120 80 55MB
German Pages 542 [560] Year 2011
Paul J. J. Weifens (Hrsg.) Cluster- und Innovationsdynamik in Europa
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Europäische Integration und Digitale Weltwirtschaft Herausgegeben von Paul J. J. Weifens Europäisches Institut für Internationale Wirtschaftsbeziehungen e.V. an der Bergischen Universität Wuppertal
Band 6: Cluster- und Innovationsdynamik in Europa Neue Perspektiven der Automobil- und IKT-Wirtschaft
Paul J.J. Weifens (Hrsg.)
Cluster- und Innovationsdynamik in Europa Neue Perspektiven der Automobil- und IKT-Wirtschaft
->* Lucius & Lucius • Stuttgart • 2011
Anschrift des Herausgebers: Prof. Dr. PaulJ. J. Weifens Europäisches Institut für Internationale Wirtschaftsbeziehungen (EIIW) an der Bergischen Universität Wuppertal Rainer-Gruenter-Straße 21 42119 Wuppertal http: / /www. eiiw. eu
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
ISSN 1868-0607 ISBN 978-3-8282-0544-4
© Lucius & Lucius Verlagsgesellschaft mbH Stuttgart 2011 Gerokstr. 51, 70184 Stuttgart www.luciusverlag.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigung, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung, Verarbeitung und Übermittlung in elektronischen Systemen.
Druck und Einband: Rosch-Buch, Scheßlitz Printed in Germany
Vorwort • i
Vorwort Die vorliegenden Beiträge aus dem internationalen Forschungsprojekt EUStrukturwandel, regionaler Innovationsdynamik und Clusterbildungsoptionen in der Wissensgesellschaft präsentieren neue Forschungsergebnisse im Regionalvergleich der beiden wichtigsten Industrien Europas, nämlich des Automobilsektors und des Sektors der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT). Die Visualisierung von Netzwerken in den Sektoren Automobilwirtschaft und IKT verdeutlicht durch die Analyse im Zeitvergleich und über Regionen hinweg, wie sich die Qualität von Netzwerken bestimmter Regionen entwickelt hat. Netzwerke kann man in verschiedener Weise ausleuchten — der Umfang eines Netzwerkes ist ein Aspekt der Qualität eines Firmen-Clusters, bei der regional konzentriert Unternehmen zusammenarbeiten. In der modernen Wissensgesellschaft ist eine produktivitätssteigernde regionale Vernetzung von Firmen ein wesentliches Element der Innovationsdynamik. Bei einem vernünftig entwickelten Netzwerk haben alle Netzwerkteilnehmer einen Nutzen aus der Kooperation untereinander, dabei stehen die Akteure im Netzwerk zugleich im internationalen Wettbewerb. Aus Sicht der Politik wichtig ist u.a. die Frage nach der Netzwerkentwicklung bzw. nach der Offenheit für neue Akteure mit spezifischen Kompetenzen — und nach den Prinzipien einer sinnvollen Innovationsförderung in Netzwerken. Aus ökonomischer Sicht gilt auch hier, dass positive externe Effekte von Forschung & Entwicklung bzw. „Übertragungseffekte" auf andere Firmen und Netzwerke Anlass für eine staatliche Innovationsförderung sein sollten. Optimale Cluster-Förderung bedeutet mehr regionale Wirtschaftsdynamik, mehr Arbeitsplätze, höhere Steuereinnahmen und häufig auch beschleunigten Strukturwandel. Für Hochlohnländer ist erfolgreiche ClusterEntwicklung bzw. -Förderung wesentlich für ökonomische Entwicklung. Theoretische und empirische Analyse haben bei diesem Projekt zusammengefunden; zugleich ist festzustellen, dass erheblicher weiterer Forschungsbedarf besteht. Im Kontext beschleunigten EU-Strukturwandels, regionaler Innovationsaktivitäten und zunehmender Bedeutung von Clustern in der Wissensgesellschaft werden exemplarisch die Entwicklungen und Perspektiven in den Sektoren Automobilwirtschaft und Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) thematisiert; Basis ist ein Vergleich von sieben Regionen in sechs EU-Ländern. Konsequenzen für Wirtschaft und Wirtschaftspolitik werden formuliert. Das Hochlohnland Deutschland ist im Zuge der EU-Osterweiterung und der anhaltenden Globalisierung unter verschärften strukturellen Anpassungsdruck geraten. Bestehende industrielle Schwerpunkte können einerseits ihre Stärken in Verbindung mit hinreichender Innovationsdynamik aufrecht erhalten bzw. ausbauen, andererseits ist wegen des Vordringens der Querschnittstechnologie wie
ii • Vorwort
IKT mit einer zunehmenden raumwirtschaftlichen Aufspaltung der Wertschöpfung zu rechnen. Dabei bietet es sich an, zunächst den in der Innovationsdynamik führenden IKT-Sektor selbst zu untersuchen (New Economy), um dann bzw. parallel dazu die Automobilwirtschaft als eine der führenden Industriesektoren in Deutschland etc. zu analysieren. Durch einen Vergleich verschiedener Regionen in ausgewählten EU-Ländern können sektorale Anpassungs- und Innovationstendenzen vergleichend ermittelt werden, so dass auch eine Basis für ein Benchmarking verschiedener EU-Regionen entsteht. Ausgewertet werden Patentdatenbanken. Ermittelt werden soll zunächst eine Bestandsaufnahme der sektoralen Wirtschaftsentwicklung in den ausgewählten Regionen. Dabei wird das Ausmaß der regionalen Innovationsvernetzung und der regionalen Erfindermobilität — Mobilität zwischen Firmen - auf Basis von EU-Patentdatenbanken für die Jahre 19921999 und 2000-2007 erfasst. Herauszuarbeiten ist, wie stark sich Netzwerke entwickelt bzw. verändert haben bzw. inwiefern verstärkte regionale Vernetzung die internationale Wettbewerbsfähigkeit verbessert. Die ausgewählten IKT-Regionen sind das Bergische Städtedreieck, die Region Dortmund, Vienna Region, Karlskrona, London, Eindhoven und Györ/Budapest. Bei der Automobilwirtschaft sind es die Regionen Bergisches Städtedreieck, München, Vienna Region, West Midlands, Göteborg, Eindhoven, Györ/Budapest. Zu ermitteln galt es im Rahmen einer Fragebogenaktion auch, welche regionalen bzw. firmenspezifischen Faktoren eine hohe Wachstumsdynamik von IKT-Unternehmen in Deutschland auslösen. Festzustellen ist in beiden Sektoren ein intensiver Strukturwandel. Dabei fallt auf, dass regional erfolgreiche Clusteransätze die Universitäten/Hochschulen in der Region aktiv einbeziehen. Es gibt im IKT-Sektor Regionen, wo das Zusammenspiel von Wirtschaft, Politik und Wissenschaft in gut einer Dekade zu stark zunehmender Vernetzung und entsprechenden wirtschaftlichen Erfolgen geführt hat. In der Automobilwirtschaft ist der Vernetzungsgedanke lange etabliert. Eine Analyse von Mobilitäts-, Kooperations- und Beziehungsnetzwerken und ausgewählter netzwerkanalytischer Maßzahlen ausgewählter Vergleichsregionen liefert unterschiedliche Netzwerkstrukturen. Gründe des Wegfalls eines Akteurs konnten identifiziert und Patentzitierungsintensitäten berechnet werden. Eine Umfrage bei über 200 IKT-Unternehmen in Deutschland hat ergeben, dass die Wachstumsdynamik u.a. von Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten, konkreten Kooperationen mit Unternehmen, Venture Capital und der Exportquote abhängt. Mittelständische Unternehmen in einem Clusterverbund können auf Basis der Befragung der Befragungsergebnisse keine direkt messbaren Wachstumsvorteile generieren.
Vorwort • üi
Das Europäische Institut für Internationale Wirtschaftsbeziehungen (EIIW) hat in dem abgeschlossenen Forschungsprojekt mit dem Institut für Weltwirtschaft, Budapest, zusammengearbeitet, da dessen Expertise gerade im Bereich der osteuropäischen Cluster-Forschung als komplementär zu den Forschungsspezialisierungen am EIIW gelten kann. Die beteiligten Forschungsinstitute bzw. die entsprechenden Forscherinnen und Forscher sind der Hans Böckler Stiftung sowie den Sparkassen Wuppertal, Remscheid und Solingen und Ver.di und der IG Metall für die Forschungsförderung dankbar. Ein großer Dank gilt auch dem Wissenschaftlichen Beirat, dessen Vertreter mit ihrer konstruktiven Kritik die Analyse vorangebracht haben; zugleich sind wir dankbar dafür, dass die Strukturentwicklung an der Bergischen Universität Wuppertal im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften mit dem Start der Schumpeter School of Business and Economics positive Impulse für eine verstärkt innovationsorientierte Analyse gegeben hat. Die Analyse der regionalen Innovationsdynamik ist für Deutschland bzw. die EU von großer Bedeutung, wobei sich aus den vorgelegten Ergebnissen auch handfeste Schlussfolgerungen für die regionale, nationale und EU-Wirtschaftspolitik ergeben. In Deutschland ist die Politik aufgefordert, den innovationsstarken IKT-Sektor in ausgewählten Regionen stärker zu fördern bzw. die Art der IKT-Förderung in einzelnen Regionen zu überprüfen. Nicht alle IKT-Cluster sind ein Erfolg und nicht einmal das jeweilige Cluster-Management bzw. ClusterMonitoring (auf Basis von Steuermitteln) wird regelmäßig ausgeschrieben — man wird sich ansehen müssen, in welchen Bundesländern hier Defizite bestehen. Die hier angewendeten Forschungsmethoden sind teilweise neuartig, denn die Nutzung von Methoden der Sozialen Netzwerkanalyse in der regionalen, vergleichenden Patentforschung bzw. bei EU-Patentdaten ist innovativ; in diesem Kontext ist im Forschungsteam vor allem Oliver Emons, Zafir Mahmutovic und Jens Perret zu danken, die Datenbankauswertungen für beide Sektoren vorgenommen bzw. vorbereitet haben; in besonderer Weise hat sich Christian Schröder bei der Projektorganisation auf Seiten des EIIW bewährt. Besonderer Dank für Unterstützung bei der Vorbereitung der Drucklegung gebührt Herrn Dr. Martin Keim, Frau Dana Tiemann, Herrn Marcel Tollmann und Frau Christina Wiens, EIIW. Bei der Hans Böckler Stiftung sind wir Herrn Dr. Marc Schietinger als Projekdeiter für zahlreiche Hinweise und effiziente Unterstützung verbunden. Schließlich sei erwähnt, dass das EIIW im Rahmen des Projektes eine OnlineUmfrage — mit klarer Absenderkennung Prof. Welfens/Universität Wuppertal durchgeführt hat, die zu einer Klage eines angemailten Unternehmens gefuhrt hat, das unsere Bitte um Mitwirkung in einer wissenschaftlichen Online-Umfrage als Werbemail einordnete; das EIIW verteidigt die Freiheit von Wissenschaft und Forschung nun vor Gericht (mit einem positiven Urteil in der ersten Instanz). Wuppertal im März 2011
Prof. Dr. Paul JJ Weifens
Inhaltsverzeichnis IKT-Expansion, Strukturwandel und Clusterdynamik in der EU PauIJ.J. Weifens 1.
2.
Einführung 1.1 Dynamik des Strukturwandels 1.2 Lissabon-Agenda 1.3 Relativpreisdynamik und IKT-Kapitalakkumulation 1.4 Regionale IKT-Schwerpunkte 1.5 Innovationstheorie und Qualifizierungsdruck 1.6 IKT als Qualifizierungschance und Basis moderner Wissensgesellschaften 1.7 Outsourcing-Dynamik und Insourcing unter Berücksichtigung von IKT
1 17 20 22 23 24
Clusterperspektiven in der EU 2.1 IKT-Fallstudie Vienna Region und Dortmund 2.2 Kooperations-, Mobilitäts- und Beziehungsnetzwerke für ausgewählte IKT-Regionen: Bergisches Städtedreieck, Eindhoven, Karlskrona, London und Budapest/Györ 2.3 Netzwerkanalytische Maßzahlen für IKT-Regionen
32 36
3. Clusterpolitik für Regionen: Wirtschaftspolitische Schlussfolgerungen
27 29
49 85 97
Anhang 1: Ubersicht über die Vienna-Region
106
Anhang 2: NACE - Klassifizierung
109
Anhang 3: Ausgewählte Kennzahlen zu IKT
115
Anhang 4: IKT Sektor-Definition nach OECD
126
Anhang 5: Ausgewählte IKT-Regionaldaten Deutschland
127
Anhang 6: Audi-Beziehungs-Netzwerk am Stammsitz Ingolstadt und in Györ 128 Literatur
129
vi • Inhaltsverzeichnis
Der ungarische IKT-Sektor - eine vergleichende mittel-und osteurpäische Perspektive mit besonderem Augenmerk auf strukturellem Wandel Balázs Lengyel 1. 2.
Einleitung Aktueller Stand und neueste Entwicklung der IKT-Industrie in mittel- und osteuropäischen Ländern 2.1 IKT- Sektoren in Mittel- und Osteuropa von 1995 bis 2004 2.2 Entwicklung der IKT- Produktion in mittel- und osteuropäischen Ländern, 2000-2008 2.3 Regionen 2.4 Der ungarische IKT-Markt und Markt-Indikatoren in den EULändern 2.5 Schlussfolgerungen
137 138 139 141 143 146 150
3.
Beitrag der IKT-Branche zur strukturellen Verbesserung in Mittelund Osteuropa 150 3.1 Wertschöpfung und Arbeitskosten pro Kopf in der IKT-Industrie in Mittel- und Osteuropa, 2000-2008 151 3.2 IKT Innovation in Mittel- und Osteuropa: F & E und Patentierung 153 3.3 IKT-bezogene sozio-kulturelle Umwelt, E-Business-Bereitschaft und das Zusammenwirken von IKT-Unternehmen in mittel- und osteuropäischen Ländern 158 3.4 Schlussfolgerungen 163
4.
Politische Maßnahmen zur Förderung von Erweiterung und Modernisierung von Qualität in der ungarischen IKT-Industrie ....163 4.1 Innovationspolitik und Anziehung von ausländischen Direktinvestitionen in der Tschechischen Republik und Ungarn... 163 4.2 Der IKT-Aktionsplan in Ungarn 166
5.
Schlussfolgerungen
168
Literatur
169
Anhang: Programs in the Hungarian ICT Action Plan
171
Inhaltsverzeichnis • vii
Ökonomische Cluster in Ost- und Mitteleuropa: Konzepte und empirische Evidenz Miklös Szanyi 1.
Einleitung
175
2.
Cluster-Mapping
182
3.
IKT- und Automobilcluster in Zentraleuropa
192
4.
Cluster-Mapping für Ungarn
196
5.
Schlussfolgerungen
202
Literatur
203
Regionale Clustertendenzen in der ungarischen Automobil- und IKTIndustrie zwischen 2000 und 2005 Baläzs Lengyel 1.
Einfuhrung und Überblick
207
2.
Daten und Methoden
210
3.
Trends der ungarischen Automotive- und IKT- Industrien zu Beginn des 21. Jahrhundert 3.1 Automobilindustrie 3.2 IKT-Industrie
212 212 214
4.
Regionale Cluster in der Automobilindustrie
216
5.
Regionale Cluster in der IKT- Industrie
224
6.
Schlussfolgerung
233
Literatur
234
Regionale und unternehmensspezifische Faktoren einer hohen Wachstumsdynamik von IKT Unternehmen in Deutschland Christian Schröder 1.
Einleitung
237
2.
Informations- und Kommunikationssektor in Deutschland
241
3.
Theorie Aspekte
245
viii • Inhaltsverzeichnis
3.1 3.2
Wirtschaftswachstum durch innovative Unternehmen Ausgewählte mögliche Einflussfaktoren auf das Unternehmenswachstum von (IKT) Unternehmen 3.2.1 Wissensspillover durch räumliche Nähe bzw. Cluster 3.2.2 Finanzierungsproblematik junger innovativer High-Tech Unternehmen 3.2.3 Relevanz der Unternehmensgröße
4. 5.
245 247 247 251 254
Empirische Analyse ausgewählter (möglicher) Wachstumsdeterminanten von IKT Unternehmen in Deutschland
257
Schlussfolgerungen
265
Literatur
267
Anhang 1: Deskriptive Statistik
274
Anhang 2: Schätzungen
298
Patentdatenbank - Implementierung und Nutzung Zafir Mahmutovic 1.
Einführung
309
2.
Informationen zu PATSTAT
311
3.
Informationen zum DBMS
313
4.
Implementierung
315
5.
Nutzung
316
6.
Soziale Netzwerkanalyse
317
7.
Patentzitierungsmethode
318
8.
Fazit
320
Literatur
320
Innovations- und Spezialisierungsdynamik im Automotivesektor: Vergleichsanalyse von europäischen Kooperations- und Innovatorennetzwerken Oliver Emons 1.
Einleitung
323
Inhaltsverzeichnis • ix
2.
Innovationssysteme und Netzwerke 2.1 Regionale Innovationssysteme 2.2 Netzwerke und Cluster
325 326 329
3.
Die Soziale Netzwerkanalyse 3.1 Grundlagen der Sozialen Netzwerkanalyse 3.2.1 Methodenerläuterungen 3.2.2 Netzwerkanalytische Maßzahlen
332 333 334 337
4.
Datenanalyse 4.1 Befunde für Regionen in Deutschland 4.1.1 Wirtschaftsstandort Deutschland 4.1.2 Innovationsstandort Deutschland 4.1.3 Automobilindustrie in Nordrhein-Westfalen (NRW) 4.1.4 Automotive im Bergischen Städtedreieck 4.1.5 Region München 4.2 Befunde für schwedische Regionen 4.2.1 Allgemeine Wirtschaftssituation 4.2.2 Die Schwedische Automobilindustrie 4.2.3 Auswahl Automotive - Regionen 4.3 Befunde für Regionen in UK 4.3.1 Allgemeine Wirtschafts situation Großbritannien 4.3.2 Automotive in Großbritannien 4.3.3 West Midlands 4.4 Befunde für Regionen in Österreich 4.4.1 Allgemeine Wirtschaftssituation Österreichs 4.4.2 Clusterinitiativen in Österreich 4.4.3 Automotive in Österreich 4.4.4 Automotive Cluster Vienna Region 4.5 Befunde für Regionen in den Niederlanden 4.5.1 Allgemeine Wirtschaftssituation Niederlande 4.5.2 Automotive in den Niederlanden 4.5.3 Eindhoven 4.6 Befunde für Regionen in Ungarn 4.6.1 Allgemeine Wirtschaftssituation Ungarn 4.6.2 Die Ungarische Automobilindustrie 4.6.3 Region Budapest/Györ
339 342 342 345 349 351 352 356 356 359 360 362 362 366 367 369 369 373 376 376 378 378 381 382 384 384 387 387
5.
Ergebnisse 5.1 Ergebnisse 5.2 Ergebnisse 5.3 Ergebnisse 5.4 Ergebnisse 5.5 Ergebnisse
389 390 396 401 404 411
für das Bergische Städtedreieck für die Region München für Ungarn für die Region West Midlands für Wien
x • Inhaltsverzeichnis
5.6 5.7 6.
7.
Ergebnisse für die Region Arvika/Göteborg Ergebnisse für die Region Eindhoven
Patentzitierungen 6.1 Methodisches Vorgehen 6.2 Patentzitierungsintensitäten für die Vergleichsregionen Schlussfolgerungen
417 423 428 430 431 434
Anhang 1: Exkurs: Der Lebenszyklus von Clustern
444
Anhang 2: Strukturelle Eigenschaften von Netzwerken und Onlineressoucen
448
Anhang 3: Datenaufbereitung
449
Anhang 4: Mobilitäts- und Kooperationsnetzwerke (Automotive)
452
Anhang 5: Betweenness Zentralität (Automotive)
466
Literatur
468
Die ungarische Automobilindustrie - eine vergleichende MOEPerspektive mit besonderem Schwerpunkt auf dem strukturellen Wandel Andrea Szalavetz 1.
Einleitung und Überblick
480
2.
Derzeitiger Status der Automobilindustrie in MOE-Ländern
483
3.
4. 5.
Beitrag den die Automobilindustrie zur strukturellen Verbesserung in MOE-Ländern leistet 491 3.1 Quantitative Aspekte 491 3.2 Qualitative Aspekte 493 3.3 Value added over Output 494 3.4 Veränderungen im Produkt-Mix und der technologischen Ebene der Produktion 496 3.5 Inländischer Wertschöpfungsanteil 498 3.6 Arbeitsproduktivität 500 3.7 Wissensintensität der lokalen Produktion 501 3.8 Örtliche Zuständigkeit 503 3.9 Die lokale Forschungsintensität der lokalen Produktion 504 Politische Maßnahmen zur Erweiterung und Qualitätsver besserung in der MOE-AutomobiJindustrie
507
Perspektiven nach der Krise
510
Inhaltsverzeichnis • xi
6.
Schlussfolgerungen
514
Literatur
515
Spezialisierung und Strukturwandel in der Automobilindustrie in ausgewählten europäischen Regionen Jens K. Perret 1.
Einleitung
519
2.
Maßzahlen der Spezialisierung und des Strukturwandels 2.1 Der Revealed Comparative Advantage (RCA) - Indikator 2.2 Alternative Indikatoren 2.3 Moran's 1 2.4 Datengrundlage
520 520 522 523 524
3.
Deskriptive Analyse 524 3.1 Das Bergische Städtedreieck 524 3.2 Europäische Vergleichsregionen 526 3.2.1 Nationale Perspektive 526 3.2.3 Regionale Perspektive (Revealed Comparative Advantages).. 531 3.2.4 Regionale Perspektive (Moran's I) 536
4.
Wirtschafts- und Strukturpolitische Handlungsoptionen
539
5.
Fazit
541
Literatur
541
IKT-Expansion, Strukturwandel und Clusterdynamik in der EU PaulJ.J. Weifens
1. Einführung Die Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) ist zu Beginn des 21. Jahrhunderts als wichtige Querschnittsinnovation einzuordnen, die praktisch alle Branchen als Anwenderbranchen betrifft und dort zu Kostensenkungen und Innovationen beiträgt. Ein Teil des IKT-Sektors, insbesondere der IKT-produzierende Sektor, gilt als Hochtechnologiesektor bzw. patentaktiver Wirtschaftsbereich. Hier wirksame Skalenvorteile tragen zusammen mit einer hohen Rate des technischen Fortschritts bei — mit der Folge, dass die relativen Preise von IKT-Gütern langfristig sinken; dies ist eine Entwicklung, die auch durch internationales Outsourcing und Offshoring der IKT-Wertschöpfungsketten gestärkt wird. Während es bei IKT-Diensten oft eher geringe Markteintrittsbarrieren bzw. eine hohe Wettbewerbsintensität gibt, dürfte im IKT-produzierenden Sektor in einigen Teilbereichen wegen hoher Markteintrittsbarrieren hoher versunkener Kosten (Forschungs- & Entwicklungsausgaben sowie Marketingausgaben zählen hier) — eine Tendenz zu hohen Markteintrittsbarrieren bestehen. Dennoch ist auf internationaler Ebene die Innovationsdynamik hier hoch, zumal es offenbar relativ kurze Produktlebenszyklen gibt bzw. eine Reihe von innovationsstarken Firmen, die mit ihren Produktinnovationen als starke Akteure im IKT-Handel auftreten. Hingegen ist der Bereich der IKT-Dienstleistungen relativ heterogen und auch weniger von starker Patentaktivität, sondern von einer erheblichen Rolle von Copyrights und Markennamen geprägt (im Softwarebereich gibt es in den USA Patente, in der EU sind entsprechende „Erfinder" durch geistige Eigentumsrechte wie etwa Copyrights geschützt). Aus der jüngeren Wirtschaftsgeschichte gilt die Herausbildung des Silicon Valley in Kalifornien (HELLMANN/PURI, 1999) als erfolgreiche Cluster-Entwicklung im IKT-Sektor, wobei die Anfänge jedoch relativ spontan aus einer ITorientierten, regionalen Universitätslandschaft, einer ergiebigen Risikokapitalszene und einer international bunt gemischten Gründerszene entstanden — mit einer Vielzahl von IT-kundigen Einwanderern bzw. Uni-Absolventen mit Wurzeln in China und Indien. Die Entwicklung von IKT-Clustern hat sich in den USA, u.a. in Massachusetts und in Texas, im Zuge endogener, regionaler Spezialisierungsprozesse ergeben; solche Cluster wurden aber auch in einigen EU-Regionen - etwa in Frankreich in
2 • Paul J.J. Weifens
der Nähe von Nizza (Sophia-Antipolis) im Bereich Software, in Schottland und auch in Irland im Bereich der IKT-Produktion relativ erfolgreich mit staatlichen Impulsen angeschoben. In der Wissensgesellschaft kommt dem Produktionsfaktor Wissen (inklusive Patente) eine zunehmende Bedeutung zu, wobei Erzeugung, Speicherung und Verarbeitung von Wissen als eigenständiger wichtiger Wertschöpfungsbereich betrachtet werden kann. Deutschland und andere EULänder, die als Hochlohnland angesehen werden können, sind im Interesse der Wettbewerbsfähigkeit bzw. von Wachstum und Beschäftigung auf eine leistungsfähige Wissensgesellschaft angewiesen, in der Innovationen kontinuierlich hervorgebracht werden — auch in Netzwerken, wobei hier die zunehmende Rolle der Informations- und Kommunikationstechnologie zu beachten ist. Ein erfolgreiches Beispiel für regionale Spezialisierung bzw. die Herausbildung eines IKTClusters ist Finnland, bzw. die Region um Helsinki und einige weitere Städte (STEINBOCK, 2004): Dabei hat sich Finnland in den 90er Jahren seitens der Wirtschaftspolitik gezielt zu einer Clusterförderpolitik und sich dabei insbesondere auch für die Förderung des IKT-Sektors entschieden, dessen Dynamik selbst die Globalisierung der Wirtschaft vorantreibt - IKT-Produktion vollzieht sich teilweise mit großen Skalenvorteilen und ist selbst durch internationales Offshoring und Outsourcing geprägt; die Internetwirtschaft mit ihren digitalen Dienstleistungen ist ohnehin in vielen Bereichen ein wirklich globaler Sektor. Naturgemäß spielte Nokia in Finnland eine wichtige Rolle als zentraler Netzwerkakteur, allerdings gelang es auch in hohem Maße, IKT-Firmen aus Schweden und den USA anzuziehen. Die starke Position von Nokia, das sowohl für IKT-Produktion als auch für IKT-Dienstleistungen steht, wurde also durch ein gezieltes Werben um innovative, komplementäre Unternehmen aus wenigen Ländern verstärkt, die zu Beginn des 21. Jahrhunderts rund 15% der IKTFirmen und 20% der Beschäftigten im IKT-Cluster darstellten (in Finnland geht man regierungsseitig von einer Bedeutungszunahme städtischer Zentren aus, die im Kontext der Globalisierung geforderte erhöhte Internationalisierung tragen können). Betrachtet man EU-Länder, die wenig auf die IKT-Produktion ausgerichtet bzw. insgesamt stark auf den Dienstleistungssektor und damit auch die IKT-Nutzung setzen, so kann man am Beispiel Spanien feststellen, dass steigende IKT-Nutzung in zahlreichen Sektoren in den 90er Jahren zu keiner Erhöhung der gemessenen Rate des technischen Fortschritts geführt hat - aber in 2000-04 hat sich hier dann eine positive Entwicklungstendenz gezeigt (MAS/QUESADA, 2009). Es ergibt sich also, dass es keine Automatik bei der Verbindung von IKT-Einsatz und Produktivitätssteigerung gibt. Viele europäische Länder, darunter etwa auch Deutschland, Schweiz, Finnland und Tschechien, haben zu Beginn des 21. Jahrhunderts gezielt auf eine Clusterpolitik gesetzt, wobei in Deutschland neben Programmen der Landesregierungen auch von der Bundesebene getragene Clusterförderungen im Rahmen der Hightech-Strategie zu nennen sind; hierzu gehört auch die IKT-Förderung, die im
IKT-Expansion, Strukturwandel und Clusterdynamik in der EU • 3
Rahmen der ersten nationalen IT-Gipfeln der Bundesregierung entwickelt wurde (BMWi, 2009). Der IKT-Sektor besteht im Wesentlichen aus drei Teilsegmenten (EITO, 2002, 454): •
Informationstechnologie, inklusive IT-Dienste,
•
Telekommunikationsausrüstungsgüter (also Investitionsgüter bzw. Elemente des Infrastrukturnetzwerkes),
•
Telekommunikationsdienste.
Im Bereich der Telekommunikationswirtschaft hat die EU seit 1998 eine umfassende Liberalisierung von Netzbetrieb und Sprachtelefonie vorangebracht, wobei für osteuropäische EU-Beitrittsländer ein gewisser Übergangsraum — vor allem bei der Liberalisierung von internationalen Telefongesprächen - gegeben wurde. In vielen EU-Ländern sind zu Beginn des 21. Jahrhunderts nationale Programme für erhöhte Investitionen in breitbandige terrestrische Kommunikationsnetze aufgelegt worden (z.T. auch im Kontext nationaler Konjunkturprogramme 2007/08), wobei hierdurch die Expansion innovativer digitaler Dienste unterstützt werden soll, die einerseits auf den Endverbraucher, andererseits auf die Wirtschaft bzw. digitale Vorprodukte gerichtet sind. Der IKT-Sektor kann im Übrigen auch in den IKT-produzierenden Sektor einerseits und IKT-nutzende Sektoren andererseits untergliedert werden. IKT hat auf der Angebots- wie auf der Nachfrageseite Besonderheiten gegenüber anderen Sektoren aufzuweisen: •
Der IKT-produzierende Sektor besteht im Kern faktisch aus technologieintensiven Gütern, für die in der Regel auch Massenproduktionsvorteile gelten, so dass - bei Wettbewerb - die relativen Preise von IKTKapitalgütern sinken; deren Anteil am IKT-Kapitalstock wird daher im Zeitablauf in den OECD-Ländern und den Schwellenländern langfristig zunehmen.
•
Auf der Angebotsseite speziell des Telekommunikationssektors spielen im Festnetzbereich regionale Dichtevorteile eine große Rolle, so dass etwa die Kabel-TV-Versorgung in Urbanen Regionen von OECD-Ländern deutlich besser als auf dem Lande ist. In Osteuropa spielt die Mobilkommunikation eine gegenüber dem Festnetzsektor dominante Rolle, allerdings gibt es auch in westeuropäischen Ländern Fälle wie Osterreich oder die Schweiz, wo die Mehrzahl der Telefongespräche aus dem Mobilfunkbereich ausgeht. Da mobiles Internet zunehmend als Nutzeroption möglich ist, werden Länder mit hoher Festnetzdichte
4 • Paul J.J. Weifens
langfristig ihren internationalen Positionsvorteil bei der Internetnutzung verlieren. •
Der IKT-nutzende Sektor ist bei bestimmten Dienstleistungsbereichen — man denke etwa an Software, Internet oder Telekommunikationsdienste - durch endogene Nachfrageverstärkungseffekte in der Form von Netzwerkeffekten geprägt: Mit zunehmender Zahl von Nutzern nimmt der Nutzen für die ersten Nutzer wegen des Ausbaus der Zahl möglicher Kommunikationspartner zu, so dass sich die Nachfragekurve im Zeitablauf (auch bei konstanten Pro-Kopf-Einkommen) nach außen dreht. Da auf der Angebotsseite Kostenentlastungen im Zuge statischer und dynamischer Skaleneffekte zu beachten sind, können sich im Zeitablauf trotz steigender Nachfragevolumina sinkende absolute — und relative - Preise für digitale Dienste ergeben.
Die Europäische Union hat im Rahmen ihrer Forschungsrahmenprogramme den IKT-Bereich gezielt gefördert; ein besonderer Schwerpunkt wurde hier im sechsten Forschungsrahmenprogramm FP6 — teilweise in Fortsetzung des Vorgängerprogramms FP5, allerdings mit dem Zusatzaspekt der Rolle der Medien - gelegt, das insbesondere Information Society Research and Technological Development (IST-RD) betonte. In der für Europa relevanten internationalen Studie von BRESCHI/CASSI/MALERBA/VONORTAS (2009) wurden IST-RTD-Netzwerke und andere Netzwerke auf Basis der Netzwerkanalyse untersucht, wobei als Erfolgsindikatoren die Zahl der Patente, der erhaltenen Zitate pro Patent und der Zahl der besonders häufig zitierten Patente verwendet wurden. Dabei wurden als Kennzahlen auch der Zentralitätsgrad und die Betweenness centrality (Indikator der indirekten Vernetzungsstärke mit nicht direkt vernetzten Partnern) betrachtet, wobei „IST-RTD Naben" sich als stärker innovativ und stärker zentral organisiert als andere IST-RTD Akteure erwiesen; die Vernetzung globaler Nabenakteure bei Einbeziehung in IST-RTD-Ansätze zeigte eine besonders große Innovations- und Diffusionsstärke, wobei globale Nabenakteure, die zugleich als IST-RTD-Nabe aktiv waren, sich als besonders effiziente innovationsdynamische Akteure erwiesen. Schon aus dieser Analyse ergibt sich die Bedeutung der Netzwerkanalyse für die Innovationsdynamik. Die Wirtschaftspolitik hat seit den 90er Jahren zunehmend betont, dass über regionale bzw. nationale Cluster-Ansätze die Wettbewerbsfähigkeit gestärkt werden könne — letztlich geht es hier um eine Anwendung u.a. des Ansatzes von PORTER (1990), der das Innovationspotenzial regionaler sektoraler Vernetzung in Verbindung mit bestimmten Nachfrage- und Angebotsbedingungen als Basis internationaler Wettbewerbsfähigkeit betont hat. Soweit man nach Ansätzen bzw. Motiven zur regionalen Forschungskooperation von Firmen fragt, so sind zahlreiche Argumente vorgetragen worden (z.B. SUNG/CARLSSON, 2007; DACHS ET AL., 2008, HESHMATI ET AL., 2006, SAKAKIBARA, 2001;
IKT-Expansion, Strukturwandel und Clusterdynamik in der EU • 5
BAYONA ET AL. 2001), die der natürlichen Verweigerungsneigung von miteinander konkurrierenden Firmen entgegenstehen (allerdings kann man in einem regionalen Cluster natürlich auch vertikal miteinander funktional im Wertschöpfungsprozess verbundene Firmen in die Betrachtung einbeziehen, wobei sich hier weniger Kooperationshemmungen ergeben dürften als auf horizontaler Ebene). Zu den wichtigen Argumenten in der Fachliteratur, die Innovationskooperation erklären, gehören die folgenden: In Deutschland steht die gezielte Entwicklung von IKT-Clustern, wenn man von den frühen Startimpulsen im Bereich der IHK-Dortmund absieht, erst am Anfang: Dabei sind zu Beginn des 21. Jahrhunderts zu betonen: •
der IKT-Cluster Darmstadt sowie die Region Karlsruhe, wobei die Bundesregierung im Rahmen ihrer High-tech-Strategie seit 2010 die Region Darmstadt im IKT-Bereich fördert - faktisch eine Großregion mit dem Zentrum Darmstadt, allerdings mit wirtschaftlich-technologischen Netzwerkpunkten bis Karlsruhe, Saarbrücken und Kaiserslautern sowie Mainz.
•
In Nordrhein-Westfalen hat die Landesregierung einen IKT-ClusterAnsatz definiert, wobei historische Anknüpfungspunkte schon in der Region Dortmund, aber auch im Großraum Köln-Düsseldorf bestehen — der IKT-Cluster in Nordrhein-Westfalen soll im Rahmen von Ausschreibungen mit regionalen Innovationsansätzen aufgefüllt werden.
•
In Ansätzen sind auch Berlin und München zu beachten, wobei in Berlin eine sehr dichte Universitätslandschaft in der größten Stadt Deutschlands einen natürlichen Startpunkt bildet. München kann als Universitäts- und Hochtechnologieregion punkten und hat mit dem Konzernsitz von Siemens einen Hauptakteur im IKT-produzierenden und IKTnutzenden Sektor präsent; BMW als Schlüsselanwender fortgeschrittener IKT ist ebenfalls von großer Bedeutung.
Im EU-Binnenmarkt hat sich der Wettbewerb der Regionen intensiviert, wobei im Gefolge der Transatlantischen Bankenkrise mit einer zeitweisen Wachstumsabschwächung zu rechnen ist. Umso wichtiger erscheint es daher in vielen Regionen, dass die Expansionspotenziale im Kontext einer verbesserten IKTNutzung verstärkt mobilisiert werden. Häufig hat die Politik zwar die Weichen grundsätzlich zugunsten des innovationsstarken IKT-Sektors auf nationaler bzw. regionaler Ebene gestellt. Es fehlt aber vielfach an einer optimalen Wirtschaftspolitik, die durch gezielte Auswertung industrie- bzw. innovationsrelevanter Indikatoren nachvollziehbare Ansatzpunkte für effiziente und effektive Modernisierung zu identifizieren erlaubt. Gerade die Auswertung von Patentdatenbanken bietet sich hier an.
6 • Paul J.J. Weifens
Der IKT-Sektor steht mit einem Marktvolumen von etwa 600 Milliarden Euro für 5% der EU-Wertschöpfung, ist aber in Folge seiner Bedeutung als Querschnittstechnologie doch letztlich für die Gesamtwirtschaft bzw. aller Sektoren von großer Bedeutung (EU Kommission, 2010, S.4): Der Beitrag des IKTSektors zum gesamtwirtschaftlichen Produktivitätsanstieg übersteigt den sektoralen Wertschöpfungsanteil sehr deutlich, wobei 20% aus dem IKT-Sektor direkt kommen und 30% aus IKT-Investitionen. Die Entwicklung schnellerer, breitbandiger Kommunikationsnetzwerke ist für die EU bzw. Weltwirtschaft von großer Bedeutung; die Europäische Kommission hat mit einer Reihe von Stichworten mögliche Ansatzpunkte der Politik vorgegeben. Diese Stichworte lauten: Interoperabilität und Normen, Vertrauen und Sicherheit, Forschung und Innovation, Verbesserung der digitalen Kompetenzen, Qualifikationen und Integration, IKT-gestützte Vorteile für die Gesellschaft in der EU und Internationale Aspekte der Digitalen Agenda. Was die EU-Entwicklung von IKT-Teilsektoren angeht, so ist darauf hinzuweisen, dass - bei einem IKTWachstum oberhalb des Wachstums der Industrie insgesamt — der Bereich Produktion von Computern und Büromaschinen (NACE 30) seit 1999 rückläufig ist, während der Teilsektor IKT-Dienste (NACE 72) ein hohes Wachstum gezeigt hat (WINTJES/DUNNEWIJK, 2008, S. 6). Die Studie von WINTJES/ DUNNEWIJK weist allerdings in einem EU-Ländervergleich auch darauf hin, dass Deutschland ein relativ geringes „sozio-kulturelles Kapital" aufweist, was als nachteilig für die Mobilisierung des vollen IKT-Innovationspotenzials gilt. Deutschland wird auf Basis eines EU-25 Vergleichs in eine Gruppe mit Österreich, Zypern, Griechenland, Spanien, Italien, Malta und Polen eingeordnet. Hingegen werden als Führungsländer, die in allen vier betrachteten Kapitaldimensionen - kulturelles Kapital (z. B. Einstellung gegenüber Innovationen), Humankapital, Sozialkapital (u. a. Identität sozialer Netzwerke) und Organisationskapital - hohe Werte aufweisen, die folgenden Länder genannt: Belgien, Dänemark, Estland, Finnland, Irland, Luxemburg, Niederlande, Schweden, Slowenien und Großbritannien (WINTJES/DUNNEWIJK, 2008, S 70). Zahlreiche EU-Länder haben begonnen, national oder regional IKT-Cluster zu fördern, zumal IKT im Kontext der Lissabon-Agenda 2010 der Europäischen Kommission bzw. der anhaltenden Entwicklung vieler OECD-Länder zu einer Wissensgesellschaft - mit starker Rolle von Wissen und Innovation für die Wirtschaftsdynamik - eine längerfristige Tendenz bezeichnet. Dabei stellt sich für die EU die Aufgabe, den Rückstand im IKT-Sektor gegenüber den USA zu schließen, wobei mit dem i2010-Programm der EU immerhin ein Ansatzpunkt auf supranationaler Ebene besteht; bei der IKT-Förderpolitik Deutschlands fehlt bislang eine adäquate Einordnung der IKT-Schwerpunkte in der Innovationspolitik (POLS, 2007). Die Mobilisierung einer kritischen Mindestmasse von Unternehmen, die für eine erfolgreiche Eroberung von erheblichen Weltmarktanteilen unerlässlich ist, hängt
IKT-Expansion, Strukturwandel und Clusterdynamik in der EU • 7
u.a. von der Größe des betreffenden Landes ab — denn die Bereitstellung einer staatlichen Anschubfinanzierung, etwa für die Förderung von Technologieparks und IT-bezogener Beschaffungsprogramme hinreichender Größe, setzt beträchtliche Finanzmittel voraus. Für kleine offene Volkswirtschaften mit geringem Pro-Kopf-Einkommen in Europa, Asien und anderen Weltregionen bietet es sich nicht ohne weiteres an, einen Cluster im Bereich der IKT-Produktion anzustreben. Als eine gewisse Ausnahme kann man Taiwan ansehen, wobei es für Taiwans starke Position in der Chip- und Computerindustrie gute Gründe gibt, nämlich ein ausgeklügelter politischer Innovations- und Vernetzungsförderansatz, über den die Mobilisierung einer kritischen Mindestmasse an technologischer und marktbezogener vernetzter „Firmenintelligenz" erreicht werden konnte. IKT ist teilweise als relativ technologieintensiv bzw. als innovationsstark anzusehen, so dass eine regionale IKT-Expansion die Verfügbarkeit entsprechender Fachkräfte verlangt; wegen der Technologiedynamik von IKT sind auch Ansatzpunkte für positive regionale, nationale oder internationale Spillovereffekte (Übertragungseffekte) gegeben; soweit sie als relevante positive externe Effekte anzusehen sind, ist über eine entsprechende staatliche Förderpolitik nachzudenken. Hierbei wäre im Vorfeld sinnvollerweise das Ausmaß der positiven externen Effekte durch wissenschaftliche Studien abzuschätzen. Auch bei der Mobilisierung von Netzwerkeffekten, also einer endogenen Nachfrageerhöhung (Nachfragekurve dreht sich im Zeitablauf endogen nach außen), ist der Staat gegebenenfalls gefordert, nämlich soweit die Wirtschaftsakteure die Netzwerkeffekte nicht ohne weiteres in eigener Regie realisieren können. Dass der Staat über sinnvoll definierte Rahmenbedingungen mehr Vernetzungsdynamik und zugleich nachhaltigen Wettbewerb durch einen hohen Grad an Markttransparenz fördern kann, ist offensichtlich. Clusterpolitik setzt auf Anreize für Netzwerkbildung sowie vertikale spezialisierte Lieferketten, und zwar unter Einschluss einer kritischen Masse von Unternehmen bzw. der Mitwirkung von Großunternehmen. Clusterbildung aus analytischer Sicht weist vier wichtige Dimensionen auf: •
Umfang der im Netzwerk aktiven Firmen; hier kommt es auf wechselseitig vorteilhafte Vernetzungen an, die die Produktivität der Netzwerkakteure zu erhöhen helfen: Intensitätsmäßig kann die Zentralität des Netzwerks und damit die Rolle des zentralen „Nabenakteurs" gemessen werden, aber auch die indirekte Netzwerkintensität, die sich darauf bezieht, wie viele Partner indirekt mit dem zentralen Nabenakteur verbunden sind. Häufig ist auch eine Zusammenarbeit innovativer inländischer Unternehmen und von innovations starken Tochterunternehmen ausländischer multinationaler Firmen Basis für Wissensspillovers.
8 • Paul J.J. Weifens
•
Spezialisierungsgrad bzw. Innovationsdynamik der teilnehmenden Akteure; hier können im Netzwerk Spezialisierungsvorteile mobilisiert werden und über Produktinnovationen die Preisstellung am Markt verbessert werden, was Anreize für eine verstärkt wissensbasierte Produktion mit steigender Zahl gut qualifizierter Arbeitnehmer auf mittlere Sicht gibt;
•
Zugangsoffenheit beim Netzwerk für neu gegründete Firmen bzw. für ausländische Investoren; zwar mag es eine Art natürlichen Sättigungsgrad bei der Clusterbildung geben, aber für die langfristige Innovationsdynamik und optimale Spezialisierungsgewinne dürften gerade auch Zugangsmöglichkeiten für dynamische junge Unternehmen wichtig sein;
•
Internationalisierungsgrad: abhängig von der Art der Branche und ggf. von der Phase des Produkdebenszyklus wird eine erhebliche Internationalisierung auf der Vorleistungsseite wie auf der Vertriebsseite erkennbar sein; jenseits der Marktseite spielt die Internationalisierungsperspektive natürlich auch eine Rolle, wenn es um Standortfragen bzw. die denkbare Verlagerung von Wertschöpfungsbereichen geht. Zumindest im Fall starker spezifischer regionaler Wissensvernetzung und einer Mindestbedeutung nicht-kodifizierbaren Wissens steht ein international wettbewerbsfähiges Cluster für einen relativ immobilen Spezialisierungsverbund: Solange nicht zentrale Netzwerkakteure sich für internationale Standortverlagerung in einem kritischem Umfang — mit Blick auf die Wertschöpfungskette - entscheiden, besteht eine clusterbedingte internationale Wissensasymmetrie, die letztlich eine relative Besserstellung beim Pro-Kopf-Einkommen in führenden Industrieländern mit erfolgreichen Clustern erklären kann. Das Wissen ist eben nicht, wie im Heckscher-Ohlin-Modell angenommen, international unendlich mobil (so dass im Zwei-Länder-Modell das Technologieniveau der betrachteten Länder gleich hoch ist). Soweit aus theoretischer Sicht firmenspezifische Vorteile Grundlage erfolgreicher Direktinvestitionen sind, besteht eben auch eine Asymmetrie beim Bruttoinlandsprodukt bzw. beim Bruttoinlandsprodukt pro Kopf zugunsten von dominanten Quellenländern von Direktinvestitionen. Im Kontext des Cluster-Ansatzes ist auch die Zugehörigkeit zu einem erfolgreichen dynamischen Cluster ein firmenspezifischer Wettbewerbsvorteil, wobei allerdings die Komplexizität des heimischen Clusters die Option für Direktinvestitionen bzw. letztlich das Bilden eines ähnlichen Clusters im Ausland erschwert.
Da Industriecharakteristika und die lokale bzw. regionale Infrastrukturausstattung für die Herausbildung optimaler Cluster erforderlich sind, kann der Bundesstaat (oder ggf. die EU) durchaus über einen Förderwettbewerb der Regionen die für bestimmte Clusterbereiche besten Regionen herausfiltern; auch
IKT-Expansion, Strukturwandel und Clusterdynamik in der EU • 9
bundesstaatliche Investitionsprojekte in bestimmten Regionen können hier relevant sein. Soweit sich bereits bestimmte erfolgreiche Clusteransätze entwickelt haben, ist auch eine Ergänzungsfinanzierung zu erwägen, um Stärken zu verfestigen. Nicht zu übersehen ist allerdings längerfristig, dass es auch Clusterlebenszyklen gibt, wobei der Staat kaum Gründe ökonomischer Art haben kann, ein auf der Zeitachse quasi auslaufendes Cluster zu stützen. IKT erleichtert die Vernetzung von Wirtschaftsakteuren und schafft neue digitale Märkte, zugleich ist IKT wegen der starken Innovationsdynamik des IKTSektors selbst in der EU als wesentlicher Treiber des technischen Fortschritts zu sehen. Die Europäische Kommission hat mit einer Reihe von Förderprogrammen den IKT-Sektor unterstützt, wobei eEurope und eEurope+ (für die osteuropäischen Beitrittsländer) und i2010 zu nennen sind. Diese Förderprogramme können inhaltlich als wirtschaftspolitischer Verbindungspunkt zur LissabonStrategie eingeordnet werden, die auf eine Erhöhung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der EU bzw. der EU-Mitgliedsländer abzielt, und zwar insbesondere durch Modernisierungsmaßnahmen im Kontext einer digital vernetzten Wissensgesellschaft. Zudem haben auch die EU-Mitgliedsländer den IKT-Sektor mit nationalen und regionalen Programmen gefördert. Im internationalen Vergleich gibt es erhebliche Unterschiede in wichtigen IKTKennziffern und solche Unterschiede finden sich wiederum auch im regionalen Vergleich etwa innerhalb von EU-Mitgliedsländern. Exemplarisch für regionale IKT-Unterschiede sind: •
Die regionalen Unterschiede in der Breitbanddichte und der Internetnutzerdichte, wobei in fast allen EU-Ländern ein deutliches Stadt-LandGefalle zu beobachten ist - mit Ausnahme im wesentlichen der Niederlande, wo das Kabel-TV flächendeckend für die Internetnutzung (und andere digitale Dienste) verfügbar ist.
•
Die regionalen Unterschiede bei der ökonomischen Relevanz des IKTproduzierenden Sektors. Hier geht es um die Verfügbarkeit hochwertiger Infrastruktur und leistungsfähiger Vorlieferanten einerseits, andererseits um das Vorhandensein hochqualifizierter Arbeitskräfte.
•
Bei IKT-Neugründungen geht es auch um regionale bzw. lokale Kontakte zu Anbietern einschlägiger Finanzdiensdeistungen, wobei eine Besonderheit der Branche darin besteht, dass lokale bzw. regionale Kontakte zu einschlägigen Risikokapitalfinanzierern vorhanden sein müssen, um ein IKT-affines Gründungsumfeld zu schaffen. In Deutschland hat der Bund mit der High-tech-Strategie und dem nationalen IT-Gipfel zwar für die IKT-Expansion Weichen gestellt, aber die IKT-Expansion wird auch durch die wirtschaftspolitisch einschlägigen Förderprogramme auf der Ebene der Bundesländer vielfach gefördert. So gibt es etwa in
10 • Paul J.J. Weifens
Nordrhein-Westfalen ein IKT-Clusterprogramm, das die Landesregierung aufgesetzt hat, um den Strukturwandel bzw. das Wirtschaftswachstum zu fördern. Methodisch kann die folgende Analyse teilweise dem NELSON-WINTER-Ansatz der Evolutorischen Ökonomik (NELSON/WINTER, 1982) bzw. insgesamt auch dem Neo-Schumpeterianischen Ansatz insofern zugeordnet werden, da der Cluster-Ansatz gerade im IKT-Sektor naturgemäß die Bedeutung der Innovationsdynamik im Focus hat und hierbei auf folgende Aspekte besonders verweist: •
Die am Netzwerk beteiligten Unternehmen sind typischerweise am Markt durch Innovationen im Sinn von SCHUMPETER (1934), nämlich Rekombinationen bestehender Routinen, aktiv; die Unternehmen nutzen dabei einerseits vorhandene Routinen, wobei ihre Beibehaltung durch Motive wie etwa Konfliktvermeidung, finanzielle Anpassungskosten bei Veränderungen und hierarchische Managementstrukturen begünstigt wird (NELSON/WINTER, 1982); in einem dynamischen Marktumfeld suchen Firmen nach sinnvollen Modifikationsmöglichkeiten von bestehenden Routinen, wobei keineswegs eine neoklassische Maximierungsstrategie von den Firmen verfolgt wird, sondern ein bestimmtes Anspruchsniveau realisiert werden soll.
•
Im Sinn der Neo-Schumpeterschen Ansätze zur Evolutorischen Ökonomik (z.B. DOSI ET AL., 1988; WITT, 1993, METCALFE, 1998) wird Innovationsdynamik als eine Verbindung von Invention, Innovation, Imitation und Diffusion - sektoral, intersektoral oder im Raum - aufgefasst. Dabei wird zwischen inkrementalen und radikalen Innovationen einerseits unterschieden, andererseits wird die Rolle von Innovationssystemen als typische verbindende Struktur von Firmen, außeruniversitären Forschungseinrichtungen, Universitäten und innovationspolitischen Förderansätzen des Staates betont.
•
Die regionalen Innovationscluster, die hier mit sektoraler Ausrichtung betrachtet werden, stellen daher ein komplexes komplementäres FirmenNetzwerk dar, wo die Akteure miteinander durch Leistungsbeziehungen einerseits und verbundene Wissenserzeugung bzw. —austausch andererseits charakterisiert sind. Innovationsdynamik entsteht hierbei in flexiblen Forschungs- und Produktionsnetzwerken, die naturgemäß auf entsprechende Finanzierungsmöglichkeiten angewiesen sind; hier kann die Transatlantische Bankenkrise (WELFENS, 2009) zu besonderen Problemen führen, vor allem sofern die Unternehmen auf Finanzquellen außerhalb der eigenen Region bzw. Großbanken stark angewiesen sein sollten. Von besonderer Bedeutung als innovationsstarker bzw.
IKT-Expansion, Strukturwandel und Clusterdynamik in der EU • 11
wachstumsrelevanter Sektor ist dabei der Sektor der Informations- und Kommunikationstechnologie, der obendrein durch kurze Innovationszyklen und einen hohen Internationalisierungsgrad sowie im Radius zunehmend wachsende internetbasierte Märkte — forciert durch im Raum sich national und international ausbreitende digitale Mobilkommunikationsnetze - gekennzeichnet ist. In der modernen Wissensgesellschaft findet dabei stärker als in der fordistischen Industriegesellschaft traditioneller Prägung eine stark durch Informations- und Wissensvernetzung von Firmen und Haushalten geprägte Handlungsinterdependenz statt: Kunden signalisieren kompakt und schnell sich ändernde Bedarfe und Firmen müssen beschleunigt mit differenzierten Waren und Dienstleistungen auf sich im Zeitablauf ändernde Kundenbedürfnisse eingehen. In der Wissensgesellschaft besteht dabei eine Tendenz, dass Hauptquartier-Dienstleistungen wie Forschung und Entwicklung, Marketing und Finanzierung sich am Hauptfirmensitz konzentrieren, während gerade dank moderner IKT einzelne Wertschöpfungsstufen relativ flexibel national oder international outgesourct werden können. In Clustern ergeben sich dabei dann nicht nur spezialisierte Firmennetzwerke, sondern es entstehen positive Netzwerkeffekte bzw. Produktivitäts- oder Innovationsgewinne im Netzwerkverbund. Damit verbunden sein kann ein regionales Arbeitsmobilitätscluster: Arbeitnehmer können dann ohne Produktivitätsverluste bzw. in der Regel sogar mit wachsender Arbeitsproduktivität, innerhalb der Firmen des Netzwerks den Arbeitsplatz wechseln. Durch die Expansion der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) in den EU-Ländern bzw. weltweit haben sich neue Märkte mit neuen Arbeitsplätzen ergeben, während sich zugleich der Strukturwandel intensiviert und der Innovationsprozess national bzw. global verschärft hat. Im IKT-Sektor ist es in allen EU15-Ländern seit den 90er Jahren zu einem deutlichen Anstieg der Pro-Kopf-Patentanmeldungen und speziell der IKT-Patentanmeldungen pro Kopf gekommen - bei allerdings erheblichen Differenzierungen über die (ausgewählten) EU-Länder hinweg, wie die nachfolgende Abbildung mit den Führungsländern Luxemburg, Finnland, Schweden und einer zweiten Führungsgruppe Deutschland, Niederlande, Irland, Großbritannien sowie Frankreich, Dänemark, Österreich und Belgien zeigt:
12 • Paul J.J. Weifens
Abb. 1: Erteilte IKT-Patente pro einer Million Einwohner am USPTO
Quelle: JUNGMITTAG (2010) Das Bild bei den IKT-Patentanmeldungen beim Europäischen Patentamt sieht, bezogen auf die EU-15 Länder plus Ungarn, recht ähnlich aus wie die Entwicklungen auf Basis der IKT-Patentanmeldungen beim US-Patentamt.
IKT-Expansion, Strukturwandel und Clusterdynamik in der EU • 13
Festzustellen ist allerdings, dass Ungarn bei den IKT-Patentanmeldungen in Europa in 2005/06 an den westlichen Kohäsionsländern — mit Ausnahmen von Irland - vorbeigezogen ist. Abb. 2: IKT-Patentmeldeintensität beim Europäischen Patentamt IKT Patentanmeldungen beim EPO pro 1 Mio. Erwerbstätige —
350
300
250
:
200
-
150 j-
100
50
0
1992
1993
Quelle: Eurostat
1994
1995
1996
1997
Deutschland - - - B e l g i e n
1998
1999
Finnland
2000
2001
2002
2003
2004
Österreich - - - Frankreich
2005
2006
Schweden
IKT Patentanmeldungen beim EPO pro 1 Mio. Erwerbstätige
300
250
200
150 -
100 50
1992
1993
1994
1995
1996
Quelle: E u r o s t a t — — Luxemburg
1997
1998
Niederlande
1999
2000
2001
2002
Dänemark - - - Italien
2003
2004
2005
2006
Vereinigtes Königreich
14 • Paul J.J. Weifens
IKT Patentanmeldungen beim EPO pro 1 Mio. Erwerbstätige 60
-
Da IKT eine Querschnittstechnologie ist, werden praktisch alle Sektoren der Wirtschaft durch die mittel- und langfristige IKT-Expansion geprägt: •
Die IKT-Expansion revitalisiert teilweise gerade auch die Old Economy, zu der die Industrie zählt. Hier wird insbesondere die räumliche Aufspaltung der Wertschöpfungskette auf neue Weise und zugleich die Organisation multinationaler Unternehmen erleichtert (MEIJERS/ DACHS/WELFENS, 2008): Internationales Outsourcing von Vorprodukten und Offshoring (internationales outsourcing innerhalb eines multinationalen Unternehmens) nehmen dabei an Bedeutung zu, so dass IKT-Expansion auch Außenhandel und Direktinvestitionen bzw. die Globalisierung der Wirtschaft antreibt. Im Zuge von Outsourcing und Offshoring stellt sich dann auch die Frage nach regionalen Clustern bzw. Netzwerken, die im In- oder Ausland entstehen können und dabei in ihrer Struktur oder in ihrer Stabilität gerade auch durch IKT-Merkmale geprägt sein könnten.
•
Die IKT-Expansion schafft eigene digitale Märkte, die oft durch hohen Wettbewerbsdruck dank geringer Sunk Costs geprägt sind; andererseits können economies of scale und Netzwerkeffekte die Marktzutrittsschranken deutlich erhöhen, womit nur eine geringe Wettbewerbsintensität zu erwarten ist (VOGELSANG, 2010). Inwiefern nun digitale
IKT-Expansion, Strukturwandel und Clusterdynamik in der EU • 15
Cluster bzw. Netzwerke in Teilbereichen des IKT-Sektors entstehen und sich dabei durch Spezifika auszeichnen, bleibt zu untersuchen. Zu den Besonderheiten des Internetsektors gehört dabei, dass hier grundsätzlich Weltmärkte entstehen können, wobei auch das Phänomen von MikroMultis zu beobachten ist — also eines multinationalen Unternehmens mit sehr wenigen Mitarbeitern, das in mehreren Ländern konzernintern arbeitsteilig aktiv ist. •
Der IKT-Sektor stimuliert nicht nur einen anhaltenden Strukturwandel in der Industrie, sondern gerade auch im Dienstleistungssektor. Zwar sind auch zahlreiche Dienstleistungen industrielle Dienstleistungen bzw. zum Verkauf etwa von Automobilen oder Maschinen komplementäre digitale Dienste; es gibt aber auch eigenständige New Economy-Dienste, die sich etwa auf Bereiche wie digitale Weiterbildung, Information und Unterhaltung richtet. Der Mediensektor der OECD-Länder steht in diesem Kontext im Übrigen vor erheblichen Veränderungen und Herausforderungen.
•
Der Staat hat in vielen OECD-Ländern durch nationale IT-Förderaktivitäten die Expansion der digitalen Wirtschaft forciert, wobei z.B. in Deutschland durch die Bundesregierung unter Kanzlerin Merkel ein nationaler IT-Gipfel entstanden ist (1. Gipfel 2006 in Potsdam); er bringt in Arbeitsgruppen Wirtschaft, Wissenschaft und Politik zusammen und die Bundesregierung hat Fördermittel für Leuchtturmprojekte von Netzwerken von Großunternehmen, aber auch von mittelständischen Unternehmen bereit gestellt.
Traditionell ist der Staat im Bereich der Telekommunikationswirtschaft - als Teil von IKT — besonders aktiv gewesen, da der Zugang aller Bürgerinnen und Bürger zu erschwinglichen Sprachtelefoniediensten zum Universaldienstangebot gerechnet wurde (wie der Zugang zu Strom und Wasser). In den europäischen Ländern hat der Staat solche Telekom-Universaldienste lange Zeit über staatliche monopolistische Festnetzanbieter bereitgestellt, bis dann durch die von der EU angestoßene Marktöffnung in 1998 eine Wettbewerbsintensivierung bzw. Privatisierungen in Gang kamen (WELFENS/GRAACK, 1996). Parallel zu den Festnetzdiensten hat sich eine wettbewerbsintensive Mobilkommunikation seit den späten 90er Jahren ergeben, wobei diese längerfristig gegenüber dem Festnetz an Bedeutung zunimmt; denn einerseits haben viele Haushalte - vor allem im Bereich der jüngeren Altersklassen — nur noch einen Mobilfunkanschluss und andererseits ist die Leistungsfähigkeit des Mobilfunks dank UMTS (perspektivisch LTE) weiter gestiegen. Damit stellt sich mit Blick auf die Universaldienste längerfristig in neuer Weise die Frage, wie dieser definiert werden soll. Denn die bislang erfolgende Beschränkung auf die festnetzbezogene Definition des Universaldienstes in Deutschland — finanziert durch einen Fonds der Festnetz-
16 • Paul J.J. Weifens
betreiber - und anderen EU-Ländern ist deutlich traditionsverhaftet und die bisherige Debatte hat die ökonomisch, technologisch und gesellschaftlich gewichtigen Optionen eines mobilen breitbandigen Universaldienstes nicht thematisiert; dies gilt auch für den EU-Review zum Universaldienst, der in 2009/2010 abgeschlossen werden soll. Bei zunehmender quantitativer und qualitativer Bedeutung des Mobilfunks für private Haushalte und Unternehmen sind aber Universaldienstfragen von enormer Bedeutung, da in Abhängigkeit von der staatlichen Definition des Universaldienstes ganz unterschiedliche Innovationspfade angestoßen und Netzwerkeffekte realisiert werden. Mobilkommunikation ist zudem bei zunehmender Mobilität der Bürgerinnen und Bürger in der EU von wachsender langfristiger Bedeutung. Chancengleichheit in einer Digitalen Sozialen Marktwirtschaft ist erkennbar zunehmend an einen allgemeinen preiswerten Zugang zu breitbandigen Diensten gebunden. Die digitale Wirtschaft entwickelt sich in Deutschland und weltweit mit hoher Geschwindigkeit, wobei das Internet der Dienste voranschreitet - vor allem auf Basis breitbandiger schneller Ubertragungswege. Hier liegen für Wirtschaft, Verwaltung, Bildungs- und Gesundheitssektor sowie die privaten Haushalte enorme Möglichkeiten, deren Expansion im Zuge der Konjunkturpakete beschleunigt verbessert werden: Die Konjunkturpakete 2008/09 haben in Deutschland und in anderen EU-Ländern den Ausbau der Infrastruktur mit verstärkten Prioritäten versehen; hiermit gewinnt einerseits die digitale Wirtschaft neue eigenständige Expansionsmöglichkeiten als Teil der modernen Diensdeistungswirtschaft, deren Anteil an der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung weiter zunimmt. Zugleich können Teile der „Old Economy" durch Veränderungen in den Wertschöpfungsketten und höhere vernetzte Innovationsdynamik revitalisiert werden. Hierbei sind auf Ebene der privaten Haushalte der Zugang zu breitbandiger Kommunikation und der Bildungsgrad von besonderer Bedeutung; auf Ebene der Unternehmen und der Verwaltung geht es insbesondere um Investitionen, betriebliche Reorganisation und produktivitäts- bzw. innovationsförderliche Vernetzung von Informations- und Wissensträgern. Für ein großes Bundesland wie etwa Nordrhein-Westfalen - das bevölkerungsstärkste Bundesland —, das Stärken sowohl im Bereich der traditionellen Wirtschaft („Old Economy") wie der Neuen Wirtschaft (Digitale Wirtschaft) hat, geht es hierbei um wesentliche Weichenstellungen und Möglichkeiten für Pionieranwendungen. Auch für andere Bundesländer bzw. für die Bundesrepublik insgesamt geht es hier um wichtige Weichenstellungen technologischer, ökonomischer und sozialer Art. Der Staat hat hier in der Telekommunikation einen strategischen Ansatzpunkt, da durch die Art der nationalen Regulierung wesentliche Investitions- und Innovationsanreize gesetzt werden und weil im Zuge des EU-Reviews zum Universaldienst in 2009/2010 ggf. eine Neudefinition des für alle Bürger zu bestimmten (erschwinglichen) Preisen verfügbar zu machenden Universaldienstes politisch zu vereinbaren ist.
IKT-Expansion, Strukturwandel und Clusterdynamik in der EU • 17
Die Informations- und Kommunikationstechnologie ist einer der schnell wachsenden Sektoren in den OECD-Ländern — mit Verdopplung des Wertschöpfungsanteils auf 10% zwischen 1990 und 2000 in Deutschland (auf Basis von Preisen von 1995) - , wobei eine besonders hohe Innovationsdynamik vorliegt (EUROPEAN COMMISSION, 2005). Die Messmethode der Europäischen Kommission ist dabei breiter angelegt als bei der OECD, wo man in einer früheren Studie auf die Patentanmeldungen bzw. Ausgaben für Forschung und Entwicklung (F&E) in den relevanten Sektoren abstellte (OECD, 2000). Innovationen im IKT-Sektor fördern Neuerungen in praktisch allen Branchen von Fahrzeugbau über Maschinenbau bis zum Handel (z.B. RFID). Die staatliche F&E-Förderung im IKT-Bereich ist nach Bitkom-Angaben in Deutschland (bei 431 Mio. Euro in 2004) relativ zum Bruttoinlandsprodukt sehr gering, nämlich nur 0,02%. Demgegenüber liegt die EU bei 0,04%, Finnland, Ungarn und die Slowakische Republik sogar bei 0,09%, 0,23% bzw. 0,66% (BITKOM, 2007, 154). Man darf davon ausgehen, dass die IKT-Förderung die Größe der positiven externen Effekte des IKT-Sektors nicht angemessen abbildet, der laut EU-Kommission unter allen Sektoren in 2007 der innovationsstärkste war.
1.1
Dynamik des Strukturwandels
Es gibt einen erheblichen Strukturwandel in der Weltwirtschaft (WELFENS/ BORBELY, 2009). Dies ist auch aus den folgenden Abbildungen zu entnehmen. Deutschland ist überwiegend im Bereich der wissens- und technologieintensiven Güter positiv spezialisiert (Wettbewerbsvorteil im EU-15-Markt); diese Bereiche liegen in den folgenden Grafiken in der rechten Hälfte. Allerdings konnte Deutschland die Export - Durchschnittserlöse bei diesen Gütergruppen nicht halten, soweit man 2008 mit 1993 vergleicht. Ungarn hat im Bereich wissensund technologieintensive Güter erst teilweise eine positive Spezialisierung erreicht, konnte allerdings die Export-Durchschnittserlöse steigern. Die Situation ist ähnlich in Tschechien, jedoch schwächer in Polen. China hat aufgrund hoher Direktinvestionszuflüsse in den entsprechenden Bereichen — als wichtiger Konkurrent Osteuropas — eine bemerkenswert positive Spezialsierung realisiert, allerdings sind die Export-Durchschnittserlöse im Zeitablauf gesunken; dahinter dürften Economies of Scale-Effekte einerseits stecken, andererseits wird hier China als „großes Land" sichtbar: wenn Chinas Export in bestimmten Bereichen deutlich spezialisiert wird, wird bei hinreichend großen Exportmengen ein Verfall der Weltmarktpreise die Folge sein.
18 • Paul J.J. Weifens
Abb. 3: Modifizierte RCAs für Deutschland 1993 bis 2008 und Export Durchschnittserlöse (Export Unit Values) 1993 + 2008
LUD 2001 EUV 1993 EUV 2008
SS 1993 11131994 E1H1 1=12002 CZD2003 ^2004
Abb. 4: Modifizierte RCAs für Ungarn 1993 bis 2008 und Export Durchschnittserlöse (Export Unit Values) 1993 + 2008 1.0
|
1993 EE31994 031995
0011936
1997 ESESI1998 H01999 EM 2000 I
1
80
IKT-Expansion, Strukturwandel und Clusterdynamik in der EU • 19 Abb. 5: Modifizierte RCAs für Polen 1993 bis 2008 u n d Export Durchschnittserlöse (Export Unit Values) 1993 + 2008
• 1993 • 2002
a 1994 CZ31995 • 2003
• 1997 ama 1998 • 2006 cm 2007
• 1999 • 2008
• 2000
(—12001
-EUV 1993
EUV 2008
Abb. 6: Modifizierte RCAs für Tschechische Republik 1993 bis 2008 u n d Export Durchschnittserlöse (Export Unit Values) 1993 + 2008
E^1993 I 12002
31994 ES» 1995 • 2003
• 1997 • 2006
• 1999 ES® 2000 C • 2001 • 2008 EUV 1993 -EUV 2008
20 • Paul J.J. Weifens
Abb. 7: Modifizierte RCAs für China 1993 bis 2008 und Export Durchschnittserlöse (Export Unit Values) 1993 + 2008
Quelle: comext-database und eigene Berechnungen
1.2
Lissabon-Agenda
Die Europäische Kommission hat im Rahmen der Lissabon-Agenda von 2000 das Ziel formuliert, dass die EU bis 2010 die wettbewerbsfähigste wissensbasierte Volkswirtschaft der Welt wird und dabei über mehr Wachstum auch mehr Beschäftigung erreicht werden soll (DENIS/McMORROW et al. 2005). Die IKT-Weiterentwicklung und eine optimierte IKT-Nutzung sind für die langfristige Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit in der Wissensgesellschaft unerlässlich. Im Kontext der IKT-Modernisierung in der EU sind besonders gewichtig und für den Strukturwandel mit prägend: •
Der Ausbau der breitbandigeren Vernetzung, der mit einem beschleunigten Informationsaustausch bzw. kürzeren Diffusionszeiten verbunden ist: Dies betrifft Unternehmen insgesamt, aber auch Forscher in Firmen, Universitäten und Hochschulen sowie in spezialisierten Forschungseinrichtungen. Mehr breitbandige Vernetzung heißt, dass eine raumwirtschaftlich weiter aufgespannte Arbeits- und Wissensteilung (HELMSTÄDTER, 2009) möglich wird.
IKT-Expansion, Strukturwandel und Clusterdynamik in der EU • 21 •
Eine verstärkte Vernetzung erleichtert innerhalb der EU das Outsourcing sowie internationales, nationales oder regionales Insourcing bzw. stimuliert eine räumlich verbreiterte Arbeits- und Wissensteilung in der EU-27, womit die Wettbewerbsfähigkeit auf Drittmärkten gestärkt wird.
•
Internationales Insourcing ist eine wichtige Herausforderung im Zuge von Digitalisierung und Globalisierung, da hier Wertschöpfungsbereiche aus expandierenden Firmen aus Schwellenländern in Hochlohnländer mit entsprechenden komparativen Vorteilen hineingezogen werden können; insbesondere wissensintensive Diensterstellungen bzw. Hochtechnologie-Dienste sind hier relevant.
•
Auch die Gründung neuer digitaler, wissensbasierter Unternehmen kann langfristig ein wichtiger eigenständiger Impuls für Wachstum und Beschäftigung sein; aber die Erfahrungen bei Gründern zeigen besondere Finanzierungsprobleme, die sich u.a. im Kontext mit dem hohen Anteil an immateriellen Aktiva in innovationsstarken IKT-Firmen ergeben. Solche Aktiva — wie etwa Patente und Software — sind für Banken als Kreditsicherheiten allerdings kaum vernünftig verwendbar (WELFENS/ZOCHE/JUNGMITTAG et al., 2004).
Während der IKT-Teilsektor Ausrüstungsgüter in Deutschland nicht stark vertreten ist, spielen die Informationstechnologie, inklusive IT-Dienste und ITSoftware einerseits und Telekommunikationsdienste andererseits eine wichtige Rolle. Aus ökonomisch-technologischer Sicht gilt es dabei zu unterscheiden nach •
IKT-produzierenden Sektoren: Hier ist der technologische Fortschritt erfahrungsgemäß relativ groß und daher ergibt sich ein tendenziell hoher Wachstumsbeitrag.
•
IKT-nutzenden Sektoren: Da IKT eine Querschnittstechnologie darstellt, gibt es hier einen breiten Anwendungsraum, wobei das Ausmaß der Wachstumsimpulse häufig von der komplementären Nutzung von Humankapital abhängt. Im Hochlohnland Deutschland ist die Humankapitalbildung insbesondere im Hochschulbereich geringer als in führenden OECD-Ländern, die deutlich mehr als 1% des Bruttoinlandsproduktes für diesen Bereich ausgeben (OECD, 2007).
Der IKT-Sektor steht u.a. für eine innovationsstarke Querschnittstechnologie. Dabei ist der IKT-Sektor mit seinen Teilbereichen auch zu einem wichtigen Träger der Beschäftigung geworden. Zu den im Zeitablauf in Deutschland besonders stark wachsenden Teilbereichen gehört der Softwaresektor, der zwischen 1998 und 2006 seinen Anteil an der Gesamtbeschäftigung von 0,5% auf 1% verdoppeln konnte. Zu den besonders interessanten Expansionsbereichen
22 • Paul J.J. Weifens
dürften jenseits der Informatik im engeren Sinne vor allem moderne Anwendungsfelder gehören, z.B. Bildungsinformatik und Gesundheitsinformatik.
1.3
Relativpreisdynamik und IKT-Kapitalakkumulation
Die Kapitalakkumulation ist zu Beginn des 21. Jahrhunderts zunehmend durch IKT-Kapitalbildung gekennzeichnet, wobei der IKT-Sektor selbst überdurchschnittlich hohe Wachstumsraten aufweist. Der Anteil des IKT-Sektors am Bruttoinlandsprodukt — als nominale Wertschöpfung durch das nominale BIP — betrug in der EU im Durchschnitt der Jahre 2000-2003 5,6%, was gegenüber den Vorjahren einen leichten Zuwachs darstellte; allerdings auch einen Rückstand gegenüber den USA, die 7,2% erreichten (EUROPEAN COMMISSION, 2005, S.12); zu konstanten Preisen von 1995 gerechnet waren die Anteilswerte für die USA bzw. die EU naturgemäß höher, da die relativen IKT-Preise im Zeitablauf fallen. Der Anteil von IKT-Investitionen am BIP belief sich in den USA zu Beginn des 21. Jahrhunderts auf 4,2%, in der EU auf 2,4%. Ein wichtiger Treiber für die Zunahme der IKT-Investitionen war der Fall der relativen IKT-Preise (EUROPEAN COMMISSION, 2005,13); dabei trägt der IKT-Einsatz erheblich zum Fortschritt der Arbeitsproduktivität bei, in der EU-15 etwa die Hälfte des Produktivitätsfortschritts im Zeitraum 1995-2004; im Zeitraum 2000-2004 betrug der IKT-basierte Produktivitätszuwachs 0,9 Prozentpunkte p.a. in den USA und 0,5 Prozentpunkte p.a. in der EU. Dabei ist davon auszugehen, dass Produktivitätsfortschritte einerseits im IKT-produzierenden Sektor hoch sind, dass andererseits aber hohe Fortschritte auch in den IKT-nutzenden Sektoren — setzte IKT-Kapitalakkumulation voraus - erreicht werden können. Mit Blick auf Letztere sind Effizienzgewinne in der Firmenorganisation im Kontext erhöhten IKT-Einsatzes wesentlich. Da wegen des hohen technischen Fortschritts im IKT-produzierenden Sektor mit weiter fallenden Relativpreisen zu rechnen ist und weil es in vielen Sektoren positive Netzwerkexternalitäten bei digitalen Diensten gibt, ist mit einem anhaltenden Anstieg der IKT-Investitionen relativ zu den Gesamtinvestitionen zu rechnen. Da der IKT-Kapitalbestand und internationale Outsourcing- bzw. Offshoring-Potenziale aus theoretischer Sicht positiv miteinander verknüpft sind (WELFENS, 2007 und WELFENS, 2008b; MEIJERS/DACHS/WELFENS, 2008) wird der internationale Outsourcing- bzw. Offshoring- Druck in der deutschen Wirtschaft anhalten. Zugleich dürfte sich bei verschärftem internationalen Wettbewerb und einer fortschreitenden Standardisierung in der relativ jungen IKT-Industrie der Spezialisierungsdruck auch in einzelnen EULändern verstärken, womit sich wiederum der Druck hin auf eine sinnvolle regionale Arbeitsteilung verschärft.
IKT-Expansion, Strukturwandel und Clusterdynamik in der EU • 23
1.4
Regionale IKT-Schwerpunkte
Mit Blick auf die globalen Vemetzungsmöglichkeiten durch IKT kann man zwar einerseits vermuten, dass internationale weiträumige Vernetzungsstrukturen verstärkt entstehen. Man kann aber gerade in wissens- und technologieintensiven IKT-Subsektoren davon ausgehen, dass es nicht-kodifiziertes relevantes Wissen gibt, dass die räumliche Zusammenwirkung von Akteuren in einer Region für IKT-Projekte verlangt. Tatsächlich sind in Deutschland und anderen EULändern verschiedene regionale IKT-Schwerpunkte festzustellen und einige europäische Länder haben zu Beginn des 21. Jahrhunderts auch gezielt regionale IKT-Clusterprogramme aufgesetzt (TERSTRIEP, 2007). Nachfolgend sei zunächst ein kurzer Blick auf Deutschland gerichtet, wobei zunächst ein Blick auf die Beschäftigtenzahlen in der Medienbranchen und in der IT-Wirtschaft gerichtet sei (IT ist hierbei ein Teil des IKT-Sektors). Die Medienwirtschaft gilt als stark internetgetrieben bzw. nutzt IKT in starkem Ausmaß. In einer Regionalstudie für München wurde in der Tat auch die Medienwirtschaft als Teil des IKT-Sektors definiert. In der nachfolgenden Tabelle wird deutlich, dass der Beschäftigtenanteil im deutschen IT-Sektor längerfristig zunimmt. Tab. 1: Beschäftigte in der deutschen Medien- und IT-Wirtschaft 1998 und 2006 Anteile an der Gesamtwirtschaft in Prozent Medienwirtschaft Verlage 1 Werbung Film Radio/TV Druck, Vervielfältigung IT-Wirtschaft Software DV-Dienste Telekommunikation 2 IT-Technik 3 Gesamtwirtschaft in Millionen (Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte)
1998 2,0 0,6 0,3 0,1 0,2 0,8 2,0 0,5 0,3 0,3 0,9 27,2
2006 2,0 0,6 0,4 0,1 0,2 0,7 2,6 1,0 0,4 0,3 0,8 26,4
1 Einschließlich Nachrichtenbüros und Büros selbständiger Journalisten 2 Ein erheblicher Teil der Beschäftigten im Bereich Telekommunikation sind Beamte; sie sind in den hier angegebenen Daten nicht enthalten 3 Datenverarbeitungsgeräte, Rundfunk- und Nachrichtentechnik Daten aus: Bundesagentur für Arbeit, Berechnungen des DIW Berlin Quelle: DIW (2007), 774.
24 • Paul J.J. Weifens
Bezüglich einer technologiespezifischen Patentanalyse ergibt sich, dass IKT von Bayern und Baden-Württemberg dominiert war. Eine besondere Stärke Hamburgs und Nordrhein-Westfalens liegt im hohen Anteil der Unternehmen mit Internetzugang: Hamburg 87%, NRW 83%, Thüringen 81%. Was die IKTAufwendungen privater Haushalte angeht, so lag Deutschland im EU-Vergleich in 2006 in einer mittleren Position, aber immerhin gegenüber den Niederlanden um 200 € p.a. geringer (ZENIT, 2007). Die Niederlande profitieren vermutlich von der hohen Breitbandpenetrationsdichte, die sich aus der flächendeckenden Präsenz von Kabel-TV als Alternative zum DSL-Festnetzanschluss ergibt und damit auch ein verbessertes Angebot an digitalen Diensten bedeutet. Häufig erlauben moderne digitale Dienste — man denke etwa an Telewartungsdienste im Maschinenbau-, Wertschöpfungsbereiche der traditionellen Old Economy zu stärken. Die Öffnung der Telekommunikationsmärkte durch die Europäische Kommission in 1998 hat zu einer zunehmenden Wettbewerbsintensivierung in der Festnetzkommunikation geführt, wobei superschnelle Breitbandnetze (VDSL) seit 2008 an Bedeutung im Festnetzbereich gewonnen haben. Die Bedeutung der Breitbanddienste hat dabei überproportional im Zeitablauf zugenommen, was eine gewisse Entsprechung im Mobilfunkbereich in der allmählich zunehmenden Nutzung breitbandiger Dienste findet. Angesichts des Versuches der Europäischen Kommission, im Zuge des Reviews der Telekom-Rahmenregulierung der EU die supranationalen Regulierungskompetenzen auszuweiten, stellen sich einige kritische Fragen mit Blick auf das Subsidiaritätsprinzip einerseits und die innovationspolitischen Effekte andererseits. Fragen einer innovationsförderlichen Regulierung der Telekommunikation sind von daher von innovationspolitischer Bedeutung (WELFENS, 2008a), und dies insbesondere mit Blick auf Nordrhein-Westfalen, wo sich neben dem Ex-Monopolisten auch der Standort bzw. Markt für viele Newcomer und einige große neue Anbieter befindet. Die IKT-Tage NRW in Essen bzw. Wuppertal in 2009 und 2010 haben einen Teil der erheblichen regionalen IKT-Dynamik Nordrhein-Westfalens verdeutlicht.
1.5
Innovationstheorie und Qualifizierungsdruck
In der Innovationstheorie wird die für die Innovationskraft relevante Bedeutung der Verbindung von Institutionen wie Forschungssystem, Hochschulsystem und Unternehmens- bzw. Finanzmarktstrukturen betont (WELFENS/BALCEROWICZ, 1988; GRUPP, 1997). Aus dieser Perspektive wird die Informations- und Kommunikationstechnologie erhebliche Veränderungen bringen: IKT erleichtert eine stärker internationale Vernetzung von Forschern im Universitätsbereich, beim Hochschulsystem gibt es zudem raumgreifendere und flexiblere Lern- bzw. Lehroptionen als im traditionellen Rahmen — eLearning und digitale Weiter-
IKT-Expansion, Strukturwandel und Clusterdynamik in der EU • 25
bildungsangebote im Unternehmen bzw. von spezialisierten Anbietern werden längerfristig eine wichtige Rolle spielen. IKT-Expansion bringt allerdings auch spezifische Probleme bei der Investitionsfinanzierung, da IKT zu einem erheblichen Teil für immaterielle Aktiva steht, die sich aus Bankensicht schlecht als Sicherheiten eignen; dies ist eine für Deutschland, bzw. die bankdominierten Finanzsysteme in Kontinentaleuropa, wichtige Herausforderung (WELFENS/ ZOCHE/JUNGMITTAG et al., 2004). Durch IKT dürfte sich in vielen Sektoren eine Beschleunigung des Diffusionsprozesses ergeben und damit auch eine Tendenz zur Verkürzung der Innovationszyklen. Gemäß der Theorie des Produktzyklus-Handels (VERNON, 1966) gibt es in diesem Kontext auch zu bedenken, dass nach einer relativ kurzen Markteinführungsphase, bei der Produktion und Konsum im Innovatorland konzentriert sind, sich schon in der Marktexpansionsphase Ansätze zur Verlagerung der Wertschöpfung in Niedriglohnländer ergeben werden. Dabei kann ein Teil der osteuropäischen Beitrittsländer einerseits als Niedriglohnland — relativ zur Arbeitskostenposition in Deutschland - eingestuft werden, andererseits sind die osteuropäischen Länder von der Humankapitalausstattung her teilweise vergleichbar mit EU-15-Ländern. Keineswegs sind allerdings die F&EAusgaben relativ zum BIP mit denen in Westeuropa zu vergleichen. Mit Blick auf die digitale Modernisierung kann vielen Beitrittsländern ein großer Fortschritt im Bereich Mobilkommunikation attestiert werden, nicht jedoch bei der Breitbandanschlussdichte. Die vorhandenen bzw. neuen Innovationssysteme in Osteuropa sind also relativ zu Westeuropa durch eine geringere Ausstattung mit F&E- und digitalem Infrastrukturkapital gekennzeichnet. IKT ist eine Querschnittstechnologie, die jenseits des IKT-produzierenden Sektors praktisch alle Sektoren betrifft, und zwar umso stärker, je höher die IKTIntensität ist. HEMPELL (2006) betont, dass IKT nicht automatisch auf Produktivitätserhöhungen hinwirkt. Vielmehr erhöht IKT die Produktivität insbesondere auch durch seine Wirkung als Katalysator für Innovation und Fortbildung bzw. Ausbildungsverbesserung und Bildungsvertiefung; auf Basis eines großen Samples deutscher und niederländischer Firmen stellen HEMPELL et al. (2004) fest: •
Der IKT-Einsatz stimuliert die Produktivität: Eine Erhöhung des IKTKapitalbestandes um 10% erhöht die Produktivität einer Firma um rund 0,6%. Auf Basis der relativen Faktorausstattung der betrachteten Firmen kann davon ausgegangen werden, dass die jährlichen Renditen von IKTInvestitionen die Nutzerkosten noch für eine Reihe von Jahren übersteigen werden.
•
Produktivitätsverbesserungen ergeben sich teilweise auch deutlich im Zuge von Qualitätsverbesserungen bei den erzeugten Gütern.
26 • Paul J.J. Weifens
•
Die Produktivitätswirkung des IKT-Einsatzes wird ergänzt bzw. verstärkt durch die Innovationsdynamik und jeweils eigene Innovationsanstrengungen.
•
Die Innovationsgeschichte der Firmen ist ein wesentlicher Aspekt im Kontext von IKT-Produktivitätswirkungen: Dienstleistungsfirmen, die Innovationen auch in der Vergangenheit eingeführt haben, zeigen sich relativ erfolgreicher beim IKT-Einsatz als Firmen ohne bisherige Innovationsgeschichte. Die empirischen Ergebnisse zeigen, dass IKTEinsatz vor allem für Prozessinnovationen relevant ist.
Die IKT-Produktivität hängt wesentlich von der Qualifizierung der Belegschaft ab. Je höher der Anteil an hochqualifizierten Arbeitnehmern in Firmen ist, desto größer der Produktivitätsbeitrag von IKT. Mittelfristig ist nach HEMPELL (2006, S. 182) mit zwei gegenläufigen Wirkungen des IKT-Einsatzes mit Blick auf Innovation- und Produktionsprozesse zu rechnen: •
Der IKT-Zugang wird sich vereinfachen und verstärkt flächendeckend vorhanden sein;
•
zugleich werden die Innovationsmöglichkeiten komplexer und die Innovationskosten durch erhöhten IKT-Einsatz auch zunehmen.
•
Hinzu kommt: Der IKT-Einsatz wird gerade in export- bzw. innovationsorientierten Branchen von besonderer langfristiger Bedeutung sein, und technischer Fortschritt bei IKT — bei Hardware und Software bringt neue Optionen für komplexe Innovationen und auch neuartige Formen des Wissensmanagements. Dies beinhaltet neuartige IKTAnwendungsmöglichkeiten und diverse Formen von Breitbandzugang, die auch die Kooperation von Forschern bei international organisierten Forschungsprojekten erleichtert (FRAUNHOFER-GESELLSCHAFT, 2004). Die Implikation ist, dass die Internationalisierung von Forschung und Entwicklung im IKT-Bereich in den fortgeschrittenen OECDLändern konzentriert sein wird; nämlich in den Ländern, die über entsprechend hochqualifizierte Arbeitskräfte und eine moderne breitbandige Infrastruktur verfügen. Der zunehmende Einsatz von IKT erhöht daher in Deutschland bzw. in der EU langfristig die Nachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften.
Allerdings ist zu bedenken, dass im Produktionsprozess insgesamt der IKTEinsatz eine verstärkte Fragmentierungsmöglichkeit mit sich bringt, d.h. dass die Produktion verstärkt modular zerlegt werden kann, wobei vor allem die Fertigung standardisierter Komponenten relativ rasch international verlagert werden kann. Dabei ist mit Blick auf Osteuropa festzustellen, dass einige
IKT-Expansion, Strukturwandel und Clusterdynamik in der EU • 27
Beitrittsländer auch für wissens- und technologieintensive Sektoren zunehmend interessant geworden sind - das gilt ansatzweise besonders für Ungarn und Tschechien (BORBELY, 2006), aber auch für Bulgarien, wo SAP in 2005/06 die Aktivitäten des neuen Softwareentwicklungslabors erheblich expandieren ließ (ca. 600 Mitarbeiter in 2007).
1.6
IKT als Qualifizierungschance und Basis moderner Wissensgesellschaften
Im Rahmen nationaler und EU-Bildungsinitiativen sind zu Beginn des 21. Jahrhunderts neue Ansätze zur verstärkten Nutzung von IKT als Qualifizierungsbasis zu erkennen, denn insbesondere internetbasierte Unterrichts- bzw. Lernmethoden geben ein hohes Maß an Effizienz, Flexibilität und Individualität im Bildungsbereich bzw. auch bei Ausbildung, Weiterbildung und Bildung im Hochschulbereich liegen drei Felder vor, wo IKT zunehmend eingesetzt werden kann. Da die IKT-Kosten im Bildungsbereich relativ gering sind, dürften sich auch in den osteuropäischen Beitrittsländern erhebliche Chancen zur Humankapitalbildung im Rahmen einer modernen bildungspolitischen Konzeption ergeben. Die Informations- und Kommunikationstechnologie ist einerseits mit einer Standardisierung vieler Tätigkeiten im Industrie- und Diensdeistungsbereich verbunden, so dass im Einzelfall auch die Qualifikationsanforderungen stärker homogenisiert werden; daher bietet sich eine verstärkte Hinwendung bzw. Entwicklung von entsprechenden modularisierten Ausbildungs- bzw. Weiterbildungsmaßnahmen an; erforderliche mitarbeiterspezifische Qualifizierungsbausteine können dabei in internationalen Unternehmen in der Regel über Spezialmodule bereitgestellt werden, wobei das Internet als Bildungsplattform gerade in multinationalen Unternehmen eine große Rolle spielt. Dabei ist in den Beitrittsländem in der Tat zu beobachten, dass ausländische Investoren in vielen Fällen über Schulungs- bzw. Weiterbildungsmaßnahmen zur Qualifizierung bzw. Produktivitätssteigerung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei grundlegenden Qualifikationen aktiv beitragen. Eine hohe Mobilität im Arbeitsmarkt sorgt dann längerfristig dafür, dass die Qualifizierungsverbesserungen über ein breites Spektrum an Sektoren diffundieren. Andererseits ist der IKT-Einsatz in einigen Sektoren mit einer deutlich verstärkten Wissensakkumulation und Forschungsintensivierung verbunden, was eine besondere Spezialisierung beim Humankapital der Akteure erfordert; häufig besteht dann auch eine hohe Komplementarität des Einzelwissens innerhalb von Forschergruppen oder zwischen dem Humankapital und Sachkapital. Hier — im Bereich mittlerer Technologie und der Hochtechnologie - kann dann jedoch Wissen durch Arbeitskräftefluktuation offensichtlich nur teilweise über Sektoren hinweg diffundieren. Es besteht so gesehen also auch
28 • Paul J.J. Weifens
ein erhebliches Humankapital-Entwertungsrisiko, so dass eine nachhaltig positive Exportspezialisierung in entsprechenden Sektoren aus Firmensicht wie aus gesamtwirtschaftlicher Sicht wichtig ist. Eine verstärkte Spezialisierung gerade auch im Bereich technologieintensiver Sektoren lässt sich nur in wenigen EU-Beitrittsländern zu Beginn des 21. Jahrhunderts feststellen, nämlich in Tschechien und Ungarn (BORBELY, 2006). Wegen der im Zeitablauf bzw. mit jedem Innovationszyklus sich ergebenden Entwertung von Wissen ist eine fordaufende Humankapitalakkumulation erforderlich. Da wissensintensive und IKT-nutzungsintensive Aktivitäten in vielen Branchen komplementär sind, kann eine IKT-basierte bzw. vernetzte Weiterbildungsstrategie von besonderer Relevanz sein. IKT erlaubt in besonderer Weise, Wissen zu akkumulieren und zu vernetzen. Die westeuropäischen Länder — vor allem die besonders forschungsaktiven bzw. patentstarken Länder - können auf eine relativ große Erfahrung bei der flexiblen Wissensvernetzung und der Weiterbildung verweisen. Allerdings sorgt die Globalisierungsdynamik mit ihrem Druck hin zu kürzerer Betriebszugehörigkeitsdauer bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dafür, dass die firmenspezifischen Anreize zu Weiterbildungsmaßnahmen sinken. Denn bei reduzierter Betriebszugehörigkeitsdauer geht das Unternehmen ein erhebliches Risiko ein, letztlich zugunsten der Konkurrenz von morgen weiterzubilden. Dieses Phänomen steht dem im Kontext der Entwicklung der Wissensgesellschaft in EULändern durchaus erkennbar erhöhten industrieseitigen Bedarf an gut ausgebildeten Fachkräften entgegen. Es gibt in einzelnen EU-Ländern bereits erste konkrete Erfahrungen mit IKTNetzwerken und IKT-Clustern. Dabei kann in kleinen EU-Ländern wegen des meist geringen Inlandsmarktes nur von begrenzten Möglichkeiten zur Schaffung eines IKT-Clusters ausgegangen werden. Von besonderem Interesse sind die Untersuchungsergebnisse für die Vienna Region (Wien+ Niederösterreich+ Burgenland) und London, aber u.a. auch die Region Dortmund sowie das Bergische Städtedreieck. Zu den neuen IKT-Clustern der ausgewählten EURegionen gehören Karlskrona — ehemals mit Produktionsschwerpunkten Werften und Militärtechnik - und Györ/Budapest. Etablierte erfolgreiche IKTFührungsregion in den Niederlanden bzw. in der EU ist die Region Eindhoven. Dabei werden nachfolgend die IKT-Regionen zunächst für sich betrachtet, ehe dann auch einige Vergleichsdarstellungen zu IKT versus Automobilwirtschaft erfolgen. Zunächst erfolgt eine kontrastierende Betrachtung für die Vienna Region (Metropolregion) und Dortmund (Region mitderer Größe). In einer Weltwirtschaft, in der eine globale Innovationskonkurrenz besteht, ist es aus Unternehmenssicht für die Wettbewerbsfähigkeit wesentlich, Produktionsbzw. produktrelevante Innovationsprojekte bzw. innovative Vorprodukte auch durch internationale Aktivitäten zu realisieren: Bei Innovationsprojekten erlaubt
IKT-Expansion, Strukturwandel und Clusterdynamik in der EU • 29
gerade das Internet auf sehr effiziente Weise, innovationsrelevantes Wissen sowohl innerhalb eines internationalen Konzerns als auch in Form von Forschungs-Joint-Ventures zu mobilisieren. Was den Import von wissensintensiv hergestellten Vorprodukten angeht, so ist realistischerweise von einem in vielen Sektoren begrenzten Bezugsradius auszugehen — aus westeuropäischer Sicht sind gerade die osteuropäischen Beitrittsländer bzw. die dort produzierenden Firmen von besonderem Interesse. Dabei ist zu beachten, dass gerade auch in den Beitrittsländern Bildungs- bzw. Weiterbildungsaktivitäten häufig mit IKTbezogenen Schwerpunkten stattfinden. Daher besteht insgesamt ein erhebliches Potenzial für internationales Outsouring und Insourcing.
1.7 Outsourcing-Dynamik und Insourcing unter Berücksichtigung von IKT Es gibt im EU-Binnenmarkt eine erhebliche Outsourcing-Dynamik. Dies betrifft die Industrie einerseits, aber auch den Dienstleistungssektor andererseits. Unbestritten ist auch, dass gerade in den Beitrittsländern die Direktinvestitionszuflüsse aus Westeuropa - aus EU-15-Sicht also Offshoring - seit den 90er Jahren eine erhebliche Rolle spielen (FIW, 2005). Veränderungen der internationalen Wertschöpfungsstrukturen und damit auch des Außenhandels haben sich parallel zur IKT-Expansion ergeben: •
Offshoring spielt aus theoretischer Sicht (VERNON, 1966; 1979) in traditionellem Verständnis eine wichtige Rolle, soweit es um den Handel mit Produktzyklus-Gütern geht. Nach VERNON (1966) werden innovative Produkte zunächst in den USA — oder anderen führenden OECD-Ländern - entwickelt, wo sie in der Markteinführungsphase auch einen hochpreisigen Absatzmarkt mit anfänglich geringem Absatzvolumen finden; es kommt auch zu Exporten in einige Länder mit hohem Pro-Kopf-Einkommen. In der Expansions- bzw. Standardisierungsphase, wenn eine überarbeitete Produktinnovation und eine standardisierte Herstellungsmethode gegeben ist, erfolgt eine erste Produktionsverlagerung in andere OECD-Länder — mit geringeren Löhnen oder anderen relevanten komparativen Vorteilen; die USA werden damit aus der anfänglichen Nettoexportposition in der Handelsbilanz allmählich in eine Nettoimportposition übergehen. Schließlich erfolgt in der Ausreifungsphase eine Produktionsverlagerung der nunmehr völlig standardisierten Produktion in Entwicklungs- bzw. Schwellenländer. In einem modifizierten Beitrag von VERNON (1979) wird die Tatsache betont, dass US-Firmen keineswegs mehr in der Markteinführungsphase die Produktion nur in den USA organisieren, sondern dass es wegen der auf Seiten vieler OECD-Länder erfolgten
30 • Paul J.J. Weifens
einkommens- und technologiemäßigen Aufholprozesse durchaus zu einer gleichzeitigen Markteinführung in mehreren Ländern komme; die Grundidee eines marktphasen-determinierten Außenhandelssaldos bleibt aber auch hier erhalten. Wenn man aus der EU-25-Sicht den VERNON-Ansatz aufgreift, dann geht es im Verhältnis Westeuropa zu Osteuropa darum, dass Produktinnovationen in EU-15-Ländern entwickelt werden und in vielen Fällen bzw. Sektoren nach der Markteinführungsphase eine mittelfristige Produktionsverlagerung in osteuropäische Beitrittsländer erfolgt. Allerdings ist aus einer modernen Sicht von Außenhandel und Direktinvestitionen zusätzlich die besondere Rolle von Zwischenprodukten zu beachten. Kommt es im Rahmen von vertikalen Direktinvestitionen zu einem West-Ost-Lieferverb und, dass osteuropäische Firmen als Zulieferer von Produktkomponenten bei Produktinnovationen einbezogen sind, dann ergibt sich ein nochmals modifizierter Produktzyklus-Handel; dabei kann es durchaus im Sinn der VERNON-Hypothese mittelfristig auch zu einer Verlagerung der Endproduktherstellung nach Osteuropa bzw. langfristig auch in Entwicklungs- und Schwellenländer kommen. •
Eine wichtige Rolle von IKT ergibt sich im Kontext vom Produktzyklushandel dahingehend, dass in multinationalen Unternehmen gerade auch bei vertikalen Direktinvestitionen eine räumlich internationale Produktionssteuerung durch IKT-Nutzung erleichtert wird. Daher dürfte IKT den Produktzyklus-Handel grundsätzlich stimulieren. Zudem wirkt die IKT-Expansion auf eine Beschleunigung der Produktzyklen hin, was ein weiteres Argument für eine tendenziell größere Rolle des Handels mit Produktzyklusgütem ist.
Neuere Analysen zur internationalen IKT-Dynamik sind für Wirtschaft und Wirtschaftspolitik zu beachten: •
Empirische und theoretische Untersuchungen (CAMPA/GOLDBERG, 1997; HUMMELS/RAPOPORT/YI, 1998, KLEINERT, 2000) haben gezeigt, dass u.a. der Grad an Produktdifferenzierung, die Höhe der betrieblichen Fixkosten in der Produktion und der Anteil der Zwischenprodukte an der Wertschöpfung für die Entscheidung in Sachen Bedienung ausländischer Märkte über Exporte vs. Direktinvestitionen für eine Endproduktherstellung entscheidend sind. Das hier relevante KLEINERT-Modell ist besonders aufschlussreich, arbeitet allerdings mit der speziellen Annahme, dass Zwischenprodukte spezifisch sind bzw. nur im Land des Mutterkonzerns hergestellt werden können, so dass Transportkosten beim Handel ggf. sowohl bei den Zwischen- wie bei den Endprodukten entstehen. Direktinvestitionen im Ausland erlauben das Einsparen von Transportkosten, die sonst bei der
IKT-Expansiori, Strukturwandel und Clusterdynamik in der EU • 31
Alternative des Exports von Endprodukten angefallen wären. IKT beeinflusst nun sowohl die Verfügbarkeit bzw. die Rolle von Zwischenprodukten, da sich dank IKT leichter eine Fragmentierung des Wertschöpfungsprozesses realisieren lässt. •
Auch Produktdifferenzierungen lassen sich dank IKT preiswerter umsetzen. Aus der theoretischen Perspektive des KLEINERT-Modells ergibt sich damit eine tendenziell größere Rolle von Direktinvestitionen. Damit aber intensiviert sich aus deutscher Sicht der Standortwettbewerb. Allerdings scheint die Annahme des KLEINERT-Modells, dass Zwischenprodukte nicht im Ausland hergestellt werden, als unnötig restriktiv.
In einem Drei-Länder-Modell mit Herstellung von Zwischenprodukten in Niedriglohnländern kann sich eine verstärkte Rolle von Direktinvestitionen dadurch ergeben, wenn die Produktionsverlagerung aus Hochlohnland A in Niedriglohnland B - dort werden „nur" mittel-technologieintensive oder einfache Zwischenprodukte hergestellt — den Firmen aus Land A einen Wettbewerbsvorsprung im Hochlohnland-Markt C verschaffen kann; nämlich dann, wenn Anbieter aus dem C-Land die Option zur Produktion von Zwischenprodukten in B nicht ähnlich stark wie A-Produzenten nutzen bzw. nutzen können (z.B. weil das Land A geographisch näher an Land B gelegen ist). Der internationale Wettbewerbsvorsprung beim Endprodukt ergibt sich einerseits dadurch, dass die Produktion von Zwischenprodukten in Niedriglohnländern Kostenvorteile ergibt; andererseits lassen sich dadurch im A-Land Ressourcen für eine stärker auf Hochtechnologieprodukte ausgerichtete Produktion freisetzen, in der Schumpetersche Renditeprämien auf den Weltmärkten höher ausfallen als bei Gütern mit mittlerer Technologieintensität. Abhängig von der Verhandlungsmacht der Gewerkschaften werden von einer solchen veränderten Spezialisierung im Hochlohnland A dann längerfristig auch die Arbeitnehmer durch erhöhte Reallöhne bzw. Realeinkommen einen Vorteil haben. Outsourcing und Offshoring sind daher im Kontext des EU-25-Binnenmarktes wichtige Phänomene. Wenn es sich um Sektoren mit relativ geringer Technologieintensität handelt, dürfte statt des Offshorings häufig auch ein internationales Outsourcing aus Unternehmenssicht in Frage kommen - Offshoring ist, folgt man DUNNING (1977), insbesondere bei technologieintensiver Produktion wichtig, da durch die Auslandsproduktion im Tochterunternehmen die Kontrolle über selbst entwickelte Innovationen bzw. Technologien gewahrt bleibt. Im Übrigen wird man mit Blick auf Osteuropa annehmen können, dass Outsourcing eine längerfristig wachsende Rolle in einigen Branchen spielen wird, wenn nach der Herausbildung eines Netzwerkes inländischer Zuliefererfirmen - nachdem diese eine hinreichende Qualitätsreputation aufgebaut haben — die Option Outsourcing zunehmend interessant wird. Outsourcing als Option bedeutet in der Regel
32 • Paul J.J. Weifens
nämlich einen Kostenvorteil im Kontext einer von Wettbewerb charakterisierten Zuliefererstruktur. Die Verlagerung von Wertschöpfungsprozessen ins Ausland bzw. in Niedriglohnländer liefert der Presse häufig Schlagzeilen; allerdings gibt es durchaus auch gegenläufige Effekte, dass nämlich Unternehmen aus Niedriglohnländern — oft gerade den IKT-Bereich betreffend - auch Wertschöpfungsprozesse, und zwar gerade für solche mit hoher Wissens- und Technologieintensität gilt dies, in Länder mit starkem Bildungsniveau bzw. hohem Innovationsniveau verlagern. Ein wichtiges - in der Debatte bislang weitgehend vernachlässigtes — Phänomen ist hier von daher aus Sicht von Hochlohnländern das „Insourcing": Es gibt nicht nur die Verlagerung einfacher Jobs von Europa und USA nach Asien (ohne Japan), sondern es kommt auch von Seiten expansiver Produzenten in Schwellenländern zu einem Outsourcing hochwertiger Jobs in die EU oder die USA: Vor allem in den Bereichen Innovation und Marketing werden von jungen multinationalen Unternehmen der Schwellenländer neue Jobs in führenden OECD-Ländern geschaffen; denn diese haben komparative Vorteile bei technologie- und wissensintensiven Jobs bzw. Sektoren. Während nach der Devise Bad News Are Good News die Zeitungen voll mit schlechten Nachrichten über Jobverluste durch Outsourcing sind, wird über Insourcing praktisch kaum berichtet. AMITI/WEI (2005a, 2005b) haben gezeigt, dass die USA als globale Nr. 1 in 2002 immerhin für über 59 Mrd. $ Insourcing bei Unternehmensdienstleistungen und Computer- und Informationsdienstleistungen zu verzeichnen hatten (Unternehmen aus dem Ausland haben verstärkt Dienstleistungen als Vorprodukte aus den USA bezogen). Großbritannien, Frankreich und Deutschland folgen bei den absoluten Zahlen auf den Folgerängen. Deutschland hat beim Insourcing in den genannten Sektoren 28 Mrd. $ — über 1% des Bruttoinlandsproduktes - in 2002 verzeichnet, wobei hier auch grenzüberschreitende Intra-Konzern-Dienstleistungen eine wichtige Rolle spielten. Jedenfalls ist ein Globalisierungsbild, das nur über Outsourcing spricht, ein billiges Klischee.
2. Clusterperspektiven in der EU In einem wichtigen Dokument (EUROPEAN COMMISSION, 2010c, S.15ff.) der DG Enterprise and Industry wird festgestellt, dass der IKT Sektor für die Innovationsdynamik in der EU strategische Bedeutung hat; bei dieser IKTbezogenen Industriepolitik geht es um Impulse für •
Innovation;
IKT-Expansion, Strukturwandel und Clusterdynamik in der EU • 33
•
Wettbewerbsfähigkeit;
•
Nachhaltigkeit.
Diese Strategie soll auf der Ebene von Sektoren und Firmen ansetzen, wobei im Vordergrund stehen die Elemente: •
IKT-Nutzung;
•
Förderung IKT-bezogener Forschung und Entwicklung;
•
IKT Standardisierungspolitik;
•
Förderung von „digitaler Humankapitalentwicklung" (e-skills).
Es gibt unterschiedliche Ansatzpunkte bzw. Strategien für Cluster, die grundsätzlich regional, national oder international angelegt sein können und jeweils ein effizientes Clustermanagement verlangen. Man kann auf Basis der Überlegungen der Expertengruppe „Unternehmenscluster und Netzwerke" in Abhängigkeit von der strategischen Ausrichtung bzw. Zielsetzung vier grundlegende Arten von Clusterpolitik unterscheiden (DG ENTERPRISE, 2003): •
Katalytische Clusterpolitik, die auf eine Vernetzung der diversen Akteure setzt, wobei die Politik nur begrenzte Unterstützung gibt;
•
Unterstützende Clusterpolitik, die ebenfalls auf gezielte Vernetzung abzielt, wobei hier jedoch cluster-spezifische Investitionen bzw. Aufwendungen für Infrastrukturen, Ausbildung und Weiterbildung staatlich finanziert oder co-finanziert werden;
•
Aktive Clusterpolitik, die nicht nur unterstützende Clusterpolitik ist, sondern auch clusterspezifische staatliche Förderprogramme umfasst; diese sollen eine ökonomische Restrukturierung erreichen.
•
Interventionistische Clusterpolitik; diese ist noch umfassender und setzt auf die Schaffung eines neuen Sektors als Cluster oder, dass der Staat in großem Umfang selbst am Cluster aktiv beteiligt ist oder den Cluster gar umfassend kontrolliert.
Verschiedene EU-Länder haben unterschiedliche Ansätze in der Clusterpolitik, wobei Finnland in Westeuropa auf eine erfolgreiche langjährige Politik (gestartet in 1994) zurückblicken kann, die durchaus wesentliche Impulse für Strukturwandel und Innovationsdynamik hervorgebracht hat. Osteuropäische Beitrittsländer haben in erheblichem Maß einen Strukturwandel vollzogen, in dem sich im Zeitablauf die Wettbewerbsfähigkeit des IKT-Sektors verbessert hat. Das gilt vor allem für Ungarn, z.T. auch für Tschechien und Polen, wobei hier auf den modifizierten RCA-Index (BORBELY, 2006)
34 • Paul J.J. Weifens
abgestellt wird: Er misst die sektorale Exportquote eines Landes im Vergleich zur Exportquote aller Konkurrenzländer in einem Referenzmarkt (EU15-Markt). Die Ergebnisse für die drei genannten Länder sind nachfolgend dargestellt, wobei zusätzlich die Preisposition auf dem Weltmarkt angegeben ist: Der Exportdurchschnittserlös (Export Unit Value: EUV) ist ein interessanter Indikator, der anzeigt, wie sich im Zeitablauf die Preisposition auf dem Weltmarkt geändert hat. Höhere Qualität bzw. anspruchsvollere Produktsegmente und verbesserte Anbieterreputation werden es erlauben, den EUV im Zeitablauf zu steigern. Allerdings wirken den theoretischen EUV-Steigerungsmöglichkeiten in der Industrie oftmals starke statische und dynamische Massenproduktionsvorteile entgegen. IKT-Cluster sind nur in wenigen osteuropäischen Ländern entwickelt worden. Oftmals sind nationale Märkte im Bereich des IKT-produzierenden Sektors zu klein, um auf auskömmliche Stückzahlen in einer Vielzahl von IKTUnternehmen zu kommen; es bleibt, eine starke Fokussierung auf den IKTWeltmarkt zu versuchen, wo jedoch die Konkurrenz sehr hart ist. Teilweise ist als Alternative die Spezialisierung auf IT-Dienste von Interesse, da hochwertige digitale Dienste nicht so sehr auf das Vorhandensein großer Heimatmärkte als Start-Wettbewerbsvorteil angewiesen sind. Allerdings ist eine deutliche digitale Wissensfokussierung bzw. -Spezialisierung wohl erforderlich. Unter den osteuropäischen EU-Beitrittsländern dürfte Polen im Bereich der IKT-Produktion langfristig recht gute Chancen haben, hohe Direktinvestitionszuflüsse zu aktivieren. Denn Polen stellt zunächst einen relativ großen nationalen Absatzmarkt dar und zugleich gibt es einen relativ hohen Anteil an gut ausgebildeten Arbeitskräften bzw. IT-Spezialisten. Die polnische Wirtschaftsförderungsagentur PAIZ hat erhebliche Anstrengungen unternommen, gerade im IKT-produzierenden Sektor leistungsfähige ausländische multinationale Unternehmen ins Land zu holen.
Clusterpolitik in Tschechien Es ist interessant, exemplarisch einige Ansätze von Clusterpolitik in ausgewählten EU-Ländern bzw. Regionen zu betrachten und dabei auch osteuropäische Beitrittsländer einzubeziehen. So ist etwa die tschechische IKT-Clusterpolitik (TERSTRIEP, 2007) als Mehrebenenpolitik angelegt, in der die unterste Politikebene kaum Einfluss hat und im wesentlich im Sinn katalystischer Clusterpolitik aktiv wird. Es gibt eine National Cluster Strategy 2005-2008 als landesweites Programm; hinzu kommt ein Operationelles Programm Industrie und Unternehmen (OPIE), das unter Federführung des Ministeriums für Industrie und Handel organisiert ist und wesentlich durch die speziell hierfür etablierte Agentur Czechlnvest realisiert wurde - dies ist ein zentralisiertes Clusterprogramm. Auf
IKT-Expansion, Strukturwandel und Clusterdynamik in der EU • 35
Basis des OPIE-Ansatzes können Cluster sowohl regional als auch national oder auch grenzüberschreitend konzipiert sein. Die Clusterpolitik Tschechiens ist darauf gerichtet, Wettbewerbsfähigkeit und Wirtschaftswachstum zu erhöhen, wobei es insgesamt wenig Bottom-up Ansatzpunkte gibt. Die Herausbildung von regionalen IKT-Clustern in Osteuropa ist daran gebunden, dass man aus Industriesicht fünf Ansatzpunkte gleichzeitig vorfindet: •
Vorhandensein gut ausgebildeter, einschlägiger Arbeitskräfte
•
Hohe Standortqualität, wobei dies breitbandige Anschlüsse in der betrachteten Region einschließt
•
Angemessene wirtschaftspolitische Förderung in der Region und von der nationalen Politikebene, wobei hier Gründungsförderung und staatliche anspruchsvolle IKT-Diensteaufträge im Focus stehen
•
Starke IKT-Spezialisierung im Kontext mit den vorhandenen besonderen Standortqualitäten
•
Aktive Nutzung nationaler und internationaler Vernetzungsmöglichkeiten - mit relevanten nationalen oder internationalen Partnern — mit führenden spezialisierten IKT-Akteuren
Zu den erkennbaren Schwachpunkten in einigen Ländern der EU, speziell auch in Osteuropa, zählen offenbar: •
Unzureichende Verfügbarkeit von Fachkräften; die IKT-Industrie braucht spezifische Fachkräfte bzw. Softwareingenieure, die in vielen EU-Ländern in unzureichender Zahl zur Verfügung stehen.
•
Relativ langsame Entwicklung der Leuchtturmprojekte im Umfeld nationaler Förderprogramme
•
Zögerliche öffentliche Verwaltung, wenn es um die Anschaffung modernster Soft- und Hardware geht.
Es ist daher wichtig, dass die EU-Mitgliedsländer bzw. die Regionen in diesen Ländern verstärkt Möglichkeiten prüfen, die IKT-Modernisierung bzw. IKTExpansion angemessen zu fördern. In der schnelllebigen IT-Welt - geprägt durch hohe Innovationsdynamik - ist es notwendig für die Mehrzahl der Firmen, dass relativ kurze Innovationszyklen gefahren werden können und eine wissensmäßig angemessene Vernetzung mit Innovationspartnern erfolgt. Es gibt in einzelnen EU-Ländern bereits erste konkrete Erfahrungen mit IKTNetzwerken und IKT-Clustern. Dabei kann in kleinen EU-Ländern wegen des meist geringen Inlandsmarktes nur von begrenzten Möglichkeiten zur Schaffung eines IKT-Clusters ausgegangen werden. Von besonderem Interesse sind die
36 • Paul J.J. Weifens
Untersuchungsergebnisse für die sich dynamisch entwickelnde Vienna Region (Wien+Niederösterreich+Burgenland), aber u.a. auch die Region Dortmund und das Paradebeispiel der Region, wo sich Philips als einzigartiger Motor eines erfolgreichen IKT-Clusters erwiesen hat - dabei hat Philips den Anspruch, globale Standards zu setzen, indem eigene Innovationen im Rahmen einer Netzwerkstrategie international forciert werden: mit Einbeziehung zahlreicher Wettbewerber und Innovationspartnerfirmen, die auf dem Philips-Forschungszentrum aktiv sind und im Rahmen einer Technologiebörse - etabliert zwischen Philips und Hunderten Innovationspartnern — zu einem internationalen Handel mit Innovationen führen. Bevor auf das bekannte Philips- bzw. EinhovenFallbeispiel eingegangen werden soll, sei zunächst ein Blick auf eine relativ junge IKT-Region in Österreich, nämlich die Vienna Region zu werfen; zudem ein Blick auf den etablierten IKT-Cluster Dortmund, der lange Jahre als Vorzeigeregion galt, jedoch im Vergleich mit der Dynamik führender IKTRegionen auch Probleme erkennen lässt.
2.1
IKT-Fallstudie Vienna Region und Dortmund
Aus regionalen Fallstudien — insbesondere Erfolgsmodellen — kann man für die Wirtschaftspolitik wichtige Schlussfolgerungen ziehen; von daher werden hier nachfolgend die Vienna Region und einige andere Regionen betrachtet. Die Vienna Region (VR) — also der Großraum Wien — ist Gegenstand einer umfangreichen Studie zur regionalen IKT-Dynamik gewesen, wobei zum Vergleich London, München, Helsinki, Bratislava und Bukarest betrachtet wurden (KMU FORSCHUNG AUSTRIA/FHG ISI, 2007). Im Jahr 2005 gab es etwa 8300 IKT-Firmen in der VR, wobei dort 73200 Personen beschäftigt waren; 3700 waren Selbständige. Erträge und erwirtschaftete Erlöse beliefen sich in diesem Jahr auf 21,2 Mrd. €, wobei die Bruttowertschöpfung - sektorale Umsätze minus Vorleistungen — 7,5 Mrd. betrugen. In Österreich ist die VR die wichtigste ITRegion: 2/3 der bundesweiten IKT-Beschäftigung, 57% aller österreichischen IKT-Betriebe und 76% des sektoralen IKT-Wertschöpfung in Österreich werden durch die VR repräsentiert; dabei ist Wien insofern in der VR dominant als hier 64% der IKT-Betriebe der Region VR zu finden sind. Interessant ist auch, dass der IKT-Sektor mit Blick auf seinen Anteil an der gesamten marktbasierten Wirtschaft Wiens für 8% des Unternehmensbestandes, für 10% der erwirtschafteten Erlöse und Erträge sowie desgleichen auch für 10% der Beschäftigung stand; zudem für 15% der lokalen Bruttowertschöpfung. Mit Blick auf die Unternehmensstruktur ist für den IKT-Sektor in der VR ein hoher Anteil von Klein- und Kleinstfirmen sowie Einpersonenunternehmen charakteristisch: der Anteil der Einpersonenunternehmen in Wien lag bei 56%. Die große Mehrzahl der Betriebe - etwa 96% der Firmen der IKT-Wirtschaft - waren im
IKT-Expansion, Strukturwandel und Clusterdynamik in der EU • 37
IKT-Dienstleistungsbereich aktiv, vor allem bei Datenverarbeitung und Datenbanken — häufig mit Schwerpunkt auf IT Services für regionale Nachfrager. Ein nur geringer Teil ist in ausgesprochenen IKT-Innovationsfeldem - Embedded Systems, IT-Sicherheit, Medizininformatik - präsent. Der Hauptgrund dafür, dass nur wenige innovationsstarke IKT-Unternehmen sich auf diverse technologische Nischenmärkte konzentriert haben, liegt in der geringen Nachfrage aus IKT-getriebenen oder Hochtechnologie-Industriesektoren (im Unterschied etwa zu München mit seinen dynamischen Nachfragesektoren Automotive, Medien, Elektronik). Relativ viele Unternehmen — rund 200 — waren unter der Überschrift Open Source Software aktiv, wobei die Nähe zu Universitäten und OSSInteressenvertretungen (mit internationaler Bedeutung) offenbar förderlich für diese Strukturausprägung war. Die Autoren der VR-Studien betonen die Rolle der Gründerdynamik (KMU FORSCHUNG AUSTRIA/FHG ISI, 2007, 2-3), wobei positiv eine gute Verfügbarkeit von qualifizierten Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen festgestellt wird; aber es gebe eine nur eingeschränkte Verfügbarkeit von Risikokapital und betont wird die in manchen Bereichen starke globale Konkurrenz: „Der IKT-Sektor ist allgemein geprägt durch eine hohe Gründerdynamik. Zahlreiche Beispiele wie YouTube zeigen, das IKT Start-Ups überproportional häufig extrem hohe Wachstumsraten erzielen und sich innerhalb weniger Monate bzw. Jahre zu hochkapitalisierten börsennotierten Unternehmen entwickeln können. Ein hohes Niveau an Gründungsaktivitäten ist auch im IKT Sektor in der VR erkennbar. In den vergangenen Jahren (mit Ausnahme des Jahres 2003/04, infolge der dot.com Krise) lag der Anteil der IKT Neugründungen an den gesamten neu gegründeten Unternehmen zwischen 9% und 11%: Da Gründungen im IKT Sektor häufiger sind als in anderen Sektoren, ist anzunehmen, dass die Bedeutung des IKT Sektors, gemessen an der Zahl der Unternehmen, weiter zunimmt. Trotz dieser Zahlen ist aber auch festzustellen, dass in anderen Regionen, wie z.B. München, die Gründerdynamik im Bereich IKT noch höher ist. Die Analyse der Außenfinanzierungsstrukturen zeigt, dass die Betriebe, vor allem Klein- und Kleinstbetriebe, meist fremdfinanziert sind. Private Equity und Venture Capital (PE/VC) spielt als Finanzierungsform in der VR für IKT Unternehmen in diesem Zusammenhang eine nur untergeordnete Rolle. Der PE/VC Markt ist vergleichsweise jung, die Fondsvolumen klein und insbesondere in den wichtigen und riskanten Frühphasen (Seed und Start-Up) fehlt das entsprechende Engagement der PE/VC Geber. Wichtige Gründe für die vergleichsweise geringe Nutzung von PE/VC liegen aber auch in den Geschäftsmodellen der meisten IKT Unternehmen und Start-Ups: Entweder eignen sich die Geschäftsmodelle nicht für PE/VC (weil z.B. zu geringe Wachstumsaussichten bestehen, speziell bei den in der VR vorherrschenden allgemeinen IT Dienstleistungen) oder die Wachstumspläne von Betrieben mit grundsätzlich hohem Wachstumspotenzial sind nicht ambitioniert genug.
38 • Paul J.J. Weifens
Generell wird von Experten in der VR in diesem Zusammenhang ein noch zu gering entwickelter Unternehmensgeist beklagt (Stichwort: Risikobereitschaft). Zu berücksichtigen ist allerdings auch, dass der lokale österreichische Markt für IKT Betriebe mit PE/VC-relevanten Wachstumsaussichten meist zu klein ist, weshalb sich derartige Unternehmen auch sehr schnell einem globalen Wettbewerb ausgesetzt sehen." Wie man sieht, ist die VR trotz des Schwerpunktes Wien mit seinen guten Verbindungen auch zu den neuen osteuropäischen EU-Mitgliedern nicht ohne weiteres als international führender IKT-Standort einzuordnen. Mit Blick auf Handlungsempfehlungen lautet die kritische Botschaft in Sachen Clusteroption wie folgt (KMU FORSCHUNG AUSTRIA/FHG ISI, 2007, 6): „Etablierung einer Clusterpoütik im IKT Bereich? IKT ist in seiner Gänze in sehr vielen Bereichen der Wirtschaft und der Wissenschaft zu finden und eignet sich ohne feinere Differenzierung in Subsektoren kaum für eine sinnvolle Clusterstrategie. In den meisten einzelnen Subsektoren fehlt die kritische Masse an Akteuren mit überregionalem Renommé sowie das notwendige Potenzial an herausragenden Innovationen, woraus sich Cluster entwickeln könnten. Clustermappingstudien zeigen denn auch, dass Clusterpolitiken im Bereich IKT in Europa rar sind. Nichtdestotrotz äußert sich in den Interviews mit IKT Verantwortlichen vielfach der Wunsch nach einem „IKT-Beauftragten" (der IKT Unternehmen als Anlaufstelle/Coach dient), einem „IKT-Rat" oder einer „gemeinsamen Dachmarke" (Stichwort: Standortmarketing). Derartige ausgewählte Elemente einer Clusterpolitik könnten sich (zum Beispiel im Bereich Vermarktung, indem auf die Vielfalt und Qualität der vorhandenen IKTKompetenzen in der Region verwiesen wird) als durchaus wichtige und zweckmäßige Mittel zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit der lokalen IKT Wirtschaft erweisen — für die Implementierung solcher Maßnahmen könnte auf bereits bestehende Strukturen (z.B. die Vienna IT Enterprises (VITE)) aufgesetzt werden...Die strukturellen Gegebenheiten im Unternehmenssektor sind im KMU Bereich durch zwei Gruppen von Unternehmen (viele kleinere IKT Unternehmen, die eher allgemeine Dienstleistungen anbieten sowie eher wenige hochinnovative High-Tech IKT- Betriebe, meist Start-Ups mit universitärem Background) gekennzeichnet, die vermutlich unterschiedliche Förderbedürfnisse aufweisen. IKT Unternehmen, die im allgemeinen IKT Dienstleistungsbereich tätig sind, hängen in starkem Masse von der lokalen Nachfrage nach derartigen Dienstleistungen ab und erschienen kaum geeignet als Zielgruppe für grundlagenorientierte und/oder auf radikale Innovationen ausgelegte F&EFörderprogramme. Den IKT KMU in diesem Bereich dürfte am meisten geholfen sein, wenn die Nachfrage nach ihrem Leistungsangebot gesichert bzw. stimuliert wird. Hierzu könnte z.B. eine Standortpolitik beitragen, die Unternehmen aus Nicht-IKT Branchen (Headquarter großer Multinationals, Banken, Versicherungen, aber auch KMU) an Wien bzw. die VR bindet."
IKT-Expansion, Strukturwandel und Clusterdynamik in der EU • 39
Erfolgreiche Cluster-Politik kann man aus ökonomischer Sicht grundsätzlich an vier Kriterien festmachen: •
Es gelingt, eine kritische Masse an kompetenten und wettbewerbsfähigen Firmen am Standort 2u aktivieren;
•
im Zeitablauf verstärkt sich die Vernetzung wissens- bzw. patentaktiver Akteure, was die nationale und internationale Wettbewerbsfähigkeit im betrachteten Sektor bzw. der relevanten Region stärkt;
•
es kommt zu einer gewissen Mobilität des Wissens auch durch Erfindermobilität;
•
Wertschöpfung und Beschäftigung in realer Rechnung wachsen im Zeitablauf.
Wenn man die Auswertung bzw. die entsprechenden Diagramme zur Kooperation und Mobilität bei Patenten und damit die direkte Wissensvernetzung in der Vienna Region betrachtet, so ist eindeutig festzustellen: •
Die Patent-Kooperation hat, ausgehend von einer teilweise schon intensiven Vernetzung, im Zeitablauf deutlich zugenommen: Wenn man 1992-99 und 2000-07 vergleicht, dann kann man eine starke Zunahme der Kooperation im Forschungsbereich erkennen.
•
Eine gewisse Erfindermobilität ist festzustellen, und zwar schon im Ausgangszeitraum 1992-99; diese steigt dann im Zeitablauf leicht an. Es ist nicht unbedingt erstaunlich, wenn man nur eine begrenzte Steigerung der Mobilität feststellt, denn Top-Mitarbeiter werden sicherlich gerade auch bei den IKT-Großunternehmen häufig durch Prämien bzw. Gehaltserhöhungen im Unternehmen gehalten.
•
Wertschöpfung und Beschäftigung im IKT-Sektor haben im Zeitablauf zugenommen.
•
Die VR erscheint von daher durchaus als ein erfolgreiches ClusterProjekt.
40
• Paul J.J. Weifens
Abb. 8: Kooperationsnetzwerk für IKT- Vienna Region 2000 bis 2007
Abb. 9: Kooperationsnetzwerk für IKT- Vienna Region 1992 bis 1999
Quelle: EIIW-Berechnungen
IKT-Expansion, Strukturwandel und Clusterdynamik in der EU • 41
Abb. 10: Mobilitätsnetzwerk fur IKT- Vienna Region 2000 bis 2007
Quelle: EIIW-Berechnungen
Abb. 11: Mobilitätsnetzwerk fur IKT - Vienna Region 1992 bis 1999
Quelle: EIIW-Berechnungen
42 • Paul J.J. Weifens
Region Dortmund Nordrhein-Westfalen hat in der Region Dortmund eine Städtetriade aufzuweisen, die schon seit den 80er Jahren allmählich einen Strukturwandel von der Montanindustrie hin zu einer Dienstleistungsmetropole entwickeln konnte, wobei der IKT-Sektor von Anfang an — unterstützt durch Impulse von der Universität Dortmund mit ihrer starken Fokussierung auf Informatik - eine wichtige Rolle spielte. Die Landesregierung hat Dortmund über viele Jahre beim Strukturwandel gefördert und zeitweise flössen auch EU-Strukturfondsmittel nach Dortmund. Nordrhein-Westfalen wird in einer neueren Studie (MONSE, 2008) charakterisiert als das Bundesland mit der größten Dichte von IKTUnternehmen in Deutschland, als Zentrum der Telekommunikationsbranchen (mit über 1000 Unternehmen und rund 49000 Beschäftigten); NordrheinWestfalen sei auch ein Zentrum der Softwareindustrie mit immerhin rund 14 000 Unternehmen und über 90000 Beschäftigten. In der Ausgangslage werden als strategische Cluster/Netzwerke/Themen bezeichnet: •
RFID Chips; diese Chips sind für den Aufbau und das Management intelligenter Logistiksystem wesentlich; hier gibt es aktive und passive RFID, soweit man auf die eigene Sendekapazität von RFID abstellt.
•
Mobile Kommunikation
•
Geodaten-Informationssysteme
•
Komplexe Computer Netzwerke SOA bzw. Utility Computing (SaaS), wobei letzteres im Kern auf netzbasiertes Softwarenutzungen für Wirtschaft, Haushalte und Verwaltung abstellt.
Als regionale Cluster werden aufgeführt: •
RFID Competence Cluster Dortmund
•
Rheinschiene/Dortmund im Bereich Mobilkommunikation
•
Bonn, Mühlheim, Münster bei Geodaten-Informationssystemen
•
IT-Security Bochum/Gelsenkirchen als Region mit Pilotaktivitäten im Bereich komplexe Computernetzwerke und Utility Computing.
•
Hinzu kommt die Mitwirkung Nordrhein-Westfalens in internationalen Clustern bzw. Netzwerken, nämlich ICT for European Regions (Interreg IV-Programm, das auf EU-Mitteln aufsetzt); sowie Breitband NRW/ NL, das auf ein Interreg IV A der Europäischen Kommission aufbaut.
Insgesamt steht IKT.NRW für sieben Themen-Netzwerke: •
Breitband
IKT-Expansion, Strukturwandel und Clusterdynamik in der EU • 43
•
Geoinformationen
•
IT-Sicherheit
•
Mobilkommunikation
•
RFID und Sensornetze
•
Smart Cities
•
SOA/Saas im Bereich Computernetzwerke und digitale Softwarenutzung
Die Staatskanzlei koordiniert diverse Aktivitäten im Umfeld des IKT-Clusters, wobei das Cluster-Management von der Dortmunder Geschäftsstelle des FTK durchgeführt wird - einer außeruniversitären Forschungseinrichtung. Ein Aktivitätsfokus liegt auf Veranstaltungen für IKT-Interessanten, Blogs & Foren und der Bereitstellung insbesondere einer Web 2.0-Plattform (www.IKTNRW.de), die das Networking zwischen den Thema-Netzen erleichtern soll. Auf IKT-NRW.de hatten sich bis Mitte 2009 über 100 Unternehmen registrieren lassen und über 40 Akteure hatten z.B. Interesse an der Thematik Smart Cities bekundet. Innerhalb des IKT-Clusters hat die Region Dortmund unverändert eine starke Position, wobei jedoch im Vergleich zur hohen IKT-Dynamik in anderen EU-Regionen auch teilweise eine schwache Dynamik bzw. Netzwerkbildung festzustellen ist; dabei mag in der Region Dortmund für die IKTExpansion teilweise auch das im Zuge des Strukturwandels erfolgte Wegbrechen alter industrieller Akteure (speziell im Montanbereich) eine gewisse Bremswirkung entfaltet haben — man kann im Übrigen vermuten, dass für die z.T. schwache Internationalisierung die Fokussierung auf digitale Diensdeistungen in der Region eine Rolle spielt. Es fehlt im Übrigen von Seiten Nordrhein-Westfalens an Projektschwerpunkten im Medienbereich, wo sich erhebliche Expansionsmöglichkeiten bieten, zumal man an Rhein & Ruhr wegen der langjährigen Zuwanderungstradition eine enorme Sprachenvielfalt inhaltlich abdecken könnte und damit über besondere Intemationalisierungschancen verfügt. Die Region Dortmund — sie umfasst hier Dortmund, Hamm und den Kreis Unna — ist von der Landesregierung Nordrhein-Westfalen schon in den 80er Jahren durch den Aufbau der Universität und später durch die Gründung eines Technologiezentrums gefördert worden. Mit der zunehmenden Abwanderung der Wertschöpfung in den Bereichen Kohle und Stahl hat man sich regional und lokal entschlossen, verstärkt auf wissensbasierte Sektoren zu setzen. Hierbei spielt der IKT-Sektor eine wichtige Rolle (INDUSTRIE- UND HANDELSKAMMER ZU DORTMUND, 2009): Aus der IHK-Studie von 2009, die sowohl für Hamm als auch im Kreis Unna und teilweise in Dortmund auf einer Vollerhebung in der der IKT-Branche beruht, geht hervor
44 • Paul J.J. Weifens
•
Die Wirtschaftslage des eigenen Unternehmens wird mit 45,1% in Dortmund überwiegend als gut eingestuft, in Hamm und im Kreis Unna überwiegt mit 47,4% bzw. 44,3% der Befragten (bei 80% Rücklaufquote aus der IHK-Umfrage) die Note befriedigend. Die Einschätzung des wirtschaftlichen Verlaufs in 2009 wird in den genannten Teilregionen als gleichbleibend oder ansteigend eingestuft und ähnlich wird auch die Entwicklung bei den Beschäftigungszahlen eingeschätzt — mit der Negativausnahme Hamm.
•
Zwischen Ende 2004 und Ende 2008 ist die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten von 11 450 auf 12 7000 gestiegen, parallel zur Unternehmenszahl, die von 680 auf 800 anstieg. Im gleichen Zeitraum stieg im Kreis Unna die Zahl der Unternehmen von 438 auf 490, in Hamm von 165 auf 187. Im Kreis Unna stieg die Zahl der Beschäftigten von 1806 zu Ende 2004 auf 2200 zu Ende 2008, in Hamm lauteten die entsprechenden Zahlen 634 und 698.
•
Es gibt im IKT-Bereich eine erhebliche Vernetzung zwischen der Wirtschaft und der Universität Dortmund, wobei diese mit einer starken Fokussierung seit den 80er Jahren im Informatikbereich wesentliche Expansionsimpulse für den IKT-Sektor gesetzt hat.
Der Befund für die IKT-Bereiche in Sachen Patentvernetzung bzw. Wissensmobilität ist auf den ersten Blick für die Region Dortmund relativ bescheiden: •
Was die Kooperationsnetzwerke im IKT-Bereich angeht, so ist festzustellen, dass hier im Zeitablauf kaum Intensivierung stattgefunden hat;
•
Auch mit Blick auf die Mobilitätsnetzwerke ist im Zeitablauf keine deutliche Steigerung sichtbar.
•
Allerdings sind in der Region Dortmund viele Unternehmen des IKTSektors im Software-Bereich aktiv, wo es in Deutschland bzw. der EU nur Copyrights und Markennamen als intellektuelle Eigentumsrechte, aber eben keine Patentierung gibt (von den USA sei hier als Sonderfall abgesehen). Die Vernetzung der IKT-Akteure im Raum Dortmund könnte daher deutlich größer sein, als die Auswertung der Patentdatenbanken nahelegt.
IKT-Expansion, Strukturwandel und Clusterdynamik in der EU • 45 Abb. 12: Kooperationsnetzwerk für I K T - Dortmund 2000 bis 2007 a|taT«nn.T«i
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58 • Paul J.J. Weifens
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IKT-Expansion, Strukturwandel und Clusterdynamik in der EU • 59
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Quelle: EUROPEAN CLUSTER OBSERVATORY (2009)
4.3.2 Automotive in Großbritannien 2008 wurden in Großbritannien insgesamt 1,649,515 Fahrzeuge produziert. Davon entfällt der größte Teil auf die Produktion von PKWs (insgesamt 1,446,619 Fahrzeuge in 2008) (OICA, 2008). Dies bedeutet, dass Großbritannien zu einem der größten Automobilproduzenten der Europäischen Region gezählt werden muss. Diese Kompetenz wird dadurch unterstützt, dass 180000 Menschen direkt in der Produktion von PKWs arbeiteten. Davon arbeiteten 640,000 Menschen bei Automobilzulieferern, im Automobilverkauf und im Service. Großbritannien hat jedoch wie jedes andere westeuropäische Land damit zu kämpfen, dass die Produktion von Fahrzeugen immer mehr in kostengünstigere Länder verlegt wird. Weiterhin zeigt sich, dass die Automobilindustrie in Großbritannien deutliche Jobverluste zu verzeichnen hat. Waren 1999 noch 95,214 Menschen in der Produktion von Fahrzeugen involviert, beschäftigten Automobilbauer 2008 nur noch 63,749 Menschen (-33%). Diese recht positive Entwicklung wird dadurch eingetrübt, wenn die Patentanmeldungen für den Bereich Automotive in die Betrachtung mit einbezogen werden. Im Gegensatz zu sämtlichen anderen Regionen ist eine Abnahme der Anmeldungen zu erkennen (zwischen den zwei Betrachtungszeiträumen um -48 Anmeldungen). Vergleicht man nun wiederum die Anmeldungen für UK mit den Anmeldungen anderer Vergleichsländer zeigt sich, dass diese Länder ein deutliches Wachstum hinsichtlich der Patentanmeldungen zeigen.
Innovations- und Spezialisierungsdynamik im Automotivesektor • 367
4.3.3 West Midlands Die „West Midlands" befinden sich im Zentrum von Großbritannien. Die Region setzt sich aus fünf Verwaltungsbezirken zusammen (Herefordshire, Worcestershire, Shropshire, Staffordshire und Warwikshire). Hier finden sich Metropolregionen wie Birmingham (zweitgrößte Stadt in Großbritanien), Coventry, Dudley, Sandwell, Solihull, Walsall und Wolverhampton. Sie gilt als „Wiege der industriellen Revolution". Die West Midlands weisen innerhalb Großbritanniens die höchste Dichte an Maschinenbau und produzierenden Unternehmen auf. Seit 2007 wird diese Region durch ein operationelles Regionalprogramm des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) gefördert. Der Gesamtetat beträgt 800 Mio.EUR. Ziel dieses Programms ist die wirtschaftliche Produktivität zu erhöhen und die Arbeitslosigkeit zu senken (2008 betrug die Arbeitslosenquote in den West Midlands 6,3%, in Großbritannien 5,4%; Mai/Juni 2009 in den West Midlands sogar 10,5%). Nachhaltiges Wirtschaftswachstum steht dabei ebenso im Vordergrund, wie Ungleichheit zu beseitigen. Ein Ziel ist die bessere Vernetzung von Forschungseinrichtungen und der Wirtschaft und die Ausweitung von F&E. Ein Schwerpunkt der Förderung liegt auf dem Bereich Transporttechnik. In der Region gibt es vier große Universitäten, die Schwerpunkte im Bereich Automotive aufweisen und spezielle Forschungsmöglichkeiten in diesem Bereich anbieten. Hierzu gehört die Universität von Birmingham, die Coventry University, die University of Central England (UCE) und die University of Warwick.
368 • Oliver Emons Abb. 13: Die Region West-Midlands
Quelle: ADVANTAGE WEST MIDLANDS, 2010 Innerhalb der West Midlands findet sich ein Automotive Cluster, dass 1500 Unternehmen beinhaltet. Von den 5,4 Millionen Menschen die hier leben arbeiten insgesamt 115.000 Menschen im Bereich Automotive. Die Unternehmen erwirtschafteten 2008 einen Gesamtumsatz von 13 Milliarden EUR (Stand 2008). Das größte Automotive-Cluster Großbritanniens beinhaltet insgesamt 17 Tierl und zahlreiche Tier2 und Tier3 Automobilzulieferer (ADVANTAGE WEST MIDLANDS, 2008). Zwischen 2000 und 2007 wurden insgesamt 97 Patente unter Mitwirkung von Erfindern aus den West Midlands angemeldet. Hier zeigt sich zu den anderen europäischen Vergleichsregionen ein deutlicher Verlust im Vergleich zum ersten Untersuchungszeitraum (ein Verlust von 88 Patenten).
Innovations- und Spezialisierungsdynamik im Automotivesektor • 369
Zu den Premium- und Nischen-Automobilherstellern die ihren Hauptsitz in den West Midlands haben zählen Jaguar, Land-Rover und Aston Martin (ADVANTAGE WEST MIDLANDS, 2007). In der Region werden mittlerweile viele Programme angestoßen um die Situation von Automobilbauern und Automobilzulieferen zu stärken. Eines der wichtigsten Programme ist das Accelerate Programme. Es verfolgt das Ziel die Situation der Automobil-zulieferer zu verbessern. Hautakteure bei der Koordination finden sich an den Universitäten Birmingham und Solihull. Die Region ist ebenfalls in das Netzwerk Europäischer Automobilkompetenz (NEAC) eingebettet. Hierbei soll ein länderübergreifendes Netzwerk initiiert werden, mit dem Ziel der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit europäischer Regionen (Automobilcluster) gegenüber Clustern in Asien und den USA (WIREG, 2005).
4.4
Befunde für Regionen in Österreich
4.4.1 Allgemeine Wirtschaftssituation Österreichs Seit den 60er Jahren macht die österreichische Wirtschaft einen grundlegenden Wandel hin zu einem deutlichen Bedeutungszuwachs des Dienstleistungsbereichs (tertiärer Sektor) durch. Dies lässt sich vor allem an der Bruttowertschöpfung der einzelnen Wirtschaftssektoren erkennen (zwei Drittel der Bruttowertschöpfung wird von diesem Sektor erwirtschaftet). An zweiter Stelle steht der sekundäre Sektor mit ca. 31% der Bruttowertschöpfung. Der Bedeutungsverlust des sekundären Sektors lässt sich jedoch nahezu in allen EU27 Länder erkennen. Wirft man einen Blick auf aktuelle Indikatoren zur Wirtschaftsleistung Österreichs zeigt sich, das neben dem BIP pro Kopf, ebenfalls die reale BIP-Wachstumsrate und die Arbeitsproduktivität pro Kopf gesunken sind (INNO AUSTRIA, 2009). Die Werte für 2008 müssen jedoch vor dem Hintergrund der jüngst einsetzenden Finanzkrise betrachtet werden, denn trotz dieses Rückgangs liegt das Wachstum des realen BIP deutlich über dem Durchschnitt der EU-27. Ein gegenteiliger Effekt zeigt sich hingegen bei der Inflationsrate, den Lohnstückkosten und der Arbeitslosenquote, die 2008 deutlich unter diesem Durchschnitt zu finden waren. Österreich ist ein Land, das sehr stark durch die Globalisierung betroffen ist. Dies lässt sich vor allem an der Exportquote festmachen. Betrug diese 1995 noch 34,9%, waren es 2008 schon 59,4%. Im Vergleich lag der EU-Durschnitt bei 41,3% (2008). Neben diesem Anstieg lässt sich ebenfalls ein Anstieg der
370 • Oliver Emons
Importquote betrachten. Ein Blick auf den Außenhandel zeigt, dass die österreichischen Ein- und Ausfuhren von Waren sich seit 1995 mehr als verdoppel haben. Wichtigster Handelspartner ist Deutschland, denn mehr als 40% der eingeführten Waren stammen aus und ca. 30% aller exportierten Waren gingen nach Deutschland. Eine Übersicht über die 10 wichtigsten Handelspartner (gemessen an der Handelsintensität) lässt sich folgender Abbildung entnehmen. Demnach zählen ebenso Italien, die Schweiz, jedoch auch osteuropäische Länder wie die Tschechische Republik und Ungarn zu wichtigen Handelspartnern. Abb. 14: Top Handelspartner Österreichs
Quelle: STATISTIK AUSTRIA, 2009 Bei den Exporten von Waren lässt sich insbesondere entnehmen, dass die österreichischen Automobilzulieferer und Motorenhersteller zuletzt 2008 dominierend waren. Hauptabnehmer sind hier ebenfalls Deutschland und als wichtigster Überseemarkt die USA. Bei den Einfuhren von Waren lagen Schwerpunkte hauptsächlich bei Straßenfahrzeugen, Erdöl- und Erdölerzeugnissen, sowie Maschinen und Metallwaren. Wichtigste Handelspartner bei Einfuhren waren erneut Deutschland und Italien.
Innovations- und Spezialisierurigsdynamik im Automotivesektor • 371
Tab. 18: Allgemeine ökonomische Entwicklung Österreichs Nationale Leistung 2004 2008 124,7 126,9
BIP pro Kopf in KKS (EU 27=100) Reales BIP Wachstums2,5 rate (% Veränderung zum Vorjahr) Arbeitsproduktivität pro 117,5 Kopf (Beschäftigte) (EU 27=100) Wachstumsrate der 0,4 Beschäftigung (jährliche % Veränderung ) Inflationsrate 2,0 (Jahresdurchschnitt) Lohnstückkosten -1,8 (Wachstumsrate) Arbeitslosenquote ( % 4,9 Anteil an der Bevölkerung) Quelle: INNO AUSTRIA (2009)
Durchschnitt EU27 2004 2008 100* 100*
1,8
2,5
0,9
114,8
100*
100*
1,6
0,7
0,9
3,2
2,0
3,7
0,6
-1,4
0,5
3,8
9,0
7,0
Österreichische Unternehmen haben als „Early Mover" die Ostöffnung (Ostererweiterung der EU) als erstes erkannt und für sich genutzt („OsteuropaEffekt"). Mittlerweile gehen fast 23% der Warenexporte nach Mittel- und Osteuropa. Weiterhin wurden 20% des BIP in den Mittel- und Osteuropäischen Ländern investiert. Berechnungen der Industriellen Vereinigung (TV) zeigen, dass die Öffnung Osteuropas und der Beitritt Österreichs zur Europäischen Union zu einem jährlichen Wirtschaftswachstum von etwa 1% geführt hat (TV, 2009). Der folgenden Abbildung kann dieser Zusammenhang nochmals entnommen warden (die blaue (mittlere) Linie gibt das BIP-Wachstum der Eurozone wieder).
372 • Oliver Emons
Abb. 15: Wachstum des BIP mit und ohne sogenannten Osteuropa-Effekt
Quelle: IV, 2009 Das 8 Millionen Einwohner umfassende Land verfügt über 22 öffentliche und 11 private Universitäten, sowie 20 Fachhochschulen und 16 pädagogische Hochschulen. Bei einem Blick auf die F&E-Indikatoren Österreichs zeigt sich, dass im Gegensatz zu Deutschland und dem Vereinigten Königreich nur eine leichte Abnahme der Patentanmeldungen am EPA zu verzeichnen war. Weiterhin zu erkennen ist eine deutliche Zunahme der F&E-Ausgaben 2006 auf 2.45%. Bemerkenswert ist, dass Österreichs F&E-Quote seit 1997 über der durchschnittlichen F&E-Quote innerhalb der EU, seit 2004 sogar über der durchschnittlichen Quote der OECD-Länder liegt. Seit 2006 ist sie in etwa gleichauf mit der Quote Deutschlands (ÖTB, 2008). Wie auch in anderen OECD-Ländern wird der überwiegende Teil der F&E-Ausgaben Österreichs von Unternehmen getragen.
Innovations- und Spezialisierungsdynamik im Automotivesektor • 373
Tab. 19: F&E-Indikatoren für Österreich 2000 und 2006 Patentanmeldungen beim EPA* F&E-Ausgaben als Anteil am BIP** (Patentintensität) In % des BIP Je 1 Mio. Einwohner, nach Prioritätsjahr Zeit UK Österreich EU27 Deutschland Österreich 1.92 2000 101,677 268,869 147,361 1,74 2006 49,707 203,855 145,075 2.45 1,76 *Daten entnommen von EUROSTAT **entnommen vom BMWF/BMVIT/BMWFJ (2009), als Anteil am Bruttoinlandsprodukt im Ländervergleich Mittlerweile forschen in Österreich ca. 2000 Unternehmen. Vorwiegend handelt es sich hierbei um klein- und mittelbetriebliche Unternehmen. International tätige Konzerne liefern ebenfalls einen wesentlichen Beitrag zur Forschungslandschaft Österreichs. Weitere wichtige außeruniversitäre Einrichtungen sind das Austrian Institute of Technology (Forschungsgruppe) (AIT) und die Österreichische Akademie der Wissenschaften (Grundlagenforschung). Die einzelnen Bundesländer haben ihre Bemühungen in Forschungs- und Entwicklung zu investieren ebenfalls intensiviert. Insgesamt arbeiten 49.377 Menschen in diesem Bereich (Stand 2006), davon der größte Teil (mehr als 60%) im Unternehmenssektor. Ein Viertel arbeitet im Hochschulsektor. Mehr als 70% der F&E-Ausgaben sind dem Unternehmens sektor zuzurechnen, von denen der größte Teil auf die Experimentelle Entwicklung entfallt. In einem direkten Vergleich der Bundesländer entfällt der größte Teil der Ausgaben für F&E auf Wien (38,5%) und die Steiermark (17,8%) (BMWF, 2009). Die Forschungsfinanzierung in Österreich weist im Gegensatz zu anderen Ländern eine Besonderheit der Gestalt auf, dass im internationalen Vergleich ein sehr hoher (überdurchschnittlicher) Anteil der Forschungsfinanzierung durch international tätige Unter-nehmen mit Hauptniederlassung in Österreich getätigt wird. Eine Liste der Forschungsprogramme Österreichs lässt sich dem Anhang entnehmen. Anhand der Entwicklung bis 2008 schien Österreich in der Lage das LissabonZiel der 3%-Forschungsquote bis 2010 zu erreichen.
4.4.2 Clusterinitiativen in Österreich In den 90'er Jahren wurde in Österreich damit begonnen Cluster systematisch zu untersuchen und auszubauen. Als erste Regionen für die Entstehung von
374 • Oliver Emons
Clustern können die Steiermark (ACstyria Autocluster) und Oberösterreich herangezogen werden. Mitderweile finden sich in fast allen Bundesländern Clusterinitiativen. Eine beispielhafte Liste der Clusterinitiativen für die Vienna Region kann folgender Abbildung entnommen werden (beinhaltet ebenfalls clusterähnliche Zusammenhänge).43 Tab. 20:
Auszug von Clusterinitiativen - Vienna Region Wien Cluster Life Science Vienna Region Automotive Cluster Vienna Region Cluster Creative Industries IKT Cluster
Quelle: CLEMENT/WELBICH-MACEK (2007), S. 226/227
In den letzten Jahren hat sich in Österreich eine Clusterkultur entwickelt, wobei jedes Bundesland eine eigene Vorgehensweise bevorzugt. Stark Internationalisierte Cluster sind beispielsweise der Life-Science Cluster und der Automotive Cluster Vienna Region. Cluster in Österreich dienen derzeit hauptsächlich dazu die F&E-Tätigkeit zu erhöhen. Dadurch soll der Standort verbessert werden, Wirtschaftswachstum stimuliert und die Wettbewerbsfähigkeit des jeweiligen Landes verbessert werden. Weiterhin ist Österreich in europäische Clusterprogramme eingebunden.
43
Eine vollständige Liste kann dem Anhang entnommen werden
Innovations- und Spezialisierungsdynamik im Automotivesektor • 375
Abb. 16: Clusterforderung als Instrument ClusterfärderuRS als Instrument zur Erhellung der F&E-Tätigkeit Schaffung eines Innovationsfreundlichen Klimas • Zugang zu gemeinschaftlichen Labors • Schneller und gezielter Zugang zu neuesten Entwicklungen • Unterstütz mg des Technologietransfers • Kontakt zu potentiellen Kooperationspartnern • Riskoaufteilung • Aus- und Weiterbildung
Erreichen einer kntischen Größe in einer KMU-dominierten Wirtschaftsstruktur - Nutzung von Synergien • Tacrt Knowledge
Erhöhte F&E-T
Verbesserung des Standortes Makroökonomische Auswirkungen
Erhöhung des Wirtschaftswachstums Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit des Landes
Quelle: CLEMENT/WELBICH-MACEK (2007), S. 34 Im Rahmen der PRO INNO Europe Cluster Alliances wird unter anderem ein Netzwerk aufgeführt, dass den Namen CEE ClusterNetwork, Cluster policy Networking and exchange via the themes of internationalisation and incubation trägt. Dieses Netzwerk wird unter österreichischer Führung initiiert. Auffällig für die Clusterpolitik in Österreich ist, dass Cluster zwar mit vielen Bereichen der österreichischen Wirtschaftspolitik verwoben sind, jedoch diese Einbindung nicht sehr geordnet ist. Eine Ursache für diese diffuse Einbindung kann in der starken Ausrichtung der österreichischen Wirtschaftspolitik auf die Bundesebene gesehen werden (4 C FORESEE, 2009, S.118). Einerseits sind Clusterinitiativen dazu angehalten regionale Stärken auszubauen, jedoch andererseits sollten Bundesländergrenzen keine Hürde für Unternehmenskooperationen sein. Ein Beispiel für eine Bundesländer übergreifende Clusterinitiative ist beispielsweise das Automotive Cluster Vienna Region, das zum einen Teil von der niederösterreichischen Wirtschaftsagentur ecoplus und andererseits vom Wiener Wirtschaftsförderungsfonds getragen wird (4 C FORESEE, 2009, S.151-152).
376 • Oliver Emons
4.4.3 Automotive in Österreich Trotz der Tatsache, dass Österreich über keine eigene Automobilmarke verfügt, hat die Automotive-Industrie für Österreich wirtschaftpolitische Relevanz. Dies wird ebenfalls daran deutlich, dass für Österreich trotz einer im Verhältnis zu anderen europäischen Ländern geringen Anzahl an Patentanmeldungen im Bereich Automotive ein deutliches Wachstum der Anmeldungen zwischen beiden Untersuchungszeiträumen zu erkennen ist (Wachstum von 331 auf 584 Anmeldungen) In Österreich finden sich neben einem ausgeprägten Netzwerk von Automobil-Zulieferern, ebenfalls eine starke Kompetenz im Bereich der Forschung und Entwicklung im Bereich Automotive. In einigen Regionen zeigt sich eine starke Automotive-Clusterung. Zu den bekanntesten Clustern zählen Cluster in der Steiermark, Oberösterreich und Wien. Mehr als 175.00 Menschen arbeiten im Automotive-Sektor, wobei Schätzungen von einer indirekten Beschäftigung (durch die Automotive-Industrie belebt) auf 296.000 Menschen ausgehen. Der Zuliefererindustrie können circa 700 Unternehmen zugrechnet werden mit einem jährlichen Umsatz von 20 Milliarden Euro. Insgesamt wurden 2006 308.594 neue PKWs registriert, jedoch 242.211 PKWs exportiert. Daran wird deutlich, dass die Automotiveindustrie zu einer der wichtigsten Exportindustrien für Österreich gezählt werden kann. Weiterhin zeigt sich, dass fast 400 Millionen Euro jährlich in die Forschung und Entwicklung investiert werden. Weiterhin beschäftigt die Industrie circa 2200 Menschen direkt in der automotiven Forschung und Entwicklung. Neben den Austrian Research Centres übernehmen unter anderen das Joanneum Research und die Technische Universität Wien in der Automotive-Forschung eine führende Rolle (ACEA, 2009).
4.4.4 Automotive Cluster Vienna Region Zu einem der Bundesländergrenzen übergreifenden Clusterinitiativen zählt das Automotive-Cluster Vienna Region (4 C FORESEE, 2009, S.118). Nach der Gründung 2001 wuchs die Zahl der Mitglieder auf mittlerweile 128 (davon 63 produzierende Unternehmen). Dabei kommen die Partner hauptsächlich aus Wien (siehe folgende Tabelle).
Innovations- und Spezialisierungsdynamik im Automotivesektor • 377
Abb. 17: Clusterpartner des Automotive Cluster Vienna Region Bundesland der Partner
Anzahl
Wien
59
Niederösterreich
43
Burgenland
3
Sonstige Partner
23
Quelle: ACVR (2010); Stand 2009 Mit einem Gesamtumsatz von € 4.932.841.289 (ACVR, 2010) und insgesamt 36.040 Beschäftigten zählt dieses Cluster zu einem der größten in Österreich (CLEMENT/WELBICH-MACEK, 2007, S. 226/227). Der Schwerpunkt liegt auf Automotive-Zulieferern. Clustermitgliedern bietet sich nach CLEMENT/ WELBICH-MACEK (2007, S.154) Vorteile in Form eines Informationsvorsprungs, vereinfachte Kontaktmöglichkeiten, Öffnung neuer Märkte und dem Initiieren von Kooperationen. Weiterhin ist das Automotive Cluster Vienna Region in die erweiterte Region Centrope (Central European Region) eingebunden (Automotive Cluster CENTROPE). Man bezeichnet diese Region als das Detroit des Ostens. Diese Region erstreckt sich über Österreich, die Slowakei, Ungarn, Tschechien, Rumänien und Polen und wird für die Automobilindustrie immer wichtiger. Diese Kooperationsform wird durch drei wesentliche Clusterinitiativen getragen. Neben dem ACVR (Automotive Cluster Vienna Region) ist das Automotive Cluster Slovakia und das PANAC (Pannon Automotive Cluster) an der Initiative Automotive Cluster Centrope beteiligt.
378 • Oliver Emons
Abb. 18: Automobilproduktion in der Region CENTROPE
Quelle: ACCENTROPE (2010) Kritisch anzumerken ist, dass die Patentanmeldungen in der Vienna Region abgenommen haben (von 55 auf 47 Anmeldungen im Bereich Automotive).
4.5
Befunde für Regionen in den Niederlanden
4.5.1 Allgemeine Wirtschaftssituation Niederlande Wirft man einen Blick auf die Jahre vor der Finanzkrise lässt sich festhalten, dass die niederländische Ökonomie gut aufgestellt war. Sämtliche in folgender Tabelle aufgeführten Indikatoren haben sich zwischen 2004 und 2006 positiv entwickelt. Die Arbeitslosenquote ist im Zeitverlauf gesunken und lag deutlich unter dem Wert der EU27. In führenden Rankings zur Wettbewerbsfähigkeit von Ländern zeigt sich bis zum Einsetzen der Finanzkrise, dass die Niederlande zulegen konnten (INNO THE NETHERLANDS, 2009, p.l). Die Niederlande sind eine offene Volkswirtschaft und fünfgrößte Exportnation (WTO, 2009, p.9).
Innovations- und Spezialisierungsdynamik im Automotivesektor • 379
Tab. 21:
Indikatoren zur Wirtschaftsleistung der Niederlande
BIP pro Kopf in KKS (EU 27=100) Reales BIP Wachstumsrate (% Veränderung zum Vorjahr) Arbeitsproduktivität pro Kopf (Beschäftigte) (EU 27=100) Wachstumsrate der Beschäftigung (jährliche % Veränderung ) Inflationsrate (Jahresdurchschnitt) Lohnstückkosten (Wachstumsrate) Arbeitslosenquote ( % Anteil an der Bevölkerung)
Nationale Leistung 2007 2004 126.2 130.9
Durchschnitt EU27 2004 2007 100* 100*
2.2
3.5
2.5
2.8
112.2
112.4
100*
100*
-0.9
2.5
0.7
1.8
1.4
1.6
2.0
2.3
-0.5
0.4
-1.4
-0.8
4.6
3.2
9.0
7.1
Quelle: INNO THE NETHERLANDS (2009) Wie man folgender Tabelle entnehmen kann zählen zu den wichtigsten Importund Exportgütern mit einem Anteil von 34% bzw. 31% Maschinen und Transportmittel. Dabei ist Deutschland einer der wichtigsten Handelspartner für die Niederlande (BMBF, 2007, S . l l ) .
Tab. 22: Niederlande - Import-Export weltweit - 2006 Wichtigste Importgüter Maschinen & Transportmittel Mineralöl & produkte
Anteil am Gesamtimport
Chemische Produkte
13%
34% 17%
Wichtigste Exportgüter Maschinen & Transportmittel Chemische Produkte Lebende Tiere, Nahrungs- & Genussmittel
Anteil am Gesamtexport 31 % 17%
13%
380 • Oliver Emons
Lebende Tiere, Nahrungs- & Genussmittel
8%
Mineralöl & produkte
13%
Quelle: BMBF (2007), S. 11
Beide Länder weisen zueinander enge Beziehungen im Bereich der Bildung und Wissenschaft auf. Dies wird daran deutlich, dass es 400 Schüleraustauschprogramme gibt. Es existieren ebenfalls 650 Kooperationsvereinbarungen mit Instituten und Fachbereichen von Universitäten, außeruniversitäten Forschungseinrichtungen, wie beispielsweise Max-Planck-Instituten und Fraunhofer Instituten. Aufgrund der geographischen Nähe zum Bundesland Nordrhein Westfalen gibt es ebenfalls eine starke Zusammenarbeit in Form von Netzwerken zwischen Hochschulen, Unternehmen und Partnern aus den Niederlanden (BMBF, 2007, S.3).
Tab. 23:
F&E-Indikatoren für die Niederlande 2000 und 2006 Patentanmeldungen beim EPA* (Patentintensität)
F&E-Ausgaben als Anteil am BIP**
Je 1 Mio. Einwohner, nach Prioritätsjahr
In % des BIP
Zeit
UK
Deutschland
Niederlande
Osterreich
EU27
2000
101,677
268,869
216,511
1,83
1,74
2006
49,707
203,855
116,623
1,67 (-0.16)
1,76
(2009),
Anteil
*Daten entnommen von EUROSTAT **entnommen vom BMWF/BMVIT/BMWFJ Bruttoinlandsprodukt im Ländervergleich
als
am
Ein Blick auf typische Indikatoren für F&E für die Niederlande zeigt, dass sämtliche Werte zwischen 2000 und 2006 gesunken sind. Die Patentanmeldungen am EPA sind sogar um die Hälfte gesunken. Wurden 2000 noch 1.83% des BIP für F&E aufgewendet, sanken die Ausgaben 2006 um 0.16%. 2007 hingegen betrugen die Ausgaben für F&E 2% des BIP (KOOPERATION INTERNATIONAL, 2010c). Dies liegt jedoch unterhalb des OECD Durchschnitts von 2,29% des BIP. Die Hälfte der Forschungsfinanzierung erfolgt durch Unternehmen. Die Regierung der Niederlande ist hingegen mit 36% an den F&E-Ausgaben beteiligt. Ausländische Unternehmen und Mittel der EU machen insgesamt 11% der gesamten Ausgaben aus.
Innovations- und Spezialisierungsdynamik im Automotivesektor • 381
Einer der wichtigsten Hauptakteure der Forschungsförderung ist das Ministerium für Bildung, Kultur und Wissenschaften (OCW). Bei den Forschungsinstitutionen findet sich eine Gliederung in Universitäten (insgesamt 14), (semi-) öffentliche Forschungsinstitute und Unternehmen. Die größten forschenden Unternehmen in den Niederlanden sind Shell, DSM, Unilever, Nobel, Akzo und schließlich Phillips. 30% der Forschung ist den Universitäten zuzurechnen. 15% der Forschung wird von Forschungsinstituten und 55% von Unternehmen durchgeführt (in einem direkten Vergleich mit Schweden zeigt sich, dass in dem skandinavischen Land etwa 70% von Unternehmen durchgeführt wird (KOOPERATION INTERNATIONAL, 2010). Niederländische Universitäten gaben 2007 148.931.5 Millionen EUR für F&E aus. Im selben Jahr waren insgesamt 91.090 Menschen in der Forschung und Entwicklung beschäftigt, wobei die Anzahl an Forschern bei 44.116 liegt (die Anzahl der Forscher in privaten Unternehmen liegt bei 59.2 %) (KOOPERATION INTERNATIONAL, 2010c). Neben der Königlich Niederländischen Akademie der Wissenschaften (KNAW), das vom OCW finanziert wird, findet sich in der Forschungslandschaft der Niederlande ebenfalls die Niederländische Organisation für Wissenschaftliche Forschung (NWO), das als Forschungsrat des Landes fungiert. Unter dem Dach der KNAW finden sich insgesamt 18 Forschungsinstitute. Forschungsschwerpunkte liegen in der Grundlagenforschung und der strategischen Forschung. Beim NWO handelt es sich um eine unabhängige Organisation, die ebenfalls eine wesentliche Rolle bei der Grundlagenforschung spielt. Zu den Hauptaufgaben des NWO gehören im Wesentlichen die Forschungsförderung an Forschungseinrichtungen und Universitäten. Das NWO, KNAW, TNO (Organisation für angewandte wissenschaftliche Forschung), akademische Bibliotheken, Forschungsinstitute im Sozial- und Kunstsektor und Forschungsinstitutionen mit internationaler Ausrichtung sind dem Ministerium für Bildung, Kultur und Wissenschaft unterstellt. Das Ministerium ist für insgesamt 30 Einrichtungen zuständig. Schwerpunkte der Technologieund Wissenschaftspolitik liegen auf den Information- und Kommunikationstechnologien, Chemie und Genomik (KOOPERATION INTERNATIONAL, 2010c).
4.5.2 Automotive in den Niederlanden Die niederländische Automobilindustrie ist im europäischen Vergleich relativ klein. Hier finden sich Unternehmen wie Scania, DAF (beides LKW-Hersteller), Donkervoort oder Spyker (beides Sportwagenhersteller), die vorwiegend
382 • Oliver Emons
Sportwagen, hoch innovative Transportsysteme und Komponenten und Systeme für Fahrzeuge herstellen, die ebenfalls als hoch innovativ angesehen werden können. Bei der Produktion und Beschäftigung kann die Automobilindustrie in den Niederlanden nicht in Konkurrenz zu Ländern wie Schweden oder Deutschland treten. Dies zeigt sich ebenfalls bei Patenten im Bereich Automotive (Innovationsoutputindikator). Zwischen 1992 und 1999 sind zu 476 und zwischen 2000 und 2007 insgesamt 630 Patente beim Europäischen Patentamt angemeldet worden. Trotz dieser geringen Anmelderzahlen zeigt sich beim Automobilmarkt (Absatzmarkt), dass die Niederlande zum sechstgrößten Automobilmarkt in Europa zählt (sieben Millionen Fahrzeuge). Hierbei ist jedoch deutlich erkennbar das ein Trend hin zu kleinen Autos vorherrscht (TRADE&INVEST, 2009, S. 2). In der gesamten Automobilindustrie sind insgesamt 22.234 Menschen beschäftigt. Insgesamt werden in den Niederlanden 132.434 Fahrzeuge produziert (Stand 2006). Niederländische Unternehmen produzieren Komponenten für große Automobilhersteller wie BMW, Daimler Chrysler, GM und Volkswagen bis zu Sportwagenherstellern wie Ferrari und Maserati. Einziger Fahrzeughersteller in den Niederlanden ist Nedcar (zu 100% Mitsubishi). Nedcar produziert derzeit die Modelle Colt und Outlander. Die VDL-Gruppe produziert vor allem Reise- und Linienbusse (Berkhof, Bova). In den Niederlanden finden sich insgesamt 140 Firmen die der AutomobilZuliefererbranche zugerechnet werden können. Diese Unternehmen spielen in der europäischen Automobilindustrie eine wichtige Rolle. Der Gesamtumsatz dieser meist kleinen, oder mittleren Unternehmen Hegt bei circa 6. Mrd. Euro (TRADE&INVEST, 2009, S.3).
4.5.3 Eindhoven Geographisch liegt der Schwerpunkt der Automotive-Industrie im Südosten der Niederlande. Hier finden sich OEMs und Teilezulieferer, die eine wichtige Funktion bei der Beschäftigung und bei der Generierung von Innovationen einnehmen. In der Eindhoven-Region finden sich Automotive-Unternehmen wie beispielsweise DAF-Trucks (höchste Anzahl an Beschäftigten in der Automotiveindustrie der Niederlande mit Sitz in Eindhoven), die VDL Group, TomTom, Phillips Automotive und Siemens VDO. Schwerpunkte der Automotive Industrie liegen im industriellen Design, Elektronik, Herstellung, Entwicklung und Erprobung. Hier finden sich Forschungseinrichtungen wie beispielsweise die Technische Universität Eindhoven, TMO Automotive und PDE. Netzwerkorganisationen wie ATC, CCAR und Federation Holland Automotive sind in der Region um Eindhoven aktiv. Die Hauptaufgabe dieser
Innovations- und Spezialisierungsdynamik im Automotivesektor • 383
Netzwerkorganisationen besteht in der Förderung von Kooperationen zwischen Unternehmen und Forschungsinstituten (REDE, 2008, pp. 52-55). Von 39.298 Jobs in der gesamten niederländischen Automotive-Branche sind insgesamt 6910 Menschen in der Eindhoven-Region beschäftigt. Die gesamte Automotiveindustrie in dieser Region umfasst 125 Firmen. In der Region Nord Brabant sind es sogar 385 Unternehmen. Zum Vergleich sind in den Niederlanden insgesamt 2178 Unternehmen der Automotive-Branche zuzurechnen (REDE, 2008, pp. 52-55). Man kann in diesem Fall von einem Cluster sprechen, weil wie gezeigt eine ausreichende Dichte an Kooperationsbeziehungen zwischen den Unternehmen und öffentlichen und privaten Forschungsinstituten existieren. Dieser Zusammenhang spiegelt sich ebenfalls in den Patentanmeldungen für die Region wider. Hier ist es zwischen beiden Betrachtungszeiträumen zu einem Wachstum von 110 auf 151 Anmeldungen gekommen. Abb. 19: Nord Brabant und die Region um Eindhoven
GERMANY
¡ntwei +
Düsseldorf
Quelle: REDE, 2008, S. 4 50% der nationalen F&E-Ausgaben werden in der Region Eindhoven getätigt. Nach VAN DEN BERG ET AI. (2004) zählt die Region zu den drei innovativsten Regionen Europas. Bei der Generierung von Patenten nimmt Eindhoven sogar Platz 1 ein (550 Patente pro 100000 Einwohner). Die ansässige Wissenslandschaft wird durch das Unternehmen Phillips geprägt. Auf dem HighTech-Campus Eindhoven finden sich ebenfalls zahlreiche Bildungs- und Wissensinstitutionen, wie NatLab, Technische Universität Eindhoven (HÖLZL, S. 147). Bemerkenswert ist an dem High-Tech-Campus, dass es eine Zusammenarbeit zwischen Forschern aus dem Hause Phillips mit Forschern aus Unternehmen wie Siemens, Bosch gibt und auch gewünscht wird. Der Fokus des
384 • Oliver Emons
Campus liegt auf Bio- und Medizintechnologie, Mikrosysteme, Nanotechnologie und Automotive. Die Forschung und Entwicklung in diesen Bereichen soll branchenübergreifend sein (HÖLZL, S. 153). Eindhoven ist die fünftgrößte Stadt der Niederlande und bildet das Zentrum der Eindhoven-Region.
4.6
Befunde für Regionen in Ungarn
4.6.1 Allgemeine Wirtschaftssituation Ungarn Als Vergleichsland 2iehen wir Ungarn heran und betrachten hier ausgewählte auf den Bereich Automotive spezialisierte NUTS-3 Regionen. Für die Wahl Ungarns spricht, dass das osteuropäische Land bis 2008 durch ein stetiges Wachstum im Bereich der Fahrzeugherstellung und einer in diesem Sektor steigenden Anzahl an Beschäftigten gekennzeichnet war. Dennoch muss auch hier deutlich hervorgehoben werden, dass die Finanzkrise bzw. eine damit in Verbindung stehende Krise von Automobilherstellern und Zulieferern seine Spuren hinterlassen hat. Dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen. Dennoch zeigt sich, dass trotz PKW-Absatzeinbruch um 40% in den ersten beiden Monaten des Jahres 2009, sich die Kfz-Teile und Motorenproduktion besser entwickelt hat als erwartet wurde (IHK-ULM, 2009). Als Grund hierfür können die von anderen Staaten aufgelegten Belebungsprogramme, wie beispielsweise die Abwrackprämie in Deutschland herangezogen werden. Ungarn wies in den letzten Jahren mehrere strukturelle Probleme auf. Dies zeigt sich vor allem bei einem Blick auf ausgewählte Indikatoren. Der folgenden Tabelle lässt sich entnehmen, dass das ungarische BIP pro Kopf (in KKS) zwischen 2004 und 2008 fast stagnierte. Weiterhin zeigt sich bei wichtigen Indikatoren eine dem EU-Durchschnitt entgegengesetzte Entwicklung. Beispielsweise ist die Arbeitslosenquote gestiegen, jedoch im EU-Vergleich gesunken.
Innovations- und Spezialisierungsdynamik im Automotivesektor • 385
Tab. 24:
Allgemeine ökonomische Entwicklung Ungarns
BIP pro Kopf in KKS (EU 27=100) Reales BIP Wachstumsrate (% Veränderung zum Vorjahr) Arbeitsproduktivität pro Kopf (Beschäftigte) (EU 27=100) Wachstumsrate der Beschäftigung (jährliche % Veränderung ) Inflationsrate (Jahresdurchschnitt) Arbeitslosenquote ( % Anteil an der Bevölkerung) Quelle: INNO HUNGARY (2009)
Nationale Leistung 2004 2008 63,1 62,9
Durchsc initt EU27 2004 2008 100 100
4,7
0,6
2,5
0,9
72,0
74,4
0,7
0,9
-0,7
-1,4
0,7
0,9
6,8
6,0
2,0
3,7
6,1
7,8
9,0
7,0
Das ökonomische Wachstum von Ungarn lag 2007 unterhalb des EU 27 — Durchschnitts. Ungarn ist ein Land, welches wie Deutschland stark vom Export abhängig ist. Eine schwächelnde Nachfrage auf den Weltmärkten führt ebenfalls dazu, dass sich das Land nur schleppend von den Folgen der Finanzkrise erholen wird. Hierbei zeigt sich ebenfalls, dass Innovationsaktivitäten bedingt durch die Finanzkrise abgenommen haben. Gründe hierfür sind makroökonomische Voraussetzungen, eine schwache Nachfrage nach neuen Produkten und Diensdeistungen und hohe Entwicklungskosten. Bei der Berechnung von Standardindikatoren für den Innovationsgrad Ungarns zeigen sich ebenfalls durchschnittlich schlechtere Werte als im EU-Durchschnitt bzw. im Gegensatz zu anderen EU-Ländern. Die F&E-Ausgaben liegen mit 1,00 % unterhalb der durchschnittlichen F&E-Quote der EU27. Dennoch ist dies im Gegensatz zur F&E-Quote des Jahres 2000 ein leichter Anstieg der Ausgaben. Trotz dieses leichten Anstiegs ist das Land von der Lissabon-Vorgabe von 3% des BIP für F&E zu verwenden (bis 2010) noch weit entfernt. Bei den Patentanmeldungen beim EPA liegt Ungarn 2000 mit 11,803 Anmeldungen je 1 Mio. Einwohner deutlich hinter Deutschland (mit 268,869 Anmeldungen). In 2006 zeigt sich jedoch ein deutlicher Rückgang der Patentanmeldungen auf 8,754 Anmeldungen.
386 • Oliver Emons
Tab. 25:
Innovationsindikatoren für Ungarn Patentanmeldungen beim EPA* (Patentintensität)
F&E-Ausgaben als Anteil am BIP** In % des BIP
Je 1 Mio. Einwohner, nach Prioritätsjahr Zeit
UK
LTngarn
Deutschland
Ungarn
EU27
2000
101,677
11,803
268,869
0,78
1,74
2006
49,707
8,754
203,855
1,00
1,76
*Daten entnommen von EUROSTAT **entnommen vom BMWF/BMVIT/BMWFJ Bruttoinlandsprodukt im Ländervergleich
(2009),
als
Anteil
am
Anhand der Indikatoren zeigt sich eine geringe Forschungs- und Entwicklungstendenz im Vergleich zu anderen EU-Ländern. Die größten Veränderungen im Innovations system Ungarns vollzogen sich in der ersten Hälfte der neunziger Jahre. Ein Umbau des ökonomischen Systems führte zu einem starken Einbruch der industriellen Forschung innerhalb des osteuropäischen Landes. Jedoch lässt sich seit Mitte der 90 Jahre ein Aufholprozess beobachten. F&E-Ausgaben als Anteil am BIP werden im Gegensatz zu anderen EU-Ländern in Ungarn zum größten Teil durch die Regierung finanziert. Ein weiteres Problem in Ungarn zeigt sich darin, dass zwischen akademischer Forschung und Industrie nur schwache Verbindungen existieren. Dadurch bedingt findet eine Kommerzialisierung von F&E nur schleppend statt. Seit 2004 ist ein Wachstum von Ausgaben für Forschung und Entwicklung durch die Industrie zu erkennen. Dennoch kann nur ein Fünftel aller Unternehmen als innovativ bezeichnet werden. Kooperationen unter den zentralen Akteuren des Innovationssystems sind kaum vorhanden (ERAWATCH, 2010). Die Hauptakteure in der ungarischen Forschungslandschaft sind das Education and Science Committee, das Science and Technology Policy Council (TTPK), die Hungarian Academy of Sciences (MTA), das Ministry of Education and Culture, das Ministry of Economy and the Ministry of Education and Culture, das Ministry of Economy and Transport (bis März 2008), ein neuer Minister für Forschungspolitik und F&E (seit Mai 2008), das Research and Technological Innovation Council (KTIT), und das National Office for Research and Technology (NKTH). Das MTA kann mit ca. 100 Forschungsinstituten mitunter als einer der zentralsten Akteure der Forschungslandschaft Ungarns bezeichnet werden. Die Forschungslandschaft ist weiterhin durch insgesamt 25 anerkannte Universitäten (18 staatliche und 7 nicht-staatliche) und weitere 47 Hochschulen (die akademische Titel vergeben dürfen) gekennzeichnet.
Innovations- und Spezialisierungsdynamik im Automotivesektor • 387
4.6.2 Die Ungarische Automobilindustrie Hinsichtlich des Sektors Automotive untersuchen wir ebenfalls eine ausgesuchte Region in Ungarn. Die Automobilindustrie in Ungarn war bis zum Beginn der Finanz- und Wirtschaftskrise durch ein stetiges und schnelles Wachstum gekennzeichnet. Dies wird ebenfalls anhand der Patentanmeldungen für den Bereich Automotive sichtbar. Hier ist es zwischen den beiden Untersuchungszeiträumen zu einem etwa hundertprozentigen Wachstum gekommen (von 17 auf 35 Anmeldungen). Der Sektor zählt zum zweitwichtigsten des Landes. Der größte Teil der fertigenden Unternehmen weist eine ausländische Mehrheitsbeteiligung auf. Wichtigste Automobilhersteller in Ungarn sind Audi Hungaria in Györ, Suzuki Hungaria und General Motors in Szentgotthard. Zuletzt haben Suzuki und GM die zu produzierenden Einheiten jedoch deutlich verringert. Insgesamt wurden in Ungarn 2009 ca. 342,359 Fahrzeuge produziert (gesamte Fahrzeugproduktion). Dies sind im Gegensatz zum Vorjahr 18,5% mehr Fahrzeuge. Die größten Kfz-Zulieferer in Ungarn sind Bosch (Budapest, Eger, Hatvan und Miskoloc), Knorr Bremse (Kecskemet), Schäffler (Debrecen), ZF (Eger) sowie Alcoa, APM, Asahi, Delphi, Ibiden, Lear, Luk, Magna-Steyr, Philips, Raba und Tata. Weiterhin soll in der Nähe zu Budapest (Kecskemet) ein Mercedes-Benz Werk entstehen. Die Exportquote von Kfz-Teile-Herstellern beträgt 88%. Der VW-Konzern ist der einzige Hersteller der aus Ungarn jährlich ca. 300 Mio. Euro an Zulieferungen bezieht. Deutschland ist das wichtigste Impordand für Kfz-Teile.
4.6.3 Region Budapest/Györ Als Beispiel für eine Region mit Bezug zum Bereich Automotive, sei hier Györ in der Region West-Pannonien genannt. Györ ist seit 1994 Standort der AUDI HUNGARIA MOTOR Kft. (AHM), des Motorenwerks der Audi AG. 2007 beschäftigte AHM laut eigenen Angaben in Györ 5.939 Mitarbeiter. Es wurden mehr als 1,9 Mio. Motoren produziert. Ferner wird im Werk der Audi TT sowie seit 2007 auch das Audi A3 Cabriolet montiert. Man kann in dieser Region die Entstehung eines Automotivecluster erkennen (JÜRGENS/BLÖCKER/ MEIßNER, 2009). Dies wird ebenfalls daran deutlich, dass die Automotive-Patentanmeldungen für diese Region gestiegen sind (von 16 auf 27 Anmeldungen). Die folgende Abbildung bietet einen guten Überblick über verschiedene Cluster in und um Györ und Budapest. Dazu stellt der European Cluster Oberservatory
388 • Oliver Emons
eine Plattform im Internet zur Verfügung. Diese Plattform bietet unter anderem die Möglichkeit für sämtliche EU-Länder identifizierte Cluster zu visuaüsieren (Cluster-Mapping). Neben einer Visualisierung bietet sich ebenfalls die Möglichkeit die Bedeutung dieser Cluster anhand eines speziellen Bewertungssystems einordnen zu lassen. Das Cluster Mapping basiert auf der Kombination von Regionen und Sektoren. Für Cluster werden zur Verdeutlichung der Kompetenzstärke Sterne vergeben. Ein Cluster mit drei Sternen weist eine hohe Kompetenz innerhalb eines Sektors auf (EUROPEAN CLUSTER OBSERVATORY, 2010). Im Umkreis von Györ finden sich nach Angaben der Datenbank zwei Cluster mit jeweils zwei Sternen. Abb. 20: Clustermapping Ungarn 1
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Quelle: Eigene Darstellung Bei den Kooperationsnetzwerken ist überraschenderweise eine Abnahme der isolierten Komponenten zu beobachten. Vergleicht man die Anzahl der isolierten Komponenten mit der Anzahl der verbundenen Akteure, zeigt sich jedoch, dass das Netzwerk im Zeitverlauf relativ stabil geblieben ist. Durch die Schließung von Rover und anderen großen Unternehmen könnte man vermuten, dass diese Kooperationsbeziehungen im Zeitverlauf abgenommen hätten. Diese Vermutung wird dadurch unterstützt, dass im Bereich Automotive die Beschäftigung massiv eingebrochen ist und angenommen ebenfalls Auswirkungen auf die F&E-Beschäftigung hatte (seit 1971 ein Verlust von ca. 80.000 Arbeitsplätzen in der Automotive Branche). Dieser Verlust kann zwar einerseits durch die Produktivitätssteigerung und dem technischen Fortschritt erklärt werden, andererseits trägt Rover einen Anteil an diesem Beschäftigungsverlust (beinhaltet ebenfalls die schon erwähnten Abwanderung von Forschungsabteilung). Doch wie kommt nun eine Stabilisierung des Kooperationsnetzwerks zustande? Seit dem Jahr 2000 versuchte das britische Wirtschaftsministerium dem Unternehmen Rover zu helfen. Nachdem dies misslang, versuchte das Ministerium den Schaden zu minimieren und legte vielfaltige Programme auf um die ehemals Rover-Beschäftigten in den Arbeitsmarkt erneut zu integrieren und von Rover abhängige Zuliefererbetriebe vor der Schließung zu bewahren. Durch diese Programme wurde somit der größte Teil der Schließungen von Zulieferer-
Innovations- und Spezialisierungsdynamik im Automotivesektor • 409
betrieben verhindert (insgesamt 11 Zulieferer in Großbritannien mussten schließen) (JÜRGENS/BLÖCKER/ MEIßNER, 2009, S. 139). Weiterhin wurden nach einer drohenden Schließung Rovers auch ein programmbegleitender Aufbau bzw. eine Umstrukturierung der Innovationsnetzwerke der Region vorgenommen. Dies spielt insbesondere eine wichtige Rolle, da mittlerweile ein Großteil der Forschung und Entwicklung im Bereich Automotive ebenfalls von dort ansässigen Zulieferern getätigt wird. Ein Wegbrechen bzw. eine Schließung von Zuliefererbetrieben hätte zu einem massiven Bedeutungsverlust der vorherrschenden Automotive-Industrie in der Region gefuhrt. Weiterhin hätte dies einen sehr massiven Einfluss auf unsere Netzwerke (Mobilitäts- wie auch Kooperationsnetzwerke) gehabt. Die angeführten Entwicklungen müssen ebenfalls unter dem Gesichtspunkt weiterer Unternehmensentwicklungen in der Region West-Midlands gesehen werden. Andere dort ansässige Unternehmen haben vielfaltige Veränderungen durchlaufen, die ebenfalls die Forschungslandschaft geprägt haben. Abb. 28: West Midlands - Beziehungsnetzwerk 2000-2007
Quelle: Eigene Darstellung
Die sogenannten Lucas-Werke gehörten zu den sehr stark eingebundenen regionalen Zulieferern in den West Midlands. Das Traditionsunternehmen zählte zu einem der größten Zulieferer der Region. 1996 änderte sich diese Stellung. Das US-amerikanische Unternehmen übernahm wichtige Teile der Lucas
410 • Oliver Emons
Company. Mittderweile produziert es ebenfalls Bremssysteme, elektronische Kontrolleinheiten und Motorenventile. TRW unterhält ein Forschungsinstitut in den West Midlands. Jedoch wurden Forschungskapazitäten abgebaut und in ein deutsches Forschungszentrum verlegt. Dementsprechend verwundert es nicht, dass diese großen Unternehmen ebenfalls in sämtlichen Netzwerken vertreten sind, jedoch ihre jeweiligen Positionen kaum ausgebaut haben. In der Region gibt es ebenfalls viele auch international tätige Unternehmen wie Wagon, Delphi, Valeo, Lear Corporation, Unipart Group, Rockwell, Dana, Siemens/VDO Instruments, SP, Goodyear und Pirelli, die jedoch in unseren Netzwerken als eingebettete Unternehmen nicht vertreten sind. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den wichtigsten dort ansässigen Second-Tier Zulieferer wie Sarginsons Precisions Components, Zeus, Brandaur, Radshape, Triplex und Premier Stampings. Diese Unternehmen weisen Schwerpunkte im Bereich Aluminiumstücke, Blechverarbeitung, Pressstücke, Glas und Formschmieden auf. Wie in anderen untersuchten Regionen sind diese Unternehmen meistens aus der Metallverarbeitung hervorgegangen. Auffällig ist ebenso, dass bis auf eine Universität (vgl. das Kooperationsnetzwerk 1992 bis 1999) keine Forschungsinstitute und Universitäten beteiligt sind. Dabei bietet die Region verschiedene Universitäten mit deutlichen Forschungsschwerpunkten im Bereich Automotive. Die Verbindungen in den Netzwerken zwischen Jaguar, Ford und Rover kommen dadurch zustande, weil Jaguar und Rover bis 2008 zur Ford Premium Group (Ford PAS) gehörten. 2000 wurde das Land Rover Werk in der Nähe von Birmingham und das Technische Zentrum von BMW (Warwickshire) in den Ford Konzern integriert. Schlussendlich wurde 2008 das mittlerweile zu Jaguar Land Rover fusionierte Unternehmen an den Konzern TATA verkauft. Die erste Übernahme der Unternehmen durch Ford führte zu großen Investitionen in die Werke in den West Midlands. Arbeitsplätze konnten damit erhalten bleiben. Diese Arbeitsplätze gerieten jedoch durch die Schließung der Rover-Werke (u.a. in den West Midlands) wiederum in Gefahr. Die Kooperationsnetzwerke, wie auch die Mobilitätsnetzwerke werden von TRW und Ford (+Jaguar und Rover) dominiert. Jedoch zeigt sich hier, dass diese Unternehmen es entweder nicht schaffen, oder auch absichtlich nicht bezwecken Verbindungen über Patentkooperationen zu generieren. Somit bilden sich einzelne Komponenten, die innerhalb der zwei Untersuchungsperioden keine Entwicklung hin zu einer Öffnung gegenüber anderen Netzwerkteilnehmern bietet. Die hohen Zentralitätswerte dieser Anmelder (Akteure) kommen dadurch zu Stande, dass diese Anmelder häufig verstärkte Kontakte zu ihren Tochterunternehmen unterhalten und somit im Netzwerk eine höhere DegreeZentralität erhalten. Rechnet man diese Intramobilität aus unseren Netzwerken heraus kommen jedoch kaum Verbindungen zwischen Zulieferern aus der
Innovations- und Spezialisierungsdynamik im Automotivesektor • 411
Region zustande (schon angedeutete Fragmentierung). Dies unterstreicht die Wichtigkeit von großen Unternehmen in der Region, die als Hauptakteure bei Forschungskooperationen gelten können. Dieser Zusammenhang wird ebenfalls durch eine kürzlich erschienene Studie von KINKEL/ZANKER (2007) unterstützt. Dabei wurde hinterfragt, was die häufigsten Gründe für die Produktionsverlagerung und Rückverlagerung von Automobilzulieferern sind. Sowohl ein wichtiger Grund für die Verlagerung und Rückverlagerung ist die Nähe zu großen Schlüsselkunden. Als Schlüsselkunden gelten OEMs und Systemzulieferer, die teilweise andere Zulieferer drängen ihnen ins Ausland zu folgen. Dieser Zusammenhang ist den Autoren zufolge besonders stark in der Automotiveindustrie zu beobachten (KINKEL/ZANKER, 2007 S.27-30). Eine zu starke Bindung an große Ankerunternehmen birgt jedoch die Gefahr, dass ein Wegbrechen dieses Akteurs die gesamte Wertschöpfungskette gefährden kann. Diese Wirkungskette konnte anhand des Wegbrechens von Rover gezeigt werden. 5.5
Ergebnisse für Wien
Betrachtet man die Clusterinitiativen in der Vienna Region fällt auf, dass hier deutlich betont wird, dass eine deutliche Kompetenz im Bereich Automotive besteht. Ein erster Blick auf die Automotive-Patentanmeldungen für Österreich zeigt, dass innerhalb der zwei Betrachtungsperioden die Patentanmeldungen fast verdoppelt werden konnten (von 368 Anmeldungen beim EPO zwischen 1992 und 1999 auf 664 Anmeldungen im zweiten Zeitraum). Hierbei zeigt sich jedoch, dass die Vienna Region eindeutig nicht für diese Entwicklung verantwortlich ist (nur ein Wachstum um 4 Anmeldungen im zweiten Zeitraum). Dieses Ergebnis wird durch eine Analyse der Netzwerkanalytischen Maßzahlen unterstützt. Hierbei wird ebenfalls deutlich, dass trotz des leichten Wachtsums der Patentanmeldungen (+4) sämtliche Netzwerktypen bei den gesamten Anmeldern leichte Verluste zu verzeichnen haben (jedes Netzwerk -2 Anmelder). Einerseits bleibt die Anzahl an isolierten Anmeldern entweder konstant oder sinkt, andererseits steigt beim Kooperationsnetzwerk und Beziehungsnetzwerk die Anzahl an verbundenen Anmeldern. Das Wachstum im Beziehungsnetzwerk wird von den Netzwerken ganz unterschiedlich getragen. Das Kooperationsnetzwerk weist trotz einer sinkenden Anzahl an Anmeldern eine stärkere innere Struktur auf. Das Mobilitätsnetzwerk hingegen weist eine um die Hälfte sinkende Anzahl an verbundenen Anmeldern auf. Die im ersten Zeitraum schon kaum vorhandene Mobilitätsstruktur verschlechtert sich im zweiten Zeitraum deutlich. Das Automotive Cluster Vienna Region (ACVR) versteht sich als Netzwerk, das neben einer Innovationsförderung und einer Kompetenzbündelung ebenfalls den Fokus auf einen verstärkten Wissenstransfer legt. Vergleicht man unsere
412 • Oliver Emons
Ergebnisse für das Kooperations- und Mobilitätsnetzwerk, so ist ein vermehrter Wissenstransfer in der Wiener Region nur bedingt erfolgt. Bei dieser Betrachtungsweise muss selbstverständlich berücksichtigt werden, dass wir hier Spillover bezogen auf Patente messen und keinerlei unpatentiertes Wissen berücksichtigt wird (rein technische Innovationen) (FRIETSCH, 2007, Sl). Weiterhin birgt das Mobilitätsnetzwerk im zweiten Zeitraum die Gefahr der Intramobilität zwischen verwandten Anmeldern. Dadurch kann angenommen werden, dass ein „echtes" Mobilitätsnetzwerk nicht mehr existent ist. Außerdem zeigt das Verhältnis von allen Anmeldern und verbundenen Anmeldern einerseits und die durchschnittliche Degree-Zentralität für sämtliche Netzwerktypen andererseits eine sehr geringe Größe des Netzwerks bzw. eine kaum vorhandene innere Struktur. Dies wird durch geringe Dichtewerte für sämtliche Netzwerke unterstützt. Forschungsinstitute sind in unseren Netzwerktypen aktiv nicht eingebunden. In der Literatur wird häufig davon ausgegangen, dass Agglomerationen wirtschaftlich besonders erfolgreich sind, wenn sie zu klassischen Technologiestandorten mit Hochschulen und außeruniversitären Forschungsinstituten gerechnet werden können. Denn hierdurch bietet sich für die Unternehmen die Möglichkeit auf einen hohen und wachsenden Bestand an Personen aus technischen Berufen mit Universitäts- und Fachhochschulabschluss zurückgreifen zu können (DÖRING, 2004, S. 10). Zentralste Akteure in den Netzwerken sind die DWA Deutsche Waggonbau GmbH, Volkswagen AG, Steyr Daimler-Puch AG und MAN Nutzfahrzeuge Österreich AG. Die Volkswagen AG steigt im Kooperationsnetzwerk sowie im Beziehungsnetzwerk im zweiten Zeitraum zum Star auf.
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8(+l) (17,02%) 0.340
Nein
0.245
Nein
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0.0051
7 (14,29%)
3.02%
1.91%
Nein
0.122
4 (8,1%)
0.0026
2.04%
39 (-3)
CN Nein
0.043
2 (-2) (4,3%)
0.0009
Nein
0.367
9 (18,3%)
0.0077
Nein
0.383
10 (+1) (21,3%)
0.0083
2.97%
37 (-3)
45 (=)
47 (-2)
CN 3.95%
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47 (-2)
ir> 2.17%
BN 00-07
BN 92-99
Mobi. 00-07
ON
Verbundene Anmelder (absolut) Durchschnittlichen DegreeZentralität (Stärke der inneren Struktur) Einbindung von Forschungsinstituten und Universitäten
Anzahl Anmeldet (absolut) Isolierte Anmelder (absolut) Zentralität d. Netzwerks Dichte
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Koop: 00-07
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Quelle: Eigene Darstellung Auffällig ist ebenfalls, dass Volvo als eindeutiger Hauptakteur dieser Komponente angesehen werden muss. Wirft man nun einen näheren Blick auf die einzelnen Akteure in unserem Beziehungsnetzwerk aus dem ersten Untersuchungszeitraum wird schnell deutlich, dass das Netzwerk im Gegensatz zu Netzwerken aus anderen Regionen sehr viele Einzelanmelder in Form von natürlichen Personen aufweist (von 33 aktiv vernetzten Teilnehmen sind insgesamt 13 Anmelder natürliche Personen). Dieser Zusammenhang ist im Gegensatz zu den anderen untersuchten Netzwerken einzigartig. Vergleicht man diese ersten visuellen Eindrücke mit dem Beziehungsnetzwerk für den Zeitraum 2000 bis 2007 zeigt sich schnell, dass zwar ein Verlust der aktiv vernetzten Akteure zu erkennen ist, jedoch die verbliebenden Akteure deutlich stärker untereinander Verbindungen eingehen. Somit ist eine Fragmentierung kaum vorhanden und es hat sich eine große Komponente mit insgesamt 15 Anmeldern gebildet. Dabei ist wiederum Volvo als zentralster Akteur zu nennen. Volvo weist weiterhin eine starke Verbindung zu Ford auf. Wie schon in der Darstellung der Region deutlich gezeigt werden konnte, lässt sich diese starke Vernetzung beider Akteure durch den Umstand erklären, dass Volvo von Ford
Innovations-und Spezialisierungsdynamik im Automotivesektor • 419
aufgekauft wurde. Somit verwundert die plötzliche Existenz von Ford in diesem Netzwerk nicht. Hier drängt sich die Vermutung auf, dass ein großes Unternehmen wie Ford hier die Möglichkeit erhalten hat von den schon vorhandenen Netzwerkbeziehungen Volvos zu profitieren. Andererseits stellt sich selbstverständlich die Frage inwiefern Volvo von den Kontakten Fords profitiert hat. Die Zukunft wird zeigen, ob Geely (neuer Eigentümer der ehemaligen Ford Tochtergesellschaft Volvo) ebenfalls in den zukünftigen Beziehungsnetzwerken aktiv vertreten sein wird. Waren im ersten Zeitraum noch sehr viele bivariate Beziehungen zwischen Erfindern offensichtlich, weist das Beziehungsnetzwerk für den zweiten Zeitraum kaum Verbindungen zwischen natürlichen Personen auf. Man kann festhalten, dass das Beziehungsnetzwerk im zweiten Zeitraum zwar durch eine Abnahme der aktiv eingebundenen Akteure gekennzeichnet ist, jedoch trotz dieser Abnahme eine zunehmende Vernetzung von Akteuren erkennbar ist und Volvo als Ankeranmelder (ähnlich wie BMW in München) eine zentrale Rolle einnimmt. Einzelanmelder sind kaum noch vorhanden.
Abb. 32: Arvika - Beziehungsnetzwerk 2000 - 2007
Quelle: Eigene Darstellung
Wenn man nun den Fokus auf die Mobilitäts- und Kooperationsnetzwerke für die Region Arvika/Göteborg legt wird deutlich, dass das Kooperations- wie auch Mobilitätsnetzwerk zwischen 1992 und 1999 deutlich durch eine starke
420 • Oliver Emons
Fragmentierung in Komponenten geprägt ist. Das Kooperationsnetzwerk ist deutlich stärker ausgeprägt. Anders sieht es im Zeitraum 2000 bis 2007 aus. Hier zeigt das Mobilitätsnetzwerk eine eindeutig stärkere Vernetzung auf. Alle aktiv verbundenen Akteure bilden ein zusammenhängendes Netzwerk, wohingegen das Kooperationsnetzwerk weiterhin eine Fragmentierung aufweist. Die stärkere Vernetzung der Anmelder im Beziehungsnetzwerk zwischen 2000 und 2007 ist somit Ergebnis einer starken Vernetzung des Mobilitätsnetzwerks. Weiterhin zeigt sich ebenfalls, wenn man die Netzwerke für 2000 bis 2007 nebeneinander legt, dass einige Unternehmen wie Volvo und Ford gleichzeitig Mobilitätsbeziehungen und Kooperationsbeziehungen unterhalten und somit in beiden Netzwerken sehr wichtige Anmelder bilden. Ein Blick auf die netzwerkanalytischen Maßzahlen für die Region Arvika/ Göteborg bestätigen die vorher gemachten Aussagen. Die -Anzahl an isolierten Anmeldern nimmt zu, die Gesamtzahl der beteiligten Anmelder bleibt fast konstant. Mit 78 bzw. 77 Anmeldern zwischen 2000 und 2007 weist die Region im Vergleich zu den anderen Regionen einen ähnlichen hohen Wert wie das Bergische Städtedreieck und die West Midlands auf. Betrachtet man hingegen das Verhältnis von absoluten Anmeldern und der tatsächlichen Anzahl an verbundenen Anmeldern im Beziehungsnetzwerk 00 — 07 relativiert sich dieser Eindruck. Die Anzahl an isolierten Anmeldern ist zwischen 2000 und 2007 stark gestiegen, wobei das Kooperationsnetzwerk wesentlich dazu beigetragen hat. Der Verlust der Anzahl an verbundenen Anmeldern ist hier ebenfalls dem Kooperationsnetzwerk zuzurechnen (von 33 Anmeldern im Beziehungsnetzwerk des ersten Zeitraums auf 19 Anmelder im zweiten Zeitraum). Die Dichtewerte unterstützen jedoch den ersten visuellen Eindruck, dass die Verbundenheit (die Vernetzung der verbliebenden Akteure) trotz Verlust an Anmeldern zugenommen hat. Dies wird ebenfalls anhand der Werte für die durchschnittliche DegreeZentralität deutlich, die ebenfalls deutlich angestiegen sind. Hier wird das stärkere Vernetzen ebenfalls deutlich vom Mobilitätsnetzwerk getragen.
Isolierte Anmelder (absolut)
Zentralität d. Netzwerks
1,221
0,487
Durchschnittlic hen DegreeZentralität (Stärke der inneren Struktur)
0,949
12 (-10)
Verbundene Anmelder (absolut) 0,623
10 (-3)
0,0068
0,0063
Cvl Cvl 0,410
19 (-14)
0,0082
0,0053 CO1
0,519
0,0161
0,0123 CO CO
Dichte
2,68%
2,34%
Anzahl Anmelder (absolut)
1,94%
2,86%
vO m 2,43%
65 (+9)
00 rlO SO 1,41%
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58 (+13)
00 LO
67 (+2)
BN 00-07
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Mobi. 92-99
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Koop: 00-07
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Koop: 92-99
Innovations-und Spezialisierungsdynamik im Automotivesektor • 421
Zentralste Akteure
Einbindung von Forschungsinstituten und Universitäten
BJÖRNSSON, Aegir
Volvo Car Corp.; Volvo Lastvagnar; Engelhard Corp.
Ford Global Technologies, Inc.;
?
AB Volvo Personvagnar
Björnsson, Björn;
Corneliusson, Arvid;
Nein
Nein
GRAMTEC INNOVATI ON AB
Raufoss Holding Nederland B.V.;
Volvo Car Corp.; Volvo Lastvagnar AB;
Nein
Husqvarna AB
Volvo Lastvagnar AB;
AB Volvo Personvagnar; Ford Global Technologies, Inc.;
Nein
Corneüusson , Arvid
Björnsson, Björn;
Volvo Lastvagnar AB;
Volvo Car Corp;
Nein
Nein
422 • Oliver Emons
VH
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3
Innovations- und Spezialisierungsdynamik im Automotivesektor • 423
Ein Nachteil der Netzwerke wird daran deutlich, dass hier vergleichbar mit Wien keine Forschungsinstitute aktiv eingebunden sind. Hierbei gilt es wie in den anderen Regionen zu berücksichtigen, dass bei der Abfrage der Patentdaten mindestens ein Erfinder auf dem jeweiligen Patent aus der untersuchten Region stammen muss. Somit zeigen die Ergebnisse für die Region Arvika/Göteborg, dass Forschungsinstitute und Universtäten hier ebenfalls nicht in der Lage sind auf das vor Ort befindliche Forscherpersonal zurückzugreifen bzw. diese Erfinder nicht aktiv bei Kooperationen mit Unternehmen und anderen Forschungsinstituten und Universitäten mit einzubeziehen.
5.7
Ergebnisse für die Region Eindhoven
Die Auswertung der Ergebnisse für die Region um Eindhoven liefert zunächst ebenfalls Mobilitäts-, Kooperations- wie auch Beziehungsnetzwerke. Bei einer ersten visuellen Begutachtung der verschiedenen Netzwerke fallt die deutliche Fragmentierung der einzelnen Verbindungen auf. Eine deutliche zentrale Komponente lässt sich für beide Zeiträume nicht erkennen. In den Netzwerken erkennt man deutlich Unternehmen die in der Region Eindhoven angesiedelt sind und als Ankerunternehmen bezeichnet werden können. Allen voran Phillips. Phillips erscheint als verbundener Anmelder in den Kooperationsnetzwerken für beide Zeiträume. Bei den Mobilitätsnetzwerken findet sich Phillips jedoch nur im ersten Zeitraum bei den verbundenen Akteuren. Dies verwundert einerseits aufgrund der Dominanz des Konzerns, lässt sich andererseits jedoch durch die Entstehung des High-Tech-Campus Eindhoven 2003 erklären. Bemerkenswert ist an dem High-Tech-Campus, dass es eine Zusammenarbeit zwischen Forschern aus dem Hause Phillips und Forschern aus Unternehmen wie Siemens, Bosch gibt und auch strategisch forciert wird. In diesem Zusammenhang betont HÖLZL (2009, S. 154), dass mit der Entstehung des High-Tech-Campus durch Phillips ehemals lang überwachte „Wissensvorräte" freigegeben wurden. Phillips verfolgt somit seit der Gründung des High Tech Campus eine neue Forschungsstrategie. Eine Verringerung der Mobilität ist dabei eventuell möglich. Somit ist ein Nichtauffinden des Phillips-Konzerns im Mobilitätsnetzwerk für 2000 bis 2007 erklärbar. Hier muss jedoch berücksichtigt werden, dass aus dem Phillips-Konzern ebenfalls zahlreiche Spin-offs hervorgegangen sind. Dabei spielt vor allem das CAT (Centre for Applied Technologies) eine wesentliche Rolle. Dieses Forschungsinstitut ist ebenfalls auf dem High-Tech-Campus Eindhoven angesiedelt. Das CAT ist eine Einrichtung die dem NatLAb angegliedert ist. Nach HÖLZL (2009, S. 150) ist es ein Institut für Grundlagenforschung, das in den 70er Jahren Ingenieure ausgebildet hat, die später Unternehmenseinheiten im Ausland leiten sollten (Standortmanager), die wiederum vollständig unabhän-
424 • Oliver Emons
gig waren. Einige dieser Ingenieure sind heute für Spinn-offs von Phillips tätig. Andere ehemalige Mitarbeiter sind heute in Forschungseinrichtungen wie TNO Science and Industry (Organisation für Vertragsforschung) beschäftigt. Das TNO ist eine Organisation, die mittlerweile unter anderen ihre automotive Forschung nach Eindhoven verlegt hat (ca. 500 Mitarbeiter). Trotz der eindeutigen Konkurrenz zu Phillips, besteht nach HÖLZL ein gewisses Vertrauen gegenüber Phillips. Das CAT hat somit dazu beigetragen Vertrauensstrukturen zu schaffen und Konflikte zu verhindern. Weiterhin betont HÖLZL (2009, S. 149), dass die Akteure die nicht demselben Konzern angehören, dennoch eine gemeinsame Sprache, gemeinsame Normen, Werte und Vergangenheit teilen und dementsprechend der Austausch von impliziten personengebundenem Wissen möglich ist. Abb. 33: Eindhoven - Beziehungsnetzwerk 1992 - 1999
Quelle: Eigene Darstellung Trotz einer Umstrukturierung des Phillips-Konzerns ist die Forschungs- und Entwicklungsabteilung des Konzerns in Eindhoven verblieben. Da der HighTech-Campus einen deutlichen Schwerpunkt auf die Kooperation mit anderen Unternehmen legt, würde man eine deutlich stärkere Vernetzung des Kooperationsnetzwerks vermuten. Diese Annahme wird leider nicht bestätigt, da das Kooperationsnetzwerk nur durch einen leichten Anstieg der verbundenen Anmelder gekennzeichnet ist.
Innovations- und Spezialisierungsdynamik im Automotivesektor • 425
Abb. 34: Eindhoven - Beziehungsnetzwerk 2000 - 2007 )-UeiboKh ^m Weco-Li esboich Beton Bett 6.V.
^^Tvlyt Philip» Cor^orAi Cwportitt Imrfettuel Property GmbH Elettronici N.V. am Deelen, Comets Josephus A< ^PDSE A.
Orçeruietie »cor toeflepeo- netuurwetefiltheppeijt ontfenöilt TNO-®™*1-
Beyemdie Motoren «Werke Aldienjejektheft
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INDUSTRIE Spi
Fori Glotul Tedinoiogl«. OC * * *
M K.M. Jnois M - - I
Quelle: Eigene Darstellung
Ähnlich wie bei den Netzwerken für die schwedische Region Göteborg/Arvika finden sich in den Kooperationsnetzwerken für Eindhoven ebenfalls Einzelerfinder bzw. natürliche Personen. Bei einer abschließenden Begutachtung der Netzwerkanalytischen Maßzahlen zeigt sich, dass eine Einbindung von Forschungsinstituten und Universitäten in den Kooperationsnetzwerken nicht, jedoch in den Mobilitätsnetzwerken vorhanden ist.
iS u 0) Ol G £l u ÊP w C KlS
X«3 H
Verbundene Anmelder (absolut) Durch-schnittlichen Degree-Zentralität (Stärke der inneren Struktur) Einbindung von Forschungsinstituten und Universitäten
0,0060
50 (+10) 3,23% 0,0079 10 (+1) 0,467
Nein
CN
o
1,99%
0,0085
GN
0,408
Nein
38 (+4) 2,76% 0,0192 22 (+7) CO CO
co
2,30% 0,0145 LO
0,694
0,0062 11 (+3) 0,367
00 0,286
1,98%
o NO — r
o
o NO
Koop: 92-99
426 • Oliver Emons
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CS
Innovations- und Spezialisierungsdynamik im Automotivesektor • 427 ci e« .y§ a,oa or.Un m 2 S OHHu : c«-a S oa§ Q- au f-1 : u s p «> p¿S Q £3£S> Ü « S >Gci ^m C/3< -S 3 to' W S u -a ao M o o O pa p-.£ u u Bî •aOiJ C•a CL, a ajo o 3 Pi S
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428 • Oliver Emons
Der zunächst positive Eindruck steigender Anmelderzahlen relativiert sich jedoch schnell, denn dieser Anstieg geht einher mit einem Anstieg der Anzahl an isolierten Anmeldern. Die Dichtewerte für das Kooperationsnetzwerk sinken ebenfalls im Zeitverlauf. Das geringe Wachstum der durchschnittlichen DegreeZentralität wirkt sich auf die Netzwerkstruktur kaum aus. Zeigte sich bei den Beziehungsnetzwerken für die Region Arvika/Göteborg trotz einer abnehmenden Anzahl an verbundenen Akteuren eine stärkere Vernetzung, findet sich in den Beziehungsnetzwerken für Eindhoven eine kaum merkliche Veränderung und eine kaum zunehmende durchschnittliche Degree-Zentralität. Die geringe Anzahl an verbundenen Akteuren lässt ähnlich wie bei den Netzwerken für Wien die Vermutung zu, dass ein Rückgriff auf Forscherpersonal aus der Region um Eindhoven anscheinend nicht gelingt. Hier erweist sich ebenfalls als Nachteil, dass die dort ansässige Technische Universität Eindhoven als wichtiger Wissenslieferant ebenfalls nicht aktiv eingebunden ist.
6.
Patentzitierungen
Wie gezeigt werden konnte liefern Patente eine Fülle an Informationen die für die Forschung verwendet werden können. Neben der Sozialen Netzwerkanalyse kommt in unserer Analyse ebenfalls die sogenannte Patentzitierungsmethode zum Einsatz. Diese Methode kann ebenfalls zu den wichtigsten Auswertungsund Analysemöglichkeiten in der Patentrecherche gezählt werden. Mittlerweile findet sich eine kleine Auswahl an wissenschaftlichen Aufsätzen, die diese Thematik behandeln. Eine der Pionierstudien zu diesem Thema stammt von den Autoren JAFFE, TRAJTENBERG, HENDERSON (1993), die sich mit dieser Thematik auseinandergesetzt haben. Der „Case-Control-Matching" Ansatz von JAFFE/TRAJTENBERG/HENDERSON führt einen Vergleich durch, indem er die Wahrscheinlichkeit der geographischen Ko-Lokalisierung von zitierenden und zitierten Patenten mit der Wahrscheinlichkeit der geographischen KoLokalisierung von zufallig ausgewählten „Kontrollpatenten" mit diesen zitierten Patenten vergleicht. Die zufällig ausgewählten Kontrollpatente müssen derselben technologischen Klasse angehören und weiterhin der gleichen Periode wie das zitierte Patent entsprechen. Ebenfalls dürfen diese Kontrollpatente selber keine Zitierungen aufweisen (SCHERNGEL, 2007, S.112). Nach THOMPSON (2005) findet sich in dieser ersten Analyse von Patentzitierungen, der erste und direkte Beweis für Knowledge-Spillover. In Ihrer Studie stellen die Autoren fest, dass neu geschaffenes Wissen auf schon vorhandenem, häufig durch Patente geschütztem Wissen basiert welches in Form von Referenzen in Patentdokumenten vorliegt.
Innovations- und Spezialisierungsdynamik im Automotivesektor • 429
Wenn ein Anmelder ein Patent anmeldet, wird ein Dokument erstellt, indem detaillierte Informationen genannt werden. Neben dem Namen des Erfinders, oder der Nennung des Anmelders der Erfindung, müssen ein/die Erfinder dem Patentamt ebenfalls detaillierte Informationen darüber zur Verfügung stellen, was an der Erfindung neu ist, und welche Informationen zum Zeitpunkt der Anmeldung schon existierten. Diese Referenzen (Zitate) liefern die Grundlage für die Patentzitierungs-Methode (siehe hierzu auch Abbildung 2). JAFFE/TRAJTENBERG (2002) schlussfolgern weiter, dass der Bezug auf frühere Patente vermuten lässt, dass das Wissen dieser Patente nützlich und wichtig für die Entwicklung des neuen Wissens war, welches im zitierenden Patent beschrieben ist.44 Sie kommen zu dem Schluss, dass entgegen den Vorstellungen von KRUGMAN (1991) Wissensflüsse und damit verbunden auch Knowledge Spillovers durchaus durch Patentzitate erfasst werden können. Sie können demnach einem „paper trail" folgen. Abb. 35:
Beispiel für eine Patentzitierung (DPMA)
IIIIIIIIIR1IIIIII {19) Bundesrepublik Deutschland Deutsches Patent- und Markenamt
(«»DE 10 2004 008 220 B4 2006.01.12
Patentschrift
(12)
(21) Akterzstehen: 10 2004 009 220.0 (22) Armeidetag 19.02.2004 (43) Oftsnlsgungstag M.09.20OS (45) Veröflenächungstag der Patenterteilung: 12.01.2008
(51)intci.": B01D 69/08 (2006.01)
Innerhalb von drei Moneten nach Veröienichung der Patenterteilung kann nach § 59 Palentgeeetz gegen das Patent Einspruch erhoben werden. Oer Einsprach ist schriftlich zu ertdären und zu begründen. Innerhalb der Erspruchsfrist ist eine Einspruchsgebühr in Haie von 200 Euro a i entrichtend 6 Paten IKostengeseU: in Veit indunfl rr»t der A/vage zu § 2 Abs. 2 Patenttostengesetz). (73) Patentinhaber Membrana GmbH, 42284 Wuppertal, DE
der Patentfähigkeit In Betracht
(72) Erfinder: Wachs, Friedbert, 63939 Wörth, DE; Sehlen, Arne, Dr., 63867 Johannesberg, DE; Harten, Bodo von, 42119 Wuppertal. DE: Krüger, Richard. Dr.. 42349 Wuppertal, DE; Schuster. Oliver, Dr., 58332 Schwelm, 0 £ (54) Bezeichnung: High-Flux Dialysemembran mit verbessertem Trennverhilten
Quelle: DPMA, 2007
vgl. hierzu auch MAURSETH/VERSPAGEN (2002), S. 534
zitiertePatente
430 • Oliver Emons
Man muss ebenfalls bei der Arbeit mit Patentzitierungen berücksichtigen, dass sie gewissen methodischen Grenzen unterliegen: •
Patentzitierungen weisen zunächst die gleichen Nachteile wie Patente im Allge-meinen auf.
•
Weiterhin kann als ein deutlicher Nachteil das Hinzufügen von Zitationen durch Beamte des Patentamtes angesehen werden. Hierbei entsteht der Eindruck, dass häufig keine richtigen Spillover erfasst werden.
•
Datensatzbereinigung aufgrund von Selbstzitierungen (SCHERNGELL, 2007, S. 43).
Der Nachteile bezüglich des Hinzufügens von Zitationen muss jedoch abgeschwächt werden, da es Anmeldern beim EPO freigestellt ist Zitierungen anzugeben und durch eine ausgiebige Recherche die jeweiligen Beamten des EPO dem jeweiligen Patent Zitierungen hinzufügen und somit eine Komplementierung vornehmen. Weitere exemplarische Studien, die sich mit der Patentzitierung beschäftigten und bei einer Analyse des Untersuchungsgegenstands berücksichtigt werden müssen, sind die Studien von MAUSRETH/VERSPAGEN (2002), THOMPSON (2004), THOMPSON/FOX-KEAN (2005) und andererseits die für Österreich relevante und wichtige Pionierstudie von SCHERNGELL (2007). Das Ziel der Studie von MAUSRETH/VERSPAGEN bestand darin, zu untersuchen ob geografische Distanz, nationale Grenzen und unterschiedliche Sprachen den Wissensfluss in Europa behindern. THOMPSON/FOX-KEAN (2005) gehen davon aus, dass der sog. „Case-Control-Matching" Ansatz von JAFFE, TRAJTENBERG, HENDERSON (1993) Ergebnisse liefern könnte die verfälscht sind. Dies begründen sie damit, dass das Klassifikationssystem der Patentämter nicht systematisch mit industriellen Aktivitätsgruppen einher gehen würde.
6.1
Methodisches Vorgehen
Unser methodisches Vorgehen orientiert sich vornehmlich an der Studie von SCHERNGELL (2007), wobei unsere geographische Dimension deutlich umfangreicher ausfällt. Sämtliche Vorarbeiten die im Rahmen der Sozialen Netzwerkanalyse durchgeführt wurden fließen in die Analyse von Patentzitierungen mit ein. SCHERNGELL untersuchte in seiner Studie vornehmlich NUTS2-Regionen. Hingegen liegt der Fokus unserer Analyse auf den schon in Zusammenhang mit der Sozialen Netzwerkanalyse erarbeiteten NUTS3-Regionen. Weiterhin wird die Einteilung der Sektoren Automotive und IKT ebenfalls bei der Abfrage von Patentdaten und Patentzitierungen verwendet und somit die jeweiligen erarbeiteten Konkordanztabellen Verwendung finden. Mit der
Innovations- und Spezialisierungsdynamik im Automotivesektor • 431
Patentzitierungsmethode steht uns wie bei der Sozialen Netzwerkanalyse ein vielfältiges Instrumentarium zur Verfügung. In unserer Analyse untersuchen wir hauptsächlich sogenannte Patentzitierungsintensitäten. Dabei bestimmt man einerseits zitierende Patente (gemachte Zitierungen). Hierbei werden Patente aus der Datenbank abgefragt bei denen mindestens ein Erfinder aus einer der betrachteten Region stammt und berechnet anschließend wie oft diese Patente andere Patente aus anderen Regionen zitieren. Bei der Bestimmung von zitierten Patenten wird berechnet wie oft Patente aus der betrachteten Region von anderen Patenten zitiert werden (erhaltene Zitierungen). Somit lassen sich einerseits Aussagen über Wissensgenerierung und andererseits über die Wissensabsorption von Regionen treffen. Nach weiteren notwendigen Berechnungsschritten (vgl. MAHMUTOVIC, 2010, S. 14-15) erhalten wir Daten die anschließend mithilfe des Programms Microsoft EXCEL bereinigt werden müssen. Diese Bereinigung ist vonnöten, da es vorkommen kann, dass Anmeldernamen unterschiedlich geschrieben werden. Siemens AG und Siemens Aktiengesellschaft würden als zwei unterschiedliche Anmelder berücksichtigt. Um die Daten richtig lesen und nutzen zu können bedarf es hier einer Anpassung der Anmeldernamen. Neben diesem Bereinigungsschritt müssen weiterhin sogenannte Selbstzitierungen entfernt werden. Selbstzitierungen entstehen, wenn Anmelder des zitierenden und zitierten Patents identisch sind. Nachdem nun die Abfrage durchgeführt und die notwendigen Bereinigungsschritte durchgeführt wurden, kann nun die Patentzitierungsintensität für unsere Regionen berechnet werden. Folgende Formel veranschaulicht das Vorgehen, wobei GZ die Anzahl an gemachten Zitierungen und EZ die Anzahl an erhaltenen Zitierungen angibt. Ein Dividieren der gemachten durch die erhaltenen Zitierungen ergibt die Patent-zitierungsintensität (PI). Dabei gibt ein Wert größer eins an, dass mehr Wissen in einer Region absorbiert wurde und ein Wert unterhalb von eins weist auf eine stärkere Wissensabsorption hin.
EZ In der Studie von SCHERNGELL zeigte sich, dass die meisten Länder genauso viel Wissen absorbieren wie generieren (SCHERNGELL, 2007, S. 90). Folgende Ausfuhrungen sollen uns ein Bild über die Patentzitierungsintensitäten der Regionen in unserer Analyse verschaffen.
6.2
Patentzitierungsintensitäten für die Vergleichsregionen
Das Ergebnis der Berechnung von Patentzitierungsintensitäten für den Sektor Automotive zeigt folgende Tabelle. Neben der Patentzitierungsintensität kann
432 • Oliver Emons
dieser Tabelle ebenfalls die An2ahl an gemachten und erhaltenen Zitierungen entnommen werden. Dabei wurde ein Ranking für gemachte, erhaltene und Patentzitierungsintensität vorgenommen. Mehr Wissen zu generieren muss jedoch nicht unbedingt als Vorteil gewertet werden. Eine vielfältige Wissensabsorption kann dazu führen, dass Cluster sich erneuern bzw. regenerieren (MENZEL/FORNAHL, 2007, S. 10) (siehe hierzu den EXKURS über den Clusterlebenszyklus im Anhang).
Tab. 33: Patentzitierungsintensitäten für Automotive gemachte Automotive Zitierungen West Midlands 703 Wien 374 Budapest/Györ 226 München 5680 1081 Eindhoven 1267 Bergisches Land Arvika 1283
Rang 5 6 7 1 4 3 2
erhaltene Zitierungen 2114 326 325 5318 832 1104 645
Rang Index* 2 0,33 6 1,15 7 0,7 1 1,07 4 1,30 3 1,15 1,99 5
* Gemachte Zitierungen pro erhaltenden Zitierungen Quelle: EPO (2008), EPO World Wide Patent Statistical Database
Bei einer Interpretation der Werte für die Bereich Automotive ist folgendes Vorgehen zweckmäßig. Zunächst betrachtet man erhaltene und gemachte Zitierungen. Diese Werte zeigen uns zunächst Patente aus der Region die häufig zitiert werden und häufig zitieren. Daraufhin kann man das jeweilige Verhältnis aus gemachten und erhaltenen Zitierungen in die Analyse mit einbeziehen. Setzt man die Absorption des Wissens mit der Absorption von Wissenspillovern und die Generierung von Zitierungen mit der Generierung von Wissenspillovern gleich kann wie folgt geschlussfolgert werden: Die Beobachtung SCHERNGELLS, dass die meisten Regionen in etwa genauso viel Wissenspillover generieren, wie sie absorbieren spiegelt sich bei unseren Automotive-Regionen ebenfalls wieder. Einziger Unterschied zu SCHERNGELLS Analyse liegt in der Dimension der Regionen. Wir betrachten NUTS3-Regionen. Dementsprechend lässt sich als ein erstes Ergebnis festhalten, dass nicht nur bei NUTS2-Regionen (High-Tech) das Verhältnis von gemachten und erhaltenen Zitierungen in etwa gleich ist. Dieses Verhältnis kann ebenfalls bei NUTS3-Automotive-Regionen beobachtet werden.
Innovations- und Spezialisierungsdynamik im Automotivesektor • 433
Einzige Ausreißer bilden in unserer Analyse die Regionen West Midlands und Ungarn als deutlich stärker generierende Regionen und Arvika als deutlich geringer generierende Region. Die Werte für Automotive-Regionen in ZentralEuropa bewegen sich um den Wert 1. Die Werte für osteuropäische, oder nördliche Regionen entfernen sich deutlich vom Wert 1. Wenn wir davon ausgehen, dass der Wert eins ein Mittelwert ist und ein ausgeglichenes Verhältnis von gemachten und erhaltenen Zitierungen für eine Region positiv zu bewerten ist, dann zeigt sich ein Zentrum (Mitteleuropa)-Peripherie-Gefalle (SCHERNGELL, 2007, S.93). Diese Vermutung wird ebenfalls durch eine unabhängige Betrachtung der gemachten und erhaltenen Zitierungen gestützt. Regionen in Mitteleuropa weisen deutlich stärkere Werte bei diesen Formen von Zitierungen auf (München weist hier bei erhaltenen, wie auch gemachten Zitierungen den ersten Rang auf, Ungarn als östlichste Region hingegen den niedrigsten Rang). Da wir insgesamt nur sieben ausgewählte Regionen bei unserer Analyse berücksichtigt haben, müsste hier eine deutlich umfangreichere Analyse erfolgen um diese Vermutung zu konkretisieren.
Abb. 36: Patentzitierungsintensität nach Region (Automotive) ESTLAND
SCHOTTLAND
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DÄNEMARK -Mralinds 'AUj , Burnish«» ÌÌKySSBtdA ì WtiM UWD 1 NOHDOA T.ND
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L e n k f l u g k i t p e n y s t e m e GmbH echnlk und D e n j r i Technische Entwicklungen
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« w a g e n Aktiengesellschaft > W E B A S T O THERMO SYSTEME G< a ^ A U T O - K A B E t . HAUSEN GmbH a C O . BETRIEBS * « «DeimlerChrysler Ri* System
r.Ir>qJ.-c. F. P o - v h e Aktiengesefcchjft
Quelle: eigene Darstellung
EIIW
462 • Oliver Emons Abb. 59: Kooperationsnetzwerk - West Midlands 2000 bis 2007 _
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^ ^ ^ ^
F '.H
•
Quelle: eigene Darstellung
* * * * * *
*
EIIW
Innovations- und Spezialisierungsdynamik im Automotivesektor • 463
Abb. 61: Mobilitätsnetzwerk - West Midlands 2000 bis 2007
Quelle: eigene Darstellung
Abb. 62: Mobilitätsnetzwerk - West Midlands 1992 bis 1999
Quelle: eigene Darstellung
464 • Oliver Emons
Abb. 63: Kooperationsnetzwerk - Eindhoven 2000 bis 2007
Abb. 64: Kooperationsnetzwerk - Eindhoven 1992 bis 1999
Quelle: eigene Darstellung
Innovations- und Spezialisierungsdynamik im Automotivesektor • 465
Abb. 65: Mobilitätsnetzwerk - Eindhoven 2000 bis 2007
Quelle: eigene Darstellung
Abb. 66: Mobilitätsnetzwerk - Eindhoven 1992 bis 1999
Quelle: eigene Darstellung
466 • Oliver Emons
Anhang 5: Betweenness Zentralität (Automotive) Tab. 38: Betweenness-Zentralität (Freeman-Centrality) für Automotive Arvika 2000-2007
1992-1999 Anmelder
Anmelder
Wert
Wert
VOLVO CAR CORPORATION
0,308 Ford Global Technologies, Inc.
ADAM OPEL AG
0,000
ABOM, Jan
AKTIEBOLAGET 0,000 ELECTROLUX
0,842
Aktiebolaget SKF
0,000 AB Volvo Personvagnar
0,702
VOL VO LASTVAGNAR AB
Veränderung zwischen 1992-1999 und 2000-2007
2,070 1,263
+
West Midlands 2000-2007
1992-1999 Anmelder
Anmelder
Wert
Wert
AUTOMOTIVE PRODUCTS plc
ArvinMeritor Light Vehicle 0,114 Systems-France
Bayerische Motoren Werke Aktiengesellschaft
0,038
Lucas Industries Limited
TRW LUCAS VARITY ELECTRIC STEERING 0,038 LIMITED
0,083
Alcon Components Limited
0,000
A P Racing Limited
0,000
0,207 0,083
TRW Limited
Veränderung zwischen 1992-1999 und 2000-2007
+
Bergisches Land 2000-2007
1992-1999 Anmelder
Bergische
Stahl-Industrie
HAPPICH Fahrzeug- und Industrieteile GmbH
Wert
Anmelder
0,128 Johnson Controls GmbH 0,043
Delphi Technologies, Inc.
Wert
0,068 0,034
Innovations- und Spezialisierungsdynamik im Automotivesektor • 467
0,034
Edscha AG
Akzo Nobel Faser AG
0,000
August Bilstein GmbH & Co. KG
FORD-WERKE 0,000 AKTIENGESELLSCHAFT Veränderung zwischen 1992-1999 und 2000-2007
0,017
-
.
WÌCn
2000-2007
1992-1999 Anmelder
Anmelder
Wert
Wert
0,177 Alcatel Lucent
0,000
STEYR-DAIMLER-PUCH AKTIENGESELLSCHAF T
0,089 Bombardier Transportation GmbH
0,000
ABB Daimler Benz Transportation Austria GmbH
0,000 CNC Metallproduktion Gmbh
0,000
Austrian Aerospace GmbH
0,000 Continental Automotive GmbH
0,000
DaimlerChrysler A G
Veränderung zwischen 1992-1999 und 2000-2007
-
Eindhoven 2000-2007
1992-1999 Anmelder
Anmelder
Wert
Wert
Koninklijke Philips Electronics N. V.
0,089 A.F. Smits Beheer B.V.
0,000
Van Doorne 's Transmissie B.V.
0,089 AB SKF
0,000
ASM Lithography B.V.
0,000 AS ML Netherlands B.V.
0,000
Advanced Public Transport Systems BV
Bayerische Motoren Werke 0,000 Aktiengesellschaft
0,000
Veränderung zwischen 1992-1999 und 2000-2007
-
Al ü n c h e n 2000-2007
1992-1999 Anmelder
Bayerische Motoren Werke
Wert
3,128
Anmelder
Bayerische Motoren Werke
Wert
7,765
468 • Oliver Emons
Aktiengesellschaft
Aktiengesellschañ
WEBASTO KAROSSERIESYSTEME GmbH
0,708
MAN NUTZFAHRZEUGE
SIEMENS 0,204 AKTIENGESELLSCHAFT
1,953
0,136
1,900
Continental GmbH
AG
Webas to AG
1,955
Automotive AUDI AG Veränderung zwischen 19921999 und 2000-2007
+
Györ/Budapest 1992-1999 Anmelder
2000-2007 Wert
Anmelder
Wert
Autotrib Tribologiai Kutato es Fejleszto Kft
0,000 AUDI AG
0,000
Dolhay, Balázs
AUDI HUNGARIA MOTOR 0,000 KFT.
0,000
Energiagazdálkodási Részvénytársaság
0,000 Balogh, Dezsö
0,000
Etes N.V.
0,000 Behr GmbH & Co. KG
0,000
Veränderung zwischen 19921999 und 2000-2007
=
Quelle: Berechnungen mit UCInet Netzwerkvisualisierungsprogramm, für Beziehungsnetzwerke Anm.: kursiv und fett markiert = zentralste Akteure im Netzwerk, Akteure mit keinem Wert alphabetisch sortiert
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Die ungarische Automobilindustrie - eine vergleichende MOE-Perspektive mit besonderem Schwerpunkt auf dem strukturellen Wandel Andrea Szalavet2
1. Einleitung und Überblick Die vergangenen Jahrzehnte und vor allem die letzten beiden Jahre markierten einen grundlegenden Wandel in der globalen Automobilindustrie. In dieser langen Reifephase zeigte die Industrie nicht nur Trends, die insgesamt durch eine Konsolidierung gekennzeichnet sind, sondern auch Merkmale und Anzeichen einer Wiederbelebung (zumindest bis zum Einsetzen der globalen Finanzkrise und dem Zusammenbruch der Automobil-Märkte). Auf der einen Seite kennzeichnen die gegenwärtige Entwicklungsphase dieser Industrie, große Veränderungen in der globalen Geographie der Produktion (Dicken, 2003), Erhöhung der Segmentierung und Fragmentierung; neue Marktteilnehmer aus den Schwellenländern, große weltweite Fusionen und Akquisitionen, Rationalisierung und Umstrukturierung - auf der anderen Seite kontinuierliche Produktentwicklung, Prozess- und organisatorische Innovationen, und die Einbeziehung neuer Technologien in die Produktreifung. Der globale Wettbewerb erhöht bei den Verbrauchern die Auswahlmöglichkeiten und die Erwartungen nicht nur in den kleinen High-End-Segmenten, die durch wohlhabende und umweltbewusste Käufer gekennzeichnet sind, die von neuen technischen und gestalterischen Lösungen fasziniert sind. In den Low-End-Segmenten hat sich der Wettbewerbsdruck auch deutlich erhöht: Offensive neue Marktteilnehmer, die sogenannten Drachen Multis (Mathews, 2002) erfassen mit ihren besser-als-der-Durchschnitt Fähigkeiten einen zunehmenden Anteil am Weltmarkt, indem sie die Kosten im Griff behalten. Das Herstellerstreben nach Kostensenkung in Zeiten fallender Autopreise wird durch steigende Material- und Kapitalkosten vereitelt; weiterhin durch zunehmende Komplexität der Produkte selbst und durch die immer strengeren Umwelt- und Sicherheitsvorschriften die Automobilhersteller erfüllen müssen. Diese Phänomene lösen kontinuierlich und rasch zunehmende FuE-Anstrengungen sowohl im Produkt-, Prozess- und organisatorischen Sinne aus. Ein zentraler Aspekt der Innovationsbemühungen - Auswirkungen auf Produkte, Prozesse und die globale Organisation der Operationen - ist Modularisierung und Outsourcing (Hoetker, 2006). Outsourcing hat enorme Impulse für die
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Low-Cost peripheren Standorten gebracht, die versucht haben nach Effizienz suchenden ausländischen Investoren zu gewinnen, die bereit sind Technologie und Know-How im Zusammenhang mit der verlagerten Produktion zu transferieren. Die Verlagerung der Montage und der Auto-, Kfz-, Teile- und Komponentenproduktion hat nicht nur bei den Empfängerländern deren makroökonomische Kennzahlen verbessert, sondern auch zu einer signifikanten Akkumulationsfähigkeit im Zusammenhang mit den in die globalen Produktionsnetzwerke integrierten Akteuren beigetragen. Nach der Wandlung des Regimes, haben sich die MOE-Länder rasch in die europäischen Automobilproduktionsnetzwerke integriert (Lung, 2004; Radosevic/ Rozeik, 2005). Europäische Investoren - von denen viele schon lange Beziehungen zu lokalen Autokonstruktionsfirmen unterhalten - haben sofort die erheblichen Marktpotenziale in diesen Ländern erkannt (im Gegensatz zu ihren gesättigten Märkten, stießen sie hier auf eine große unbefriedigte Nachfrage - es gilt zu berücksichtigen, dass ein Verbraucher während des sozialistischen Regimes fünf bis zehn Jahre warten musste, wenn sie ein neues Auto kaufen wollten). 46 Darüber hinaus haben MOE-Regierungen versucht Investoren zu gewinnen. In diesem Zusammenhang haben Anleger die Möglichkeit von großen Privatisierungen und durch großzügige Förderung von Investitionsprogrammen (Subventionen, Steuererleichterungen, Zollfreigebieten etc.) erkannt. Die wirtschaftliche und politische Ausrichtung war jedoch nicht nur in FDIEmpfänger-MOE-Volkswirtschaften erkennbar. Wie Tulder (2008) zeigt, waren Landesregierungen von Investoren-Herkunftsländern ebenfalls in diese Transaktionen involviert: mit bilateralen Regierungsverhandlungen wurde bezweckt, dass Ansiedeln von Firmen zu unterstützen. Einerseits wurde der nicht-europäische Investorenansturm hin zu MOE durch die prospektive Integration dieser Länder in die Europäische Union gefördert, die diesen Investoren durch Gründung/Übernahme lokaler Produktions Stätten eine Überwindung europäischer Handelsbeschränkungen ermöglichten. Last but not least, eine sehr wichtige Gelegenheit, die die Öffnung von MOELändern den westlichen Investoren offerierte war die Möglichkeit Produktionskosten von arbeitsintensiven Phasen der Verarbeitung in Dennoch, wie mehrere Analysten schon angemerkt haben, war das Wachstum der lokalen Nachfrage instabil, was baldig dazu führte das aus marktsichtenden Investoren, Effizienzsuchende wurden. Die Anleger haben die Produktion und den Vertrieb ihrer lokalen Einrichtungen bezogen auf die Exportmärkte neu ausgerichtet. Als ergänzende Strategie sind sie entlang der Wertschöpfungskette einen Schritt zurück gegangen und haben sich auf "high volume", arbeitsintensive Teile- und Komponenten spezialisiert und auf die Produktion von High-Volume, arbeitsintensiven Teile und Komponenten für den Export, anstelle oder ergänzend zu der Endmontage von Autos für den heimischen Markt (Domanski/Lung, 2009). 46
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transformierende Volkswirtschaften47 zu verlagern, von denen viele historisch gesehen Kompetenzen in der Automobilproduktion oder zumindest in verwandten Branchen aufweisen/aufwiesen. Ungarn weist ein sehr unterschiedliches Vermächtnis im Hinblick auf die Automobilindustrie auf. Auf der einen Seite wurden Autos aus importierten Bausätzen bereits in der ersten Dekade der 1900er Jahre produziert48 montiert (der ungarischer Designer Janos Csonka designte und baute ein Auto im Jahre 1905) Busse wurden seit 1909 produziert. Die Weltkriege verstärkten die lokale Herstellung von militärischen Fahrzeugen und Autoteilen. Auf der einen Seite stoppte die Automobilproduktion nach dem zweiten Weltkrieg: innerhalb der CMEA-Arbeitsteilung wurde Ungarn die Produktion von Bussen49 und Lastkraftwagen zugewiesen, jedoch nicht die von Autos.50 Die Automontage und Teilefertigung in Ungarn wurde nach dem Wechsel des Regimes als Folge der von ausländischen Investoren getroffenen Standortentscheidungen wiederhergestellt. Dieser Aufsatz untersucht in einer vergleichenden (MOE) Perspektive, welche Rolle Automobil Investoren beim strukturellen Ausbau und der Modernisierung der ungarischen Wirtschaft gespielt haben. Wir prüfen, unter Rückgriff auf mehrere nachfolgende Investitionsentscheidungen, ob es ungarischen Stakeholdem (lokale Tochtergesellschaften; Unterstützung von Organisationen / Institutionen, lokalen Lieferanten etc.) gelungen ist, eine Verbesserung ihrer Aktivitäten zu ermöglichen, oder ob sie in einen kostengeprägten Wettbewerb geraten sind. Ein weiteres Ziel der Arbeit ist es, die politischen Maßnahmen und die Evolution von politischen Instrumenten mit deren Hilfe die qualitative und quantitative Entwicklung der Industrie gefördert und unterstützt wurde, zu überprüfen. Im zweiten Kapitel wird der aktuelle Stand der Industrie in Ungarn aus einer MOE-Perspektive dargestellt. Im dritten Kapitel werden die Branchenevolution Mit der Gründung des Hyundai Nosovice Werk in der Tschechischen Republik im Jahr 2008 und Mercedes ist Kecskemet in Ungarn im Jahr 2009, haben praktisch alle großen Hersteller auf der grünen Wiese Automobilbauinvestitionen in der Region durchgeführt. Entscheidungen über die Verlagerungen haben dazu geführt, dass ältere und teurere Anlagen wie z. B. PSA Ryton und G M Luton Werke in Großbritannien (PSA eröffnet neues Werk in der Slowakei und in Polen GM) geschlossen werden konnten. 48 Dieser Absatz ist an Havas (2000) angelehnt 49 Ikarus war auf der anderen Seite der größten Bushersteller, der die gesamte CMEA versorgt hat. Jährliche Produktion von über 14.000 Bussen in den 80er Jahren. 50 Die Herstellung von einigen Autoteilen und Komponenten wurde ebenfalls in der sozialistischen Ära weitergeführt - geliefert wurde hauptsächlich an westliche Hersteller, die mit harter Währung bezahlten. 47
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nach dem Wechsel des Regimes und ihr Beitrag zum strukturellen Aufschwung in Ungarn und anderen MOE-Volkswirtschaften überprüft. Im vierten Kapitel wird darauf eingegangen, welchen Einfluss allgemeine und spezifische politische Maßnahmen auf die Sektorleistung in Ungarn hatten oder voraussichtlich haben werden. Im fünften Kapitel werden Vorhersagen über die Branchenperspektiven vor dem Hintergrund der globalen Finanzkrise getroffen. Das sechste Kapitel behandelt unsere Schlussfolgerungen. Unsere Forschung ruht auf drei Säulen. Zunächst liefern wir eine Zusammenfassung und Analyse sekundärer Quellen (internationale wissenschaftliche Literatur) in Bezug zur Situation und den Perspektiven der ungarischen und MOE-Automobilindustrie. Die zweite Säule beinhaltet eine Zusammenstellung und Analyse von Branchenstatistiken und die dritte Säule bezieht sich auf die Feldforschung. Im November 2009 führten wir eine interviewbasierte Untersuchung innerhalb einer im deutschen Besitz befindlichen lokalen Tochtergesellschaft eines erstrangigen Zulieferers der Automobilindustrie (einem großen transnationalem Unternehmen) durch. Wir erkundigten uns über die Entwicklung und das Qualitätswachstum der Aktivitäten der lokalen Tochtergesellschaft. Diesbezüglich haben wir drei Interviews mit ausgewählten Vertretern des Managements durchgeführt. Die Verwendung von Ergebnissen und Erkenntnissen einer Fallstudie in diesem deskriptiven Papier soll dabei helfen unsere Argumente nur zu verdeutlichen und zielt nicht darauf ab diese zu beweisen.
2. Derzeitiger Status der Automobilindustrie in MOELändern Mit der Einbindung von MOE-Automotive-Akteuren in globale Produktionsnetzwerke und auf Grund der massiven Produktionsverlagerungen in die neu integrierten Regionen ist Mittel- und Osteuropa zu einem Produktionsstandort von großer Bedeutung geworden. Die Privatisierung hat dazu geführt, dass ein spektakulärer Turnaround von maroden und ineffizienten Autofabriken zu beobachten war z. B. im Falle der Tschechischen Skoda, die durch Volkswagen übernommen wurde oder im Falle der rumänischen Dacia, die von Renault erworben wurde. Im Zusammenhang mit Montageanlagen, wurden viele der lokalen Zulieferer auch von ausländischen Investoren übernommen. Die Kapazität der lokalen Zulieferindustrie wurde auch durch Greenfield-Investoren (globale Akteure) weiter ausgebaut.
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Auf der einen Seite haben sich die Tschechische Republik, Polen und die Slowakei zu großen Drehkreuzen von OEM-Baugruppen entwickelt (Ungarn holt mit dem Beginn der Mercedes-Produktion auf). Auf der anderen Seite beherbergen jedoch auch alle anderen MOE-Länder im ausländischen Besitz OEM Fertigungsmöglichkeiten. Während ausländische Direktinvestitionen im Autobau hauptsächlich durch die Privatisierung angetrieben wurden, entstanden viele lokale Automobilzulieferer auch durch Greenfield-Investitionen ausländischer Investoren, die nach Effizienz suchten. Die Aktivitäten von Teileherstellern werden teilweise so geplant um in der Nähe lokaler Fertigungsstätten zu sein und sie verfolgen damit teilweise auch das Ziel, Flexibilität zu erreichen und Kosten durch Outsourcing zu senken. Dieser Prozess hat sich beschleunigt, was Analysten als "die Europäisierung des Automobilbaus" bezeichnen (Pavlinek et al., 2009). Abbildung 1 zeigt die Veränderungen ausländischer Direktinvestitionen in den MOE Automotive Sektor. Abb. 1: Anstieg des Bestandes an Direktinvestitionen im Automobilbau in MOE-Ländern (1997-2006, in Mio. EUR)
Quelle: Haiss et al. (2009)
Die ungarische Automobilindustrie • 485
Tab. 1: Überblich über das Wachstum der Automobilproduktion in Zentral- und Osteuropäischen Ökonomien in „unit terms". Automotive Produktionsstatistiken Land
Ungarn Tschechische Republik Polen Slowakei* Rumänien
2000 134,029 428,224
2008 342,359 933,312
Gesamtzahl an Fahrzeugen 2000 2008 137,398 346,055 455,292 945822
481,689 181,333 64,181
840,000 575,776 231,056
504,972 181,783 78,165
Anzahl an Autos
950,908 575,776 245,308
Quelle: OICA Statistics * Nach Pavlinek et al. (2009) Berechnungen zufolge hat derzeit die Slowakei die höchste Pkw-Produktion pro Kopf in der Welt (106 Fahrzeuge pro Kopf im Jahr 2007).
Der überwiegende Teil der montierten Fahrzeuge in Ungarn sind PKWs: 282.000 Suzukis und 60.000 Audis.51 Diese Anzahl wird sich voraussichtlich mit dem Beginn der schnell wachsenden Produktion der Mercedes-Benz Manufacturing Hungary Ltd. ab 2011 verdoppeln (im Jahr 2013 wird der Output auf 300.000 Fahrzeuge geschätzt). Andererseits ist die Anzahl an montierten Bussen gesunken: im Jahr 2000 wurden 800 Busse in Ungarn, jedoch im Jahr 2008 629 Busse hergestellt (Ikarus stoppte seine Busproduktion, im Moment produzieren ausschließlich die Bushersteller NABI und Kravtex). In einer vergleichenden MOE-Perspektive ist Ungarn eher ein Automobilteileund Komponentenherstellerland, als ein Spezialist im Montieren von Personenkraftwagen. Ungarn ist sehr stark spezialisiert im Herstellen von Motoren (in 2007 wurden 1,9 Millionen Audi-Motoren und 450.000 GM-Motoren in Ungarn hergestellt)52, Bremssystemen und Lenksystemen etc. Neben PKWs und deren Teilen und Komponenten ist Ungarn ebenfalls zu einem Produktionsstandort von mehreren Tier 1 Zulieferern von leichten und schweren LKWs geworden.
51 GM war es gewohnt auf eine Opel-Produktionsstätte in Ungarn zurückzugreifen. Diese Produktion endete im Jahr 1998. Insgesamt wurden 90.000 Opel in Szentgotthärd zwischen 1992 und 1998 zusammengesetzt. 52 Nach Angaben der polnischen Agentur für Information und Auslandsinvestitionen, lautete die entsprechende Zahl für Polen: 1,8 Millionen Motoren im Jahr 2007. Die wichtigsten Motorenhersteller sind: Volkswagen Motor Polska; Toyota Motor Industries Poland; Toyota Motor Manufacturing Poland; Isuzu Motor Polska und Fiat-GM Powertrain.
486 • Andrea Szalavetz
Führende Tier 1 Zulieferer sind Riba 53 , Knorr Bremse, Bosch, ZF, Luk Savaria (Schaeffler Group), ZF Lenksysteme, Visteon, Denso Corporation etc. Die folgende Tabelle zeigt die Top-15 ungarischer Automobilhersteller. Tab. 2: Top-15 Automobilhersteller in Ungarn (Umsatz in Millionen HUF), 2008 Nr. 1 2 3 4
Hersteller Audi Hungäria Motor Kft. Magyar Suzuki Kft. Lear Corporation Kft. Denso Kft.
Nettoumsatz 1.484.507
Nr. 9
609.414
10
142.969
11
110.788
12
5
Luk Kft.
Savaria
104.309
13
6
Visteon Hungary Kft. BorgWarner Turbo Systems Kft. BPWHungdria Kft
82.251
14
69.721
15
61.374
19
7 8
Hersteller Räba Holding Nyrt. Hammerstein Bt. ZF Hungäria Kft. SMR Automotive Mirror Technology Bt. Knorr Bremse Fekrendszerek Kft. Delphi Thermal Hungary Kft. Knorr Bremse Vastiti Järmü Kft. GM Powertrain Kft.
Nettoumsatz 58.863 57.484 48.639 46.967 34.283 32.869 32.758 26.796
Quelle: Figyeló T O P 200, 2009
Spezialisierung in Teile und Komponenten und besonders die Präsenz von Tier 1 Herstellern ist besonders wichtig, da bedingt durch die modulare Organisation der Automobilindustrie die weltweite Produktion umstrukturiert wird. Wie Domanski/Gwosdz (2009, 454) anmerken, bewegt sich die Wertschöpfung in der Automobilindustrie teilweise von den Automobilherstellern weg und hin zu Tier 1 Zulieferern - Systemzulieferen - die komplette Module herstellen und abgestuft in der Hierarchie ebenfalls hin zu Tier 2 Zulieferern. Strukturelle Wertsteigerung (im Sinne höherer wertschöpfender Tätigkeiten, Kompetenzverbesserung und weiterhin gemeinsamer Aufträge - siehe Kapitel 3) 53
Raba montiert ebenfalls Militärlastwagen.
Die ungarische Automobilindustrie • 487
ist meistens einfacher für Teile- und Komponentenhersteller lokaler Tochtergesellschaften, als für lokale OEM-Einrichtungen die mit der Endmontage betraut sind. In den folgenden Ausführungen präsentieren wir einige detaillierte Leistungsdaten für Ungarn. Der Output der Hersteller für Teile und Zubehör (TE) betrug im Jahr 2007 3597.2 Milliarden HUF (~ EUR 14,5 Mrd.), von denen 90% exportiert wurden (Quelle: CSO). Der Anteil der TE Wertschöpfung an der gesamten Wertschöpfung des verarbeitenden Gewerbes ist die vierthöchste in ganz Europa: Im Jahr 2007 betrug sie 15,4%, gefolgt von Deutschland (17,4%), der Tschechischen Republik (16,1%) und der Slowakei (16,0%).54 Die dritte Tabelle zeigt die Exportintensität der Automobilindustrie in einer vergleichenden Perspektive. Hohe Werte weisen darauf hin, dass der dominante Teil der lokalen Produktionskapazitäten auf der einen Seite durch die Suche nach Effizienz und auf der anderen Seite dadurch beeinflusst werden, dass das Wachstum auf den lokalen Märkten hinter den Erwartung geblieben ist, so dass ein Teil der lokalen Produktion umgewandelt werden musste: die Herstellung von exportorientierten Gütern wurde durch marktorientierte substituiert. Skoda bildet, wie aus den Tschechischen Daten entnommen werden kann eine Ausnahme. Skoda hat eine deutlich höhere (als der Durchschnitt) lokale Marktorientierung. Außerdem wird im Gegensatz zu den stark exportgeprägten ungarischen und polnischen Komponentenherstellern, ein über dem MOEDurchschnitt liegender Anteil an Komponenten innerhalb der Tschechischen Republik in Personenkraftwagen verbaut (Pavlinek et al, 2009 zusammengestellt S. 51). Tab. 3: Exportintensität (export over production) der TE-Industrie (in %), 2008 Tschechische Republik 71,3 Ungarn* 89,8 Polen* 81,5 Slowakei 83,85 Quelle: Berechnungen des Autors, basierend auf der OECD STAN Database, 2009 * = 2007
54 Quelle: Zoltän Pitti-Daten, basierend auf Eurostat Data Bank Datendienste (Oktober 2009). Der jeweilige Wert dieses Indikators betrug 9,6 in Polen und 13,1 in Rumänien (Quelle: Ebd.). Vergleichen Sie diese Daten mit dem EU 27-Durchschnitt von 11,6%.
488 • Andrea Szalavetz
Die Anzahl an registrierten GmbHs betrug im Jahr 2008 603. Weiterhin waren in 2008 insgesamt 26 Aktiengesellschaften (bei den Teile- und Zubehörherstellem TE) registriert. Ausländische Kapitalbeteiligung war im Jahr 2007 bei 127 TE Unternehmen zu finden. Der größte Teil der in ausländischem Besitz befindlichen Unternehmen sind in 100%igem ausländischen Besitz. Dies wird vor allem daran deutlich, wenn man einen Blick auf die Daten zum Eigenkapital wirft: Das absolute Eigenkapital der Unternehmen betrug 2007 insgesamt 1667.5 Milliarden HUF (ungefähr 6,5 Milliarden EUR). Der Anteil am ausländischem Eigenkapital betrug 2007 1638.7 Milliarden HUF. Die TE Industrie beschäftigt 2007 insgesamt 63.500 Menschen. Dies macht 2,3% der Gesamtbeschäftigung aus. Diese Zahl unterstreicht die Wichtigkeit dieser Industrie im Bezug zur Gesamtbeschäftigung: dabei gilt es zu berücksichtigen, dass die Anzahl an Beschäftigten, die in der gesamten automobilen Wertschöpfungskette arbeiten, viel höher ist, als auf einen ersten Blick erkennbar ist. Nach Dicken (2003) ist die Anzahl der an der gesamten Wertschöpfung beteiligten Beschäftigten fünf- bis sechsmal so hoch als die Anzahl der direkt an der Erstellung beteiligten Menschen (S. 355). Daran wird deutlich, wie groß die Anzahl an Beschäftigten in der Automobilbranche tatsächlich ist: Daten von Zoltan Pitti (basierend auf Daten von Eurostat, die sich teilweise von den offiziellen Daten der CSO unterscheiden) können herangezogen werden um eine adäquate Basis für Vergleiche zu gewährleisten. Die folgende Tabelle fasst die grundsätzlichen, demographischen und arbeitsmarktrelevanten Daten für den Automotivesektor zusammen. Vor allem ist es von Interesse, das rapide sektorale Beschäftigungswachstum der Länder vor dem Hintergrund der Entwicklung in Rumänien zu betrachten. In Rumänien ist kein Beschäftigungswachstum zu erkennen. Diese Entwicklung kommt in erster Linie durch einen Personalabbau und Restrukturierungsbemühungen zu Stande Weiterhin manifestierten sich die expansiven Effekte von FDI Zuflüssen erst nach dem Jahr 2005.
Tab. 4: Zahl der Unternehmen und die Beschäftigung in der Industrie T E Land Ungarn Tschechien Polen Slowakei Slowenien Rumänien
Anzahl an Unternehmen 2000 2005 2007 289 804 824 896 979 735 5,133 3.270 3.583 90 144 198 222 274 223 562 1,119 1.011
Anzahl 2000 40.466 102.057 163.954 24.106 10.878 143.688
an Beschäftigten 2005 2007 65.162 51.664 125.539 143.690 178.499 209.165 31.044 41.393 11.018 12.744 124.744 121.411
Quelle: Zoltan Pitti's Daten, basierend auf Eurostat Data Bank data services
Die ungarische Automobilindustrie • 489
Die folgende Tabelle hat das Ziel einen Vergleich der Wettbewerbsfähigkeit der einzelnen Länder herzustellen. Dabei werden Daten zum Output und zur Wertschöpfung gegenübergestellt. Um MOE-Daten vergleichen zu können haben wir ebenfalls Deutschland in die Tabelle aufgenommen. Tab. 5: Bruttoleistung und Bruttowertschöpfung Gross der MOE Automotivindustrie (EUR mn, current prices) Land
Bruttoleistung
Bruttowertschöpfung
2000
2005
2007
2000
2005
2007
Ungarn
5.996,1
9.868,1
14.604,3
1.263,6
1.920,1
2.885,7
Tschechische Republik
7.678,4
15.781,8
23.228,9
1.537,6
3.196,6
4.781,0
Polen
11.034,5
18.423,9
25.158,7
2.147,8
4.071,3
5.207,5
Slowakei
2.399.5
5.652,3
11.615,2
323,2
629,1
1.356,4
Slowenien
1.409,5
2.015,6
2.444,5
157,7
325,2
446,3
Rumänien
1.611,1
3.905,2
6.970,2
559,2
874,4
1.806,0
Deutsch -land
236.658,3
294.140,0
346.877,1
57.191,6
71.760,3
84.270,9
Quelle: Zoltân Pitti-Daten, basierend auf Eurostat Data Bank Data Services Im Fall von Polen und Slowenien zeigt sich, das sich die Größe deutlich auswirkt, ebenso wie die zügige Ausweitung der Produktion bei allen MOEVolkswirtschaften. Der direkte Vergleich zu Deutschland zeigt jedoch, dass trotz einer Verdreifachung des Outputs in der Tschechischen Republik und einer spektakulären Expansion in Polen und Ungarn, der Automotive Output in den MOE-Volkswirtschaften nur ein Fragment des Outputs Deutschlands ausmachen. Wenn wir den Output der aufgeführten Volkswirtschaften addieren würden, ergäbe dies immer noch weniger als ein Viertel des Outputs von Deutschland (in 2007). Trotzdessen das die Automobilindustrie zu den "reifen" Industrien gezählt werden muss, ist sie sehr forschungsintensiv. Dies ist vor allem seit der Integration von hochgradig komplexen Produkten aus verschiedenen aufstrebenden und jungen Industrien der Fall (Cross-Innovation).
490 • Andrea Szalavetz
Der Anteil der Industrie an den gesamten FuE Ausgaben ist für Ungarn signifikant: in 2007 wurden 13.7 Milliarden ausgegeben, was insgesamt 11.8% des BERD ausmacht. Die Industrie beschäftigte insgesamt 890 Forscher und es wurden 18 Patente im Zusammenhang mit der Automobilbranche angemeldet.55 Für eine vergleichende Perspektive verweisen wir auf die ANBERD Datenbank (Tabelle 6). Tab. 6: Forschungs-und Entwicklungsaufwand in der Automobilindustrie (millions of PPP USD, current prices, ISIC 34-35) Tschechische Republik Ungarn Polen
2006 625,4 52,6 161,2
Quelle: Berechnungen des Autors unter Verwendung der O E C D A N B E R D Database, 2009
Neben den absoluten Werten sollten jedoch ebenfalls Produktionskennzahlen betrachtet werden. Da diese Indikatoren ausschließlich in Euro verfügbar sind berechnen wir Kennzahlen. Tabelle 7 zeigt FuE und Produktionskennzahlen die als Benchmark die Tschechische Republik heranziehen. Diese Tabelle macht die tschechische qualitative Überlegenheit sowie die ungarische relative Rückständigkeit noch deutlicher — gemessen anhand der lokalen Forschungsintensität der lokalen Produktion -als die absoluten Werte in Tabelle 6.
55 Die Zahlen in diesen Absätzen wurden aus dem CSO's Jahrbuch 2008 für Ungarn entnommen sowie aus dem 'Action plan to promote the Hungarian transport equipment industry' v o m Ministerium für Entwicklung und Wirtschaft vorbereitet und angenommen im Juli 2009.
Die ungarische Automobilindustrie • 491
Tab. 7: Produktion (Y) und FuE Vergleiche in der Automobilindustrie (Tschechische Republik = 100) Y FuE Country 2006 2006 Tschechische Republik 100 100 Ungarn 59,7 8,4 Polen 109,0 25,8 Quelle: Berechnungen des Autors und Verwendung von Daten von Zoltän Pitti (Eurostat Data Bank data services) und der OECD ANBERD Database, 2009
Die Vergleiche zur lokalen Forschungsintensität der Produktion sind sehr stark verbunden mit den Ausführungen im dritten Kapitel: insbesondere der Beitrag der FDI-basierten Expansion der Automobilindustrie im Bezug zur MOEländerspezifischen strukturellen Aufwertung.
3. Beitrag den die Automobilindustrie zur strukturellen Verbesserung in MOE-Ländern leistet 3.1 Quantitative Aspekte Der Beitrag der Industrie zur strukturellen Aufwertungsleistung der MOELänder kann nicht nur vor dem Hintergrund des sich wandelnden Industriemixes und dem Wandel in der Produktions- und Exportspezialisierung analysiert werden, sondern ebenfalls unter Berücksichtigung der Qualität der strukturellen Transformation. Bei einer Betrachtung der quantitativen Aspekte zeigen Statistiken ein rapides Wachstum des Bereichs Transportequipment als Teil des produzierenden Gewerbes. Die folgende Abbildung quantifiziert diese wachsenden Wertschöpfungsanteile und illustriert in auffälliger Weise die schnelle Zunahme des industriellen Anteils und damit das Ausmaß des Strukturwandels.
492 • Andrea Szalavetz
Abb. 2: Der Anteil der Automobilindustrie an der industriellen Wertschöpfung (%)
Quelle: Eigene Berechnungen unter Verwendung der Daten von Zoltan Pitti Für eine nicht irreführende Auswertung der in Abbildung 2 vorgestellten Daten, soll darauf hingewiesen werden, dass Unterschiede zwischen transformierenden Volkswirtschaften im Zusammenhang mit Strukturwandel in zahlreichen Studien untersucht wurden. Diese Studien brachten die Restrukturierung und Wettbewerbsfähigkeit dieser Länder in einen Zusammenhang mit FDI Beteiligung der Branchen und den technologischen Eigenschaften des neuen Industriemix und der Handelsspezialisierung (z.B. Guerrieri, 1999; Landesmann/Stehrer, 2002). Frühere Arbeiten lobten meistens diese Länder mit einem ausgeprägten Strukturwandel. Die Automobileindustrie ist von zentraler Bedeutung, weil sie starke Verbindungen zu anderen Industrien aufweist, die Technologiespillovers hervorrufen und begünstigen. Die Fähigkeit zur strukturellen Aufwertung wurde unter anderem anhand der Anzahl von Exportähnlichkeiten gemessen (verglichen zur Exportstruktur von fortgeschrittenen Volkswirtschaften). Hohe Werte des sogenannten „export-similarity index" wiesen auf ein fortgeschrittenes Stadium im Aufholprozess hin. Spätere Beiträge zeigten jedoch, dass sich die Ergebnisse des „export-similarity index" mit einer erheblichen Qualität von den sehr überraschenden hohen
Die ungarische Automobilindustrie • 4 9 3
Werten des „export-similarity index" der transformierenden Länder unterschieden (e.g. Dulleck et al., 2005; Welfens/Borbely, 2009). Hinter der Ähnlichkeit der Produktionsstruktur können sich jedoch Qualitätsunterschiede verstecken. Diese Beiträge haben andere Indikatoren verwendet um die qualitativen Unterschiede zu messen: Export Unit Values, Qualitäts-Segment Indikatoren und Indikatoren bezogen auf die vorherrschende und sehr langsam abnehmende Produktivitätslücke zwischen der transformierenden und den fortgeschrittenen Volkswirtschaften. Es ist mittlerweile die herrschende Meinung, dass was Länder und Regionen produzieren nicht als schlecht oder gut bewertet werden kann: es ist eher wichtig zu wissen wie sie die Güter produzieren. Demnach ist es nicht wichtig auf was Länder spezialisiert sind, sondern eher die Qualitätsindikatoren der Produktionsaktivität die eine erklärende und vorhersagende Wirkung bezüglich Leistung aufweisen zu untersuchen (Feser, 2003). Seit in MOE-Ländern die Expansion der Automobilindustrie im Zusammenhang mit Standortentscheidungen ausländischen Investoren und dem rasanten Anstieg ihrer lokalen Produktion gebracht wurde ist es wichtig zu untersuchen ob diese qualitative Art der Expansion, die selbstverständlich ein spektakuläres strukturelles Aufholen im quantitativen Sinn produziert hat, auch eine Qualitätsverbesserung gefördert hat. Reflektiert die Spezialisierung dieser Länder innerhalb des Automobilsektors die qualitative Aufwertung, oder verstecken sich hinter der Ähnlichkeit zwischen fortgeschrittenen und MOE-Volkswirtschaften bei der Produktion und Exportspezialisierung weiterhin wichtige Qualitätsunterschiede?
3.2
Qualitative Aspekte
Die (internationale) wissenschaftliche Literatur unterscheidet zwischen "highroad" und „low-road" Aufhol- und Anpassungsstrategien (Pyke/Sengenberger, 1992). „Low-Road" basiert auf Kostenvorteilen auf Grund von niedrigen Arbeitskosten, „high-road" - Strategien basieren auf der Effizienzverbesserung der langfristigen Entwicklung von Fähigkeiten und Innovationen. Im Laufe des Regimewechsels haben die MOE-Länder ihre Exporte reorganisiert und ihre Produktions- und Exportstruktur durch „low-road" - Anpassung auf Grund der anziehenden und veränderten Produktion verbessert. Dies impliziert nicht zu vernachlässigende Investitionen in die technologische Modernisierung und Lern — und Akkumulationsfähigkeit - letztere vor allem hinsichtlich der Produktionskapazität. Allerdings begannen die Wettbewerbsvorteile bei den Kosten im Zusammenhang mit der verbesserten gesamtwirtschaftlichen Leistung und den Aufholprozess zu erodieren.
494 • Andrea Szalavetz
In den frühen 2000em verlangsamte sich die gute strukturelle Anpassungsleistung der MOE-Länder und zwar bei den Ländern die am weitesten fortgeschritten waren. Im Zuge dieser Entwicklungen wurden Änderungen in der Adaptionsstrategie und ein Wechsel zu „high-road"- Ansätzen zunehmend wichtiger. Diese Veränderungen wurden ebenfalls durch eine Veränderung der Arbeitsteilung innerhalb des Automotivesektors gefördert: Um ihre Position im globalen Produktionsnetzwerk (indem sie integriert sind) beizubehalten und zu verbessern, müssen sich Zulieferer heutzutage in der Wertschöpfungskette hoch bewegen und somit Verantwortung nicht nur für physikalische Vorgänge, sondern ebenfalls auch für Design, Logistik und Supply Chain Management übernehmen. In diesem Zusammenhang bezieht sich eine „high road" - Strategie auf die Verlängerung der regionalen Wertschöpfungskette durch die Übernahme ergänzender überbetrieblicher Funktionen (neben der Produktion) und durch eine Erhöhung der lokalen Wertschöpfung durch die Integration einer wachsenden Anzahl von lokalen Zulieferern. In den folgenden Ausführungen untersuchen wir den derzeitigen Stand und die Veränderungen ausgewählter Aspekte und Indikatoren, die auf eine Qualitätsverbesserung der Arbeitsleistung in der Automobilindustrie von MOE-Ländern verweisen.
3.3
Value added over Output
Abbildung 3 zeigt gemessen anhand des „value added over Output" - Indikators das Ausmaß der Qualitätsverbesserung der lokalen Automobilhersteller. Die Probleme, die im Zusammenhang mit der Nutzung dieses Indikators auftreten können, werden anhand der großen Fluktuationen des Wertes aufgezeigt. Statt eines linearen Wachstums, das die schrittweise zunehmende Qualität und den zunehmenden inländischer Wertschöpfungsanteil wiederspiegeln würde, bewegen sich als Folge von Investitionsentscheidung die Werte des Indikators nach unten. Das kommt dadurch zu Stande, weil der Output (d.h. der Nenner) stark gestiegen ist und die hohe Importintensität der Produktion verhindert dass der Wertschöpfungsanteil dieser Entwicklung folgt. Nichtsdestotrotz zeigen sich erhebliche Unterschiede zwischen den Ländern. Die Werte für die Slowakei sind niedriger als die Werte für den MOE-Durchschnitt, was durch einen deutlich überdurchschnittlichen Anteil der importintensiven Montage an dem gesamten Output erklärt werden kann. Hier gilt es jedoch ebenso anzumerken, dass die Wertschöpfung durch die Profitrate beeinflusst wird, die durch die Strategie der Transferpreissetzung determiniert wird, die wiederum einige zwischenstaatliche Unterschiede begründen könnte.
Die ungarische Automobilindustrie • 495
Es ist vor allem sehr interessant, die Wettbewerbsfähigkeit von MOE-Ländern mit ausgewählten fortgeschrittenen Volkswirtschaften 2u vergleichen (Abbildung 4). Im Zusammenhang mit der letztgenannten Gruppe verursacht das hinbewegen zu einer modularen Produktion verbunden mit einem zunehmenden Outsourcen, dass der Indikatorwert mehr oder weniger stagniert: das bedeutet aber auch eine Kompensation die durch eine Erhöhung der Wertschöpfung als Folge einer „high-road" - Strategie zustande gekommen ist. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die qualitative Evolution von zwei Ländern nicht gleich verläuft 56 und die Werte des Indikators nicht signifikant verschieden sind, was wiederum darauf schließen lässt, dass im Umgang mit diesem Indikator und der Interpretation dieses Einzelindikators Vorsicht geboten ist!
Abb. 3: Value added over Output in MOE-Automotiveindustrien (%) 35 30
15
— — — — -
1 |J _(-
r— 2000
2001
«-CZ
I
I 2002
"— 2003
---HU
1-
1 2004
PL
1 2005
i
1 1
T 2006
i
2007
- •• SK
Quelle: Eigene Berechnungen unter Verwendung von Daten von Zoltan Pitti
56 Beide Länder verbessern sich, doch die einzelne Entwicklungsverläufe sind unterschiedlich
496 • Andrea Szalavetz
Abb. 4: Value added over output in fortgeschrittenen AutomobilVolkswirtschaften (in %)
D
-•— F
I
-4*
GB
Quelle: Eigene Berechnungen unter Verwendung von Daten von Zoltán Pitti
3.4 Veränderungen im Produkt-Mix und der technologischen Ebene der.Produktion Die gängige akademische Literatur spricht häufig von der Diversifikation der Produktion und dem Hinbewegen in gehobene (oder auch middelmarket) Nischen (von der kostenbasierten Massenproduktion von Fahrzeugen im Niedrigpreissegment) als ein zentrales Element einer „high-road"-Strategie. Wir sind der Ansicht, dass diese Indikatoren nicht angemessen sind. Mit der Verkürzung von Produktionszyklen und der Beschleunigung der Lernkurven der peripheren Tochtergesellschaften (Lung, 2004) wird die geographische Teilung der Arbeit nicht mehr von den "reifen und Low-EndProdukten zur Peripherie, neue und hochwertige Produkte zur Mitte"-Regelung determiniert.57 In Übereinstimmung mit Pries/Dehnens (2009) Argumenten nehmen wir somit an, dass die Entscheidung über den Standort wo individuelle Produkte innerhalb des multinationalen globalen Unternehmensnetzwerk hergestellt werden sollen, 57 Obwohl die MOE-Volkswirtschaften hauptsächlich in der Montage von HighVolume-, Low-End- preiswerten Fahrzeugen und Motoren spezialisiert sind, beherbergen sie auch unter anderem Hersteller einer Reihe von High-End-, LowVolume-Nischenprodukten (Frigant/Layan, 2009, 16).
Die ungarische Automobilindustrie • 497
viel komplexer ausgestaltet sind, als das oben angeführte Schema uns glauben machen will, dass durch unterschiedliche strategische, technische, politische und institutionelle Faktoren beeinflusst wird (nicht zuletzt durch das unternehmerische Verhalten der lokalen Tochtergesellschaften, vgl. Birkinshaw, 2000). Daher spiegelt Produktdiversifikation in gehobenen Nischen nicht unbedingt die Ergebnisse der "high-road"-Strategie wieder. Ebenso spiegelt, im Falle von Fahrzeugkomponenten, die Umstellung auf immer raffiniertere Produkte nur eine scheinbare Verbesserung wieder (aber nicht unbedingt ein "high-road" Strategie). In einer gründlichen Analyse demonstrierten Pavlinek et al. (2009) den spektakulären Strukturwandel der in dem Export-Mix von Fahrzeugkomponenten in MOE-Ländern stattgefunden hat (zwischen 1996 und 2006). Der hohe Anteil an der Wertschöpfung, technologisch anspruchsvoller Produkte (zum Beispiel Lenkungs- und Bremssysteme) ist gegenüber denjenigen Produkten mit einem geringen Wertschöpfungsanteil deutlich angestiegen (beispielsweise Kabelbäume, Sitze, Karosserien, Auspuffrohre, Scheibenwischer). Der spektakulärste Wechsel vollzog sich in Polen und Ungarn 58 (ein mehr als achtfacher Anstieg - um 33% - im Bereich von Komponenten mit einem hohen Anteil an der Wortschöpfung innerhalb des gesamten Exports von Komponenten und einem fast vierfachen Anstieg um 58,4%), da in der Slowakei der Anteil der Komponenten mit einem hohen Wertschöpfungsanteil sehr stark gesunken ist (als Anteil am gesamten Komponentenexport) (Abbildung 5, S. 49). In einer Ära, in der hoch automatisiertes anspruchsvolles Produktionsequipment die Wissens- und Bildungsintensität des Produktionsprozesses reduziert, kann ein Wechsel in der Zusammensetzung des Produkt-Mix nicht als ein vertrauenswürdiger Proxy für eine lokale „high-road"-Strategie genommen werden. In diesem Zusammenhang und im Gegensatz zu Domanski et al. (2008) der positive Schlüsse aus der Tatsache zieht, dass ausgewählte Investoren kapitalintensive, fortschrittliche Technologien in der polnischen Automobilindustrie eingeführt haben, sind wir nicht der Ansicht, dass das technologische Niveau und die Kapitalintensität als gute Indikatoren für lokale "high-road" Integrationsstrategien genommen werden können (abgesehen von der Tatsache, dass eine Änderungen dieser Indikatoren mehr erklären könnte), (sie sollten sich 58 Der relativ geringe Wert dieses Indikators in der Tschechischen Republik (10%) kann durch die (bereits erwähnte) Tatsache erklärt werden, dass im Gegensatz zu der Exportorientierung von Ungarn und Polen, eine hohe Wertschöpfung in der Komponentenfertigung vorhanden ist und das hochwertige Komponenten, die in der Tschechischen Republik hergestellt werden, ebenfalls in Personenkraftwagen innerhalb des Landes verbaut werden (Pavlinek et al, 2009). Auch dieser Zusammenhang zeigt, dass bei Schlussfolgerungen bezogen auf diese Indikatoren, die Zusammensetzung oder Änderungen der Produktionsmix beschreiben Vorsicht geboten ist.
498 • Andrea Szalavetz
vielmehr an industriespezifischen Tendenzen und nicht an Ergebnissen der lokalen Anpassung und der Akkumulation von Fähigkeiten orientieren.).
3.5
Inländischer Wertschöpfungsanteil
Stattdessen können drei Indikatoren als Proxys für die Abschätzung der lokalen Adaptions- und Integrationsstrategie genommen werden: inländischer Wertschöpfungsanteil, Arbeitsproduktivität; Wissensintensität der lokalen Produktion. Im Einklang mit Pavlinek et al. (2009) gehen wir ebenfalls davon aus, dass die Analyse der Daten für die Importintensität oder vielmehr des inländischen Wertschöpfungsanteils der Produktion (sowie Änderungen darin) unentbehrlich für eine zuverlässige Bewertung der Aufholleistung der Empfangerländer von Direktinvestitionen sind. Allerdings sind diese letztgenannten Daten auf dem Produktlevel nicht verfügbar. Abbildung 5 zeigt industriebasierte Import-Export Relation. Hierbei gilt es anzumerken, dass die MOE-Deutschland bilaterale Import/Export Relation höher ist, als der in Abbildung 5 dargestellte Durchschnitt, der von 76,9% (Tschechische Republik, 2008) auf 118,1% (Slowakei, 2008) gewachsen ist (die entsprechende Zahl für Ungarn ist 80,7%, für Polen: 112,5% - Quelle: eigene Berechnungen auf Basis der OECD STAN bilateralen Handelsdatenbank). Abb. 5: Import-Export Relationen in der MOE-Automotiveindustrie (in %)
2005
2006 CZ
. —-HU
2007 PL
2008 — SK
Quelle: eigene Berechnungen auf Basis der OECD STAN bilateralen Handelsdatenbank
Die ungarische Automobilindustrie • 499
Die folgende Tabelle bietet eine Übersicht über die industriebasierte Importintensität (Import im Zusammenhang mit der Produktion). Skodas extensive lokale Zuliefererbasis wird anhand der aufgeführten Daten deutlich erkennbar. Tab. 8: Importintensität der TE Industrie (in %), 2008 Tschechische Republik 40,6 61,5 Ungarn* Polen* 60,0 57,2 Slowakei Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis der OECD STAN bilateralen Handelsdatenbank, 2009 * = 2007 Um eine irreführende Interpretation der Daten auszuschließen ist es wichtig sich die Argumente von Pavltnek et al.'s (2009) nochmals vor Augen zu führen. Obwohl die Autoren die Argumente auf Grundlage der VW Slovakia basieren, kann sie mehr oder weniger auf jeden größeren in den MOE-Ländern agierenden OEM-Hersteller übertragen werden. „VW Slovakia switched its sourdng strategy from imports of the vast majority of components to local sourdng from its established Western suppliers in order to accommodate an increase in the scale of its car assembly. However, these suppliers in many cases assemble modules from imported components on site rather than manufacture components in host countries ... What this means is that high local content does not necessarily translate into strong supplier linkages with domestic companies." (Pavltnek et al. [2009]: 54) Die Ergebnisse unserer Untersuchungen vor Ort59 unterstützen die Forderung, dass unabhängig vom Wert des inländischen Wertschöpfungsanteils, Verknüpfungen mit inländischen Lieferanten im Falle der meisten Kfz-Unternehmen in MOE-Volkswirtschaften schwach sind und sich dies sehr langsam ändern. The interviewed company has been making considerable 'localisation efforts'. Out of its 140 suppliers there are on the average 10 new ones eachyear, partly because of inclusion of new products and partly as a result of localisation efforts, when changes in suppliers lead to cost cutting. At the MNC's level only 75 % of procurement is centralized. Similarly to other local fadlities, the Hungarian subsidiary has also acquired the competence of purchasing, i.e. carrying out the lengthy formal process of supplier selection, audit, monitoring etc. The results of ambitious localisation efforts are however meager from the point of view of Hungarian domestic SMEs. On the one hand, the initially 99 % share of German suppliers has been reduced to 80 % since the establishment of the local subsidiary in 2003. However, the majority of new Unter den befragten deutschen Unternehmen, befindet sich ein First-TierSystemanbieter, der darauf besteht nicht genannt zu werden. 59
500 • Andrea Szalavetz
suppliers are not Hungarian ones but Italian, French and Spanish companies — this is also referred to as localisation! The Hungarian subsidiary has one C^ech and one Slovakian supplier and three Hungarian ones (though the formal selection and audit process is still going on in the case of five additional Hungarian companies). None of the three Hungarian suppliers are domestic SMEs (there is a Hungarian owned large company and two Hungaiy-based subsidiaries of a Swedish and a German automotive companies). Wichtige Ausnahmen bilden die tschechische Skoda, sowie einige andere nicht PKW produzierende Unternehmen wie sie bei Pavlinek et al untersucht wurden (2009, S.56); Fiat in Polen und Suzuki in Ungarn - mit relativ starker Orientierung am Inlandsmarkt und historischen lokalen Verbindungen (mit Ausnahme von Suzuki, wo das Herkunftsland von Investoren und ihrer europäischen Verkaufsorientierung gezwungen ist den inländischen Wertschöpfungsanteil zu erhöhen).
3.6
Arbeitsproduktivität
Eine der aussagekräftigsten und am einfachsten quantifizierbaren Darstellungen der Verbesserung kann durch eine Betrachtung des Wachstums der Arbeitsproduktivität erfolgen. Tabellen 9 und 10 stellen die Entwicklung dieser Indikatoren in einer vergleichenden Perspektive gegenüber. Es ist offensichtlich, dass Länder, die zu Beginn eine vergleichsweise geringe Produktivität hatten, während des Aufholprozesses eine über dem Durchschnitt liegende Produktivitätssteigerung aufweisen. Die Werte für die MOE-Länder spiegeln auch die Ergebnisse von Know-how Transfer und Aufnahme von modernen Techniken wieder, die die Produktivität und Qualität erhöhen sollen z.B. Kaizen (ständige Verbesserung), kontinuierliche Weiterentwicklung, usw. Die Lücke zwischen MOE-Ländern und fortgeschrittenen Volkswirtschaften ist jedoch immer noch auffallend groß (Tabellen 4 und 5) mit Ausnahme von Ungarn deren Produktivität 50% unterhalb des Benchmark (Deutschland) liegt. Die Lücke ist zu groß, auch nach einem Jahrzehnt eines über dem Durchschnitt liegenden Produktivitätswachstums der damaligen Ländergruppe um signifikant eingegrenzt werden zu können.
Die ungarische Automobilindustrie
• 501
Tab. 9: Wertschöpfung pro Beschäftigten in der TE (EUR '000) Land Belgien Deutschland Frankreich Italien Niederlande Portugal Spanien Schweden
2000 60,2 57,8 65,5 45,0 50,9 31,6 47,0 76,7
2007 68,9 84,9 72,8 55,6 100,3 31,0 59,8 70,4
Land UK Tschechien Ungarn Polen Slowakei Slovenien Rumänien Bulgarien
2000 63,9 15,1 31,2 13,1 13,4 14,5 3,9 1,9
2007 85,2 33,3 44,3 24,9 32,7 35,0 14,5 8,2
Quelle: Zoltân Pittis Berechnungen, basierend auf Eurostat Data Bank Datendiensten
Tab. 10:
Vergleich (Germany = 100) der Wertschöpfung pro Beschäftigten in der TE-Industrie
Land Tschechische Republik Ungarn Polen Slowakei Slowenien Rumänien Bulgarien Italien GB Frankreich
2000 26,1 54,0 22,7 23,2 25,1 6,7 3,3 77,9 110,5 113,2
2007 39,2 52,1 29,3 38,6 41,2 17,0 9,6 65,4 100,3 85,7
Quelle: Eigene Berechnungen, Daten zur Verfügung gestellt von Zoltän Pitti
3.7
Wissensintensität der lokalen Produktion
Was die Wissensverteilung angeht, macht Tabelle 11 deutlich, dass die größte Lücke zwischen MOE-Ländern und dem Kern der EU Volkswirtschaften dadurch zustande kommt, dass der Anteil der hochqualifizierten Beschäftigten in den EU-Volkswirtschaften höher ist. Die bemerkenswert hohen Werte dieses Indikators in Deutschland, Frankreich und Großbritannien zeigen, dass trotz einer Verlagerung von nicht arbeitsintensiver Produktion der Automobilindustrie, diese Länder hart getroffen wurden. Trotz dieses Zusammenhangs wird auf lange Sicht die Qualitätsverbesserung der Belegschaft nachhaltig die Wettbewerbsfähigkeit steigern. Um einer irreführenden Auswertung der in Tabelle 11 dargestellten Daten entgegenzuwirken, weisen die Analysten
502 • Andrea Szalavetz
daraufhin dass das Spektrum der Qualifikationen stark 2wischen den Ländern variieren kann: Die Fähigkeiten der Beschäftigten mit tertiären Bildungsabschluss, wie auch das Aufgabenspektrum ihrer Berufe kann in den verschiedenen Ländern ganz unterschiedlich ausfallen.
Tab. 11: Durchschnittlicher Anteil der hoch-, mittel- und niedrigqualifizierten Arbeiter als Anteil an der Gesamtbeschäftigung innerhalb der Teile- und Zubehörindustrie (in %), 1998-2004 Land
Hochqualifiziert
Tschechien 6,5 Ungarn 8,0 Polen 118 Slowakei 50 Slowenien 91 52 Portugal Spanien 314 Deutschland 205 Italien 58 GB 213 Frankreich 207 Quelle: Landesmann et al., 2009, S. 16-17
Mittleres Qualifikationsniveau 847 770 822 901 668 179 201 535 411 528 505
Niedrigqualifiziert 88 149 60 48 241 769 485 260 531 259 288
Eine Methode um die qualitative Veränderung im Arbeitseinsatz zu untersuchen (und damit die qualitative strukturelle Verbesserung} ist der Vergleich des Wachstums der Dienstleistungen - ein Indikator der einerseits die Qualität und Quantität der Arbeit als ein Produktionsinput beschreibt - und der Kombination des Indikators mit dem puren quantitativen Indikator des Arbeitseinsatzes (geleistete Stunden). Qualifizierungsmaßnahmen, d.h. qualitative Unterschiede im Falle des Qualifikationsmix der Beschäftigten und Anstieg der Dienstleistungen übersteigen das Wachstum der geleisteten Stunden. Auch wenn in einer untersuchten Branche der Arbeitsaufwand insgesamt sinkt, aber in diesem Zeitraum die Qualifizierung ansteigt, ist die Reduktion von Dienstleistungen geringer als die Abnahme der geleisteten Arbeitsstunden. Auch wenn in einer bestimmten Branche der Arbeitsaufwand insgesamt sinkt, jedoch auf der anderen Seite in der Höherqualifizierung auftritt, ist die Senkung von Dienstleistungen schlechter als eine Abnahme der geleisteten Arbeitsstunden (Szalavetz, 2007). Tabelle 12 vergleicht diese Lücke zwischen dem Anstieg von Dienstleistungen und den geleisteten Stunden im Automobilsektor von MOE-
Die ungarische Automobilindustrie • 503
und fortgeschrittenen Volkswirtschaften. Dabei ist es interessant einen Blick bezogen auf die Differenz der geleisteten Stunden zwischen MOE- und fortgeschrittenen Volkswirtschaften zu werfen: die Daten lassen vermuten, dass durch die Reorganisation der Produktion in den MOE-Ländern ein Verlust an Beschäftigung in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften und eine erhebliche Ausweitung zu Stande kommen (mit Slowenien und Spanien als Ausreißer). Nichtsdestotrotz sind im Gegensatz zu den Erwartungen, die Änderungen in der Arbeitszusammensetzung der fortgeschrittenen Volkswirtschaften nicht signifikant größer als in MOE-Ländern (Obwohl Frankreich und Großbritannien in diesem Zusammenhang eine überdurchschnittliche Leistung erbringen). Tab. 12: Dienstleistungsvolumen und geleisteten Arbeitsstunden (von allen Erwerbstätigen), Indizes: 2007 (1995 = 100)
Tschechische Republik Unarn Slowakei Slowenien (2006) Spanien Deutschland Italien GB Frankreich Quelle: EU KLEMS Berechnungen
Dienstleistungsvolumen 150,1 217,6 166,2 93,8 120,2 102,0 95,6 97,8 97,1
Datenbank,
November,
2009
Geleistete Stunden 147,2 215,4 161,3 88,7 114,3 99,4 94,0 89,1 90,3
Veröffentlichung,
eigene
3.8 Örtliche Zuständigkeit Neben der Dynamik der Qualität des Arbeitseinsatzes, kann die Qualitätsverbesserung durch die Untersuchung der Entwicklung von Mandaten der lokalen Tochtergesellschaften (Kompetenz vor Ort) gemessen werden. Es stellt sich die Frage, ob lokale Corporate Functions die bisher nur auf die rein physikalische Verarbeitung beschränkt waren oder Mandate von Tochtergesellschaft einschließlich der Logistik, des Einkaufs, der Verfahrenstechnik, der Produktentwicklung und anderen FuE-Funktionen, sowie diverse andere produktionsnahe Dienstleistungsfunktionen vielfältiger geworden? Laut Jürgens/Krzywdzinski (2009) gab es eine zunehmende Kompetenzerweiterung von MOE-Ländern in der Automobilbranche. Vor Ort blieb deren Umfang
504 • Andrea Szalavetz
jedoch ziemlich begrenzt, vor allem in Bezug auf wissensintensive, hoch wertschöpfende Tätigkeiten wie Forschung und Entwicklung. Anknüpfend an unsere in der Vergangenheit durchgeführten und aktuellen Interviews werden die lokalen Produktionsstätten schnell (nach Gründung) Unternehmensfunktionen wie Personalwesen, Buchhaltung, Lohnabrechnung, Controlling, Management usw. zugeordnet. Später werden anspruchsvollere Funktionen, einschließlich IT, Logistik, Bestandsverwaltung und Verfahrenstechnik in der Regel auch den Tochtergesellschaften zugeordnet und Expatriate, die innerhalb dieser Prozesse involviert sind werden anschließend nach Hause oder zu neu eröffneten Niederlassungen geschickt. Andere Aufgaben wie Einkauf und Vertrieb und Kundendienst können auch in gewissem Maße lokalisiert werden - zumindest ist dies das Hauptergebnis unserer interviewbasierten Untersuchung. In einem kontinuierlichen Bestreben die Kosten zu senken, wird der Kauf von ausgewählten Teilen und Komponenten lokaler, da nicht nur materielle Kosten sondern auch Logistik- und Transportkosten reduziert werden. Lokale Niederlassungen übernehmen die wissensintensive Aufgabe der Lieferantenauswahl und Abschlussprüfung, dies impliziert Lernen sowohl von Seiten der Tochtergesellschaften selbst und von den lokalen Zulieferern.
3.9
Die lokale Forschungsintensität der lokalen Produktion
Für die Spitze der produktionsabhängigen strategischen Corporate Functions: FuE - sowohl die Zahl der lokalen FuE-Einrichtungen ist in den MOE-Ländern, wie auch die Forschungstiefe, die von einzelnen FuE-Einheiten durchgeführt ist, gestiegen. Dies steht im Gegensatz zu Jürgens/Krzywdzinski's (2009) s.o. (über das geringe Ausmaß an Kompetenz vor Ort): aus unserer Sicht sollten Investoren versuchen von der lokalen (kostensparenden) Ingenieurskunst zu profitieren. Wenn ein FDI-Empfängerland in technische (Engineering, Fertigung und Wissenschaft) Bildung und Entwicklung und in das lokale Innovationspotenzial investiert, kann es sehr schnell vom lokalen Engagements von Investoren profitieren. (Belderbos et al., 2009). In der ersten Phase des Integrationsprozesses wurden Ingenieure in lokalen Produktionsstätten nur mit technischer Unterstützung und Verfahrenstechnik betraut. Später konnte sie am Design von Autos und Autoteilen teilhaben, bei deren Herstellung die jeweiligen örtlichen Tochtergesellschaften involviert waren. Heute sind in lokalen Einrichtungen der Automobilindustrie fast alle beschäftigen Ingenieure ebenfalls mit der Verfahrenstechnik, Mess- und mit
Die ungarische Automobilindustrie • 505
geringfügigen (Routine-) FuE-Aufgaben betraut.60 Heutzutage sind FuE-Abteilungen in den meisten Fällen zusammen mit den ansässigen Fertigungsstätten organsiert. Dennoch führen viele Ingenieure FuE-Aufgaben durch - in mehreren Fällen sind sie nicht als "FuE-Beschäftigten" gekennzeichnet und ihre Abteilungen nicht als FuE Abteilung ausgewiesen: die formale Bezeichnung ist häufig mit bestimmten steuerlichen Anreizen bei FuE-Aktivitäten verbunden.61 Größere Automotive R&D-Aktivitäten werden eher in Einzelstandorten für FuE durchgeführt. Die Anleger haben nach und nach erkannt, dass das Lohngefälle zwischen hoch qualifizierten Ingenieuren und Wissenschaftler in fortgeschrittenen und in MOE-Volkswirtschaften sogar größer ist, als die Lücke im Falle von blue collar production Arbeitern und das Investieren in die lokale FuEKapazitäten gute Renditen bietet. Neben den unternehmenseigenen FuEZentren, sollten auch Beziehungen zwischen Industrie und Universitäten -also formale Forschungsverträge und die Existenz von Kfz-bezogenen Kompetenzzentren analysiert werden, um die Bedeutung und die Tiefe von FuE aufzuzeigen. Pavlinek et al. (2009, 51-53) betrachten die Spezialisierung der wichtigsten MOEAutomombil, FuE-Design und Technologiezentren. Die 2006 erhobenen Daten der Autoren können durch neuere Informationen von Czechlnvest (Automobilindustrie in der Tschechischen Republik. Czechlnvest, 2009) ergänzt und aktualisiert werden. Nach beiden Quellen, ist die Tschechische Republik Gastgeber der größten Anzahl von Automobil- und FuE-Technologiezentren, die durch eine starke lokale Tradition im Maschinenbau und einer hohen Zahl an Studien durch immatrikulierte in den Bereichen Konstruktion und Fertigung gekennzeichnet sind. Es gibt neun Fakultäten mit einem Bezug zur Automobilwirtschaft in der Tschechischen Republik. Zu den wichtigsten Forschungskooperationen gehören das Josef Bozek Research Center of Automotive Technologie an der Tschechischen Technischen Universität und die Jan Perner Transport Fakultät der Universität Pardubice. Das ehemalige Ein Beispiel: Im V W FuE-Zentrum Poznan in Polen nehmen Ingenieure bei der Entwicklung von Fahrzeugen mit besonderer Zweckbestimmung (z.B. V W Caddy Tramper, Feuerwehrfahrzeuge) teil. 61 Die befragten Automobilunternehmen beschäftigen auch Verfahrenstechniker: um Materialströme zu verbessern, zur Rationalisierung des Herstellungsverfahrens usw. Darüber sind ihre Projektingenieure am Design neuer Produkte beteiligt, die innerhalb der lokalen Unternehmen hergestellt und betraut werden. Beachten Sie, dass sich in den meisten Fällen der Begriff "neues Produkt" auf kleine Veränderungen (neue Parameter) an dem bestehenden Produkt bezieht. Alle Änderungen in Bezug auf den Prozess oder die Produkte müssen in das Informationssystem eingebunden werden: dies ist die Aufgabe der lokalen Software-Entwickler. Dennoch würde dieses Unternehmen mit "Nein" auf die Frage eines Fragebogens antworten, ob es lokale FuE mit einbezieht, FuE-Personal beschäftigt, oder ob es eine FuE-Abteilung hat. 60
506 • Andrea Szalavetz Zentrum konzentriert sich auf Thermodynamik; Aerodynamik; Turboaufladung und Aufladung von Verbrennungsmotoren; Emissionsminderung etc. Zu seinen Industriepartnern gehören Bosch, AVX, Cadence usw. Die Forschungsschwerpunkte des Zentrums sind Fahrdynamik/Stabilität, Reifen usw. Eigenschaften, unter Einbeziehung von Industriepartnern wie Skoda, Continental Teves, usw. Für Polen, präsentieren Domanski/Gwosdz (2009) Daten, die die wachsende Bedeutung der lokalen FuE widerspiegeln, die Expansion von Automobiltechnologiezentren wie beispielsweise das Delphi Corporation's Center in Cracow.62 Die Daten der Autoren können durch Daten der Polish Information ans Foreign Investment Agency komplementiert und zeitlich angepasst werden. In Anlehnung an ihre Daten und den schon erwähnten Daten, zählen zu den führenden FuE-Zentren das Wabco's center in Wroclaw, in dem Ingenieure bei der Entwicklung von pneumatischen Bremssystemen und Fahrwerksteilen arbeiten und das Valeo's center in Skawina, das auf Systeme der Motokühlung fokussiert ist. Darüber hinaus haben viele Investoren produktbezogene inkrementelle Entwicklungseinrichtungen eingerichtet (TRW: Sicherheitsgurte und Airbags; Remy Automotive: Starter und Generatoren; Tenneco: Auspuffanlagen usw.). Bei der Beschreibung der Situation in Bezug auf Automotive FuE in Ungarn, erwähnen Analysten in der der Regel einzelne herausragende Fälle, die eine allgemein magere Leistung in Bezug auf lokale FuE verbergen. Der erste Fall, der in diesem Zusammenhang häufig angeführt wird, behandelt bei Knorr-Bremse das Engagement lokaler Grundlagenforschung: es wurde ein Einzelunternehmen in Budapest gegründet, dass derzeit 120 Forscher beschäftigt, die Software und Bremssteuerungssysteme entwickeln. Die lokale FuE-Aktivität von Knorr Bremse (siehe Details in Szalavetz, 2000) kann wirklich als für das Heimatland förderlich angesehen werden (Kümmerle, 1997). Darüber hinaus hat das Unternehmen umfangreiche gemeinsame FuE-Projekte mit der Budapester Universität für Technologie und Ökonomie (BME) durchgeführt und kooperiert mit fünf weiteren ungarischen tertiären Bildungseinrichtungen. Die Fertigungsstätte von Knorr Bremse in Kecskemet beschäftigt ebenfalls Ingenieure, die mit dem Design und der technischen Unterstützung von elektronischen pneumatischen Bremssystemen betraut sind.63 Ein weiteres wichtiges eigenständiges FuE-Zentrum ist das Robert Bosch Zentrum (sein Budapester Engineering Center) mit Schwerpunkt auf Software-
62
Die Forschungsschwerpunkte umfassen Software-Entwicklung, elektrische Lösungen für Fahrzeug Konttollsysteme und Lösungen für Aufhängungen. 63 Knorr Bremse vertiefte seine lokalen Aktivitäten auch in der Krise: die sogenannte „Rail System Division" ist derzeit mit dem Aufbau einer neuen Fertigungsstätte in Budapest beschäftigt.
Die ungarische Automobilindustrie • 507 entwicklung und Produktentwicklung. Ungarn hat zwei automotive universitätsbasierte Exzellenzezentren: the Advanced Vehicles and Vehicle Control Knowledge Center 64 an der B U T E , und das Regional University Knowledge Center for the Vehicle Industry (JRET) an der Szechenyi University in Gyor, unter der Einbeziehung von Partnern wie Räba Axle Manufacturing Ltd.; Schefenacker Automotive LP. (currently Visiocorp LP.) und Borsodi Mühely Ltd. Diese Liste zeigt, dass unabhängig von den dargestellten Zusammenhängen ebenfalls andere Unternehmen, wie ungarische Klein- und Mittelständische Unternehmen in die Automobilforschung und Entwicklung involviert sind. Die genannten Zentren können als Hauptfaktoren für die regionalen Innovationsbemühungen angesehen werden. E s wird keine ausreichende kritische Masse erreicht65, die für attraktive individuelle wissenschaftliche Ergebnisse sorgen würde. Diese Masse ist nach wie vor zu sporadisch um die ungarische Automobilindustrie auf einen wissensund innovationsgetriebene "high-road"-Entwicklungspfad zu lenken.66
4. Politische Maßnahmen zur Erweiterung und Qualitätsverbesserung in der MOEAutomobilindustrie In der Geschichte der "Industrie der Industrien" (Drucker, 1993, 176) ist die katalysierende und fördernde Rolle des Staates immer unverzichtbar, unabhängig von Zeit, wirtschaftlichem Denken und der Geographie der Produktion. In der FDI-getriebene Umstrukturierung, Erweiterung und Modernisierung der M O E Automobilindustrie, bestand die primäre Rolle des Staates darin Investoren anzuziehen. Die Hauptkanäle der frühen staatlichen Intervention waren Privatisierung und Investitionsförderung. "Early Mover" (im Sinne der Öffnung) 64
Neben Knorr Bremse, sind ThyssenKrupp Presta (diese Firma selbst hat ein Entwicklungszentrum in Budapest und ist als einziges Zentrum auf die Entwicklung von Lenksystemen spezialisiert), Inventure Automotive Electronis R & D Inc. (eine in ungarischem Besitz befindlicher private Automotive FuE Firma), ein Ungarisches auf Automobil-bezogenen IT-Lösungen spezialisiertes Beratungsunternehmen (Informin.Hu Ltd) und die TÜV-NORD KTI Ltd, die vom der deutschen T Ü V Nord Gruppe und dem Ungarischen Institut für Verkehrswissenschaften gegründet wurde, industrielle Konsortiumspartner. 65 Staatliche Unterstützung im Verbindung mit dem Eigenanteil des Konsortiumspartner beim J R E T betrug in 2008- 2 Mio. E U R (Quelle: J R E T Jahresbericht). 66 Obwohl die Automobilindustrie in der Tschechischen Republik über FuE-Ausgaben verfugt, die sich durch eine Größenordnung fast größer als die von Ungarn auszeichnet (siehe Tabelle 6), ist dies noch weit von einer par excellence „high-road" - Strategie entfernt.
508 • Andrea Szalavetz
und Länder, deren Kfz-Akteure historische Beziehungen mit westlichen Automobilherstellern hatten, waren besonders erfolgreich bei der Gewinnung von Spitzeninvestoren. Bis zum Ende des ersten Jahrzehnts der Transformation hatte sich der Standortwettbewerb für die Automobilinvestitionen bei den MOEVolkswirtschaften erheblich intensiviert und Regierungen bieten zunehmend großzügige Investitionsanreize (mit dem Ziel zusätzliche Investitionen zu erhalten). Tatsächlich ist die Mentalität der MOE-Regierungen, auch die der relativ am höchsten entwickelten Volkswirtschaften, noch sehr einseitig ausgelegt: die meisten bieten Anreize zur Anwerbung neuer Investoren, statt auf die Verbesserung des Modernisierungspotenzial der bestehenden Anlagen abzuzielen. Dies ist verständlich, da die Errichtung einer neuen Produktionsstätte eine leicht zu dokumentierende politische Leistung ist, während der Anstieg des lokalen Innovationspotenzial und/oder die Vermehrung der Anzahl von Kfz-bezogenen Absolventen und Qualifikationen als Folge der hohen Investitionen in Forschung und Bildung schwer zu messen sind und positive Folgen nicht sofortige Wirkung entfalten. Die ersten Maßnahmen, die über die Ausweitung der Automobilproduktion durch neue Investitionen gingen, zielten auf eine zunehmende lokale Verankerung von Automobil - Tochtergesellschaften ab, d.h. auf die Förderung der Integration der lokalen KMUs in Produktionsnetzwerken von Tochtergesellschaften. Es gab mehrere Programme, die auf eine Verbesserung der Fähigkeiten von Lieferanten und der Entwicklung von Verbindungen zwischen ausländischen und inländischen Lieferanten abzielten. Diese Programme beinhalteten im Schwerpunkt die Einrichtung des elektronischen Datenaustauschs und von betrieblichen Informationssystemen für KMUs, deren Erwerb notwendiger Qualitätszertifikate, die Vermarktung ihrer Produkte und Fähigkeiten usw. Einige der angebotsseitigen Programme unterstützten auch bestehende oder potenzielle Investitionen von Lieferanten mit dem Ziel einer technologischen Modernisierung. KMUs wurden ebenfalls im Rahmen der Exportförderung oder bei der Schaffung von Arbeitsplätzen unterstützt. Ähnliche Programme wurden praktisch in allen MOE-Volkswirtschaften initiiert. Ein gemeinsames Merkmal dieser Programme ist es, dass sie nicht speziell auf die Automobilindustrie abzielten: Programme beinhalteten horizontale Ziele (Schaffung von Arbeitsplätzen, Exportförderung, Entwicklung der Lieferfähigkeit, Entwicklung von Humankapital usw.). Kürzlich jedoch im Einklang mit ähnlichen Bemühungen in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften, versuchen die MOE-Volkswirtschaften "strategische Industrien" zu identifizieren, die im Falle der branchenspezifischen Entwicklungspolitik unter der Einbeziehung der horizontal verbundenen
Die ungarische Automobilindustrie • 509
Industrien wichtig sein könnten. Die Automobilindustrie findet sich in jedem Land auf der Liste der strategischen Industrien, was eine zielgerichtete Entwicklung von Interventionen ermöglicht, z. B. Verhandlungen über die spezifischen Anforderungen der ausgewählten großen Automobilinvestoren und der Formulierung von entsprechenden Förderregelungen. Zu gezielten politischen Anstrengungen zählen Investitionen in das industriespezifische Humankapital. Umfragen haben ergeben dass eine zunehmende Lücke bei den Fertigkeiten besteht, die sowohl den Ausbau und die Modernisierung der Industrie behindern. Verbesserung der technischen Ausbildung (Fakultäten im Bereich Maschinenbau und Fertigung sowie sekundäre Bildungseinrichtungen) wurde daher als unabdingbar anerkannt. Weiterhin wurde die gezielte Ausrichtung der Studenten in den angegebenen Bildungseinrichtungen statt diejenigen, die in verwandten Berufen spezialisiert sind als wichtig erachtet (vor allem in Ungarn wo die Kluft zwischen der beobachteten und der erforderlichen Bildung unter den MOE-Ländern am größten ist - vgl. Szalavetz (2010). Eine Bildungsinitiative, die zu einem Best-Practice-Modell geworden ist, das Modell von Automotiven Bildungszentren der Slowakei (es gibt bereits 13 Zentren in der Slowakei). Der Verband der Automobilindustrie der Slowak-ischen Republik und der Slowakische Verband der Händler- und Motorworkshops bietet fachliche Kompetenz und trägt zur Modernisierung der bestehenden sekundären Bildungseinrichtungen bei. Die Lehrpläne dieser Einrichtungen orientieren sich an den Anforderungen von potenziellen Automotive-Arbeitgebern. Ein weiteres politisches Ziel zur Modernisierung der örtlichen Tochtergesellschaften war es, die lokale Forschungsintensität der lokalen Produktion zu steigern. Dies fiel zeitlich mit dem Ziel der Dezentralisierung von routinierten FuE-Aufgaben von Investoren aus dem Automotive-Sektor zusammen. Nachfrageorientierte Maßnahmen zielten auf die Förderung der lokalen FuETätigkeit, FuE-bezogenen Freibeträge, zusätzliche steuerliche Abzugsmöglichkeiten usw. ab. Allerdings zielt der Großteil der FuE-orientierten Maßnahmen auf das Angebot und die Unterstützung bestehender Forschungseinrichtungen in der automotiven Forschung ab. Wie in Ungarn gezeigt werden kann, wurden mehrere Maßnahmen in den 2000er Jahren initiiert damit Universitäten sich verpflichten in der industriell relevanten angewandten Forschung zu engagieren, zu kommerzialisieren und technologische Erkenntnisse zu vertiefen um die Zusammenarbeit zwischen Industrie und Hochschulen zu verbessern (für eine Ubersicht über die Programme vgl. Havas/Nyiri, 2007). Forschungszentren, die auf die Zusammenarbeit zielen (CRC) und regionalen universitäre Wissensinstitute (RUKCs) wurden durch die finanzielle Unterstützung der Regierung etabliert. Eine Finanzierung war an die Kofinanzierung von Industrie-
510 • Andrea Szalavetz
Universitäts-Forschungsprogrammen gebunden. Eine Verbesserung der FuEInfrastruktur von Hochschulen wurde ebenfalls durch eine finanzielle Unterstützung gefördert. Schließlich ist ein zentraler auf automotive bezogener Unterstützungsmechanismus die gezielte Förderung von Clustern, d.h. die Förderung der geografischen Konzentration von miteinander verbundenen Unternehmen, spezialisierten Lieferanten, Dienstleistern, Unternehmen in verwandten Branchen und verbundenen Institutionen in bestimmten Bereichen, die sowohl miteinander konkurrieren und kooperieren (Porter, 1998). Clustertendenzen und Clusterpolitik in der MOE-Automobilindustrie sind in Szanyis (2010) Papier, dass ebenfalls im Rahmen dieses Projektes erstellt wurde, detailliert beschrieben worden.
5. Perspektiven nach der Krise Obwohl die Abhängigkeit von den Aktivitäten transnationaler Unternehmen und dem BIP-Anteil des Automotivesektors (d.h. die Abhängigkeit des Konjunkturzyklus auf die Leistung der Automobilindustrie) die höchste in der Slowakei ist, zeigt sich, dass der Einbruch im Automobilsektor, der durch globale Finanzkrise begleitet und gefördert wurde und die darauf folgenden Rezession am stärksten innerhalb der MOE-Ländern, in Ungarn ersichtlich wurde: Die Nachfrage schrumpfte besonders schnell. Im Jahr 2008 sank die Zahl der verkauften Neuwagen um 10,4% auf 158.628 Fahrzeuge - nach der Statistik des ungarischen Verbandes der Importeure von Fahrzeugen. Die Nachfrage fiel weiter im Jahr 2009. Tabelle 13 zeigt einen länderübergreifenden Vergleich die Ergebnisse der ersten Halbjahre. Tab. 13: Fallende Neuwagenverkäufe in den MOE-Ländern Country Polen Tschechien Rumänien Slowakei Slowenien Ungarn
Hl 2009 168.888 85.608 70.612 45.728 29.446 39.613
Quelle: www.just-auto.com
Hl 2008 168.645 93.765 144.988 44.118 39.070 82.003
Differenz 243 -8.157 -74.376 1.610 -9.624 -42.390
% Veränderung 0,1% -8,7% -51,3% 3,6% -24,6% -51,7%
Die ungarische Automobilindustrie • 511
Die Krise des Sektors war besonders stark in Ungarn, weil die Regierungen in anderen Ländern (z.B. in der Tschechischen Republik, der Slowakei, 67 Rumänien) ein Abwrackprämiensystem initiierten, das auf dem Markt für Auftrieb sorgen sollte und insbesondere dabei helfen sollte, dass sich die Automobilindustrie insgesamt erholt (OECD, 2009). Aufgrund der großen Haushaltsdefizite, konnte sich Ungarn eine solche Intervention 68 nicht leisten. Als Ergebnis waren rund 110-120 Autohäuser in diesem Jahr gezwungen zu schließen (von insgesamt 600 landesweit angesiedelten Autohäusern). Die vorhandenen Überkapazitäten 69 zwangen lokale Hersteller dazu Arbeitszeit zu reduzieren (einige von ihnen entschieden sich für kürzere oder längere Produktionsstops, z.B. Audi), und viele von ihnen führten eine Vier-TageWoche ein. Trotz erheblicher Endassungen sind bisher keine größeren DeInvestitionen aufgetreten. Probleme mit Überkapazitäten traten natürlich nicht aufgrund eines Rückgangs des lokalen Vertriebs auf: bis zum Einsetzen der Krise weist der lokale Vertrieb eine geringe Korrelation mit der lokalen Produktion auf (die Krise hat nur scheinbar den Wert dieses Indikators erhöht). Im Gegensatz dazu zeigt die lokale Produktion eine starke Korrelation zum lokalen BIP - beachten Sie, "dass die Automobil- und Konjunkturzyklen sich in der Regel im Einklang zueinander bewegen" (OECD, 2009, S. 109). In dieser Hinsicht, wurden Länder mit einem geringen BIP-Level, jedoch mit einer hohen automotiven Wertschöpfung besonders durch den Zusammenbruch des Automobilmarktes getroffen. Ein aktueller Beitrag zu slowakischen Situation zeigt: "Ein Rückgang der Pkw-Produktion in Produktions Stätten, die von Volkswagen, PSA Peugeot Citroen und Kia Motors betrieben werden - und mittlerweile als Motor der lokalen Wirtschaft gesehen werden - von 10,1 Prozent im Jahresvergleich im Oktober nach einem 19,1% Abfall im September, trug zu einem 3,8%igen Absinken der Industrieproduktion der Slowakei bei ".
Der Gesamtbetrag der Abwrackprämien in der Slowakei betrug 55,3 Mio. EUR im Jahr 2009. 44.200 Fahrzeuge mit einem Durchschnittsalter von 21 Jahren wurden verschrottet. Bis zum 30 Mai 2009 wurden 31.589 Fahrzeuge mit Subvention aus dieser Regelung verkauft oder bestellt (OECD, 2009, Tabelle 2.3) 68 Darüber hinaus hat Ungarns den in die Höhe schießenden Bestand der Verbraucherkredite (in ausländischer Währung) die Krise verschärft. Die Rezession wurde durch eine scharfe Währungskrise Ende des Jahres 2008 begleitet (Beginn des Jahres 2009 in Ungarn). Der ungarische Forint schwächelte schnell was wiederum die Verbraucherschuldenlast erhöhte. 69 Nach den jüngsten Arbeitspapieren der Kommission (Kommission 2009, S. 9) haben die erheblichen Investitionen in die Kapazitäten in Zentral-und Osteuropa erhebliche Überkapazitäten geschaffen. Während die Kapazitätsauslastung in den vergangenen Jahren rund 80% betrug ist diese zu Beginn des Jahres 2009 auf 65% gesunken. 67
512 • Andrea Szalavetz
(SLOVAKIA: Car Output fall contributes to industrial dip, 8th, December, 2009, www.just-auto.com). Obwohl eine Erholung des Pkw-Absatzes auf mittlere Sicht in ausgewählten Industrieländern (OECD, 2009) wahrscheinlich ist, zeigen die mittelfristigen Projektionen keine rasche Erholung im mittel- und osteuropäischen Automobilsektor. Mit Bezug zu den Angaben der CSM Worldwide Automotive Forecasting, behauptet Bursa (2009), dass es mehr als ein halbes Jahrzehnt dauern wird, bis sich die MOE-Autoproduktion von den Folgen der Rezession erholt hat. Inmitten einer massiven Marktbereinigung der Branche mit großen weltweiten Fusionen und Akquisitionen und weitere Rationalisierungen der Produktion, werden die MOE-Volkswirtschaften allmählich ihre Wettbewerbsfähigkeit bei den Kosten verlieren - vor allem die neuen EU-Mitgliedsstaaten. In der letzteren Ländergruppe sind Lohnerhöhungen ausgeschlossen, um die Attraktivität der Standorte zu erodieren. Tabelle 4 quantifiziert das Wachstum der Arbeitskosten (gemessen anhand der durchschnittlichen Bruttoverdienste) in ausgewählten MOE-Ländern. Tab. 14: Durchschnittlicher monatlicher Bruttoverdienst (MGE) und auf das Jahr 2008 bezogenes Wachstum Land Bulgarien Tschechische Republik Ungarn Polen Rumänien Slowakei Slowenien Quelle: Bursa (2009), 11
MGE (EUR) 267 969 791 856 472 698 1.398
% Änderung 2008/2007 21,4 24,1 7,5 20,45 11,8 17,3 8,8
Obwohl die Löhne (außer in Slowenien) noch deutlich niedriger sind als in den alten EU-Mitgliedstaaten, führte sowohl die Marktbereinigung der Branche und das langsam konvergierende Lohnniveau der MOE-Länder dazu, dass diese Länder ihre Anstrengungen beschleunigen müssen um eine Qualitätsverbesserungen und deren Umstellung auf eine "high-road"-Strategie voranzutreiben. Für Ungarn ist es überlebenswichtig, sowohl Innovationsfinanzierung und eine regionale clusterbasierte Entwicklung zu fördern die derzeit dem Ziel der Verbesserung der steuerlichen Stellung untergeordnet sind - dies behindert die lokalen Akteure in ihren unternehmerischen Möglichkeiten sich die Wertschöpfungskette hinaufzubewegen.
Die ungarische Automobilindustrie • 513
Da der vorherrschende Trend in der Produktionsgeographie durch eine regionale Integration gekennzeichnet ist (Sturgeon und Van Biesebroeck, 2009), und nur einige Segmente global sind, wird mit der kommenden Umgestaltung der bestehenden geographischen Teilung der Arbeit von Übersee-Standorten mit niedrigeren Betriebskosten, sich diese Umgestaltung noch stark auf die Produktion innerhalb von MOE-Volkswirtschaften auswirken. Innerhalb Mittel-und Osteuropa sind jedoch große Verschiebungen der Produktion von Standorten mit relativen hohen Arbeitskosten zu den Standorten mit niedrigeren Kosten wahrscheinlich. Eine Verlagerung der arbeitsintensiven Produktion von Komponenten mit einer geringen Wertschöpfung (z.B. Kabelbäume) aus Mitteleuropa hin zu Low-costOst-Standorten wird durch eine Knappheit des Arbeitskräfteangebots beschleunigt werden (vor allem in Ungarn, der Tschechischen Republik und der Slowakei). Diese Knappheit trägt derzeit dazu bei, dass weitere bestehende lokale expansive Investorenbewegungen behindert werden, aber in Zukunft zur Verlagerung der Produktion beitragen können. Betrachten wir das analoge Beispiel von Spanien und im geringerem Maße, von Portugal. Nach einer Periode des Wachstums und der sukzessiven Effizienzsuche nach ausländischen Investitionen, erlebten beiden Ländern massive Verluste, d.h. die Verlagerung der Produktion von Kfz-Komponenten und Importaufträge hauptsächlich von deutschen Investoren und Autoherstellern, durch das Outsourcing hin zu neu eröffneten MOE-Einrichtungen (Jürgens/ Krzywdzinski, 2009).™ Vertiefende Analysen legen nahe, dass die Dynamik der Standortentscheidungen innerhalb der Automobilbranche sehr komplex sind und nicht durch "aus dem Norden und Westen in Richtung Süden und Osten", und später: "aus dem Osten in Richtung weiter nach Osten" beschrieben werden können - trotz mehrerer aktueller Beispiele, die eine entgegengesetzte Entwicklung bei der Standortentscheidungen aufzeigen (Pries/Dehnen, 2009) - und dass sich diese allgemeine strukturelle Verschiebungen in der geographischen Arbeitsteilung fortsetzen dürfte. Darüber hinaus könnten auch einige nordafrikanische Länder dazu beitragen, dass sich die Situation von MOE-Ländern in naher Zukunft ändern wird (Domanski/Lung, 2009). Weder Ungarn, noch andere relativ kostenintensive MOE-Standorte sollten versuchen, diesen Tendenzen zu widerstehen. Stattdessen sollten Bemühungen um eine beschleunigte Qualitätsverbesserung erhöht werden und das lokale Lieferantenstreben nach Verknüpfungen mit regionalen Produktionsclustem gefördert werden. 70 Nach den zitierten Autoren, stieg der Anteil der MOE-Ländern an den deutschen Automobil-Importen von 9 auf 37 Prozent zwischen 1995 und 2005 (Jürgens/Krzywdzinski, 2009, S. 32).
514 • Andrea Szalavetz
6. Schlussfolgerungen In diesem Papier haben wir den Beitrag der Automobilindustrie zur strukturellen Modernisierung und Modernisierung der MOE-Volkswirtschaften untersucht. Wir fanden dabei heraus, dass die beteiligten Volkswirtschaften von ihrer kostenbasierten Wettbewerbsfähigkeit profitierten und eine nicht-triviale FDIgetriebene strukturelle Aufwertung erreichen konnten. Sie alle erlebten einen dynamischen Ausbau der Produktion, des Exports und der Beschäftigung in der Automobilindustrie. Trotz nicht zu vernachlässigender politischer Anstrengungen und ungeachtet der Tatsache, dass die lokalen Akteure auf dem Weg hin zu der langsamen Qualitätsverbesserungen sind, hält die MOE-Automobilindustrie - mit einigen länderspezifischen Varianten - an dem kostenbasierten Wettbewerb fest. Lokale Akteure waren bei der Verwirklichung dynamischer Anpassungen zu langsam, die es ihnen ermöglichen hätten an einem dynamischen Wettbewerb teilzuhaben, der nicht unter preislichen Bedingungen durchgeführt würde. Lokale Forschungsressourcen wurden ebenfalls nicht ausreichend genutzt. In der Automobilindustrie gibt es nur begrenzte Möglichkeiten zur autonomen Entwicklung als in der Theorie des „climbing the ladder" (Besteigen der Leiter) der technischen Komplexität beschrieben wird (Hobday, 1994). Dennoch gibt es Gelegenheit, lokale Wertschöpfung, lokale Inhalte, die lokale Produktivität, die lokale Kompetenz der Tochtergesellschaften vor Ort und nicht zuletzt die Wissensintensität der lokalen Produktion zu erhöhen. Dies setzt die Entwicklung dynamischer lokalisierter Fähigkeiten voraus (Domanski/Gwosdz, 2009), die die MOE-Länder langsam entwickeln konnten. Aufbauend auf ihrer langjährigen Entwicklungs- und Automobiltradition, einer gut gestalteten Privatisierung und FDI-Förderpolitik und die systematische Entwicklung der örtlichen Planung, technische Unterstützung und FuEFähigkeiten kann die Tschechische Republik als einziges MOE-Land, einen teilweise wissensbasierten Wachstumspfad in der Automobilindustrie mittelfristig realisieren. Auch im Tschechischen Fall liegen die relativ hervorragenden lokalen Forschungsanstrengungen unterhalb der kritischen Masse, die für eine solche Umstellung notwendig wären. Die übrigen MOE-Volkswirtschaften werden mit einzelnen herausragenden FuE-Leistungen und kleinen (in Bezug auf das Volumen der Forschungsausgaben) universitären Automotive Centers of Excellence zu kämpfen haben, da sie unfähig sind anhaltende regionale Innovationen zu gewährleisten.
Die ungarische Automobilindustrie • 515
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Spezialisierung und Strukturwandel in der Automobilindustrie in ausgewählten europäischen Regionen Jens K Perret
1. Einleitung Das Bergische Städtedreieck, bestehend aus den Städten Wuppertal, Solingen und Remscheid, befindet sich aktuell in einem strukturellen Umbruchsprozess. Nach seiner Aufnahme als Ziel 2 Förderregion im Rahmen der Strukturpolitik der Europäischen Union bietet sich eine Chance, diesen Prozess voranzutreiben und verstärkt nach Branchen zu suchen, die zum einen als zukunftsträchtig gelten, zum anderen aber auch bereits in der Region etabliert sind. Im Rahmen einer Studie von WELFENS et al. (2007) wurde herausgearbeitet, dass einer der Sektoren, die sich im Bergischen Städtedreieck bereits etabliert haben und der Potential hat, eine positive strukturelle Entwicklung in Gang zu setzen, der Sektor der Automobilzulieferindustrie ist. Dass Wuppertal und die umliegenden Städte geografisch gut positioniert sind, zeigt sich darin, dass unter anderem in den nahe gelegenen Städten Köln und Bochum mit Ford und Opel zwei relevante Automobilhersteller angesiedelt sind. Aufbauend auf den vorliegenden Erkenntnissen zum Bergischen Städtedreieck wird im Folgenden seine Position und Entwicklung im Bereich der Automobilindustrie, in Teilen insbesondere der Zuliefererindustrie detaillierter untersucht und es wird Indikator-basiert dargestellt, wie die Position des Bergischen Städtedreiecks sowohl Deutschland- aber auch Europaweit besteht. Zurückgegriffen wird dabei auf den RCA - Indikator nach BALASSA (1965), ein etabliertes statistisches Werkzeug der Außenhandelstheorie und der Untersuchung von Strukturwandelsprozessen, welches von seiner Struktur her modifiziert und auf die vorliegende Situation angepasst wird. Die gewonnenen Erkenntnisse werden zum einen ihrer Aussagekraft nach diskutiert, es ist aber ebenso das Ziel, Empfehlungen herauszuarbeiten, wie durch gezielte strukturpolitische Maßnahmen eine vorliegende Entwicklung noch gestärkt werden kann bzw. in welchen Bereichen Handlungsbedarf besteht und wie sich dieser gestalten soll. Im folgenden zweiten Kapitel wird ausgehend vom ursprünglichen RCAIndikator die benutzte Modifikation hergeleitet und in seiner Zweckmäßigkeit
520 • Jens K. Perret
motiviert. Ferner wird ein Kommentar zu den genutzten Daten gegeben. Die Anwendung des Indikators auf die vorliegenden Daten sowie die Diskussion der erzeugten Ergebnisse findet im dritten Kapitel statt. Das vierte Kapitel zeigt strukturpolitische Handlungsoptionen auf, und im fünften Kapitel wird ein Fazit gezogen, sowie ein Ausblick auf weitere Forschungsperspektiven gegeben.
2. Maßzahlen der Spezialisierung und des Strukturwandels 2.1 Der Revealed Comparative Advantage (RCA) - Indikator Der klassische RCA (Revealed Comparative Advantage) - Indikator wie in Gleichung (1) dargestellt, wurde von BALASSA (1965) zur Untersuchung von außenwirtschaftlichen Verflechtungen bzw. komparativen Vorteilen eingeführt. Durch den relativen Zusammenhang von dem Verhältnis von Exporten eines Sektors in einem Land und den Importen im gleichen Sektor des Landes und von dem gleichen Verhältnis aller Exporte mit allen Importen des Landes kann ein Rückschluss auf die komparativen Vorteile, die ein Sektor gegenüber anderen Sektoren aufweist, gezogen werden.
ix
2>J (1) R C A J m
Z
j
m
j=l
j n
i
JM n
Z
m
j=l
i
Die Variable xj stellt die Exporte des Sektors j dar, wohingegen mj die Importe des Sektors j darstellt. Ein Wert des Indikators im Intervall [0, 1) zeigt einen komparativen Nachteil an, während ein Wert aus dem Intervall (1, o°) einen komparativen Vorteil anzeigt. Wie von HOEN und OOSTERHAVEN (2006) dargestellt weist der obige Indikator allerdings eine Reihe von statistischen Mängeln auf. Zur Behebung dieser Mängel schlagen die Autoren einen alternativen Indikator vor.
Spezialisierung und Strukturwandel in der Automobilindustrie • 521
X: (2) v ' S R C A :J = — n
Exj j=l
Hl: 3 n —
Zmj
j=l
Bei Benutzung von Indikator (2) zeigt ein Wert des Indikators aus dem Intervall [-1, 0) einen komparativen Nachteil an, während ein Wert aus dem Intervall (0,1] einen komparativen Vorteil anzeigt. Zusätzlich findet sich auch in BORBELY (2006) ein alternativer Indikator, der die von HOEN und OOSTERHAVEN aufgezeigten Nachteile des ursprünglichen Indikators berücksichtigt.
( (3) M R C A c j = tanhyp In
f
x c.J• > n -In
Z X c,j
V u=i
;
f
X
\\
n
z
U=1
JJ
Analog zu Indikator (2) zeigt ein Indikatorwert aus dem Intervall [-1, 0) einen komparativen Nachteil an, während ein Wert aus dem Intervall (0, 1] einen komparativen Vorteil anzeigt. In Analogie zu dem ursprünglich Indikator beschreibt die Variable xc,j die Exporte des Sektors j in Region c, während xij die Exporte des Sektors im Vergleichsmarkt I beschreibt. Während Indikator (2) eine direkte Anpassung an den ursprünglichen Indikator ist, verändert Indikator (3) nicht nur die Form der Berechnung von komparativen Vorteilen, sondern auch die Art wie derartige Vorteile gemessen werden. Anstelle des Vergleichs von Export- und Importposition eines Sektors in einem gegebenen Land wird die Relevanz, die ein Sektor im Vergleich zu sämtlichen Exporten des Landes einnimmt, gemessen und in Verhältnis gesetzt zu der Relevanz, die der Sektor auf einem Vergleichsmarkt einnimmt. Sowohl Indikator (1) als auch Indikator (2) haben den Nachteil, dass es sich um eindimensionale Indikatoren handelt. Für eine Analyse bedeutet dies, dass entschieden werden muss, ob sich die Analyse auf Sektoren oder auf Regionen bezieht. So kann zwar die sektorale Komponente der Indikatoren durch eine regionale ersetzt werden, aber es ist nicht möglich gleichzeitig einen sektoralen und regionalen Bezug herzustellen. An dieser Stelle setzt Indikator (3) an und erlaubt eine simultane Untersuchung einer Region c und eines Sektors j. Da Indikator (3) zweidimensional ist, ist es möglich einen Vergleich unterschiedlicher Sektoren in verschiedenen Regionen durchzuführen, ohne dass Probleme mit der Vergleichbarkeit der Ergebnisse auftreten. Darüber hinaus lässt sich Indikator (3) auch problemlos zur Ermittlung von komparativen Vorteilen in anderen Bereichen als dem Außenhandel einsetzen, wie in dem folgenden Kapitel diskutiert wird.
522 • Jens K. Perret
Abschließend ist noch auf die Relevanz des im Rahmen der Bestimmung von Indikator (3) festzulegenden Vergleichsmarktes einzugehen. Es gilt besondere Sorgfalt bei der Wahl des Vergleichsmarktes aufzuwenden, da von der Wahl der Aussagegehalt des Indikators abhängt. Insbesondere sollte der Vergleichsmarkt die außenwirtschaftlichen Verflechtungen der untersuchten Region berücksichtigen und auch dem grundlegenden Analysevorhaben genügen. Im Rahmen einer Untersuchung mit Bezug auf die Europäische Union bietet es sich an, den EU 27- oder den EU 15 (Mitgliedsstaaten vor der Erweiterung in 2004) - Markt zu betrachten, da ein Großteil der Export- und Importflüsse der Mitgliedsstaaten innerhalb der Europäischen Union selbst verlaufen. Im weiteren Verlauf werden die beiden Vergleichsmärkte genutzt, da die Analysen sich auf Mitgliedsstaaten der EU beziehen und die EU einen angemessenen Vergleich ermöglicht.
2.2
Alternative Indikatoren
Neben der Analyse von komparativen Vor- und Nachteilen in Bezug auf außenwirtschaftliche Beziehungen können die im vorhergehenden Kapitel dargestellten Indikatoren auch zur Untersuchung von Prozessen des Strukturwandels herangezogen werden. In der Form, in der sie dargestellt wurden, ist es aber nur möglich Strukturwandels- bzw. Spezialisierungsprozesse in Bezug auf die Außenhandelsstruktur zu untersuchen. Dies hat zur Folge, dass der gesamte Binnenmarkt bei einer derartigen Analyse außen vor bleibt und als Konsequenz nur ein sehr unvollständiges Bild der Veränderung in der wirtschaftlichen Struktur gezeichnet wird. Dieses Problem lässt sich durch Modifikation des im letzten Kapitel dargestellten Indikators (3) elegant lösen. Neben den bereits aufgeführten Vorteilen, die dieser Indikator aufweist, hat er darüber hinaus auch den Vorteil, dass lediglich eine volkswirtschaftliche Kennzahl - in diesem Fall die Exporte - Einzug in die Statistik findet. Werden die Exporte durch andere sinnvolle Kennzahlen ersetzt so erhält man Einblicke in die auf die jeweilige Kennzahl bezogenen Strukturwandelsprozesse. Als Alternativen bieten sich insbesondere Daten zum sektoralen Bruttoregional-produkt, regional und sektoral disaggregierte Produktionswerte oder regional und sektoral disaggregierte Beschäftigungszahlen an. Die hieraus entstehenden Indikatoren (4) und (5) entsprechen somit von der Form Indikator (3) und unterscheiden sich lediglich in der verwendeten Kennzahl.
f (4) P R C A C
J
= t a n h y p In V
r
_
Pc,j n
\
\
1
ZPcj l j=i ;
-In
Pu n
]
ZPiJ y
Spezialisierung und Strukturwandel in der Automobilindustrie • 523
1C , J (5) L R C A c j = t a n h y p I n
S'c,
vH
-In
n
vH
J)
Die Variable p beschreibt den Produktionswert und die Variable 1 die Beschäftigtenzahl. Analog zu Indikator (3) zeigt ein Wert aus dem Intervall [-1, 0) einen komparativen Nachteil an, während ein Wert aus dem Intervall (0, 1] einen komparativen Vorteil anzeigt.
2.3
Moran's I
Während der globale Moran's I Index (MORAN (1950)) das Maß an räumlicher Autokorrelation (ANSELIN (1988)) und somit räumlicher Interaktion angibt, bietet der lokale Moran's I Index die Möglichkeit den Einfluss einzelner Regionen auf ihre Umgebung zu messen. Die Grundlage des Indexes ist die räumliche Gewichtungsmatrix, du die die jeweils betrachtete Nachbarschaft aller Regionen definiert wird. Die Nachbarschaft die im Rahmen der vorliegenden Arbeit betrachtet wurde definiert sich wie folgt. Jeder Region wird als Mittelpunkt sofern vorhanden ihre administrative Hauptstadt zugeordnet. Kann einer Region keine administrative Hauptstadt zugeordnet werden, da die Grenzen der Regionen lediglich im Rahmen der Festlegung der NUTS 2 Regionen Struktur gesetzt wurden, so wird als Mittelpunkt der Region die jeweils bevölkerungsmäßig größte Stadt ange-nommen. Der Abstand zweier Regionen ergibt in Folge dessen als direkte Distanz zwischen den jeweiligen Mittelpunkten. Die im Folgenden betrachtete Nachbarschaft ergibt sich sodann aus der Matrix, der an Position (i, j) eine 1 zugeordnet wird, wenn die Distanz zwischen Region i und Region j geringer als 300km ist und der eine 0 zugeordnet wird, wenn die Distanz zwischen Region i und Region j größer als 300km ist. Es wurde eine Distanz von 300km gewählt, dann in einer Reihe von wissenschaftlichen Veröffentlichungen nachgewiesen wurde, dass interregionale Spillover in der EU allein innerhalb eines Radius von 300km nachzuweisen sind (BOTTAZZI und PERI (2003) sowie DÖRING (2004)). Nach dem Erstellen der ersten Fassung der räumlichen Gewichtungs-matrix W ist dafür Sorge zu tragen, dass die Matrix spaltennormiert ist. Dies bedeutet, dass für die Matrix W = ( w l j | ) l i j gelten muss: D
(6) X W i o = 1 j=i
V i=l,...,n
524 • Jens K. Perret
Ausgehend von einer Gewichtungsmatrix W, die Gleichung (6) erfüllt ergibt sich der lokale Moran's Index wie folgt71. Wobei ein Querstrich über der Variablen das arithmetische Mittel der Variablen über alle Regionen angibt. n
j=l
2.4
Datengrundlage
Die im Rahmen dieser Untersuchung genutzten Daten stammen zum einen der Datenbank von Eurostat und zum anderen dem statistischen Datenservice der Stadt Wuppertal bzw. des Bergischen Städtedreiecks. In der Analyse des folgenden Kapitels werden sofern verfügbar Daten des Produktionswerts verwendet. In der Analyse, die sowohl die regionale als auch die sektorale Analyse vereint, muss auf Beschäftigungszahlen zurückgegriffen werden, da nur diese derart disaggregiert von Eurostat bereitgestellt werden.
3. 3.1
Deskriptive Analyse Das Bergische Städtedreieck
Das Bergische Städtedreieck besteht aus den Städten Wuppertal, Solingen und Remscheid und kann als eine Arbeitsmarktregion im Sinn der NUTS Klassifikation der EU angesehen werden. Eine Arbeitsmarktregion entspricht im Rahmen der NUTS Klassifikation einer Region des NUTS 4 - Niveaus. Dieser Aspekt ist hervorzuheben, da auf Deutschlandweitem bzw. Europaweitem Niveau aufgrund von Datenrestriktionen lediglich eine Untersuchung auf NUTS 0 bzw. NUTS 2 - Niveau möglich ist.
71
Vergleiche hierzu MORAN (1950) oder SCHULZE (1993).
Spezialisierung und Strukturwandel in der Automobilindustrie • 5 2 5
Tab. 1: Sektorale Aufteilung der Beschäftigung im Bergischen Städtedreieck (2. Quartal 2005 - 2. Quartal 2006) Wirtschaftszweige A C D E F
H I J K
Land- und Forstwirtschaft Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden Verarbeitendes Gewerbe Energie- und Wasserversorgung Baugewerbe Handel; Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen und Gebrauchsgütern Gastgewerbe Verkehr und Nachrichtenübermittlung Kredit- und Versicherungsgewerbe Grundstücks- und Wohnungswesen, Vermietung beweglicher Sachen, Erbringung von wirtschaftlichen Dienstleistungen, anderweitig nicht genannt
Öffentliche Verwaltung, Verteidigung, Sozialversicherung Erbringung von sonstigen öffentlichen und persönlichen Dienstleistungen Sonstige Summe
Beschäftigte
Prozentualer Anteil
0 0 33918 2617 4049 16492 1991 5578 5275 12377
8445 21370 668 112780
Quelle: Stadt Wuppertal, Statistikstelle
Aus der obigen Tabelle kann entnommen werden, dass sich die Beschäftigung im Bergischen Städtedreieck sehr stark auf das verarbeitende Gewerbe konzentriert. Nahezu ein Drittel ist in diesem Bereich tätig. Wird darüber hinaus beachtet, dass ein zentraler Bestandteil der Industrie im Bergischen Städtedreieck in der Automobilzuliefererindustrie zu finden ist WELFENS et al. (2007), so wird die Relevanz dieses Sektors für die Region deutlich. Unterstützt wird dies noch durch die Tatsache, dass auch der Sektor G mit den dritthöchsten Beschäftigungszahlen der Automobilindustrie nahe steht; auch wenn hierbei sicherlich der Handel den größten Teil der Beschäftigten ausmacht.
526 • Jens K. Perret
3.2
Europäische Vergleichsregionen
Um die wirtschaftspolitischen Optionen des Bergischen Städtedreiecks herausarbeiten zu können, ist es notwendig das Umfeld, in welchem sich das Bergische Städtedreieck in Bezug auf den hier betrachteten Sektor der Automobilindustrie, befindet. Ebenso ist es notwendig zu erkennen, wie potentielle Länder bzw. Regionen, die eine ähnliche sektorale Struktur aufweisen, positioniert sind. Hieraus ergibt sich die Möglichkeit zu erkennen nicht nur in welchen Bereichen es Wettbewerb gibt, sondern auch in welchen Bereichen Chancen zum Beispiel durch interregionale Kooperationen bestehen.
3.2.1 Nationale Perspektive In einem ersten Schritt wird hierbei die Position der Automobilindustrie, die sich aufteilen lässt in den Kraftwagenbau, den Karosserie- und Anhänger-Bau sowie der Herstellung von Teilen und Zubehör, auf einem nationalen Niveau betrachtet. Die folgenden drei Abbildungen 1 bis 3 zeigen die Verteilung von Spezialisierungen und Despezialisierungen in der Automobilindustrie in den Ländern Deutschland, Österreich, Ungarn, Schweden, Großbritannien und den Niederlanden. Diese Länder wurden ausgewählt, da sich in allen sechs Ländern Regionen finden lassen, die ein Spezialisierungsmuster ähnlich zu dem des Bergischen Städtedreiecks aufweisen. Abb. 1: MRCAs ausgewählter Länder im Jahr 2008 1,2
1 0,8 0,6 0,4 0,2
0 -0,2
k llihlii
-0,4 -0,6
0,8 Deutschland
Österreich •
Kraftwagen
Ungarn tt
Schweden
Karosserien, Anhänger
Großbritannien
18 T e i l e u n d Z u b e h ö r
Niederlande
Spezialisierung und Strukturwandel in der Automobilindustrie • 527
Es findet eine Unterteilung der Untersuchung der sektoralen Spezialisierung der sechs Länder statt: in eine internationale Spezialisierung im Sinn einer Spezialisierung der Exportstruktur sowie in eine nationale binnenwirtschaftliche Spezialisierung gemessen an der Produktionsstruktur der Länder. Die Exportspezialisierung wurde mit dem EU 15 - Markt als Referenzmarkt untersucht. Der Hintergrund vor dem diese Wahl getroffen wurde ist die Datenreliabilität, die für Exporte in Bezug auf den EU 15 Markt höher ist als für den EU 27 Markt. Eine Betrachtung auf Basis des EU 27 Marktes ist nicht notwendig, da verlässliche Ergebnisse entstehen, obwohl mit Ungarn ein Land betrachtet wird, welches nicht Mitglied des EU 15 Marktes ist. Abbildung 1 zeigt die Spezialisierung der Exportstruktur für das Jahr 2008. Es fallt auf, dass alle sechs ausgewählten Länder im Bereich des Exports von Kraftfahrzeugen einen komparativen Vorteil im Vergleich zum EU 15 Markt aufweisen. Ebenso weisen alle Länder, wenn auch nicht so deutlich wie bei den Kraftfahrzeugen, einen Vorteil im Bereich des Exports von Teilen und Zubehör auf. Lediglich im Handel mit Karosserien und Anhängern weisen Großbritannien und die Niederlande einen Nachteil auf - Österreich weist hier weder einen Vor- noch einen Nachteil auf. Dies bestätigt im Nachhinein die Auswahl der sechs Länder, da es deutlich zeigt, dass alle sechs Länder unterschiedlich stark spezialisiert sind was die verschiedenen Bereiche der Automobilindustrie betrifft. Ferner zeigt sich, dass in allen Ländern die Automobilindustrie nicht allein von der Binnennachfrage, sondern auch zu einem großen Teil von der ausländischen Nachfrage abhängt. An dieser Stelle ist allerdings darauf hinauweisen, dass die positiven MRCA Werte für die Niederlande teilweise durch den Rotterdamer Hafen bedingt sind, über welchen ein Großteil der europäischen Exporte gehandelt werden. Dies wird umso deutlicher, als dass sich im weiteren Verlauf zeigt, dass die außenwirtschaftliche Position der Niederlande stark von der binnenwirtschaftlichen abweicht. Als Konsequenz ergibt sich hieraus im Rahmen der Entwicklung der Automobilindustrie im Kontext der internationalen Wirtschafts- und Finanzkrise, dass durch eine hohe internationale Abhängigkeit sowohl die Nachfrage in Zeiten einer positiven konjunkturellen Entwicklung zusätzlich gestärkt wird; in Zeiten einer internationalen Rezession wird die Nachfrage allerdings ebenso stark zurückgehen und entsprechende Auswirkungen für die Industrien in den einzelnen Ländern nach sich ziehen. Die hohen Spezialisierungsvorteile werden über lange Sicht von den betrachteten Ländern nur gehalten werden können, wenn gleichzeitig auch die Nachfrage entsprechend gestärkt wird. In Deutschland geschah dies kurzfristig durch die Einführung der „Umweltprämie". Allerdings war dies keine mittel- oder langfristige Lösung, um die Nachfrage zu stärken. Es wurde durch diese Maßnahme lediglich die Nachfrage zeitlich verschoben und nur bedingt gestärkt.
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Die durch die „Umweltprämie" verzögerte Konsolidierung in der deutschen Automobilindustrie steht erst noch bevor. Es ist daher nur bedingt möglich, verlässliche Aussagen über die Entwicklung der komparativen Vorteile für die nächsten Jahre zu treffen. Auch in den anderen betrachteten Ländern ist die Konsolidierung noch nicht abgeschlossen und verlässliche Aussagen nur beschränkt möglich. Ein Aspekt, der diese Entwicklung beeinflusst, ist die Entwicklung der Absatzmärkte in den mittel- und osteuropäischen Schwellenländern. Während die Produktion in Ländern die Ungarn, Tschechien oder Polen, insbesondere im Bereich der hochwertigen Fabrikate, sehr stark auf den Export ausgelegt ist, wächst die Binnennachfrage in diesen Ländern beständig und es liegt an diesen Ländern, einen Entwicklungspfad einzuschlagen, der ihnen zum einen eine stärkere Nachfragebasis im eigenen Land verschafft gleichzeitig aber ihre Eigenschaft als Standort für hochqualifizierte und kostengünstige Arbeitskräfte aufrecht erhält. Sollte dies gelingen, so wird es Ländern wie Ungarn auch weiterhin möglich sein, seine hohen Spezialisierungsvorteile zu verteidigen. In Industrieländern wie Deutschland oder Großbritannien, die eine langjährige Tradition im Bereich der Automobilindustrie aufweisen und einen qualitativ hohen Standard in Bezug auf die produzierten Güter vorweisen, gilt es, nicht nur diesen weiterhin aufrecht zu erhalten, sondern durch beständige weitergehende Forschung und Entwicklung den technologischen und qualitativen Vorsprung, den sie zu den aufholenden Schwellenländern besitzen, aufrecht zu erhalten. Sollte dies nicht gelingen, wird es langfristig zu einer Konkurrenz dieser Länder kommen, den Länder wie Deutschland aufgrund ihrer Kostennachteile verlieren werden. In einem derartigen Fall ist ein weiteres Abwandern von Produzenten in nahe mittel- und osteuropäische Länder zu erwarten und es wird zu einer Umlage der komparativen Exportvorteile von den Industrieländern zu den Schwellenländern kommen.
Spezialisierung und Strukturwandel in der Automobilindustrie • 529
Abb. 2: PRCAs ausgewählter Länder im Jahr 2006 i 0,8 0,6 0,4 0,2
0
I
•Ül
-0,2
-0,4
Ii H
-0,6 -0,8
-1 Deutschland
Österreich
I Kraftwagen
Ungarn
Schweden
• Karosserien, Anhänger
Großbritannien
Niederlande
• Teile und Zubehör
Während die Exportspezialisierung eine Aussage über die außenwirtschaftliche Relevanz eines Sektors für ein Land erlaubt, wird die binnenwirtschaftliche Relevanz besser durch andere Indikatoren gemessen. Hierzu wurde der in Kapitel 2 eingeführte PRCA Indikator angewandt, auf Produktionsdaten für die oben bereits betrachteten Länder bestimmt und in den Abbildungen 2 und 3 für die Jahre 2006 und 2007 dargestellt. In Kombination mit dem MRCA Indikator erlaubt der eine Aussage darüber, ob die außenwirtschaftliche Position eines Landes auch einen binnenwirtschaftlichen Rückhalt besitzt. Den Abbildungen ist zu entnehmen, dass mit Ausnahme von Deutschland kein anderes der sechs Länder konstant positive komparative Vorteile in der Automobilindustrie vorweisen kann. Insbesondere die Niederlande weisen durchgehend komparative Nachteile auf. Erstaunlich ist die Tatsache, dass Ungarn im Bereich der Produktion von Kraftfahrzeugen in beiden Jahren einen stabilen komparativen Vorteil aufweist. Kombiniert mit den Erkenntnissen über die Exportspezialisierung von Ungarn kann festgehalten werden, dass sich Ungarn wie oben bereits einführend angesprochen auf einem Entwicklungspfad befindet, neben einer soliden außenwirtschaftlichen Position auch eine binnenwirtschaftliche Basis zu schaffen. Dies ist ein guter Indikator dafür, dass Ungarns Automobilindustrie mit weniger Problemen im Verlauf der Wirtschafts- und Finanzkrise konfrontiert sein wird und besser aus ihr hervorgehen wird, als
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vergleichbar spezialisierte Länder in Mittel- und Osteuropa. Ebenso verhält es sich auch mit Deutschland. Auch wenn davon auszugehen ist, dass es in der deutschen Automobilindustrie zum Abklingen der Krise zu einigen Konsolidierungen kommen wird, so ist doch stark anzunehmen, dass Deutschland seine führende Position im Bereich der Automobilindustrie durch die Krise hindurch verteidigen kann.
Abb. 3: PRCAs ausgewählter Länder im Jahr 2007
0,5
-0,5
-1,5 Deutschland
Osterreich I Kraftwagen
Ungarn
Schweden
Karosserien, Anhänger
Großbritannien
Niederlande
® Teile und Zubehör
Für deutsche Regionen wie das Bergische Städtedreieck bedeutet dies Zweierlei: Zum einen sollten Unternehmen der Automobilindustrie, die bereits vorhanden sind, durch eine innovationsorientierte Strukturpolitik gestärkt werden. Zum anderen sollten Regionen, in denen eine gute Voraussetzungen für die Etablierung neuer innovativer Unternehmen aus dem Bereich der Automobilindustrie vorliegen, die Gründung solcher Unternehmen durch Förderungsprogramme für kleine und mittelständische Unternehmen stärken oder die Finanzierung derartiger Unternehmen zum Beispiel durch Venture Capitel Geber fördern bzw. die Regionen für die Geber attraktiver machen.
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3.2.3 Regionale Perspektive (Revealed Comparative Advantages) Zunächst konnten nur allgemeine Aussagen getroffen werden und dies allein auf nationalem Niveau, so dass im Folgenden die Betrachtung auf ein regionales Niveau herunter gebrochen wird. Dies zieht zum einen den Nachteil nach sich, dass Daten aufgrund der Veröffentlichungsrichtlinien von Eurostat zum Teil nur beschränkt verfügbar sind. Zum anderen sind für einige Regionen keine Daten verfügbar. Selbst für Regionen, die verlässliche Daten liefern, werden diese meist erst mit einem Lag von zwei Jahren verfügbar, so dass die vorliegende Analyse nicht die aktuellen Trends in der Automobilindustrie widerspiegeln kann. Im Einzelnen bezieht sich die Betrachtung auf Daten aus den Jahren 2005 und 2006. Darüber hinaus liegen die Daten im zweistelligen NACE Niveau disaggregiert vor. Dies bedeutet, dass in der folgenden Untersuchung lediglich eine Spezialisierung im NACE Sektor DM34 (Herstellung von Fahrzeugen und Anhängern) dargestellt wird. Eine Unterteilung der RCA-Werte in vier Gruppen (sowie die Gruppe der Regionen für die keine Daten vorlagen), wie unten dargestellt, basiert auf der Einteilung der RCA-Indikator-Werte. Die erste Gruppe enthält Regionen, in denen keine signifikante Industrie im Sektor DM34 vorhanden ist (LRCA