pädagogischer Fachkräfte?«: »Seit Anfang des Jahres 2010 gibt es eine deutschlandweit tätige, vom BMFSFJ geförderte Koordinationsstelle ›Männer in Kitas‹, angegliedert an die Katholische Hochschule für Sozialwesen in Berlin. Sie will dazu beitragen, den Anteil männlicher Fachkräfte in Kindertagesstätten mittel- und langfristig zu steigern. Ihre Hauptaufgaben sind Information, Vernetzung und Unterstützung der Praxis sowie strategische Beratung von Trägern und Politik. Die Koordinationsstelle fördert den Dialog zwischen Politik, Praxis und Forschung, um die Perspektiven für Männer im Arbeitsfeld Kindertageseinrichtungen zu verbessern, Strategien zur Erhöhung des Anteils männlicher Fachkräfte (weiter-)zu entwickeln und eine gute Zusammenarbeit von Männern und Frauen zu fördern. Angestrebt wird, alle Akteure im Bereich der frühkindlichen Erziehung und Bildung für das Thema ›Männer in Kitas‹ zu sensibilisieren und mit diesen gemeinsam Strategien zur Erhöhung des Männeranteils umzusetzen« (Rohrmann et al. 2010, S. 10).
Neben der Positionierung der Koordinationsstelle auf politischer und wissenschaftlicher Ebene erfolgt in der Äußerung eine In-Beziehung-Setzung zur Praxis. Als Zielsetzung der Koordinationsstelle wird die mittel- und langfristige Erhöhung der Anzahl männlicher Fachkräfte formuliert. Um dies bewerkstelligen zu können, ist eine Verknüpfung verschiedener Bereiche notwendig. Dies wird als Hauptaufgabe der Koordinationsstelle hervorgebracht, welche damit zur Vermittlungsinstanz zwischen Politik, Praxis und Forschung wird. Verstanden wird dies als Dialog, der zwischen den drei in sich geschlossenen Bereichen hergestellt wird. In der Formulierung der verschiedenen Aufgaben lässt sich erkennen, dass dieser Dialog nicht per se als gleichberechtigt zu verstehen ist. Vielmehr ist es Aufgabe der Koordinationsstelle, die Praxis zu informieren, zu vernetzen und zu unterstützen. Das Feld soll für Fragen in Zusammenhang mit ›Männern in Kitas‹ sensibilisiert werden, und gleichzeitig sollen zusammen mit den Akteur*innen auf praktischer Ebene Strategien entwickelt werden, um den Männeranteil zu erhöhen.
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Die Initiative ›Männer in Kitas‹ wird an dieser Stelle zu einer Top-downStrategie, der ein hierarchisierendes Moment des Sprechens zwischen Politik, Wissenschaft und Praxis eingeschrieben ist. Praxis wird auf einer Wissensebene als defizitär hervorgebracht. Erst durch Sensibilisierungsstrategien, die auf politischer/wissenschaftlicher Ebene verortet sind, wird das Thema ›Männer in Kitas‹ und damit auch Geschlecht zu etwas Relevantem im elementarpädagogischen Bereich. Gleichzeitig zur ›Betreuung‹ von Praxis wird als weitere Aufgabe der Koordinationsstelle die strategische Beratung von Trägern und Politik genannt. Daraus resultierend bewegt sich das Sprechen der Koordinationsstelle in einem Spannungsfeld zwischen politischer Legitimation, Politikberatung und der Sensibilisierung der Praxis für die Thematik. Diese nimmt als Verknüpfungspunkt eine Schlüsselstelle zwischen politischem und Sprechen aus der Praxis ein und bringt gleichzeitig in dieser Positionierung eigenes Macht/Wissen von Geschlecht in den Diskurs ein. Ein zentraler Punkt ist die Implementierung von geschlechterpädagogischen Fragen in die frühkindliche Bildung. Ausgehend vom Anspruch der Sensibilisierung der Praxis für Geschlechterfragen wird insbesondere in der deutschen Debatte die Implementierung von Genderpädagogik gefordert. Trotz der im Vorhergehenden aufgeführten institutionellen Schließungen gegenüber dem BMBF rücken an dieser Stelle bildungspolitische Fragen in den Fokus. »Aktivitäten zur Erhöhung des Männeranteils können nicht nur auf dem persönlichen Engagement Einzelner beruhen. Sie brauchen gesellschaftliche und politische Unterstützung, und sie müssen in den Kontext der Qualitätsentwicklung und Professionalisierung von Kindertageseinrichtungen eingebunden werden. Fachlich ist dabei eine Perspektive erforderlich, die Geschlechtergerechtigkeit insgesamt zum Thema der Elementarpädagogik macht« (Rohrmann et al. 2010, S. 10f.).
In der Äußerung lässt sich eine Gegenüberstellung und Verknüpfung divergierender Bereiche erkennen, die zur Erhöhung des Männeranteils beitragen. Ausgehend von der Feststellung, dass es nicht möglich sei, diesen alleine durch das persönliche Engagement Einzelner zu erhöhen, werden divergierende Bereiche in die Pflicht genommen. Einerseits ist dies eine gesellschaftliche und politische Unterstützung. Andererseits wird die Erhöhung der Anzahl männlicher Erzieher in den Kontext von Qualitätsentwicklung und Professionalisierung gestellt. Diese Kontextualisierung der Erhöhung des Männeranteils wird verknüpft mit der inhaltlichen Ausrichtung des elementarpädagogischen Bereichs. Gefordert wird, dass Geschlechtergerechtigkeit auch fachlich in den Blick genommen werden muss. Resultierend aus dieser Forderung erfolgt eine
6. Sprechen zwischen Politik_Wissenschaf t _Praxis
Verknüpfung der gleichstellungs- und arbeitsmarktpolitischen Strategie mit bildungspolitischen Zielsetzungen. »Von daher, glaube ich, hat dieses Projekt bei den Akteuren, mit denen wir wirklich konfrontiert waren, in der Praxis immer zu einer Sensibilisierung geführt. Also auch die Wahrnehmung, dass über das Thema Männer in Kitas tatsächlich überhaupt nur Geschlecht zum Thema wurde« (Deutschland Text II, S. 5).
Wie in der Äußerung, artikuliert aus der Position der Koordinationsstelle, deutlich wird, geht es nicht nur um die Implementierung von Genderpädagogik im elementarpädagogischen Bereich. Vielmehr soll aus dieser Position heraus überhaupt die Frage nach Geschlecht sichtbar gemacht werden. Wie schon auf Ebene des politischen Sprechens lässt sich ein hierarchisiertes Wissensverhältnis erkennen. Erst durch das Zusammentreffen von Politik/Wissenschaft und Praxis und die damit einhergehenden Auseinandersetzungen zu ›Männern in Kitas‹ erfolgt eine Sensibilisierung der Praxis und wird Geschlecht überhaupt zu einem Thema. Erkennen lässt sich eine doppelte Sichtbarmachung von Geschlecht. Einerseits stellt sich die Frage nach vergeschlechtlichten Personalstrukturen und damit einhergehenden Ungleichheitsverhältnissen, andererseits rückt die inhaltliche Ausrichtung des elementarpädagogischen Bereichs in Bezug zu Geschlechterfragen in den Fokus. Zu erkennen ist eine Positionierung der Koordinationsstelle als Vermittlungsinstanz, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, Geschlechterfragen im elementarpädagogischen Bereich zu implementieren. Mit dem Sprechen aus dieser Position erfolgt gleichzeitig eine Hervorbringung als Geschlechterforscher*in beziehungsweise Genderexpert*in. Deutlich wird dies in folgender Äußerung aus der Einleitung der Praxis-Handreichung »Geschlechtersensibel pädagogisch arbeiten in Kindertagesstätten – Forschungsergebnisse und Praxisempfehlungen« der Koordinationsstelle »Männer in Kitas« (2014). Ausgehend von Überlegungen, die sich mit »Gender in der Geschlechterforschung und in der Kita-Praxis« auseinandersetzen, wird dieses Verhältnis unter der Überschrift »Gender im Dialog zwischen Wissenschaft, Praxis und Gesellschaft« genauer ausgeführt. Deutlich werden in diesen Ausführungen nicht nur divergierende, teilweise konflikthafte Positionierungen des Sprechens, sondern auch vereinheitlichende Diskursstrategien. »In der Doppelfunktion als feministische Geschlechterforscherinnen und Geschlechterforscher einerseits sowie als Genderexperten und -expertinnen andererseits werden wir als Mitarbeitende der Koordinationsstelle ›Männer in Kitas‹ seit 2010 aus Mitteln des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) gefördert. Als vermittelnde und begleitende Institution haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, im Dialog mit Akteurinnen und Akteuren des Berufsfelds Kindertagesstätte die Ergebnisse
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Männlichkeiten im Wandel und Handlungsempfehlungen aus unseren Forschungsprojekten ›Gender Loops‹ (Krabel/Cremers 2008 29; Krabel u.a. 2008 30) und ›Männliche Fachkräfte in Kindertagesstätten‹ (Cremers u.a. 2010) 31 in die Praxis umzusetzen und diese mit einer geschlechtersensiblen Öffentlichkeitsarbeit zu verbinden […]« (Koordinationsstelle Männer in Kitas 2014, S. 5).
In der Äußerung werden divergierende institutionell hervorgebrachte Positionierungen hergestellt, von denen aus im Diskurs gesprochen werden kann. An erster Stelle wird die Position der feministischen Geschlechterforscher*in genannt. Demgegenüber wird die Begrifflichkeit der/des Genderexpert*in gestellt. Durch die Doppelfunktion, die den Begrifflichkeiten eingeschrieben ist, werden Geschlechterforscher*innen und Genderexpert*innen als etwas nicht Gleiches und damit Differentes hergestellt. Hieraus resultiert eine Trennung zwischen einem forschenden, einem wissenschaftlichen Zugang zu Geschlecht und einem Expert*innenstatus, der in Bezug zu gender und damit der sozialen Hervorbringung von Geschlecht eingenommen werden kann. Zugrunde liegt der Differenzierung eine Trennung zwischen einer wissenschaftlichen und einer praxisrelevanten Auseinandersetzung zu Geschlecht. Legitimiert wird das Sprechen durch die Einnahme der Rolle der Mitarbeitenden der Koordinationsstelle. Diese wurde eingerichtet und gefördert durch das BMFSFJ. Die im Diskurs eingenommenen Positionen sind damit durch staatliche Macht institutionalisiert und legitimiert. Wiedererkennen lässt sich das im Vorhergehenden ausgeführte Sprechen an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Politik. Gleichzeitig wird die Koordinationsstelle zu einer Vermittlungsinstanz zwischen Politik und Praxis. Durch die Selbstzuschreibung einer vermittelnden und beratenden Institution entsteht ein Moment der doppelten In-Beziehung-Setzung. Einerseits wird die Positionierung der Mitarbeitenden der Koordinationsstelle, die mit der Zuschreibung Forscher*innen gefüllt wird, zu einem Sprachrohr für einen politischen Auftrag. Andererseits wird die Position in Beziehung zu Akteur*innen des Berufsfelds Kindertagesstätte gesetzt. Durch den Anspruch, »Ergebnisse und Handlungsempfehlungen aus unseren Forschungsprojekten […] in die Praxis umzusetzen«, erhält 29 | Krabel, Jens; Cremers, Michael (Hg.) (2008). Gender Loops. Praxisbuch für eine geschlechterbewusste und -gerechte Kindertageseinrichtung. Berlin. 30 | Krabel, Jens; Cremers, Michael; Debus, Katharina (Hg.) (2008). Gender Loops. Curriculum für Dozent/innen und Lehrer/innen: Ideen, methodisch-didaktisches Material und Instrumente für die Aus- und Fortbildung von Erzieher/innen. Berlin. 31 | Cremers, Michael; Krabel, Jens; Calmbach, Marc; Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hg.) (2010). Männliche Fachkräfte in Kindertagesstätten. Eine Studie zur Situation von Männern in Kindertagesstätten und in der Ausbildung zum Erzieher. Berlin.
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die In-Beziehung-Setzung eine Hierarchisierung. Aus Perspektive der feministischen Geschlechterforscher*innen sowie der Genderexpert*innen soll Wissen in die Praxis übermittelt werden. Weitergeführt wird diese hierarchisierte Dialogisierung zwischen Wissenschaft und Praxis in dem Anspruch, die Thematik mit einer geschlechtersensiblen Öffentlichkeitsarbeit zu verbinden.
SCHWEDEN Auch in der schwedischen Debatte lässt sich eine Hierarchisierung zwischen Politik/Wissenschaft und Praxis erkennen. Exemplarisch wird dies im Folgenden an einer Äußerung, gesprochen aus einer wissenschaftlichen Sprecher*innenposition, gezeigt, welche sich mit einem durch die Regierung initiierten Projekt zu Geschlecht in der Praxis auseinandersetzt. »And we had a project called ›Gender in practice‹ or something. […], and […] some of them, working with gender questions, they are inspired and started from the authorities 32. So you can see that this is a very cared for issue in the authorities. On the department level, on the political level it’s very cared for, and it is like you can see a distance in the value pattern on the central level and when you go to the local level: It’s more conservative on the local level. It’s not so important. But if you go to the central level on the department, the political level, it’s a very highly valued question about gender equality. So if you analyze documents, you can see a lot of gender equality, but if you go to the local plan for work in the preschool, you can see is lacking. So there is a real tension between the central level and the local level about gender strategies« (Schweden Text VI, S. 9f.).
Wie schon in der deutschen Debatte lässt sich auch hier die Implementierung von Geschlechterfragen in der Praxis als eine Top-down-Strategie erkennen. Die Initiierung der Auseinandersetzung mit Geschlechterfragen erfolgte von politischer Seite im Rahmen eines Projekts zu Geschlecht in der Praxis. Im Gegensatz zu Deutschland, wo Geschlechterpädagogik vor allem durch die vermittelnde Instanz der Koordinationsstelle mit eingebracht wird, ist dies in Schweden von politischer Seite gewollt. Wiedererkennen lässt sich die Diskrepanz zwischen politischem Willen und der Umsetzung auf einer praktischen Ebene. Während das Thema der Gleichstellung auf politischer Ebene als sehr wichtig eingestuft wird, kommt ihm auf lokaler Ebene kaum Wichtigkeit zu: »It’s not so important«. Diese Diskrepanz wird erklärt mit divergierenden Wertemustern. Einer aufgeschlossenen Regierungsebene wird eine konservative lokale Ebene gegenübergestellt. Deutlich wird dies ebenso in einer Gegenüberstellung politischer Dokumente, die sich mit Gleichstellung auseinandersetzen, und den Arbeitsplänen auf einer lokalen Ebene. Erkennen lässt sich ein 32 | Gemeint sind an dieser Stelle schwedische Regierungsbehörden.
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Spannungsverhältnis zwischen den auf Regierungsebene initiierten GenderProgrammen und der Umsetzung auf lokaler Ebene. Praxis wird an dieser Stelle ebenso wie in der deutschen Debatte in einem Sprechen-Über als etwas Eigenständiges, unabhängig von politisch-wissenschaftlichen Diskursen hervorgebracht. Wie im Weiteren gezeigt wird, lässt sich Wissen als zentrales Moment der Positionierung erkennen.
6.2.1 Wissen als Moment der Positionierung Wie schon anhand der Begrifflichkeit der Sensibilisierung in Kapitel 6.1.2 deutlich wurde, setzen sich Positionierungen des Sprechens sowohl in Zusammenhang von Politik und Wissenschaft als auch von Politik/Wissenschaft und Praxis über die Frage nach Wissen in Beziehung. Vor allem in Deutschland geschieht dies in einer hierarchisierenden Bewegung. Wissenschaft erscheint als ein Ort, der für bestimmtes Wissen sensibilisiert und von dort aus Geschlechterwissen in die Praxis oder die Politik vermittelt.
6.2.1.1 Wissenstransfer zwischen Politik/Wissenschaft und Praxis Wie im Folgenden gezeigt wird, werden den hierarchisierten Positionierungen zwischen Politik/Wissenschaft und Praxis divergierende Formen von Geschlechterwissen zugrunde gelegt. Aufgezeigt wird dies anhand einer Auseinandersetzung formuliert aus der Position der Koordinationsstelle ›Männer in Kitas‹. Diese setzte sich im Rahmen des Beitrags »Geschlechtersensibel pädagogisch arbeiten in Kindertagesstätten – Handreichung für die Praxis« (kritisch) mit der Frage nach Geschlechterwissen auseinander. Dies geschieht im Verweis auf den Artikel »Gleichstellungspolitik im Spannungsfeld unterschiedlicher Spielarten von Geschlechterwissen« (Wetterer 2009). Reflektiert wird die Position des Sprechens der Koordinationsstelle in Bezug auf divergierendes ›Geschlechterwissen‹. Nicht deutlich wird die Positionierung der Koordinationsstelle zu Wetterer. Einerseits wird die Kritik an der Hierarchisierung von Geschlechterwissen aufgegriffen, andererseits werden die unterschiedlichen Spielarten von Geschlechterwissen jedoch auch reproduziert. »Die Schwierigkeit und Herausforderung liegt u.a. darin, dass unterschiedliche Gesellschaftsmitglieder bzw. -gruppen nicht nur recht Unterschiedliches über die Geschlechter wissen, sondern sie halten auch ›Unterschiedliches für wissenswert und orientieren sich bei der Beurteilung dessen, was für sie wissenswert und glaubwürdig ist, offenkundig an je eigenen Gütekriterien‹ (Wetterer 2009, S. 46) 33 . In ihrem Artikel ›Gleichstel33 | Wetterer, Angelika (2009): Gleichstellungspolitik im Spannungsfeld unterschiedlicher Spielarten von Geschlechterwissen. In: GENDER Zeitschrift für Geschlecht, Kultur und Gesellschaft 1, S. 45-60.
6. Sprechen zwischen Politik_Wissenschaf t _Praxis lungspolitik im Spannungsfeld unterschiedlicher Spielarten von Geschlechterwissen‹ bezieht sich Angelika Wetterer auf ›Gender-ExpertInnen, feministische TheoretikerInnen, und die Frauen (und Männer) auf der Straße‹ (Wetterer 2009, S. 46). Sie merkt kritisch an, dass ›Einsichten der Geschlechterforschung […] aus Sicht der ›normalen‹ Gesellschaftsmitglieder oft alles andere als plausibel und keineswegs nur aus terminologischen Gründen ein Buch mit sieben Siegeln [sind]‹ (Wetterer 2009, S. 46)« (Koordinationsstelle Männer in Kitas 2014, S. 6).
In Bezug auf den Artikel »Gleichstellungspolitik im Spannungsfeld unterschiedlicher Spielarten von Geschlechterwissen« wird in der Äußerung problematisiert, dass Wissen über Geschlecht je nach gesellschaftlicher Gruppierung sehr unterschiedlich sein kann. Dies geschieht mit dem Verweis, dass die unterschiedlichen Gruppierungen ihre je eigenen Gütekriterien zur Bewertung heranziehen. Daran anknüpfend erfolgt eine Ausdifferenzierung »in Gender-Expert*innen, feministische Theoretiker*innen, und die ›Frauen‹ (und ›Männer‹) auf der Straße«, welche als in sich geschlossene, homogenisierte Gruppierungen entworfen werden, die in Differenz zueinander stehen. Hervorgebracht wird eine Unterscheidung zwischen Praxis, Wissenschaft und Alltag. Dies spiegelt sich in der hierarchisierenden Gegenüberstellung zwischen Geschlechterforschung und ›normalen‹ Gesellschaftsmitgliedern wider. Geschlechterforscher*innen werden als außerhalb von Gesellschaft hervorgebracht. Durch diese Schematisierung wird Wissen nicht als etwas verstanden, das permanent ausgehandelt wird, sondern als etwas, das den verschiedenen Gruppierungen manifest eingeschrieben ist. In der weiteren Ausführung findet eine Ausformulierung der unterschiedlichen Arten von Geschlechterwissen statt. »Insofern ›die Unterschiede zwischen Alltagswissen, Gender-ExpertInnenwissen und wissenschaftlichem Geschlechterwissen überhaupt thematisiert werden, geschieht dies vielfach im Rahmen einer stillschweigenden, weil als selbstverständlich geltenden Hierarchisierung des Wissens, der zufolge wissenschaftliches Wissen die profundesten Einsichten vermittelt und gutes ExpertInnenwissen sich dadurch auszeichnet, dass es diese Einsichten ›aufgreift‹, sie in der Praxis ›anwendet‹ und in die Sprache des Alltags ›übersetzt‹ […] (Wetterer 2009, S. 46)‹« (Koordinationsstelle Männer in Kitas 2014, S. 6).
Die Aufzählung divergierender Formen von Wissen folgt den oben benannten Gruppierungen und wird als Alltagswissen, Gender-ExpertInnenwissen und wissenschaftliches Geschlechterwissen verstanden. Schon die Benennungen der verschiedenen Wissensformen enthalten eine abgrenzende und gleichzeitige wertende Implikation. Wissenschaftliches Wissen wird als Wissen mit den profundesten Einsichten verstanden.
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Daran schließt sich Expert*innenwissen an, welches die wissenschaftlichen Erkenntnisse aufgreift und in eine Alltagssprache übersetzt. Am Ende der Aufzählung steht das Alltagswissen, welches es aus Sicht der anderen beiden Wissensformen zu verändern gilt. Durch diese Aufzählung entsteht eine Hierarchisierung. Im Verborgenen bleibt, dass Subjekte, je nach eingenommener Sprecher*innenposition, ganz unterschiedliches Geschlechterwissen in sich vereinen können. Gleichzeitig erfolgt durch die Homogenisierung der Gruppierungen eine Verdeckung divergierender Theoretisierungen von Geschlecht34. Aufgrund der in sich geschlossenen Formen von Geschlechterwissen wird der Wissenstransfer zu einer Einbahnstraße. Dies wird im Folgenden anhand der Problematisierung des Besserwissens aufgegriffen. »Diese Sichtweise würde aber einer ›Hierarchie des Besserwissens‹ und damit einer Kommunikations- und Austauschform folgen, die nicht dem Dialog und/oder der Interaktion, sondern der Belehrung entspricht (vgl. Wetterer 2009, S. 46). Um nun also in unserer Arbeit Belehrungen und/oder Vermittlungsschwierigkeiten zwischen unterschiedlichen Wissensqualitäten zu vermeiden, stand für uns als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Koordinationsstelle von Beginn an im Vordergrund, mögliche Strategien zur Erhöhung des Männeranteils in Kindertagesstätten und die Implementierung von geschlechterbewusster und -gerechter Pädagogik in einem gemeinsamen Dialog mit den beteiligten politischen Akteurinnen und Akteuren, den Trägerverantwortlichen und den Mitarbeitenden der 16 ESF-Modellprojekte im Programm ›MEHR Männer in Kitas‹ partizipativ-begleitend zu entwickeln« (Koordinationsstelle Männer in Kitas 2014, S. 6f.).
Nach Ausführungen zu divergierendem Geschlechterwissen erfolgt eine Abgrenzung zu dieser Hierarchisierung, der eine Form des Besserwissens immanent ist. Dies geht einher mit einer Positionierung zur Praxis. Verknüpft wird die ›Hierarchie des Besserwissens‹ mit der kommunikativen Form der Belehrung. In Abgrenzung dazu wird für die Zusammenarbeit zwischen der Koordinationsstelle sowie den Akteur*innen auf politischer beziehungsweise praktischer Ebene betont, dass dies von Beginn als gemeinsamer Dialog verstanden wurde. Umrissen wird damit aus der Positionierung der Koordinationsstelle ein Konfliktfeld, welches zu vermeiden versucht wird. Angestrebt wird aus dieser diskursiv hervorgebrachten Intention ein Dialog zwischen Wissenschaft und Praxis. Bestehen bleibt jedoch die Hervorbringung von hierarchisiertem Geschlechterwissen, welches Ausgangspunkt eines gemeinsamen Dialogs ist. Erkennen lässt sich ein konflikthaftes Verhältnis zwischen Politik/Wissen34 | Wie im Folgenden gezeigt wird, ermöglichen gerade diese eine Regierung von Geschlecht, der eine gleichzeitige Flexibilisierung und (Re-)Traditionalisierung von Geschlechterverhältnissen immanent ist.
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schaft und Praxis. Gekennzeichnet ist dies durch die Top-down verordneten Zielsetzungen der Erhöhung des Männeranteils sowie der Implementierung von geschlechterbewusster und -gerechter Pädagogik. Gleichzeitig wird die als feminisiert verstandene Praxis35 als defizitär hervorgebracht, die es durch die Vermittlung von (Geschlechter-)Wissen zu verändern gilt. An der Schnittstelle zwischen Politik und Wissenschaft erfolgt somit ein Sprechen für und über die Praxis. Im Gegensatz zu Deutschland, wo die Frage nach Geschlecht und Geschlechterpädagogik erst durch die Debatte ›Männer in Kitas‹ sichtbar und sagbar wird, lässt sich in Schweden im Sinne des gesellschaftlichen Leitbilds der ›jämställdhet‹ eine vertiefte Auseinandersetzung mit Geschlecht erkennen.
6.2.1.2 Das Desiderat der Reflexivität Im Gegensatz zur Hervorbringung der Praxis als in sich geschlossenes Wissensfeld findet sich insbesondere im schwedischen Diskurs eine Auflösung dieser Hierarchisierung durch die Betonung eines reflexiven Umgangs mit vergeschlechtlichten Macht- und Hierarchiestrukturen als gesellschaftspolitische Aufgabe. Vergeschlechtlichte Subjekte werden zu aktiven, eigenständigen Personen, denen die Aufgabe der Veränderung von Geschlechterverhältnissen übertragen und zugeschrieben wird. Eine Regierung von Geschlecht erscheint hier stärker im Sinne einer Selbstführungstechnologie. Wie anhand der folgenden Äußerung gezeigt wird, finden sich signifikante Verknüpfungen zwischen geschlechterpolitischen Zielsetzungen und dem (bewussten) Agieren auf praktischer Ebene. »I also recognized a degree of gender sensitivity within the Swedish men’s evident knowledge of their pre-school curriculum gender goals. The Swedish pre-school curriculum has a very specific statement about the need to address gender, putting this at the heart of its education on social and citizenship awareness development« (Warin 2015, S. 102).
In der Äußerung werden schwedische ›Männer‹ aus einer wissenschaftlichen Sprecher*innenposition als sensibilisiert für die Geschlechterthematik hervorgebracht. Dies wird mit der Fokussierung auf Geschlecht auf politischer Ebene verknüpft. Es wird angenommen, dass schwedische ›Männer‹ durch die Auseinandersetzung mit dem Lehrplan ein spezifisches Wissen über Zielsetzungen in Bezug auf Geschlecht erlangen und sich damit am Ende geschlechterbewusstes Handeln in deren Subjektkonstruktion einschreibt. Die Auseinandersetzung zu Geschlecht wird als gesellschaftliches ›Leitbild‹ und in der Konsequenz als Herzstück von Bildung benannt. Gleichzeitig 35 | Vgl. Kapitel 7.
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wird mit dieser Fokussierung ein Entwicklungsprozess auf sozial- und staatsbürgerlicher Ebene verknüpft. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass es zur Aufgabe der Vorschule wird, durch Bildungsprozesse auf ein kollektives Bewusstsein für vergeschlechtlichte Gesellschaftsstrukturen hinzuwirken. Dieser kollektive Wandel wird durch die Betonung von schwedischen ›Männern‹ als geschlechterbewusst der individuellen Verantwortung übergeben. Gleichzeitig wird für ›män i förskolan‹ die Positionierung als Genderexpert*innen auch auf der Ebene der Praxis eröffnet. Verdeutlicht wird dies anhand folgender Äußerung, in der die bewusste Auseinandersetzung mit Geschlecht als ein zentrales Charakteristikum für Männer, die sich für den Beruf des Vorschullehrers entschieden haben, hervorgebracht wird. »And that they 36 had a quite high level of knowledge about gender issues, that’s something that really struck me […] There was another researcher […], she had found that the national context and the national level of knowledge around gender issues seems to be linked to the knowledge of men. They have made unstereotyped choices. And I think that is interesting, to see how the common level in a society, the common knowledge in a society, how that actually plays a part in individual lives that way. […]. Well, they talk about masculinity, they talk about constructions of masculinity, they talk about the lack of gender equality, they talk about their role in the preschools, about what they can do to encourage gender equality« (Schweden Text III, S. 7).
Praxis wird nicht so deutlich wie in der deutschen Debatte einer Politik/Wissenschaft hierarchisch gegenübergestellt. Vielmehr wird ›Männern‹, die sich für den Beruf als Vorschullehrer entschieden haben, eine aktive Positionierung in der Auseinandersetzung mit Geschlechterfragen zugeschrieben, was Wirkung zu zeigen scheint: »that really struck me«. Zur Erklärung dieser Wirkung erfolgt in der Äußerung ein Verweis auf Wissenschaft. Erkennen lässt sich ein Zusammenhang zwischen nationalstaatlichen Grenzziehungen, dem gesellschaftlich hegemonialen Geschlechterwissen sowie dem Wissen der ›Männer‹, die eine geschlechtsuntypische Berufswahl treffen. Hergestellt wird eine Verknüpfung zwischen einem nationalstaatlich begrenzten gesellschaftlichen Macht/Wissen und dem Agieren auf einer individualisierten Ebene. Zu erkennen ist eine untrennbare Verknüpfung zwischen Struktur und Subjekt. Im Gegensatz zum Sprechen über Praxis wird diese mit dem Verweis auf das Geschlechterbewusstsein männlicher Erzieher nicht als etwas Passives, zu Veränderndes hergestellt, sondern in Bezug auf Gleichstellungsfragen als etwas aktiv Veränderndes. Die Erzieher sprechen nicht nur über Männlichkeit, sondern aus einer konstruktivistischen Sprecher*innenposition über 36 | »They« bezieht sich auf eine Interviewstudie im Rahmen der Auseinandersetzung zur Rekrutierung von ›fler män i förskolan‹.
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die Hervorbringung von Männlichkeit, eine mangelnde Gleichstellung und ihre eigene Rolle in der Vorschule. Verknüpft wird dies mit dem Anspruch, Gleichstellung zu fördern. Erkennen lässt sich die besonders für den schwedischen Diskurs signifikante Forderung nach einem reflexiven Umgang mit Geschlecht beziehungsweise Geschlechterwissen. Wie im Folgenden gezeigt wird, wird Reflexion als zentrale Strategie zur Erreichung von Gleichstellung verstanden. Als durchgehendes Muster lässt sich in der schwedischen Auseinandersetzung die Bezugnahme auf die Begrifflichkeit der awareness erkennen. Mit dieser wird den Subjekten aus einer politisch/wissenschaftlichen Perspektivierung ein aktives Moment eingeschrieben, sie werden als eigenständig handelnd hervorgebracht. Gleichzeitig wird die Fokussierung auf vergeschlechtlichtes Macht/Wissen als Möglichkeit hervorgebracht, mehr Geschlechtergerechtigkeit zu etablieren. »Actually, when I was working as a preschool teacher and when I was starting to do my PhD thesis, when I was more focused on how we as preschool teachers position girls and boys, then I was doing a feministic analysis, then I was moving from this question about men in preschool. […]. I wasn’t so interested in saying: ›We have to have more men in preschool‹, it was more like a focus on the gender awareness in the preschoolsʼ staff« (Schweden Text IV, S. 1).
In der Äußerung wird eine scheinbar zwangsläufige Entwicklung formuliert: gender awareness scheint automatisch aus der oberflächlichen Rekrutierung von ›Männern‹ in die Vorschule zu folgen. Diese Bewegung kann exemplarisch für den Prozess gefasst werden, der in der Auseinandersetzung zwischen Politik/Wissenschaft und Praxis initiiert werden soll. Erkennen lässt sich in der Ausführung, wie Veränderungen von Perspektivierungen mit einem Wandel von Sprechen in Bezug auf die Frage nach der Erhöhung des Männeranteils einhergehen. Zu Beginn erfolgt eine Positionierung in der Praxis, welche mit dem Desiderat verknüpft wird, den Männeranteil zu erhöhen. Erst eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Geschlecht erweitert die Forderung nach mehr Männern zu einem Prozess des Gender awareness. In der Äußerung erfolgt eine Verschiebung weg von einer lebensweltlichen hin zu einer wissenschaftlichen Positionierung. Dieser wird die Forderung nach gender awareness eingeschrieben. Wird zu Beginn der Äußerung aus einer Ich-Position gesprochen, wird die Fokussierung auf die Positionierung von ›Jungen‹ und ›Mädchen‹ aus einer kollektiven Sprecher*innenposition heraus artikuliert. »So when the Swedish government said they wanted to increase the number of men in preschools then I was […] returning to this question, but now from a feministic point of view. So I was […] problematizing: ›Is it okay that we just say we want more male pre-
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Männlichkeiten im Wandel school teachers? No, we also have to focus on equality among the preschool teachers and so on.‹ So it’s not just about the preschool teachersʼ sex, it’s also that the men we are interested to recruit have to have awareness about gender issues and so on, as well as the female teachers of course. So it’s not just a question about the number of males. It’s also a question about continuing […] equality, this work with gender issues« (Schweden Text IV, S. 1).
Die im Vorherigen geschilderte persönliche beziehungsweise wissenschaftliche Auseinandersetzung wird durch die Implementierung eines Programms zur Erhöhung des Männeranteils auch auf politischer Ebene relevant. Aufgrund des durchlaufenen Veränderungsprozesses erfolgt eine verstärkte Identifizierung mit der politischen Programmatik. Gleichzeitig wird diese aus einem feministischen Blickwinkel hinterfragt und problematisiert: »Is it okay that we just say we want more male preschool male preschool teachers?« Diese Frage wird mit einem Nein beantwortet. Problematisiert wird daran anknüpfend, dass die alleinige Rekrutierung von Männern nicht ausreichend ist, um Gleichstellung zu erreichen. Vielmehr geht es um die Schaffung eines Bewusstseins des Vorschulpersonals für vergeschlechtlichte Problematiken. Wie auch in der deutschen Debatte wird aus einer wissenschaftlichen Positionierung die alleinige Erhöhung der Anzahl von männlichen Erziehern als verkürzt verstanden, weshalb mit der Frage nach Wissen von Geschlecht und Geschlechterbewusstsein pädagogische beziehungsweise bildungspolitische Elemente eingebunden werden. Die Rolle der Erzieher bewegt sich damit nicht mehr nur zwischen gleichstellungs- und arbeitsmarktpolitischen Forderungen, sondern wird um bildungspolitische Fragen ergänzt. In der Verflechtung von Sprecher*innenpositionen zwischen Politik/Wissenschaft und Praxis wird Schweden wiederholt als Vorbild hervorgebracht. Die Initiierung einer Auseinandersetzung mit Geschlecht auf praktischer Ebene wird als innovativer Moment schwedischer Gleichstellungspolitik verstanden. Die Veränderung von Geschlechterkonstruktionen wird an dieser Stelle zu einer individualisierten Aufgabe, die den Subjekten als Moment von Selbstführung eingeschrieben ist. In beiden Ländern erscheint die Praxis als Gegenstand, den es zu beforschen und zu verändern gilt. Neben der Erhöhung der Anzahl männlicher Erzieher wird die Frage nach Geschlechterwissen relevant. Die Frage nach der Thematisierung von Geschlecht rückt vor allem auf zwei Ebenen in den Fokus. Wie gezeigt, wird insbesondere in der schwedischen Debatte ein reflexiver Umgang des Personals mit eigenen Geschlechtervorstellungen sowie vergeschlechtlichten Gesellschaftsstrukturen gefordert. Demgegenüber steht in Deutschland der Anspruch, im elementarpädagogischen Feld Geschlecht und damit einhergehende Geschlechterfragen sichtbar zu machen.
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Bis dato waren diskursive Positionierungen im Fokus und wie diese in der Verflechtung zwischen Politik/Wissenschaft und Praxis ein Sprechen über ›Männer in Kitas/män i förskolan‹ und damit Geschlecht strukturieren37. Aufgezeigt wurden divergierende Mechanismen der Fremd- und Selbstführung und der Einschreibung von vergeschlechtlichtem Macht/Wissen. In der bisherigen Analyse wurde nur bedingt mitberücksichtigt, dass vergeschlechtlichtes Macht/Wissen sehr verschieden gefasst werden kann. Wie in Kapitel 7 gezeigt wird, wird erst durch das Zusammenspiel unterschiedlicher Macht/Wissensordnungen eine Verschiebung vergeschlechtlichter Grenzziehung möglich, der jedoch gleichzeitig eine (Re-)Traditionalisierung immanent ist. Neben den Positionierungen, die sich zwischen Politik/Wissenschaft und Praxis aufmachen, wurde als Weiteres im Laufe der Analyse des Datenmaterials eine (abgrenzende) Positionierung zu einer sogenannten Jungenkrise sichtbar. Während vor allem im öffentlichen/medialen Diskurs das Fehlen männlicher Vorbilder im elementarpädagogischen Bereich problematisiert wird, wird dies an der Schnittstelle Politik/Wissenschaft in beiden Ländern nur bedingt artikuliert.
6.2.2 Positionierungen zu einer Jungenkrise In der öffentlichen medialen Debatte ist die Forderung nach (mehr) ›Männern‹ im elementarpädagogischen Bereich eng mit der Problematisierung von ›Jungen‹ als Bildungsverlierer verknüpft38 (vgl. Fegter 2012, 2014). Die Subjektposition der vernachlässigten ›Jungen‹ wird der Anwesenheit von ›Frauen‹ und der Abwesenheit von ›Männern‹ gegenübergestellt 39. Zum diskursiven Bezugspunkt wird die Frage nach dem Kindeswohl, welches durch eine Bevorzugung von ›Mädchen‹ und damit einer gleichzeitigen Benachteiligung von ›Jungen‹ durch weibliche Erzieherinnen als gefährdet gesehen wird. Diese Regelhaftigkeit lässt sich in der Auseinandersetzung an der Schnittstelle zwischen Politik und Wissenschaft nur bedingt wiederfinden. Vor allem in der schwedischen Debatte lässt sich eine deutliche Abgrenzung von diesem Argument erkennen.
37 | Neben der Position, dass Politik/Wissenschaft über Praxis sprechen, lässt sich in der schwedischen Debatte die Position Wissenschaft/Praxis erkennen, die der in der deutschen Debatte suggerierten Trennbarkeit von Wissenschaft und Praxis gegenübersteht. 38 | Vgl. die Streitschrift »Jungen als Bildungsverlierer. Brauchen wir eine Männerquote in Kitas und Schulen?« (Hurrelmann/Schultz 2012). 39 | Im Kontrast zur aktuellen Forderung nach mehr männlichen Vorbildern für ›Jungen‹ aufgrund einer Bildungsbenachteiligung steht, dass schon seit den 1980er Jahren tendenziell mehr ›Mädchen‹ als ›Jungen‹ das Gymnasium besuchen (Teichler 1985, S. 168).
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DEUTSCHL AND In der deutschen Debatte hat sich die Forderung nach ›Männern in Kitas‹ als Strategie, der Benachteiligung von ›Jungen‹ entgegenzuwirken, im Laufe der Auseinandersetzung von einer zentralen diskursiven Argumentationsfigur zu etwas Nicht-Sagbarem gewandelt. »[…] die Debatte über Männer in Kitas (schließt) unmittelbar an die Medien- und Fachdebatte zu den ›männlichen Verlierern‹ und den neuen ›AlphaMädchen‹ (Rose/ Schmauch 2005) 40 an, die seit den PISA-Meldungen zu den schulischen Benachteiligungen von Jungen Anfang der Jahrtausendwende aufgebrochen ist. Jungen werden seitdem vor allem in der medialen Öffentlichkeit intensiv als das benachteiligte Geschlecht konstruiert, das der erhöhten Aufmerksamkeit und Förderung bedarf. Diese Diskursfigur wiederum stellt die Hintergrundfolie für die Debatte über Männer in Kitas dar« (Rose/Stibane 2013, S. 16).
In der Äußerung wird ein Zusammenhang zwischen der Debatte über ›Männer in Kitas‹ und der dichotomisierten vergeschlechtlichten Debatte zu »männlichen Verlierern und den neuen AlphaMädchen« hergestellt. Diskursiv hervorgebracht wird eine konträr zu bis dato hegemonialen gesellschaftlichen Macht- und Hierarchiestrukturen stehende, vergeschlechtlichte Hierarchisierung, in der eine spezifische Form von ›Mädchen‹-Sein der kollektiven Gruppe der ›Jungen‹ gegenübergestellt wird. In Bezug zur Begrifflichkeit AlphaMännchen wird die neue Positionierung des AlphaMädchens hervorgebracht, welches ›Jungen‹ dominiert, die in der Umkehrung zu Verlierern werden. Diese Umkehrung hierarchisierter Geschlechterverhältnisse wird mit den Meldungen zur schulischen Benachteiligung von ›Jungen‹ im Rahmen der PISA-Studie begründet. Diese von einer wissenschaftlichen Sprecher*innenposition aus getätigte Äußerung wurde vor allem in der medialen Öffentlichkeit aufgegriffen. ›Jungen‹ wird qua biologischem Geschlecht ein erhöhter Aufmerksamkeits- und Förderbedarf eingeschrieben. Ausgehend von dieser vergeschlechtlichten Problematisierung wird der Diskurs um ›Jungen‹ als Bildungsverlierer zur Hintergrundfolie der Debatte über ›Männer in Kitas‹. »Und insofern ist, glaube ich, dieser Hype 41 ein Stück das Ergebnis von, also es musste eine Antwort auf die Jungenproblematik geben. Es war nicht gewünscht von politischer Seite, also in den Gleichstellungsabteilungen dort, sage ich mal, eine sehr jungen-, männerorientierte, maskulinistische, wie das manchmal heißt, Antwort zu geben. Also die armen Jungs, die müssen wir jetzt ganz doll fördern […]« (Deutschland Text III, S. 5). 40 | Rose, Lotte; Schmauch, Ulrike (Hg.) (2005): Jungen – die neuen Verlierer? Auf den Spuren eines öffentlichen Stimmungswechsels. Königstein/Taunus. 41 | Hype bezieht sich hier auf den Erfolg der Kampagne.
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In der Äußerung, in der eine distanzierte Beobachter*innenposition eingenommen wird, wird die Debatte ›Männer in Kitas‹ als Antwort von politischer Seite auf die Jungenproblematik hervorgebracht. Dabei erscheint die Initiierung der Debatte nicht auf einer ›freiwilligen‹, selbstgewählten Politik zu basieren, sondern vielmehr »musste« Politik auf den öffentlichen Diskurs reagieren. Die Notwendigkeit der Reaktion wird durch die Benutzung der Begrifflichkeit »Hype« unterstrichen. Dadurch wird die Aufmerksamkeit hervorgehoben, die die Kampagne sowie die Modellprojekte in der Öffentlichkeit erlangt haben. Im Gegensatz zur medialen Problematisierung der ›Jungen‹ als Bildungsverlierer wird es gerade nicht als politische Intention verstanden, eine »maskulinistische« Antwort zu geben. Gleichgesetzt wird die Begrifflichkeit maskulinistisch mit einer nur auf ›Jungen‹ und ›Männer‹ orientierten Ausrichtung, die sich durch eine explizite Förderung von »armen Jungs« auszeichnet. »Die 42 wollten ein Gleichstellungsprojekt haben […] und sie hatten auch Ansprechpartner, von denen sie auch wussten […], dass sie sehr profeministisch und gleichstellungsorientiert sind und nicht zu befürchten ist, dass die da anfangen, über die Frauen herzuziehen, den Feminismus als Grund allen Übels darzustellen. Also war klar, wenn wir mit den Leuten zusammenarbeiten, das Thema da besetzen, erwarten wir nicht so einen antifeministischen Backlash, der jetzt die Jungen total als Problemgruppe darstellt und die fördern will, sondern es ist eher zu erwarten, dass es auch eine ausgewogene Geschichte wird« (Deutschland Text III, S. 5).
In der Äußerung wird aus einer zum politischen Prozess distanzierten Beobachter*innenposition die Intention der Gleichstellungsabteilung hergestellt. Es lässt sich eine Bewegung erkennen, die in Abgrenzung zu den im Vorhergehenden artikulierten als maskulinistisch hervorgebrachten Forderungen steht. Auf politischer Ebene werden maskulinistische Sprecher*innenpositionen marginalisiert. In Abgrenzung dazu wurden durch die Wahl der Ansprechpartner*innen43 Positionierungen des Sprechens eröffnet, die als profeministisch und gleichstellungsorientiert verstanden werden. Das Sprechen auf politischer Ebene über ›Männer in Kitas‹ und in Bezug auf ›Jungen‹ als Bildungsverlierer gestaltet sich als schwierige politische Balance, da es prinzipiell für Perspektiven offen ist, die ›Jungen‹ total als Problemgruppe darstellen. Eine solche Perspektive wird mit einem »antifeministischen Backlash gleichgesetzt«, in dem »Feminismus als Grund allen Übels« verstanden wird. Feminismus wird in der Äußerung als etwas Einheitliches hervorgebracht, was sich 42 | Bezieht sich auf die Gleichstellungsabteilung. 43 | Diese wurden auch im weiteren Prozess mit der Umsetzung der Kampagne beauftragt.
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auszeichnet durch nicht maskulinistisch sein und gleichstellungsorientiert44. Gleichzeitig wird mit dem Fokus auf feministisch und gleichstellungsorientiert das von der Gleichstellungsabteilung initiierte Projekt ›Männer in Kitas‹ zu einer »ausgewogene[n] Geschichte«. Gleichstellungspolitik erscheint damit im Rahmen einer komplementären, sich ergänzenden Zweigeschlechtlichkeit und ist stets mit der Gefahr verbunden, dass die Benachteiligung einer Seite mit der Bevorzugung der anderen Seite gleichgesetzt wird. Aus politischer Sicht wird dieser Gefahr durch die Eröffnung der Positionierungen des Sprechens auf wissenschaftlicher Ebene entgegengewirkt. In der folgenden Äußerung, gesprochen aus der Koordinationsstelle ›Männer in Kitas‹, lassen sich deutliche Abgrenzungsmechanismen zur Problematisierung einer Bildungskrise der ›Jungen‹ erkennen. »Wir haben uns ja gar nicht zum Thema Jungen zum Beispiel geäußert. Und das auch von Anfang an nicht. […] Wir haben nirgendwo jemals das Thema Männer und Jungen oder auch also das haben wir explizit immer bewusst vermieden« (Deutschland Text II, S. 16).
Aus einer Positionierung des kollektiven Wirs45 wird in der Äußerung formuliert, dass in der Auseinandersetzung zu ›Männern in Kitas‹ von Anfang an keine Bezugnahme zur Jungenthematik stattgefunden habe. Dies wird durch die zeitlich und örtlich doppelte Formulierung »wir haben nirgendwo jemals« unterstrichen. Gleichzeitig wird das Nicht-Sprechen als eine bewusste Entscheidung hergestellt. Daran anschließend wird es vielmehr als Gefahr hervorgebracht, ›Jungen‹ als Gruppe zu homogenisieren und sie als per se benachteiligt zu sehen. In ihrem Beitrag »Männer-Quoten in Care-Bereichen« im Sammelband »Jungen als Bildungsverlierer. Brauchen wir eine Männerquote in Kitas und Schulen?46« (Hurrelmann und Schultz 2012) betonen Cremers und Krabel, dass gerade die öffentliche Homogenisierung von ›Jungen‹ als problematisch anzusehen sei. »Wenn auch in der öffentlichen Debatte Jungen in erster Linie in reduzierter und homogenisierter Weise als Schulverlierer, Gewalttäter und Amokläufer in den Blick geraten, ist im Vergleich zu diesen Veröffentlichungen der Forschungsstand zu Jungen- und Jungenarbeit mittlerweile sehr ausdifferenziert. Der Blick hat sich dafür geschärft, welche 44 | Im Verborgenen verbleiben divergierende feministische Strömungen. 45 | Gemeint ist an dieser Stelle die Koordinationsstelle ›Männer in Kitas‹, die sich in einem Sprechen aus einem Wir als vereinheitlichte, homogene Position hervorbringt. 46 | In dieser Streitschrift wird die Frage nach ›Jungen‹ als Bildungsverlierer und die Forderung nach einer Männerquote aus divergierenden Pro- und Kontra-Perspektivierungen diskutiert. Das Sprechen bewegt sich dabei zwischen medial journalistischen und (erziehungs-)wissenschaftlichen Positionierungen.
6. Sprechen zwischen Politik_Wissenschaf t _Praxis Probleme es verursacht, wenn die Bedürfnisse, Interessen und Handlungen von Jungen vereinheitlicht werden (Stichwort: die Jungen). […]. Aus diesem Grund halten wir nicht nur die pauschale Behauptung einer Jungenbenachteiligung für fragwürdig, sondern auch die Behauptung, eine Männerquote sei der benachteiligten Jungen wegen nötig« (Cremers/Krabel 2012, S. 85f. kursiv i.O.).
Wie schon im Vorhergehenden wird die Äußerung in Abgrenzung zu einer öffentlichen Debatte getätigt. Aus Sicht eines wissenschaftlichen Sprechens wird das öffentliche Sprechen als verkürzt hervorgebracht. Kritisiert wird, dass ›Jungen‹ in der öffentlichen Auseinandersetzung auf eine »reduzierte und homogenisierte Weise« hervorgebracht werden. Diese geraten nur in Verbindung mit Problematisierungen als »Schulverlierer, Gewalttäter und Amokläufer« in den Blick. ›Junge‹-Sein werde mit einer benachteiligten sowie gewaltbereiten Männlichkeit gleichgesetzt, die eine gesellschaftliche Bedrohung darstelle. Dieser öffentlich und medial problematisierten Männlichkeit wird die wissenschaftliche Auseinandersetzung zu »Jungen- und Jungenarbeit« gegenübergestellt. Hervorgehoben wird, dass ›Jungen‹ nicht als etwas Einheitliches gesehen werden können, sondern die Subjektposition als ›Junge‹ vielmehr divergierenden Anrufungen unterliege. In Anknüpfung dazu wird die Homogenisierung der vergeschlechtlichten Gruppe als Problem hervorgebracht. Dezidiert abgelehnt wird die Begrifflichkeit »die ›Jungen‹«. Anknüpfend an diese Argumentation wird sowohl »die pauschale Behauptung einer Jungenbenachteiligung« als auch die Forderung einer Männerquote gegen Jungenbenachteiligung in Frage gestellt. »Gleichzeitig wird in der kontroversen Diskussion um eine vermeintliche ›Krise der Jungen‹ vermutet, dass Phänomene wie die im Durchschnitt schlechteren Schulleistungen sowie zunehmende Verhaltensauffälligkeiten von Jungen mit einem Mangel an männlichen Bezugspersonen zusammenhängen (vgl. Hurrelmann & Schultz 2012). Dies ist allerdings kaum empirisch belegt, und die mit dieser Annahme verbundenen Erwartungen an männliche Bezugspersonen sind diffus« (Rohrmann/Brandes 2015, S. 110).
Deutlich wird in der Äußerung, welche aus einer wissenschaftlichen Sprecher*innenposition getätigt wird, die dem Diskurs immanente Verschiebung der Wirkmächtigkeit des Diskurses zu ›Jungen‹ als Bildungsverlierer. War 2012 noch die Vermutung zentral, dass die schlechteren Schulleistungen sowie die zunehmenden Verhaltensauffälligkeiten von ›Jungen‹ mit dem Fehlen männlicher Bezugspersonen in Zusammenhang stünden, wird dies 2015 als weniger sagbar hervorgebracht. Die »Krise der Jungen« wird auf mehreren Ebenen in Frage gestellt: Zum Ersten wird die Diskussion als kontrovers benannt, zum Zweiten wird die Begrifflichkeit »Krise der Jungen« in Anführungszeichen gesetzt sowie mit dem Zusatz »vermeintlich« verbunden. Wie schon im Vorher-
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gehenden wird der Problematisierung von ›Jungen‹ als Bildungsverlierern mit einer wissenschaftlichen Perspektivierung das Fehlen empirischer Belege entgegengesetzt. Zusätzlich wird kritisiert, dass die Erwartungen, die an männliche Bezugspersonen gerichtet werden, im Diffusen blieben. Deutlich erkennen lässt sich in den unterschiedlichen Äußerungen, dass die politisch-wissenschaftliche Auseinandersetzung in Richtung einer Tabuisierung von Sprecher*innenpositionen zielt, die ›Männer‹ aufgrund der sogenannten Jungenkrise im elementarpädagogischen Bereich fordern. Problematisiert wird die Verknüpfung der Jungenkrise mit der Forderung nach (mehr) ›Männern‹ auf mehreren Ebenen. Zum einen betrifft die Kritik die generalisierende Artikulation von ›Jungen‹ als Bildungsverlierern, die in dieser Anrufung als homogen benachteiligt hervorgebracht werden. Zum anderen werden die daraus resultierenden Erwartungen an männliches Personal als diffus hervorgebracht47.
SCHWEDEN Auch in der schwedischen Debatte wird die Problematik einer Krise der Jungen nicht als Legitimationsmoment der Forderung nach mehr ›Männern‹ in der Vorschule formuliert. Vielmehr werden auch hier die Sichtbarmachung vergeschlechtlichter Machtstrukturen sowie die (geschlechtsneutrale) Kompetenz der Vorschullehrer*innen betont. Die nachstehende Äußerung folgte als Reaktion auf die Frage nach einer Jungenkrise in Schweden: »We have another crisis, the school crisis. […] Boys have in a way always performed worse than girls. So it’s nothing new. And I think […] it’s not that boys perform worse in relation, but the girls are not stopped from performing. I say, there has been a huge change within a couple of generations […] in that girls can do whatever they want in terms of career […]. So I mean girls are more orderly […] they have better work habits. They don’t mess about as much as boys. […]. Then of course […], why do girls work more? Partly because I think girls know that they can have nothing for free. Boys think that they should […] be superior and think that they should not need to work to […] achieve. […]. So boys think that they should by nature be superior« (Schweden Text I, S. 10).
In der Äußerung lässt sich eine klare Abgrenzung zum Terminus der Jungenkrise erkennen. Betont wird, dass es in Schweden andere Krisen gäbe, zum Beispiel die Schulkrise. Diese wird an der Stelle nicht näher ausgeführt, 47 | Erkennen lässt sich teilweise auch eine Verschiebung der Problematisierungen hin zu einer intersektionellen Perspektivierung, in der vor allem ›Jungen‹ mit Migrationshintergrund als benachteiligt im Bildungssystem hervorgebracht werden. Dies führt unter anderem zu einer Forderung nach mehr Vielfalt im elementarpädagogischen Bereich.
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vielmehr verschieben sich die Ausführungen hin zur Fokussierung von Geschlecht. Eingebettet in eine binäre Geschlechterkonstruktion wird problematisiert, dass es nicht um das schlechtere Abschneiden von ›Jungen‹ ginge, sondern um eine hierarchisierte Geschlechterordnung. Innerhalb dieser Ordnung bekämen ›Mädchen‹ nichts geschenkt, während ›Jungen‹ von ihrer eigenen Überlegenheit ausgingen. Vor dem Hintergrund einer binären Geschlechterordnung, in der zwei homogene, vergeschlechtlichte Gruppen in einem Konkurrenzverhältnis zueinanderstehen, wird das Abschneiden von ›Jungen‹ als alte Wahrheit beschrieben. Gleichzeitig wird dem besseren Abschneiden von ›Mädchen‹ ein Wandel eingeschrieben. Die Karrieremöglichkeiten von ›Mädchen‹ hätten sich in den letzten Jahren stark verändert. Etwas zu erreichen würde nicht als selbstverständlich gegeben verstanden, sondern müsse hart erarbeitet werden. An diese Analyse anknüpfend werden ›Mädchen‹ als strukturierter und fleißiger hervorgebracht. Im Gegensatz dazu steht die Konstruktion von ›Jungen‹, die glauben, nicht so hart arbeiten zu müssen, um etwas zu erreichen: »So boys think that they should by nature be superior«. ›Jungen‹ wird daran anschließend ein Selbstbild der Überlegenheit qua Natur eingeschrieben. Erkennen lässt sich die diskursive Regelhaftigkeit der Abgrenzung von einer sogenannten Jungenkrise mit einer gleichzeitigen Thematisierung vergeschlechtlichter Macht- und Herrschaftsverhältnisse. »X: So if we talk about the ›boy crisis‹ then we have to problematize that. Then we can see for example some of the boys really have a crisis but also some of the girls. But also, some of the girls, we have a lot of girls in the schools that actually don’t make it at school. I am really tired. We have low performing girls and […] it’s really a big risk that we forget these girls that have this crisis. So I think the concept ›boy crisis‹ is really problematic. I: And which boys are not performing so well? X: […] you know the low classes in Sweden and of course that’s the same for the girls. […] And if you look up on the Swedish society then you could see that men as a group earn more money and so on, have high positions in the society, but you can also find men in the lowest of the ranking of the society. So men are both at the same time, the winners within this hegemonic or patriarchal society, but also the biggest losers« (Schweden Text IV, S. 6).
Ging es im Vorhergehenden um die alleinige Gegenüberstellung zweier homogenisierter Geschlechtergruppen, werden diese nun entlang der Differenzlinie Klasse zu etwas Heterogenem. In der Äußerung wird das Reden über eine Jungenkrise einer deutlichen Problematisierung unterzogen. Dies geschieht einmal durch den wertenden Satz »I am really tired«, der in der Debatte um eine Benachteiligung von ›Jungen‹ als etwas Ermüdendes hervorgebracht wird. Eine Problematisierung erfolgt zum anderen durch die Betonung »it’s
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really a big risk« sowie »really problematic«, dass nämlich die Debatte durch die Ausblendung von ›Mädchen‹ qua Geschlecht das Risiko einer Tabuisierung von ›Mädchen‹ berge, die sich in einer Krise befänden. Nicht nur Geschlecht wird als relevant für schulischen und gesellschaftlichen Erfolg verstanden, sondern Klassenunterschiede werden ebenso als wirkmächtig benannt: »you know the low classes in Sweden«. Vor allem sei es die sogenannte schwedische Unterschicht – und hier sowohl ›Jungen‹ als auch ›Mädchen‹ – die bei schulischen Leistungen eher schlecht abschnitten. Daran anknüpfend werden auch divergierende gesellschaftliche Positionierungen nicht als per se vergeschlechtlicht hervorgebracht. Vielmehr entscheidet Geschlecht alleine nicht über gesellschaftliche Privilegierung, sondern eine gesellschaftliche Positionierung kann im Zitat nur in der Verschränkung mit Klasse verstanden werden. Im daran Anschließenden erfolgt eine Ausdifferenzierung männlicher gesellschaftlicher Positionierungen, wenn auch vor dem Hintergrund, dass ›Männer‹ insgesamt mehr verdienen würden. Dies führt zu einer Gegenüberstellung extremer gesellschaftlicher Positionierungen von ›Männern‹ innerhalb einer patriarchalen und durch Klasse strukturierten, gesellschaftlichen Hierarchie: Sie nehmen sowohl die höchsten gesellschaftlichen Positionen als auch die niedrigsten ein. Dieser Dichotomisierung sind gegensätzliche Subjektpositionen für ›Männer‹ eingeschrieben. Einerseits werden diese zu Gewinnern, andererseits können diese ebenso die größten Verlierer sein. Nicht expliziert wird die gesellschaftliche Stellung von ›Frauen‹. Diese verbleibt in Beziehung zu einer männlich dominierten Gesellschaft im Verborgenen. Deutlich wird anhand der gesellschaftlichen Ausdifferenzierung von Männlichkeit, dass sowohl aus einer macht- und hierarchiekritischen als auch einer intersektionellen Perspektive der homogenisierende Diskurs ›Jungen‹ als Bildungsverlierer nicht aufrechterhalten werden kann. Auch in folgender Äußerung lässt sich eine Abgrenzung zum Diskurs ›Jungen‹ als Bildungsverlierer erkennen. Während im Vorhergehenden damit eine Problematisierung von gesellschaftlichen Verhältnissen einherging, erfolgt nun eine Fokussierung auf die Kompetenz von Lehrer*innen, welche als geschlechtsneutral hervorgebracht wird. »No I don’t see that 48 . I know that there are many who want to see the boy crisis as a link to that there are few men working in the schools overall. But […] I would say I am very critical about making that link, because when you look at the research, if you look at the boys, how boys do in school or how anybody does, I think the research shows that there is mostly the competence of the teacher, or the competence of the teacher is the most important thing about how children do in school. So […] I am really really critical about 48 | Gemeint ist an dieser Stelle eine Krise der Jungen.
6. Sprechen zwischen Politik_Wissenschaf t _Praxis that […]. The solution I would say is to get more knowledge into the school system about how gender is working in classes and in groups of children and get more knowledge to the teachers how to handle that. Because if they were able to handle gender issues on their own, they would see, that that is a way to also include the boys more into the education. And if […] all girls and all boys were included in the education, all pupils would benefit from the education« (Schweden Text III, S. 4).
Auch hier lässt sich auf die Frage nach einer Jungenkrise eine deutliche Verneinung erkennen. Stattdessen wird der Schulerfolg von Kindern nicht mit dem Geschlecht der Vorschullehrer*innen begründet, sondern in Abhängigkeit zur Kompetenz des/der* Vorschullehrer*in gestellt. Daran anknüpfend wird als Lösung von Geschlechterungleichheiten die Etablierung von Wissen hervorgebracht. Erst dies ermögliche es Lehrer*innen, kompetent auf die Geschlechterproblematik einzugehen. Durch die professionelle Auseinandersetzung mit vergeschlechtlichten Wissen sollen Lehrer*innen befähigt werden, eben jenes vergeschlechtlichte Wissen reflexiv zu bearbeiten und damit vergeschlechtlichte Ausgrenzungsmechanismen zu hinterfragen. Daran anknüpfend wird es zur Aufgabe von Lehrer*innen, ›Jungen‹ und ›Mädchen‹ gleichberechtigt in das Schulsystem zu integrieren. Erkennen lässt sich in diesem Lösungsansatz die für den schwedischen Diskurs signifikante Regelhaftigkeit der Veränderung von Geschlechterverhältnissen durch Bewusstmachung und die gleichzeitige (Selbst-)Reflexion von vergeschlechtlichten Gesellschaftsstrukturen. Zusammenfassend lässt sich sowohl für die deutsche als auch die schwedische Debatte feststellen, dass der Diskurs ›Jungen‹ als Bildungsverlierer keine hegemoniale Positionierung innerhalb der Programme und Kampagnen ›Männer in Kitas/män i förskolan‹ erlangt. Vielmehr lassen sich in beiden Ländern vielfache Abgrenzungsstrategien erkennen49.
6.3 W issensvermit telnde P ositionierungen des S prechens Im vorhergehenden Kapitel wurden in Anlehnung an die Frage »Wer spricht« die Positionierungen des Sprechens im Diskurs analysiert. Deutlich wird, dass diese in den Äußerungsakten durch eine wechselseitige In-BeziehungSetzung zueinander hervorgebracht werden. Die Sprecher*innenpositionen 49 | Aus einer Forschungsperspektive stellt sich anknüpfend an diese Erkenntnis die Frage, warum trotz dieser politisch-wissenschaftlichen Abgrenzung zur Thematik ›Jungen als Bildungsverlierer‹ diese im öffentlich-medialen Diskurs eine hegemoniale Positionierung einnimmt.
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spannen sich dabei in einem Feld von Wissenschaft/Politik und Praxis auf und konstituieren sich gleichzeitig durch unterschiedliche Zuschreibungen von (Geschlechter-)Wissen. Zu Beginn wurde anhand der institutionalisierten Plätze des Sprechens eine unauflösbare Verknüpfung zwischen Politik und Wissenschaft aufgezeigt. Das Wechselverhältnis der Positionierungen schwankt zwischen einem gleichberechtigten mit-/nebeneinander sowie einem hierarchischen Verhältnis. Dieses kann in zwei Richtungen verlaufen: einerseits als ein Sprechen aus politischer Perspektive in der Übertragung eines Auftrags der Wissensgenerierung und der damit verbundenen Mittelvergabe. Andererseits kann diese Hierarchisierung in umgekehrter Reihung erfolgen, indem von wissenschaftlicher Seite eine Positionierung der Vermittlung von geschlechterrelevantem Wissen gegenüber der politischen Seite eingenommen wird. Gleichzeitig lassen sich im Sprechen zwischen Politik/Wissenschaft Vereinnahmungs- sowie Abgrenzungsstrategien zu anderen institutionellen Plätzen und Sprecher*innenpositionen erkennen. In diesen In-Beziehung-Setzungen lässt sich die Strukturierung eines Sagbarkeitsfelds erkennen, in welchem die Regierung von Geschlecht ermöglicht wird. In Deutschland verorten sich die Plätze des Sprechens insbesondere im Referat 415 ›Jungen- und Männerpolitik‹, welches Teil der Gleichstellungsabteilung im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) ist. Die Debatte hat zunehmend und diskursiv die Ermöglichung einer Institutionalisierung vorbereitet, innerhalb der die Koordinationsstelle als Kristallisationspunkt von Regierungsmacht hervorgebracht wurde. Durch diese eröffnet sich ein Sprechen zwischen Politik/Wissenschaft und Praxis. Auf einer wissenschaftlichen Ebene findet die Auseinandersetzung um ›Männer in Kitas‹ überwiegend im Fachhochschuldiskurs statt. Gleichzeitig lässt sich eine Abgrenzung zum bildungspolitischen sowie dem universitär-wissenschaftlichen Bereich erkennen. Demgegenüber stehen Bestrebungen, das Thema ›Männer in Kitas‹ auch in (universitär-wissenschaftlich) bildungspolitischen Diskursen50 zu etablieren. Im Gegensatz dazu verorten sich in Schweden die institutionellen Plätze des Sprechens überwiegend in bildungspolitischen Einrichtungen. So wurde die Debatte durch die schwedische Gleichstellungsministerin forciert, welche im Zuständigkeitsbereich des Bildungsministeriums lag. Mit der Umsetzung wurde die nationale Schulbehörde (Skolverket) beauftragt. Ebenso wie in Deutschland entstand mit dem Zusammenschluss der sieben Kommunen 50 | Wie schon im Datenmaterial durch die Etablierung der Debatte in der Zeitschrift Frühe Bildung angeklungen ist, lässt sich auch hier mittlerweile eine verstärkte Auseinandersetzung mit der Thematik erkennen. Der Blick richtet sich dabei zumeist auf die Frage nach Geschlechterkonstruktionen (vgl. Buschmeyer 2013; Budde et al. 2014).
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ein neuer Ort des Sprechens. Ein im Ländervergleich zentraler Unterschied ist die Strukturierung von Sagbarkeiten entlang von vergeschlechtlichtem Macht/Wissen. Während in Deutschland die Forderung nach ›Männern‹ als etwas Neues, Innovatives verstanden wird, ist diese in Schweden mit einer deutlichen Einschränkung belegt. Dies resultiert einerseits aus einem starken universitär-wissenschaftlichen Diskurs, indem aus einer (de-)konstruktivistischen Sprecher*innenposition das Auf brechen vergeschlechtlichter Normen im Fokus steht, sowie andererseits aus dem bildungspolitischen Ziel, tradierte Geschlechterverhältnisse zu verändern. Neben den institutionellen Plätzen des Sprechens lassen sich statusbezogene Positionierungen erkennen. Diesen ist in Verknüpfung mit Geschlecht eine Positionierung zwischen Politik, Wissenschaft, Praxis und Alltag eingeschrieben. So bringen sich die Subjekte im Sprechen unter anderem als Geschlechterforscher*innen beziehungsweise Genderexpert*innen hervor. Eine weitere Positionierung erfolgt in Beziehung von Politik/Wissenschaft zu Praxis und äußert sich zumeist in einem Sprechen-Über. Auch hier wird die Vermittlung von Wissen zu einer zentralen Strategie erhoben, über die gleichzeitig eine Hierarchie hergestellt wird: Praxis wird dabei als defizitär hervorgebracht. Daraus ergibt sich an der Schnittstelle zwischen Politik und Wissenschaft eine doppelte Zielsetzung in Bezug auf Praxis. Neben der Veränderung von Personalstrukturen eröffnet sich ein Raum, in dem geschlechterpädagogische Zugänge anhand der Frage nach Wissen verhandelt werden. Erkennen lassen sich an dieser Stelle länderspezifische Sagbarkeiten. Während in Deutschland Praxis als überwiegend passiv beziehungsweise im Dialog mit Politik/Wissenschaft hervorgebracht wird, wird im schwedischen Diskurs mit Bezug auf die Begrifflichkeit awareness eine reflexive Praxis hergestellt. Eingebettet ist dies in die Herstellung von Schweden als geschlechterbewusste Gesellschaft sowie gleichstellungpolitisches Vorbild. Deutlich wird damit eine nationalstaatlich unterschiedliche Rahmung der Regierung von Geschlecht. Daran anschließend lässt sich festhalten, dass Sprechen zwischen Politik/ Wissenschaft und Praxis nicht als geradliniger Top-down-Prozess funktioniert, sondern sich vielmehr eine Verknüpfung divergierender Macht- und Kräfteverhältnisse erkennen lässt, die sowohl staatliche als auch zivilgesellschaftliche Akteur*innen einschließt. Neben diesen institutionalisierten Verflechtungen lässt sich eine In-Beziehung-Setzung entlang eines den Aussagen eingeschriebenen, vergeschlechtlichten Macht/Wissens erkennen. Sprecher*innenpositionen sind damit nicht gleichförmig, sondern werden vielmehr in der Vermittlung von Geschlecht aufeinander bezogen. Diese bewegen sich zwischen naturalisierendem/biologisierendem und (de-)konstruktivistischem Macht/Wissen. Wie im Folgenden gezeigt wird, erlangt an dieser Stelle die Frage nach Differenz eine zentrale Bedeutung. Hieraus resultiert eine teilweise moralisch/wertend aufgeladene
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diskursive Konflikthaftigkeit. Dies zeigt, dass im Diskurs elementare Gesellschaftsstrukturen und damit verknüpfte Normen sowie Normalitätsvorstellungen ausgehandelt werden. Wie im folgenden Kapitel gezeigt wird, lässt sich diese Regelhaftigkeit auch in der Bereitstellung vergeschlechtlichten Macht/ Wissens und den daraus hervorgehenden Subjektkonstitutionen wiedererkennen.
7. Widerstreitendes Macht/Wissen von Geschlecht »It is, however, not surprising if those who are just a little bit interested are frightened away by the complexities and ambiguities« (W ernersson 2015, S. 21)
Im vorherigen Analysekapitel wurden im Sinne eines beschreibenden Analysierens divergierende Positionierungen des Sprechens herausgearbeitet. Quer zu den erläuterten Verflechtungen von Politik, Wissenschaft und Praxis lässt sich divergierendes Macht/Wissen von Geschlecht erkennen. Wie in Kapitel 3 ausgeführt, wird die Bereitstellung dieses Wissens als die Regierung vergeschlechtlichter Subjekte gesehen. Erst durch die Verflechtung des teilweise konträren Wissens wird es möglich, Geschlechterverhältnisse aufzubrechen und gleichzeitig wieder in einer (heteronormativen) Zweigeschlechtlichkeit zu verorten. Dabei wird ein Möglichkeitsfeld abgesteckt, innerhalb dessen Subjekte intelligibel sind. Im Folgenden werden die divergierenden Formen näher ausgeführt (7.1). Daran anschließend werden in Kapitel 7.2 unterschiedliche Subjektpositionierungen für männliche Erzieher in Kitas aufgezeigt. Diese bewegen sich entlang des vergeschlechtlichten Macht/Wissens zwischen Verherrlichung und Problematisierung. Gezeigt wird eine ambivalente Regierung von Geschlecht, welche den Erziehern (widerstreitende) Handlungsmöglichkeiten in Kitas eröffnet. Diese werden in der Positionierung als potenziell missbrauchend eingeschränkt. In der Frage nach der Positionierung des Anderen werden zwei Ebenen deutlich. Einerseits geht es um die Hervorbringung des Kita-/Vorschulbereichs als homogen weiblich (7.3.1). Andrerseits werden in der Forderung nach einer ›geschlechtslosen‹ Profession sowie nach Vielfalt Momente in der Debatte sichtbar, die über die Rekrutierung von Personal qua Geschlecht hinausgehen (7.3.2). Da die unterschiedlichen Formen von vergeschlechtlichtem Macht/Wissen sowohl in der schwedischen als auch in der deutschen Debatte zu finden sind, wird an dieser Stelle auf eine explizite ländervergleichende Gegenüberstel-
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lung verzichtet. Wie in der vorhergehenden Analyse aufgezeigt wurde, ist das Macht/Wissen je nach institutionalisierten Sprecher*innenpositionen in beiden Ländern mit einer unterschiedlichen Sagbarkeit sowie Wirkmächtigkeit verbunden. Die jeweiligen Textstellen stehen exemplarisch für die aus dem Material herausgearbeiteten vergeschlechtlichten Macht/Wissenskomplexe. Eingeordnet wird dies in einem Kontinuum zwischen Biologisierung/Naturalisierung und Dekonstruktion (vgl. Diewald 2011). Daran anknüpfend stellt sich die Frage nach den damit einhergehenden Normierungen sowie Differenzsetzungen.
7.1 Z wischen D ifferenzblindheit und D ifferenzfixiertheit Wirkmächtig wird in den divergierenden Macht/Wissen-Komplexen von Geschlecht die Frage nach Differenz. Während naturalisierendem/biologistischem Wissen durch die Unterscheidung von ›Männern‹ und ›Frauen‹ eine Differenz qua biologischem Geschlecht eingeschrieben ist, zielt eine dekonstruktivistische Perspektivierung gerade darauf, diese aufzuheben. In folgender Äußerung lässt sich eine vertiefte Auseinandersetzung mit der Frage nach vergeschlechtlichten Differenzsetzungen in der Debatte erkennen. »Da geht es eigentlich viel um, ich würde es jetzt mal Geschlechtersensibilisierung heißen, also jetzt vor dem Hintergrund, diesem Spannungsverhältnis zwischen Differenzblindheit auf der einen Seite und Differenzfixiertheit auf der anderen Seite gerecht zu werden. Also nicht Männer sind so, aber gleichzeitig auch irgendwie zu berücksichtigen, dass es eben doch so sein kann, also dass man erst mal messen muss oder erst mal befragen muss« (Deutschland Text II, S. 7).
Erkennen lässt sich in der Äußerung eine Sprecher*innenposition, der die Zielsetzung der Geschlechtersensibilisierung immanent ist. Problematisiert wird diese in Verknüpfung mit einem »Spannungsverhältnis zwischen Differenzblindheit auf der einen Seite und Differenzfixiertheit auf der anderen Seite«. Es erfolgt eine Gegenüberstellung zweier sich ausschließender Bezugspunkte, die die Debatte strukturieren. Mit der Begrifflichkeit der Differenz wird die Frage verbunden, wie ›Männer‹ sein sollen beziehungsweise wie ›Männer‹ sind. Diese wird je nach Macht/Wissen von Geschlecht unterschiedlich beantwortet.
7. Widerstreitendes Macht/Wissen von Geschlecht
7.1.1 Naturalisierung Eine erste Form des vergeschlechtlichten Macht/Wissens sind Naturalisierungen und Biologisierungen. Dieses lässt sich vor allem in Aussagen, denen eine Problematisierung des Fehlens von ›Männern‹ im Zusammenhang mit typisch männlichen Eigenschaften zugrunde liegt, erkennen. Gleichgesetzt wird dies mit der Anwesenheit von ›Frauen‹ und Weiblichkeit. Wie in Kapitel 5 ausgeführt, erfolgt eine unauflösliche Verknüpfung von Geschlecht als soziale Konstruktion und einem biologischen Geschlecht, in der gleichzeitig das biologische Geschlecht relevant gesetzt wird. Deutlich wird dieses naturalisierte Macht/Wissen an folgender Äußerung in dem Artikel »Männer in Kitas – welche Bedeutung hat das Geschlecht pädagogischer Fachkräfte?« (Rohrmann et al. 2010). Unter der Überschrift »In Kindertagesstätten fehlt das männliche Element« wird Folgendes als eine Argumentationslinie der Forderung nach mehr ›Männern‹ ausgeführt: »Die Lebenswelten von Kindern sind in großem Ausmaß von Frauen bestimmt. Das wirkt sich auf Raumgestaltung und Spielangebote genauso aus wie auf Kommunikationsstile und Konfliktverhalten. Manche typisch ›männlichen‹ Interessen und Verhaltensweisen kommen oft zu kurz, werden ausgebremst oder abgewertet – zum Beispiel Werken und Technik, Fußball, risikofreudiges Verhalten. Vor diesem Hintergrund werden Männer für wichtig gehalten, weil sie der Dominanz des ›Weiblichen‹ im Leben von Kindern etwas entgegensetzen sollen. So wird von ihnen erwartet, dass sie männertypische Bereiche und Aktivitäten übernehmen oder dass sie sich in Konflikten besser durchsetzen können. Stillschweigend wird vorausgesetzt, dass Männer qua Geschlecht automatisch über eine für diesen Zweck geeignete ›Männlichkeit‹ oder ›männliche Sicht‹ verfügen« (Rohrmann et al. 2010, S. 4).
Zu Beginn der Äußerung lässt sich eine Problematisierung des Fehlens eines ›männlichen‹ Elements bei einer gleichzeitigen »Dominanz des Weiblichen« wiederfinden. Dieser Gegenüberstellung ist qua biologischen Geschlechtes eine vergeschlechtlichte Totalisierung eingeschrieben. Zentrale Bereiche wie die Raumgestaltung, Spielangebote, aber auch Kommunikationsstile und Konfliktverhalten werden als feminisiert hervorgebracht. Dem gegenüber steht die Abwesenheit männlicher Interessen und Verhaltensweisen. Diese werden nicht nur als passiv abwesend verstanden, sondern als aktiv »ausgebremst oder abgewertet«. Erkennen lässt sich eine Naturalisierung von Geschlecht beziehungsweise Geschlechterverhältnissen. ›Männer‹ und ›Frauen‹ werden qua Natur divergierende Eigenschaften zugeschrieben. So werden als männliche Interessen beziehungsweise Verhaltensweisen stereotype Vorstellungen angeführt, wie Werken, Technik, Fußball oder der bessere Umgang mit Konflikten.
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Erkennen lässt sich ein naturalisierendes/biologistisches Macht/Wissen von Geschlecht, welches der Logik einer komplementären Zweigeschlechtlichkeit folgt. Gleichzeitig erfolgt in der Abwertung weiblicher Erzieherinnen die Reproduktion einer tradierten Geschlechterordnung. Dies steht konträr zur Forderung aus gleichstellungspolitischer Sicht, eine hierarchisierende Geschlechterordnung aufzulösen. Auch im schwedischen Diskurs lässt sich in der Auseinandersetzung zu ›Männern‹ in der Vorschule biologisiertes Macht/Wissen finden, wie im Folgenden an einer Textstelle aus dem Bericht »Män i förskolan – kartläggning och analys av insatser« deutlicht wird. »Es ist natürlich möglich, auf die eine oder andere Art zu beschreiben, was für Kompetenzen oder Verhaltensweisen benötigt werden, um ein guter Vorschullehrer zu werden. Der Inhalt und die Gestaltung der Ausbildung bauen genau darauf auf und es gibt wohl nichts in der Ausbildung, das Männer nicht zu leisten imstande wären, weil sie Männer sind. Man kann jedoch vermuten, dass, um in einer Vorschule zu funktionieren, gewisse Vorstellungen über die ›Natur von Weiblichkeit‹ eine Rollen spielen und dass Männer deshalb, bewusst oder unbewusst, zögerlich werden« (Wernersson/Granbom 2012, S. 21f./eigene Übersetzung) 1 .
Ausgehend von der Frage nach den Kompetenzen und Eigenschaften, die es braucht, um ein gute*r Vorschullehrer*in zu sein, wird betont, dass in der Ausbildung nichts zu finden sei, was ›Männer‹ qua Geschlecht aus diesem Berufsfeld ausschließt. Dies wird im darauffolgenden Satz in Bezug auf eine »weibliche Natur«, die der Vorschule eigen ist, teilweise wieder zurückgenommen. Wirkmächtig wird auch hier ein naturalisiertes Macht/Wissen von Geschlecht. Verstanden wird dies als etwas Unbewusstes, das in der Berufswahl von ›Männern‹ Wirkmächtigkeit entfaltet. Durch die enge Verknüpfung von ›Männern‹ und Männlichkeit auf einer naturalisierenden Ebene werden Geschlechterverhältnisse unveränderbar. Erst konstruktivistisches Macht/Wissen von Geschlecht ermöglicht eine Verschiebung vergeschlechtlichter Grenzziehungen.
1 | »Det är naturligtvis möjligt att på olika sätt beskriva vilka kompetenser och förhållningssätt som behövs för att bli en bra förskollärare. Utbildningens innehåll och uppläggning bygger på och innehåller just detta och det torde inte finnas något i utbildningen som män inte skulle kunna klara av därför att de är män. Man kan dock anta att föreställningar om den ›kvinnliga naturen‹ har betydelse för att fungera i förskolan och att detta, medvetet eller omedvetet, gör män tveksamma« (Wernersson/Granbom 2012, S. 21f.).
7. Widerstreitendes Macht/Wissen von Geschlecht
7.1.2 Konstruktivistische Perspektivierungen In den Vordergrund rückt aus einer konstruktivistischen Perspektivierung nicht mehr die Frage, wie etwas ist, sondern auch, wie etwas sein soll. »Bezüglich der Frage der ›Arbeit von Männern mit jungen Kindern‹ gibt es ein ganzes Spektrum von Annahmen und Fragestellungen, die sich auf äußere soziale Umstände und materielle Umstände beziehen – was ›ist‹ – Auffassung darüber, was gut ist und was schlecht – wie es ›sein sollte‹ – und abstrakte Konstruktionen über Identität und soziale Kategorien« (Wernersson/Granbom 2012, S. 10/eigene Übersetzung) 2.
Die Frage nach ›Männern in der Vorschule‹ wird in der Äußerung von zwei Seiten in den Blick genommen. Zu Beginn geht es um die Frage eines IstZustandes in der Arbeit von ›Männern‹ mit kleinen Kindern. Wirkmächtig werden Annahmen zu sozialen und materiellen Rahmenbedingungen. Demgegenüber steht die Frage nach dem, wie es sein sollte, und damit einhergehenden abstrakten Konstruktionen von Identität und sozialen Konstruktionen. Geschlecht ist nicht mehr etwas von Natur aus Gegebenes, Unveränderbares, sondern vielmehr eine Konstruktion, die innerhalb gesellschaftlicher Strukturen wirkmächtig wird und diese gleichzeitig strukturiert. Ähnliches lässt sich an folgender Äußerung erkennen. »I would say we address the questions totally different, because we have a much higher awareness. […] I think the discussions in the 60s were really important, but I think it is this Freudian idea of how it’s important to have role models. […] It’s actually cementing the ideas of sex. In Sweden we have been through this. Nowadays, in the Swedish society we have quite a high awareness of gender as socially constructed and I think that’s important. That’s where we start when we do projects or political ideas. And I would say even the really conservative parties actually have this kind of knowledge. But of course if we would have moderata samlingspartiet, kristdemokraterna, if they were in the government of course, then we would have a backlash, then we would be back in the 60s« (Schweden Text IV, S. 15).
Wie im Vorhergehenden rückt auch hier die (theoretische) Perspektivierung der Frage nach ›Männern in der Vorschule‹ in den Vordergrund. Erkennen lässt sich die diskursive Regelhaftigkeit der Hervorbringung von Schweden als Vorbild, der eine Abgrenzung zu veralteten Vorstellungen von Geschlecht 2 | »Frågan om ›mäns arbete men yngre barn‹ rymmer ett helt spektrum av antaganden och frågeställningar om yttre sociala och materiella omständigheter – vad som ›är‹ – uppfattningar om vad som är gott och ont – hur det ›bör vara‹ – och abstrakta konstruktioner av identiteter och sociala kategorier« (Wernersson/Granbom 2012, S. 10).
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immanent ist. Dies geschieht anhand eines Verweises auf die Debatte in den 1960er Jahren, in der als zentral angesehen wurde, dass ›Jungen‹ männliche Rollenvorbilder brauchen. Problematisiert wird dies in Bezug auf ein naturalisiertes Macht/Wissen von Geschlecht, dem eine Fokussierung auf sex zugrunde liegt. Dem entgegengesetzt erfolgt aus einer konstruktivistischen Perspektivierung der Verweis auf ein hohes Bewusstsein der schwedischen Gesellschaft über Geschlecht als soziale Konstruktion. Wirkmächtig wird somit ein konstruktivistisches Macht/Wissen von Geschlecht, welches auch auf einer politischen Ebene verortet wird, und zwar als ein parteiübergreifendes. Diese geschieht mit einer Einschränkung, dass es bei einer Regierungsbeteiligung der Moderaten beziehungsweise der Christdemokraten zu einem Rückschritt hin zu tradierten Wissensverhältnissen aus den 1960er Jahren käme. Auch im deutschen Diskurs lässt sich konstruktivistisches Macht/Wissen von Geschlecht finden, beispielsweise in der Diskursanalyse von Rose und Stibane: »Wenn die Erhöhung der männlichen Beteiligung in der Kita begründet wird, sind Konstruktionen zum Geschlecht zwangsläufig unentwegt präsent. Um die Fördermaßnahmen zu legitimieren, greift man auf problematisierende Geschlechterdiagnosen zurück. So wird das Geschlecht als evidente soziale Kategorie identifiziert und reproduziert. Damit gerät die Debatte in das allgemeine Dilemma der Genderforschung, einerseits Geschlechterpolaritäten überwinden zu wollen und andererseits diese im Diskurs doch gleichzeitig zu reproduzieren« (Rose/Stibane 2013, S. 16f.).
Forderungen nach der Erhöhung der Anzahl männlicher Erzieher befinden sich, so die Äußerung, in einem Dilemma, da sie zur Begründung auf Geschlechterkategorien zurückgreifen und diese damit verfestigen, die sie gleichzeitig konstruktivistisch überwinden wollen. Geschlecht wird zu etwas Verhandelbarem, das stetig »identifiziert und reproduziert« werden muss.
7.1.3 Heteronormativität Sowohl biologistischem/naturalisierendem als auch konstruktivistischem Macht/Wissen von Geschlecht ist immanent, entlang einer Zweigeschlechtlichkeit strukturiert zu sein. Diese folgt in Ergänzung um ein heterosexuelles Begehren einer heteronormativen Logik. Wie anhand folgender Äußerung aus der Rede »Jungen und junge Männer im Fokus der Gleichstellungspolitik: Welche Ziele verfolgt eine emanzipatorische Männer- und Jungenpolitik?« von der Leiterin des Referats für ›Jungen- und Männerpolitik‹ exemplarisch aufgezeigt wird, geschieht dies vor allem in der Gleichsetzung von Personalstrukturen im elementarpädagogischen Bereich mit einer tradierten Vorstellung der heteronormativen Kleinfamilie.
7. Widerstreitendes Macht/Wissen von Geschlecht »Doch lassen Sie uns die Geschlechterrollen im Lebensverlauf weiter verfolgen: Während der Ausbildung und des Studiums manifestiert sich bei vielen Frauen der Wunsch, erwerbstätig zu bleiben, Familie und Beruf zu vereinbaren. Ihr eigenes Rollenbild verändert sich, entsprechend erwarten sie – unter Umständen ohne es artikuliert zu haben –, dass sich auch das Rollenbild ihres Partners ändert. Gelebt werden soll das Modell der gleichgestellten Partnerschaft« (Icken 2013).
Der Wunsch von ›Frauen‹ nach einer Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird in der Äußerung als zentraler Impuls für eine Veränderung von männlichen Rollenbildern hervorgebracht. Damit erfolgt eine Reproduktion tradierter Familienstrukturen, in der anhand der Verknüpfung von Vater, Mutter, heterosexuellem Begehren und Kind die Vorstellung der heteronormativen Kleinfamilie reproduziert wird. Wie im Folgenden gezeigt wird, folgt auch die Forderung nach männlichen Erziehern im Verweis auf sich wandelnde Familienstrukturen diesem heteronormativen Macht/Wissen.
7.1.4 Dekonstruktivistisches Macht/Wissen In der Debatte finden sich jedoch auch Aussagen, die ein vergeschlechtlichtes Macht/Wissen, welches sich innerhalb einer heteronormativen Matrix verortet, gerade in Frage stellen. In der Auseinandersetzung zu »Männer-Quoten in Care-Bereichen« kommen Cremers und Krabel zu folgendem Schluss: »Vor dem Hintergrund, dass sich traditionelle Geschlechterarrangements verschieben, es jedoch offen und umkämpft ist, wohin sie das tun, müssen diskurspolitische Interventionen ebenso wie realpolitische Umsetzungen berücksichtigen, dass der Bezug auf Frauen/Männer ebenso wie auf Jungen/Mädchen […] letztlich immer auf binäre Vorstellungen von Zwei-Geschlechtlichkeit rekurrieren. […]. Menschen, die weder dem einen noch dem anderen Geschlecht zuzuordnen sind – oder sich nicht einsortieren (lassen) wollen –, geraten dadurch in der Regel nicht in den Blick und sind entsprechend nicht Teil öffentlicher Geschlechterdiskurse. […] Geschlechtergerechtigkeit muss also um Queergerechtigkeit ergänzt werden« (Cremers/Krabel 2012, S. 97).
Zu Beginn der Äußerung erfolgt eine Problematisierung gängiger binärer Vorstellungen von ›Frauen‹ und ›Männern‹ beziehungsweise ›Jungen‹ und ›Mädchen‹, da der Bezugnahme auf eine Zweigeschlechtlichkeit ein Ausschluss von Menschen immanent ist, »die weder dem einen noch dem anderen Geschlecht zuzuordnen sind – oder sich nicht einsortieren (lassen) wollen«. Bereitgestellt wird ein vergeschlechtlichtes Macht/Wissen, welches jenseits tradierter Normierungen von Geschlecht verläuft. Zentral ist, dass sex nicht mehr als identitätsstiftendes Moment gesehen wird.
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Vor diesem Hintergrund wird eine Geschlechtergerechtigkeit zu einer Queergerechtigkeit. Es erfolgt eine Erweiterung von Politik für ›Frauen‹ und ›Männer‹ um eine Sichtbarkeit für Menschen, die sich nicht in einer naturalisierten Binarität verorten wollen oder können. Ähnliches lässt sich auch im schwedischen Datenmaterial finden, was im Folgenden anhand eines Zitats aus einem Interview ausgeführt wird. »The third wave of feminism, when it came, it was like: ›Okay, this idea of separating different people into men and women, […] we shouldn’t be doing that, we should see every person as a complex being with both female and masculine positions.‹ And then it was really hard in Sweden to say: ›We need more male preschool teachers‹, because if you say we need more male preschool teachers, then you are […] saying that the sex is really important and the idea within the feminist poststructuralism is that sex shouldn’t be important« (Schweden Text IV, S. 3).
Ebenso wie im Vorhergehenden wird die Einteilung von unterschiedlichen Menschen in ›Männer‹ und ›Frauen‹ problematisiert. Dies geschieht aus der Perspektive der dritten Welle des Feminismus, welche entgegen einer Reduktion von Menschen auf das biologische Geschlecht deren Sichtbarkeit als komplexe Wesen einfordere. Vor dem Hintergrund eines solchen Geschlechterwissens wird eine Forderung nach mehr männlichen Vorschullehrern schwierig, da sex darin gerade keine Wirkmächtigkeit erlangen solle. Gezeigt wurden im Vorhergehenden, welche geschlechtertheoretischen Bezüge in Form von vergeschlechtlichtem Macht/Wissen in der Begründung der Forderung nach mehr Männern wirkmächtig werden und welche Spannungsfelder sich dabei ergeben. Wie vergeschlechtlichte Subjektkonstitutionen ausgehandelt werden und gleichzeitig eine hegemoniale Zweigeschlechtlichkeit aufrechterhalten wird, wird im Folgenden genauer analysiert. Anhand der Hervorbringung von Männlichkeit zwischen Verherrlichung und Problematisierung werden divergierende Subjektkonstitutionen, die im Diskurs entwickelt werden, aufgezeigt. Gleichzeitig wird der analytische Blick auf die in der Differenz zu ›Männern‹ und Männlichkeit hervorgebrachten Geschlechterkonstruktionen gelenkt.
7.2 M ännlichkeit zwischen V erherrlichung und P roblematisierung Anknüpfend an die differenten Formen vergeschlechtlichten Macht/Wissens wird im Folgenden analysiert, was deren Wirkweisen/Effekte für verschiedene (vergeschlechtlichte) Wirklichkeitskonstruktionen sind, vor allem mit Fokus auf die Komplexitäten und Widersprüchlichkeiten, die der Geschlechter-
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diskurs in der Debatte ›Männer in Kitas/män i förskolan‹ hervorbringt. Die zentrale Frage ist, wie divergierendes (vergeschlechtlichtes) Macht/Wissen in Beziehung zueinander hergestellt wird, wenn es um die Konstruktion von Männlichkeit geht. Gefragt wird, wie Geschlechterkonstruktionen zueinander stehen und welche Normierungen beziehungsweise Differenzsetzungen sowie Ausschlüsse produziert werden. Im Sinne einer im Diskurs formierten Normativität rücken damit die diskursiv erzeugten Subjektkonstitutionen in den Fokus (Fegter et al. 2015, S. 25). Gesucht wird nach Normalisierungen und damit einhergehender Wissensproduktion, welche als Differenzierungs- und Hierarchisierungsprozesse verstanden werden. Neben der Hervorbringung von Subjekten im Moment des Sprechens rückt an dieser Stelle eine weitere Möglichkeit der Subjektivierung in den Fokus der Analyse. Im Diskurs werden nicht nur die Subjektpositionen, von denen aus gesprochen wird, hervorgebracht. Vielmehr werden auch in Form von Anrufungen Subjektpositionen eröffnet, die die Adressat*innen einnehmen können, um gesellschaftlich intelligibel zu sein. »Subjektivierung vollzieht sich dann anhand einer im Diskurs formierten Normativität. Dieser zweite mögliche Subjektivierungseffekt entsteht durch die Mehrfachadressierung von Diskursen. Sie wenden sich immer an mehrere Adressat_innen, die je im Diskurs angerufen werden, der Norm gemäße Positionen einzunehmen […]. Diesen diskursiven Effekt hat Althusser als Anrufung bezeichnet […]. Durch die Anrufungsfunktion von Äußerungen werden Adressat_innen aufgefordert, die Ordnung des Diskurses, von der her die Anrufung konstruiert ist, anzuerkennen. Mit dieser Anerkennung der Ordnung ist ihnen zugleich Anerkennung als Subjekt in dieser Ordnung versprochen. Wer beispielsweise im Rahmen des hegemonialen legitimen Wissens die Geschlechterordnung anerkennt und realisiert oder zu realisieren vorgibt, kann umgekehrt mit Anerkennung durch die autoritätsstiftenden machtvollen Sprecherpositionen rechnen« (Fegter et al. 2015, S. 25).
Die im Diskurs bereitgestellten Subjektpositionen werden somit gleichzeitig zu vergeschlechtlichten Anrufungen. In der hier untersuchten Debatte sind diesen Subjektkonstitutionen divergierende Positionierungen von ›Männern‹ und Männlichkeit im elementarpädagogischen Bereich immanent, welche aufgrund des Macht/Wissens von Geschlecht unterschiedlich zueinander in Beziehung gesetzt werden. Das im Geschlechterdiskurs bereitgestellte Macht/Wissen folgt einer konflikthaften Ambivalenz. Die daraus resultierenden Subjektkonstitutionen verorten sich im Spannungsfeld zwischen einer Verherrlichung und einer Problematisierung von ›Männern‹/Männlichkeiten. Verstanden wird dies als ein Spiel von ›Männlichkeiten‹, in dem nicht nur das Subjekt-Sein von ›Mann‹/
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›Männern‹ verhandelt wird, sondern es im regierenden Sinne um die Herstellung von Geschlecht und Geschlechterverhältnissen geht. Von analytischem Interesse ist ausgehend von dieser Überlegung, wie das diskursiv hervorgebrachte Fehlen3 von ›Männern‹ und Männlichkeit gefüllt und begründet wird. Normalisierungen und Differenzsetzungen können auf divergierenden Ebenen entstehen. Wie gezeigt wird, grenzt sich zum Beispiel die vermeintlich moderne beziehungsweise alternative Männlichkeit von einer nicht mehr zeitgemäßen, veraltet begriffenen Männlichkeit ab. Einer heteronormativen Logik folgend, stehen beide Formen von Männlichkeit in Abgrenzung zu einer vordergründig nicht näher definierten Weiblichkeit. Gänzlich im Verborgenen bleiben (vergeschlechtlichte) Subjektkonstitutionen, die sich nicht in eine binäre Geschlechtlichkeit einfügen lassen, sowie solche, die aus einer intersektionellen Perspektive von einer weißen, männlichen Mittelschichtnorm abweichen.4 Ausgehend von diesen Überlegungen wird Geschlecht als etwas Unabschließbares verstanden, was diskursiv permanent neu gefüllt und hergestellt werden muss. Die im Folgenden dargestellten Subjektkonstitutionen lassen sich sowohl im schwedischen als auch im deutschen Datenkorpus finden, jedoch mit ungleicher Häufigkeit und Wirkmächtigkeit. Diskursive Regelhaftigkeiten, die sich im Laufe der Analyse als länderspezifisch herauskristallisiert haben, sind in den Ausführungen durch die Nennung des jeweiligen Landes gekennzeichnet. Was die Debatte in beiden Ländern verbindet und damit zum Startpunkt der weiteren Analyse wird, ist die zentrale Aussage im Diskurs, dass ›Männer‹ beziehungsweise Männlichkeit sich verändere.5
7.2.1 Männliche Reproduktionsarbeit Wie eingangs erläutert, wurde im Zuge der Industrialisierung und dem zunehmenden Ausbilden eines Dienstleistungssektors Reproduktionsarbeit und damit auch Betreuungs- und Erziehungsarbeit als natürlich weiblich hervorgebracht. In Deutschland wurde dem elementarpädagogischen Bereich die Begrifflichkeit der geistigen Mütterlichkeit eingeschrieben. ›Frauen‹ wird damit qua Geschlecht die Eignung für das Berufsfeld zugeschrieben. Mit der Forderung nach mehr ›Männer in Kitas/män i förskolan‹ geht es damit auch immer um eine Veränderung vergeschlechtlichter Zuschreibungen an Re3 | Vgl. Kapitel 5. 4 | Wie zu zeigen ist, lassen sich in Bezug auf eine intersektionelle Perspektive in beiden Ländern klare Entwicklungslinien erkennen. 5 | Dies steht konträr zur diskursiven Hervorbringung der Debatte, da hier gerade davon ausgegangen wird, dass ›Männer‹/Männlichkeit sich nicht verändert hat.
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produktionsarbeit. Geschlechterverhältnisse werden entlang ökonomischer Grenzziehungen neu ausgehandelt. Im Folgenden geht es um die differierende diskursive Herstellung männlich konnotierter Reproduktionsarbeit. Eng verbunden mit dieser Hervorbringung ist die Suche nach einer geistigen Väterlichkeit. Diese fokussiert auf eine primär individualisierte Ebene und lässt sich vor allem im deutschen Diskurs finden. Demgegenüber steht die besonders für den schwedischen Diskurs signifikante (De-)Konstruktion vergeschlechtlichter, normierter Machtstrukturen.
7.2.2 Auf der Suche nach einer geistigen Väterlichkeit Eine zentrale diskursive Regelhaftigkeit im Material ist eine Gleichsetzung von männlichen Erziehern und Vätern. Anhand eines Bezuges auf Väterlichkeit wird auf unterschiedliche Weise die Wichtigkeit für ›Männer‹ im elementarpädagogischen Bereich begründet. An dieser Stelle geht es um Veränderungen von Männlichkeitskonstruktionen, die sich in die vergeschlechtlichte diskursive Hervorbringung des elementarpädagogischen Bereichs einpassen. Dies bedeutet nicht nur ein Neuaushandeln von Ideen von Männlichkeit in Bezug auf die Subjektposition des Erziehers, sondern auch eine Verschiebung der Vergeschlechtlichung des Berufsbildes, weg von einer geistigen Mütterlichkeit und hin zu einer geistigen Väterlichkeit. Eine signifikante Bewegung ist die Verschiebung vergeschlechtlichten Macht/Wissens von der Erzieherin als gute Mutter hin zum Erzieher als guten Vater. Relevant werden dabei unterschiedliche Aspekte, wie die Frage nach emotionaler Fürsorge, oder auch nach Körperlichkeit in Form von körperlicher Nähe.
7.2.2.1 Die ›neuen Väter‹ – Verschiebungen von privat und öffentlich Im Gegensatz zur Aussage, dass Frauen ihre Geschlechterrollen verändert hätten und es nun auch Zeit für ›Männer‹ wäre, neue Rollen einzunehmen, stehen Äußerungen, in denen die Subjektkonstitution der ›neuen Väter‹ hervorgebracht werden. In ihrem Beitrag »Das ›Männliche‹ in der Erziehung. Geschlechtsspezifisches Erziehungsverhalten und männliches Rollenvorbild« im Sammelband »Männer in Kitas« (Koordinationsstelle »Männer in Kitas« 2012) stellen Brandes et al. fest: »In den letzten 30 Jahren hat sich sowohl die Einstellung der Väter gegenüber ihren kleinen Kindern verändert als auch das gesellschaftliche Bild vom Vater: Väter werden nicht mehr in der Hauptsache als Familienernährer begriffen, die sich erst in der Erziehung älterer Kinder engagieren oder ins Spiel kommen, wenn es um Regelsetzung geht. Das heutige Bild ist das des ›spielenden Vaters‹, der einfühlsam auf sein Kind eingeht
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Männlichkeiten im Wandel und für dessen geistige und emotionale Entwicklung eine eigenständige Rolle spielt« (Brandes et al. 2012, S. 151).
Kontrastfolie der Äußerung ist ein signifikanter Wandel des Verständnisses von Vaterschaft in den letzten 30 Jahren. Festgemacht wird diese Veränderung sowohl auf einer individuellen als auch auf einer strukturellen Ebene: Einerseits hätten Väter ihre Einstellung zu kleinen Kindern geändert und andererseits hätte sich das gesellschaftliche Bild des Vaters gewandelt. Dieser Wandel im Verständnis von Vaterschaft spiegele sich auch auf ökonomischer Ebene wider: Väter werden zwar immer noch, aber bei weitem nicht mehr alleinig als Familienernährer verstanden. Gleichzeitig wird eine Abgrenzung zu einer autoritären ›Männlichkeit‹ vorgenommen, die sich vor allem um die Einhaltung der Regeln bei älteren Kindern gekümmert habe. In Differenz zu dieser als überholt markierten Männlichkeitskonstruktion wird eine neue und spielende Männlichkeit erzeugt. Durch die Betonung von Einfühlsamkeit und emotionaler Entwicklung erfolgt eine Verschiebung bis dato weiblich vergeschlechtlichter Zuschreibungen hin zu Männlichkeit. Der Position des Vaters wird eine »eigenständige Rolle« zugewiesen. Wirkmächtig wird eine Väterlichkeit, die nur durch Männer ausgefüllt werden kann. Daraus resultiert neben der Abgrenzung zu tradierten Männlichkeitsvorstellungen eine Differenzsetzung zur Positionierung der Mutter. Vätern wird eine Position zugewiesen, in der sie wichtig in der geistigen und emotionalen Entwicklung ihrer Kinder werden und die gleichzeitig nur durch diese ausgefüllt werden kann. Durch den diskursiv hervorgebrachten Wandel von einer autoritären zu einer fürsorglichen Väterlichkeit werden auf einer psychologisierenden Ebene Beziehungen zwischen familiären männlichen Bezugspersonen und vor allem jüngeren Kindern als elementar wichtige hervorgebracht und neu ausgehandelt. Hergestellt wird in dieser Differenzsetzung ein heteronormatives Familienbild, welches sich durch die zwingende Anwesenheit beider Elternteile für das kindliche Wohl auszeichnet. Dies wird auch in folgendem Ausschnitt aus dem Artikel »Männer in Kitas – welche Bedeutung hat das Geschlecht pädagogischer Fachkräfte?« von Rohrmann et al. deutlich. »Väter sind heute in viel stärkerem Ausmaß als früher an der Kindererziehung beteiligt. Es ist inzwischen hinreichend empirisch belegt und wird zunehmend selbstverständlich, dass Männer schon für ganz kleine Kinder wichtig sind und auch ihre Versorgung übernehmen können. Nicht zuletzt durch die Neuregelung von Elternzeit und Elterngeld wächst der Anteil von Vätern, die die Erziehung und Betreuung ihrer kleinen Kinder zumindest zeitweise übernehmen. Sie sind daher auch viel häufiger im Kindergarten anzutreffen. Insbesondere begleiten Väter häufiger die Eingewöhnung von Krippenkindern, da sie oft den letzten Teil der Elternzeit und damit den Übergang in die Kita übernehmen.
7. Widerstreitendes Macht/Wissen von Geschlecht Dieser wachsenden Zahl beteiligter Väter stehen allerdings bislang kaum männliche Pädagogen in den Kindertageseinrichtungen gegenüber« (Rohrmann et al. 2010, S. 1).
Wie schon im Vorhergehenden wird in der Äußerung ein historisierender Vergleich von Vätern vorgenommen, die sich früher nicht im gleichen Maße wie heute an der Kindererziehung beteiligt hätten, und so eine Differenzsetzung zu vergangenen Subjektkonstitutionen hergestellt. Die Positionierung von Vätern als stärker an der Kindererziehung partizipierend wird mit Verweis auf empirische Belege hervorgebracht und so mit einer wissenschaftlichen Sprecher*innenposition begründet. Gleichzeitig wird die Positionierung mit einem alltagsweltlichen Moment verknüpft: Es wäre selbstverständlich, dass ›Männer‹ für kleine Kinder wichtig seien und diese auch die Versorgung von Kleinkindern übernehmen könnten. Im Gegensatz zum Beginn der Äußerung geht es nicht mehr um ›Männer‹ als Väter, sondern ›Männer‹ per se werden für kleine Kinder als wichtig erachtet, ohne dass dies jedoch weiter begründet wird. Die Anrufung von ›Männern‹ als Väter, die sich um ihre Kinder kümmern, wird von diesen jedoch nicht selbstverständlich angenommen. Erst durch staatliche Anreize, wie Elterngeld und die Elternzeitregelung, wächst der Anteil der Väter, die sich um ihre Kinder sorgen. In der Äußerung wird durch den Zusatz »zumindest zeitweise« eine Einschränkung vorgenommen. Neben der Öffnung der Subjektkonstitution von Vätern beziehungsweise ›Männern‹, die sich an der Kindererziehung beteiligen, findet gleichzeitig eine implizite Grenzziehung statt, die sich auf eine Positionierung von Müttern bezieht. Die Betreuung von Kindern durch Väter und ›Männer‹ wird als zeitlich begrenzte hergestellt, der ein Moment der Wahlfreiheit eingeschrieben ist. Neben der Zuweisung bestimmter Elternzeitmonate wird in der Differenz die Positionierung von Müttern hergestellt: Diese seien für den ersten Teil der Elternzeit verantwortlich. Vaterschaft wird als Teilzeitvaterschaft hervorgebracht, die sich in einer heteronormativen Elternschaft verortet. Die Frage nach der Betreuung von Kleinkindern wird an das Geschlecht der betreuenden Person geknüpft und vice versa. Problematisiert wird in diesem Zusammenhang, dass der wachsenden Anzahl von Vätern, die sich um ihre Kinder kümmern, kaum männliche Pädagogen in der Kita gegenüberstünden. Im Verborgenen verbleibt, was den Zusammenhang begründet. Verbindendes Element könnte ›die männliche Komponente‹ sein, verstanden als eine bestimmte Begegnung mit Männlichkeit in der Erziehung, die biologisch als ›Männer‹ gedacht werde. Relevant wird damit in der Logik der Ineinssetzung von ›Männern‹ und Männlichkeit das biologische Geschlecht von Vätern und ›Männern‹. Insgesamt lässt sich eine Gleichsetzung von familienpolitischen Maßnahmen und der (politischen) Forderung nach ›Männern in Kitas‹ erkennen. Die Bereitstellung vergeschlechtlichter Subjektkonstitutionen verortet sich dadurch an der Grenze zwischen
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privat und öffentlich. Bis dato überwiegend im privaten Raum stattfindende Geschlechterkonstruktionen und die damit zusammenhängende Vergeschlechtlichung von Reproduktionsarbeit werden durch die Verknüpfung von (männlichen) Erziehern und Vaterschaft öffentlich verhandelbar. Ähnliche Normalisierungen im Zusammenspiel zwischen Geschlecht und Arbeit lassen sich auch im schwedischen Diskurs finden. »And I think the situation is much better in Sweden so that the fathers take care, are a very natural part of taking care of the children today. So it’s very much more common that you see […] male persons taking care of small children, going to cafés, taking a part of the period where you are on parental leave and so. So therefore the situation has changed. The young men say this is quite normal, for updated masculinity, this is normal. Being a man and taking care of children, it’s normal, it’s normality« (Schweden Text VI, S. 3).
Ebenso wie in der Äußerung im deutschen Diskurs wird Väterlichkeit hier in Vergleich zu etwas Vergangenem gestellt: »the situation is much better«. Durch die Betonung, dass die Situation sich deutlich verbessert habe, ist dem Vergleich eine Bewertung eingeschrieben, die andere männliche/väterliche Subjektkonstitutionen als vergangene marginalisiert. Verbunden ist dies mit einer Naturalisierung der positiv bewerteten aktualisierten Männlichkeit. Für Väter sei es, so die Äußerung, zu etwas Natürlichem und damit gesellschaftlich Unhinterfragbarem geworden, sich um Kinder zu sorgen. Diese Naturalisierung geht mit einer gleichzeitigen Normalisierung von (männlichen) Geschlechterkonstruktionen im Lebensverlauf einher. Es wird als selbstverständlich verstanden, dass ›Männer‹ in der Öffentlichkeit mit kleinen Kindern zu sehen sind. Erkennen lässt sich die für den Geschlechterdiskurs signifikante Regelhaftigkeit der Einschreibung von care in Männlichkeitskonstruktionen. Durch die Betonung einer sich verändernden Situation wird den ›männlichen‹ Subjektpositionierungen6 ein gesellschaftlicher Prozess eingeschrieben. Auf diese Weise wird, wie bereits einige Male zuvor, ein individueller Wandel mit gesellschaftlichen Veränderungsprozessen in eins gesetzt. Nachdruck verliehen wird der Aussage der veränderten Männlichkeitskonstruktionen durch das Sprechen aus der Position ›junger Männer‹. Diese sähen es im Sinne einer updated masculinity als etwas Selbstverständliches und Natürliches an, sich um Kinder zu kümmern. Gesprochen wird von einer »updated masculinity«, die mit einer Care-Männlichkeit und damit indirekt mit Vaterschaft gleichgesetzt wird. Im Verborgenen bleiben in der Differenz 6 | Unter Subjektpositionierungen wird die in-Beziehung-Setzung von Subjektkonstitutionen entlang vergeschlechtlichten Macht/Wissens verstanden.
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dazu Männlichkeiten, die keine Väter sind. Hergestellt wird eine naturalisierte, moderne Männlichkeit in Bezug auf die Veränderungen von Männlichkeitskonstruktionen im Privaten. Gleichzeitig geht die Naturalisierung einer pflegenden Männlichkeit mit einer Überbetonung der Normalität einher: »Being a man and taking care of children, it’s normal, it’s normality«. Normalität wird erst durch eine Wiederholung dieser hervorgebracht 7. Brüchig wird diese Normalität einer pflegenden Männlichkeit im Privaten, das zeigt sich in anderen Äußerungen, wenn die sich verändernden Männlichkeitskonstruktionen auf einen öffentlichen, sichtbaren Raum treffen, wie beispielsweise den elementarpädagogischen Bereich. »Men’s engagement in the care and teaching of young children has increased within the sphere of home and family according to recent research on paternal involvement […]. Yet this kind of caring is often hidden within the private domestic world. The professional roles of men working with young children in pre-school institutions have a symbolic significance with the potential to ›undo gender‹ because they are public and visible« (Warin 2015, S. 95).
Wie schon im deutschen Diskurs wird dem größeren Engagement von ›Männern‹ als Vätern im privaten Bereich das Fehlen von männlichen Pädagogen gegenübergestellt. Untermauert wird die Äußerung durch eine Bezugnahme auf aktuelle Forschungsergebnisse. Die Legitimierung des Sprechens erfolgt aus einer wissenschaftlichen Sprecher*innenposition. Problematisiert wird, dass diese Form der (väterlichen) männlichen Fürsorge oft nicht über den privaten Bereich hinausgehe. Daraus resultiert die Forderung, dass sich die Veränderungen im privaten Bereich auch im Öffentlichen widerspiegeln müssten/ sollten. Erst so erlange die Veränderung von Männlichkeitskonstruktionen gesellschaftliche Wirkung. Hergestellt wird eine Differenz zwischen einem nicht sichtbaren privaten und einem sichtbaren öffentlichen Bereich, die in einem reziproken Verhältnis zueinander stehen und in denen veränderte Männlichkeitskonstruktion unterschiedliche Wirkmächtigkeiten erlangen. Verbunden sind Väter und Erzieher durch den formulierten Wandel von Männlichkeit hin zu einer pflegenden, fürsorglichen Männlichkeit. Der veränderten Vaterrolle werden die professionellen Rollen gegenübergestellt, die ›Männer‹ einnehmen, wenn sie mit kleinen Kindern arbeiten. Gleichzeitig geht mit der Verknüpfung von Vätern und männlichen Erziehern eine Differenzsetzung einher, indem die professionelle Rolle betont wird, die männliche Erzieher einnehmen. Durch die Betonung der »symbolic significance« erfahren ›Männer‹ in der Vorschule eine Besonderung. Erst durch das 7 | Diese Überbetonung der Normalität legt die Vermutung nahe, dass es für ›Männer‹ doch noch nicht gänzlich natürlich ist, Care-Tätigkeiten zu übernehmen.
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Eintreten von ›Männern‹ in den elementarpädagogischen Bereich werden Veränderungen von männlichen Geschlechterkonstruktionen öffentlich sichtbar und damit geschlechterpolitisch wirkmächtig, was als »›undo gender‹« formuliert wird. Eine geschlechtsunspezifische Berufswahl wird als ein Moment hergestellt, in dem Geschlechterkonstruktionen ihre gesellschaftliche Wirkmächtigkeit verlieren. Es geht nicht mehr nur um die Übernahme von Sorgeaufgaben durch ›Männer‹/Väter, sondern darüber hinaus um ein »›undo gender‹«. Auch hier lässt sich durch die gleichzeitige Ausblendung vergeschlechtlichter Gesellschafts- und Machtstrukturen die Individualisierung einer gesellschaftspolitischen Aufgabe erkennen. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Subjektpositionierungen sich zwischen der Hervorhebung des biologischen Geschlechts und (de-) konstruktivistischen Momenten in einer naturalisierten Ambivalenz bewegen. Einerseits erfolgt durch die Thematisierung von anwesenden ›Männern‹ und deren Einordnung als etwas Besonderes eine Fokussierung auf das biologische Geschlecht. Andererseits wird vor allem durch die Verknüpfung mit einem »›undo gender‹« der Anwesenheit eine (de-)konstruktivistische Wirkweise auf Geschlecht beigemessen. Darüber hinaus wird eine Differenz zwischen einem sichtbaren öffentlichen und einem unsichtbaren privaten Raum hergestellt: Die private Sphäre erscheint als weitgehend gleichberechtigt, wohingegen in einer öffentlichen Sphäre in Sachen Gleichberechtigung weiterhin Nachholbedarf postuliert wird. Während es für ›Männer‹ mittlerweile selbstverständlich sei, Elternzeit zu nehmen und sich zu Hause um die Kleinkinder zu kümmern, scheint es in der Öffentlichkeit immer noch ungewöhnlich zu sein. Über die Problematisierung von ›Männer in Kitas/män i förskolan‹ werden sich vermeintlich im privaten Raum befindliche gleichberechtigte Geschlechterverhältnisse hergestellt. Im Material zeigt sich deutlich eine Gleichzeitigkeit der Herstellung von Arbeit und Geschlecht, der eine Reifizierung der Grenzziehung zwischen privat und öffentlich eingeschrieben ist. Diese Differenzsetzung ermöglicht es, eine Normalisierung aus dem Privaten ins Öffentliche zu übertragen, wobei Reproduktionsarbeit und damit Care-Arbeit im Privaten verortet wird. Wie die Subjektkonstitution des Erziehers als Vater in der Debatte ›Männer in Kitas/män i förskolan‹ diskursiv unterschiedlich gefüllt wird und welche Uneindeutigkeiten dieser Positionierung eingeschrieben sind, rückt im folgenden Kapitel in den Fokus. So findet sich zwar in beiden Ländern die Subjektkonstitution des Erziehers als Vater, diese ist jedoch mit einer deutlich stärkeren Sagbarkeit sowie Wirkmächtigkeit im deutschen Diskurs verbunden.
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7.2.2.2 Der Erzieher als Vater – heteronormative Familienbilder Die vorhergehende Darstellung der Relevanzsetzung eines anwesenden Vaters in einer heteronormativ gedachten (Klein-)Familie führt zur Problematisierung der Abwesenheit von ›männlichen‹ Bezugspersonen in der öffentlichen sowie in der privaten Sphäre. Erst unter der Voraussetzung, dass Kinder in einer Familie mit einer Mutter und einem Vater aufwachsen sollen, kann die Abwesenheit ›männlicher‹ Bezugspersonen sowohl im privaten als auch im öffentlichen Bereich problematisiert werden. Dies führt zur diskursiven Gleichsetzung der Positionierung des Erziehers mit Vätern/Väterlichkeit. Verdeutlicht wird dies anhand eines Ausschnitts aus dem Artikel »Männer in Kitas. Chance und Herausforderung für pädagogische Qualität« (Rohrmann/Brandes 2015), welcher in der Zeitschrift Frühe Bildung erschienen ist. »[Es] kann als gesichert gelten, dass Kinder in ihrer kognitiven und sozialen Entwicklung vom Engagement beider Elternteile profitieren, insbesondere, wenn sich diese in ihren Beziehungsangeboten voneinander unterscheiden (vgl. LeCamus, 2001) 8 . Es liegt nahe, Ähnliches von der Betreuung von Kindern durch männliche und weibliche Fachkräfte in Kitas zu erwarten, auch wenn dies erst in den letzten Jahren in den Blick der Forschung gerückt ist« (Rohrmann/Brandes 2015, S. 110).
Die Äußerung wird aus einer wissenschaftlichen, informierten Position getätigt. Aus der Bindungsforschung werden Schlüsse von der Beziehung zwischen Eltern und Kindern auf die öffentliche Kinderbetreuung gezogen. Das Wohl der Kinder wird in Abhängigkeit vom Beziehungsangebot hergestellt. Diese profitieren in ihrer sozialen und kognitiven Entwicklung vom Engagement der Eltern, welches nicht als etwas Geschlechtsunabhängiges begriffen, sondern als ein geschlechterdifferentes Beziehungsverhalten hergestellt wird. Hervorgebracht wird eine naturalisierte Differenz, die auf das Personal in Kindertagesstätten übertragen wird, wenn auch in zögerlichem Ton. Trotzdem wird auch hier davon ausgegangen, dass »männliche und weibliche Fachkräfte« sich in ihrem Beziehungsverhalten aufgrund ihres biologischen Geschlechts signifikant unterscheiden würden. Die Ergebnisse aus der Bindungsforschung werden auf die Betreuungssituation im elementarpädagogischen Bereich übertragen. Dass eine väterlichsorgende Männlichkeit mit einer professionell-sorgenden Männlichkeit von Erziehern in einen Zusammenhang gestellt wird, wird im Material auf unterschiedliche Weisen begründet, mit Bedeutung aufgeladen und legitimiert. Um diese verschiedenen Begründungsmuster geht es im Weiteren.
8 | Le Camus, Jean (2001): Väter. Die Bedeutung des Vaters für die psychische Entwicklung des Kindes. Weinheim: Beltz.
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7.2.2.3 Psychologisierende Begründungsmuster Eine besondere Bedeutung erlangt diese Gleichsetzung einer privaten Vaterrolle mit einer professionellen Erzieherrolle in Bezug auf die Frage nach der in Kapitel 6 dargestellten Diskursivierung von Jungen als Bildungsverlierer. Rohrmann hält hierzu fest, dass »Entwicklungs- und Tiefenpsychologen […] vielfach die Bedeutung des Vaters und anderer männlicher Bezugspersonen für die Identitätsentwicklung von Jungen hervorgehoben« haben (Rohrmann 2006, S. 119). Betont wird hier mit Verweis die Entwicklungs- und Tiefenpsychologie die Verknüpfung zwischen der Bedeutung des Vaters oder anderer männlicher Bezugspersonen und der Identitätsentwicklung von ›Jungen‹. Wie sich diese begründet, verbleibt im Verborgenen. Als einzige verbindende Gemeinsamkeit lässt sich das biologische Geschlecht von Vater, männlichen Bezugspersonen und ›Jungen‹ erkennen. Die Identitätsentwicklung wird dadurch als eine vergeschlechtlichte hergestellt, wofür es jeweils bereits erwachsene Vorbilder und Bezugspersonen braucht. Ein ähnliches Muster lässt sich in folgender exemplarischer Äußerung aus dem schwedischen Diskurs erkennen. Auch hier wird die Forderung nach explizit männlichem Personal mit Verweis auf ein psychologisierendes Begründungsmoment entwickelt. »The boys need space. But since there is no father and there are no exciting or attractive rolemodels the boys will always be a little bit lost. They will try to find: ›Oh that’s a superman, oh that’s batman‹. Well, whatever, we can fight with walls, but these are transitions, initiation rites. So I don’t think preschool or school or the Swedish society have a serious interest in initiation rites, because we […] have this idea of […] growing up is a smooth harmonic development. And that’s not true, Erikson, it’s crisis, it’s crisis, it’s crisis. Who am I when I try to do this and it doesn’t work, and I try to do that, it doesn’t work. […]. Growing up being adult is like handling 200 crises, hopefully not the same week« (Schweden Text VII, S. 6).
In der Äußerung werden fehlende Räume und Rollenvorbilder für ›Jungen‹ problematisiert. Verknüpft wird diese Problematisierung mit der Abwesenheit des Vaters sowie spannender und attraktiver Rollenvorbilder. Ohne diese Rollenvorbilder würden ›Jungen‹ immer ein Stück weit verloren sein und sich an männlichen Superhelden orientieren. Durch die Verwendung des Begriffs »immer« erfolgt eine Generalisierung, durch die eine Lösung der Problematik nur durch die Anwesenheit von ›Männern‹ erfolgen kann. Erkennen lässt sich eine Fokussierung auf das biologische Geschlecht. In der Differenzsetzung und vor dem Hintergrund einer psychologisierenden Theoretisierung von Geschlecht als Rolle werden Erzieherinnen qua Geschlecht als nicht attraktiv und erzieherisch relevant für ›Jungen‹ hervorgebracht.
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Indem das Hineinwachsen in eine männliche Rolle und die Wichtigkeit männlicher Vorbilder mit dem Kämpfen gegen Wände verglichen wird, wird das vorher Gesagte zu etwas Manifestem, dem ein unhinterfragbarer Moment eingeschrieben ist. Dies wird bekräftigt durch den Verweis auf Initiationsriten, welche nur durch männliche Vorbilder zur Verfügung gestellt werden können. Die für die ›Jungen‹ geforderten Initiationsriten werden in Kontrast zum Verständnis eines Aufwachsens gestellt, das als gleichmäßiges und harmonisches beschrieben und in die schwedische Vorschulwelt verortet wird. Die Abgrenzung zur harmonisierenden schwedischen Vorschule wird mit Bezug auf den Entwicklungspsychologen Erikson und dessen zentrales Konzept der Krise verstärkt. Betont wird durch eine dreifache Nennung, dass Aufwachsen vor allem eines sei, nämlich Krise. Identitätsbildung wird als das permanente Durchleben von und Lernen aus Krisen verstanden. Zu Beginn der Äußerung wurde eine starke Verknüpfung zu Geschlecht hergestellt, dies führt dazu, dass der Bezug zu Erikson zwar eher als geschlechtsneutral formuliert wird, in der Verknüpfung der Forderung nach Initiationsriten für ›Jungen‹, Krise jedoch als etwas klar Männliches zu verstehen ist. Das Aufwachsen von Kindern wird in einer biologisierten Differenz gedacht, wobei die Positionierung von ›Mädchen‹ in der Äußerung im Verborgenen verbleibt. Gleichzeitig findet durch die starke Abgrenzung zu einer harmonischen Umgebung eine Abwertung der (feminisierten) schwedischen Vorschule statt. Die Problematisierung der fehlenden männlichen Vorbilder für ›Jungen‹ lässt sich auch im Zusammenhang mit veränderten Familienstrukturen wiederfinden. »Die Wichtigkeit männlicher Pädagogen wird oft damit begründet, dass heute viele Kinder ohne Vater aufwachsen, wobei auch hier vor allem an Jungen gedacht wird. Die wachsende Zahl von Ein-Eltern-Familien, meist alleinerziehende Mütter mit Kind(ern), ist in der Tat ein Problem« (Rohrmann 2012b, S. 122).
Während im Vorhergehenden eine verstärkte Anwesenheit von sorgenden Vätern in der privaten Sphäre formuliert wurde, findet sich nunmehr in der Abwesenheit von Vätern im Privaten eine gegenteilige Problematisierung. Kinder wüchsen häufig ohne Väter auf, was vor allem für ›Jungen‹ als Problem gesehen werde. Dem abwesenden Vater wird die anwesende Mutter gegenübergestellt. Problematisiert wird die wachsende Anzahl von Ein-Eltern-Familien, wobei darunter vor allem alleinerziehende Mütter mit Kindern verstanden werden. Männliche Bezugspersonen werden als etwas gänzlich Abwesendes hergestellt. Im Verborgenen verbleibt, warum dies als Problem anzusehen ist.
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Im schwedischen Diskurs lässt sich die diskursive Regelhaftigkeit der Abgrenzung von dieser Argumentationsfigur der abwesenden, aber notwendigen Väter erkennen. »I think it’s always when we talk about men, some of […] the people say that we have to have more men in preschool. They say it’s important for the boys. And I think it’s from this idea of the 60s when we were like having this […] governmental investigation […], and they were discussing how we can get more men into preschool, and they were doing this from a psychoanalytical perspective, from the idea that boys need role model fathers and other men, so it’s important to have men in preschool for the boys. So I think this idea has stayed, has survived. And now when we are talking about men in preschool then this idea comes up again. But many of those who say this […] they don’t understand where this idea comes from« (Schweden Text IV, S. 4).
Die Äußerung beginnt mit der Feststellung, dass immer, wenn es um ›Männer‹ im elementarpädagogischen Bereich ginge, einige Personen das Argument anbringen, dass es wichtig für die ›Jungen‹ sei. Dieses Argument wird verknüpft mit einem Diskurs aus den 1960er Jahren und damit in die Vergangenheit verwiesen. Als Bezugspunkt dient in der Äußerung eine staatlich initiierte Untersuchung dazu, wie es möglich sei, mehr ›Männer in die Vorschule‹ zu rekrutieren. Als theoretischer Hintergrund der Untersuchung wird auf eine psychoanalytische Positionierung verwiesen, die die Wichtigkeit von Vätern und männlichen Rollenvorbildern für ›Jungen‹ betone und damit eine Verknüpfung zur Wichtigkeit von Männern in der Vorschule herstelle. Diese psychoanalytische Idee wird als immer noch wirkmächtiges, aber veraltetes Relikt verstanden, das in der Debatte immer wieder angeführt wird. Auch im deutschen Diskurs lassen sich Sprecher*innenpositionen finden, die einem psychologisierenden Begründungsmoment kritisch gegenüberstehen. Im Kontrast zur Betonung der Unterschiedlichkeit des Beziehungsverhaltens männlicher und weiblicher Erzieher*innen stehen die Ergebnisse der Tandem-Studie (Brandes 2015). Diese hat sich im Rahmen des Bundesprogramms ›Mehr Männer in Kitas‹ vertieft mit der Frage nach geschlechtsspezifischem Verhalten im elementarpädagogischen Bereich auseinandergesetzt. Ein zentrales Ergebniss ist, dass sich »aus der entwicklungspsychologischen Forschung nahegelegte geschlechtsspezifische Unterschiede, wie z.B. eine stärker bindungsbezogene Haltung von Müttern und eine stärker herausfordernde von Vätern, bezogen auf Fachpersonal in der Frühpädagogik nicht bestätigen« lassen (Brandes 2015, S. 31). Der Hervorbringung eines geschlechtsbedingten divergierenden Beziehungsverhaltens von ›Frauen‹ und ›Männern‹ wird an dieser Stelle widersprochen. In der Fokussierung auf Personal lässt sich ein neutralisierendes Moment erkennen.
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7.2.2.4 Naturalisierendes Begründungsmuster Eine weitere Regelhaftigkeit, die sich in der Gleichsetzung von Erziehern und Vätern erkennen lässt, ist die Einschreibung naturalisierter Eigenschaften, die vormals als typisch weiblich angesehen wurden. Ähnlich wie in der Diskursivierung von Vaterschaft in der privaten Sphäre lassen sich auch in der Positionierung männlicher Erzieher divergierende Anrufungen von Vaterschaft erkennen. Besonders in der deutschen Debatte geschieht dies in Verflechtung mit einer ›geistigen Mütterlichkeit‹, die dem Berufsfeld historisch eingeschrieben sei. »Friis (2008) 9 beschreibt die gesellschaftliche Funktion sowie die ›weibliche Kultur‹ von Kindergärten im Zusammenhang mit dem Mythos der ›guten Mutter‹, die entweder zu Hause bleibt, wenn die Kinder klein sind, oder Teilzeit arbeitet und ihre Karriere opfert, um Zeit mit ihren Kindern zu verbringen. Die Betonung von Häuslichkeit und Weiblichkeit entlastet die Mütter, ›weil Personal und Mütter die gleichen Erziehungsideologien, die Idee der ›guten Mutter‹ teilen‹. Männlichen Beschäftigten (wie auch Vätern) wird der Zugang zur Kinderbetreuung dagegen erschwert« (Rohrmann et al. 2010, S. 7).
In der Äußerung wird eine starke Dichotomie zwischen dem als weiblich verstandenen Kindergarten und der diesem Berufsfeld eingeschriebenen Mütterlichkeit sowie den abwesenden männlichen Erziehern hergestellt und biologisiert. Kindergärten werden auf gesellschaftlicher Ebene die Funktion einer sich um ihre Kinder kümmernden Mutter – und damit ein familienähnlicher Betreuungsauftrag – eingeschrieben. Diese Einschreibung geht einher mit einer Positionierung von Erzieher*innen als Mütter, die einem spezifischen gesellschaftlichen Bild folgen. Mutter-Sein beziehungsweise Mütterlichkeit wird in der Äußerung auf bestimmte Weise attribuiert10, um so die Einschreibung von Fürsorgetätigkeiten in Weiblichkeitskonstruktionen und deren Verortung im privaten Bereich erklären zu können. Durch die Gleichsetzung von Weiblichkeit und Mutterschaft werden Erzieherinnen aufgrund ihres biologischen Geschlechts als Mutterersatz hergestellt und durch eine qua ›weiblichen‹ Geschlechts erworbene naturalisierte sowie biologisierte Erziehungsideologie der guten Mutter legitimiert. Der Idee der guten Mutter wird, einer heteronormativen Logik folgend, im Weiteren eine fürsorgende Männlichkeit und Vaterschaft gegenübergestellt, um darüber den erschwerten Zugang von ›Männern‹ und Vätern im elemen9 | Friis, Pia (2008): Männer im Kindergarten. Wie man sie anwirbt – und dafür sorgt, dass sie auch bleiben. Themenheft des norwegischen Kultusministeriums (2006). Deutsche Fassung 2008 (Hg.) Forschungsprojekt Elementar, Universität Innsbruck. 10 | Diese Zuschreibungen sind: Verzicht auf beruflichen Aufstieg, Verbleib in der privaten Sphäre, um sich um die kleinen Kinder kümmern zu können.
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tarpädagogischen Bereich zu problematisieren: Diese würden aufgrund ihres biologischen Geschlechts aus dem weiblich strukturierten Feld der Kinderbetreuung ausgeschlossen. Im Verborgenen verbleibt die historische Gewordenheit des beruflichen Feldes der Kinderbetreuung in Deutschland sowie deren mangelnde gesellschaftliche Wertschätzung. Daraus resultiert die Einschreibung bis dato weiblich konnotierter Eigenschaften, wie Einfühlsamkeit und Fürsorge, in Männlichkeitskonstruktionen. Gegenübergestellt wird der dem Feld eingeschriebenen geistigen Mütterlichkeit eine ebenso naturalisierte geistige Väterlichkeit. Die Begrifflichkeit des (väterlichen) Erziehers wird unterschiedlich gefüllt. Ebenso sind die Positionierungen mit divergierenden gesellschaftlichen Aufgaben verknüpft, die männlichen Erziehern im Moment des Eintretens in das Berufsfeld zugeschrieben werden, was Gegenstand des folgenden Abschnitts ist.
Der fürsorgende/pflegende Erzieher Eine erste Möglichkeit, was eine geistige Väterlichkeit bedeuten könne, ist die diskursive Positionierung männlicher Erzieher als erziehend beziehungsweise pflegend. »Die Mehrheit der Trägerverantwortlichen, Kitaleitungen und Eltern ist der Meinung, dass Männer in Kitas einen wichtigen Beitrag dazu leisten, traditionelle Männlichkeitsbilder zu erweitern, indem sie zeigen, dass Wickeln, Pflegen, Trösten und Fürsorglichkeit zum Mann-Sein dazugehören« (Cremers/Krabel 2010, S. 58).
Hergestellt wird in der Äußerung ein Konsens, durch ein Sprechen aus der Position von Akteur*innen, die die Kita gestalten. Eingeschrieben ist dieser ein Moment der Legitimation der Forderung nach (mehr) ›Männern‹ im elementarpädagogischen Bereich. So sei es Funktion der ›Männer‹, einen Beitrag zur Erweiterung von Männlichkeitsbildern zu leisten. Die im Vorherigen den Erzieherinnen qua biologischem Geschlecht eingeschriebenen Eigenschaften werden zu einem Teil dieser Männlichkeitsbilder. Den Erziehern wird es zur Aufgabe gemacht, gerade die (biologisierten) Eigenschaften, die bis dato die Differenz zwischen ›Männern‹ und ›Frauen‹ beschrieben haben, in ihr Männlichkeitsbild aufzunehmen und sich damit untypisch männliche Eigenschaften anzueignen: »indem sie zeigen, dass Wickeln, Pflegen, Trösten und Fürsorglichkeit zum Mann-Sein dazugehören«. An dieser Stelle wird die vorher für das Berufsfeld signifikante geistige Mütterlichkeit in die Männlichkeitskonstruktionen der Erzieher um- und eingeschrieben. Hervorgebracht wird eine moderne, alternative Männlichkeit, die um bis dato weiblich konnotierte Zuschreibungen ergänzt wird. Die Positionierung des fürsorgenden und pflegenden Erziehers wird in der Gleichset-
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zung zu einer geistigen Mütterlichkeit hergestellt. Nicht in Frage gestellt wird die biologisierende Vergeschlechtlichung von Zuschreibungen. Daraus resultiert eine Differenzsetzung und Hierarchisierung zu davon abweichenden intelligiblen Männlichkeitskonstruktionen. Gleichzeitig bestehen diese in klarer Abgrenzung zu weiterhin vorherrschenden Weiblichkeitskonstruktionen. Die Positionierung und gleichzeitige Funktionalisierung des männlichen Erziehers als fürsorgendes Vorbild findet sich auch in folgender Äußerung aus der schwedischen Debatte wieder. »Ein gleichgestelltes Vorbild zu sein, könnte bedeuten, die Rolle des Mannes flexibler und weniger engstirnig zu gestalten, als es die normative Männerrolle vorgibt – was die Männer, die in einer Vorschule arbeiten, auf gewisse Art und Weise bereits tun, da sie in einem weiblichen Berufsfeld tätig sind. Sie können Vorbilder sein, indem sie die männliche Norm, die aufgrund eines recht festgezurrten Verständnisses von Männlichkeit gewisse Erwartungen an sie stellt, aufbrechen und damit weitere Arten, Mann zu sein, aufzeigen« (Heikkilä 2015d, S. 93/eigene Übersetzung) 11 .
In der Äußerung wird eine normkritische Perspektive eingenommen, mit der Zielsetzung des Auf brechens vergeschlechtlichter Normsetzungen. Im Sinne der Veränderung von Männlichkeitskonstruktionen geht es um eine geschlechtsunspezifische Berufswahl: ›Männer‹, die in einem weiblich kodierten Berufsfeld arbeiten, werden zu Vorbildern für Gleichstellung. Diese würden, indem sie sich gegen bestimmte Erwartungen an Männlichkeit stellen, zeigen, wie erweiterte und flexiblere Männlichkeitsnormen sein könnten. In der Differenzsetzung zu tradierten Männlichkeitsvorstellungen werden unterschiedliche Möglichkeiten aufgezeigt, ›Mann‹ zu sein. Durch diese Veränderung von Geschlechterkonstruktionen werden Erzieher zu Vorbildern, die insbesondere ›Jungen‹ dazu veranlassen sollen, später selber eine geschlechtsunspezifische Berufswahl zu treffen. Männlichen Erziehern werden allein durch das Eintreten in sogenannte Frauenberufe eine identitätsstiftende Vorbildfunktion und damit gleichzeitig eine gesellschaftspolitische Aufgabe eingeschrieben.
11 | »Att vara jämställd före bild kunde då vara att gestalta ett utvidgat och mera flexibelt sätt att vara man på än det normativa – vilket de män som finns i förskolan på ett sätt redan gör genom att verka inom ett kvinnligt kodat yrke. De kan vara förebilder i att bryta en mansnorm som placerar vissa förväntningar på dem utifrån en rätt så fast manlighet, och därmed visa upp flera sätt att vara man på« (Heikkilä 2015a, S. 93).
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Der wilde/tobende Erzieher In Abgrenzung zum pflegenden und fürsorgenden Erzieher steht die Positionierung als wilder und tobender Erzieher. Hervorgebracht wird diese gerade als Gegenpol zur weiblich attribuierten Kitawelt und damit in Abgrenzung zu einer geistigen Mütterlichkeit. Exemplarisch lässt sich dies anhand eines Ausschnitts aus dem Beitrag »Männer in Kitas – welche Bedeutung hat das Geschlecht pädagogischer Fachkräfte?« (Rohrmann et al. 2010) verdeutlichen, welcher in der Zeitschrift Archiv für Wissenschaft und Praxis der sozialen Arbeit erschienen ist. »Übereinstimmend stellen viele Studien allerdings fest, dass im Kindergarten verstärkt geschlechtstypisches Verhalten auftritt, wenn Männer und Frauen gemeinsam den Alltag mit Kindern gestalten. So sind männliche Erzieher in der Regel für anfallende Handwerkstätigkeiten in der Kita zuständig, bieten bevorzugt Sport- und Bewegungsangebote an, toben und raufen mehr mit den Kindern und trauen den Kindern eher ein risikoreicheres Verhalten zu als die Erzieherinnen« (Rohrmann et al. 2010, S. 7).
In der Äußerung, die aus einer wissenschaftlichen Sprecher*innenposition getätigt wird, wird die Positionierung des männlichen Erziehers in Kontrast zu den weiblichen Erzieherinnen hergestellt12 . Mit der Verortung der Kitateams in einer Zweigeschlechtlichkeit werden als typisch männlich verstandene Zuschreibungen hervorgebracht. Männlichen Erziehern werden »Handwerkstätigkeiten«, »Sport- und Bewegungsangebote«, »toben und raufen« und generell ein anderer Umgang mit den Kindern zugeschrieben. Es handelt sich um durchweg aktive, nach außen gerichtete Tätigkeiten. Wie schon bei der Position des tröstenden und pflegenden Erziehers wird auch hier eine bestimmte Form von Körperlichkeit erschaffen. Diese zeichnet sich durch Bewegung und Sport aus. Damit einher geht eine Fokussierung auf ältere Kinder, die diese Form von Tätigkeiten und Bewegung ausführen können. Auf diese Weise wird das Alter der Kinder in den divergierenden Positionierungen wirkmächtig, die für die männlichen Erzieher bereitgestellt werden. Pflegende und fürsorgende Tätigkeiten lassen sich vermehrt im Zusammenhang mit kleineren Kindern erkennen, während im Gegensatz dazu aktive Tätigkeiten eher den älteren Kindern zugeschrieben werden. Wie schon im Vorhergehenden erfolgt auch hier eine Zuschreibung qua biologischem Geschlecht sowie die Verortung in einer Zweigeschlechtlichkeit.
12 | Im Verborgenen bleibt, welches Verhalten in ›geschlechtshomogenen‹ Gruppen vorzufinden sei.
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Der drohende/strafende Erzieher Im Kontrast zu den zugewandten Positionierungen männlicher Erzieher steht die Forderung nach männlichen Pädagogen, die sich besonders um die ›wilden Jungs‹ kümmern sollen. An dieser Stelle wird ein divergierendes Bild von ›Männlichkeit‹/Väterlichkeit wirkmächtig. Es geht nicht mehr um Erzieher als sorgend, pflegend oder tobend, sondern vielmehr um einen drohenden, strafenden Erzieher, den tradierten Väterlichkeitsvorstellungen folgt. Deutlich wird dies an folgenden Äußerungen aus dem schwedischen Kontext. Als Lösung für die Betreuung einer Gruppe von ›Jungen‹, die von den Erzieherinnen als schwierig eingestuft wurden, wurde ein männlicher Erzieher eingestellt. »Anyway what happened after a while was that […] because the female preschool teachers […] had expectations on him that he should […] be the authority, […] to tell them, […] to do the regulations on these boys. So after a while […] he said […] it is so sad […], because when I come in the mornings these boys would just run away when they see me. Because they are, I am starting to feel that it is so sad that they are afraid of me. So it is like […] in the old days, in the very very old days, before the seventies, before the middle of the seventies, when fathers and mothers were allowed to hit their children. In Sweden it could be that maybe the mother didn’t want to hit the children. They could say: ›You just wait until your father comes home.‹ And this is a little bit the same with the female teachers. They don’t want to do the […] regulations themselves, so in a way they put it on the man. They just wait until he comes« (Schweden Text V, S. 2).
Der Erzieher wurde mit einer ganz bestimmten Intention eingestellt, nämlich die wilden ›Jungs‹ zu bändigen. In der Äußerung wird diese Zuschreibung an Männlichkeit als Erwartung der Erzieherinnen an einen männlichen und damit autoritären Erzieher hervorgebracht. Das Einhalten der Vorschriften durch ein autoritäres Erziehungsverhalten wird als männliche Aufgabe hervorgebracht. Männlichkeit erscheint damit als eine strafende, drohende Männlichkeit, die jedoch nicht dazu führe, dass die Kinder die Regeln einhielten, sondern diesen vielmehr Angst mache – ein Effekt, der wiederum nicht dem professionellen Selbstbild des Erziehers entspreche. Hergestellt wird eine strafende Männlichkeit, als Bedürfnis von Erzieherinnen in bestimmten Situationen und damit als Reaktion auf ein Scheitern von erzieherischer Weiblichkeit/geistiger Mütterlichkeit. Das Verhalten der Erzieherinnen wird mit Verweis auf veraltete vergeschlechtlichte Gesellschaftsstrukturen erklärt, in denen es Vätern und Müttern erlaubt war, ihre Kinder zu schlagen. Wenn die Mutter dies selbst nicht tun wollte, konnte als erzieherisches Moment auf den abwesenden Vater als Drohfigur zurückgegriffen werden. Im Moment des Schlagens lässt sich eine gewaltvolle Männlichkeit und damit einhergehend eine weitere Form von Körperlichkeit erkennen.
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Gleichzeitig birgt die Positionierung des strafenden und drohenden Erziehers ein irritierendes Moment aus Sicht des Erziehers, welcher sich abgrenzt und über die ihm zugewiesene Position unglücklich ist. Daraus resultiert ein Widerspruch zwischen der Anrufung von außen und der Selbstpositionierung des Erziehers. Dieses Spannungsfeld führte am Ende dazu, dass der Erzieher die Vorschule wieder verlassen hat. In der Position des drohenden/strafenden Erziehers lässt sich ein Widerspruch erkennen, zwischen dem (gesellschaftspolitischen) Auftrag, der in der Debatte verhandelt wird, und den Bedürfnissen/Geschlechterwissen der Erzieherinnen, auf die Erzieher in der Praxis treffen. Widererkennen lässt sich die in Kapitel 5 ausgeführte Relevanzsetzung von vergeschlechtlichtem Macht/ Wissen zwischen Politik/Wissenschaft_Praxis. Gleichzeitig steht die Position des drohenden/strafenden Erziehers in Abgrenzung zu den Erwartungen, die mit der Idee einer geistigen Väterlichkeit als pflegend und fürsorgend einhergehen.
7.2.3 Väterlichkeit – eine Bewegung in Ambivalenzen Zusammenfassend lässt sich ein diskursiver Wandel von Männlichkeit erkennen. Dieser verortet sich in einer Ambivalenz zwischen tradierten und modernisierten Subjektkonstitutionen. ›Männer‹ und Männlichkeit beziehungsweise Väter und Vaterschaft werden im Diskurs divergierend hergestellt. Nicht gewollte naturalisierte, männlich konnotierte Zuschreibungen werden größtenteils in Abgrenzung zu einem Männlichkeitsbild hervorgebracht, das als veraltetet und überholt verstanden wird. Wiedererkennen lässt sich an dieser Stelle die Verknüpfung zwischen naturalisierenden und konstruktivistischen Sprecher*innenpositionen. Zu Beginn steht das Auf brechen tradierter Männlichkeitsnormen aus einer konstruktivistischen Perspektive. In einem weiteren Schritt erfolgt unter anderem aus einer psychologisierenden Sprecher*innenposition eine Renaturalisierung vergeschlechtlichter Zuschreibungen. Die mit den Subjektkonstitutionen einhergehenden Normierungen sind von Differenzsetzungen durchzogen, die sich teilweise erst in Abgrenzung zueinander herstellen. Dies sind die Zuschreibungen veraltet/tradiert versus alternativ/modern/neu, pflegend/fürsorgend versus strafend/tobend/wild, öffentlich/abwesend versus privat/anwesend. Des Weiteren wird die Begrifflichkeit von Vaterschaft entweder in Divergenz oder in Kongruenz zu Mutterschaft hergestellt. Als paradoxe Diskursstrategie lassen sich biologistische Zuschreibungen erkennen, die zwischen vermeintlich weiblichen und als typisch männlich verstandenen Eigenschaften variieren. Trotz all dieser unterschiedlichen diskursiven Abgrenzungen und Anknüpfungen und des komplexen Netzes an Zuschreibungen und Normierungen wird (moderne) Väterlichkeit im Diskurs fast durchweg als etwas Positives hergestellt.
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›Männer‹, die sich für diesen Beruf entscheiden, sollen ein Vorbild für die spätere Berufswahl für ›Jungen‹ sein, eine männliche Identifikationsfigur bieten sowie fehlende männliche Bezugspersonen im Privaten ersetzen. Sie sollen typisch männliche Eigenschaften repräsentieren und gleichzeitig Vorreiter neuer Männlichkeitsbilder sein. Gemeinsam ist den divergierenden Positionierungen, die in Beziehung zu Vaterschaft und Erzieher-Sein hergestellt werden, die Einschreibung qua Geschlecht. Daraus resultiert eine natürliche/geistige Väterlichkeit, für die die Erzieher aufgrund einer biologisch begründeten Geschlechtszuschreibung wie natürlich qualifiziert sind. Der Logik der geistigen Mütterlichkeit folgend, sind Männer qua Geschlecht für die Arbeit mit Kleinkindern geeignet und wichtig. Vor einem so gesetzten Hintergrund werden Fragen nach Profession und Qualität zweitrangig.13 Als weitere Regelhaftigkeit lässt sich die Verschiebung von privaten und öffentlichen Grenzziehungen erkennen. Mit der Verknüpfung von vergeschlechtlichter Reproduktionsarbeit und Beziehungsmustern bedeutet die Regierung von Geschlecht in der Frage nach ›Männern‹ im öffentlichen Bereich immer auch eine Regierung von Elternschaft. Daran anknüpfend lassen sich in der Positionierung männlicher Erzieher heteronormative Geschlechtszuweisungen analog zu privaten familiären Strukturen erkennen. Die Eröffnung des Spannungsfelds zwischen Erzieherbereich und Väterbereich ermöglicht Verschiebungen von Geschlechterkonstruktionen, reproduziert jedoch gleichzeitig auch heteronormative Geschlechterverhältnisse. Eingebettet ist diese diskursive Hervorbringung in vergeschlechtlichten Macht- und Hierarchiestrukturen. Diese werden vor allem in der schwedischen Debatte zu einem zentralen Auseinandersetzungspunkt, was Gegenstand des folgenden Abschnitts ist.
7.2.4 Verschiebung vergeschlechtlichter Grenzziehungen Wurde der Wandel von Männlichkeit im Vorhergehenden vor allem in einer Veränderung von individualisierten Männlichkeitsvorstellungen sichtbar, geht es im Folgenden verstärkt um das Auf brechen vergeschlechtlichter Gesellschaftsmuster. Erkennen lässt sich in dieser Verschiebung eine diskursive Bewegung, die sich zwischen vergeschlechtlichten Subjektkonstitutionen und Struktur bewegt. Diese verortet sich einerseits mit der Einschreibung alternativer Männlichkeitskonstruktionen in Subjekten sowie andererseits mit der intendierten/politischen Verschiebung von Geschlechterkonstruktionen auf struktureller Ebene.
13 | Dies findet sich deutlicher in der deutschen Debatte. Im Gegensatz dazu werden Fragen nach Profession und Kompetenz in der schwedischen Debatte zentraler.
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Neben der Strategie, einen Männlichkeitswandel über eine Veränderung individualisierten Macht/Wissens zu erreichen, was vor allem im deutschen Diskurs zentral ist, lässt sich, wie schon in Kapitel 5 und 6 deutlich wurde, in der schwedischen Debatte das Ziel der gesamtgesellschaftlichen Veränderung von Geschlechtermustern erkennen, was den Blick für vergeschlechtlichte Machtstrukturen öffnet. Gleich ist bei beiden Perspektivierungen die Zielsetzung der Veränderung von vergeschlechtlichten Normen und deren immanenten Grenzziehungen. Eine solche Veränderung bewegt sich in einem Kontinuum zwischen Verschiebung und Auflösung vergeschlechtlichter Normierungen. Exemplarisch wird diese Fokussierung auf vergeschlechtlichte Gesellschaftsstrukturen im Folgenden anhand eines Zitats von Heikkilä und Hellmann aus dem Vortrag »New preschool teacher students? – forming an alternative masculinity« im Rahmen der EECERA 14 2016 ausgeführt: »It is concluded that the men15 form an ›alternative‹ masculinity as a reaction towards a hegemonic masculinity where men are seen as amongst other things strong, competitive and not emotional. These men are discussing ways of being a real man, and a preschool teacher. An issue to discuss is how masculinities are negotiated among men that have done a non-stereotypical vocational choice« (Heikkilä/Hellman 2015 o. A.).
In der Äußerung wird die Herausbildung einer alternativen Männlichkeit als Reaktion auf eine hegemoniale Männlichkeit hergestellt. Der Differenzsetzung zwischen einer alternativen und einer hegemonialen Männlichkeit ist ein Moment der Abgrenzung immanent, in dem hegemoniale Männlichkeit unter anderem als stark, konkurrenzbetont und nicht emotional definiert wird. Daran anknüpfend wird die Frage aufgeworfen, wie es möglich sei, ein »real man« zu sein und gleichzeitig »preschool teacher«, was eine Gleichsetzung von echter Männlichkeit mit hegemonialen Männlichkeitskonstruktionen impliziert. Dies stehe in Abgrenzung zum als feminisiert hervorgebrachten elementarpädagogischen Berufsfeld. Gefragt wird, wie Männlichkeiten unter ›Männern‹ verhandelt werden, die eine nicht stereotype Berufswahl getroffen haben. Daraus resultiert eine Besonderung dieser ›Männer‹. Mit der Wahl der Begrifflichkeiten alternative und hegemoniale Männlichkeit sowie der dezidierten Frage nach Männlichkeitskonstruktionen rücken in der Debatte ›män i förskolan‹ nicht nur individualisierte Geschlechterkonstruktionen
14 | European Early Childhood Education Research Association (EECERA). 15 | Bezug auf eine Interviewstudie mit ›männlichen‹ Vorschullehrern, welche im Rahmen der Auseinandersetzung zur Rekrutierung von mehr Männern in die Vorschule von 2014 bis 2015 durchgeführt wurde.
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in den Blick, sondern vergeschlechtlichte Gesellschaftsstrukturen werden in Frage gestellt. Dies betont auch Jalmert in seinem Beitrag »Maskulinitet och omsorg – gamla mönster för män i förskolan« (Jalmert 2015, S. 77)16. Im Titel wird die Verknüpfung von Männlichkeit und Fürsorge als alte Muster für ›Männer‹ in der Vorschule hervorgebracht. Genau diese gelte es zu hinterfragen. »Um Geschlechterrollen verändern zu können, ist es aus meiner theoretischen Herangehensweise heraus notwendig, dass wir die Strukturen, in denen wir leben, aufzeigen und verdeutlichen. Veränderung ist nicht möglich, solange wir nicht die Strukturen und Normen sehen, die unsere Leben einschränken« (Jalmert 2015, S. 82/eigene Übersetzung) 17.
In der Äußerung, die aus einer wissenschaftlichen Sprecher*innenposition getätigt wird, wird betont, dass es das wesentliche Moment für die Veränderung von vergeschlechtlichten Gesellschaftsmustern sei, eben diese zu enthüllen und aufzuzeigen. Während bis dato zumeist die Veränderung von Subjekten im Vordergrund stand und gesellschaftliche Macht- und Herrschaftsverhältnisse im Verborgenen geblieben sind, geht es nun genau darum, diese in den Blick zu nehmen. Ohne diese Strukturen und die darin eingeschriebenen Normen, welche Subjektivierungsmöglichkeiten begrenzen, zu erkennen, sei keine Veränderung möglich. Es erfolgt eine Perspektivverschiebung weg von einzelnen Subjektkonstitutionen hin zu gesellschaftlichen Strukturen und deren Wirkmächtigkeit. Gleichzeitig wird mit der Betonung eines Wir ein gesamtgesellschaftlicher Umgang eingefordert und sichtbar gemacht. In der folgenden Äußerung aus dem schwedischen Datenkorpus wird dies noch einmal deutlicher. Es ginge nicht darum, Männlichkeit zu verändern, sondern den gesellschaftlichen Blick, der Männlichkeits- und Weiblichkeitskonstruktionen erzeuge. »Theoretically, my idea is that if we could identify […] how we look upon masculinity and femininity, then we can position ourselves in this dualistic way of seeing this. Then me as a man, I can say: ›Okay, I am not so strong, I am not sport-interested. But maybe I am a bit interested in making a career, but I am also caregiving. Then of course I am a bit of both, sometimes I am caregiving, sometimes I am not caregiving. Wait a minute, okay, I position myself in different situations differently‹ […]. Is it so important that we 16 | »Männlichkeit und Fürsorge – alte Muster für Männer in der Vorschule« (Jalmert 2015, S. 77/eigene Übersetzung). 17 | »Som mest väsentligt för att kunna förändra könsmönstren är, ur mitt teoretiska perspektiv, att vi synliggör och tydliggör de strukturer vi lever i. Ingen förändring är möjlig om vi inte ser de strukturer och normer som begränsar våra liv« (Jalmert 2015, S. 82).
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Männlichkeiten im Wandel talk about masculinity and femininity, or should we talk about human behaviors […]« (Schweden Text IV, S. 15).
Zu Beginn steht die Frage nach einem gesellschaftlichen Blick auf Männlichkeit und Weiblichkeit und den Möglichkeiten einer Verortung in dieser Dualität. Der Konstruktion von Geschlecht ist ein aktives Moment eingeschrieben. Durch die Reflexion bestehender Männlichkeits- und Weiblichkeitskonstruktionen wird es den Subjekten möglich, sich aktiv und bewusster in diesen zu verorten. Das zu Beginn hervorgebrachte Subjekt des gesellschaftlichen Wir wird im Laufe der Äußerung zu einer Positionierung als Mann. Ausgehend von dieser vergeschlechtlichten Positionierung und anhand der Kontrastfolie gängiger Männlichkeitsvorstellungen wird aufgezeigt, dass Geschlecht immer situationsabhängig hervorgebracht werde. Im Gegensatz zu vorhergehenden Äußerungen werden vergeschlechtlichte Attribuierungen nicht als sich ausschließende hervorgebracht, sondern Interessen werden vielmehr als etwas Geschlechtsunabhängiges verstanden, was es ermöglicht, Fürsorge mit Männlichkeit zusammenzubringen. Subjektivierungsmöglichkeiten werden damit von etwas Determinierten und Unveränderbarem zu etwas situativ Gestaltbarem. Anknüpfend an diese divergierende Positionierung wird die Frage aufgeworfen, ob es wichtig sei, von Männlichkeit und Weiblichkeit zu sprechen, oder ob es nicht besser wäre, allgemeiner von menschlichem Verhalten zu sprechen. »And I think sometimes you can get into the question wrongly if you talk about changing masculinity. […] I think we should change how we look upon masculinity. And maybe that’s the same thing, because if I as a man would like do something norm-breaking, then of course I would be punished by the society, that […] now I don’t position myself correctly to feminine and masculine. But at the same time, I also open up for the idea that you can also be doing that as a man. So sometimes these norm-breaking things you are doing can actually be important to erase the lines between what is okay to do« (Schweden Text IV, S. 15).
Es wird die Frage aufgeworfen, ob es wichtig sei, über Männlichkeit und Weiblichkeit zu sprechen, oder aber den Blick auf Männlichkeit zu verändern. Dies wird in Form eines Appels als eine kollektive gesellschaftliche Aufgabe formuliert: »we should change how we look upon masculinity«. In der Äußerung erfolgt wiederholt ein Wechsel von einem kollektiven Wir zu einem individualisierten Ich als ›Mann‹. Durch diesen Wechsel wird deutlich, dass Geschlechterkonstruktionen sich immer in einem reziproken Verhältnis zwischen Individuum und Struktur befinden. Problematisiert wird
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anhand individueller Subjektpositionierungen, die sich nicht im gesellschaftlich Intelligiblen bewegen, sondern Normen brechen, dass diese gesellschaftlichen Sanktionsmechanismen unterliegen. Gleichzeitig wird nicht normkonformem Verhalten ein emanzipatorisches Moment eingeschrieben, indem sie vergeschlechtlichte Grenzziehungen in Bewegung setzen würden. Des Weiteren werden aus einer dekonstruktivistischen Sprecher*innenposition die Auflösung vergeschlechtlichter Normierungen sowie Grenzziehungen gefordert, wenn es heißt: »erase the lines between what is okay to do«. Ähnliche Äußerungen, die die Veränderung vergeschlechtlichter Machtstrukturen fokussieren, finden sich in der deutschen Debatte. Wie in Kapitel 6 aufgezeigt, sind diese mit einer anderen Sagbarkeit belegt. »Sowohl auf der politischen als auch auf der pädagogischen Ebene ist für uns eine tatsächliche Gleichstellung und Gleichberechtigung eines der vorrangigen Ziele und wir sehen in der Überwindung der bestehenden hierarchischen Geschlechterordnung […] entlang des ›zweigeschlechtlichen Klassifizierens‹ (Andresen 2003, S. 33) 18 eine notwendige Voraussetzung zur Erreichung dieses Ziels […]« (Koordinationsstelle Männer in Kitas 2014, S. 5).
In der Thematisierung von Gleichstellung auf politischer sowie auf pädagogischer Ebene lässt sich die in Kapitel 6 herausgearbeitete Verknüpfung zwischen Politik/Wissenschaft und Praxis erkennen. Das Sprechen findet somit im Dazwischen statt. Gefordert wird aus dieser Positionierung die Überwindung der Geschlechterordnung. Diese wird durch die Zusätze hierarchisch sowie »zweigeschlechtlichen Klassifizierens« näher bestimmt. Das Erreichen von Gleichstellung beziehungsweise Gleichberechtigung wird erst im Überwinden dieser gesehen. Somit geht es auch hier um die Auflösung vergeschlechtlichter Gesellschaftsmuster. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass in der Debatte ›Männerin Kitas/män i förskolan‹ unterschiedliche Formen von Macht/Wissen wirkmächtig werden. Dies führt zu konträren und konflikthaften Aussagen und Regelhaftigkeiten, die teilweise auch konträr zur Rekrutierung von ›Männern‹ in den elementarpädagogischen Bereich liegen. So steht die Forderung nach Auflösung einer Zweigeschlechtlichkeit in einer paradoxen Weise zur Rekrutierung qua Geschlecht. Deutlich wird, dass es in der Debatte nicht alleine
18 | Andresen, Sünne (2003): Moderne Organisationen als Institutionen der Vergeschlechtlichung: Organisations- und gendertheoretische Grundlagen. In: Andresen, Sünne; Dölling, Irene; Kimmerle, Christoph (Hg.). Verwaltungsmodernisierung als soziale Praxis. Geschlechter-Wissen und Organisationsverständnis von Reformakteuren. Opladen, S. 33-60.
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um Veränderung (vergeschlechtlichter) Personalstrukturen geht, sondern vielmehr ein gesellschaftlicher Umgang mit Geschlecht ausgehandelt wird.
7.2.5 Pädophilie oder der Generalverdacht Die bis dato aufgezeigten Subjektkonstitutionen waren mit Ausnahme des drohenden/strafenden Erziehers durchweg positiv konnotiert und können als gesellschaftlich gewünscht begriffen werden. Im Gegensatz zu den Positionierungen männlicher Pädagogen als Helden oder Retter stehen die immer wieder angeführten Verdachtsmomente einer (potenziell) missbrauchenden Männlichkeit, die ebenfalls mit der Konstruktion von Männlichkeit in der Debatte ›Männer in Kitas/män i förskolan‹ einhergehen. Der im Vorhergehenden hergestellte Zusammenhang zwischen Männlichkeit und Care wird an dieser Stelle in Form einer negativen Ausprägung wieder aufgegriffen. Es lässt sich eine Naturalisierung erkennen, welche stärker und unauflösbarer wirkt, als dies im Vorhergehenden bei den positiven konnotierten Positionierungen zu erkennen war. »Wenn Männer mit Krippenkindern arbeiten, ist dagegen nach wie vor mit Irritationen zu rechnen. Dies ist besonders bemerkenswert angesichts der seit Jahren festzustellenden medialen Präsenz von Vätern mit Babys« (Rohrmann et al. 2010, S. 1).
›Männer‹, die mit Krippenkindern arbeiten, werden nicht als etwas Normales angesehen. Dies führt vielmehr zu Irritationen. Worin diese genau liegen, bleibt in der Äußerung im Verborgenen. Die Irritation entsteht vor dem Hintergrund von medial anwesenden und damit öffentlich sichtbaren Vätern mit Babys. Dies scheint jedoch nicht zu einer Normalisierung der Verbindung von Kleinkindern/Babys und Männlichkeit zu führen, denn der Normalisierung dieses Verhältnisses im Privaten wird ein Unbehagen im Öffentlichen gegenübergestellt. Während bis dato eine zentrale Regelhaftigkeit die soziale Erwünschtheit von ›Männern‹ im elementarpädagogischen Bereich war, wird diese an der Stelle, wo es um Missbrauch geht, brüchig. Verdeutlicht wird dies im Folgenden exemplarisch anhand einer Äußerung gesprochen aus einer wissenschaftlichen Sprecher*innenposition. »[…] und dann finde ich aber umgekehrt auch wieder interessant, also wessen Interesse ist es eigentlich weniger. Und was ich nicht sehe, ist, dass Fachkräfte, die drin sitzen, die Frauen, die drinne sitzen, dass die danach schreien. Und bei Eltern, also Eltern sind ja auch Akteure in dem System, da höre ich das auch nicht unbedingt. Würde sich jetzt auch keiner hinstellen und schreien, kein Mann darf an mein Kind, aber da gibt es schon auch Vorbehalte. Und Vorbehalte, die dann sicherlich mit den Missbrauchsskan-
7. Widerstreitendes Macht/Wissen von Geschlecht dalen 2010/1119 […] also diese Geschichte hat da sicherlich auch für Vorsicht gesorgt« (Deutschland Text I, S. 3).
In der Äußerung wird die Frage ins Zentrum gerückt, wer kein Interesse an (mehr) ›Männern‹ in der Kita habe. Das Desinteresse wird auf zwei unterschiedlichen Ebenen verortet. Einmal werden innerhalb der Kita die weiblichen Fachkräfte angeführt, welche nicht nach männlichen Erziehern schreien würden. Aus dieser Perspektivierung erscheint die Forderung nach mehr ›Männern‹ als eine von außen an die Kita herangetragene. Eine ähnliche Feststellung wird in Bezug auf die Eltern getroffen, auch diese würden nicht den Wunsch nach mehr männlichen Erziehern formulieren. Vielmehr wird den Eltern ein Moment des Zweifelns und der Unsicherheit zugeschrieben. Die Vorbehalte der Eltern verbleiben jedoch eher im Nicht-Sagbaren und Diffusen. Inhaltlich gefüllt werden die Vorbehalte mit einer Verknüpfung zu den Missbrauchsskandalen von 2010/2011. Die an der Stelle nicht näher ausgeführte Geschichte wird als relevant für eine gewisse Vorsicht gegenüber ›Männern‹ im elementarpädagogischen Bereich hervorgebracht. Der in der Äußerung noch sehr global hervorgebrachte Vorbehalt lässt sich im Material immer wieder anhand ähnlicher Szenarien finden, wenn es um (sexuellen) Missbrauch im elementarpädagogischen Bereich geht. Zumeist wird auf Szenen referiert, in denen ein kleines Kind auf dem Schoß eines Erziehers sitzt oder ein Erzieher ein Kind wickelt. Die folgende Äußerung wird aus Sicht eines Vorschullehrers getätigt, der im Rahmen einer studentischen Studie zu männlichen Vorschullehren interviewt wurde. »And one of them talked about one experience 20 that they have made: he had this little girl who really liked him and she wanted to sit on his knees and they were alone in the room and she was just sitting very very close. Then one of the other teachers came in and stopped 21 and he had the feeling that she was thinking something about it. […]. He thought a lot about it, but they never talked about it. But then the other day one of the other persons working there, a woman, she was changing the diapers of a boy and she was kissing his belly […] and they were laughing and she was kissing his feet and so on. And then he said in this interview: ›If I had done that it would have been very difficult 19 | »›Die nehmen uns nicht ernst‹ – Ein Pfleger soll in einem Münchner Kindergarten rund zwei Dutzend Kinder missbraucht haben. Die Eltern üben nun harsche Kritik am Krisenmanagement der städtischen Behörden« (Süddeutsche Zeitung 21.07.2011). 20 | Ausführungen zu einer Interviewstudie mit männlichen Erziehern, die im Rahmen eines Seminars durchgeführt wurde. 21 | Stopped wird im Interview durch eine Geste mit der Hand verdeutlicht, die dem Erzieher signalisiert, diese Situation zu beenden.
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Männlichkeiten im Wandel for me, I would never have done it.‹ So of course it’s a little bit problematic for them, because they are always with these suspicions, that maybe, they are not a good man« (Schweden Text II, S. 4).
Die Äußerung wird aus der Perspektive eines Erziehers getroffen. Am Anfang wird die Situation körperlicher Nähe zwischen dem Erzieher und einem ›Mädchen‹ geschildert und in den Rahmen von emotionaler Zuwendung und Fürsorglichkeit gestellt. Diese zunächst harmlose Situation wird im Weiteren aus zwei divergierenden Perspektiven problematisiert. Der Erzählung selbst wird durch die Betonung, dass der Erzieher mit dem ›Mädchen‹ alleine im Raum war und dieses wirklich sehr eng bei ihm saß, ein problematisierendes Moment eingeschrieben. Diese Problematisierung und die gleichzeitige Positionierung des Erziehers als potenziell missbrauchend werden erst durch das Eintreten der Erzieherin, die die Situation sofort unterbindet, wirkmächtig. Diese (gefühlte) Positionierung wird von dem Erzieher im Weiteren angenommen und führt zu einer Verunsicherung über sein Verhalten in der Vorschule. Die Gedanken verbleiben jedoch ebenfalls in einem diffusen Raum des Nicht-Sagbaren. Da Missbrauch sich unter anderem durch eine gesellschaftliche Tabuisierung auszeichnet, wird diese Problematik nur bedingt zu etwas Sagbarem. Die Problematisierung der Care-Männlichkeit als pozentiell missbrauchend wird im Kontrast zu einem Beispiel einer weiblichen Vorschullehrerin und deren ungezwungener körperlicher Nähe zu einem Kind noch unterstrichen. Die körperliche Nähe und Intimität der Erzieherin zu einem kleinen Jungen wird aufgrund des biologischen Geschlechts nicht problematisiert. Deutlich wird aus Perspektive des männlichen Erziehers, dass schon alleine die potenzielle Gefahr, als missbrauchende Person angerufen zu werden, als Exklusionsmechanismus wirkt. Hergestellt wird eine biologisierte Zweigeschlechtlichkeit, die sich durch eine Differenzierung von Körperlichkeit in öffentlicher Care-Arbeit auszeichnet. Während bei männlichen Erziehern ein Zuviel an Körperlichkeit suspekt erscheint, wird körperliche Nähe bei weiblichen Erzieherinnen als sozial erwünscht und positiv für die Kinder hergestellt. Durch die vergeschlechtlichte Problematisierung von Körperlichkeit wird die Position einer potenziellen missbrauchenden Männlichkeit hergestellt, welche die Erzieher auffordere, sich permanent mit dieser Anrufung auseinanderzusetzen. Die Einschreibung des Generalverdachts wird aus der in der Äußerung eingenommenen erzählenden Sprecher*innenposition reflektiert und als Problem benannt. Die Begrifflichkeit Missbrauch wird dabei sowohl in der Beschreibung der Situation sowie in der Reflexion nicht verwendet. ›Männer‹ werden nicht als missbrauchend benannt, sondern in gute und schlechte ›Männer‹ unterteilt. Diese Differenzsetzung wird zu einem Damoklesschwert, welches männliche Erzieher qua Geschlecht ständig begleite.
7. Widerstreitendes Macht/Wissen von Geschlecht »It’s really affecting the men in the preschools in a way that they tend to always have to think twice what they do. If […] they want to change the diapers: ›Can everyone see that I am going with this child and […] I am going to change this child’s diapers, can you see me?‹ And they like the children. Some of the smaller children should go away [to another room, ID] during sleep time or something, they are looking like: ›Do we have a window in the door, so everyone can see me?‹ So they always have to build this safeness around them« (Schweden Text IV, S. 2).
Das Handeln von männlichen Erziehern wird als bestimmt durch den Generalverdacht hervorgebracht. ›Männer‹ müssten immer zweimal darüber nachdenken, was sie tun. Verdeutlicht wird dies am Windeln wechseln bei Kleinstkindern sowie beim Mittagsschlaf der etwas größeren Kinder. Wenn Erzieher ein kleines Kind wickeln, müssten diese dafür sorgen, dass dies nicht im Verborgenen geschähe. Die Handlung müsse als etwas Offenes und Einsehbares hergestellt werden. Im ersten Moment alltägliche Handlungen mit Kleinkindern werden mit der Durchführung durch einen männlichen Erzieher zu etwas Besonderem, das angekündigt werden muss. Ähnliches geschieht auf Ebene des Mittagsschlafs mit kleinen Kindern. Auch hier werde es zum Problem, wenn der Erzieher alleine mit den Kindern in einem geschlossenen Raum ist. Um dieser Problematisierung entgegenzuwirken, werden die Räumlichkeiten selbst verändert und Überwachungsmöglichkeiten, wie ein Fenster in der Tür, geschaffen22 . Verknüpft ist mit diesen (räumlichen) Veränderungen eine permanente Sichtbarkeit des potenziell missbrauchenden Erziehers. Gleichzeitig wird diese Sichtbarmachung als Strategie der Absicherung für männliche Erzieher hervorgebracht. Handlungen, denen eine potenzielle Missbrauchssituation zugrunde liegt, werden als etwas, das öffentlich gemacht werden muss, hergestellt. Entweder durch ein aktives Formulieren der Erzieher oder durch besondere Maßnahmen, die in den elementarpädagogischen Einrichtungen zur Absicherung sowohl vor Missbrauchsverdächtigungen oder auch vor Missbrauch selbst etabliert wurden. Durch diese Maßnahmen werden die Handlungen aus dem Graubereich des Generalverdachts gehoben. Es entsteht ein (vermeintlicher) Schutzraum sowohl für die Kinder als auch für die männlichen Erzieher. Gleichzeitig erscheinen männliche Erzieher wie unter eine permanente Beobachtungsposition gestellt, in deren Differenzsetzung nur die weiblichen Erzieherinnen qua Geschlecht eine kontrollierende Funktion übernehmen können. Der Generalverdacht fungiert als imaginäre vergeschlechtlichte Grenzsetzung, der eine doppelte Besonderung von männlichen Erziehern einge22 | Einer anderen Lesart folgend, kann an dieser Stelle die Einsehbarkeit von bestimmten Orten und das Verhindern von dunklen Ecken hervorgehoben werden. Dieser liegt die Annahme zugrunde, dass Übergriffe vor allem im Dunklen, Privaten stattfinden.
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schrieben ist. Einerseits werden diese als potenziell missbrauchende Personen hervorgebracht. Andererseits wird eine Positionierung als Opfer des Generalverdachts und damit einhergehenden fälschlich vorgebrachten Anschuldigungen hergestellt. Die Subjektpositionierung des männlichen Erziehers verortet sich damit zwischen einer Täter- und Opferposition. Neben den unterschwelligen Verdachtsmomenten werden im Material ebenso Momente formuliert, in denen sowohl von Seiten der Eltern als auch von Trägerseite ein klares Unbehagen gegenüber männlichen Erziehern geäußert wird. Eltern und Träger werden an dieser Stelle zu einer überwachenden Instanz. »Aber es gibt eben durchaus Berichte aus der Praxis, wo Eltern explizit die Kitanleitung danach fragen oder gesagt, ich möchte aber nicht, dass mein Kind von einem Mann gewickelt wird« (Deutschland Text II, S. 7).
Die Problematisierung wickelnder ›Männer‹ wird in der Äußerung mit Bezugnahme auf Berichte aus der Praxis hergestellt. Artikuliert wird die Forderung der Eltern, ihr Kind nicht durch einen männlichen Erzieher wickeln zu lassen, welche an die Kitaleitung gerichtet wird. Wirkmächtigkeit erlangt damit ein bestimmtes Geschlechterwissen über Männer, das sich in Problematisierungen der Eltern äußert. Damit werden die zumeist unterschwelligen Vorbehalte aus dem Nicht-Sagbaren auf eine Ebene des Gesagten gehoben. »ein Träger […], der richtig eine Anweisung erteilt hat, Männer dürfen nicht, Männer müssen beim Wickeln die Tür offen lassen, also nur für Männer, wo wir sagten, geht gar nicht, […], das ist dann keine subtile Diskriminierung, sondern eine offene« (Deutschland Text III, S. 11).
Eine ähnliche offensichtliche Problematisierung von Erziehern, die Kinder wickeln, lässt sich in der Äußerung auf Trägerebene erkennen. Aus dem in der vorherigen Äußerung vorgebrachten Wunsch wird eine Anweisung: »Männer dürfen nicht«. ›Männern‹ würde qua Geschlecht verboten, kleine Kinder zu wickeln, beziehungsweise müsse beim Wickeln die Tür offen bleiben. Im Weiteren erfolgt eine Positionierung zu dieser Praktik, gesprochen aus einer kollektiven Position: »wo wir sagten geht gar nicht«. Die Praxis wird als offensichtlich diskriminierend hervorgebracht. Die Frage danach, wer wickeln dürfe beziehungsweise könne, nimmt im Diskurs eine zentrale Stellung ein und wird kontrovers diskutiert. Einerseits gibt es Positionen, von denen aus betont wird, dass ›Männer‹ sehr wohl auch wickeln können und dies auch tun sollen, um neue Männlichkeitsbilder aufzuzeigen. Andererseits wird wickeln als Tätigkeit hervorgebracht, die Ausdruck des oft unausgesprochenen Generalverdachts männlichen Missbrauchs ist.
7. Widerstreitendes Macht/Wissen von Geschlecht
›Männer‹ können zwar wickeln, dürfen es aber qua biologischem Geschlecht nicht. Männlichkeitskonstruktionen wird eine naturalisierte Ambivalenz eingeschrieben, die (scheinbar) nicht aufgelöst werden kann. Neben dem biologischen Geschlecht, welches sichtbar wird, wird auch Sexualität relevant gesetzt. Die Sexualität des Erziehers wird als potenziell auf die Kinder gerichtet hervorgebracht. Exmplarisch gezeigt wird dies im Folgenden anhand einer Aussage aus dem schwedischen Datenkorpus. »And if the child asked: ›What do you have there?‹ […] and talk about the genitals, they […] say it’s really important to inform the parents. ›We have had this conversation in this context, so you should be aware if the children say something‹ They always have to position themselves in relation to that they could be suspected. I think for the man that has been working for twenty years in preschool, they are calm about this, it’s not so important. ›Okay, I am aware of this, but I feel quite safe now.‹ But for the younger men who have been working for one or two years, this really affects them and makes them really uncomfortable« (Schweden Text IV, S. 2).
Noch problematischer wird die Verknüpfung von Männlichkeit, Körperlichkeit und Sexualität, wenn es um die Frage nach frühkindlicher Sexualität geht. Auch hier lässt sich der Imperativ der Sichtbarmachung erkennen. Wenn ein Kind den Erzieher fragt ›was hast du da‹ und sich ein Gespräch über den Genitalbereich23 entwickelt, wird es als wirklich wichtig angesehen, dass die Eltern über dieses Gespräch informiert werden. Hervorgebracht wird die Informiertheit der Eltern als Mechanismus, der die Erzieher schützen soll. Die Eltern sollen wissen, dass die Konversation stattgefunden hat, falls das Kind das Thema zu Hause noch einmal aufgreift. Handlungen müssen somit nicht nur innerhalb der Kita, sondern auch nach außen kommuniziert und sichtbar gemacht werden. Der Hervorbringung von Schutzmechanismen ist eine Ambivalenz eingeschrieben. Einerseits sollen diese die männlichen Erzieher vor falschen Verdächtigungen schützen. Andererseits zementieren diese die Positionierung der Erzieher als potenziell missbrauchend. Mit der permanenten Aufforderung zur öffentlichen Sichtbarmachung von bestimmten Handlungen werden Erzieher zu einer Selbstpositionierung als potenziell missbrauchend gezwungen. Relativiert wird dieser Zwang zur Sichtbarmachung in Bezug auf das Alter und die Dauer der Arbeitserfahrung in Vorschulen. Für ›Männer‹, die schon über einen längeren Zeitraum in der Kita arbeiten, sei die Konfrontation/Aus23 | Anzumerken ist an dieser Stelle die Gleichsetzung von Körperteilen mit Sexualität. Frühkindliche Sexualität wird in der Äußerung nur vermittelt durch ein Gespräch über den Genitalbereich zum Thema gemacht.
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einandersetzung mit einer potenziell missbrauchenden Männlichkeit nicht mehr von zentraler Bedeutung. Die Positionierung verliert damit in Abhängigkeit zu Zeit ihre Wirkmächtigkeit. Im Unterschied dazu wird das Unbehagen von jüngeren ›Männern‹ beziehungsweise von ›Männern‹, die erst ein oder zwei Jahre in der Vorschule arbeiten, hergestellt. »And they don’t have any colleagues to talk with about this, because they say that: ›My female teacher, we are like the same in everything. The same where we work, but in this particular question, they can’t understand the power in this fear‹« (Schweden Text IV, S. 2).
Verbunden wird diese Problematisierung mit der Abwesenheit anderer männlicher Kollegen, mit denen es möglich wäre, sich zum Thema Missbrauch auszutauschen. Dies geschieht in der Betonung der Gleichheit zu Erzieherinnen in Bezug auf den Beruf und einer gleichzeitigen Abgrenzung zu diesen über das Geschlecht. Die Angst vor einer falschen Verdächtigung wird als ein machtvoller Moment der Grenzziehung hergestellt, was nur männliche Erzieher so verstehen könnten. Mit dieser Grenzziehung gehen vergeschlechtlichte Zuschreibungen einher, die eine Gleichstellung von ›Männern‹ und ›Frauen‹ insbesondere in Fragen von Care-Aufgaben verunmöglichen. Daraus resultiert eine vergeschlechtlichte Hierarchisierung, in der Männlichkeit per se zu einer potenziellen Gefahr für Kinder wird. In Abgrenzung dazu werden Erzieherinnen zu einer Kontrollinstanz, die die Kinder vor potenziellem Missbrauch durch männliche Erzieher schützen müssten. Dies steht im Kontrast zum Schutz der Kinder vor einer ›verweiblichten‹ Kita- und Vorschulwelt durch mehr ›Männer‹. »I: And do you think that the parents think the same? Do they also have their doubts? […]. X: […] when men come as a new preschool teacher, then they really could meet these questions from the parents. But when they have been working quite a lot, […], they say: ›Oh it’s no question. I never get these questions from the kidsʼ parents. If they say something they say: ›Oh we know this hasn’t got anything to do with you.‹ But I think it’s more the question from the friends outside the preschool. So there they have to defend themselves and they ask them questions like: ›Oh are the children not afraid?‹, when they are leaving the kids on their own. […] So they meet the question not in the preschool, but outside the preschool. And many of them describe that it’s really tough that ›I always have to explain, I always have to position myself, when I am with my male friends.‹« (Schweden Text IV, S. 2f.).
In der Äußerung wird neben den Erzieherinnen den Eltern ein weiteres überwachendes Moment eingeschrieben. Dieses wird in Verknüpfung mit der Dau-
7. Widerstreitendes Macht/Wissen von Geschlecht
er der Anwesenheit der Erzieher hergestellt. Die Gefahr der Positionierung im Sinne des Generalverdachts wird vor allem relevant gesetzt, wenn junge ›Männer‹ in die Kita kommen. Junge ›Männer‹ müssten eine Bewährungsprobe bestehen, wenn sie den Beruf als Erzieher/Vorschullehrer wählen. Erst nach einigen Jahren wird die Frage nach Missbrauch zu einer »no question«. Von Seiten der Eltern entsteht eine Sicherheit bzw. ein Vertrauensverhältnis, das die Erzieher per se vom Verdacht des Missbrauchs freispricht. Die Subjektpositionierung des potenziell missbrauchenden Erziehers wird nicht nur innerhalb der Kita/Vorschule hervorgebracht, sondern entfaltet auch im öffentlichen, sozialen Umfeld Wirkmächtigkeit. Fragen werden zum Beispiel von Seiten der Freunde an die Erzieher herangetragen. Exemplarisch wird genannt, ob die Kinder nicht Angst hätten, wenn sie mit dem Erzieher alleine wären. Männlichkeit im Kontext Kita/Vorschule wird aus der Position des Fragenden als etwas Bedrohliches hergestellt, wozu der Erzieher sich permanent positionieren müsse, was einer Normalisierung der Berufswahl des männlichen Erziehers entgegensteht. Dadurch nimmt die Positionierung des Erziehers als potenziell missbrauchend eine Distinktionsfunktion nicht nur in Bezug auf die Erzieherinnen ein, sondern es werden gleichzeitig divergierende Männlichkeitskonstruktionen hervorgebracht. Eine Aufgabe, die den männlichen Erziehern mit dem Eintritt in die Vorschule auferlegt wird, ist eine identitäre Rechtfertigung zur Wahl eines geschlechtsunspezifischen Berufs, die verknüpft ist mit dem permanenten Vorwurf des potenziellen Missbrauchs. Verdeutlicht wird dies anhand des folgenden Ausschnitts aus der »Handreichung für die Praxis Geschlechtergerechte Personal- und Organisationsentwicklung. Grundlagen, Praxisreflexionen und Materialien« der Koordinationsstelle »Männer in Kitas«. »Körperliche Nähe ist jedoch ein wesentlicher Bestandteil der pädagogischen Arbeit von Fachkräften in der Elementarerziehung. Ein Vermeidungsverhalten nimmt männlichen Pädagogen die Chance, Kindern zu zeigen, dass Männer nicht nur ›wilde Kerle‹ sein können und mit Vorliebe toben und raufen, sondern auch feinfühlig und fürsorglich sind, trösten und kuscheln können. Vermeidung körperlicher Nähe verhindert die Aufnahme einer vertrauensvollen Bindung und Beziehung zum Kind. Es verunsichert die Männer und die Kinder. Dies führt zwangsläufig zu einer Verminderung der pädagogischen Qualität der Einrichtung und der Arbeitszufriedenheit der männlichen Fachkräfte. Ein Abwandern der männlichen Fachkräfte in andere Felder der Kinder- und Jugendhilfe (z.B. in die Offene Jugendarbeit) ist nur allzu oft die Folge« (Koordinationsstelle Männer in Kitas 2014, S. 76).
Eine weitere Möglichkeit, neben der Schaffung von Schutzräumen, ist das Vermeiden von Situationen, die einen Missbrauchsverdacht provozieren könnten. Diese Momente werden mit körperlicher Nähe gleichgesetzt, welche jedoch
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gleichzeitig als wichtiger Bestandteil der pädagogischen Arbeit hergestellt wird. Dies führt zu einer Hervorbringung von Männlichkeit, die sich in einem Spannungsfeld bis dato männlich konnotierter Eigenschaften – wie raufen und toben – und als weiblich verstandenen Eigenschaften – wie fürsorglich sein, trösten und kuscheln – verortet. Hervorgebracht wird eine Körperlichkeit, die in Verbindung mit den als typisch weiblich verstandenen Fürsorge- und Pflegetätigkeiten gebracht wird. Im Verborgenen bleibt, dass auch Handlungen, wie raufen oder toben, mit körperlicher Nähe einhergehen (können). Aufgrund der Körperlichkeit, die den weiblich konnotierten Eigenschaften implizit ist, können männliche Erzieher diese nur bedingt umsetzen. Zentral ist die Gleichsetzung von Bindung und Beziehung mit einer feminisiert verstandenen körperlichen Nähe. Dadurch werde es für männliche Erzieher unmöglich, die gleiche Bindung wie weibliche Erzieherinnen zu den Kindern aufzubauen. Dies führe zu einer Verunsicherung von ›Männern‹ und Kindern. Damit führt Körperlichkeit, der ein feminisiertes Moment eingeschrieben ist, zu einem doppelten Exklusionsmechanismus für ›Männer‹. Einerseits würde die Qualität der pädagogischen Arbeit durch die Anwesenheit von ›Männern‹ gemindert, da diese die für das Arbeitsfeld zentrale körperliche Nähe nur bedingt leisten könnten. Andererseits führe dies dazu, dass die ›männlichen‹ Mitarbeiter mit der Arbeitssituation unzufrieden seien und in andere Bereiche der Kinder- und Jugendarbeit wechseln würden. Im Verborgenen verbleibt, dass Missbrauch keine Problematik ist, die sich nur auf den elementarpädagogischen Bereich bezieht, sondern vielmehr als gesellschaftsübergreifendes Problem zu fassen ist. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass in der Positionierung des potenziell missbrauchenden Erziehers eine Gleichsetzung von Männlichkeit, Körperlichkeit und Sexualität erfolgt. Mit der Rekrutierung von ›Männern in Kitas‹ wird Körperlichkeit und Sexualität zu etwas Sichtbarem im elementarpädagogischen Bereich. Dies wird in einer Ambivalenz verhandelt, in welcher feminisierte Körperlichkeit als per se positiv für (kleine) Kinder und elementar in diesem Berufsfeld verstanden wird. Im Gegensatz dazu wird (sexueller) Missbrauch an das biologisch naturalisierte Geschlecht des Erziehers geknüpft und männliche Erzieher damit zum Risiko. In Abgrenzung zur im Vorhergehenden hervorgebrachten Care-Männlichkeit erscheint gerade körperliche Nähe von Erziehern als gesellschaftlich nicht erwünscht. Im Gegensatz zum heteronormativen Begehren, welches in der Positionierung des Vaters hervorgebracht wird, wird bei der Hervorbringung von ›Männern‹ als missbrauchend sexuelles Begehren als abnorm hergestellt. ›Männer in Kitas‹ werden als potenziell pädokriminell gesehen.
7. Widerstreitendes Macht/Wissen von Geschlecht
Missbrauch wird somit als etwas Öffentliches hervorgebracht. Im Verborgenen verbleibt (sexueller) Missbrauch im Privaten durch Väter beziehungsweise ›Männer‹ im familiären Umfeld. Gleichzeitig wird Missbrauch als etwas hervorgebracht, was vor allem kleine Kinder betrifft. Ausgeblendet wird Missbrauch in Institutionen, in denen ›Männer‹ mit älteren Kindern arbeiten, wie Schule, Freizeitvereine oder Kirche. Dadurch wird ein gesamtgesellschaftliches Problem auf den elementarpädagogischen Bereich fokussiert. Dies führt neben der Exklusion von männlichen Erziehern zu verschiedenen Schutzmechanismen, die innerhalb der Einrichtungen eingeführt werden. Neben der Sicherheit und Prävention, die diese den beteiligten Akteur*innen (Eltern, Kinder, Träger usw.) bieten sollen, erfolgt dadurch eine permanente Positionierung und gleichzeitig negativ konnotierte Sichtbarmachung der männlichen Erzieher. Als Weiteres vollzieht sich auch eine selektive Sichtbarkeit auf Gewalt und Missbrauch im elementarpädagogischen Bereich. Thematisiert wird Missbrauch als sexueller und körperlicher durch männliche Erzieher, nicht jedoch emotionale Gewalt oder Missbrauch durch weibliche Erzieherinnen. Gezeigt wurde im Vorhergehenden die Hervorbringung von Männlichkeit zwischen Verherrlichung und Problematisierung. Deutlich wurden divergierende Positionen, die männliche Erzieher einnehmen können, um intelligibel zu werden. So stehen unterschiedliche Facetten einer geistigen Väterlichkeit der Forderung nach dem Auf brechen von Zweigeschlechtlichkeit gegenüber. Gleichzeitig erfolgt mit der Positionierung als potenziell missbrauchend eine negative Konnotierung männlicher Reproduktionsarbeit. Wie ausgeführt, sind männliche Erzieher damit mit ganz widersprüchlichen Zuschreibungen und Anrufungen konfrontiert. Von diesen wirken manche regierend im Sinne einer gesellschaftlichen Anerkennung und manche regierend im Sinne, dem präventiv vorgebeugt werden muss.
7.3 D ie P ositionierung des A nderen Während im Vorhergehenden die Aushandlung männlicher Fähigkeit und Eignung zur Reproduktionsarbeit im Fokus der Analyse stand, geht es im Folgenden um das in der Debatte ›Männer in Kitas/män i förskolan‹ in Differenz dazu hervorgebrachte Andere. Dies ist zum einen eine homogenisierte Weiblichkeit, die sich vor allem in der Herstellung einer feminisierten Kitawelt zeigt. Als Weiteres lässt sich die Forderung nach einer geschlechtslosen Profession erkennen, diese wird ebenso wie die Bewegung zu Diversität als Lösung der Widersprüchlichkeiten und Brüche in der Auseinandersetzung um ›Männer‹ im elementarpädagogischen Bereich gesehen.
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7.3.1 Die »weibliche Kitakultur« 24 Mit dem Eintritt in den elementarpädagogischen Bereich wird ›Männern‹ eine Besonderung eingeschrieben, welche in Abgrenzung zum als weiblich verstandenen Berufsfeld verstanden wird. Aufgezeigt werden im Folgenden mit dem Weiterreichen von ›Männern‹ in Führungspositionen sowie dem Anvertrauen als typisch männlich verstandener Aufgaben zwei zentrale Strategien, die zu einer Exklusion von ›Männern‹ aus diesem Berufsfeld führen und dieses gleichzeitig als weiblich attribuieren. Exemplarisch ausgeführt wird dies anhand eines Textausschnitts aus dem deutschen Datenkorpus. »Sie [die männlichen Erzieher] sind auf einer Ebene gewollt, aber ich glaube in diesem Feld zu überleben, also das ist genauso mit der Frau oder dem jungen Mädchen, das in einen Männerberuf geht, oder jede Minderheit angesichts einer anderen, andersartigen Mehrheit hat Schwierigkeiten. […] also es bleibt ja gar nicht aus, dass sie Minderheit sind, wenn sie neu in Teams kommen, und dann gibt es zwei Verarbeitungsmöglichkeiten, also einmal ich reiche diesen Mann durch in die Leitungsposition […]« (Deutschland Text I, S. 4).
Zu Beginn der Äußerung wird betont, dass ›Männer‹ im elementarpädagogischen Bereich gewollt seien. Dies wird mit dem Zusatz »auf einer Ebene« sowie dem darauffolgenden »aber« mit einer doppelten Einschränkung belegt. Es wird formuliert, dass es für Männer schwer sei, im Feld der Kinderbetreuung »zu überleben«. Dies wird begründet durch den Minderheitenstatus, den ›Männer‹ in diesem Feld einnehmen. Die Positionierung als Minderheit wird im Sinne einer Zweigeschlechtlichkeit dem Eintreten einer ›Frau‹ oder einem jungen ›Mädchen‹ in einen Männerberuf gegenübergestellt. Reproduziert wird eine vergeschlechtlichte Arbeitsmarktsegregation, die sich durch sogenannte Männer- und Frauenberufe auszeichnet. Durch diese vergeschlechtlichten Gesellschaftsmuster wird es möglich, einer Minderheit eine andersartige Mehrheit gegenüberzustellen. Wirkmächtig wird eine biologisierte Differenzsetzung zwischen ›Männern‹ und ›Frauen‹. ›Männer‹ werden qua Geschlecht als individuelle Einzelpersonen einem vergeschlechtlichten (feminisierten) Berufsfeld gegenübergestellt. Aufgezeigt werden zwei divergierende Verarbeitungsmöglichkeiten, wie innerhalb vergeschlechtlichter Organisationsstrukturen auf das Eintreten von ›Männern‹ reagiert wird. Als Erstes wird das automatische Weiterreichen in eine Leitungsposition genannt. Zugrunde liegen dieser Verarbeitungsstrategie hegemoniale Männlichkeitsvorstellungen, in denen Männlichkeit per se als karriereorientiert verstanden wird. 24 | Cremers/Krabel 2010, S. 71.
7. Widerstreitendes Macht/Wissen von Geschlecht
Als weitere Verarbeitungsmöglichkeit wird die Zuweisung von typisch männlich verstandenen Aufgaben an Erzieher benannt. »Das ist die eine Verarbeitungsmöglichkeit, also wo man dann quasi wieder das Störmoment wieder exkludieren kann und das andere ist […] also sagt zumindest die Literatur, die Funktionalisierung für bestimmte Tätigkeiten […]. Aber also immer eine Besonderung, das ist das und das ist, glaube ich, schwer, also macht es schwer, in dem Feld zu arbeiten« (Deutschland Text I, S. 4).
Der Logik folgend, dass ›Männer‹ eine Minderheit im elementarpädagogischen Bereich darstellen, werden diese als »Störmoment« hervorgebracht, welches es entweder durch einen beruflichen Aufstieg zu beseitigen gelte oder – wie in der zweiten Verarbeitungsstrategie formuliert wird – indem ihnen bestimmte Tätigkeiten zugewiesen werden. Mit der Begrifflichkeit des Störmoments erhält Männlichkeit per se eine negative Konnotation. Beide vorgestellte Verarbeitungsmöglichkeiten verbleiben innerhalb binärer biologisierter Geschlechterkonstruktionen und lassen keine geschlechtsunabhängige Inklusion in das Berufsfeld zu. ›Männer‹ werden als das Besondere hergestellt und gleichzeitig wird dies als Argumentation verstanden, warum diese nicht in diesem Berufsfeld arbeiten. In beiden Verarbeitungsmöglichkeiten wird Männlichkeit mit Bezug zu einem feminisierten elementarpädagogischen Bereich hervorgebracht. Ähnliches lässt sich auch in folgender Ausführung aus dem Beitrag »More men? Swedish arguments over four decades about ›missing men‹ in ECE and care« (Wernersson 2015) finden, welcher im Sammelband »Men, masculinities and teaching in early childhood education. International perspectives on gender and care« (Brownhill et al. 2015) erschienen ist. »However, an emphasis on men’s value as male role models, especially for boys, is one way to signal that men can do something that women cannot do even within this location of feminine competence. This approach makes it possible to claim that is not a ›step down‹ for men to work with children, since they add something unique« (Wernersson 2015, S. 20).
Problematisiert wird in der Äußerung die Besonderung von ›Männern‹ im elementarpädagogischen Bereich. Wirkmächtig wird ein naturalisiertes Macht/ Wissen von Geschlecht, welches den elementarpädagogischen Bereich über das Geschlecht der Erzieherinnen feminisiert und zu etwas Defizitärem macht. Dieses Defizit könne nur durch die Anwesenheit von ›Männern‹ ausgeglichen werden. Gleichzeitig wird die Berufswahl des Vorschullehrers damit nicht etwas, das für ›Männer‹ eine gesellschaftliche Abwertung bedeutet, sondern vielmehr werden diese zu etwas Einzigartigem. Auf diese Weise entsteht
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eine Gegenüberstellung einer feminisierten Organisationskultur und ›Männern‹/Männlichkeit. Deutlich wird dies auch in folgender Ausführung aus dem schwedischen Datenkorpus. »You can call it a culture, and probably the values within the culture are […] shaped by the people, their experiences of who works there. And if there are 95 % women working there it’s not a surprise, what kind of talks and what kind of songs and what kind of games […]. So in many ways I think it would be dishonest not to describe it a female atmosphere in the preschool« (Schweden Text VII, S. 2).
In der Äußerung wird eine Organisationskultur beschrieben und in Bezugnahme auf das biologische Geschlecht der dort arbeitenden Personen vergeschlechtlicht. Die Werte, welche der Organisationskultur eingeschrieben werden, erscheinen als durch das Personal und deren Erfahrungen geformt. Vor dem Hintergrund, dass 95 % des Personals ›weiblich‹ seien, wäre es – so die Äußerung – keine Überraschung, welche Art von Sprechen, Liedern, Spielen und vielen Dingen mehr in der Vorschule zu finden seien. Durch die Aufzählung erfolgt eine allumfassend homogenisierte Vergeschlechtlichung der elementarpädagogischen Organisation. Die Vorschule nicht als feminisiert zu bezeichnen, wird als Unwahrheit und damit als eine Lüge hergestellt. Im Verborgenen verbleibt, was genau unter einem weiblich konnotierten Sprechen, Singen oder Spielen und damit unter einer feminisierten Atmosphäre zu verstehen ist. Nachvollziehen lässt sich dies in folgendem Textausschnitt, in welchem Ergebnisse der qualitativen Interviews im Rahmen der Studie »Männliche Fachkräfte in Kindertagesstätten« (Cremers/Krabel 2010) ausgeführt werden. Auch in Deutschland wird vom elementarpädagogischen Bereich als etwas per se Weibliches gesprochen. Folgende Punkte werden in der Interviewstudie von Cremers und Krabel als signifikant für eine »weibliche Kultur« (Cremers/ Krabel 2010, S. 71) angeführt. • »Frauen würden mehr über »persönliche« und »belanglose« Themen reden. Den Männern sind Unterrichtsgespräche oder Teambesprechungen häufig nicht zielorientiert genug. Sie haben den Eindruck, diese führten zu keinen eindeutigen Entscheidungen. • Frauen würden bei Teambesprechungen mehr Wert auf eine nette und harmonische Atmosphäre als auf ein professionelles, gut strukturiertes Abarbeiten anstehender Tagesordnungspunkte legen. • […]. • Frauen würden ihre Arbeitsbeziehungen emotionalisieren. In der Wahrnehmung der männlichen Erzieher entstehen dadurch persönliche Konflikte, in die immer wieder das gesamte Team hineingezogen wird.
7. Widerstreitendes Macht/Wissen von Geschlecht • Frauen halten Kinder zu einem vorsichtigeren, Gefahren vermeidenden Spiel an. Männliche Auszubildende und Erzieher trauen den Kindern dagegen mehr zu, lassen sie höher auf Bäume klettern oder wilder toben. • Frauen setzen andere Schwerpunkte in ihrer pädagogischen Arbeit. Den Männern zufolge konzentrieren sich viele weibliche Auszubildende und Erzieherinnen beispielsweise auf musische und künstlerische Angebote und vernachlässigen Sport- und Bewegungsangebote […]. • Frauen legen viel Wert auf eine Verschönerung der Innenräume, auch wenn dies dazu führt, dass Kinder in ihrer Bewegungsfreiheit und in ihrem Spiel eingeschränkt werden« (Cremers/Krabel 2010, S. 71).
Hergestellt wird in der Aufzählung eine homogenisierte, feminisierte Kitalandschaft, die sich durch die Abwesenheit männlich konnotierter Zuschreibungen auszeichnet. In der Gegenüberstellung vergeschlechtlichter Attribute erfolgt die Reproduktion einer binären Geschlechterordnung. In dieser werden das anwesende Weibliche und das fehlende Männliche in einer wertenden Hierarchisierung hervorgebracht. Durch die Formulierung im Konjunktiv ist der Aufzählung ein Moment der Skepsis eingeschrieben. Die in den Interviews als Wahrheit hervorgebrachte ›weibliche Kitawelt‹ wird aus Sprecher*innenperspektive als sozial konstruiert gefasst. Die Auflistung folgt dem Schema, dass zuerst die für ›Frauen‹ typisch verstandenen Eigenschaften und Handlungsmuster aufgeführt werden. In Kontrast dazu werden die männerspezifischen Eigenschaften genannt. Männlichkeit und Weiblichkeit werden dadurch als sich ausschließende und gleichzeitig komplementär ergänzende Positionen hergestellt.25 Weibliche Attributionen werden als strukturierendes Moment von Kitas hervorgebracht und gleichzeitig in der Anwesenheit abgewertet. Diese Regelhaftigkeit lässt sich für verschiedene Bereiche der Kitaarbeit konstatieren. In den ersten drei Aufzählungspunkten wird eine emotional weibliche Teamkultur männlich rationalem Handeln gegenübergestellt. ›Frauen‹ beziehungsweise als weiblich verstandenes Handeln werden als persönlich, emotional, nicht zielorientiert, nett sowie harmonisch hervorgebracht. Im Widerspruch zur angestrebten Harmonisierung führe gerade die Emotionalisierung zu Konflikten, die das ganze Team beeinflussen. Formuliert wird diese Feststellung aus der in der Aufzählung hervorgebrachten Außenperspektive von ›Männern‹. Im Gegensatz dazu werden ›Männer‹ als zielorientiert, gut strukturiert und professionell hervorgebracht. Ähnlich vergeschlechtlicht strukturiert, wird die pädagogische Arbeit mit den Kindern hervorgebracht. Auch hier wird ein ästhetisiertes, ängstliches,
25 | Rose spricht an dieser Stelle von einer Ganzheitsfigur (Rose 2015, S. 46).
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weibliches Verhalten einem bewegungsorientierten, mutigen, männlichen Verhalten gegenübergestellt. Ein dritter Bereich, der als typisch weiblich hergestellt wird, ist die Kita als Raum. Die von den Erzieherinnen angebrachten Verschönerungen würden die Kinder in ihrem (männlich konnotierten) Bewegungsdrang einschränken. Weiblichkeit wird als etwas Allumfassendes hergestellt, welches sich in allen Bereichen der Kita wiederfinden lässt und Männliches per se sowohl passiv als auch aktiv ausschließe. Durch die Abgrenzung zu einer weiblichen Kitawelt, die vor allem aus der Perspektive von ›Männern‹ geäußert wird, erfolgt eine Positionierung der ›Männer‹. Als weiblich wird all das hervorgebracht, was nicht als männlich verstanden wird oder vice versa. Diese diskursive Regelhaftigkeit steht im Kontrast zu der im Vorhergehenden ambivalenten, konflikthaften Hervorbringung von Positionierungen, die männliche Erzieher einnehmen sollen/können. Die vergeschlechtlichte Homogenisierung elementarpädagogischer Einrichtungen nimmt im Diskurs konträre Funktionen ein. Einerseits wird diese als Begründung angeführt, dass es mehr ›Männer‹ brauche. Gleichzeitig dient die Feminisierung als Argument, dass ›Jungen‹/›Männer‹ sich nicht für die Kita als Arbeitsfeld entscheiden würden. Des Weiteren ist der Feminisierung eine Abwertung eingeschrieben, die eine Debatte um die Qualität der Einrichtungen ermöglicht. Der weiblichen (fürsorgenden) Kitakultur wird an diesem Punkt zumeist Bildung und Professionalität gegenübergestellt. Im Folgenden wird dies anhand einer Äußerung gesprochen aus einer wissenschaftlichen Sprecher*innenposition expliziert. »Die außerhalb des Beschäftigungsfeldes immer noch allgegenwärtige Vorstellung, dass pädagogische Fachkräfte in Kitas mit den Kindern ›nur‹ spielen, basteln und ansonsten die Betreuungsaufgaben von Müttern fortführen, lässt das Berufsfeld Kita für viele Männer ebenfalls unattraktiv erscheinen. Umso wichtiger ist es, dass Kindertagesstätten nach außen deutlich als professionelle Bildungsinstitutionen erkennbar sind« (Cremers/Krabel 2010, S. 71).
In der Äußerung wird eine Außenperspektive auf das Beschäftigungsfeld hergestellt, die der im Vorhergehenden aufgeführten Logik der ›weiblichen Kitakultur‹ folgt. Thematisiert wird die allgegenwärtige Vorstellung, dass die pädagogischen Fachkräfte mit den Kindern vor allem spielen und basteln würden, was mit einer Abwertung der Tätigkeit einhergeht. Gleichgesetzt wird die Arbeit in Kitas mit den Betreuungsaufgaben von Müttern. Die als Außenansicht hergestellte Wahrheit wird in der Äußerung nicht aufgelöst, sondern vielmehr durch die Betonung der Unattraktivität des Berufsfeldes für ›Männer‹ verstärkt. Daraus wird gefolgert, dass Kitas als professionelle Bildungsinstitutionen und eben nicht als fortgeführte Mütterlichkeit erkennbar sein müssten, um
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auch für ›Männer‹ attraktiv zu sein. Erkennen lässt sich eine Verschiebung von Deutungsmustern elementarpädagogischer Einrichtungen entlang vergeschlechtlichter Grenzziehungen. Die vormals als semiprofessionell verstandenen Organisationen sollen durch die Anwesenheit von ›Männern‹ professionell werden. Daraus resultiert eine diskursive Aushandlung elementarpädagogischer Qualitätskriterien, die entlang vergeschlechtlichter Grenzziehungen von Arbeit und Geschlecht erfolgt. Im Verborgenen verbleiben Differenzsetzungen innerhalb der Kitastruktur sowohl auf personeller als auch auf Ebene der Organisationskultur. Die Positionierung, die den Erzieherinnen zugewiesen wird, wird allein in Differenz zu ›Männern‹/Männlichkeit hergestellt 26 und nicht weiter ausdifferenziert. Gesehen wird dies als ein Ermöglichungsmoment der Forderung nach mehr ›Männern‹. Erst durch die homogene Vergeschlechtlichung des Kitabereichs wird eine Forderung nach ›Männern‹/Männlichkeit qua biologischem Geschlecht möglich. Die feminisierte Kitawelt wird an der Frage nach den Bedürfnissen von Kindern gemessen. Diese folgen einer Logik binärer Geschlechterzuschreibungen. Während ›Mädchen‹ sich in der als ›weiblich‹ verstandenen Kitawelt wohlfühlen, bleibt für jungenspezifische Bedürfnisse kein Raum. Auch hier erfolgt eine Problematisierung, die nur durch die Anwesenheit männlicher Erzieher aufgebrochen werden kann. In der Vereinfachung ausgeblendet werden divergierende, heterogene Geschlechterkonstruktionen. Eng verknüpft mit der Herstellung einer feminisierten Kitawelt ist die Frage nach Profession. Im Gegensatz zu Professionalität, welche als männlich verstanden wird, steht die Herstellung dieses Begriffs als geschlechtsneutral – ein Spannungsfeld, das im Weiteren erarbeitet wird.
7.3.2 Über Geschlecht hinaus In der Debatte ›Männer in Kitas/män i förskolan‹ lassen sich divergierende diskursive Regelhaftigkeiten erkennen, die versuchen, das vergeschlechtlichte Spannungsverhältnis, welches durch die ambivalenten Anrufungen an ›Männer‹/Männlichkeit hervorgebracht wird, aufzulösen. Zwei Lösungsstrategien, die aus dem Material herausgearbeitet wurden, sind die Forderung nach Professionalität als etwas Geschlechtsneutrales sowie die Betonung von Vielfalt. Während im Vorhergehenden die Frage nach binären Vergeschlechtlichungen im Vordergrund stand, geht es im Folgenden um Momente, in denen Geschlecht nicht zentral gesetzt wird, sondern dieses entweder neutralisiert 26 | Brüchig wird dieses Muster an der Stelle, wo es um die Frage nach Mütterlichkeit geht. Erzieherinnen, die selber Kinder haben, werden aufgrund ihrer Mutterschaft als ›bessere‹ Erzieherinnen hervorgebracht.
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werden soll oder in Verweis auf Intersektionalität um weitere Ungleichheitskategorien erweitert wird.
7.3.2.1 Die ›geschlechtslose‹ Profession Zu Beginn steht die Problematisierung der Gleichsetzung von Geschlecht und Professionalität. Dies lässt sich insbesondere in der Aussage erkennen, dass ›Männer‹ qua Geschlecht Professionalität in den elementarpädagogischen Bereich bringen würden. Rose und Stibane sprechen an dieser Stelle von einem »Nebeneinander und Ineinandergreifen des ›privaten‹ und des ›professionellen Mannes‹ in der Debatte über Männer in Kitas« (Rose/Stibane 2013, S. 15). Dabei wird die Subjektkonstitution des sorgenden Vaters sowie des professionellen Erziehers in Beziehung zueinander gestellt. »Das […] ist allerdings aus verschiedenen Gründen fragwürdig. Es erschwert möglicherweise die wünschenswerte Professionalisierung dieser Institution und reproduziert einmal mehr die ideelle Nähe zwischen Kita und Familie: Männliche Fachkräfte in der Kita sind – folgt man den Texten – wie Väter für die Kinder, und Väter sind wie männliche Fachkräfte. Ihre gemeinsame Geschlechtszugehörigkeit macht sie prinzipiell ähnlich« (Rose/Stibane 2013, S. 18).
Die Verknüpfung privater und öffentlicher Männlichkeitskonstruktionen wird vor allem für die Veränderung und Professionalisierung elementarpädagogischer Institutionen als problematisch erachtet. Die Annahme, dass ›Männer‹ qua Geschlecht Professionalität in die Kita bringen würden, steht konträr zu einer Professionalisierung in Abgrenzung zur »ideelle(n) Nähe zwischen Kita und Familie«. Auf diese Weise verschwimmen die Grenzziehungen zwischen öffentlich/professionell und privat. Einer weiterhin weiblich konnotierten Reproduktionsarbeit im familiären Bereich wird die zu professionalisierende reproduktive Erwerbsarbeit gegenübergestellt. Gleichzeitig wird die dem elementarpädagogischen Bereich eingeschriebene feminisierte Semiprofession durch die Forderung nach einer Professionalisierung reproduziert. In Abgrenzung zu Professionalität qua Geschlecht steht die Betonung von pädagogischem Handeln als etwas aktiv Erworbenes und damit Geschlechtsneutrales. »Professionelles Erziehungshandeln lässt sich ebenso wenig auf ›Väterlichkeit als Beruf‹ verengen wie auf ›Mütterlichkeit als Beruf‹. Pädagogisches Handeln erfordert im professionellen Bereich vielmehr andere Bezugspunkte als in der Familie. Während im familiären Kontext die besondere Nähe zum eigenen Kind, spontane Kommunikationsweisen und intuitives Einfühlungsvermögen Grundlage des Handelns sind, sind es im professionellen Bereich Fachwissen und geschultes Kommunikations- und Einfühlungsvermögen« (Brandes et al. 2012, S. 153).
7. Widerstreitendes Macht/Wissen von Geschlecht
Zu Beginn der Äußerung erfolgt eine Abgrenzung zu der bis dato dominanten Herstellung der Eignung für den Erzieher*innenberuf qua Geschlecht. Professionelles Erziehungshandeln und eine Qualifikation für den Beruf entstünden eben nicht über Väterlichkeit oder Mütterlichkeit und damit in Anknüpfung an eine private, familiäre Sphäre. Arbeit im elementarpädagogischen Bereich wird mit Bezugnahme auf Professionalität zu etwas Öffentlichem. Gleichzeitig erfolgt eine Abgrenzung zu einem Erziehungsverhalten, wie es für den familiären Bereich als dominant angesehen wird. Aufgemacht wird eine Differenz zwischen intuitivem Handeln, welches qua Natur den Eltern immanent ist, während professionelles Handeln erst geschult und damit aktiv erworben werden müsse. Dieses zeichnet sich aus durch Fachwissen und geschultes Kommunikations- und Einfühlungsvermögen. Hervorgebracht wird eine Grenzziehung zwischen einem privaten, sorgenden, emotionalen familiären Bereich und einer öffentlich verorteten Professionalität. Erkennen lässt sich in den divergierenden Differenzsetzungen ein Spannungsfeld, in dem ›Männer‹ die professionelle Eignung für den elementarpädagogischen Bereich einerseits qua Geschlecht mitbringen, andererseits Professionalität als etwas Geschlechtsneutrales hervorgebracht wird. Die Forderung nach geschlechtsneutraler Professionalität lässt sich auch im schwedischen Diskurs finden. »Die Betonung von Professionalität – dass der Beruf einen notwendigen und im Grunde geschlechtsneutralen pädagogischen Inhalt hat – kann hilfreicher sein als Vermutungen anzustellen bezüglich der Essenz von Männlichkeit oder speziellem männlichen Erfahrungsschatz als Basis für die berufliche Tätigkeit« (Wernersson/Granbom 2012, S. 4/ eigene Übersetzung) 27.
In der Äußerung wird die Betonung der Professionalität des Berufsfelds dem Ruf nach mehr ›Männern‹ gegenübergestellt. Stattdessen wird auf eine den Beruf kennzeichnende geschlechtsneutrale Pädagogik verwiesen. Mit der Fokussierung auf Professionalität erfolgt eine Marginalisierung der Frage nach dem Geschlecht der Erzieher*innen. Vielmehr rückt pädagogisches Handeln in den Blick, welches den Erzieher*innen in der Positionierung als professionell als geschlechtsneutrales Moment eingeschrieben wird. Dazu stellt Heikkilä in einem Interview mit der Koordinationsstelle »Männer in Kitas« fest:
27 | »Betoning av professionalitet – att yrket har ett nödvändigt och i grunden könsneutralt pedagogiskt innehåll – kan vara mer konstruktivt än antaganden om essentiell manlighet eller unik manlig erfarenhet som bas för yrkesutövning« (Wernersson/Granbom 2012, S. 4).
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Männlichkeiten im Wandel »Außerdem fanden wir heraus, dass alle befragten Männer nicht speziell als ›männliche‹ Erzieher betrachtet, sondern in erster Linie als professionelle Fachkräfte angesehen werden wollten, die sich im Rahmen ihrer Arbeit um Kinder kümmern und gemeinsam mit ihnen Lernprozesse gestalten« (Heikkilä 2015a).
Zu Beginn wird in der Äußerung verallgemeinernd hervorgehoben, dass die interviewten ›Männer‹ nicht auf ihr biologisches Geschlecht reduziert werden wollen, sondern sich vielmehr als professionelle Fachkräfte verstünden. Die Subjektkonstitution erfolgt damit nicht über das biologische Geschlecht, sondern die ausgeführte Tätigkeit wird zum identitären Bezugspunkt. Gleichzeitig ist dem professionellen Verständnis eine Verknüpfung von Pflege- und Bildungsarbeiten eingeschrieben. Es geht nicht nur darum, sich um die Kinder zu kümmern, sondern auch mit diesen gemeinsam Lernprozesse zu gestalten. In der Positionierung als professionelle Fachkraft wird somit auch die vergeschlechtlichte Trennung zwischen weiblicher Care-Arbeit und männlicher Bildungsarbeit aufgelöst. Eine ähnliche Fokussierung auf Profession findet sich in folgender Äußerung. Profession wird in dieser nicht nur Geschlecht gegenübergestellt, sondern mit Bezug auf Vielfalt werden weitergehende hegemoniale Differenzsetzungen thematisiert. »And the common opinion among the […] students would be that they would rather see the profession first. The profession as a preschool teacher is number one and then of course they say that it is important to have a lot of […] people or preschool teachers working in preschool with all different kinds of backgrounds, and gender could be one of them. But we also need people from different class backgrounds with different religions, I mean ethnicities or ages maybe or whatever« (Schweden Text V, S. 1).
In der Äußerung wird eine kollektive Meinung unter Studierenden28 hergestellt, wonach Profession an vorderster Stelle stünde. Im Weiteren erfolgt eine Hierarchisierung der nicht genauer definierten Begrifflichkeit der Profession und dem Desiderat, Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund in der Vorschule zu haben. Gender wird dabei als eine Dimension unter mehreren genannt. Benötigt würden unter anderem Menschen mit unterschiedlichen Klassenund Religionshintergründen, verschiedenen Ethnizitäten sowie unterschiedlichem Alter. Durch die Betonung des »profession first« wird ein neutrales Moment geschaffen, welches mit divergierenden Identitäten gefüllt werden kann. Aus dieser Perspektive wird die explizite Forderung nach ›Männern‹ auf doppelte 28 | Gemeint sind Studierende, die Vorschullehrer*innen werden wollen.
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Weise relativiert: einerseits durch die Betonung der Profession als etwas Übergreifendes und Neutrales – andererseits wird die alleinige Forderung nach Geschlechtervielfalt als nicht ausreichend verstanden, sondern ein Desiderat der Anwesenheit von Differenz hervorgebracht. Auch wenn der Verweis auf Vielfalt und Professionalität die Debatte um ›Männer in Kitas/män i förskolan‹ zunächst zu irritieren scheint, wird dieser, wie im folgenden Abschnitt herausgearbeitet wird, in der Debatte zur Möglichkeit, die Widersprüchlichkeiten des vergeschlechtlichten Macht/Wissen aufzulösen.
7.3.2.2 Von Geschlechterdifferenz zu Intersektionalität Sowohl in der deutschen als auch in der schwedischen Debatte lässt sich eine Bewegung erkennen, in der ausgehend von der Forderung nach (mehr) ›Männern‹ im elementarpädagogischen Bereich das Fehlen von Vielfalt problematisiert und gleichzeitig als Lösung hervorgebracht wird. Dem Verweis auf Vielfalt kommen diskursiv divergierende Funktionalitäten zu. Zuvorderst geschieht dies auf Ebene der Teamstruktur mit der Forderung nach geschlechtsheterogenen Teams. Die Vielfalt im Team wird als vorbildhaft für die Kinder verstanden sowie mit einem pädagogischen Mehrwert belegt. Erkennen lässt sich eine Verflechtung von pädagogischen und arbeitsweltlichen Desideraten, in der Vielfalt zur Norm erhoben und gleichzeitig als pädagogisches Moment hergestellt wird. Exemplarisch wird dies an einem Textausschnitt in einem Diskussionsbeitrag zu ›Männern in Kitas‹ in der Zeitschrift »Frühe Bildung« aufgezeigt: »Männer in Kitas werden weder die vermeintliche Krise der Jungen lösen noch Kitas zu besseren Lernorten machen, nur weil sie Männer sind. Ein ausgewogeneres Verhältnis der Geschlechter in Kita-Teams ist aber eine Chance für mehr Vielfalt und damit verbunden für eine Weiterentwicklung der pädagogischen Qualität in der Arbeit mit Kindern und Familien. Die wichtigste Voraussetzung dafür ist die Bereitschaft der Beteiligten zu Selbstreflexion und zum Dialog der Geschlechter – eine Perspektive, die weit über die Kita hinaus Wirkung entfalten kann« (Rohrmann/Brandes 2015, S. 110).
Zu Beginn der Äußerung erfolgt eine Abgrenzung zu bis dato hegemonialen Argumentations- und Legitimationslinien der Forderung nach ›Männern in Kitas‹. Betont wird, dass eine bloße Anwesenheit von ›Männern‹ weder die (vermeintliche) Jungenkrise lösen werde, noch diese zu besseren Lernorten mache. Diese Schlussfolgerung wird in Verknüpfung mit einer Fokussierung auf das biologische Geschlecht hervorgebracht. Betont wird, dass ›Männer‹ gerade nicht qua Geschlecht zu einer Verbesserung von Kitas beitragen. Im Gegensatz dazu steht die daran anschließende Hervorbringung von ›Männern in Kitas‹ als Moment der Vielfalt. Das Vorhergesagte wird damit wieder zurückgenommen und die Forderung nach ›Männern‹ wird unter der Begriff-
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lichkeit der Vielfalt reformuliert und wieder wirkmächtig. Ein ausgewogeneres Verhältnis der Geschlechter in Kita-Teams wird als »Chance für mehr Vielfalt« gesehen. Gleichzeitig wird Vielfalt in den Kita-Teams mit einer Verbesserung und Weiterentwicklung der pädagogischen Arbeit verknüpft. Um dies gewährleisten zu können, reicht die Anwesenheit von ›Männern‹ qua Geschlecht jedoch nicht aus, sondern dies muss aktiv von den Beteiligten geleistet werden. Dieser aktive Moment, der als eine Form von Selbstführung gelesen werden kann, wird einerseits in der »Selbstreflexion« der Beteiligten gesehen, andererseits wird zu einem »Dialog der Geschlechter« aufgerufen. Während sich Selbstreflexion auf die einzelnen Personen im elementarpädagogischen Bereich bezieht und eine individuell zu bewältigende Aufgabe ist, wird mit der Forderung nach einem Dialog der Geschlechter eine Kommunikation zwischen mehreren Teilnehmer*innen postuliert und damit eine gemeinschaftliche Aufgabe formuliert. Diese intra- und interpersonelle Kommunikation wird nicht nur als zentral für die Weiterentwicklung pädagogischer Arbeit gesehen, sondern auch als wegweisend über die Kita hinaus. Erkennen lässt sich die diskursive Regelhaftigkeit der Forderung nach Anwesenheit von ›Männern in Kitas‹ mit einer gleichzeitigen Einschreibung eines politisierenden Moments. »Und diese ganze Vielfalt können eigentlich Kinder nur erleben und die hier auch wieder Modellwirkung hat für sie als Junge und Mädchen, wenn sie mehr als einen Mann und mehr als eine Frau um sich rum haben. Wenn sie sehen, es gibt unterschiedliche Männer und unterschiedliche Frauen, so wird da ein Schuh draus für mich« (Deutschland Text III, S. 16).
Während im Vorhergehenden Vielfalt in der Gegenüberstellung homogenisierter Geschlechter hervorgebracht wurde, wird in der Äußerung Vielfalt zu etwas, das sich auch zwischen ›Männern‹ und ›Frauen‹ finden lässt. Mit der Betonung der Modellwirkung wird Vielfalt als zentral für Kinder hergestellt. Verstanden wird Vielfalt dabei als das Erleben von »mehr als eine[m] Mann und mehr als eine[r] Frau«. In diesem Verständnis von Vielfalt werden ›Männer‹ und ›Frauen‹ nicht als per se homogenisierte Gruppen verstanden, sondern es werden Differenzsetzungen innerhalb der binären gegenübergestellten vergeschlechtlichten Subjektkonstitutionen vorgenommen. Die Forderung nach Vielfalt verbleibt jedoch nicht auf der Ebene von Geschlecht, sondern vielmehr wird Diversität entlang verschiedener intersektioneller Grenzziehungen angestrebt. Verdeutlicht wird dies im Folgenden anhand eines Textausschnitts aus dem deutschen Datenkorpus. »[…] und dann ist es auch weiterhin gut, wenn soziale Vielfalt im Sample der Professionellen präsent ist, wobei da genauso die Frage gestellt werden muss, also Alters-
7. Widerstreitendes Macht/Wissen von Geschlecht differenz, das ist ja hoch aktuell, die haben ja alle mit ihren Großmüttern da zu tun jetzt. Und jede Junge, da liegen ja Jahrzehnte dazwischen und also, das muss man genauso skandalisieren, wird aber nicht. Also wieso geht kein Schrei los, wir brauchen junge Leute. Es gibt auch keinen Schrei angesichts der multikulturellen Diversität in den Kitas. Wo sind hier die Fachkräfte mit anderen kulturellen Hintergründen, auch nicht. Bis hin zu Beeinträchtigungen, wir haben die Inklusionsdebatte, wir haben sie aber nicht fürs Fachpersonal. Aber es ist zentriert auf die Geschlechterfrage und das hat für mich dann auch was Entsorgendes« (Deutschland Text I, S. 6).
In der Äußerung wird kritisiert, dass Vielfalt nur in eine Richtung ausgelegt werde, jedoch generell und im Sinne des ›profession first‹ erstrebenswert sei. Dies wird anhand von drei Differenzlinien auf Ebene der Personalstruktur ausgeführt. Zum einen wird der Altersunterschied der Erzieher*innen sowohl in Bezug auf die Kinder als auch gegenüber den jüngeren Erzieher*innen problematisiert. In der Begrifflichkeit der geistigen Mütterlichkeit verbleibend werden ältere Erzieherinnen als Großmütter gesehen, die um Jahrzehnte älter sind als junge Erzieher*innen. Dies wird als Skandal hervorgebracht, wo genau der Moment der Skandalisierung liegt, bleibt jedoch in der Äußerung im Verborgenen. Ebenso wird kritisiert, dass es keinen Schrei nach mehr Fachkräften mit »anderen kulturellen Hintergründen« gäbe. Dies wird unter der Begrifflichkeit der »multikulturellen Diversität« gefasst. Als dritte Differenzlinie wird die Forderung nach Inklusion und damit die Rekrutierung von Fachpersonal mit Beeinträchtigung formuliert. Erkennen lässt sich in den hergestellten Differenzsetzungen ein homogenisierendes Moment. Wie schon bei der Forderung nach Geschlechtervielfalt werden homogene, per se in sich geschlossene Gruppierungen gegenübergestellt. Die alten werden den jungen Erzieherinnen gegenübergestellt, die Fachkräfte mit »anderen kulturellen Hintergründen« den Fachkräften ohne andere kulturelle Hintergründe sowie die Menschen mit Beeinträchtigung den Menschen ohne Beeinträchtigung. Kritisiert wird, dass eine homogene Personalstruktur nur auf Ebene des Geschlechts problematisiert wird und die aufgezeigten Differenzsetzungen gleichzeitig im Verborgenen bleiben. Neben der Aushandlung von Vielfalt auf Ebene des Personals wird Diversität ebenso als Spiegel der heterogenen sozialen Hintergründe der Kinder hervorgebracht. »While school league tables have drawn public attention to ›gender gaps‹ there are other less visible influences on school success such as social class and ethnicity which interact with gender« (Warin/Wernersson 2015, S. 2).
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Ebenso wie im Vorhergehenden wird in der Äußerung problematisiert, dass die öffentliche Aufmerksamkeit alleine auf Geschlechterunterschiede gelenkt wurde. Dies ginge mit der Verdeckung weniger sichtbarer Einflüsse auf den Schulerfolg einher. Diese werden entlang der Differenzlinien Klasse und Ethnizität verortet, die mit Geschlecht interagieren. Wurde Vielfalt im Vorherigen auf Ebene des Personals thematisiert, geht es jetzt um die identitäre Heterogenität der Kinder und eine Verknüpfung von Diversität mit Schulerfolg. Durch diese Verknüpfung wird die Forderung nach männlichen Erziehern, um vor allem die vermeintliche Bildungskrise der Jungen abzufedern, entlang divergierender Differenzsetzungen aufgefächert. Wie anhand folgender Äußerung aus dem schwedischen Datenkorpus verdeutlicht wird, wird Diversität/ Vielfalt hier auch zu einem pädagogischen Moment. »That’s something that isn’t okay for a modern society. You could talk about this in that kind of terms, but you are talking about […] the development of the preschool and the profession […] too much in gender terms. So you could have talked about […] that it’s important that you have both men and women and people in different ages, from different social and multicultural backgrounds and languages. That’s also important. […]. In this city […] every second child has an immigrant background […]. Perhaps it’s very important that teachers have social experiences that are more like the childrensʼ the pupilsʼ. That’s an important pedagogical value. So you can talk about that in a serious way also, that’s important. But that’s not only men, […] it’s people from different class, social everything, language, religion« (Schweden Text V, S. 1).
Zu Beginn wird die Vorreiterrolle Schwedens als moderne Gesellschaft betont. Ausgehend davon wird kritisiert, dass die Entwicklung der Vorschule und der Profession zu stark mit Geschlechterterminologien verknüpft sind. Ausgehend davon, dass jedes zweite Kind in der Stadt einen Migrationshintergrund habe, werden nicht nur ›Männer‹ und ›Frauen‹, sondern Menschen mit unterschiedlichem Alter, mit divergierendem sozialem und multikulturellem Hintergrund sowie Sprachen als relevant für die Vorschule und die pädagogische Erfahrung der Kinder gesetzt. In Abgrenzung dazu wird die alleinige Forderung nach ›Männern‹ als verkürzt gesehen, da es nicht nur um ›Männer‹ ginge, sondern um Menschen mit divergierenden sozialen Hintergründen. Wie schon in der Hervorbringung männlicher Reproduktionsarbeit lässt sich auch hier im schwedischen Diskurs eine stärkere Fokussierung auf Machtasymmetrien feststellen. Diversität wird in gesellschaftlichen Strukturen verankert. Geschlecht wird damit zu einer von mehreren Machtstrukturen, die miteinander interagieren. »Indem man sich anderer Beispiele asymmetrisch verteilter Macht bedient, wie beispielsweise Sexualität oder Gesellschaftsschicht, kann man aufzeigen, wie weitere
7. Widerstreitendes Macht/Wissen von Geschlecht männliche Normen konstruiert werden. Es ist also wichtig zu beachten, dass viele verschiedene typisch männliche Verhaltensmuster konstruiert werden im Verhältnis zu beispielsweise Ethnizität oder Alter mit unterschiedlichen Rangordnungen und dass diese einander beeinflussen (das Gleiche gilt natürlich auch für typisch weibliche Verhaltensmuster). Wenn sich diese verschiedenen Machtstrukturen gegenseitig beeinflussen, spricht man heute in der Forschung von Intersektionalität« (Jalmert 2015, S. 81/eigene Übersetzung) 29.
Durch die explizite Frage nach Geschlecht entstehen aus intersektioneller Perspektive selektive Sichtbarkeiten, die zu einer Homogenisierung von ›Männern‹ und Männlichkeit führen. In den im Vorhergehenden aufgezeigten vergeschlechtlichten Subjektpositionen für männliche Erzieher bleiben Differenzsetzungen in Bezug auf Klasse, ethnische Herkunft oder Sexualität weitestgehend im Verborgenen. Erst durch die Fokussierung auf »andere« Machtasymmetrien werden bis dato verdeckte Differenzsetzungen sichtbar. Damit können Geschlechterkonstruktionen nicht losgelöst von gesellschaftlichen Machtstrukturen betrachtet werden. Männlichkeit kann somit auch aus einer intersektionellen Perspektive divergierend gefüllt werden. Durch diese Perspektivierung wird die Konstruktion von Geschlecht aus einer individualisierten, homogenisierten Zweigeschlechtlichkeit gelöst und in gesellschaftlichen Strukturen verankert. Eröffnet wird die Möglichkeit der Aushandlung, wer im elementarpädagogischen Bereich arbeiten darf beziehungsweise soll, wie auch in folgendem Textausschnitt deutlich wird. »So I would say that shows us that we have some kind of problem here. […]. One solution of course would be that we recruit more men. There the problem would be that we actually work with the preschool as a working place. What kind of norms do we have here? Is it okay for different people to come and work here and we can talk about sex, we can talk about gender, we can talk about how you position yourself as a sexual being, ethnicity questions, class questions and so on and so on? So I think this question is much bigger than male preschool teachers. But I am a bit strategic here. Right now the government gives money for projects working with men in preschool. Okay I will take that money, because they can help me. Deconstruct the preschool as a working place and if we can do
29 | »Genom att använda sig av andra maktasymmetrier såsom exempelvis sexualitet och klass går det att visa hur ytterligare maskulinitetsnormer konstrueras. Det är således viktigt att se att fler och olika maskuliniteter konstrueras i relation till olika maktstrukturer, exempelvis etnicitet, ålder med flera maktordningar, och att de påverkar varandra (detsamma gäller naturligtvis olika femininiteter). När olika maktstrukturer påverkar varandra talar vi idag i forskningen om intersektionalitet« (Jalmert 2015, S. 81/Jalmert).
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Männlichkeiten im Wandel that from the approach that we need to recruit more men, then we probably could make the preschool a better working place for everyone« (Schweden Text IV, S. 12).
In der Äußerung wird die Frage nach sozialer Erwünschtheit von Personal in der Vorschule aufgeworfen und mit divergierenden Machtstrukturen verknüpft. Die Vorschule wird somit als Arbeitsplatz hervorgebracht, in dem spezifische Normen vorzufinden sind. Einer intersektionellen Logik folgend wird formuliert, dass es um viel mehr geht als die reine Frage nach ›Männern‹ in Kitas. Die Fokussierung auf ›Männer‹ wird als determiniert von politischer Seite hergestellt und auf ausführender Ebene strategisch aufgegriffen. Die auf Regierungsebene hervorgebrachte Zielsetzung der Förderung von ›Männern‹ eröffnet damit in Bezug auf die Umsetzung Räume für eigene Deutungsmuster. Durch die Thematisierung von Vielfalt entsteht ein Bruch mit der im Vorhergehenden hergestellten Homogenität im elementarpädagogischen Bereich. Vielfalt/Diversität wird als Chance hervorgebracht und gleichzeitig zu einer erstrebenswerten Norm erhoben. Diese stellt ein Desiderat dar, welches divergierende Funktionalitäten im Diskurs einnimmt. In der ersten Äußerung dient Vielfalt als legitimatorisches Moment der Forderung nach ›Männern‹ im elementarpädagogischen Bereich. Vielfalt wird als Geschlechtervielfalt hergestellt. Die Aussage, dass ›Männer‹ per se alleine durch ihre Anwesenheit Vielfalt in den elementarpädagogischen Bereich bringen, erweist sich jedoch als brüchig. Diese steht einerseits konträr zur geforderten ›professionellen Geschlechtsneutralität‹, andererseits bewegen sich, wie im Vorhergehenden aufgezeigt, die Subjektpositionierungen männlicher Erzieher zwischen Angleichung und Abgrenzung zu ›weiblich‹ konnotierten Zuschreibungen. Eine weitere Problematisierung der Reduzierung von Vielfalt auf Geschlechtervielfalt wird aus Perspektive der Kinder hergestellt. Diese werden als eine heterogene Gruppe dem homogenisierten weiblichen Personal gegenübergestellt. Als übergreifendes Muster lässt sich erkennen, dass Vielfalt auf Ebene des Personals als etwas Positives hervorgebracht wird. Aufgezeigt wird die Brüchigkeit der Forderung nach ›Männern‹, da diese als nicht weitreichend genug verstanden wird, wenn es um das Desiderat nach Vielfalt geht. Die divergierenden Differenzsetzungen bewegen sich sowohl in Deutschland als auch in Schweden entlang intersektioneller Thematisierungen. Differenzlinien, die sich neben Geschlecht durchgehend in den Äußerungen zu Vielfalt/Diversität finden, sind Klasse, Menschen mit anderen kulturellen Hintergründen (Ethnizität), sexuelle Orientierung sowie Menschen mit Beeinträchtigung. Die Art und Weise, wie diese Differenzsetzungen gerahmt und diskursiv eingeordnet werden, folgt dabei den länderspezifischen dis-
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kursiven Ausrichtungen. Während im deutschen Diskurs Differenz auf einer identitären Ebene gefasst wird, rücken im schwedischen Diskurs soziale Strukturierungen in den Fokus, die mit intersektionellen Differenzsetzungen einhergehen. Des Weiteren wird im schwedischen Diskurs eine Diskrepanz zwischen dem politischen Willen hergestellt und wie dieser auf praktischer Ebene umgesetzt wird. Die Forderung nach ›Männern‹ erweist sich hier als Ermöglichungszusammenhang, tradierte Normierungen aufzubrechen, mit der Zielsetzung, aus dem elementarpädagogischen Bereich einen besseren Arbeitsplatz zu machen. In der Debatte beider Länder wird Vielfalt als per se positiv und erstrebenswert hergestellt. Diversität fungiert als kollektives Moment der Zustimmung. Stand am Anfang der Analyse sowie der Auseinandersetzung zu ›Männern in Kitas/män i förskolan‹ die Hervorbringung einer gesellschaftlichen Akzeptanz der Forderung nach ›Männern‹/Männlichkeit (vgl. Kapitel 5.1), lässt sich an dieser Stelle eine diskursive Verschiebung erkennen. Wirkmächtig wird eine Forderung nach Vielfalt, gleichzeitig wird geschlechtertheoretisches Wissen aus intersektioneller Perspektive um Macht- und Ungleichheitsstrukturen ergänzt. Auf Ebene der vergeschlechtlichten Subjektkonstitution ermöglicht die Begrifflichkeit der Vielfalt oder Diversität eine Erweiterung um divergierende Differenzsetzungen. Daraus resultiert eine Ausdifferenzierung der Forderung nach ›Männern in Kitas/män i förskolan‹ in Richtung der Frage, welche Männlichkeiten aus einer intersektionellen Perspektive im elementarpädagogischen Bereich sozial erwünscht und pädagogisch wichtig sind.
7.4 W iderstreitende S ubjek tkonstitutionen Wie in der Analyse deutlich wurde, ist die Debatte um ›Männer‹ im elementarpädagogischen Bereich durchzogen von Brüchen und Widersprüchlichkeiten, die sich in Form unterschiedlichster Erwartungen und Komplexitäten auf subjektiver sowie institutioneller Ebene äußern. In der Hervorbringung widerstreitenden Macht/Wissens von Geschlecht werden divergierende Subjektkonstitutionen für ›Männer‹ bereitgestellt, um als Erzieher gesellschaftlich intelligibel zu sein. Abgesteckt wird ein Möglichkeitsfeld der Intelligibilität, welches sich in einer Zweigeschlechtlichkeit verortet. Macht/Wissen wirkt dabei, indem diese sich in diesem Möglichkeitsfeld verorten, regierend auf Subjekte ein. Subjektwerdung verwirklicht sich dabei nicht in Bezug auf eine Wissensordnung, sondern »vielmehr stehen Situationen, in denen sich Subjektivationsprozesse vollziehen, meist im Horizont mehrerer widerstreitender diskursiver Ordnungen« (Wrana 2012, S. 205). Wie gezeigt wurde, geht es in der Debatte nicht darum, wie ›Männer‹ im elementarpädagogischen Bereich sind und wie
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diese durch ihre spezifische Männlichkeit etwas Neues, bisher Abwesendes in dieses Berufsfeld bringen, sondern Subjektkonstitutionen werden im Sinne einer Regierung von Geschlecht (neu)ausgehandelt. Deutlich wurde in der Analyse, dass je nach vergeschlechtlichtem Macht/Wissen und der Position, von der aus gesprochen wird, unterschiedliche Adressierungen an das Subjekt vorgenommen werden (Wrana 2012, S. 205). Im Folgenden werden diese zusammenfassend ausgeführt.
7.4.1 In-Beziehung-Setzung divergierender Männlichkeitskonstruktionen In den aus den Debatten herausgearbeiteten Äußerungen lassen sich divergierende, teilweise widerstreitende Differenzsetzungen und Normierungen erkennen. Dies geht mit ambivalenten Anrufungen an die Erzieher*innen einher. Wie gezeigt, treffen und reiben sich in der Person des Erziehers ganz unterschiedliche Anrufungen, Anforderungen und Intentionen. Ausgehandelt werden Normierungen, Verhaltensweisen und Spielräume von ›Männern‹/ Männlichkeiten, wo diese prekär werden und einer Normalisierung männlicher Erzieher entgegenstehen. Im politischen Bestreben, männliche Erzieher zu normalisieren, lassen sich divergierende diskursive Verflechtungen erkennen, welche eine Neuausrichtung/Umordnung von Männlichkeit zum Ziel haben. Die im Diskurs herausgearbeiteten Positionierungen bewegen sich in einem Kontinuum zwischen Verherrlichung und Problematisierung von Männlichkeit. In dieser Besonderung, welche der diskursiven Hervorbringung der Debatte immanent ist, bewegt sich Männlichkeit im Spannungsfeld zwischen wünschenswert, aber abwesend auf der einen Seite und prinzipiell in der Anwesenheit problematisch auf der anderen Seite. Die Erziehermännlichkeit wird in jedem Fall als abweichend konstruiert und entweder mit ›negativen‹ oder ›positiven‹ Attributionen verknüpft. Untrennbar miteinander verflochten sind die Hervorbringung als Minderheit im elementarpädagogischen Bereich und die Besonderung von ›Männern‹ und Männlichkeit. Dies geschieht in Abgrenzung zu einem homogenisierten, weiblichen elementarpädagogischen Bereich. Hervorgebracht werden ›Männer‹/Männlichkeit als vergeschlechtlichte Subjekte, die sich in ebenso vergeschlechtlichten Organisationsstrukturen bewegen sollen. Daraus resultieren unterschiedliche Positionierungen, die diesen eingeschrieben werden. Diese bewegen sich einerseits zwischen der Legitimation der Anwesenheit von ›Männern‹ sowie andererseits der Herstellung von Abwesenheit. Im Material lassen sich divergierende Begrifflichkeiten finden, mit denen ›Männer‹ im elementarpädagogischen Bereich bezeichnet werden. Diese werden im Folgenden zusammenfassend diskutiert.
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Deutlich wurde, dass es kein einheitliches Macht/Wissen von Männlichkeitskonstruktionen gibt. Vielmehr eröffnen sich je nach Geschlechterwissen divergierende Positionen, die ›Männer‹ einnehmen können. Aus einer konstruktivistischen Perspektive werden ›Männer‹ im elementarpädagogischen Bereich zu Vorreitern für eine neue/moderne/alternative Männlichkeit oder im schwedischen auch einer updated masculinity. Von besonderer Bedeutung ist hier die Gleichsetzung einer Erziehermännlichkeit mit einer Vatermännlichkeit. Herausgearbeitet wurde in der Analyse die Hervorbringung einer geistigen Väterlichkeit, in der mit Verweis auf das biologische Geschlecht die Bedeutung von Vätern mit der von ›Männern‹ als Erzieher gleichgesetzt wird. Diese nimmt vor allem im deutschen Diskurs eine hegemoniale Stellung ein. Eng verknüpft ist diese mit der Positionierung einer pflegenden/fürsorgenden Männlichkeit. In Abgrenzung zu diesen Aushandlungen einer sozial erwünschten Männlichkeit im Kita-/Vorschulbereich stehen als veraltet verstandene Positionen, wie die des ›Mannes‹ als traditioneller Familienernährer. Gleichzeitig werden mit ›Männern‹ als Beschützern gängige Männlichkeitsvorstellungen wirkmächtig. Immer wieder lassen sich in der Debatte Äußerungen finden, dass ›Männer‹ insbesondere ›Jungen‹ vor einer feminisierten Kitawelt beschützen müssen (vgl. Kapitel 6). Eine weitere Positionierung, welche erarbeitet wurde, ist die des professionellen (männlichen) Erziehers. Je nach Sprecher*innenposition sowie diesen immanenten vergeschlechtlichten Macht/Wissen wird der Aspekt der Professionalität unterschiedlich relevant gesetzt. Aus einer biologistischen Perspektivierung erfolgen Aussagen, in denen ›Männer‹ qua Geschlecht professionelles Handeln zugeschrieben wird. Gleichzeitig wird Professionalität in Verweis auf Kompetenz als etwas Geschlechtsneutrales hervorgebracht. Die Positionierungen bewegen sich damit zwischen einem Auf brechen von tradierten Geschlechterkonstruktionen und deren Reformulierung. Nur in der Abgrenzung sichtbar werden hegemoniale Männlichkeitskonstruktionen, die sich nicht in direkter Beziehung zu Reproduktionsarbeit herstellen. In Abgrenzung zu den wünschenswerten neuen ›Männlichkeiten‹ stehen Positionierungen von Männlichkeit, die einer Problematisierung unterliegen. Dies ist zum einen die als veraltet verstandene drohende/strafende Männlichkeit, zum anderen eine potenziell missbrauchende ›Männlichkeit‹. Problematisiert werden sexualisierte Machtfantasien, welche auf Kinder gerichtet sind. Im Gegensatz zum im Vorhergehenden geforderten Schutz von Kindern vor zu viel weiblichem Einfluss müssen an dieser Stelle Kinder durch die Erzieherinnen vor ›Männern‹ beschützt werden. In der In-Beziehung-Setzung divergierender Männlichkeitskonstruktionen wird Schutz und Sicherheit damit auf zwei sich gegenseitig ausschließenden Ebenen relevant. Diskursiv hervorgebracht wird in den divergierenden Anrufungen an männliche Erzieher
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eine naturalisierte Ambivalenz. Diese werden einerseits zu pflegenden und fürsorgenden ›Männern‹/Vätern, andererseits zu potenziell missbrauchenden Personen. Hieraus resultieren unterschiedliche Handlungsmöglichkeiten von Erzieher*innen. Aus einer biologistischen Sprecher*innenposition, in der die Differenzsetzung zwischen ›Männern‹ und ›Frauen‹ aufrechterhalten wird, werden ›Männer‹/Männlichkeit zwischen Heldentum und Generalverdacht verortet. In Abgrenzung dazu erfolgt aus einer konstruktivistischen Perspektivierung eine Fokussierung auf vergeschlechtlichte Macht- und Hierarchiestrukturen. Daraus resultiert eine Verknüpfung zwischen der Hervorbringung vergeschlechtlichter Subjektkonstitutionen und dem Desiderat, tradierte geschlechtsspezifische Arbeitsmarkt- und Gesellschaftsstrukturen aufzubrechen. Geschlecht zeigt sich im Material als etwas Flexibles, was je nach Kontext und Funktion unterschiedlich ausgehandelt und hervorgebracht wird. Durchweg aufrechterhalten bleibt in der Debatte eine biologisierte Zweigeschlechtlichkeit, die in eine heteronormative Matrix eingebettet ist. Erst durch eine Verortung in dieser werden Subjekte gesellschaftlich intelligibel. Dies geht einher mit der Einschreibung (staatlicher) Macht in vergeschlechtlichte Subjekte. Diese verbleiben in der ausschließlichen Hervorbringung von männlich und weiblich in einer heteronormativen Logik (vgl. Ludwig 2011, S. 181), welche sich auch in der Herstellung einer Care-Männlichkeit wiederfindet. Dem elementarpädagogischen Bereich wird mit Bezug auf heteronormative Familienstrukturen eine heterosexuelle Funktionslogik eingeschrieben. Deutlich wird dies anhand der der Debatte zugrunde liegenden Aussage, Kinder brauchten ›Männer‹ und ›Frauen‹ – Väter und Mütter. Dieser Aussage ist nicht nur eine binäre Differenzsetzung in Bezug auf ein biologisches und ein soziales Geschlecht eingeschrieben, sondern ein gegenseitiges aufeinander gerichtetes Begehren. Nicht heterosexuelles Begehren wird zum Beispiel in der Positionierung männlicher Erzieher als schwul in Abgrenzung dazu hergestellt. Daraus resultieren eine Abwertung von ›Männern‹ im elementarpädagogischen Bereich und gleichzeitig eine Hierarchisierung von Männlichkeiten. Im Verborgenen verbleiben sowohl Geschlechterkonstruktionen als auch Formen des Begehrens, die sich nicht innerhalb der Funktionslogik einer heteronormativen Matrix bewegen. Vergeschlechtlichtes Macht/Wissen bewegt sich damit (fast) immer in einer Zweigeschlechtlichkeit.
7.4.2 Das Verschwimmen von privat und öffentlich Trotz dieser unterschiedlichen und widerstreitenden Subjektkonstitutionen, die in der Debatte ›Männer in Kitas/män i förskolan‹ aufgezeigt werden konnten, lässt sich eine gemeinsame, strategische Ausrichtung in Bezug auf diese Subjektkonstitutionen erkennen – sie zielen auf eine Verschiebung von ver-
7. Widerstreitendes Macht/Wissen von Geschlecht
geschlechtlichten Grenzziehungen. In der Analyse lassen sich widersprüchliche Bewegungen in Bezug auf vergeschlechtlichte Grenzziehungen erkennen. Einerseits sollen diese aufgebrochen oder teilweise sogar aufgelöst werden, andererseits erfolgen deutliche Grenzziehungen entlang naturalisierter, vergeschlechtlichter Vorstellungen. Ein Ausgangpunkt der Überlegungen innerhalb der Debatte war, dass ›Männer‹ sich im privaten Bereich verändert hätten. Daran anknüpfend wurde die Forderung formuliert, dass diese Veränderung nun auch öffentlich sichtbar werden müsste. An dieser Stelle lässt sich eine Aufrechterhaltung der Trennung zwischen öffentlich und privat erkennen. Gleichzeitig werden in der diskursiven Aushandlung von Väterlichkeit im öffentlichen und im privaten Bereich eben diese Grenzziehungen fluide. Männer werden zu Vorbildern und Vorreitern, wenn sie den Beruf des Erziehers ergreifen und damit tradierte vergeschlechtlichte Vorstellungen in Frage stellen. Gleichzeitig fordert eine geschlechtsunspezifische Berufswahl gesellschaftliche Normierungsmechanismen heraus. So wird die Berufswahl des Erziehers nicht mit hohem gesellschaftlichen Ansehen belohnt, sondern es besteht vielmehr die Gefahr, dass diese sich für ihre Berufswahl rechtfertigen müssen. Der Eintritt in sogenannte feminisierte Berufsfelder geht damit für ›Männer‹ mit einer gesellschaftlichen Abwertung einher. Während im Zuge der Aushandlungen von vergeschlechtlichten Subjektkonstitutionen Grenzziehungen zwischen privat und öffentlich zunehmend fluide werden, werden diese anhand der Begrifflichkeit der Professionalisierung und Professionalität wieder klar definiert. Ein nicht-professioneller, emotionaler familiärer Bereich wird einem professionellen beziehungsweise zu professionalisierenden öffentlichen Bereich gegenübergestellt. Betont wird, dass Geschlecht kein Hinderungsgrund für die Berufswahl des Erziehers sein dürfe (SKL 2015). Daraus resultiert die Fokussierung auf Kompetenz und Profession, die als etwas aktiv zu Erwerbendes und damit Geschlechtsneutrales hervorgebracht werden. Gleichzeitig wird Gleichstellung als gleichberechtigter und geschlechtsunabhängiger Zugang zu allen Berufsfeldern verstanden. Deutlich wird, dass es somit nicht nur um die Aushandlung vergeschlechtlichter Grenzziehungen geht, sondern vielmehr um eine Verschiebung von vergeschlechtlichten Arbeitsstrukturen.
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8. Die Regierung von Geschlecht »Men jämställdhet är fortfarande en vision – inte verklighet/ Aber Gleichstellung ist immer noch eine Vision – keine Realität« (R egeringsk ansliet 2017, S. 1/eigene Ü bersetzung)
Den Ausgangspunkt der Arbeit bildet die Frage nach der Hervorbringung vergeschlechtlichter Wahrheiten im Geschlechterdiskurs, der der Debatte ›Männer in Kitas/män i förskolan‹ immanent ist. Analysiert wurde dies aus einer ländervergleichenden Perspektive, indem Deutschland und Schweden als maximal kontrastierende Fälle gegenübergestellt wurden. In der Analyse zeigte sich eine ambivalente Regierung von Geschlecht, welche einerseits durch ein nationalstaatlich gerahmtes Sprechen gekennzeichnet ist, andererseits aber auch deutliche länderübergreifende Parallelen in der Hervorbringung vergeschlechtlichter Subjektkonstitutionen zeigt. Im Folgenden werden zentrale Ergebnisse der Regierung von Geschlecht diskutiert. Das Kapitel ist dabei wie folgt aufgebaut: Zu Beginn werden in den Kapiteln 8.1 und 8.2 zentrale Ergebnisse der Arbeit mit dem Fokus auf Männerpolitik als Form von Gleichstellungspolitik zusammenfassend diskutiert. Daran anschließend werden die Überlegungen zur Regierung von Geschlecht in Kapitel 8.3 um Arbeit ergänzt. Diskutiert wird die Vereinnahmung feministischer und gleichstellungspolitischer Forderungen in Form von Männerpolitik, die sich entlang ökonomischer Grenzziehungen bewegen. Abschließend wird in Kapitel 8.4 aufgezeigt, wie die Debatte ›Männer in Kitas/män i förskolan‹ zwischen Veränderung und Tradierung Geschlechterverhältnisse verschiebt und gleichzeitig reproduziert.
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Männlichkeiten im Wandel
8.1 L ändervergleichende P erspek tivierung Zu Beginn der Auseinandersetzung mit der Rekrutierung von ›Männern‹ in den elementarpädagogischen Bereich schienen die Debatten in Schweden und Deutschland komplett unterschiedlich zu sein. Wie herausgearbeitet wurde, lässt sich dies auf eine divergierende nationalstaatlich geformte Rahmung zurückführen. Diese zeichnet sich durch unterschiedliche Wirkmächtigkeiten von Problematisierungen sowie politische und zivilgesellschaftliche Machtund Kräfteverhältnisse aus. Im Laufe der Auswertung wurde deutlich, dass die den Debatten immanenten Geschlechterdiskurse zwar mit differenten Sag-, Sicht- und Hörbarkeiten belegt sind und Handlungsfelder somit unterschiedlich strukturiert werden, sich jedoch ähnliche Widersprüchlichkeiten und Brüche erkennen lassen. Auf diese unterschiedlichen Sag-, Sicht- und Hörbarkeiten sowie geteilte Widersprüche geht die folgende Diskussion ein.
8.1.1 Institutionalisierte Verschiebungen In der ländervergleichenden Gegenüberstellung der Problematisierungen in Kapitel 5, die den diskursiven Raum für die Debatte ›Männer in Kitas/fler män i förskolan‹ eröffnen, wird deutlich, dass sich in beiden Ländern zwar ähnliche Problematisierungen finden, jedoch mit einer divergierenden Gewichtung und Ausrichtung. In der Arbeit wurden die Problematisierungen zwischen einem gleichstellungs- und einem arbeitsmarktpolitischen Desiderat verortet. Als übergreifende Gemeinsamkeit lässt sich in beiden Debatten die Problematisierung der Abwesenheit von ›Männern‹/Männlichkeit und gleichzeitig eine identitäre Ineinssetzung von sex und gender erkennen. So wird zum Beispiel davon ausgegangen, dass ein mehr an ›Männern‹ auch ein mehr an Männlichkeit bedeutet. Geschaffen wird mit der Problematisierung der Abwesenheit von ›Männern‹/Männlichkeit eine vergeschlechtlichte Leerstelle, die diskursiv unterschiedlich gefüllt wird und an die divergierende Lösungsansätze anschließen. In Deutschland wird aus einer gleichstellungspolitischen Perspektive die Veränderung von ›Männern‹ und Männlichkeit gefordert. Daraus resultiert aus feministischer, gleichstellungspolitischer Perspektive ein Paradox – ging es bei Gleichstellung doch gerade darum, der Benachteiligung von ›Frauen‹ entgegenzuwirken. Dieses Paradox wird in der Debatte durch den Verweis, dass ›Frauen‹ und ›Mädchen‹ mittlerweile unterschiedliche Rollen einnehmen können und damit Gleichstellung auf dieser Ebene schon erreicht sei, umgangen. Betont wird, dass gerade, weil ›Frauen‹ mittlerweile eine größere Wahlfreiheit haben, es nun auch für ›Männer‹ und ›Jungen‹ Zeit sei, ihre Rollenbilder zu erweitern.
8. Die Regierung von Geschlecht
Ein weiterer Wiederspruch in Bezug auf Gleichstellung, welcher in der Analyse deutlich wurde, ist, dass die Forderung nach mehr ›Männern‹ mit der Hervorbringung und gleichzeitigen Abwertung eines feminisierten Arbeitsfelds einhergeht. Dieses wird als etwas Defizitäres, zu veränderndes hervorgebracht. In der gleichstellungspolitischen Strategie, der Rekrutierung von ›Männern‹, werden damit teilweise Macht- und Hierarchieverhältnisse reproduziert, denen Gleichstellung gerade entgegenwirken sollte. Neben dem gleichstellungspolitischen Desiderat tritt in den letzten Jahren in der Debatte ›Männer in Kitas/män i förskolan‹ die arbeitsmarktpolitische Perspektive, mit der Problematisierung eines Fachkräftemangels, stärker in den Vordergrund. So fokussiert das Nachfolgeprojekt »Quereinstieg – Männer und Frauen in die Kitas« noch deutlicher auf die Rekrutierung von Personal. In Schweden stand die arbeitsmarktpolitische Perspektive bereits beim Erscheinen der Debatte stärker im Vordergrund. Dies lässt sich vor allem mit der konstruktivistischen Ausrichtung schwedischer Gleichstellungspolitik erklären, welche auf die Veränderung von Geschlechtermustern fokussiert. Die alleinige Forderung nach ›Männern‹ wird als Rückschritt gesehen sowie als nicht zielführend im Sinne der Veränderung einer Geschlechtermachtordnung. Die Debatte wurde somit erst durch einen Fachkräftemangel und dem Bestreben der Erhöhung der Mitarbeiter*innenzahlen zu etwas Sagbarem. Gleichzeitig finden sich auch in der schwedischen Debatte gleichstellungspolitische Problematisierungen, die die Verschiebung und Auflösung tradierter vergeschlechtlichter Normsetzungen zum Ziel haben. Der wiederholte Verweis auf den nationalen Lehrplan der Vorschule, in dem das Entgegenwirken tradierter Geschlechtervorstellungen als explizites Ziel formuliert ist, lässt dies deutlich erkennen. Damit rücken zum einen vergeschlechtlichte Normen in den Blick, zum anderen wird Gleichstellung von einer Aufgabe der Erwachsenen hin zu frühkindlicher vergeschlechtlichter Identitätsbildung verschoben. Die Vorschule wird zu einer gleichstellungspolitischen Arena und damit zu einem Aushandlungsort vergeschlechtlichter Gesellschaftsverhältnisse. In der weiteren Analyse stellte sich in Kapitel 6 die Frage nach dem Sprechen im Diskurs. Dieses findet vor allem an der Schnittstelle zwischen Politik/ Wissenschaft statt und zeichnet sich auch dadurch aus, dass eine Praxis der Elementarpädagogik in einem Sprechen-Über hergestellt wird und damit in einer hierarchischen Opposition von Politik/Wissenschaft und Praxis von Vorschule und Kita. Ein weiterer signifikanter Unterschied lässt sich in der Ausarbeitung zu den diskursiv hervorgebrachten institutionalisierten Orten des Sprechens erkennen. In Deutschland verortet sich das Sprechen überwiegend in der Koordinationsstelle »Männer in Kitas«, welche auf politischer Ebene durch das BMFSFJ initiiert wurde und an das Referat 415 ›Jungen- und Männerpolitik‹
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angebunden ist1. In Schweden wurde das Netzwerk der sieben Kommunen zur Rekrutierung von ›Männern‹ in die Vorschule 2013 durch die (damalige) Gleichstellungsministerin initiiert, welche dem Bildungsministerium unterstellt war. Damit wird die nationale Schulbehörde (Skolverket) zu einem wichtigen Ort des legitimen Sprechens. Sprecher*innenpositionen, aus der mehr ›Männer‹ in der Vorschule gefordert werden, sind jedoch eher marginal. Diese treffen im politisch-wissenschaftlichen Geschlechterdiskurs auf hegemoniale Machtpositionen, die die Fokussierung auf ein biologisches Geschlecht ablehnen. In beiden Ländern lassen sich unterschiedliche Positionierungen des Sprechens erkennen. Institutionen und damit die institutionellen Plätze des Sprechens werden im Sinne Foucaults als Produkte von Kräfteverhältnissen verstanden (Saar 2007, S. 32). Die Entstehung beziehungsweise Veränderung von Institutionen resultiert somit aus diskursiven Praktiken der Hervorbringung von (neuem) Macht/Wissen. Mit der Veränderung situierter Wissensordnungen von Geschlecht geht ein Wandel von Institutionen und Organisationen einher. In der Ausarbeitung der diskursiv hervorgebrachten institutionalisierten Orte des Sprechens, verstanden als Kristallisationspunkte von Regierungsmacht, wurde ein Spannungsfeld zwischen care und education deutlich. Durch diese Verortung eröffnen sich unterschiedliche Sagbarkeiten, die auch die Regierung von Geschlecht in der Debatte ›Männer in Kitas/män i förskolan‹ strukturieren. Mit der Verortung in bildungspolitischen Einrichtungen sind stärker geschlechterneutralisierende Momente verbunden. Die Betonung von Kompetenz und Professionalität ermöglicht eine Rekrutierung von Personal jenseits von Geschlecht, während in der Verortung in Care-Bereichen Geschlecht aufgrund tradierter Geschlechtervorstellungen stärker wirkmächtig wird. Die Regierung von Geschlecht setzt hier deutlicher an einer Zweigeschlechtlichkeit an, indem pflegende und fürsorgende Zuschreibungen mit biologistischem Geschlechterwissen verknüpft werden. In Deutschland liegt der Zuständigkeitsbereich der Kinderbetreuung beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und wird damit als Wohlfahrtspolitik mit einer Fokussierung auf Betreuung gefasst. Seit 2009 ist hier im Bereich der Gleichstellung das Referat 415 »Jungen- und Männerpolitik« angegliedert. Diskursiv hervorgebracht wurde ein Ort des Sprechens sowie damit einhergehende Sagbarkeiten, die ›Jungen‹ und ›Männer‹ aus gleichstellungspolitischer Perspektive in den Blick nehmen. Die Rekrutierung von ›Männern in Kitas‹ ist eine zentrale gleichstellungspolitische Initiative, die zu mehr Geschlechtergerechtigkeit beitragen soll. In dieser Verortung folgt 1 | Die Förderung für die Koordinationsstelle ist Ende 2014 ausgelaufen. Aus ihr entstand das Programm »Quereinstieg – Männer und Frauen in Kitas«, welches ebenso an die katholische Hochschule Berlin angegliedert ist.
8. Die Regierung von Geschlecht
Männerpolitik einer identitätspolitischen Logik, welche Geschlecht in zwei sich ergänzenden, homogenen Gruppierungen gegenüberstellt (Diewald 2013). Auf praktischer Ebene wurde die Koordinationsstelle ›Männer in Kitas‹ mit der Umsetzung beauftragt. Diese positioniert sich als Vermittlungsinstanz zwischen Politik/Wissenschaft und Praxis und wird damit zu einem Hybrid des Sprechens. Im Moment des Sprechens werden unterschiedliche Subjektpositionen eingenommen. Diese bewegen sich zwischen Geschlechterforscher*innen, Genderexpert*innen und Mitarbeiter*innen der Koordinationsstelle. Mit der institutionellen Verortung im Fachhochschuldiskurs verortet sich das Sprechen in einem Bereich zwischen Wissenschaft und Praxis. Einerseits geschieht dies in Abgrenzung zu universitär-wissenschaftlichen Auseinandersetzungen, andererseits wird gerade die Etablierung der Thematik im universitär-wissenschaftlichen Bildungsdiskurs als Ziel genannt. Deutlich wird dieser Bezug zur bildungspolitischen Auseinandersetzung in der Frage nach der Akademisierung der Ausbildung zur*zum Erzieher*in, der Etablierung des Themas in Auseinandersetzung zu frühkindlicher Bildung sowie dem Versuch, Genderpädagogik vermehrt zum Thema im elementarpädagogischen Bereich zu machen. In den institutionellen Verschiebungen hin zu bildungspolitischen Fragen lassen sich Verflechtungen mit vergeschlechtlichtem Macht/Wissen erkennen: so werden in der deutschen Debatte mehr ›Männer‹ tendenziell mit mehr Professionalität und Qualität gleichgesetzt. ›Männern‹ wird eine Qualifikation qua biologischem Geschlecht zugeschrieben, welche in Abgrenzung zu einem feminisierten, semiprofessionellen Kitabereich hergestellt wird. Zu erkennen ist eine Individualisierung gesellschaftspolitischer Aufgaben, die mit einer gleichzeitigen Verdeckung von gesellschaftlichen Macht- und Hierarchiestrukturen einhergeht. Im Gegensatz zu Deutschland fällt der elementarpädagogische Bereich in Schweden seit 1996 in den Zuständigkeitsbereich des Bildungsministeriums. Hier findet ein Sprechen vor allem aus der Perspektive des Bildungs- und Gleichstellungsministeriums, der Schulbehörde sowie in Zusammenhang mit dem Netzwerk von sieben Kommunen statt. Diese haben sich zum Ziel gesetzt, mehr ›Männer‹ in die Vorschule zu rekrutieren. Insgesamt lassen sich weniger institutionalisierte Verschiebungen als vielmehr eine Reifizierung bestehender Strukturen erkennen. Hervorgebracht wird das schwedische Vorschulsystem als das ›beste der Welt‹. Damit einhergehend wird das schwedische Personal als äußerst kompetent bewertet. Gleichzeitig führt dies zu einer Herstellung von Schweden als Vorbild, was mit mehreren Abgrenzungsstrategien verbunden ist. Dies sind Aussagen, die mit Verweis auf die Debatte ›män i barnomsorgen‹ in den 1970er Jahren deren Erfolglosigkeit hervorheben. Betont wird, dass es trotz massiver Bestrebungen in den 1970er Jahren nicht zu einem persistenten, signifikanten Anstieg
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männlicher Erzieher kam. Problematisiert wird aus gleichstellungspolitischer Perspektive als Weiteres die Gefahr der Reproduktion geschlechtsspezifischer Stereotype. Dies wird in der aktuellen Debatte einerseits deutlich durch die Abgrenzung zu einem theoretischen Verständnis von Geschlecht, indem dieses als Rolle verstanden wird, die Personen einnehmen können. Andererseits wird neben identitären vergeschlechtlichten Zuschreibungen vor allem die Veränderung von vergeschlechtlichten Machtstrukturen fokussiert. Dies steht im Gegensatz zur identitätspolitischen Verortung der Debatte in Deutschland. Ein weiterer Unterschied im Ländervergleich ist die Thematisierung von gender in der Vorschule. Während in Deutschland die Forderung nach expliziter Genderpädagogik sowie der reflexive Umgang mit Geschlecht in Kitas eher marginal ist, wird dies in Schweden als Selbstverständlichkeit hervorgebracht. Als ein Moment der Selbstführung wird den Vorschullehrer*innen in Schweden Reflexivität als Teil des Erzieher-Selbst eingeschrieben. In der Forderung nach einer permanenten Selbstreflexion ihrer vergeschlechtlichten, gesellschaftlichen Positionierung entsteht für männliche Vorschullehrer ein Moment der aktiven Positionierung. Ein weiterer Unterschied lässt sich in der Frage nach vergeschlechtlichten Machtstrukturen erkennen. Während in Deutschland die Veränderung vergeschlechtlichter Subjektkonstitutionen überwiegend auf einer subjektivierten, identitären Ebene gefasst wird, lässt sich im schwedischen Diskurs eine Fokussierung auf die sogenannte Geschlechtsmachtordung und deren immanenten Geschlechternormen erkennen. Dies geht mit der Infragestellung tradierter Macht- und Hierarchiestrukturen einher, welche mit einer intersektionalen Perspektive neben Geschlecht weitere Ungleichheitsstrukturen, wie Klasse oder Ethnizität, umfasst. In der Frage, wie identitäre Bezüge aufgebrochen oder verfestigt werden, eröffnen sich in Schweden und Deutschland divergierende Verflechtungen von Fremd- und Selbstführungstechniken. In Deutschland lässt sich durch die Positionierung des wissensvermittelnden Sprechens zuvorderst eine Technik der Fremdführung erkennen. Gleichzeitig lässt sich jedoch in der Veränderung einer vergeschlechtlichten Identität ein Moment der Selbstführung erkennen. Der in der Debatte angestoßene Geschlechterwandel lässt sich damit als Moment der Fremdführung verstehen, der eine Aufforderung zur Selbstführung, in der Bestätigung bestimmter männlicher Identitäten, immanent ist. In der schwedischen Debatte verschiebt sich diese Aufgabe von einer Bestätigung einer Männlichkeit hin zu einer Selbstführung in Form einer beständigen Selbstreflexion. Zusammenfassend lassen sich für beide Länder divergierende Bewegungen erkennen, die sich zwischen der Suche nach einer Care-Männlichkeit und (bildungspolitischen) Professionalisierungsbestrebungen verorten.
8. Die Regierung von Geschlecht
Die Debatte ›Männer in Kitas/män i förskolan‹ ist von einer Vielzahl an Brüchen durchzogen. Es wird ein diskursiver Raum eröffnet, der je nach vergeschlechtlichter Sprecher*innenposition konträr gefüllt wird. Diese Uneindeutigkeit und teilweise Konflikthaftigkeit der Positionierungen kennzeichnet die Bereitstellung von Subjektkonstitutionen, die männliche Erzieher einnehmen können, um als gesellschaftlich intelligibel wahrgenommen zu werden.
8.1.2 Institutionalisierte nationalstaatliche Politiken Im Folgenden werden die divergierenden institutionalisierten, nationalstaatlichen Politiken nachgezeichnet. Gezeigt werden geschlechterpolitische (Dis-) Kontinuitäten, wenn es um den elementarpädagogischen Bereich geht, welche auch die Debatte ›Männer in Kitas/män i förskolan‹ strukturieren. Neben den (institutionalisierten) Sprecher*innenpositionen stehen das Erscheinen der Debatte sowie ihr immanenter Geschlechterdiskurs in engem Zusammenhang mit gesellschaftlichen sowie politischen Machtkonstellationen und Kräfteverhältnissen. Sowohl in Schweden als auch in Deutschland wurde die Rekrutierung von ›Männern‹ in den elementarpädagogischen Bereich auf politischer Ebene von konservativen Regierungskoalitionen auf die politische Agenda gesetzt. In Deutschland lässt sich eine Prozesshaftigkeit der Entwicklung seit Anfang der 2000er Jahre über mehrere Jahre hinweg erkennen. Im Gegensatz dazu wurde die Debatte in Schweden mit dem Amtsantritt der Gleichstellungsministerin Maria Arnholm eher abrupt (wieder) auf die politische Agenda gesetzt und verlor mit dem Regierungswechsel 2014 deutlich an Bedeutung. In beiden Ländern sind die Debatten mit divergierenden Sagbarkeiten belegt. In Deutschland lassen sich sowohl auf politischer als auch auf zivilgesellschaftlicher Ebene nur wenige Gegenpositionen zur Forderung nach mehr ›Männern‹ erkennen. Vielmehr wird die Debatte als Hype bezeichnet. Im Gegensatz dazu finden sich in Schweden insbesondere aus universitär-wissenschaftlicher Sicht klare Gegenpositionen, unter anderem in der universitären Geschlechterforschung, die auch den dazugehörigen Geschlechterdiskurs kennzeichnen. Dies lässt sich mit einer divergierenden diskursiven Historisierung von Männerpolitik als Teil von Gleichstellungspolitik erklären. So wurde in Schweden schon in den 1970er Jahren die Forderung nach einem Männlichkeitswandel auf die politische Agenda gesetzt. Trotz dieser nationalstaatlich gerahmten, unterschiedlichen (institutionalisierten) Sprecher*innenpositionen sowie (politischen) Macht- und Kräfteverhältnisse findet sich in beiden Ländern ähnliches vergeschlechtlichtes Macht/ Wissen. Als zentrale Regelhaftigkeit lässt sich die Bereitstellung vergeschlechtlichter Subjektkonstitutionen zwischen naturalisierendem sowie (de-)konstruktivistischem Macht/Wissen finden. Die Bereitstellung von Wissen folgt da-
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bei fast durchweg einer Zweigeschlechtlichkeit, deren Grenzziehungen in der Forderung nach ›Männern‹ im Elementarbereich verändert und gleichzeitig reproduziert werden. Das Geschlechterwissen ist jedoch in beiden Ländern mit unterschiedlichen Sag- und Hörbarkeiten belegt. Während in Schweden naturalisierende Begründungen von Geschlecht kaum gehört werden beziehungsweise gesellschaftlich sanktioniert werden, erfolgt in Deutschland eine Marginalisierung von Positionierungen aus einer dekonstruktivistischen Perspektivierung. Mit der Wahl eines ländervergleichenden Forschungsdesigns erfolgt in der Arbeit nach Beck die Reproduktion eines »methodologischen Nationalismus« (Beck/Grand 2010). Dieser zeichnet sich durch einen analytischen, auf Nationalstaaten gerichteten Blick aus. »Lange Zeit unterstellte die Gesellschaftstheorie als ihre Untersuchungseinheit den Nationalstaat; die Begriffe ›Gesellschaft‹ und ›Kultur‹ bezogen sich unreflektiert auf das, was man als abgegrenzte, unabhängige und relativ homogene Einheiten wahrnahm, die sich durch nationale Grenzen, Institutionen und Gesetze konstituierten« (Beck/Grande, 2010, S. 189).
Deutlich wurde im Laufe der Analyse, dass Geschlechterdiskurse zwar nationalstaatlich gerahmt sind, diese jedoch nicht an nationalstaatlich hervorgebrachten Grenzziehungen haltmachen. Ausgehend von diesen Überlegungen lassen sich trotz der bereits beschriebenen unterschiedlichen Sagbarkeiten institutionelle Verortungen des Sprechens sowie politischen Macht- und Kräfteverhältnissen ähnliche Regelhaftigkeiten finden, die den deutschen und schwedischen Geschlechterdiskurs formen. Der Diskursraum erweist sich im Ergebnis der Analyse als nur bedingt nationalstaatlich begrenzt.
8.2 Z wischen E inigkeit und K onflik thaf tigkeit Während im Vorhergehenden die nationalstaatliche Rahmung des Geschlechterdiskurses im Fokus stand, werden im Folgenden die in Kapitel 7 erarbeiteten, diskursiven Verflechtungen aufgezeigt. Diese sind dem Geschlechterdiskurs als strukturierende Struktur immanent und bringen diesen gleichzeitig hervor. Nach Wrana sind Momente der Äußerung in der Debatte durch eine doppelte Performativität gekennzeichnet: »In ihm werden gleichzeitig die Gegenstände, von denen die Rede ist, und die Subjektpositionen, in denen gesprochen wird, produziert« (Wrana 2015, S. 128). Wie in der Analyse gezeigt wurde, werden vergeschlechtlichte Subjektkonstitutionen im Zusammenspiel unterschiedlicher nationalstaatlicher Rahmungen, Sprecher*innenpositionen sowie der Bereitstellung von Macht/Wissen von Geschlecht hervor-
8. Die Regierung von Geschlecht
gebracht. Das dem Diskurs zugrunde liegende Macht/Wissen verortet sich in einer Ambivalenz zwischen naturalisiertem und (de-)konstruktivistischem Macht/Wissen. Aufgrund dieser Ambivalenz wird der Diskurs erstens von Widersprüchlichkeiten und Brüchen sowie zweitens von einem Wechsel zwischen der Herstellung von Einigkeit und konflikthaften Auseinandersetzungen geformt. Erst diese Konflikthaftigkeit ermöglicht es, Zweigeschlechtlichkeit auszuhandeln und gleichzeitig zu reproduzieren. Die Herstellung einer bruchhaften Einigkeit kennzeichnet sowohl den schwedischen als auch den deutschen Diskurs. Subjektkonstitution bezieht sich in den folgenden Ausführungen auf die in der Debatte für männliche Erzieher (und in Abgrenzung dazu teilweise auch für weibliche Erzieherinnen) hergestellten Möglichkeiten, intelligibel zu werden.
8.2.1 Her vorbringung von Geschlecht als unabschließbares Unterfangen Ausgehend von der Annahme, dass die Hervorbringung von Geschlecht als unabschließbares Unterfangen zu verstehen ist, werden im Folgenden zentrale diskursive Regelhaftigkeiten ausgeführt. In Anschluss an Villa wird davon ausgegangen, dass ebenso wie das Signifikat ›Frau‹ nicht endgültig bestimmt werden kann, auch das Signifikat ›Mann‹ im Unbestimmten verbleibt. »Dekonstruktivistische Lektüren thematisieren das ›Scheitern‹ einer abschließenden Definition oder Essenz eines Begriffs als ebenso produktiven wie repressiven Modus metaphysischer Denkweisen. Das Signifikat ›Frau‹ kann nicht durch ein Zentrum, eine empirische oder ideelle Präsenz […] zusammengehalten werden« (Villa 2006, S. 97).
In der Debatte ›Männer in Kitas/män i förskolan‹ werden vergeschlechtlichte Subjektkonstitutionen aufgebrochen und verschoben. Je nach vergeschlechtlichtem Macht/Wissen erfolgen an männliche – und vor dem Hintergrund einer binären Zweigeschlechtlichkeit – auch an weibliche Erzieherinnen unterschiedliche Anrufungen, die diese als intelligible Subjekte kennzeichnen. Verknüpft ist dies mit divergierenden Erwartungen sowie Handlungsmöglichkeiten, die den Erziehern im Moment des Eintretens in das Berufsfeld eingeschrieben werden. Das den Positionierungen2 zugrunde liegende Macht/Wissen folgt einer ambivalenten Regelhaftigkeit zwischen Naturalisierung und (De-)Konstruktion. Die Aushandlungen von Männlichkeit bewegen sich damit zwischen der
2 | Gemeint sind an dieser Stelle sowohl die Positionen des Sprechens als auch die Positionierungen der Subjektkonstitutionen.
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Hervorbringung einer Care-Männlichkeit 3, einer potenziell missbrauchenden Männlichkeit und einer (geschlechtsneutralen) Professionalität. Herausgearbeitet wurden mit biologistisch-naturalisierend, konstruktivistisch sowie dekonstruktivistisch drei verschiedene Formen von Geschlechterwissen, welche dem Sprechen immanent sind. Erkennen lassen sich hier keine eindeutigen Zusammenhänge, vielmehr sind Elemente aus den verschiedenen Sprecher*innenpositionen mit unterschiedlicher Gewichtung/Relevanz für die verschiedenen Arten von entworfenen Männlichkeiten von Bedeutung. Aus einer biologistisch-naturalisierenden Sprecher*innenposition bewegen sich die Anrufungen an die männlichen Erzieher zwischen Heldentum und Generalverdacht. Aus einer konstruktivistischen Sprecher*innenposition erfolgt eine Fokussierung auf die Veränderung von gender. Ziel ist es, tradierte vergeschlechtlichte Normen aufzubrechen und Männlichkeit neu zu denken. Von besonderer Bedeutung ist die Frage nach einer ›Care-Männlichkeit‹. Beiden Positionierungen ist das Desiderat der Auflösung tradierter Arbeitsmarktstrukturen inne. Aus Sicht biologischer Sprecher*innenpositionen wird dies durch eine quantitative Parität von ›Männern‹ und ›Frauen‹ im elementarpädagogischen Bereich erreicht. Dagegen rückt aus einer konstruktivistischen Perspektive die Veränderung von Geschlechterkonstruktionen in den Fokus. Gleichzeitig beschränkt sich die Regierung von Geschlecht nicht auf die Aushandlung von Männlichkeitskonstruktionen. Vielmehr werden in der Differenzsetzung zu einem feminisierten Berufsfeld heteronormative Geschlechterverhältnisse hervorgebracht und stabilisiert. Neben sex und gender rückt die Frage nach dem sexuellen Begehren in den Fokus. Zumeist wird dieses diskursiv nur implizit mithergestellt. Dies geschieht auf drei unterschiedlichen und sich voneinander abgrenzenden Ebenen. Zum einen wird in der Logik heteronormativer Familienstrukturen (in der Verknüpfung von Vaterschaft und Mutterschaft) ein heterosexuelles Begehren hergestellt. Dies steht zum anderen in Differenz zur Herstellung eines homosexuellen Begehrens in der abwertenden Bezeichnung männlicher Erzieher als schwul. Ein besonderes Augenmerk erhält sexuelles Begehren als Drittes in der Problematisierung von männlichen Erziehern als potenziell missbrauchend. Wirkmächtig wird an dieser Stelle ein abnormes Begehren, welches männlichen Erziehern qua biologischem Geschlecht als latentes Verdachtsmoment zugeschrieben wird. Erkennen lässt sich eine naturalisierte sowie naturalisierende Ambivalenz, indem binären Subjektkonstitutionen vergeschlechtlichte Stereotype eingeschrieben werden. Wie im Weiteren ausgeführt wird, ist der Geschlechterdiskurs neben der Aushandlung individualisierter Subjektkonstitutionen durch das Bestreben geprägt, vergeschlechtlichte, normierte Machtstrukturen aufzubrechen. 3 | Vgl. Kapitel 8.3.1.
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8.2.2 Sowohl Subjekt als auch Struktur Vor allem im schwedischen Diskurs wird aus einer (de-)konstruktivistischen Sprecher*innenposition immer wieder die Frage nach der Auflösung einer Geschlechtermachtordnung gestellt. Ziel ist es, vergeschlechtlichte Normierungen aufzubrechen und Subjektkonstitutionen jenseits von tradierten Geschlechterverhältnissen zu ermöglichen. Geschlechtermuster sollen aufgebrochen werden und vergeschlechtlichte Grenzziehungen in Bewegung geraten. Die Veränderung von Geschlecht und Geschlechterverhältnissen wird damit von einer individualisierten, identitären zu einer gesellschaftspolitischen Aufgabe. Deutlich wird, dass Subjektkonstitution nicht außerhalb vergeschlechtlichter Macht- und Hierarchiestrukturen gedacht werden kann. »It soon appeared to me that, while the human subject is placed in relations of production and of signification, he is equally placed in power relations which are very complex (Foucault 1994, S. 209). […]. This form of power applies itself to immediate everyday life which categorizes the individuals, marks him by his own individuality, attaches him to his own identity, imposes a law of truth on him which he must recognize and which others have to recognize in him. It is a form of power which makes individual subjects. There are two meanings of the word subject: subject to someone else by control and dependence, and tied to his own identity by a conscience or self-knowledge. Both meanings suggest a form of power which subjugates and makes subject to« (Foucault 1994, S. 212).
Foucault folgend geht die Veränderung vergeschlechtlichter Macht- und Hierarchiestrukturen immer auch mit einer Veränderung von vergeschlechtlichten Subjektkonstitutionen und vice versa einher. Deutlich wird eine Verschränkung zwischen Selbst- und Fremdführungsmechanismen. Zwischen Struktur und Subjekt liegt also eine starke Wechselbeziehung, die es nicht zulässt, Struktur oder Subjekt getrennt voneinander zu denken. Die alleinige Fokussierung auf vergeschlechtlichte Subjektkonstitutionen birgt die Gefahr, gesellschaftliche Macht- und Hierarchiestrukturen auszublenden und diese damit gleichzeitig zu reproduzieren. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Veränderung von Geschlechterverhältnissen damit nicht in einem entweder Struktur oder Subjekt gedacht werden kann, sondern vielmehr in einem Sowohl-als-auch. Wie in der Analyse gezeigt wurde, wird die alleinige Forderung nach mehr ›Männern‹ dieser Verschränkung nicht gerecht, da dies zur Verdeckung und Ausblendung von Ungleichheitsstrukturen führt. Gleichzeitig werden in der Hervorbringung einer heteronormativen Zweigeschlechtlichkeit, welche die Debatte grundlegend strukturiert, genau jene Macht- und Hierarchieverhältnisse reproduziert, die aus gleichstellungspolitischer Sicht verändert werden sollen.
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8.2.3 Sicherheit/Schutz Als eine Form der Regierung von Geschlecht wurden im Laufe der Analyse Verweise auf Sicherheit/Schutz deutlich. Diese Machttechnologie nach Foucault lässt sich in der Hervorbringung von Geschlecht an zwei Stellen erkennen. Einerseits müssen ›Jungen‹ durch männliche Pädagogen vor den feministischen Erzieherinnen geschützt werden. Zentral wird an dieser Stelle das biologische Geschlecht. In einer gleichzeitigen Abwertung (feministischer) Erzieherinnen erfolgt eine Aufwertung von ›Männern‹ qua Geschlecht. Diese werden zu Rettern der benachteiligten ›Jungen‹. Im Gegensatz dazu steht andererseits die potenziell missbrauchende Männlichkeit. So müssen die Kinder vor potenziellen sexuellen Übergriffen männlicher Erzieher geschützt werden. Hieraus resultieren unterschiedliche Schutzmechanismen, wie das Verbot für männliche Erzieher, sich alleine mit Kindern in einem Raum aufzuhalten, oder räumliche Sicherheitsmaßnahmen, wie Glasscheiben in den Türen zum Schlaf- beziehungsweise Wickelraum. Gleichzeitig lassen sich unterschiedliche Überwachungsinstanzen erkennen, wie weibliche Erzieherinnen, die Eltern oder die Träger der Kitaeinrichtungen. Neben sexualisierten Machtfantasien, welche auf Kinder gerichtet sind, wird an dieser Stelle Körperlichkeit als eine weitere potenzielle Gefahr von Männlichkeit im elementarpädagogischen Bereich sichtbar. Ausgehandelt werden Grenzen von Körperlichkeit im Beziehungsverhalten mit Kindern von männlichen und weiblichen Erzieher*innen. So wird unter anderem die Frage diskutiert, ob ›Männer‹ Kinder wickeln oder diese auf den Schoß nehmen dürfen. Dies steht im Gegensatz zur geforderten körperlichen Nähe als Teil der pädagogischen Arbeit. Ein weiterer Moment, in dem Sicherheit relevant wird, liegt in der Abgrenzung einer potenziell missbrauchenden Männlichkeit von ungerechtfertigten Anschuldigungen gegenüber männlichen Erziehern. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass mit Verweis auf Sicherheit, insbesondere in Bezug auf eine potenziell missbrauchende Männlichkeit, eine Reformulierung binärer Grenzziehungen erfolgt. Indem die Ursache von Gefahr sowie die Notwendigkeit von Sicherheit mit Geschlecht begründet wird, erfolgt eine Biologisierung der vergeschlechtlichten Grenzziehung und auf diese Weise ihre Stabilisierung als etwas Unveränderbares.
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8.3 Ü berlegungen zum V erhältnis von G eschlecht/M acht/A rbeit Deutlich wurde im Laufe der Analyse des Materials, dass die Debatte ›Männer in Kitas/män i förskolan‹ nicht nur zentral durch einen Geschlechterdiskurs strukturiert ist, sondern ebenso durch eine diskursive Verhandlung von Arbeit. Die Bereitstellung divergierenden Macht/Wissens bringt damit eine Verknüpfung von Geschlecht, Macht und Arbeit hervor. In beiden Ländern werden Geschlechterverhältnisse, also Männlichkeits- und Weiblichkeitskonstruktionen, in der Verflechtung mit Arbeit ausgehandelt und hervorgebracht. Arbeit stellt damit einen zentralen Konstruktionspunkt von Geschlecht beziehungsweise von Geschlechterverhältnissen dar. Nach Foucault findet staatliche Rationalität und Gouvernementalität nicht außerhalb kapitalistischer Verhältnisse statt. Vielmehr wird der Staat als Teil von Ökonomie verstanden (Sauer 2015, S. 111). Der Markt wird selbst zum »organisierenden und regulierenden Prinzip des Staates. Der Neoliberalismus ersetzt ein begrenzendes und äußerliches durch ein regulatorisches und inneres Prinzip: Es ist die Form des Marktes, die als Organisationsprinzip des Staates und der Gesellschaft dient« (Lemke 2001, S. 7). Aus gendertheoretischer Perspektive eröffnet sich an dieser Stelle in Bezug auf Arbeit eine Leerstelle. So wird das Verständnis von Ökonomie einerseits auf durch den Markt organisierte Produktionsarbeit reduziert. Andererseits wird der Zusammenhang von Macht und Arbeit vernachlässigt (Demirović 2008, S. 60). »So rücken viele Aspekte von Macht und Herrschaft in Kernbereichen der Gesellschaft, in der alltäglichen Arbeit, in den Behörden, der Familie, in den Interaktionen und Kommunikationen ebenso wenig in den Blick, wie der Gesichtspunkt, dass die Anstrengungen zur Befreiung vom normalisierten Subjekt immer auch einen Rückhalt in den Verhältnissen der gesellschaftlichen Arbeit und Kooperation finden müssen« (Demirović 2008, S. 60).
Die Hervorbringung vergeschlechtlichter Subjekte wird damit nicht unabhängig von ökonomischen Verhältnissen gesehen, vielmehr nehmen diese eine zentrale Stellung in der Regierung von Geschlecht ein. Gleichzeitig wird Arbeit zu einem gesellschaftlichen Verhältnis, dem Macht- sowie Hierarchisierungsmomente eingeschrieben sind. Nach Sauer (2015) stellt geschlechtsspezifische Arbeitsteilung und damit die Verflechtung von Geschlecht, Macht und Arbeit eine Leerstelle in Foucaults Werk dar.
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Männlichkeiten im Wandel »Dabei läge die Integration des Aspekts der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung, d.h. der Trennung von produktiver und reproduktiver Arbeit in das Foucault’sche Denkgebäude durchaus nahe, werden doch mit der Biopolitik die Reproduktion der Gattung, Sexualität und Geschlecht gleichsam zur Staatsache und zur Herausbildung der bürgerlichen Klasse und Gesellschaft« (Sauer 2015, S. 111).
Die Regierung der Subjekte besteht nicht nur in der Einschreibung marktzentrierter Logiken, sondern im Sinne der Biopolitik auch in der Formierung vergeschlechtlichter Körper. Mit der Bereitstellung von vergeschlechtlichten Subjektkonstitutionen erfolgt gleichzeitig eine Einschreibung naturalisierten Macht/Wissens in Subjekte. Dies ermöglicht die Neuvermessung binärer Geschlechterkonstruktionen entlang sich wandelnder ökonomischer Verhältnisse. »Vorausgesetzt, wir durchlaufen in westlichen kapitalistischen Gesellschaften seit der Krise des Fordismus einen Suchprozess nach der Ausgestaltung einer diesem [Menschentypus, ID] nachfolgenden Gesellschaftsformation, dann wird darin auch die Ausgestaltung von Subjektivität und der Bedeutung, die Geschlecht darin einnimmt, neu vermessen« (Ludwig 2009, S. 101).
Deutlich wird die Untrennbarkeit der Aushandlung von Arbeit und Geschlecht. Auch nach Meuser ist dem Wandel vom Fordismus zum Postfordismus und damit von der Industrie- zu einer Dienstleistungsgesellschaft4 eine Geschlechterdimension immanent. Mit der Veränderung beruflicher Strukturen werden ökonomische Grenzziehungen in Frage gestellt, die für die Konstitution der Geschlechterordnung zentral sind (Meuser 2009, S. 250). Anknüpfend an diese Überlegungen und an die im Vorhergehenden aufgezeigte Verflechtung von Subjekt und Struktur in einem Sowohl-als-auch, wird Arbeit einerseits als Form der Subjektkonstitution gefasst, andererseits als gesellschaftliches Macht- und Herrschaftsverhältnis. Arbeit wird ebenso wie die Hervorbringung von Geschlecht als strukturierende Struktur verstanden. Dies führt zu einer doppelten Aushandlung in der Debatte ›Männer in Kitas/män i förskolan‹. Nicht nur Geschlechterverhältnisse werden in Bewegung gesetzt, sondern auch Arbeit. Dies wird unter anderem in Fragen nach dem Arbeitsfeld Kita oder Vorschule deutlich – wie dieses strukturiert sein soll, welche Ausbildung absolviert werden soll, welche Kompetenzen von Bedeutung sein sollen sowie welche pädagogischen Inhalte vermittelt werden sollen. In der diskursiven Verschränkung von Arbeit und Geschlecht wird ein vergeschlechtlichter Arbeitsmarkt hervorgebracht, der gleichzeitig die Bereitstel4 | In Schweden setzte dieser sozioökonomische Wandel bereits in den 1970er Jahren ein (Bonoli 2007).
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lung vergeschlechtlichter Subjektkonstitutionen formt. In der Analyse wurde dies auf verschiedenen Ebenen deutlich, unter anderem in den Fragen nach Care-Arbeit, nach Profession, nach der Zusammensetzung des Personals beziehungsweise der Teamstruktur sowie in der Frage nach Kita beziehungsweise Vorschule als Organisation.
8.3.1 Vergeschlechtlichte Care-Arbeit Ausgehend von Regierung von Geschlecht ergänzt um Arbeit, rückt auf einer Subjektebene die Aushandlung individualisierter Subjektkonstitutionen in den Blick. In der Debatte ›Männer in Kitas/män i förskolan‹ geht es dabei vor allem um die Hervorbringung vergeschlechtlichter Care-Arbeit, insbesondere um die Formierung einer Care-Männlichkeit. Dies geschieht in der Debatte durch eine doppelte diskursive Differenzsetzung. Einerseits sowohl in Abgrenzung beziehungsweise in Angleichung zu (tradierten) Weiblichkeitskonstruktionen als auch in einem als feminisiert verstandenen elementarpädagogischen Bereich. Andererseits erfolgt eine Abgrenzung zu (hegemonialen) Männlichkeitskonstruktionen, die nicht entlang der Frage von Care-Arbeit hervorgebracht werden. Care-Arbeit folgt durchweg der Logik einer Zweigeschlechtlichkeit. Je nach vergeschlechtlichtem Macht/Wissen erfolgt eine Differenzsetzung durch naturalisierende Zuschreibungen oder eine Betonung der Gleichheit zwischen den Geschlechtern. Ausgehend von der diskursiv hervorgebrachten Trennung einer privaten sowie einer öffentlichen Sphäre wird vergeschlechtlichte Care-Arbeit in Beziehung zur Frage nach Elternschaft, insbesondere Vaterschaft, hergestellt. Gefasst wurde dies in der Analyse mit der Begrifflichkeit einer naturalisierten (geistigen) Väterlichkeit, welche in Differenzsetzung zu einer (geistigen) Mütterlichkeit hergestellt wird. Der Regierung von Geschlecht ist damit eine Regierung von Elternschaft immanent, welche einer heteronormativen Logik folgt. Vaterschaft wird als Teilzeitvaterschaft hergestellt, die in Ergänzung zu Mutterschaft verstanden wird. Ausgehandelt wird sowohl vergeschlechtlichte Produktions- als auch Reproduktionsarbeit. Die im Diskurs hervorgebrachte Care-Männlichkeit verbleibt in einer Ambivalenz. Im Übergang von Regierungstechniken in Selbsttechnologien werden ›Männer‹ zu ver- und fürsorgenden Vätern und gleichzeitig zu professionellen Erziehern. Mit der Betonung von (geschlechtsneutraler) Professionalität und Kompetenz erfolgt gleichzeitig eine Reproduktion der Trennung zwischen öffentlich und privat. In der Hervorbringung einer Care-Männlichkeit lassen sich divergierende Regelhaftigkeiten erkennen. So werden Männlichkeitskonstruktionen um bis dato als typisch weibliche Zuschreibungen wie emotional, einfühlsam oder fürsorgend erweitert. Zum anderen wird mit der Betonung der Unterschiedlich-
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keit der Geschlechter geworben und Männlichkeit gerade in Abgrenzung zu Weiblichkeit hergestellt. Betont wird dann gerade das Eigene, das Männer qua natürlichem Geschlecht, in die Erziehung von Kindern miteinbringen. Ausgehandelt wird in diesen divergierenden Subjektkonstitutionen die Beziehung zwischen Eltern und Kindern. Die Betonung von geschlechterdifferentem Beziehungsverhalten trägt damit zur Aufrechterhaltung von Zweigeschlechtlichkeit bei. Gleichzeitig ermöglicht das Auf brechen tradierter Geschlechtervorstellungen die Verschiebung von vergeschlechtlichten Grenzziehungen. Je nach dem Verständnis von männlicher Erziehungsarbeit wird ›Männern‹ eine unterschiedliche Position zugedacht. So wird der männliche Erzieher entweder zum fürsorgenden Vorbild für Kinder, zum wilden, tobenden Erzieher oder tradierten Männlichkeitsvorstellungen folgend zum drohenden, strafenden Erzieher. Hervorgebracht wird Care-Männlichkeit in Abgrenzung zum traditionellen männlichen Familienernährer. Geschlechterverhältnisse werden entlang ökonomischer Grenzziehungen neu ausgehandelt. Mit der Veränderung von Männlichkeitskonstruktionen geht ein Wandel von Arbeit einher. Männliche Care-Arbeit wird intelligibel in Form von Reproduktionsarbeit, die ökonomischen Rationalitäten folgt. So steht die Forderung nach (mehr) ›Männern‹ im elementarpädagogischen Bereich in engem Zusammenhang mit der Veränderung tradierter Arbeitsmarktstrukturen. Diskursiv werden neue Möglichkeiten der Berufswahlentscheidung hervorgebracht und gleichzeitig die Möglichkeit für ›Männer‹, auch im Privaten mehr Verantwortung zu übernehmen.
8.3.2 Geschlechtsspezifische Arbeitsteilung In der Verflechtung der Regierung von Geschlecht mit Arbeit rückt neben der Veränderung vergeschlechtlichter Subjektkonstitutionen die Hervorbringung geschlechtsspezifischer Arbeitsmarktstrukturen in den Fokus. Der Ausgangspunkt der Arbeit war die Frage nach der Rekrutierung von ›Männern‹ in sogenannte ›Frauenberufe‹. Wie in der Analyse gezeigt, wird diese Einteilung erst durch die Naturalisierung binärer Geschlechterdifferenzen möglich. So wird in der Debatte eine individualisierte Männlichkeit einem feminisierten Berufsfeld und Organisationsstrukturen gegenübergestellt. Reproduziert werden vergeschlechtlichte Arbeitsmarktstrukturen, die mit einer Besonderung von ›Männern‹ qua Geschlecht sowie der Hervorbringung vergeschlechtlichter Mehrheiten und Minderheiten in Berufen einhergehen. (Biologisches) Geschlecht wird zu einem Exklusions- beziehungsweise Inklusionsmoment. Vor diesem Hintergrund wird ein geschlechtsunabhängiges Eintreten in das Berufsfeld unmöglich. In Anlehnung an Sauer (2015) zeigt sich eine Verflechtung von Regieren und Biopolitik.
8. Die Regierung von Geschlecht »Die staatliche Kodifizierung von Machtpraxen im Prozess der gesellschaftlichen Arbeitsteilung ist geschlechtshierarchisch. Die feministisch-materialistische Sicht auf den Zusammenhang von Produktions- und Reproduktionsverhältnissen, von entlohnter Arbeit und unbezahlter Reproduktions- bzw. Care-Arbeit als wichtiger Form des Regierens ermöglicht eine Erweiterung von Foucaults Konzept des Regierens und der Biopolitik« (Sauer 2015, S. 111 kursiv i O).
Die Einschreibung von Care-Arbeit in Männlichkeitskonstruktionen ist damit sowohl eine Form der (naturalisierenden) Regierung von Geschlecht als auch eine Aushandlung geschlechtshierarchischer Arbeitsteilung. Die Forderung nach (mehr) ›Männern‹ im elementarpädagogischen Bereich wird in Bezug auf die Hervorbringung vergeschlechtlichter Arbeitsmarktstrukturen in doppelter Lesart verstanden. Einerseits geht es aufgrund der Problematisierung eines drohenden Fachkräftemangels um eine rein quantitative Veränderung. Andererseits geht es um die Verschiebung vergeschlechtlichter Grenzziehungen und deren immanenten Macht- und Hierarchiestrukturen. In Deutschland ist die Rekrutierung mit der Forderung verknüpft, Kitas als Bildungseinrichtungen zu begreifen, um diese für ›Männer‹ attraktiver zu machen5. Aus ›Frauenbereichen‹ sollen ›Männerbereiche‹ werden, indem diese mit männlich konnotierten Zuschreibungen angefüllt werden. Erkennen lassen sich diskursive Verschiebungen des Berufsfeldes von einer (weiblichen) Semiprofessionalität hin zu einer (männlichen) Professionalität6. Reproduziert werden vergeschlechtlichte Macht- sowie Hierarchiestrukturen, indem als typisch weiblich verstandene Berufsfelder als unattraktiv für ›Männer‹ betrachtet werden. So werden für weibliche Berufsfelder typisch verstandene Zuschreibungen durchweg als Hauptgründe angeführt, warum diese für ›Männer‹ unattraktiv seien. Dies sind unter anderem die Frage nach gesellschaftlicher Anerkennung des Berufsfelds, Strukturierung des Berufsfelds in Teilzeit sowie geringe Entlohnung. Wirkmächtig wird eine tradierte Vorstellung von ›Männern‹ als Vollzeit arbeitende und auf Karriere zielende Familienernährer. Im Gegensatz zu einer solchen männlich aufgeladenen Professionalität steht die Betonung der Neutralität von Profession7 sowie Kompetenz. Diese werden zu einem Moment der Auflösung geschlechtsspezifischer Arbeitsmarktsegregation. 5 | Spannend ist dies vor allem auch im Vergleich zu Schweden, da hier trotz der klaren Ausrichtung der Vorschule als Bildungseinrichtung sowie der Akademisierung der Ausbildung kein signifikanter Anstieg von ›Männern‹ in diesem Berufsfeld zu verzeichnen ist. 6 | Dies steht im Kontrast zur Hervorbringung von Professionalität als geschlechtsneutral. 7 | Dies lässt sich vor allem in der schwedischen Debatte finden.
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Ein weiterer Moment, in dem die Forderung nach ›Männern‹ brüchig wird, liegt im Erscheinen der Begrifflichkeiten Vielfalt und Diversität. Problematisiert wird, dass die alleinige Forderung nach unterschiedlichen Geschlechtern soziale und gesellschaftliche Hintergründe ausblende. Vielfalt/Diversität wird als Chance hervorgebracht und gleichzeitig zu einer erstrebenswerten Norm erhoben. Zusammenfassend lässt sich aus Sicht von Care-Männlichkeit sowie geschlechtsspezifischer Arbeitsteilung die Hervorbringung eines nicht-professionellen, emotionalen, familiären Bereichs in Differenz zu einem professionellen beziehungsweise zu professionalisierenden, öffentlichen Bereich erkennen. Immanent ist dieser Gegenüberstellung die Differenzsetzung zwischen geschlechtsneutralem, professionellem Handeln sowie vergeschlechtlichtem Erziehungsverhalten.
8.3.3 Verflechtung von Gleichstellungspolitik und Arbeitsmarktwandel Neben der Hervorbringung eines arbeitsmarktpolitischen Desiderats wurde ein gleichstellungspolitisches Desiderat herausgearbeitet. Gleichstellung (jämställdhet) ist dabei eine zentrale Begrifflichkeit, die im Diskurs je nach Sprecher*innenposition sowie vergeschlechtlichtem Macht/Wissen unterschiedlich gefasst wird. Einerseits wird diese als Chancengerechtigkeit zwischen ›Männern‹ und ›Frauen‹ verstanden, andererseits wird als Ziel das Auf brechen vergeschlechtlichter Machtstrukturen formuliert. Durch die Verflechtung divergierenden Macht/Wissens enthält die Debatte ›Männer in Kitas/män i förskolan‹ emanzipatorische Momente. Gleichzeitig trägt die Debatte durch die (Re-)Produktion binärer Geschlechterkonstruktionen jedoch zur Aufrechterhaltung vergeschlechtlichter Gesellschaftsstrukturen und damit auch Arbeitsteilung bei. Mit hergestellt und doch ausgeblendet wird die Frage nach dem Zusammenhang zwischen Arbeit und Geschlecht und den ihm zugrunde liegenden ökonomischen Macht- und Herrschaftsverhältnissen. Im Sinne der Regierung von Geschlecht in Verflechtung mit Arbeit erhält damit die Begrifflichkeit der Gleichstellung in der Debatte eine Schlüsselfunktion. Erst durch die diskursive Hervorbringung von Gleichstellung und deren spezifischer Aneignung im Kontext der Rekrutierung männlicher Erzieher als etwas Erstrebenswertes wird es möglich, Veränderung von Geschlechterkonstruktionen und die Problematik der geschlechtsspezifischen Arbeitsmarktsegregation in Beziehung miteinander zu diskutieren. Erkennen lässt sich in Anlehnung an Fraser (2009) eine ökonomische Vereinnahmung von Gleichstellungspolitik. Diese hat »die These vertreten, dass der Neoliberalismus die anti-androzentristischen, anti-etatistischen und zumindest in Ansätzen postwestfälischen Impulse des Feminismus der zweiten Welle vereinnahmen und
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umzudeuten vermochte« (Kerner/Saar 2015, S. 131). Dieser Logik folgend, lassen sich auch in den (gleichstellungs-)politischen Auseinandersetzungen Umdeutungen feministischer Ideale erkennen (Fraser 2009, S. 50). So wird das emanzipatorische Moment einer gerechten Verteilung von Sorgearbeit in eine ökonomische Verwertungslogik integriert. »Ebenso dachte die Neue Frauenbewegung, wenn sie den Androzentrismus des ›Familienlohns‹ kritisierte, niemals daran, an seine Stelle einfach nur die DoppelverdienerFamilie zu setzen. Für sie bedeutete Überwindung der Geschlechterungerechtigkeit, mit der systematischen Abwertung von Pflege- und Sorgetätigkeiten und der geschlechterorientierten Arbeitsteilung sowohl bei bezahlten wie bei unbezahlten Tätigkeiten Schluss zu machen« (Fraser 2009, S. 49).
Mit der Frage nach ›Männern‹ im elementarpädagogischen Bereich wird damit eine zentrale Forderung der zweiten Frauenbewegung aufgegriffen. Ausgehend von der Prämisse, dass ›Frauen‹ sich bereits verändert hätten8 und nun auch die ›Männer‹ am Zug seien, werden vergeschlechtlichte Strukturierungen von Pflege- und Sorgearbeit in Frage gestellt, ohne jedoch die gesellschaftlichen Macht- und Hierarchiestrukturen mit in den Blick zu nehmen9. Lepperhoff stellt für die Entwicklung der deutschen Gleichstellungspolitik in den letzten Jahren Folgendes fest: »Insgesamt hat das unter der Großen Koalition konservativ geführte BMFSFJ aus der Gleichstellung ein ›Gemeinschaftsthema‹ gemacht, da Gleichstellung als ein Thema der Umverteilung zwischen Frauen und Männern und der Überwindung von an die Kategorie Geschlecht geknüpften Herrschaftsverhältnissen systematisch de-thematisiert wird. Damit werden die Konfrontation und der Konflikt aus diesem Thema ›herausgenommen‹« (Lepperhoff 2010, S. 33).
Konträr steht die in Deutschland als neu und innovativ hervorgebrachte Gleichstellungspolitik zu feministischen Forderungen, die nicht auf eine Chancengerechtigkeit zwischen ›Männern‹ und ›Frauen‹ abzielt, sondern ein »breit angelegtes Emanzipationsprojekt [verfolgt], das auf eine radikale Umgestaltung der Tiefenstrukturen der kapitalistischen Gesellschaft zielte« (Fraser 2009, S. 49).
8 | Fraser stellt hierzu Folgendes fest: »Der desorganisierte Kapitalismus macht aus Scheiße Gold, indem er über die neue Geschlechtergerechtigkeit fabuliert und darüber, wie herrlich weit die Frauen es doch gebracht haben« (Fraser 2009, S. 52). 9 | Dies lässt sich, wie auch im folgenden Zitat von Lepperhoff deutlich wird, vor allem für die deutsche Debatte proklamieren.
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Erkennen lässt sich damit in der Debatte ›Männer in Kitas/män i förskolan‹ eine Vereinnahmung von Gleichstellungspolitik durch arbeitsmarktpolitische Programmatiken. In der Verknüpfung einer gleichzeitigen diskursiven Hervorbringung von Arbeit und Geschlecht lässt sich festhalten, dass nationalstaatlich gerahmte Gleichstellungspolitiken unauflösbar mit sozioökonomischen Veränderungen sowie Herausforderungen verwoben sind. Führte zum Beispiel in Schweden in den 1970er Jahren ein massiver Arbeitskräftemangel zur verstärkten Rekrutierung von ›Frauen‹ in den Arbeitsmarkt, ist es jetzt gerade die Erosion klassischer männlicher Berufsfelder, die eine diskursive Neuausrichtung vergeschlechtlichter Arbeitsteilung evoziert.
8.4 R esümee : V er änderung versus Tr adierung Der Wandel von Geschlechterkonstruktionen verläuft, wie gezeigt, durchweg entlang ökonomischer Grenzziehungen und lässt sich auf unterschiedlichen Ebenen erkennen. So geht es um die Veränderung von Reproduktions- und Produktionsarbeit, den Wandel von Organisationen sowie Profession und nicht zuletzt um einen Wandel wohlfahrtsstaatlicher Politiken. Im Sinne der KoKonstitution von Staat und Geschlecht werden nicht nur vergeschlechtlichtes Macht/Wissen, sondern auch (wohlfahrts)staatliche Ausrichtungen verhandelt. Neben arbeits- und gleichstellungspolitischen Forderungen rücken familien- sowie bildungspolitische Fragen in den Fokus. Erkennen lässt sich in den Veränderungen keine eindeutige Ausrichtung, vielmehr ist der Wandel in der Debatte ›Männer in Kitas/män i förskolan‹ aufgrund des ambivalenten Macht/ Wissens mit einer Uneindeutigkeit belegt. Festhalten lässt sich, dass die Debatte ›Männer in Kitas/män i förskolan‹ auf einen Geschlechterwandel zielt, jedoch gerade die Geschlechterverhältnisse reproduziert, die verändert werden sollen. Wie gezeigt wurde, ermöglicht gerade das divergierende Geschlechterwissen, die Veränderung von Geschlechterverhältnissen zu einem Wandel der Individuen zu machen und gleichzeitig tradierte Gesellschaftsstrukturen zu reproduzieren. Eröffnet wird durch die Bereitstellung unterschiedlicher männlicher Subjekt-konstitutionen ein Moment der Wahlfreiheit, der jedoch mit einer Brüchigkeit belegt ist. ›Männer‹ sollen sich, im Sinne einer Vereinbarkeit von Familie und Beruf, entlang heteronormativer Grenzziehungen verändern. Geschaffen wird eine alternative Männlichkeit, die sich durch die selbstverständliche Übernahme von Care-Work auszeichnet. Zum Ende dieser Arbeit stellt sich die Frage, welche Auswirkungen die divergierenden im Diskurs bereitgestellten Subjektkonstitutionen für ›Männer‹ haben, die in diesem Bereich arbeiten. So bewegen sich die Anrufungen an männliche Erzieher in einem Spannungsfeld zwischen Abwertung und Über-
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höhung und verbleiben damit in Abgrenzung zu einem feminisierten Bereich immer in einer Besonderung. Es lässt sich eine Regierung von Geschlecht erkennen, wobei vergeschlechtlichte Subjektkonstitutionen aufgebrochen und verschoben werden. Dies führt gleichzeitig zu einer Veränderung sowie einer (Re-)traditionalisierung von Männlichkeits-konstruktionen sowie Geschlechterverhältnissen. Die vielen unterschiedlichen Erwartungen, die an ›Männer‹ gerichtet werden, führen zu einer der Zielsetzung der Debatte entgegenstehenden Bewegung. Nämlich, dass ›Männer‹ das Berufsfeld wieder verlassen beziehungsweise sich gerade nicht für den Beruf entscheiden (vgl. Wernersson 2015, S. 21). Offen bleibt, wie es möglich ist, eine (Arbeits-)Welt zu schaffen, in der nicht Geschlecht als Ein- und Ausschlussmechanismus dient, sondern sich vielmehr vergeschlechtlichte Grenzziehungen und damit einhergehende Macht- und Hierarchieverhältnisse auflösen. Im Sinne einer Geschlechterpolitik, die auf die Überwindung von Ausgrenzungs- und Marginalisierungsprozessen (KurzScherf et al. 2009) zielt, eröffnet die Debatte ›Männer in Kitas/män i förskolan‹ jedoch auch ein emanzipatorisches Moment. Wird Geschlecht als etwas verstanden, was einer permanenten Herstellung unterliegt, eröffnet sich mit der Debatte in ihrer Widersprüchlichkeit ein diskursiver Raum der Aushandlung von Geschlechterwissen. Dies ermöglicht im Sinne eines dekonstruktivistischen Macht/Wissens emanzipatorisches Wissen über Zweigeschlechtlichkeit hinaus zu artikulieren.
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Danksagung
Was wäre so eine Arbeit ohne die Menschen, die einen auf diesem langen Weg begleiten. Danken möchte ich meiner Erstbetreuerin Prof. Inga Truschkat, die mir die Freiheit gegeben hat, meine Arbeit zu schreiben, und mir doch immer mit wohlwollendem und klugem Rat zur Seite stand. Meiner Zweitbetreuerin Prof. Christine Thon danke ich für die wertvollen Denkanstöße und die intensive Diskussion über Positionierung im Diskurs. Meiner Vertauensdozentin Prof. Julia Lepperhoff danke ich für ihre professionelle Unterstützung, die auch in stürmischen Momenten Klarheit gebracht hat. Danken möchte ich Prof. Stephan Wolff. Ohne den Glauben in mich, eine Promotion verfassen zu können, würde es diese Arbeit wohl nicht geben. Danken möchte ich dem Institut für Sozial- und Organisationspädagogik, meiner alten und neuen Heimat. Über die Jahre hinweg habe ich die positive Atmosphäre an diesem Institut und im Rahmen der Promotionstage sehr zu schätzen gelernt. Danken möchte ich all den Menschen, die mit mir in Kleingruppen meine Arbeit und mein Material kritisch diskutiert haben. Mein besonderer Dank gilt hier Tanja Rusack, Cornelia Gschmack und Svenja Garbade. Ein weiterer für mich wertvoller Ort des Austauschs war die DiskursAG mit Vroni Ott und Yvonne Weihrauch. Danke Euch für die kontinuierliche Begleitung und die vielen angeregten Diskussionen! Danken möchte ich auch der Special Interest Group »Gender Balance«, die es mir ermöglichte, Teile meiner Promotion im Rahmen der EECERA 2016 in Dublin vorzustellen und zu diskutieren. Ebenso möchte ich meinen Interviewpartner*innen danken, vor allem dafür, dass sie mich durch Momente der Irritation zu einer permanenten Selbstreflexion angeregt haben. Ganz besonders möchte ich den Menschen danken, die mich in den letzten Jahren immer mit einem offenen Ohr begleitet haben. Die mich und die Arbeit nicht nur mit ausgedehnten Mittagspausen, sondern auch mit kritischen, ja manchmal sogar herausfordernden Nachfragen unterstützt haben. Mein Dank
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gilt an dieser Stelle Ilka, Christian, Dana, Jörg, Matthias, Urs, Hendrik, Silke, Heidi und Resa. Auch den Menschen, die mich auf meinem wissenschaftlichen Weg als Kolleg*innen oder in Kolloquien begleitet haben, gehört mein besonderer Dank. Danken möchte ich Denise Bergold-Caldwell, Philippe Greif, Stephanie Dziuba-Kaiser, Stefan Brasse, Dorothee Beck und Jasmina Crcic. Von ganzem Herzen Danke sagen möchte ich den Menschen, die durch ihre Korrekturen die Arbeit und mich ein Stück des Wegs begleitet haben. Mein Dank geht an Annika Sominka, Sara Brandt, Hanna Rettig, Holger Goeder, Ilka Heuck, Georg Lindner für die schwedischen Übersetzungen sowie Dana Schabo und Jörg Albrecht für die englischen Korrekturen. Ganz besonders danken möchte ich Resa Diewald und Vroni Ott, die die Promotion auf den letzten Metern durch ihre wunderbare Unterstützung begleitet haben! Für die Ermöglichung der Promotion danke ich der Hans-Böckler-Stiftung. Stellvertretend danken möchte ich hier dem für mich zuständigen Referenten Jens Becker. Danke sagen möchte ich nicht nur für die finanzielle, sondern vor allem auch für die ideelle Förderung! Mein besonderer Dank geht an Sara Brandt und Hanna Rettig, die so wundervoll sind. Danke für Eure Unterstützung auf so vielen Ebenen, nicht zuletzt für Wohnzimmer und Türmchen. Danke Dir, Hanna, für Deine Ermutigung, Deine Unterstützung, Deine klugen und inspirierenden Gedanken! Danke Dir, Sara, für Dein aufmerksames, einfühlsames Zuhören, Dein Mut machen, Deine Kraft! Danken möchte ich meinen Eltern und meinen Geschwistern für ihre Unterstützung – und dass sie mit mir die Tiefen und Höhen dieser Arbeit durchlebt und gelebt haben. In Liebe und Dankbarkeit für Fabian!
Kulturwissenschaft María do Mar Castro Varela, Paul Mecheril (Hg.)
Die Dämonisierung der Anderen Rassismuskritik der Gegenwart 2016, 208 S., kart. 17,99 € (DE), 978-3-8376-3638-3 E-Book PDF: 15,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-3638-7 EPUB: 15,99 € (DE), ISBN 978-3-7328-3638-3
Fatima El-Tayeb
Undeutsch Die Konstruktion des Anderen in der postmigrantischen Gesellschaft 2016, 256 S., kart. 19,99 € (DE), 978-3-8376-3074-9 E-Book: 17,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-3074-3
Götz Großklaus
Das Janusgesicht Europas Zur Kritik des kolonialen Diskurses 2017, 230 S., kart., z.T. farb. Abb. 24,99 € (DE), 978-3-8376-4033-5 E-Book: 21,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-4033-9
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Kulturwissenschaft Rainer Guldin, Gustavo Bernardo
Vilém Flusser (1920–1991) Ein Leben in der Bodenlosigkeit. Biographie 2017, 424 S., kart., zahlr. Abb. 34,99 € (DE), 978-3-8376-4064-9 E-Book: 34,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-4064-3
Till Breyer, Rasmus Overthun, Philippe Roepstorff-Robiano, Alexandra Vasa (Hg.)
Monster und Kapitalismus Zeitschrift für Kulturwissenschaften, Heft 2/2017 2017, 136 S., kart. 14,99 € (DE), 978-3-8376-3810-3 E-Book: 14,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-3810-7
Thomas Hecken, Moritz Baßler, Robin Curtis, Heinz Drügh, Mascha Jacobs, Nicolas Pethes, Katja Sabisch (Hg.)
POP Kultur & Kritik (Jg. 6, 2/2017) 2017, 176 S., kart., zahlr. Abb. 16,80 € (DE), 978-3-8376-3807-3 E-Book: 16,80 € (DE), ISBN 978-3-8394-3807-7
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