Clicks in E-Business: Perspektiven von Start-Ups und etablierten Konzernen [Reprint 2018 ed.] 9783486806380, 9783486255928

Beiträge aus der Praxis des E-Business bilden den Schwerpunkt des Werkes. Da das E-Business in seiner Struktur und Gesch

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German Pages 384 [388] Year 2000

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Table of contents :
VORWORT
Inhaltsverzeichnis
CLICK 1 - IN E-BUSINESS
1. Perspektiven des E-Business
2. Eignung verschiedener Produkte und Leistungen für E-Commerce
3. Drei Mega-Trends im E-Tailing - Anfang 2000
CLICK 2 - START-UPS ALS IMPULSGEBER IM E-BUSINESS
4. Cassiopeia - Communities als Erfolgsfaktor im E-Business
5. Virtuelles-Kaufhaus.de - Ein Start-Up zwischen Technik und Geschäftsidee
6. VitaGO - Schönheit und Gesundheit aus dem Internet
7. Scout24 und AutoScout24 - Innovative Konzepte für virtuelle Marktplätze
8. JFax - Unified Messaging als integrierte Kommunikationsplattform
9. Manager-Lounge - Führungskräfte-Vermittlung im Internet-Zeitalter
CLICK 3 - AKTIVITÄTEN ETABLIERTER KONZERNE IM E-BUSINESS
10. Deutsche Lufthansa AG - Vertriebsstrategien im Internet
11. Perspektiven für Medienkonzerne im digitalen Zeitalter
12. BfG Bank AG - Von der Filialbank zur Onlinebank
13. Bertelsmann Buch AG - Gestaltungsoptionen im E-Procurement
Click 4 - Management im E-Business
14. Management einer Venture-Capital-Gesellschaft im E-Business
15. IPO von Start-Ups zum Ausbau der Eigenkapitalbasis
16. Kapitalbeteiligung der Mitarbeiter am Unternehmen - Vorteile und Gestaltungsoptionen
17. David gegen Goliath - Wettbewerb zwischen Konzernen und Start-Ups am Markt für "Unternehmer-Humanressourcen"
Lebensläufe der Autoren
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Clicks in E-Business: Perspektiven von Start-Ups und etablierten Konzernen [Reprint 2018 ed.]
 9783486806380, 9783486255928

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Clicks in E-Business Perspektiven von Start-Ups und etablierten Konzernen

Herausgegeben von Universitätsprofessor

Dr. Max J. Ringlstetter

R.Oldenbourg Verlag München Wien

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Clicks in E-Business : Perspektiven von Start-Ups und etablierten Konzernen / Max J. Ringlstetter. - München ; Wien : Oldenbourg, 2001 ISBN 3-486-25592-4

© 2001 Oldenbourg Wissenschaftsverlag G m b H Rosenheimer Straße 145, D - 8 1 6 7 1 München Telefon: (089) 45051-0 www.oldenbourg-verlag.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säure- und chlorfreiem Papier Gesamtherstellung: Druckhaus „Thomas Müntzer" GmbH, Bad Langensalza ISBN 3-486-25592-4

VORWORT

E-Business ist zweifellos dynamisch, werthaltig (insbesondere an der Börse) und sicherlich auch "en vogue". Es bietet sich also gegenwärtig an, ein Buch zu diesem Thema veröffentlichen. Offen bleibt allerdings die Frage, welche Art von Buch es sein soll. Wir, d. h. meine Mitarbeiter und ich, haben uns bewusst für einen Sammelband entschieden, in dem Beiträge aus der Praxis des E-Business den Schwerpunkt bilden. Dafür gibt es in unserer Wahrnehmung mindestens zwei miteinander zusammenhängende gute Gründe: •



Erstens ist das E-Business in seiner Struktur und Geschäftslogik noch extrem dynamisch und instabil. Man tut sich deshalb schwer, eine umfassende Analyse vorzunehmen. Und zweitens entstehen die Ideen für neue Strukturen und Geschäfte weniger in den Konzeptfabriken etablierter Unternehmensberater bzw. in den Denkstuben der Wissenschaft, sondern kommen vielmehr aus Start-Up-Unternehmen, VentureCapital-Gesellschaften und wenigstens teilweise auch aus den innovativen Bereichen großer Konzerne.

Aus diesen Gründen glauben wir auch, dass gegenwärtig nur einzelne "Clicks in E-Business" möglich sind. Ein Gesamtbild zu erzeugen ist gegenwärtig kaum möglich. Dies gilt schon allein deshalb, weil sich das E-Business schneller entwickelt, als ein gemeiner Wissenschaftler schreiben kann. Nichtsdestoweniger konnten wir der Versuchung nicht widerstehen, in Click 1 drei konzeptionelle Beiträge zusammenzufassen, die die Trends im E-Business allgemein darstellen, die Eignung etablierter Geschäfte für das E-Business untersuchen und die Entwicklungen im zentralen Segment E-tailing darstellen. Click 2 gibt anhand der Beispiele Cassiopeia, Virtuelles-Kaufhaus.de, VitaGO, Scout24 und AutoScout24, JFax und Manager-Lounge einen Einblick in die Geschäfte und Strukturen von Start-Up-Unternehmen. Click 3 zeigt dagegen einige Vorgehensweisen

VI

Vorwort

der etablierten Großkonzerne Deutsche Lufthansa AG, Bertelsmann AG und BfG Bank AG im E-Business. In Click 4 schließlich sind einige für das E-Business typische Managementkonzepte zusammengestellt. Dazu gehören das Management einer Venture-Capital-Gesellschaft, das IPO von Start-Ups, Beteiligungsmodelle für das Management sowie der Wettbewerb zwischen Start-Ups und etablierten Konzernen um "Unternehmer-Humanressourcen". Zu danken ist allen Koautoren aus der Praxis, die sich an diesem Buch beteiligt haben. Sie waren letztendlich der Auslöser für dieses Projekt und damit der "Kick to Clicks". Denn sie haben sich trotz notorisch knapper Zeit für eine Vortragsreihe an der Universität zu dieser Thematik zur Verfügung gestellt. Zu danken ist auch all denjenigen Koautoren, die als Mitarbeiter an meinem Lehrstuhl maßgeblich dafür verantwortlich waren, dass dieses Buch tatsächlich in "E-Speed" fertig gestellt wurde. Ausschlaggebend war nicht nur ihre Energie sondern auch ihre hohe Frustrationstoleranz. Besonders zu danken ist schließlich Markus Höllmüller. Er hat die Initiative zu diesem Buch ergriffen. Seine unerbittliche Zielstrebigkeit und Nachhaltigkeit - auch mir selbst gegenüber - hat letztlich dazu gefuhrt, dass dieses Buch entstanden ist.

Max J. Ringlstetter

Inhaltsverzeichnis

Seite

Click 1 - in E-Business 1.

Perspektiven des E-Business (M. Ringlstetter, J. Oelert)

2.

Eignung verschiedener Produkte und Leistungen für E-Commerce (A. Pölert)

3.

Drei Mega-Trends im E-Tailing - Anfang 2000 (J. M. Abend, C. Tischmann)

3

45 61

Click 2 - Start-Ups als Impulsgeber im E-Business 4.

Cassiopeia - Communities als Erfolgsfaktor im E-Business (D. Wiek, S. Kaiser)

5.

Virtuelles-Kaufhaus.de - Ein Start-Up zwischen Technik und Geschäftsidee (L. Quiring, C. Backmann)

77

93

6.

VitaGO - Schönheit und Gesundheit aus dem Internet (A. Fopp, J. Oelert)

7.

Scout24 und AutoScout24 - Innovative Konzepte für virtuelle Marktplätze (C. Mangstl, B. Resch)

139

JFax - Unified Messaging als integrierte Kommunikationsplattform (S. Glückstein, M. Schuster)

151

Manager-Lounge - Führungskräfte-Vermittlung im Internet-Zeitalter (P. Bachsleitner, E. Gratz)

171

8.

9.

117

Inhaltsverzeichnis

VIII

Click 3 - Aktivitäten etablierter Konzerne im E-Business 10.

Deutsche Lufthansa AG - Vertriebsstrategien im Internet (G. Schlüter, B. Resch)

191

11.

Perspektiven für Medienkonzerne im digitalen Zeitalter. (A. Vizjak, A. Brack, T. Hoffmeister)

203

12.

BfG Bank AG - Von der Filialbank zur Onlinebank. (C. Poggemann, A. Pölert)

227

13.

Bertelsmann Buch AG - Gestaltungsoptionen im E-Procurement (P. Ohle, H. Maaß)

247

Click 4 - Management im E-Business 14.

Management einer Venture-Capital-Gesellschaft im E-Business (S. Sanktjohanser, M. Höllmüller)

273

15.

IPO von Start-Ups zum Ausbau der Eigenkapitalbasis (S. Pfender, A. Pölert)

16.

Kapitalbeteiligung der Mitarbeiter am Unternehmen - Vorteile und Gestaltungsoptionen (M. Ringlstetter, A. Brandenberg)

319

David gegen Goliath - Wettbewerb zwischen Konzernen und Start-Ups am Markt für "Unternehmer-Humanressourcen" (T. Satteiberger, M. Höllmüller)

341

17.

Lebensläufe der Autoren

295

369

CLICK 1 - IN E-BUSINESS

1.

Perspektiven des E-Business (M. Ringlstetter, J. Oelert)

2.

Eignung verschiedener Produkte und Leistungen für E-Commerce (A. Pölert)

3.

Drei Mega-Trends im E-Tailing - Anfang 2000 (J. M. Abend, C. Tischmann)

3

45 61

1. PERSPEKTIVEN DES E-BUSINESS

Max Ringlstetter, Jochen Oelert

1.

2.

EINLEITUNG: VON KOHLEZECHEN UND PFERDEZÜCHTERN GESCHÄFTSORIENTIERTE PERSPEKTIVEN DES E-BUSINESS

7

2.1

E-Commerce als Geschäftssegment des E-Business

7

2.2

Geschäftsmodelle des E-Commerce zwischen Adaption und Innovation

13

2.3

Community als Kern der Geschäftslogik des E-Commerce

15

Geschäftsentwicklungen und Trends im E-Commerce

18

2.4 3.

ORGANISATORISCHE PERSPEKTIVEN DES E-BUSINESS

3.1

4.

5

25

Transformationsprobleme von Konzernen und das Phänomen Start-Up

25

3.2

Meta-Strukturen zur Unterstützung von Start-Ups

29

3.3

Integration von E-Business Aktivitäten in Konzerne

35

SCHLUSS: E - , M - , B - ODER DOCH S-BUSINESS?

38

Perspektiven des E-Business

1.

5

EINLEITUNG: VON KOHLEZECHEN UND PFERDEZÜCHTERN

Die Konvergenzthese ist ein verbreiteter Erklärungsansatz fiir das Entstehen des Phänomens "E-Business".1 Medien-, Telekommunikations- und IT-Branche durchlaufen demnach einen tief greifenden Wandel. Eine Kombination von eng miteinander verflochtenen Entwicklungen, darunter das exponentielle Wachstum von Internet bzw. World Wide Web, Digitalisierung von Informationen, Preissenkungen in der Computerindustrie, Deregulierung und Liberalisierung von Märkten ergeben zusammen das, was auch als "Digitale Revolution" oder "Zweite Industrielle Revolution" bezeichnet wird. Folge dieser Entwicklungen ist eine grundlegende Veränderung der Wertschöpfungsketten in den betroffenen Branchen. Der Kerngedanke der Konvergenzthese ist in diesem Zusammenhang, dass die Medien-, Telekommunikations- und IT-Branche von einer vertikalen Integration betroffen sind. Dementsprechend wachsen die Branchen zusammen. Die Reorganisation der Branchen geschieht unter der Berücksichtigung der gemeinsamen horizontalen Branchensegmente Inhalte (Generierung der Inhalte), Format (Aufbereitung/Darstellung der Inhalte), Netze (Übertragung der Inhalte) und Equipment/Endgeräte (Medium zum Abruf der Inhalte). Die Konvergenzthese ist ein hilfreiches Konstrukt, um die Entwicklungslinien der Branche zu veranschaulichen. Es muss jedoch bezweifelt werden, dass damit das E-Business und die neu entstehenden Märkte und Strukturen sowie die neuen Spielregeln ausreichend verstanden werden können. Dagegen spricht zunächst aus theoretischer Sicht, dass sich radikale Neuerungen kaum auf Basis des Bestehenden erfassen lassen.4 Das Neue, hier das E-Business, zeichnet sich gerade dadurch aus, dass man es Vgl. Gomez/Küng (1999), Barwise/Hammond (1998). Vgl. Tapscott (1996), Yoffie (1997) und Downes/Mui (1998). In Anlehnung an Bradley/Nolan (Hrsg., 1998). Vgl. Morner (1997).

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Perspektiven des E-Business

nicht aus dem Blickwinkel alter Standpunkte hinreichend erschließen kann. Um es pointiert in einem Beispiel auszudrücken: Der aktuelle Versuch der Erklärung des E-Business durch die Konvergenzthese gleicht dem hypothetischen historischen Versuch, die Entstehung der Eisenbahnindustrie auf Basis der Analysen von Kohlezechen (Technologiebranche) und Pferdezüchtern (Transportbranche) zu verstehen. Aus empirischer Sicht kommt die Kritik an der Konvergenzthese dadurch zum Ausdruck, dass gerade Start-Up-Unternehmen und nicht Konzerne oder Großunternehmen, die die angeblich konvergierenden Branchen prägen, die Anfangsphase des E-Business dominierten. Heute sind Start-UpUnternehmen wie E-Bay, Ricardo, Amazon, ConSors, Yahoo, oder AOL führend in ihren Marktsegmenten. Die Ausfuhrungen legen den Schluss nahe, dass E-Business nur aus einer eigenen Betrachtung adäquat erschlossen werden kann, ohne unmittelbare Vergleiche oder Entwicklungslinien aus bestehenden Industrien heranzuziehen. Im Folgenden wird ein Beitrag aus betriebswirtschaftlicher Sicht geleistet, der versucht, das Phänomen "E-Business" aus verschiedenen Perspektiven zu rekonstruieren. Zunächst wird das E-Business aus einer geschäftsorientierten Perspektive untersucht (Abschnitt 2). Es gilt dabei zu klären, in welche Geschäftssegmente das E-Business eingeteilt werden kann. Eines dieser Geschäftssegmente bezeichnen wir als E-Commerce. Verstanden werden darunter alle Geschäftsvorgänge, die über das Internet abgewickelt bzw. koordiniert werden. Es wird dabei die Meinung vertreten, dass E-Commerce von idealtypischen Geschäftsmodellen geprägt ist und diese Geschäftsmodelle einer spezifischen Geschäftslogik unterliegen. Abschließend werden aktuelle Geschäftsentwicklungen als Ursache für Trends bei den Websites diskutiert. Mit einer zweiten Perspektive ist eine organisatorische Betrachtung des E-Business verbunden (Abschnitt 3). Es wird zu zeigen sein, wieso gerade das E-Business für die Entstehung des Phänomens "Start-Up" förderlich ist und welche Rahmenbedingungen dafür notwendig sind. Bedingungen für Start-Ups sind vielfach auch so genannte Meta-Strukturen, wie sie beispielsweise Venture Capital-Gesellschaften darstellen. Aber auch Konzerne können Aufgaben i. S. v. Meta-Strukturen einnehmen. Ihre

Perspektiven des E-Business

7

Optionen zur Entfaltung von Aktivitäten im E-Business gilt es insgesamt zu berücksichtigen. Abgeschlossen wird die Betrachtung des E-Business mit einer an den Kapitalmarkt angelehnten Perspektive (Abschnitt 4). Auf der Basis der Entwicklungen an den Kapitalmärkten wird problematisiert, ob mit dem E-Business eine fundamentale Transformation der Wirtschaft verbunden ist oder ob es sich bei der New Economy weitgehend um eine Bubble Economy handelt. Davon wird abhängig sein, inwieweit E-Business einen nachhaltigen Effekt auf das Wirtschaftsleben insgesamt hat oder ob eine Rückbesinnung auf die Old Economy stattfinden könnte.

2.

GESCHÄFTSORIENTIERTE PERSPEKTIVEN DES E-BUSINESS

Pragmatisch lassen sich im E-Business die vier Geschäftssegmente E-Commerce (elektronischer Handel), E-Frastructure (elektronische Infrastruktur), E-Quipment (elektronische Endgeräte) und E-Services (E-orientierte Dienstleistungen) unterscheiden (2.1). Das zweifellos meist diskutierte Segment ist E-Commerce. Im E-Commerce lassen sich eher informationsorientierte und eher handelsorientierte Geschäftsmodelle identifizieren. Diese Geschäftsmodelle sind charakterisiert durch einen unterschiedlich hohen Grad an Online-Innovation bzw. Offline-Adaption (2.2). Grundsätzlich sind aber alle Geschäftsmodelle auf eine ähnliche Geschäftslogik zurückzuführen. Zentral ist dabei der CommunityGedanke sowie internetspezifische Erfolgsgrößen, deren Bedeutung und Verknüpfung je nach Geschäftsmodell variieren (2.3). Abschließend werden aktuelle Trends im E-Commerce diskutiert (2.4).

2.1

E-Commerce als Geschäftssegment des E-Business

E-Business ist ein schillernder Begriff, und es ist nicht immer ganz klar, was dazu gehört und was nicht. In einem ersten Zugriff stehen die einzelnen Segmente des E-Business unmittelbar oder mittelbar mit dem Internet in Verbindung. In einer weiteren Sichtweise kann man unter E-Business

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Perspektiven des E-Business

all jenes verstehen, das mit den Adjektiven "digital" oder "elektronisch" zusammenhängt. Auf dieser Basis lassen sich vier Geschäftssegmente unterscheiden, die sich teilweise überschneiden können (Abbildung 1): • • • •

E-Commerce als elektronischer Handel im weiteren Sinn, E-Frastructure als notwendige Infrastruktur für den elektronischen Handel, E-Quipment i. S. v. elektronischen (internetspezifischen) Endgeräten und E-Services als unterstützende Dienstleistungen und Services für alle elektronischen Geschäfte.

v;-ï: • ' ,.,.:• ' , ..... :'CO: • — i m Internet •

E-Frastructure

E-Quipment

Infrastruktur für das Internet

(internetspezifische) Endgeräte

E-Services unterstützende Dienstleistungen und Services Abb. 1:

Geschäftssegmente im E-Business

Im E-Business hat die Metapher der Goldsucher und Schaufelhersteller eine gewisse Prominenz erlangt. In diesem Zusammenhang erinnert das E-Business an den Goldrausch am Klondike River um 1900. Tausende Glücksritter zogen damals los, Gold zu schürfen, in der Hoffnung, schnell Reichtum zu erlangen. Die meisten Träume der Goldsucher blieben unerfüllt und platzten nach kurzer Zeit wie eine Seifenblase. Nur einigen war

Perspektiven des E-Business

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das Glück hold. Dagegen konnten diejenigen, die an die Goldsucher Geräte (z. B. Schaufeln) verkauften, meist große und vor allem weitgehend risikolose Gewinne verbuchen. Parallel zu dieser historischen Geschichte werden E-Commerce Unternehmen oft als Goldsucher charakterisiert. Nur wenigen gelingt es bisher, aus dem Internetgeschäft tatsächlich Profit zu schlagen. Hingegen sind Unternehmen aus den Segmenten E-Frastructure, E-Quipment und E-Services, die in Analogie zu der Geschichte als Schaufelhersteller bezeichnet werden, oft profitabler und an der Börse zumindest langfristig höher bewertet. (1) E-Commerce: Unter E-Commerce wird entweder der Handel mit Waren oder die Bereitstellung von Informationen über das Internet verstanden. In beiden Fällen muss im Sinne des Commerce-Aspektes auch ein gewisser Geschäftszweck, d. h. das Bestreben nach Umsätzen damit verbunden sein. Idealtypischerweise kann man dabei eher handelsorientierte und eher informationsorientierte Geschäftsmodelle unterscheiden (Abbildung 2). In der Praxis sind zwar die aufgeführten Geschäftsmodelle gemäß der analytischen Trennung nicht in Reinform vorhanden; denn der Handel von Waren und die Bereitstellung von Informationen sind durch das Internet, wie noch zu zeigen sein wird, quasi untrennbar miteinander verknüpft. Dennoch ist es möglich, Unternehmen den Kategorien und Unterkategorien schwerpunktmäßig zuzuordnen. •

Informationsorientierte Geschäftsmodelle stellen überwiegend in strukturierter Form Informationen bzw. die Infrastruktur für den interaktiven Austausch von Informationen zwischen den Nutzern bereit. Umsätze werden dann indirekt über Werbung generiert. Informationsorientierte E-Commerce-Geschäftsmodelle lassen sich anhand der Rolle des Nutzers unterscheiden. Greift der Nutzer primär auf Informationen zurück, die von den Websites selber aufbereitet oder aber strukturiert werden, spricht man von Portalen. Unterschieden wird üblicherweise in horizontale Portale (Zugangsportale), die ein eher breites Informationsspektrum abdecken, und in vertikale Portale (Themenportale), die sich auf ein bestimmtes

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Perspektiven des E-Business

Themenfeld konzentrieren. Ist der Nutzer dagegen hauptsächlich in der Rolle des aktiven Mitgestalters der Seite bzw. der Inhalte der Seite, kann man gleichsam von interaktiven Gemeinschaften sprechen. Diese Gemeinschaften - auch virtuelle Communities genannt - unterstützen sich gegenseitig mit Rat bzw. tauschen Meinungen aus; oder die Nutzer schließen sich als "Einwohner" zu einer Art virtuellen Stadt (FortuneCity!) zusammen.

Abb. 2: •

Geschäftsmodelle und Unternehmen im E-Commerce

Handels orientierte Geschäftsmodelle orientieren sich am Kauf oder am Tausch von Waren. Entsprechend der Handelsbeziehungen der Marktteilnehmer 5 kann unterschieden werden in

Shop-Konzepte

(Nachfragehierarchie, d. h. ein Nachfrager kann auf mehrere Anbieter zurückgreifen), Marktplätze (Markt, auf dem mehrere ähnli-

Vgl. Kollmann (1999), S. 201.

Perspektiven des E-Business

11

che Anbieter und mehrere Nachfrager zusammenkommen) und Einkaufsplattformen (Anbieterhierarchie, d. h. viele Nachfrager schließen sich zusammen und stehen einem Anbieter gegenüber). Gehandelt wird in diesen Fällen mit verschiedenen Waren. Dies sind meist herkömmliche neue oder gebrauchte Produkte. Eine Spezialform dieser Produkte sind elektronische Waren und damit Informationen oder kostenpflichtige Downloads, die entgeltlich z. B. über einen geschützten Zugriff bereitgestellt werden. (2) E-Frastructure: Unternehmen des Segments E-Commerce benötigen eine umfassende technische Infrastruktur für ihr Geschäft. Diese notwendige technische Infrastruktur stellen die Unternehmen des Segments E-Frastructure bereit. Mit dieser Infrastruktur hängen all jene Geschäfte zusammen, die die Basis für den elektronischen Handel bilden. ZugangsProvider etwa ermöglichen dem Nutzer den Zugang zum Internet und sind damit Voraussetzung für Internetgeschäfte. Zugangs-Provider können reine Internet-Provider wie Arcor, NGI oder freenet sein; Provider mit einem damit direkt verbundenen breiten Portalangebot sind z. B. T-Online, AOL oder CompuServe. In jüngerer Zeit entwickeln sich weitere Zugangsprovider, die das Internet für Kommunikationsdienste wie Fax, Telefon o. Ä. nutzen. Anbieter dieser Dienste sind im Bereich des Unified-Messaging z. B. JFax6 und im Bereich der Internettelefonie z. B. Equant. Neben Zugangsprovidern zählen zu dem Segment E-Frastructure auch solche Unternehmen, die so genannte Front-End-, Back-End- oder BackBone-Technologien zur Verfügung stellen. Front-End-Technologien sind z. B. Web-Design von Kabel New Media, Pixelpark oder Icon New Media oder Web-Software wie die Programme Flash oder Frontpage; aber auch die Web-Browser von Microsoft und Netscape gehören dazu. Back-EndTechnologien sind im Grunde Software-Lösungen für die Firmen, die E-Commerce betreiben. Zu dieser Art von Software gehören Handelsplatt-

Vgl. auch den Beitrag von Glückstein/Schuster in diesem Buch.

12

Perspektiven des E-Business

n

form-Software von Broadvision oder Ariba, Shop-Software von Intershop oder Openshop, Community-Software von cassiopeia , Datenbanken von Oracle oder IBM und CRM-Software von Siebel oder Micrologica. Schließlich werden mit der Back-Bone-Technologie die technischen Komponenten bereitgestellt, die das Internet überhaupt erst ermöglichen und den Datenfluss steuern. Der Hauptakteur hierbei im Bereich Software und gleichzeitig das teuerste Unternehmen nach Börsenkapitalisierung ist im ersten Halbjahr 2000 Cisco Systems. (3) E-Quipment: Neben dieser Infrastruktur sind auch Endgeräte für den Abruf der elektronischen Daten notwendig. Zu diesem E-Quipment zählen natürlich klassische PCs mit Modem, insbesondere aber Geräte, die speziell für den Zugang ins Internet entwickelt werden. Beispiele für solche Endgeräte sind feststehende Geräte wie die Metabox, die den heimischen Fernseher zum Navigieren im Netz aufrüstet, oder auch mobile Geräte wie WAP-Handys, mit denen Internet-Seiten heruntergeladen werden können. Der Abruf elektronischer Daten steht nicht immer zwangsläufig mit dem Internet in Verbindung. Auch unabhängig von der InternetEntwicklung wird versucht, klassische Papiermedien durch elektronische Innovationen zu ersetzen. Neue Entwicklungen sind Geräte wie das E-Book von NuvoMedia, das E-Papier von Xerox, die E-Zeitung von IBM oder der E-Filo von Palm. (4) E-Services: Schließlich verbleiben E-Services als Dienstleistungen, die rund um das Internet angeboten werden. E-Sevices sind nicht unbedingt durch das Internet neu entstanden, sondern werden in ursprünglicher oder etwas angepasster Form von Unternehmen des E-Business genutzt. E-Services stellen Werbeagenturen, Marktforschungsunternehmen, Beratungsunternehmen oder Logistikunternehmen in mehr oder weniger spezialisierter Weise bereit. Letztendlich sind auch Rabattsysteme wie web-

Vgl. auch den Beitrag von Quiring/Backmann in diesem Buch. Vgl. auch den Beitrag von Wieck/Kaiser in diesem Buch.

Perspektiven des E-Business

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miles, Payback oder Miles&More als Instrument zur Kundenbindung im E-Commerce in das Segment der E-Services einzuordnen.

2.2

Geschäftsmodelle des E-Commerce zwischen Adaption und Innovation

Die Geschäftsmodelle des E-Commerce haben einen unterschiedlich starken Bezug zu bisherigen, klassischen Geschäftsmodellen. Einige Bestandteile der Geschäftsmodelle sind durchaus vergleichbar mit klassischen Geschäften und daher als Offline-Adaption zu charakterisieren. Andere wiederum sind zwar meist vorher schon grundsätzlich möglich bzw. vorhanden gewesen; in der internetspezifischen Ausgestaltung sind sie aber von einer hohen Online-Innovation geprägt. (1) Innovations- und Adaptionsgrad von Portalen: Als besondere OnlineInnovation sind zunächst alle Formen von Portalen zu verstehen. Horizontale und vertikale Portale strukturieren ein bestimmtes Informationsund Serviceangebot bzw. bereiten Informationen auf. Oft kann das Angebot sehr nutzerspezifisch etwa durch "My"-Anwendungen zusammengestellt werden. Inhalte können leicht über eine Ordnungslogik bzw. Suchheuristik ausfindig gemacht werden. Die interne und externe Verlinkung von Websites ermöglicht eine Vernetzung der Informationen. Eine solche Form der Aufbereitung, Vernetzung, Systematisierung, Aktualität und personenspezifischen Zusammenstellung von Informationen war mit anderen Medien wie Archivierungssystemen oder themenspezifischen Zeitschriften bisher nicht möglich. (2) Innovations- und Adaptionsgrad von interaktiven Gemeinschaften: Interaktive Gemeinschaften sind in der klassischen Welt etwa mit Pfadfindern oder Treffen von "Schwarze Auge" Anhängern vergleichbar. Charakteristisch für diese Clubs ist, dass die Mitglieder nur zu bestimmten Zeitpunkten zusammenkommen oder der Club nur zu bestimmten Zeitpunkten Leistungen für die Mitglieder bereitstellen kann. Auch sind Clubs nicht immer nur interaktiv, sondern haben häufig einen konsumtiven Cha-

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Perspektiven des E-Business

rakter. Gemeinschaften im Internet sind immer und von überall zu erreichen. Sie leben sehr stark von Interaktivität und der Einbringung jedes einzelnen Mitglieds. Freilich haben sich bei den Gemeinschaften im Internet die Interaktionsmuster geändert. Geht es bei Pfadfindern und Schwarze Auge-Treffen insbesondere um den direkt-persönlichen Austausch, ist heute eher ein digital-informationsorientierter Austausch mit den Gemeinschaften verbunden. Die Geschäftsmodelle von FortuneCity oder auch Dooyoo sind daher als besonders online-innovativ zu bewerten. (3) Innovations- und Adaptionsgrad von Shop-Konzepten: Internet-Shops sind zunächst reine Adaptionen der klassischen Welt. Die Vorteile gegenüber klassischen Einzelhändlern liegen z. B. in Bestell- und Lieferservice, 24-Stunden-Erreichbarkeit oder Personalisierungen bzw. einem ausgefeilten Customer-Relationship-Management. Internet-Shops bieten damit eine hohe Convenience, also Annehmlichkeit für den Endverbraucher. Zunehmend online-innovativ werden Shops dann, wenn sie sich vom reinen Verkaufsgeschäft lösen und hin zu einer Community-geprägten Website entwickeln und damit ein breites, mit den Waren in Verbindung stehendes Informationsangebot anbieten. Ein ganz anderer Aspekt von Internet-Shops ist die Senkung von Kosten der Wertschöpfung. Durch Prozessautomatisierung und Outsourcing von Tätigkeiten auf den Kunden gerade bei Banking und Broking werden in erheblichem Maße Kosteneinsparungen realisiert, die an den Endverbraucher weitergegeben werden können. (4) Innovations- und Adaptionsgrad von Marktplätzen: Die Geschäftskonzepte mit der Überschrift "Marktplatz" existieren schon seit längerem in Form von Zeitungen für Kleinanzeigen oder Vermittlungsstellen für Jobs oder Fahrgemeinschaften. Neu ist allerdings, dass eine Vielzahl von Nutzern standortunabhängig auf diese Marktplätze zugreifen kann. Auch können die Nutzer interaktiv und in Echtzeit untereinander agieren. Durch

Vgl. hierzu u.a. Bhise et al. (2000), Abela/Sacconaghi (1997), Piller/Schoder (1999), Preißl/Haas (2000).

Perspektiven des E-Business

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die Marktplätze entsteht sowohl auf Anbieter- als auch auf Nachfragerseite eine hohe Transparenz. Solche Marktplätze, die u. a. von der Scout10 betrieben werden, sind in der Offline-Welt in dieser Form aufgrund prohibitiv hoher Transaktionskosten nicht sinnvoll. (5) Innovations- und Adaptionsgrad von Einkaufsplattformen: Einkaufsplattformen sind in der bestehenden Form ebenfalls erst durch das Internet möglich geworden. Unternehmen haben zwar schon immer versucht, Synergien beim Einkauf zu realisieren; die Bertelsmann Buch AG beispielsweise bündelt intern die Papierbeschaffung.11 Das Neue beim Einkauf über das Internet besteht darin, dass der Koordinationsaufwand für die Teilnehmer drastisch sinkt. Kleine bzw. fremde Unternehmen können jetzt, ohne in direkten Vertragsbeziehungen zu stehen, ihre (auch kleineren) Einkäufe bündeln. Dadurch werden Einkaufsgemeinschaften privater Endkunden wie letsbuyit.com oder B2B-Einkaufsplattformen wie chemdex.com (life science), allocation.net (industrielle Verbrauchsgüter und Überbestände), surplex.com (überschüssige Wirtschaftsgüter und Restposten) oder paperbid.com (Papier) attraktiv.

2.3

Community als Kern der Geschäftslogik des E-Commerce

Der betriebswirtschaftliche Kem jedes Geschäfts ist die prinzipielle Möglichkeit, wenigstens langfristig Gewinne zu erzielen. Erste Voraussetzung ist im Allgemeinen das Erzielen von Umsätzen. Die Entstehung von Umsätzen im E-Commerce basiert auf einer speziellen Geschäftslogik. Deren Kerngedanke besteht grundsätzlich darin, eine Gruppe von Personen mit gleichen (breiten oder speziellen) Interessen und Bedürfnissen anzusprechen und in besonderer Weise mit der Website und insbesondere auch untereinander zu vernetzen. Es wird ein themenbezogenes, teilweise auch interaktives Angebot an Waren, Informationen und Services zusammengestellt. In diesem Sinne kann man auch von dem Aufbau einer virtuellen Vgl. auch den Beitrag von Mangstel/Resch in diesem Buch.

16

Perspektiven des E-Business

Community 12 sprechen. Auf der Basis des Community-Gedankens wird versucht, eine möglichst große Anzahl an Unique Visitors, also an einzelnen Nutzern auf der Seite zu binden. Durch die Häufigkeit der SiteBesuche der Unique Visitors ergibt sich die Gesamtzahl der Visits und durch die Anzahl der betrachteten Seiten die so genannten Page Impressions. Unique Visitors, Visits und Page Impressions sind die zentralen Kenngrößen zur Ermittlung der Erfolgspotenziale einer Website. Mit ihnen lassen sich drei Umsätzquellen erschließen: • • •

Werbung, Verkauf und Vermittlung.

Zunächst ist es dabei wichtig festzuhalten, dass der Handel mit Waren und die Bereitstellung von Informationen im E-Commerce nicht eindeutig voneinander zu trennen sind: •



Informationen können auf reinen Informationsseiten einerseits eine Art eigene Ware darstellen. Umsätze werden dann indirekt durch Werbebanner generiert. Teilweise gehen die Websites aber auch dazu über, hochwertige Informationen nur gegen ein Entgelt anzubieten. Andererseits sind Informationen oft notwendig, um eine Seite attraktiv zu machen und Nutzer auf der Seite zu versammeln. Erst durch eine Reihe von Informationsangeboten kann der eigentliche Verkauf der Waren oder die Vermittlung von Profilen stattfinden.

Daher generieren die Websites oft über alle drei Wege Umsätze, wobei jedoch in Abhängigkeit des Geschäftsmodells unterschiedliche Schwerpunkte zu setzen sind. Grundsätzlich sind für Werbeeinnahmen, Verkauf und Vermittlung eine hohe Anzahl an Unique Visitors, Visits und Page Impressions vorteilhaft. Es besteht jedoch die Möglichkeit, die reine Quantität durch die Qualität an Unique Visitors, Visits und Page Impresli 12

Vgl. auch den Beitrag von Ohle/Maaß in diesem Buch. Vgl. Hagel/Armstrong (1999), Evans/Wurster (2000), S. 82ff. sprechen in diesem Sinne von "Affiliates".

Perspektiven des E-Business

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sions zu substituieren. Das Geschäftsmodell zielt dann weniger auf einen Massenmarkt, sondern eher auf eine fokussierte, hochkarätige Zielgruppe bzw. Nische ab. (1) Werbung: Page Impressions, also die Anzahl der betrachteten Seiten der Website, dienen als Berechnungsbasis für Werbeeinnahmen. Page Impressions ist eine Kenngröße, mit der implizit einerseits die (Brutto-)Reichweite, andererseits die Dauer der Werbeimpression auf den Nutzer berücksichtigt wird. In Verbindung mit Werbeeinnahmen hat die Website den Charakter einer Werbefläche oder Litfasssäule. Werbung ist die Haupteinnahmequelle von informationsorientierten Geschäftsmodellen. Normale Banner haben gegenwärtig (im ersten Halbjahr 2000) etwa einen Tausend-Kontakt-Preis (TKP) von DM 70,-. Erfolgsabhängige Formen von Werbeeinnahmen sind so genannte click-throughs und clickbuys. Erfolgt die Vermittlung eines Nutzers auf eine andere Seite durch click-throughs über einen Link oder Banner, wird ein Pauschalbetrag erstattet. Bei click-buys wird auf den Pauschalbetrag verzichtet. Die Vermittlungsgebühr wird durch eine Provision am generierten Umsatz des vermittelten Nutzers ermittelt. (2) Verkauf: Die Anzahl an Visits, also die Häufigkeit des Besuchs einer Website insgesamt, sind für Websites mit dem Charakter eines Shops oder einer Einkaufsplattform bedeutend. Visits sind indirekt für den Verkauf von Waren oder die entgeltliche Bereitstellung von Informationen notwendig. Visits beinhalten zum einen dieUnique Visitors, zum anderen die Häufigkeit des Wiederbesuches dieser Unique Visitors. Mit steigender Zahl an Visits, steigt die Möglichkeit und die Wahrscheinlichkeit, Waren zu verkaufen. Zentrale Kenngröße für die Ausschöpfung des Käuferpotenzials ist die "conversion rate", das Verhältnis von tatsächlichen Kaufhandlungen zu Visits insgesamt. (3) Vermittlung: Auf Basis der genannten Erfolgsfaktoren können nicht nur "Kaufverträge" zwischen Website-Unternehmen und -Nutzer zustande kommen. Möglich ist auch die (provisionspflichtige) Vermittlung zwi-

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Perspektiven des E-Business

sehen Dritten. Ganz allgemein werden dabei Profile vermittelt. Profile sind beispielsweise Angebote bei Auktionen, Objekte bei Immobilienbörsen oder Stellensuchende bzw. Stellenangebote bei Jobbörsen. Dabei kann sowohl das Einstellen von Profilen als auch deren Abruf gebührenpflichtig sein. Erhoben werden eine Grund- bzw. Teilnahmegebühr und/oder eine Nutzungsgebühr auf der Basis einer Einstellungs-/Abfragehäufigkeit bzw. Erfolgsabhängigkeit. Profile sind grundsätzlich am besten geeignet, hohe Umsätze, vor allem aber Gewinne zu generieren. Dies liegt an den hohen realisierbaren "Economies of Scale". Dazu wird von der Website ein Marktplatz eingerichtet, über den sich Anbieter und Suchende finden können. Die Grenzkosten einer Transaktion zwischen Suchendem und Anbietendem liegen dabei idealerweise für den Marktplatzbetreiber bei null. Bis heute, Anfang 2000, sind aber private Nutzer etwa bei Auktionen oder Börsen meist nicht bereit, für die Ansicht von Profilen zu bezahlen. Geschäftskunden scheinen dagegen durchaus bereit, für die Einstellung von z. B. Immobilien oder die Vermittlung von Berufssuchenden bzw. das Aufgeben von Stellenanzeigen Gebühren zu bezahlen. Für Vermittlungen ist die Anzahl an Unique Visitors der Website dann der entscheidende Erfolgsfaktor, wenn es sich um ein Gut handelt, das nicht häufig getauscht wird, wie etwa Immobilien oder Arbeitsplätze bzw. -kräfte. Bei Auktionen ist hingegen die Anzahl an Visits entscheidend, da hier viele verschiedene Waren angeboten werden und der einzelne Visitor mehrmals kaufen kann.

2.4

Geschäftsentwicklungen und Trends im E-Commerce

E-Commerce ist von mehreren Entwicklungen geprägt, die Auswirkungen auf die einzelnen Geschäftsmodelle und Websites haben. Die bisherigen Entwicklungen des E-Commerce lassen sich schlaglichtartig wie folgt charakterisieren: Zunächst geht die Erschließung des Internets und damit die Besetzung der Massenmärkte und Nischen zügig voran. Mit der schnellen Erschließung der Geschäftsmöglichkeiten im Internet ist der First Mover Advantage verbunden. Es wird davon ausgegangen, dass innerhalb eines Segments ein Endverbraucher sich nur wenige wwwAdressen aktiv merken kann. Für das Branding und das Image der

Perspektiven des E-Business

19

Website ist es daher wichtig, als eine der ersten Sites bekannt zu werden. Mit der professionellen Erschließung des Internets ist auch die Ausschöpfung der Umsatz- und Ertragspotenziale verbunden. Damit nimmt die Bedeutung des Commerce-Aspektes einer Website zu. Die ursprüngliche Haupteinnahmequelle ist die reine Bannerwerbung. Seit dem Jahr 2000 nimmt die Bedeutung der werbebezogenen Einnahmequellen durch clickthroughs (pauschale Vergütung) oder click-buys (provisionsabhängige Beteiligung am Umsatz) zu. Auch der Verkauf von Produkten über die eigene Website nimmt zu bzw. das Produktsortiment wird erweitert. Ein prominentes Beispiel hierfür ist Amazon. Amazon verkauft nicht mehr nur Bücher, sondern hat seine Produktpalette um CDs, Videos und DVDs erweitert. Eine weitere Entwicklung ist die zunehmende Anzahl der Wettbewerber innerhalb der Marktsegmente. Dies ist insbesondere problematisch, da das Internet durch geringe Wechselkosten für den Kunden charakterisiert ist. Websites müssen sich daher gegenüber anderen merklich differenzieren. Sie müssen Mehrwerte für den Kunden schaffen und umfassend i. S. v. vertikalen Portalen oder einer Community sein. Aus Kundensicht bedeutet dies eine zunehmende Convenience, d. h. eine Zunahme an Annehmlichkeiten und Bedienerfreundlichkeit. Die genannten Entwicklungen führen zu vier Trends, die von bereits bestehenden Websites aufgenommen, gerade aber von neuen Playern geprägt werden: • • • •

Roll-out in potenzialstarke Länder, Spezifizierung der Anwendungen für Firmen und Experten, steigende Bedeutung von "Content", Verbindung von Internet und klassischen Geschäften i. S. v. "brick and click".

(]) Internationaler Roll-out: Der internationale Roll-out von E-Commerce-Konzepten erfolgt im Allgemeinen auf der Basis erster Erfolge und Erfahrungen in einem Pionierland, oftmals den USA. In Europa übernehmen meist die skandinavischen Länder die Vorreiterrolle. Von den Ursprungsländern werden die Geschäftsideen dann auf Europa und Asien, hier dann wiederum auf die unterschiedlichen Länder übertragen. Der Roll-out kann durch das Pionierunternehmen getrieben werden. Dies

20

Perspektiven des E-Business

geschieht dann durch eigene Niederlassungen oder durch ein FranchisingKonzept. Oft sind es aber auch neue Unternehmen, die eine Geschäftsidee, die in einem anderen Land bereits erfolgreich war, aufgreifen und imitieren bzw. länderspezifisch weiterentwickeln. Dieses Vorgehen kann insbesondere dann sehr lukrativ sein, wenn das ursprüngliche Pionierunternehmen in dem Land mit der "Imitation" schnell Fuß fassen will. So haben die Gründer von Alando ihr Unternehmen an ihre USamerikanischen Vorreiter, das Auktionshaus E-Bay, auf der Basis einer Bewertung von DM 80 Mio. verkaufen können. Identisch verlief der Eintritt von Amazon in den deutschen Markt. Amazon kaufte den damaligen Marktfuhrer im Internetbuchhandel, Telebuch. (2) Von B2C und B2B zu B2E: Eine weitere Form der Erschließung von Umsatz- und Ertragspotenzialen ist neben dem Roll-out die Zielgruppenspezifizierung. E-Commerce bezog sich zunächst hauptsächlich auf private Nutzer. Diese Geschäfte werden auch als Business-to-ConsumerGeschäfte (kurz B2C) bezeichnet. Spätestens seit 1997 wurde der Nutzen des Interets für die Abwicklung von Transaktionen zwischen Unternehmen deutlich. Es wird angenommen, dass die Umsätze von Business-toBusiness-Geschäften (kurz B2B) die des B2C bereits 1998 übertroffen haben und bis zum Jahr 2000 exponentiell auf USS 140 Mrd. bzw. US$ 1,4 Brd. in 2003 steigen werden.13 Potenziale im B2B liegen vor allem in der Expansion des Geschäftes in neue Märkte und neue Kundensegmente, in der Erhöhung der Kundenbindung durch Services, in der Variabilisierung der Kostenstruktur oder in Kostenreduktionen und Effizienzsteigerungen. Den Firmen stehen dabei mindestens drei Handlungsfelder offen: • • •

Procurement, Sales und Prozessautomatisierung.

Vgl. Rosen/Howard (1999), S. 73. Im Vergleich dazu verläuft die Umsatzentwicklung des B2C von USS 2,7 Mrd. in 1997 auf USS 21,1 Mrd. in 2001 Mrd. bis zu USS 108 Mrd. in 2003.

Perspektiven des E-Business

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Unternehmen können für Procurement- bzw. Einkaufsfunktionen mit Hilfe internetbasierter Systeme Research- und Selektionsleistungen erfüllen oder tatsächliche Einkäufe tätigen.14 Besonders hilfreich dabei sind "Einkaufsplattformen". Eine repräsentative Plattform ist Metalsite.com. 15 Metalsite.com wurde von drei Unternehmen aus der Stahlbranche als neutraler Marktplatz eingerichtet. Die Site ermöglicht den Zugang zu BranchenNews und ermutigt die Nutzer, in Chats und Foren miteinander zu interagieren und Erfahrungen auszutauschen. Kernstück ist eine elektronische Präsentation der Produkte und Services der teilnehmenden Anbieter sowie eine sichere Verkaufsabwicklung inkl. Verhandlungen und Auktionen. Die Käufer geben hier Gebote für die Online-Angebote ab und werden kehrtwendend über den möglichen Zuschlag informiert. Randprodukte oder sehr spezielle Produkte werden in eigenen Online-Katalogen aufgeführt. Erweiterungsmöglichkeiten bestehen bei dem Plattformkonzept in made-to-order-Produkten oder Sonderanfertigungen. Aber auch weitere Metalle wie Kupfer, Aluminium oder Zink könnten in einem weiteren Entwicklungsschritt aufgenommen werden. Eine weitere Einsatzmöglichkeit von B2B-Konzepten liegt im Verkaufsbereich. Unternehmen können Produkt- und Unternehmensinformationen, Services oder den tatsächlichen Kauf von Produkten anbieten.16 Die tatsächlichen Einsatzmöglichkeiten von internetbasierten Lösungen unterscheiden sich freilich je nach Geschäftsart und Einsatzzweck (Abbildung 3).

15 16

Damit verbunden sind Zeiteinsparungen, Kosteneinsparungen und eine Erhöhung der Beschaffungsqualität. Vgl. Nenninger/Gerst (1999), S. 286f. Vgl. Secev/Gebauer/Färber (1999), S. 2f. Vgl. Rohrbach (1999), S. 63ff.

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Perspektiven des E-Business

Geschäftsart Einsatz \

Point-ofInformation

Produktgeschäft

Point-ofService

Abb. 3:

Anlagengeschäft

Ersatzteil-/ Servicegeschäft

hoch geeignet

hoch geeignet

geeignet

hoch geeignet

z. B. technische Datenblätter bei Halbleitern (Siemens, Motorola), Marketing

z. B. Pre-Sales-Phase (IBM)

z. B. Pre-Sales-Phase (Siemens, Anlagenbau)

z. B. Hausgeräte (General Electric)

geeignet bei geringer Komplexität

nicht geeignet

gut geeignet bei Standardteilen

hoch geeignet Point-ofSale

Systemgeschäft

(Cisco Systems, FastParts, Dell)

(Boing Commercia! Aitplane Group)

(Lucent Technologies)

hoch geeignet bei digitalen Produkten (Microsoft, Cisco Systems, Dell)

geeignet z. B. fiühzeitige Information über Systemausfalte (Caterpillar)

wenig geeignet, da i. d. R. zu komplex

gut geeignet z. B. Ersatzteildistribution f ü r mobile Techniker

Verkaufseinsatz des Internets in verschiedenen Geschäftsarten (Quelle: Rohrbach 1999, S. 278)

Drittens können Firmen das Internet für Prozessautomatisierungen wie etwa für die Auftragsabwicklung (z. B. Bestellstatusanzeige), Abrechnung (z. B. Rechnungsversand, Buchungskonto) oder Bezahlung (z. B. E-Cash, Kreditkarte) nutzen. Neben der B2B-Entwicklung finden Business-to-Expert-Konzepte (kurz B2E) immer mehr Beachtung. Die Idee einer fokussierten Website für eine meist hochkarätige und attraktive Zielgruppe mit spezieller Expertise steht im Vordergrund. Diese Art von Zielgruppen zeichnet sich durch sehr spezifische Interessen oder Bedürfnisse und damit durch ein dezidiertes Kauf- und Nutzungsverhalten aus. Die Website ist dementsprechend spezifisch gestaltet und lehnt sich an die Idee der vertikalen Portale an. Beispiele für solche B2E-Geschäfte sind Vermittler wie Pro17

pertyGate.com oder Manager-Lounge.com . PropertyGate.com vermittelt "exklusive Immobilien", also Häuser für wohlhabende Personen mit einem entsprechenden Anspruch auf Wohnambiente. Manager-Lounge.com baut sein Geschäftskonzept um das Thema "Karriere" auf. Es wird davon

Vgl. auch den Beitrag von Bachsleitner/Gratz in diesem Buch.

23

Perspektiven des E-Business

ausgegangen, dass bei hochkarätigen Managern mit einem Jahresgehalt über € 75.000 ein besonderes Interesse an der beruflichen Entwicklung besteht. Manager-Lounge.com bietet dementsprechend Informationen, Services und Commerce-Angebote für karriereorientierte Manager an. (3) Content will drive the future E- World: Der angesprochene Trend der Fokussierung auf Experten hängt mit einer Fokussierung auf Themen zusammen. Die Experten erwarten ein umfassendes Angebot an Informationen auch jenseits von konkreten Kaufangeboten auf der Site. Damit erhält die Website den Charakter einer Community um ein bestimmtes Themenfeld. Die Inhalte wurden ursprünglich insbesondere durch die Nutzer in Chats und Foren selber produziert. Heute ist ein solch interaktiver Austausch auf praktisch allen Seiten möglich und üblich. Darüber hinaus werden die Inhalte professionell durch eigene Content-Redakteure aufbereitet. Bei Amazon können Nutzer einerseits selber Rezensionen schreiben; andererseits verfasst Amazon aber auch eigene Rezensionen. 18

Auch der Internet-Shop VitaGO bietet seinen Kunden viele Informationen rund um das Thema "Schönheit und Gesundheit", die meist wie bei Magazinen exklusiv recherchiert und geschrieben werden. In separaten Chats können sich die Nutzer interaktiv austauschen. Die Bereitstellung von Content, also Inhalten, umfasst aber nicht nur das Angebot an (interaktiven) Informationen, sondern auch das Angebot von (interaktiven) Funktionen. Solche Funktionen sind z. B. Persönlichkeitsanalysen bei absolute-career.com oder der Stromrechner auf billiger-strom.de. Die oben angesprochene Verstärkung des Commerce-Aspektes wird durch diesen Content bzw. durch den Community-Gedanken unter- und gestützt. Content bezieht sich aber auch auf die Größe des Produktsortiments oder die Anzahl an Inseraten bei Auktionen, Immobilien- oder Jobbörsen. Content hat schließlich die Aufgabe, neue themeninteressierte Nutzer auf die Seite zu ziehen und vorhandene Nutzer zu binden sowie sie zu häufigen Besuchen auf der Seite zu veranlassen. Damit steigt einerseits die Anzahl an Unique Visitors bzw. Visits und damit die Wahrscheinlichkeit Vgl. auch den Beitrag von Fopp/Oelert in diesem Buch.

24

Perspektiven des E-Business

bzw. die Häufigkeit des Kaufs von Waren. Andererseits steigen die PageImpressions und damit die Werbeeinnahmen. (4) "brick and click": Die erhöhte Bedeutung des Content steht im Zusammenhang mit der Bindung der Kunden und der Ausschöpfung von Potenzialen. Eine ganz andere Form, dies zu erreichen, ist die Verbindung von Internet-Shops (durch "clicks") und Filialen in der realen Welt (aus "brick and mortar"). Hierdurch entstehen so genannte Hybridgeschäfte, 19

die mit "bricks und clicks" oder auch "E-Tailer" bezeichnet werden. Online- und Offline-Vertriebswege weisen spezifische Charakteristika auf, die sich in der Kombination besonders positiv für den Kunden auswirken. Internetbasierte Shops bieten die Möglichkeit für ein erweitertes Produktsortiment, permanente Verfügbarkeit, Bestell- und Lieferservice, Personalisierung, Suchfunktionen, Links zu verwandten Produkten oder auch die oben beschriebene Content-Vielfalt. Klassische Filialen können auf bestehende Kundenbestände zurückgreifen, persönlich-direkte Beratung anbieten, den Kauf als Erlebnis gestalten und das Produkt in tangibler Form vorweisen. Die ideale Ergänzung besteht nun in der Kombination der Vorteile. Offline-Kunden können kostengünstig auch als OnlineNutzer gewonnen werden; die Kundenbetreuung ergänzt sich durch persönliche Beratung vor Ort und personalisierte Anwendungen im Netz; es werden zwei Vertriebswege für Informationen und Kaufabschluss genutzt; die Abwanderung wird vermindert, Cross-selling-Potenziale werden ausgenutzt. Schließlich werden Synergien bei Einkauf und Infrastruktur reali• 20 siert. Online-Shops werden Filialen gründen, Allianzen mit "bricks" eingehen und umgekehrt werden klassische Einzelhändler ihre Internet-Präsenz verstärken. Die Vernetzung der On- und Offline-Welt ist auch bereits bei Banken wie der Deutschen Bank 24 oder der BfG Bank21, die Online- und Filialbank integriert haben, wieder zu finden. Auswirkungen wird dieser 19 20

21

Vgl. auch den Beitrag von Abend/Tischmann in diesem Buch, Vgl. zu diesen Ausfuhrungen Calkins/Farello/Smith Shi (2000), S. 140ff. Vgl. auch den Beitrag von Poggemann/Pölert in diesem Buch.

25

Perspektiven des E-Business

"brick-und-click"-Trend auch auf die meisten Vermittlungsgeschäfte ha22

ben. In Anlehnung an den Transaktionskostenansatz wird der Anbahnungsprozess insbesondere z. B. bei Immobilien- oder Jobbörsen, teilweise auch die Vereinbarung und Abwicklung z. B. bei Auktionen erleichtert.

3.

ORGANISATORISCHE PERSPEKTIVEN DES E-BUSINESS

Die Konvergenzthese legt nahe, dass E-Business von Konzernen der Branchen IT, Medien und Telekommunikation maßgeblich dominiert wird. In der Praxis ist jedoch zu beobachten, dass E-Business besonders stark von Start-Ups geprägt ist. Zunächst soll daher betrachtet werden, wieso gerade E-Business für das Phänomen "Start-Up" förderlich ist (3.1). Für die Entstehung von Start-Ups sind gewisse Rahmenbedingungen notwendig. Ein Teil dieser Rahmenbedingungen sind Meta-Strukturen wie Venture-Capital-Gesellschaften, Incubators oder strategische Partnerschaften. Meta-Strukturen unterstützen die Start-Ups bei Finanzierung, Management und Aufbau einer Infrastruktur (3.2). Vielfach spielen Konzerne bei diesen Meta-Strukturen z. B. bei Finanzierung oder strategischen Partnerschaften eine besondere Rolle. Über diesen Weg rücken die etablierten Konzerne und Großunternehmen dann doch wieder ins Blickfeld. Auf Basis spezifischer Strategien können auch sie zentrale Felder im E-Business besetzen (3.3).

3.1

Transformationsprobleme von Konzernen und das Phänomen Start-Up

Das E-Business ist durch eine Vielzahl von Start-Ups geprägt und vorangetrieben worden. Konzerne spielten gerade in der Anfangsphase des E-Business eine eher untergeordnete Rolle. Diese "Ohnmacht" der Konzerne ist auf spezifische Eigenheiten zurückzuführen wie KonzernKontexte und politische Konstellationen im Konzern. Gleichzeitig haben sich in den letzten Jahren die strukturellen Rahmenbedingungen für Start-

Vgl. auch den Beitrag von Pölert in diesem Buch.

26

Perspektiven des E-Business

Ups maßgeblich verbessert. Zusammen mit den organisatorischen Vorteilen von Start-Ups lässt sich die Erfolgsgeschichte des Phänomens "StartUp" erklären. (1) Konzern-Kontexte: Die Marktentwicklungen im E-Business können als besonders unsicher und damit als besonders informationsintensiv bezeichnet werden. Ein ex ante analytischer Zugang im planerischen Sinne ist besonders schwierig. Allgemeiner ausgedrückt ist der "Trial and Error"-Lernbedarf besonders hoch. Diese "Trials" werden gegenwärtig insbesondere von Start-Ups vorgenommen, zu Lasten derer Finanziers dann auch eventuell "Errors" eingehen. In den klassischen Konzern-Kontexten ist eine solche "riskante" Vorgehensweise nicht vorgesehen. Ein Bestandteil der Konzerne-Kontexte sind Controlling-Systeme. Sie orientieren sich an sehr formalen und tendenziell Risiko-aversen Mustern. E-BusinessInvestitionen zeichnen sich jedoch gerade in der Anfangsphase durch hohes Risiko eines totalen Investitionsausfalls, hohe negative kumulierte Cash-Flows, eine lange Verlustphase, sehr unsichere Annahmen bei Marktpotenzial und Marktwachstum, keine Vergleichbarkeit oder Erfahrungswerte bei Akzeptanz und Annahme von Geschäftskonzepten aus. Die Charakteristika von E-Business-Investitionen stehen daher den gewohnten Investitionsrechnungen und Entscheidungsverfahren grundsätzlich entgegen. (2) Politische Konstellationen im Konzern: Um E-Business-Aktivitäten im Konzern voranzutreiben, ist es - unabhängig von den aus den gängigen Investitionsrechenverfahren resultierenden Problemen - notwendig, diese unter die Leitung von Top-Führungsverantwortlichen zu stellen. Diese müssen mit der notwendigen Durchsetzungskraft bzw. "politischen Masse" ausgestattet sein, um das Projekt "E-Business" und die damit verbundenen unternehmenspolitischen Entscheidungen auch in den Gremien durchsetzen können. Problematisch dabei ist, dass Manager, die ausschließlich für E-Business-Aktivitäten verantwortlich sind, aus bestehenden und etablierten Strukturen quasi "herausgelöst" sind. Durch das ver-

Perspektiven des E-Business

27

gleichsweise oft geringe Volumen der E-Business Aktivitäten besitzen sie kaum Einfluss innerhalb der Organisation oder verlieren diesen. Neben diesem politischen Problem, das sich auf einzelne Manager bezieht, existiert ein weiteres: E-Commerce stellt für viele Konzerne nichts anderes als einen weiteren Vertriebskanal dar. Damit entstehen scheinbar oder tatsächlich - Kannibalisierungseffekte henden

Vertriebskanälen

und

den

oftmals

zwischen den bestezentral

organisierten

E-Commerce-Aktivitäten. Vertriebseinheiten haben daher wohl grundsätzlich kein Interesse an zentralen E-Business-Aktivitäten des Konzerns. Die zu erwartenden inneren Konflikte lähmten lange Zeit offensive Online-Initiativen der Konzerne. Barnes & Noble etwa stellte deshalb lange Zeit seine Online-Aktivitäten zurück. Schließlich bestehen auch komplexere Abhängigkeiten zum bestehenden Vertriebssystem. Es ist häufig gar nicht zweckmäßig, unabhängig von den Vertriebseinheiten eigene, zentrale Online-Aktivitäten zu entfalten. Die BfG Bank etwa hätte prinzipiell auch ein Online-Banking unabhängig von dem bestehenden Filialsystem aufbauen können, wie es z. B. zunächst die Deutsche Bank mit der Bank 24 getan hat. Der Start einer Online-Bank ist aber gerade bei der Gewinnung von Kunden über die Filiale wesentlich einfacher und kostengünstiger. Das Beispiel Media Markt zeigt, dass Online-Aktivitäten ohne das bestehende Filialnetz auch überhaupt nicht realisierbar sein können. Media Markt besitzt keine zentralen Warenlager und ist damit auf eine Auslieferung von Produkten durch die Filialen angewiesen. (3) Günstige Rahmenbedingungen für Start-Up-Unternehmen:

Vorteile

der Start-Ups im Markt werden in einem ersten Zugriff mit einem Blick auf die generellen Rahmenbedingungen sichtbar. So scheint die gegen23

wärtige Situation ein klassisches "window of opportunity" darzustellen. Am Anfang eines Lebenszyklus ist es einer gewissen Anzahl von neuen Firmen möglich, in dem neuen Marktsegment Fuß zu fassen. Gerade durch die angesprochenen besonderen Transformationsprobleme der klassischen Konzerne zum E-Business wurde die Entstehung einer Vielzahl Timmons (1995), S. 87ff.

28

Perspektiven des E-Business

von Start-Ups und die Nutzung des "Gelegenheitsfensters" begünstigt. Jenseits dieser generell günstigen Rahmenbedingungen gibt es insbesondere auf den Finanzmärkten Veränderungen, die die Entstehung und Entwicklung von Start-Ups begünstigt. So sind die Börsen wie Nasdaq und der Neue Markt für Start-Ups forderlich. Zum einen können so umfangreiche Kapitalmittel beschafft werden, zum anderen entstehen für Erstinvestoren und Gründer lukrative Exit-Strategien. Schließlich haben auch die damit in Verbindung stehenden Mitarbeiterbeteiligungen auf Basis von Aktien oder Aktienoptionen24 eine große motivationale Wirkung und hohe Attraktion für Führungs- und Fachkräfte aus etablierten Unternehmen.

25

(4) Organisatorische Vorteile von Start-Ups: Die organisatorischen Vorteile von Start-Ups liegen in ihrer Natur selbst begründet: Sie sind ex definitione relativ klein und besitzen damit flache Hierarchieebenen, die schnelle Entscheidungen erlauben. Ein geringer Formalisierungsgrad erlaubt unkonventionelle Maßnahmen. Auch müssen keine Interdependenzen zu anderen Geschäftseinheiten oder die strategische Grundausrichtung des Gesamtunternehmens berücksichtigt werden. Start-Ups betreiben nur ein Geschäft und sind selbst das Unternehmen! Jenseits dessen werden die strategischen Möglichkeiten von Start-Ups bei einer Untersuchung von konkreten Beispielen wie Netscape und Microsoft, Amazon und Barnes & Noble oder ToysRus und eToys sichtbar. Bei der Auseinandersetzung zwischen dem New-Comer Netscape und dem Softwareriesen Microsoft beispielsweise kommen drei Vorteile von Start-Ups zum Vorschein: Beweglichkeit, Flexibilität und Nutzung von 26

Hebelkräften. Netscape zeigte sich beweglich, als es als Erster den Markt für Browser erkannte, das Internet durch Downloads als Distributionssystem nutzte und ein innovatives Preisgestaltungsmuster mit der Vgl. auch den Beitrag von Ringlstetter/Brandenberg in diesem Buch. Vgl. auch den Beitrag von Sattelberger/Höllmüller in diesem Buch.

Perspektiven des E-Business

29

Überschrift "Kostenfrei, aber nicht umsonst" entwickelte. Damit konnte der Netscape-Browser 90 Tage kostenfrei genutzt werden. Auch wenn nicht alle Nutzer später zahlen würden, so gab Netscape dennoch mit seinem Browser den Marktstandard vor. Netscape zeigte sich weiter flexibel in der Reaktion gegenüber seinem Konkurrenten. Beispielsweise reagierte Netscape prompt auf Microsofts Ankündigung, dass Nutzer von IE 3.0 auf der Seite des Wall-Street-Journals einen besonderen Zugang haben würden. Netscape lieferte mit Inbox Direct interaktive Web-Seiten direkt an die E-Mail-Adresse von Nutzern. Damit konnte Netscape beim Wettbewerb in der Content-Arena mithalten. Schließlich hätte Netscape noch weitaus mehr Flexibilität zeigen können, indem es früher die Techniken von Microsoft in seine Software integriert und AOL gestattet hätte, seinen Code für eine kundengerechte Version des AOL-Browsers zur Verfügung zu stellen. Schließlich nutzte Netscape so genannte Hebelkräfte gegen Microsoft, deren Wirkung sich aufgrund seiner eigenen strategischen Grundausrichtung als besonders effektvoll erwiesen. Ältere MicrosoftProdukte wie Windows 3.1 waren nicht immer mit den neuen Browser von Microsoft, wohl aber mit denen von Netscape kompatibel. Auch nutzte Netscape die heterogene Computerlandschaft und die offene Technikwelt des Internets, wohingegen Microsoft basierend auf seiner Geschäftsphilosophie die Computerlandschaft zu Gunsten der eigenen Produkte vereinheitlichen und grundsätzlich seine Codes nicht preisgeben wollte.

3.2

Meta-Strukturen zur Unterstützung von Start-Ups

Aus den genannten Problemen etablierter Großunternehmen und den geschilderten Möglichkeiten von Start-Ups folgt noch nicht automatisch, dass der Wettbewerb bereits entschieden ist. Start-Ups leiden nämlich grundsätzlich an einer gewissen "Ressourcen-Armut". Diese stellt insbesondere deswegen ein Problem dar, weil "Speed" bzw. Schnelligkeit der

26

Vgl. hierzu Yoffie/Cusumano (1999), S. 72ff. Sie diskutieren den Wettstreit zwischen neuen und etablierten Unternehmen anhand einer so genannten Judo-Strategie.

30

Perspektiven des E-Business

entscheidende Wettbewerbs- und Erfolgsfaktor im E-Business ist. Ressourcen können also nicht langsam aufgebaut werden bzw. aus dem Unternehmen selber entstehen, wie es etwa durch Innenfinanzierung oder durch eigene Führungskräfte-Nachwuchsentwicklung denkbar wäre. StartUps müssen Ressourcen auf alternativen Wegen akquirieren. Dies bedeutet, dass sie diverse Unterstützung bei der Finanzierung, beim Management und beim Aufbau einer Infrastruktur benötigen. Hierzu können sich Start-Ups externer Einrichtungen bedienen, die gleichsam MetaStrukturen darstellen. Meta-Strukturen und deren Unterstützungsleistungen sind: • • •

Venture-Capital-Gesellschaften für die Finanzierung, Incubators fur das Management und strategische Partnerschaften für die Infrastruktur. 27

(1) Venture-Capital-Gesellschaften für die Finanzierung: Die Finanzierung der Start-Ups im E-Business erfolgt in der Regel auf Basis von Venture Capital (VC). Die European Venture Capital Association (EVCA) als Dachverband der europäischen VC-Industrie definiert Venture Capital im Zusammenhang mit Private Equity. Demnach ist Venture Capital "[...] a subset of private equity investments made for the launch, i28 early development or expansion of a business. Für Venture Capital werden auch die deutschen Begriffe Wagnis- und Risikokapital gebraucht. 29 VC-Gesellschaften fungieren intermediär zwischen (privaten) Kapitalgebern und den Start-Ups. Es wird angenommen, dass es über 200 VC-Gesellschaften in Deutschland gibt, die rund€ 13 Mrd. im Jahr 2000 investieren können, lediglich aber wohl nur € 8 Mrd. investieren werden. 30 Zu den bekannteren VC-Gesellschaften gehören z. B. Early Bird, Europe@Web, Transconnect und Atlas. Die VC-Gesellschaften stehen durch die wachsende Kapitaldecke unter erhöhtem Anlagedruck. Dieser 27

28 29 30

Vgl. auch den Beitrag von Sanktjohanser/Höllmüller in diesem Buch. EVCA (Hrsg., 1998), S 5. Für eine differenzierte Begriffsdiskussion vgl. Schween (1996), S. 14ff. Vgl. Mai (2000), S. 195.

Perspektiven des E-Business

31

wird noch dadurch verschärft, dass sich die Bewertung und damit die Preise von "Business-Plänen" im ersten Halbjahr 2000 drastisch reduziert haben. Es ist daher zu erwarten, dass trotz gewisser Ernüchterung die Position der Gründer stärker geworden ist. Im Rahmen der Finanzierung kommt den VC-Gesellschaften eine Reihe von generischen Aufgaben zu: 31 die Sammlung von Kapital (Fund Raising) und die Generierung bzw. Auswahl von Investitionsmöglichkeiten (Deal Flow bzw. Due Dilligence). Im Rahmen der Überwachung (Monitoring) kontrollieren die VC-Gesellschaften die Entwicklung des StartUps. Meist erhalten die VC-Gesellschaften auch einen oder mehrere Sitze im Aufsichtsrat. Eine entscheidende Bedeutung bei diesen Aufgaben ist die Prüfung der Wertigkeit von Investitionsmöglichkeiten (Due Dilligence), an der Konzerne oftmals scheitern. Entscheidende Prüfkriterien sind einerseits die Idee und der Business-Plan. Andererseits ist aber durch das hohe Maß an Unsicherheit, die dem Geschäftsplan anhaftet, das Management-Team 32

das ausschlaggebende Kriterium.

Im Laufe der letzten Jahre hat eine

Verschiebung der Bedeutung dieser Kriterien bei Venture-Capital-Gebern zur Beurteilung von Start-Up-Vorhaben stattgefunden. Stand früher die eigentliche Idee im Vordergrund, hat sich insbesondere im E-Business die relative Bedeutung zu Gunsten eines hoch qualifizierten Teams verschoben. Für die Verschiebung der relativen Bedeutung ist bestimmend, dass für Geschäfte im E-Business eine Vielzahl von Ideen und mittlerweile auch Business-Plänen existieren. Durch die Vielzahl von neuen Geschäftsmöglichkeiten, die das Internet bietet, sowie die Übertragung klassischer Business-Ideen auf das E-Business können Kapitalgeber gleichsam aus einem unerschöpflichen Pool an Ideen auswählen. Die Selektion Vgl. Albach/Hundsdiek/Kokulj (1986), S. 168ff, Silver (1985) und Zemke (1998), S. 18. In diesem Zusammenhang konstatierte der Venture Capital Pionier Arthur Rock: "Good ideas and good products are a dime a dozen. Good execution and good management - in a word, good people - are rare. (...) I see the plan as really an opportuniy to evaluate the people. I look at a person's

32

Perspektiven des E-Business

der Ideen ist aber zum einen aufgrund der Vielzahl an Ideen, zum anderen aufgrund der schwierigen Beurteilbarkeit (gerade zu Beginn der InternetÄra Anfang der 90er-Jahre) nur sehr bedingt möglich. Die primären Informationen von Ideen sind oft unzureichend für eine adäquate Erfolgs33

einschätzung.

Zu unsicheren Informationen zählen u. a. die auf der Ge-

schäftsidee basierenden Annahmen, die darauf aufbauenden Argumentationsketten und die Vergleichbarkeit von (Nicht-)Erfolgen der Idee in Pionierländern. Gerade bei sehr innovativen Ideen ist die Beurteilung auf Basis der angedeuteten Informationlage kaum möglich. Durch einen Rückgriff auf die Ideenlieferanten und damit auf sekundäre Informationen, werden solche Informations- und Beurteilungsprobleme auf einem alternativen Weg gehandhabt. Ganz allgemein lassen sich drei Gründe für die zentrale Rolle des Managements bei der Ideenbewertung nennen: •

Eintreten des Management für die eigene Idee: Mit der Notwendigkeit, die eigene Idee auch selber umzusetzen, werden eigene Ressourcen eingebracht, die einer Investition gleichkommen. VentureCapital-Gebern werden so prinzipiell eher solche Ideen präsentiert, von deren Erfolg das Management selbst überzeugt ist. Mit dem persönlichen Einsatz ist auch die höhere Wahrscheinlichkeit eines langfristigen Commitments und einer mit Nachdruck forcierten Umsetzung verbunden.



Bereitstellung

von Management-Kapazität:

Das Eintreten für die

eigene Idee hat den Vorteil, dass Management-Kapazitäten nur bedingt neu gesucht werden müssen. Gegen Ende der 90er-Jahre sind durch die Vielzahl von (Internet-)Start-Ups gerade Ressourcen bei Management und Technik rar und teuer geworden. •

Bereitstellung von Management-Kompetenz:

Durch besondere Sta-

tionen im Lebenslauf und erfolgreiche Projekte (sekundäre Informationen über das Management) verweist das Management-Team

motivation, commitment, and energy, his character, his fibre." (Rock 1987, S. 63). Primäres Wissen stützt Ideen kraft ihrer Logik. Sekundäres Wissen verweist auf die Ideenlieferanten. Vgl. Kirsch (1996), S. 85ff.

Perspektiven des E-Business

33

auf seine Positionierung im Markt fur Manager und auf seine Reputation als Ideenlieferant.34 Darüber hinaus signalisiert es den Kapitalgebern seine Fähigkeiten, den Durchsetzungswillen und das notwendige Durchhalte vermögen. Im Anschluss an die grundsätzliche Entscheidung wird die Investmentphase mit der Vereinbarung der Bedingungen der Beteiligung abgeschlossen (Terms and Conditions). Von herausragender Bedeutung sind hier neben der Bewertung Art, Höhe und Zeitpunkt der Kapitalbeteiligung, die vertraglichen Rechte und Pflichten beider Seiten sowie die Kontroll- und Mitbestimmungsvereinbarungen.

Early Stage

Expansion

Desinvestition

Seed

Start-Up

First Stage Second Stage Third Stage

Bridge

Exit

Grundlagenentwicklung, Protoyp, Business Plan

Untemehmensgründung, Entwicklung zur Marktreife, Marketingkonzept

Rapides Wachstum, Ausbau der Kapazitäten, des Vertriebs, der Services

Vorbereitung des Exits, insb. IPO

IPO, Trade Sale, Buy Back, MBO, MBI

Abb. 4:

Markteinführung

Marktdurchdringung, Expansion ins Ausland

Stufen der Venture-Capital-Finanzierung (Quelle: in Anlehnung an Merkle 1984, S. 1061)

Die bisherigen Bewertungsüberlegungen gelten insbesondere für das frühe Entwicklungsstadium eines Start-Ups. Neben den damit zusammenhängenden Investitionen sind noch weitere Finanzierungsphasen zu berücksichtigen. Die in Abbildung 4 dargestellten Phasen sind dabei als idealtypisch zu verstehen. Bei der tatsächlichen Finanzierung werden in einzelnen Finanzierungsrunden meist mehrere dieser Phasen zusammengefasst.

Die Reputation von Vertragspartnern ist eine Möglichkeit der Problembegrenzung im Rahmen der "Hidden Characteristics". Vgl. Picot/Dietl/ Franck (1997), S. 88. Reputation wirkt wie ein Pfand. Vgl. Spreemann (1988), S. 619.

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Perspektiven des E-Business

Die gestufte Finanzierung bzw. die Finanzierung durch mehrere Finanzierungsrunden bietet für VC-Gesellschaft und Start-Up mehrere Vorteile. Die VC-Gesellschaft vermindert das Risiko hoher Investitionsausfälle. Weitere Finanzmittel werden nur dann bewilligt, wenn die Geschäftsidee am Markt erste Erfolge zeigt bzw. Meilensteine erreicht werden. Investitionsmittel werden nur in Höhe des benötigten Kapitalbedarfs ausgegeben; "Verschwendung" ist damit kaum möglich. Auch aus der Sicht des Gründerteams bietet die gestufte Finanzierung Vorteile. Mit der Finanzierung ist immer auch der Erwerb von Anteilen am Start-Up verbunden. Diese Anteile werden nun mit zunehmendem Geschäftserfolg wertvoller. Mit jeder Finanzierungsrunde verbessert sich (idealerweise) die Bewertung und so das Verhältnis von abgegebenen Unternehmensanteilen und einbezahlten Finanzierungsmitteln. Abgeschlossen wird die Investition der VC-Gesellschaften in das Start-Up durch das Desinvestment. Für den Ausstieg stehen alternative Exit-Strategien zu Verfügung. Als vorteilhaftestes Exit wird meist ein Initial Public Offering (IPO), die öffentliche Erstplatzierung an einer Börse, gesehen. 35 (2) Incubators für das Management: Die Kapitalbeteiligung bildet den Kern der Beziehung zwischen VC-Gesellschaft und Start-Up. Da "Speed" im E-Business ein wichtiges Erfolgskriterium ist, betreuen viele VCGesellschaften ihre Investitionsobjekte nicht nur in finanzieller Hinsicht. Sie treten als so genannter Incubator (dt.: Ausbrüter oder Brutkasten) auf. In dieser Form unterstützen sie die Start-Ups weit über das übliche Maß der Betreuung im Sinne des Monitoring. Incubators übernehmen operative Management-Aufgaben, wie z. B. Marketing, Technologieentwicklung oder die Beschaffung weiteren Personals. Dadurch kann das Start-Up auf

Vgl. auch den Beitrag von Pfender/Pölert in diesem Buch. Vgl. Perez (1986), S. 142. Andere Möglichkeiten eines Exit sind der Verkauf an ein anderes Unternehmen (Trade Sale), an die Altgesellschafter (Buy Back), an die Manager des Start-Ups (Management Buy Out) oder an eine externe Manager, die das Unternehmen weiterfuhren möchten (Management Buy In).

Perspektiven des E-Business

35

die Erfahrungen, das betriebswirtschaftliche und technische Wissen, die Reputation und die Kontakte der VC-Gesellschaft im täglichen Geschäft zurückgreifen. Zur Veranschaulichung der Funktion von Incubators oder auch Accelerators dient die Metapher des Rennwagens. Das Start-Up fährt in die Boxengasse und wird dort in kürzester Zeit zu einem Formel 1 Wagen aufgerüstet. (3) Strategische Partnerschaften fiir die Infrastruktur: Die Start-Ups werden von den VC-Gesellschaften durch Finanzmittel und von Incubators durch Management Know-how unterstützt. Start-Ups stehen darüber hinaus vor einem weiteren Ressourcenproblem. Mit diesen Ressourcen sind alle Bestandteile einer Infrastruktur wie Technik, Auslieferungslogistik oder Zugang zu Waren gemeint. Es ist nicht ausreichend Zeit vorhanden, teilweise stehen auch nicht ausreichend Finanzmittel zur Verfugung, um all diese Ressourcen eigenständig zu erschließen. Aus diesen Gründen werden strategische Partnerschaften geschlossen, die beim Aufbau und der Erschließung der Infrastruktur behilflich sein sollen. Die strategischen Partner stellen Leistungen wie IT-Technik, Datenbank-Lizenzen, Logistik, Werbefläche oder Content umsonst oder zu günstigen Konditionen zur Verfügung. Im Gegenzug erhalten die Partner meist Anteile am Start-UpUnternehmen.

3.3

Integration von E-Business Aktivitäten in Konzerne

Die genannten Meta-Strukturen spielen offensichtlich eine wichtige Rolle in der Entwicklung des E-Business. Und diese Meta-Strukturen sind es, die die etablierten Großunternehmen und Konzerne wieder ins Spiel bringen. Denn bei entsprechender Ausrichtung können auch Konzerne Funktionen von Meta-Strukturen übernehmen. Über diesen Umweg überwinden die Konzerne die genannten Barrieren und integrieren E-Business Aktivitäten in ihr Portfolio. Darüber hinaus besteht freilich die Möglichkeit, durch eigenständige Aktivitäten ins E-Business einzusteigen. Medienkonzerne sind von den Entwicklungen im E-Business besonders betroffen und daher für eine

Perspektiven des E-Business

36

genauere Betrachtung der strukturellen Auswirkungen besonders interessant. 3 6 Bei einer Analyse von 33 Medienunternehmen zeigte sich ein klarer Trend in Richtung eigenständiger, zentraler Internet-Bereiche ab. Ca. 58% der befragten Medienunternehmen hatten 1999 bereits einen separaten Internet-Bereich (Abbildung 5).

Abb. 5:

Entwicklungstrend zu zentralen Internet-Bereichen

Rund ein Drittel der zentralen Bereiche sind als Vorstandsressort ausgestaltet. Knapp die Hälfte dieser Bereiche betreibt nicht nur eigenständig E-Business, sondern ist auch als Serviceprovider für die etablierten Geschäftsbereiche tätig. Neben der strukturellen Einbindung bestehen mindestens drei Strategien für Konzerne, E-Business-Aktivitäten aufzunehmen: • •

Roll-out des Produkt-Markt-Programms ins E-Business, Nutzung von E-Business-Konzepten für die Stärkung einzelner Wertschöpfungsbereiche und



Kapitalbeteiligungen an dritten E-Business-Unternehmen.

(1) Roll-out

des Produkt-Markt-Programms

ins E-Business:

Von einem

Roll-out des Produkt-Markt-Programms kann dann gesprochen werden,

Vgl. auch den Beitrag von Vizjak/Brack/Hoffmeister in diesem Buch.

37

Perspektiven des E-Business

wenn das Leistungsspektrum auf das E-Business übertragen wird. Für das komplette Angebot über das Internet eignen sich zwangsläufig nur digitalisierbare Produkte. Tageszeitungen wie die Süddeutsche, Zeitschriften wie Spiegel und Fokus, Radiosender oder Nachrichtenagenturen wie Reuters können einen solchen Roll-out vornehmen. Auch bei Banken wie der BfG Bank oder der Deutschen Bank 24, die eine Hybridstrategie (Filial- und Online-Geschäft) verfolgen, kann von einem solchen ProduktMarkt-Roll-out gesprochen werden. Freilich wird dieser Roll-out meist nicht genau spiegelbildlich das Offline-Produkt widergeben, sondern internetspezifisch angepasst. Der Roll-out kann zwar prinzipiell innerhalb der bestehenden Einheiten erfolgen. Aus oben genannten Gründen ist es aber oftmals notwendig und zweckmäßig, wirklich eigenständige Gesellschaften mit eigener "governance structure" zu entwickeln, so dass es diesen möglich ist, sich der "Schwerkraft" des Stammgeschäftes zu entziehen. Bertelsmann bzw. Commerzbank gründeten dementsprechend mit BOL bzw. comdirekt neue, eigenständige Einheiten.

(2) Nutzung des E-Business zur Stärkung einzelner Wertschöpfungsbereiche: Eine Vielzahl von Produkten ist nicht digitalisierbar, oder die Wertschöpfungskette ist nicht vollständig über das Internet abbildbar. Hierzu zählen Dienstleistungen, Sach- oder Investitionsgüter. In solchen Fällen können sich Unternehmen das Internet für die Stärkung einzelner Wertschöpfungsbereiche nutzen. So richtete die Deutsche Lufthansa den In37

foflyway für den Direktvertrieb von Tickets ein. Bei UPS kann man permanent den Status seiner aufgegebenen Fracht verfolgen. Wie schon weiter oben beschrieben, können Unternehmen das Internet auch zum Einkauf nutzen oder einzelne Informationen oder zusätzliche ProduktServices nutzen. Die Integration des E-Business in die Aktivitäten eines Konzerns durch die Nutzung einzelner Wertschöpfungsbereiche muss unter Umständen durch besondere Maßnahmen flankiert werden. Das Beispiel der Kannibalisierungseffekte im Vertrieb zeigt, dass Ausgleiche bzw. Anreize Vgl. auch den Beitrag von Schlüter/Resch in diesem Buch.

38

Perspektiven des E-Business

geschaffen werden müssen, um Konflikte zu vermeiden. Grundsätzlich gibt es dafür zwei Möglichkeiten, die durchaus miteinander kombiniert werden können. Die Online-Umsätze werden zunächst gemäß der regionalen Herkunft der Bestellung auf die Filialen zugerechnet. Bei der Buchung eines Fluges über Flugbörse.de etwa muss der Nutzer sich ein ihn betreuendes und damit meist nahe gelegenes Verkaufsbüro auswählen. Konzernintern kann darüber hinaus eine Verrechnung i. S. e. "doppelten Budgetierung" vorgenommen werden. Dies bedeutet, dass der Umsatz einerseits der Filiale, andererseits der zentralen Online-Einheit zugerechnet wird. Damit werden die Online-Geschäftstätigkeiten in beiden Einheiten des Konzerns erfolgswirksam verbucht. (3) Kapitalbeteiligungen an dritten E-Business Unternehmen: Gänzlich unabhängig von der Organisation der vorhandenen Wertschöpfung ist es auch möglich, sich auf Basis einer Kapitalbeteiligung an bestehenden Unternehmen einen Zugang zum E-Business zu verschaffen. Konzerne können so weitaus schneller in ganz neue Geschäftsfelder investieren. Eine exemplarische Kapitalbeteiligungen ist die der Schmidtbank bei ConSors. Kapitalbeteiligungen können auch einen strategischen Hintergrund haben. So hat die französische Einzelhandelskette Casino 10% von VitaGO übernommen und sich damit einen Vertriebsweg über das Internet für einen Teil des Produktsortiments geschaffen. Einige Konzerne professionalisieren die Form der Kapitalbeteiligung und gründen eigene VCGesellschaften. Dieses macht etwa die Deutsche Telekom mit T-Venture oder General Electric mit GE-Capital, die freilich auch in ganz andere Geschäfte investieren.

4.

SCHLUSS: E - , M - , B - ODER DOCH S-BUSINESS?

Die vorliegende Diskussion hat die Konvergenzthese zum Ausgangspunkt der Überlegung genommen. Es wurde davon ausgegangen, dass E-Business neue Charakteristika aufweist, die nicht unbedingt aus der Konvergenz von Branchen erschlossen bzw. verstanden werden können. Zunächst wurde daher das eigentliche E-Business segmentiert. Das Seg-

Perspektiven des E-Business

39

ment E-Commerce wurde daraufhin genauer analysiert. Dabei stellte sich heraus, dass die E-Commerce-Geschäftsmodelle eine Verbindung zu klassischen Geschäftsmodellen aufweisen, aber in einzelnen Bestandteilen von hoher Innovation geprägt sind. Schließlich wurde eine eigene Geschäftslogik auf Basis des Community-Gedankes herausgestellt. Diese Geschäftslogik mündet in die drei zentralen Kenngrößen Unique Visitors, Visits und Page Impressions, die die Ausschöpfung des Geschäftspotenzials bestimmen. Roll-out, Content, B2B und B2E sowie brick and click sind die aktuellen Trends, die zur Realisierung der Potenziale im Internet beitragen. Auch hier zeigt sich, wie wenig E-Business mit konvergierenden Branchen zu tun hat. Oder würde jemand der Telekom empfehlen, mehr "Content" ins Programm zu nehmen? In der organisatorischen Perspektive zeigt sich, dass E-Business besonders vom Phänomen "Start-Up" geprägt ist. Ursachen dafür sind die Transformationsprobleme der etablierten Konzerne, günstige Rahmenbedingungen für und organisatorische Vorteile von Start-Ups. Dennoch müssen Start-Ups gerade wegen ihrer nahezu notorischen RessourcenArmut und dem zentralen Erfolgsfaktor "Speed" durch Meta-Strukturen wie VC-Gesellschaften, Incubators oder Strategische Partner unterstützt werden. Über den Umweg dieser Meta-Strukturen kommen etablierte Großunternehmen dann wieder ins Blickfeld und wohl auch ins Geschäft. Soweit die aktuelle Situation in der Mitte des Jahres 2000. Einige Stimmen sprechen im Zusammenhang mit dem E-Business von einer fundamentalen Transformation der Wirtschaft, mit dem ein ungeahnter Produktivitätsfortschritt verbunden ist. Für andere ist E-Business eine Art Mode oder Strohfeuer. Die New Economy wird bei letztgenannten schnell zur "Bubble Economy". Um die Argumentation etwas reichhaltiger zu machen, ist es zweckmäßig, die Perspektive der Finanzmärkte zu nutzen. Dabei ist zunächst interessant, dass die Finanzmärkte zwar auch bei Unternehmen der so genannten "Old Economy" deren zukünftige Erfolgsaussichten mit in die Bewertung einbeziehen. Wesentlich sind aber auch Erfolge der Vergangenheit (Kurs-Gewinn-Verhältnis!). Da die fundamentalen Daten wie Gewinn oder Cashflow in der New Economy meist nicht sehr aussagekräftig bzw. nicht vorhanden sind, werden in sehr starkem

Perspektiven des E-Business

40

Maß potenzialorientierte Kennziffern wie z. B. Unique Visitors oder Page Impressions als Bewertungskriterien herangezogen, auf deren Basis man fundamentale Erfolge zu prognostizieren versucht. Trotz der anfänglichen Skepsis, geäußert z. B. von Finanzexperten wie Alan

Greenspan,

investierten

die Aktionäre

in

Unternehmen

des

E-Business. Zunächst resultierten daraus außergewöhnliche Kurszuwächse und Marktkapitalisierungen. Im Frühjahr 2000 ließ die Wertschätzung und damit die Euphorie der Aktionäre deutlich nach. Der Einbruch der Aktienkurse kann zwei Ursachen haben. Entweder wird das erwartete Marktpotenzial des E-Business tatsächlich geringer eingeschätzt als früher, oder aber es wurden spektakuläre Pleiten, wie beispielsweise der Fall Boo.com, auf das gesamte E-Business "hochgerechnet". Dabei könnte es sein, dass im Einzelfall gar nicht mangelnde Marktpotenziale das Problem, sondern Missmanagement die Ursache sind. Ein Phänomen, das ja auch aus der Old Economy wohl bekannt ist. Eine Erklärung könnte schließlich auch darin liegen, dass Investoren wie z. B. VC-Gesellschaften nun auch "Systemschwächen" zeigen. Beispielsweise könnten deren interne Finanzierungsmechanismen dazu fuhren, dass kleine Bewertungsschwankungen plötzlich zu größeren Kurseinbrüchen fuhren. Dieses Phänomen ist auch klassischen Börsensegmenten bekannt, wo beispielsweise automatische Verkaufsprogramme aus relativ kleinen Kursveränderungen eine regelrechte Baisse verursachen können. Es bleibt damit zunächst offen, inwieweit die New Economy tief greifende Auswirkungen hat bzw. ob eine Art Rückbesinnung auf die (Bewertungsregeln der) Old Economy stattfindet. Dass die gegenwärtig über das Internet verschickte Persiflage zum S-Business einmal Wirklichkeit wird, bezweifeln sogar die Verfasser dieses Beitrages. Trotzdem ist sie amüsant zu lesen (Abbildung 5). Sicher ist vorerst, dass die meisten Unternehmen der New Economy trotz Kursrückgängen noch immer eine beträchtliche Marktkapitalisierung aufweisen. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, was primär durch die "Entdeckung" des E-Business geschaffen wurde: die Bereitschaft, StartUps zu gründen, und die alimentierenden Meta-Strukturen. Diese Errungenschaften werden bereits für die neueren Entwicklungen wie das M-

Perspektiven des E-Business

41

Business (Mobile Business) und das B-Business (Gen- und Biotechnologie) genutzt. They're calling it shops or "S-Commerce" and it's being rolled out in cities and towns nationwide. "It's a real revelation," according to Malcolm Fosbury, a middleware engineer from Hillingdon. "You just walk into one of these shops and they haveall sorts of things for sale." Fosbury was particular impressed by a clothes shop he discovered while browsing in central London. "Shops seem to be the ideal medium for transactions of this type. I can actually try out a jacket and see if it fits me. Then I can visualize the way I would look if I was wearing the clothing." This is possible usinga high definition 2D viewing system, or "mirror" as it has become known. Shops, which are frequently aggregated into shopping portals or "high streeti', are becoming increasingly popular with the cash-rich time-poor generation of new consumers. Often located indensely populated areas people can find them extremely convenient. And Malcolm is not alone in being impressed by shops. "Some days I just don't have the time to download huge Flash animations of rotating trainers and then wait five days for them to be delivered in the hope that they will actually fit," says Sandra Bailey, a systems analyst from Chelsea "This way I can actually complete the transaction in real time and walk away with the goods" Being able see whether or not shoes and clothing fit has been a real bonus for Bailey, "I used to spend my evenings boxing up gear to return. Sometimes the clothes didn't fit, sometimes they just sent the wrong stuff." Shops have a compelling commercial story to tell too, according to Gartner Group retail analyst Carl Baker. "There are massive efficiencies in the supply chain. By concentrating distribution to a series ofhigh volume outlets in urban centres-typically close to where people live and work-businesses can make dramatic savings in fulfillment costs. Just compare this with the wasteful practise of delivering items piecemeal to people's homes." Furthermore, allowing consumers to receive goods when they actually want them could mean an end to the frustration of returning home to find a despatch notice telling you that your goods are waiting in a delivery depot the other side of town But it's not just the convenience and time-saving that appealsto Fosbury, "Visiting a shop is real relief for me. I mean as it is I spend all day in front of a f*king computer." Abb. 6:

Persiflage zum S-Business (Quelle: Spam-Mail im Frühjahr

2000)

42

Perspektiven des E-Business

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Perspektiven des E-Business

43

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44

Perspektiven des E-Business

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2 . EIGNUNG VERSCHIEDENER PRODUKTE UND LEISTUNGEN FÜR E - C O M M E R C E

Arnd Pölert

1.

2.

3.

E-COMMERCE ALS NETZWERKPHÄNOMEN

47

1.1

Technologische Entwicklung

48

1.2

Gesellschaftliche Entwicklung

48

DIE PRODUKTSPEZIFISCHE EIGNUNG VON LEISTUNGEN FÜR EINE ONLINE-ABWICKLUNG

50

2.1

Anbahnungs- und Verhandlungsphase

52

2.2

Vertragsphase

54

2.3

Produktionsphase

56

2.4

Abwicklungsphase

56

2.5

Gesamtbetrachtung

57

AUSBLICK

59

Eignung verschiedener Produkte und Leistungen für E-Commerce

1.

47

E - C O M M E R C E ALS NETZWERKPHÄNOMEN

E-Commerce verzeichnet in vielen Branchen einen steigenden Anteil am Gesamtumsatz und es wird allgemein angenommen, dass sich dieser Trend in den nächsten Jahren exponentiell fortsetzen wird. Eine Studie von Deloitte Research (1999)1 prognostiziert einen Anstieg des weltweiten E-Commerce-Umsatzvolumens bis zum Jahr 2002 auf 1.234 Mrd. US$ (vgl. Abb. 1). 1.400

1.234

1.200 1.000 717

800 600 377

400 180

200 0 0 1995 Abb. 1:

3

22

1996

1997

74

El

1998

1999

Ì

2000

2001

2002

E-Commerce Umsätze in Mrd. US$ weltweit (Quelle: o. V. 1999a)

Basierend auf einer IT-Infrastruktur unterliegt E-Commerce den typischen selbstverstärkenden Netzwerkeffekten. Je besser das Netz technologisch funktioniert, desto mehr Nutzer sind an einer Teilnahme interessiert. Eine steigende Nutzerzahl fuhrt - insbesondere in dezentral organisierten Netzwerken wie dem Internet - wiederum zu einem forcierten Ausbau der technischen Infrastruktur. Die Gründe für eine starke E-Commerce

Vgl. o.V. (1999a), S. 2.

48

Eignung verschiedener Produkte und Leistungen für E-Commerce

Zunahme können daher vorrangig in zwei voneinander abhängigen Entwicklungen gesehen werden: • •

1.1

technologische Entwicklung bzw. Nutzbarkeit (1.1), gesellschaftliche Entwicklung bzw. Nutzungsbereitschaft (1.2).

Technologische Entwicklung

Die technologische Entwicklung hat heute sowohl im Informations- als auch im Kommunikationsbereich einen Stand erreicht, der eine OnlineAbwicklung von Bankgeschäften fördert. Stellt die Verfügbarkeit von Datenleitungen in Deutschland schon lange kein Problem mehr da, begünstigen heute auch die übermittelbaren Datenvolumina aufgrund neuer Technologien wie UMTS oder ADSL in Verbindung mit sinkenden Datenübertragungspreisen durch die Liberalisierung des Telefonmarktes die Nutzung von E-Commerce-Angeboten speziell durch private Haushalte. Hinzu kommt, dass der Entwicklungsstand der relevanten elektronischen Medien wie Internet oder Handy eine ausreichende Basis für die Abwicklung von Bankgeschäften darstellt. Auch die Leistungsfähigkeit der Software-Programmierung gestattet inzwischen die Realisierung der notwendigen Anwendungen zur Abwicklung komplexer Angebote. Unterstützt wird dies durch die Fortschritte im Setzen von Transaktions- und Sicherheitsstandards wie SET2 oder HBCI3.

1.2

Gesellschaftliche Entwicklung

Im Rahmen der gesellschaftlichen Entwicklung zeigen die Menschen zunehmendes Interesse an Online-Medien. EITO4 schätzt die Anzahl der Internet-Nutzer in Deutschland im Jahr 1999 auf ca. 9,4 Millionen und rechnet mit einem Anstieg um ca. 110% auf fast 19,9 Millionen Nutzer in 2 3

4

Secure Electronic Transaction. Home Banking Computer Interface. European Information Technology Observatory.

Eignung verschiedener Produkte und Leistungen für E-Commerce

49

nur drei Jahren bis zum Jahr 2002.5 Infratest Burke spricht in ihrer neuesten Studie sogar von 15,4 Millionen Nutzern in 1999.6 Daneben weisen Studien auf ein starkes Wachstum in der notwendigen Ausstattung mit PCs und Online-Anschlüssen hin. Einer internen Studie der NetBank zufolge wird sich der Verbreitungsgrad von PCs von 25% in 1997 auf 60% in 2010 erhöhen. Damit wäre zu diesem Zeitpunkt mit 32 Mio. n

Online-Nutzern zu rechnen. So kann allgemein von steigenden Nutzerzahlen für Electronic Commerce ausgegangen werden. Dieses Potential wird auch durch eine bankspezifische Umfrage des Hamburger Web-Research-Unternehmens Fittkau & Maaß bestätigt, in der 71,9% der Befragten eine grundsätzliche Bereitschaft zur Nutzung von OnlineBanking-Angeboten erkennen ließen. Neben den eben betrachteten externen Trends sind die Eigenschaften bestimmter Leistungen an sich vorrangig als Einflussgrößen auf das E-Commerce-Marktpotential eines Produktes oder einer Dienstleistung anzusehen. Im Folgenden wird daher die Prognose für die Entwicklung des E-Commerce-Marktes differenzierter betrachtet. Hierzu wird untersucht, inwiefern sich der empirisch beobachtete generelle positive E-Commerce-Trend bezogen auf bestimmte Produkte und Dienstleistungen anhand spezifischer Eigenschaften dieser Leistungen auch logisch deduktiv stützen lässt. Ein solchermaßen ex post gefundener Erklärungsansatz würde dann ermöglichen, die zukünftige Entwicklung des E-Commerce-Marktes und seiner diversen Spielarten präziser einzuschätzen.

Vgl. Matuschek (1999), S. 1. Vgl. o.V. (1999b), S. 1. Vgl. Petzel (1999), o. S. o.V. (1999c), S.l.

50

2.

Eignung verschiedener Produkte und Leistungen für E-Commerce

D I E PRODUKTSPEZIFISCHE EIGNUNG VON LEISTUNGEN FÜR EINE ONLINE-ABWICKLUNG

Um das Potential der "New-Economy"-Vertriebswege als vollwertige Ergänzung zum traditionellen "01d-Economy"-Geschäft fundiert prognostizieren zu können, gilt es zunächst zu untersuchen, inwiefern bestimmte Leistungen aufgrund ihrer spezifischen Eigenschaften zum Vertrieb über Online-Medien geeignet sind. Wären bestimmte Geschäfte für eine Online-Abwicklung besonders geeignet, würde das ein starkes Wachstum dieser Sektoren erwarten lassen. Als wissenschaftlich fundiertes Analyseinstrument wird bei dieser Untersuchung auf Grundüberlegungen des Transaktionskostenansatzes zurückgegriffen, welcher eine Transaktion in die Phasen Anbahnung, Q

Vereinbarung, Abwicklung, Kontrolle und Anpassung differenziert. Bei der hier vorzunehmenden Untersuchung bestimmter Leistungen auf ihre Eignung für eine Online-Abwicklung geht es allerdings nicht um die Wahl der günstigsten rechtlichen Vereinbarungsform, sondern um die Frage nach der Eignung eines technologisch differierenden Abwicklungskanals. Daher sind einige Unterscheidungen zu treffen, welche in einer veränderten Abgrenzung der Transaktionsphasen resultieren. Zunächst wird die Phase der Produktion in die Überlegungen einbezogen, da eine Online-Abwicklung die Produktionskosten des Unternehmens beeinflussen kann.10 Weiterhin wird der Güteraustausch Durch die Basisannahme, dass das Verhalten der Transaktionspartner durch begrenzte Rationalität und Opportunismus gekennzeichnet ist, haben die Umweltmerkmale Unsicherheit, Spezifität, strategische Bedeutung und Häufigkeit der Transaktion einen Einfluss auf die in den einzelnen Phasen anfallenden Kosten. Die Wahl der spezifisch kostengünstigsten Transaktionsform zwischen den Extremen Markt und Hierarchie ist mithin durch die spezifische Kombination von Umweltmerkmalen bestimmt. Für eine umfassende Darstellung der Transaktionskostentheorie vgl. u.a. Fischer (1994), S. 582ff, Picot (1982), S. 267ff., Picot (1985), S. 224f., Picot/Dietl/Frank (1997), S. 66ff., Picot/Dietl (1990), S. 178ff und Williamson (1979). In der Transaktionskostentheorie bleibt diese ausgeklammert, da dort davon ausgegangen wird, dass Produktionskosten gegenüber einer

51

Eignung verschiedener Produkte und Leistungen für E-Commerce

neu eingeführt und logisch im Bereich Abwicklung verortet.11 Schließlich 12

werden die Phasen Kontrolle und Anpassung vernachlässigt. Zur Lösung des vorliegenden Entscheidungsproblems ist es daher sinnvoll, sich auf die vier in der rechten Spalte der Abb. 2 dargestellten Phasen (1) Anbahnung und Verhandlung, (2) Vertragsschluss, (3) Produktion und (4) Abwicklung zu konzentrieren. Grundsätzlich besteht in allen vier Phasen die Möglichkeit der Kosteneinsparung durch eine Online-Abwicklung. Für das Unternehmen resultiert diese während der Transaktionsphasen aus der Möglichkeit, Personal und Sachkosten zu sparen, während der Kunde primär von der Nivellierung geographischer Distanzen und eingeschränkter Öffnungszeiten profitiert. In der Produktionsphase profitiert das Unternehmen von der Vermeidung redundanter Dateneingaben durch Integration des Kunden in den Produktionsprozess. Gemäß einer Untersuchung der Unternehmensberatung Booz • Allen & Hamilton in den USA betragen z. B. bei Banken die Kosten einer durchschnittlichen Zahlungstransaktion über das Internet 0,19 DM oder weniger. Dem stehen im Vergleich 0,39 DM für PC-Banking-Dienste mit der bankeigenen

Veränderung der Transaktionsform invariant seien. Diese Annahme muss erfolgen um die Erklärbarkeit des Zustandekommens eines bestimmten institutionellen Arrangements allein durch die Transaktionskosten zu ermöglichen (vgl. Picot 1985, S. 224). Sie ist auch legitim, weil die Produktion von der Art der juristischen Vereinbarung zunächst tatsächlich nicht betroffen ist. Die Transaktionskostentheorie versteht unter Transaktion nicht den stattfindenden Güteraustausch sondern die davon logisch zu trennende Übertragung von Verfügungsrechten. Daher wird der Güteraustausch dort nicht explizit betrachtet. In der vorliegenden Untersuchung stehen als Transaktionsform jedoch keine rechtlichen Arrangements sondern Distributionskanäle zur Disposition, welche die explizite Betrachtung des Güteraustausches erforderlich machen. Dies kann erfolgen, weil davon auszugehen ist, dass die Phasen der Kontrolle und Anpassung als interne Prozesse unabhängig vom Distributionsmedium sind und infolgedessen auch bei unterschiedlichen Abwicklungskanälen identisch gehandhabt werden.

52

Eignung verschiedener Produkte und Leistungen für E-Commerce

Software und 0,79 DM für Telefon-Banking sowie 1,56 DM für FilialBanking gegenüber.13 Entscheidung In Bezug auf HierarchischeKoordination vs. Marktliche Koordination

Abb. 2:

Betrachtete verschiedener Abwicklung

Online-Abwicklung vs. Filialabwicklung

Transaktionsphasen bei der Leistungen auf ihre Eignung für

Untersuchung eine Online-

Die Feststellung, dass eine Online-Abwicklung sowohl auf Unternehmens- als auch auf Kundenseite Kostensenkungspotentiale birgt, trifft heute auf einen breiten Konsens und wird daher hier auch nicht thematisiert. Die hier zu untersuchende Frage ist jedoch, inwiefern bestimmte Leistungen ausreichend gut für eine Online-Abwicklung geeignet sind, um damit auch die vorhandenen Kostensenkungspotentiale zu realisieren. Dazu wird im Folgenden die Möglichkeit der OnlineAbwicklung in den einzelnen Transaktionsphasen untersucht.

2.1

Anbahnungs- und Verhandlungsphase

In der Phase der Anbahnung und Verhandlung geht es für beide Vertragspartner um die Beschaffung von Informationen und Aushandlung von vertraglichen Bedingungen. Es muss davon ausgegangen werden, dass Online-Angebote grundsätzlich keine oder bestenfalls eingeschränkte Intelligenz besitzen und der Informationsbedarf daher über diese Medien Vgl. o.V. (1997), S. 6.

Eignung verschiedener Produkte und Leistungen für E-Commerce

53

grundsätzlich weniger situationsspezifisch erhoben und befriedigt werden kann als in der persönlichen Interaktion. Deshalb hängt die Eignung eines Geschäftes zur Online-Abwicklung vornehmlich von der Höhe des beiderseitigen

Informationsbedarfs und der Standardisierbarkeit

der

benötigten Informationen ab. In Abb.

3 nimmt

die Online-Eignung

von

Produkten

in

der

Anbahnungs- und Verhandlungsphase von links unten nach rechts oben zu. Ist der gegenseitige Informationsbedarf niedrig (I. und II. Quadrant), kommt dieser Nachteil des Online-Angebotes nicht zum Tragen. Ist er jedoch hoch (III. und IV. Quadrant), versagen die Möglichkeiten der Online-Angebote, es sei denn, die benötigten Informationen sind so weit standardisierbar, dass sie mit den technischen Möglichkeiten im Rahmen der Online-Angebote dennoch dargestellt werden können (IV. Quadrant). So sind Health-Care-Leistungen von einem hohen

beiderseitigen

Informationsbedarf geprägt, wobei die auszutauschenden Informationen weitgehend nicht standardisierbar sind. Bei Banküberweisungen ist das genaue Gegenteil der Fall. Die wenigen benötigten Informationen zur Ausführung einer Überweisung sind standardisiert abfragbar, weshalb dem Zahlungsverkehr in dieser Phase eine ausgesprochen hohe OnlineEignung attestiert werden kann. Es ist damit zu rechnen, dass im Zuge der technischen Entwicklung die Fähigkeit der Online-Medien zur Darstellung komplexer Produktattribute ebenso steigt wie die Leistungsfähigkeit der Software zur Exploration spezifischer individueller Kundenbedürfnisse. 14 Daher wird sich die Eignung von

Leistungen

zur Online-Abwicklung

in

dieser

Phase

tendenziell in Richtung Ursprung (links unten) erweitern.

Hierbei ist im ersten Fall insbesondere an die Nutzung der MultimediaFähigkeiten des Internet zu denken, während im zweiten Fall die Leistungsfähigkeit der zur Verfugung stehenden Expertensysteme und Datenbanken eine entscheidende Rolle spielt.

54

Eignung verschiedener Produkte und Leistungen für E-Commerce

/ ^ v V ertpapier-^N. V^geschàft^X

('zahlungsverkehr)

/ ^ S t a nd a r c U N \ S o f t w m y hoch (^Pauscha^

IV

Standardisierbarkeit der Produktattribute

III C ~~~-

niedrig

kauf

•—

/^i^bensmittei^N Sv^^zclhandei^X

| ii

Bücher

J

y

(^Health C a r e ^ )

(^^FlohmarlcP^

hoch

niedrig Gegenseitiger Informationsbedarf

Abb. 3:

Online-Eignung bestimmter Leistungen in der Anbahnungs- und Verhandlungsphase

2.2

Vertragsphase

In der Phase des Vertragsschlusses

hängt die Eignung eines Geschäfts zur

Online-Abwicklung vornehmlich von der Rechtssicherheit, maßgeblich beeinflusst durch Umfang und Stärke der rechtlichen Vorschriften, sowie von der psychologischen Bedeutung dieser Rechtssicherheit ab. Dem kommt besondere Bedeutung zu, da Online-Angeboten die emotional stabilisierende Komponente der persönlichen Interaktion

weitgehend

fehlt. In Abb. 4 nimmt die Online-Eignung von Produkten in der Vertragsphase wiederum von links unten nach rechts oben zu. Ist Umfang und Durchsetzbarkeit rechtlicher Regelungen und damit die Rechtssicherheit einer Transaktion hoch (I. und II. Quadrant), sind die Vertragspartner Interaktion

nicht

auf

die

emotionale

angewiesen und

Komponente

der

persönlichen

die Geschäfte für eine

Online-

Abwicklung tendenziell geeignet. Andernfalls (III. und IV. Quadrant) sind sie eher ungeeignet, es sei denn, die Bedeutung der Rechtssicherheit ist

Eignung verschiedener Produkte und Leistungen für E-Commerce

55

für den Kunden gering, z. B. bei wenig kapitalintensiven oder LowInvolvement-Investitionen (IV. Quadrant). In dieser Phase ist Health Care ebenfalls ein Beispiel für wenig onlinegeeignete Leistungen, weil zum einen die psychologische Bedeutung des Vertrages für den Kunden, um dessen Gesundheit es geht, sehr hoch und die Rechtssicherheit mangels genauer Spezifikationsmöglichkeit relativ gering ist. Im Gegensatz dazu zeichnet sich der Kauf eines Buches aufgrund des in der Regel relativ geringen Kaufpreises durch eine niedrige psychologische Bedeutung aus, während die Rechtssicherheit im Rahmen eines Kaufvertrages gleichzeitig relativ hoch ist.

niedrig

Psyochologische Bedeutung des Vertrags

hoch

niedrig

hoch Rechtssicherheit

Abb. 4:

Online-Eignung bestimmter Leistungen in der

Vertragsphase

Auch für diese Phase ist von einer Entwicklung auszugehen. Eine zunehmende Klärung der Rechtsfragen auf dem Gebiet der OnlineTransaktionen wird mit einer stetigen Gewöhnung der Kunden an das Arrangement einer unpersönlichen Online-Transaktion einhergehen und den Bereich einer Online-Eignung sukzessive in Richtung Ursprung (links unten) erweitern.

56

2.3

Eignung verschiedener Produkte und Leistungen für E-Commerce

Produktionsphase

In der Phase der Produktion lassen sich Kosteneinsparungen realisieren, indem Teile des Produktionsprozesses auf den Kunden verlagert werden. Beim Online-Vertrieb kann der Input des Kunden allerdings lediglich aus digitalisierten Informationen bestehen. Daher bietet sich diese Form der Kosteneinsparung eher bei immateriellen Leistungen in Form von Informationstransformation an, indem Online-Eingaben des Kunden ohne Medienbrüche direkt weiterverarbeitet werden können. Dies ist z. B. insbesondere bei Banken oder Versicherungen der Fall, so dass für solche Leistungen die Online-Abwicklung auch in der Produktionsphase eine gute Möglichkeit zur Einsparung von Kosten darstellt. In abgeschwächter Form profitiert z. B. auch der Software-Vertrieb von diesem Effekt, indem Kunden bei der Bestellung bereits ihre später für die Registrierung erforderlichen Daten selbst eingeben.

2.4

Abwicklungsphase

In der Phase der Abwicklung ist die Übertragung der Verfugungsrechte am Transaktionsgegenstand verortet. Damit ist die Online-Eignung an dieser Stelle primär einerseits von der Möglichkeit zur Eigentums- bzw. Besitzübertragung der erbrachten Leistung und andererseits von ihrer Selbsterklärungskraft abhängig. Bei der Online-Distribution beschränkt sich der Besitzübergang durch Übergabe auf immaterielle Güter wie Rechte und digitalisierbare Informationen bzw. Funktionalitäten. Darüber hinaus findet eine Beschränkung des Eigentumsüberganges durch einzuhaltende, aber online nicht darstellbare Formvorschriften statt. Sollte schließlich eine Übertragung von Produkten und Verfügungsrechten an Produkten möglich sein, ist es zudem häufig problematisch, die notwendige Erläuterung der Eigenschaften der distribuierten Produkte online zu übermitteln. Da diese gegebenenfalls sehr komplex und anwenderspezifisch sein können, ist davon auszugehen, dass dies online weniger gut möglich ist als im persönlichen Gespräch. In

Eignung verschiedener Produkte und Leistungen für E-Commerce

57

Abb. 5 nimmt die Online-Eignung daher wiederum von links unten nach rechts oben zu. Konsequenterweise kann daher nur dann von einer Online-Eignung in der Abwicklungsphase gesprochen werden, wenn eine hohe Übertragbarkeit auf eine niedrige Erläuterungsbedürftigkeit trifft, was insbesondere für Standardbankleistungen in der Regel zutrifft. Beim Immobilienkauf ist das Gegenteil der Fall. Immobilien können als tangible Güter weder online übertragen werden noch kann der Kaufvertrag aufgrund von Formvorschriften online abgewickelt werden.

hoch Eignung des Transaktionsgegenstandes bzw. der Verfilgungsrechte am Transaktionsgegensta nd zur OnlineÜbertragung

(^^hnrnrkT^) (^^Bücher^^)

niedrig

hoch

niedrig Selbsterkllrungs kraft des Transaktionsgegenstandes

Abb. 5:

Eignung verschiedener Leistungen fiir eine Online-Abwicklung der Abwicklungsphase

2.5

Gesamtbetrachtung

in

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass unterschiedliche Leistungen in den verschiedenen Phasen unterschiedlich gut für die Abwicklung über Online-Medien geeignet erscheinen. Dabei sticht insbesondere ins Auge, dass standardisierbare Leistungen ohne die Notwendigkeit physischer Übertragung des Transaktionsgegenstandes sehr gut für eine OnlineAbwicklung geeignet sind. So führen Leistungen wie die Abwicklung des

58

Eignung verschiedener Produkte und Leistungen für E-Commerce

Zahlungsverkehrs oder der Verkauf von Standardsoftware die Liste an. Auch Pauschalreisen liegen weit vorn, da es sich dabei lediglich um die Information und Buchung handelt, während die eigentliche Dienstleistung, nämlich die Durchfuhrung der Reise, ohnehin als typische Dienstleistung nur unter Involvierung des Kunden erbracht werden kann. Der Kauf von Immobilien ist aufgrund des Umfangs der notwendigen Information und der rechtlichen Probleme bei der Eigentumsübertragung online nur in Teilen umsetzbar. Ausgesprochen schwierig ist schließlich das Online-Angebot von Health-Care-Leistungen. Hier ist nicht nur der beiderseitige Informationsbedarf ausgesprochen hoch und komplex, sondern es greift auch die Problematik, dass Health-Care-Leistungen als typische Dienstleistungen in der Regel nur unter physischer Anwesenheit und Mitwirkung des Patienten erbracht werden können. Abb. 6 gibt eine Übersicht über die Online-Eignung verschiedener exemplarisch ausgewählter Leistungen in den einzelnen Transaktionsphasen.

Anbahnung/ Verhandlung Zahlungsverkehr

•HHHKia

Standard-Software

••••

Wertpapiere

VertragsschluB

Produktion

Abwicklung

GESAMT

••••••

HHiSSia

MB«®

•••••• •••

••••

BMIMSSffiH

•••••

mmmm

S H H M

• • • • a

Pauschalreisen

•••••

Bücher

H M

B9HHEBB

mmm

Lebensmittel

••••

mmm

HIN

ma

Immobilien Flohmarkt Health C a r e

Abb. 6:

Ii

Übersicht einzelnen

••• •

H H I H



über die Eignung Transaktionsphasen

••••• • •

ffiHMI

•••• ••• RR II H

verschiedener



] ISSSSI §£¡§3 Sä

•••• •••• ••• ••• ••• •

Leistungen

in den

Es steht zu erwarten, dass die Defizite in der Eignung auch komplexerer Leistungen in der Abwicklungsphase durch leistungsfähigere Softwaretools und in der Vertragsphase durch eine zielgerichtete

Eignung verschiedener Produkte und Leistungen für E-Commerce

59

Gesetzgebung verringert werden können und somit auch diese Leistungen zunehmende Akzeptanz bei den Kunden finden werden. Neben den allgemeinen Rahmenbedingungen, welche den generellen Trend zum E-Commerce begünstigen, wird die Informations- und Kommunikationstechnologie auch den leistungsimmanenten Eigenschaften der angebotenen Produkte zunehmend gerecht. Da diese Entwicklung bei weitem noch nicht abgeschlossen ist, darf von einem weiterhin wachsenden E-Commerce Markt ausgegangen werden.

3.

AUSBLICK

In Zukunft wird die dargestellte Entwicklung durch eine zunehmende Mobilität bei der Nutzung von Internet-Leistungen zusätzlich begünstigt werden. Dieses mit dem Schlagwort M-Commerce erfasste Phänomen eröffnet einerseits die Möglichkeit zu flexiblerer Nutzung der bisher mehr oder weniger nur stationär zur Verfugung stehenden Leistungen. Darüber hinaus ist aber auch davon auszugehen, dass das Online-Business sich nun auf Bereiche ausdehnen wird, die typischerweise nur dann für den Nutzer interessant sind, wenn sie flexibel und spontan in Anspruch genommen werden können und daher durch die bisher zur Verfügung stehende Technologie noch nicht erfasst wurden.

60

Eignung verschiedener Produkte und Leistungen für E-Commerce

LITERATURVERZEICHNIS Fischer, M. (1994), Die Theorie der Transaktionskosten, in WiSt Heft 11, 1994, S. 582-584. Matuschek, T. (1999), Marktbarometer, in: Electronic Commerce InfoNet, http://www.ecin.de/marktbarometer/daten/nutzer.html. o.V.

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'97,

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3 . DREI MEGA-TRENDS IM E-TAILING - ANFANG 2 0 0 0

Jens M. Abend, Carine Tischmann

1.

TRENDS IM E-TAILING

63

2.

E-COMMERCE AUF DEM VORMARSCH

64

2.1

Die Demokratisierung des Internets schreitet voran

64

2.2

Die Internet-Märkte formieren sich

67

2.3

Die Grenzen zwischen verschiedenen Vertriebskanälen lösen sich auf

70

3.

KEINER WEIB, WO DIE REISE ENDET

73

Drei Mega-Trends im E-Tailing - Anfang 2000

1.

63

TRENDS IM E-TAILING

Vor fünf Jahren in den Zeitungen noch als "dance party" oder "drug deal" beschrieben, ist E-Commerce heute ein alltäglicher Begriff geworden, wie in der Presse, in verschiedenen Firmenstrategien und an der Vielzahl von Internet-Werbungen zu sehen ist. Und trotz der Börsen-Ernüchterung, die den E-Commerce-Hype jetzt folgt, ist klar, dass das E-Business auch nach der momentanen Konsolidierung ein fester Bestandteil der Wirtschaft bleiben wird. Von der Zahlenform her gesehen, spielt E-Commerce - insbesondere im Business-to-Consumer-Bereich (B2C) - noch keine große Rolle. In den USA wurden 1999 ca. 19 Mrd. Dollar im B2C umgesetzt, gerade einmal 0,8% der 2,6 Billionen Dollar, die beim traditionellen Handel in den Kassen klingelten. Doch die Zahlen sagen nicht alles. Viele Transaktionen werden online bestellt, aber offline bezahlt. Oder aber Kunden informieren sich online und kaufen offline. Das Potenzial des E-Commerce ist also wesentlich größer, als es bloße Umsatzstatistiken glauben machen. Und es kommt immer stärker zur Geltung. Denn die Online-Unternehmen machen dem herkömmlichen Handel die attraktivsten Kunden streitig, nämlich junge Leute mit gutem Einkommen, die schon wie selbstverständlich mit den neuen Technologien der Informationsgesellschaft umgehen. Viele Unternehmen haben den Zug der Zeit erkannt und reagieren. Dennoch gibt es noch relativ viele Firmen, die trotz der unübersehbaren Vorteile, die Entwicklung standhaft ignorieren. Sie haben nicht realisiert, dass durch die Verbindung der Vorteile der realen und der virtuellen Welt nicht nur der Kunde einen Zusatznutzen erhält, sondern auch Unternehmen die Möglichkeit haben, Kunden über möglichst viele Kanäle dauerhaft an sich zu binden, statt sie an reine Online-Händler zu verlieren.

64

2.

Drei Mega-Trends im E-Tailing - Anfang 2000

E-COMMERCE AUF DEM VORMARSCH

Den Siegeszug des Internets wird nichts aufhalten. Das Netz der Netze wird in kürzester Zeit alle Schnittstellen eines Unternehmens zu seinen Kunden und Lieferanten verändern. Die Vorteile ziehen immer mehr Internet-Nutzer in ihren Bann: transparente Informationen und Vergleichbarkeit, Bequemlichkeit, neue Geschäfts- und Servicemöglichkeiten und nicht zuletzt Preisvorteile. E-Commerce sollte deshalb ein fester Bestandteil jeder Unternehmensstrategie sein. Michael Dell, CEO von Dell, bringt dies auf den Punkt: "If your business isn't enabled by information, if your business isn't enabled by customers and suppliers having more information and being able to use it, you're probably already in trouble." Die großen Entwicklungen des Internets kommen weiterhin aus den USA. Derzeit sind drei Trends beim E-Commerce erkennbar: • • •

2.1

die Demokratisierung des Internets schreitet voran, die Märkte formieren sich, die Grenzen zwischen verschiedenen Vertriebskanälen lösen sich auf.

Die Demokratisierung des Internets schreitet voran

Die Wachstumsrate der Online-Verbreitung in den USA nimmt ab. Die jungen, computerbegeisterten Leute sind bereits in der Mehrzahl online. Jetzt richtet sich das Augenmerk auf traditionellere Schichten der Bevölkerung - mit völlig neuen Herausforderungen. Im Vergleich zu erfahrenen Internet-Nutzern sind diese Konsumenten nämlich wesentlich stärker in der Offline-Welt verhaftet und orientieren sich an "Bricks and mortar". Sie sind entsprechend risikoavers, die "looker-to-booker-rates" sind wesentlich niedriger, selbst bei Kaufintention brechen diese Nutzer in 75% der Fälle den Einkaufsvorgang ab. Erfahrene Nutzer tun dies heute nur in 35% der Fälle. Nichtsdestotrotz beginnt der Kampf um diese Bevölkerungsschichten:

Drei Mega-Trends im E-Tailing - Anfang 2000





65

Wal-Mart und America Online (AOL) haben im Dezember 1999 eine Partnerschaft abgeschlossen, durch die ein "co-branded" Internet Service Provider (ISP) durch die Wal-Mart Outlets vermarktet wird. Wal-Mart gewinnt Zugang zu den 20 Millionen AOL Kunden, Internet Know-how, und auch einen bevorzugten Platz im Shop@ Bereich bei AOL. AOL erreicht im Gegenzug Zugang zum Massenmarkt, der noch nicht online ist und gewinnt zudem wertvolle Offline-Präsenz in den 3.600 Wal-Mart-Outlets. Kmart und Yahoo haben zum selben Zeitpunkt und mit denselben Motiven eine ähnliche Partnerschaft abgeschlossen. Über den ISP Spinway erhalten ÄTmari-Kunden umsonst Zugriff auf die KmartE-Commerce-Seite namens BlueLight.com, wo sie automatisch Zugriff auf Inhalte und individuelle Angebote von Yahoo haben. Als zusätzlichen Bonus können Kunden über die Website direkt KmartAktien kaufen, ohne einen Börsenmakler einschalten zu müssen.

Nicht nur Firmen, auch die Politik unterstützt die Verbreitung des Internets. Das U.S. Handelsministerium hat für das Jahr 2001 175 Mio. USD für E-Commerce-Initiativen im Haushalt vorgesehen. Und in Deutschland hat Bundeskanzler Schröder angekündigt, dass bis zum Jahre 2001 jede Schule über einen Zugang zum Internet verfugen soll. In Europa wird die Demokratisierung des Internets schwieriger sein als in den USA. Nicht nur Kultur- und Sprachbarrieren trennen die verschiedenen europäischen Länder, sondern auch unterschiedliche Markenkenntnisse. Europaweite flächendeckende Handelsunternehmen, die eine AOLWal-Mart-Allianz erlauben würden, sind (noch) nicht vorhanden. Anderseits ergeben sich möglicherweise ganz andere Chancen. Europa ist beispielsweise den USA in der Verbreitung und der Nutzung des Handys weit voraus. Es ist durchaus denkbar, dass das Handy und nicht der PC die Demokratisierung in Europa anführt. Kunden haben damit die Möglichkeit, dort zu shoppen, wo sie sich gerade befinden. Das Handy hat das Potenzial, sich zum jederzeit verfügbaren Shopping-Medium zu entwickeln. 12Snap, ein Start-up in München, feierte Anfang des Jahres die welterste Auktion über Handy. Seitdem kann jeder Handy-Besitzer ko-

66

Drei Mega-Trends im E-Tailing - Anfang 2000

stenlos bei Auktionen mitbieten, egal wo man ist, im Büro, beim Friseur oder sogar beim Stadtbummel. Mobilität, Erreichbarkeit, Lokalisierung und Identifikation kennzeichnen die Chancen im mobilen Commerce (M-Commerce). Personalisierte, ja sogar positionsabhängige Informationen können immer und überall dem Nutzer angeboten werden. M-Commerce wird zu ganz neuen Geschäftsformen führen, die sich vor allem auf Transaktionen mit einem Wert unter 25 Euro beziehen - zum Beispiel Verkaufsautomaten, Parkgebühren, Kinotickets oder Nahverkehrs-Tickets. In Europa wird der Wert dieser und ähnlicher "Kleingeldtransaktionen" auf etwa 300 Milliarden Euro geschätzt. Dies und die weiter zunehmende Verbreiterung der Nutzerbasis lässt das MarktPotenzial für M-Commerce auf insgesamt 18 bis 39 Milliarden Euro für das Jahr 2002 ansteigen. Obwohl wir uns heute noch am Anfang der M-Commerce-Welle befinden, gibt es - hauptsächlich in Skandinavien - schon eine ganze Reihe praktischer Beispiele für M-Commerce-Anwendungen. Zum Beispiel bietet Sonera in Finnland die Möglichkeit, an Getränkeautomaten durch das Wählen einer Telefonnummer zu zahlen. Der Betrag wird dann automatisch von der Telefonrechnung abgezogen. Attraktiv erscheint M-Commerce vor allem, weil das Handy ohne Zweifel das am stärksten wachsende Kommunikationsgerät der Welt ist. Nach Expertenschätzungen wird im Jahr 2004 eine Milliarde Menschen über ein Handy verfügen. Damit wird es mehr Handybenutzer geben als TV-Besitzer und erst recht mehr als PC-Besitzer. In einigen Ländern wie Schweden oder Italien gibt es außerdem heute schon mehr Handybenutzer als Festanschlüsse. Die Einbeziehung breiter Zielgruppen, ob durch Partnerschaften wie in den USA oder übers Handy wie in Europa, wird aber auch Folgen für die derzeit verwendeten Geschäftsmodelle im Internet haben. Die heute üblichen Akquisitionskosten sind zu hoch, um das anvisierte Massenpublikum profitabel zu erschließen. Doppelt wichtig sind in der neuen Ära des E-Commerce gezielte Kampagnen, um potentielle Kunden zu erreichen, und eine Konzentration auf die Kundenbindung, um aus Kunden profitable Kunden zu machen.

Drei Mega-Trends im E-Tailing - Anfang 2000

2.2

67

Die Internet-Märkte formieren sich

Das erste große Stühlerücken im Internet kündigt sich an. Die Zahl der Internet-Fusionen hat sich mit 1276 Fusionen in 1999 im Vergleich zu 1998 fast verdreifacht. Fast jeder achte Merger in den USA war eine Internet-Fusion. Vorbei sind die Zeiten der endlosen Verluste und der zuweilen nicht nachzuvollziehenden Bewertungen. 70% der ETAILDEXWerte, ein Index von 42 B2C-Unternehmen, lagen 1999 beispielsweise unter der Performance des S&P (Abbildung 1).

Abb. 1:

Performance im Vordergrund

Nachhaltige Wirtschaftlichkeit rückt neuerdings stärker in den Vordergrund. Früher waren die Anzahl der Besucher das einzige wichtige Performance Kriterium. Inzwischen hat sich herausgestellt, dass nur 7% aller Besucher zu Käufern und nur ca. 1% zu Wiederkäufern werden. Die Erfolgskriterien ändern sich, Hauptaugenmerk muss nun auf Erhöhung des Einkaufsbons (und der entsprechenden Marge) sowie Erhöhung der Kundenloyalität (Wiederkäufer geben in der Regel 10% mehr pro Transaktion aus als Neukunden) gelegt werden. Erfolgskritisch hierfür ist exzellentes Fullfilment im Backend. Die Tatsache, dass im US-Weihnachtgeschäft 1999 nur ca. 77% aller Auslieferungen zeitgerecht erfolgten, verdeutlicht

68

Drei M e g a - T r e n d s i m E - T a i l i n g - A n f a n g 2 0 0 0

erhebliches VerbesserungsPotenzial. Etablierte Marken haben hier einen Vorteil und beginnen die Chancen zu erkennen. So läutete das US-Weihnachtsgeschäft 1999 den Siegeszug der großen Marken im Internet ein. Trotz aufwendiger Werbekampagnen der reinen Internet-Spieler waren die Hälfte der meist besuchten Websites die Sites etablierter Firmen. In den Top 10 der meistbesuchten Sites befanden sich beispielsweise Barnesandnoble.com, Toysrus.com und Travelocity (Abbildung 2).

Anzahl der Besucher* (in Tsd.)

Ranking

Website

1 2 3 X 4 X 5 6 7 8 X 9 X 10 Xll X 12 X 13 14 X 15 16 17 X 18 X 19 X 20

Amazon.com Ebay.com Etoys. com Barnesandnoble.com Toysrus.com Buy.com Cdnow.com Egreetings.com Expedía Travelocity.com Egghead.com sites kbkids.com Bmgmusicservice.com Bonzi.com Americangreetings.com Beyond.com Shopnow.com sites Ticketmaster Japenney.com Dell.com

5.693 4.073 1.662 1.522 1.486 1.427 1.416 1.116 1.019 934 900 799 782 674 638 623 619 597 594 582

X Etablierte Offline-Spieler * Mehrfachbesuche pro Person hier nicht enthalten

Abb. 2:

Top 20 E-Commerce-Websites

für die Weihnachtssaison

19991

Toys'R'Us, eine der größten Spielwarenketten in USA, war fast über das gesamte vergangene Jahr hinweg durch Probleme auf ihren Websites ge-

Im Zeitraum v o n 2 4 . N o v e m b e r - 2 6 . D e z e m b e r 1999.

Drei Mega-Trends im E-Tailing — Anfang 2000

69

handicapt. Für eine reine Online-Firma hätte dies und das negative Presseecho höchstwahrscheinlich das Aus bedeutet, nicht so für Toys'R'Us. Das Unternehmen bekam die Probleme in den Griff und hatte im November mit 4,8 Mio. Besuchern fast so viele wie eToys, der OnlineMarktfuhrer mit 4,9 Mio. Besuchern. Toys'R'Us lag damit nur zwei Plätze hinter eToys, die ihrerseits den dritten Rang unter den meist besuchten Websites während der Weihnachtszeit 1999 eroberten. Nicht zuletzt profitierte Toys'R'Us bei seiner Aufholjagd auch von den guten Erfahrungen der Konsumenten in seinem Offline-Geschäft. Vielfach wird behauptet, dass Europa in dieser Hinsicht den USA voraus sei. Doch ein richtiger Beweis fehlt. Die großen Marken haben in Europa den Wettbewerb gegen die kleinen Start-ups noch längst nicht gewonnen. Die Marken besitzen zwar ein "vorverkauftes" Vertrauen und haben die erfolgskritische Infrastruktur, um den Kunden gezielter zu erreichen. Doch sie nutzen ihren Wettbewerbsvorteil vielfach nicht. Auch in Europa müssen die großen Marken erst noch aufwachen. Nomen ist Omen - die Marke macht den Unterschied. Doch warum ist die Marke auch in der virtuellen Welt so viel wert? Wie bereits erwähnt liegt ein Grund sicher im Vertrauen der Kunden, gerade wenn es um das elektronische Bezahlen geht. Ein zweiter Grund ist die Bekanntheit. Etablierte Marken haben sich die Loyalität der Kunden schon einmal teuer erworben. Ihre Akquisitionskosten sind deswegen geringer als bei den Newcomern. Dies lässt sich auch anhand der durchschnittlichen Marketing-Ausgaben ablesen: reine Online-Firmen geben fast doppelt so viel für Marketing aus wie etablierte Finnen mit Internet-Auftritten. Nicht zuletzt haben die etablierten Firmen einen weiteren wichtigen Vorteil: Ihr allseits bekannter Name ist in der Regel identisch mit ihrer Web-Adresse. Bei reinen Internet-Spielern erreichen nur 37% aller Besucher die Website über die Direkteingabe des Firmennamens - der Rest über Suchmaschinen. Bei etablierten Unternehmen landen bereits 62% der Besucher über die Direkteingabe des Firmennamens auf der Website. Ist der Kampf um den Kunden erstmal gewonnen, gilt es Kundenbindung zu schaffen. Auch hier ergibt sich im Internet eine Vielzahl von Möglichkeiten, die oftmals nicht genutzt werden. Untersuchungen zur

70

Drei Mega-Trends im E-Tailing - Anfang 2000

Nutzung der Personalisierungsmöglichkeiten zeigen beispielsweise, dass die meisten Unternehmen die Marketing-Potenziale des Internets gerade erst ankratzen (Abbildung 3). Angaben in Prozent Hat der Online-Shop...

Ja

... Sie persönlich angesprochen? ... ein Folgeangebot geschickt?

Nein

100%

96 16

... Sie als Wiederkäufer erkannt? ... gefragt, ob Sie Informationen zu ähnlichen Produkten wünschen? ... Ihre E-Mail-Fragen beantwortet?

84 75 47 40

Abb. 3:

Personalisierung im Internet

2.3

Die Grenzen zwischen verschiedenen Vertriebskanälen lösen sich auf

Wie der Siegeszug der großen Marken zeigt, gibt es offensichtlich Vorteile für hybride Spieler, also Unternehmen, die sich in der Offline- und der Online-Welt bewegen. "Clicks & mortar" heißt das neue Erfolgskonzept. Dies bildet sich auch in den Economics ab: Hybride Unternehmen genießen mit 6% eine doppelt so hohe Konversionsrate von Besuchern zu Einkäufern wie reine Online-Spieler und eine Wiederkäuferrate von 26% im Vergleich zu nur 17% für Online-Spieler. Die Vorteile hybrider Spieler sind vielfaltig. So nutzen etablierte Unternehmen Online-Elemente zur Unterstützung des Offline-Geschäfts, beispielsweise für Marktforschung über bestehende Produkte, Potenzialeinschätzung von Innovationen oder zur Ansprache neuer Segmente. Online-Spieler selbst können über Offline-Geschäfte ihre Kundenakquisi-

Drei Mega-Trends im E-Tailing - Anfang 2000

71

tionskosten reduzieren, stärkere Markenpräsenz gewinnen und ihre Prozesskosten senken (Abbildung 4).

Offline-Spieler nutzen Online-Elemente • Marktforschung über bestehende Produkte • Potenzialeinschätzung von Innovationen • Ansprache neuer Segmente • Rückgewinnung entgangener Umsätze • Verbesserung operativer Effizienz

Online-Spieler nutzen Offline-Elemente • Reduzierung der Kundenakquisitionskosten • Erhöhung Markenpräsenz • Nutzung Vorteile physischer Assets • Verbesserung Prozesskosten

Abb. 4:

Vorteil hybrider Spieler

Einige Beispiele sollen dies verdeutlichen: •

Der Kunde, der Kleidung von gapinc.com gekauft hat, kann sie problemlos im Offline-Geschäft zurückgeben oder austauschen. Der Outlet-Kunde kann im Ga/?-Geschäft an einem Online-Monitor nach Größen und Farben suchen, sie kaufen und sich liefern lassen, auch wenn er sie im Geschäft nicht finden konnte. Stock-outs fuhren auf diese Weise nicht notwendigerweise zu Umsatz- oder gar Kundenverlust. Zusätzlich nutzt Gap die Möglichkeit des Multichannel-Marketing, in jedem Gap-Outlet wird die Webadresse aggressiv vermarktet und vice versa.



Toys'R'Us hat auch von den Vorteilen einer Kombination der Distributionskanäle profitiert. Am Tag der Auslieferung des Katalogs, erhöhten sich die Online-Umsätze um das Zehnfache. Keine Hexerei, sondern Kalkül - auf dem Titelblatt des Katalogs stand nämlich die Web-Adresse fett gedruckt. Kunden blättern eben (noch) lieber offline als per Mausklick. Allerdings ist wiederum das Bestellen

72







Drei Mega-Trends im E-Tailing - Anfang 2000

über das Internet wesentlich gemütlicher als in einer unendlichen Warteschlange zu landen und sich anschließend mit einem missgelaunten Verkäufer herumzuschlagen. Aus Kundenakquisitionsgründen entwickelte Garden.com eine USweite Offline-Zeitschrift und einen Katalog. Dahinter steht die Idee, die Anzahl der Online-Besucher und -Käufer zu erhöhen, aber auch überall dort zu sein, wo sich der Kunde befindet. Der amerikanische Telefon- und Internet-Verkäufer 1-800-Flowers ging noch weiter. Der virtuelle Florist hat mittlerweile 120 OfflineLäden eingerichtet, um den Kunden auch in der Offline-Welt Services anbieten zu können. Die Kunden können aber nicht nur Blumen kaufen. Sie werden auch von Fachleuten beraten und können an Workshops teilnehmen, wo sie unter anderem lernen, wie man aus Blumen einen Geburtstagskuchen basteln kann. Die OfflineInvestitionen haben sich für das 1-8()0-Online-Geschäft gelohnt. Dort wo es Offline-Läden gibt, ist die Online-Bestellung auch höher. Für die Erfüllung des Kaufversprechens bildeten sich in jüngster Vergangenheit verschiedene Allianzen: EM. TV, myToys, und Otto Versand verknüpften Produkt- und Content-Know-how sowie langjähriges Distributions-Know-how mit der Gründung von myjunior. de.

Online oder offline - das ist nicht die Frage: Um Erfolg zu haben, sollte das Internet als Ergänzung und nicht als Gefahr für bestehende Vertriebskanäle gesehen werden. Erste Anzeichen sind auch in Deutschland zu sehen. So hat beispielsweise Quelle das Firmenlogo anschaulich verändert: Es zeigt einen roten Punkt nach dem Firmennamen, um zu demonstrieren, dass Quelle die Internet-Welt umarmt. Und dazu passend heißt es auf der Website: "Willkommen im Land der ungeahnten Möglichkeiten."

Drei Mega-Trends im E-Tailing - Anfang 2000

3.

73

KEINER WEIB, WO DIE REISE ENDET

Die Möglichkeiten des Internets sind gigantisch, und es gibt nur wenige, die dies heute schon erkennen. Als das Fernsehen eingeführt wurde, benutzte man das neue Medium genauso wie seinen Vorgänger, das Radio. In Werbesendungen saß eine Person vor dem Mikrofon, der die Werbebotschaften vorlas. Erst im Laufe der Zeit und mit vielen kreativen Ideen wurden die Möglichkeiten des Fernsehens voll ausgeschöpft. Das Internet steht wie einst das Fernsehen erst am Anfang. Vielfach benutzen wir das Internet als bessere Offline-Welt, etwa wenn Banner nichts anderes tun, als die Werbung in Zeitschriften zu kopieren. Doch auch hier gibt es Bewegung. Nike beispielsweise erfand den Banner neu: Ein Klick auf einen Nike Banner etwa auf einer Sport-Website führt nicht auf die Nike- Website, sondern erlaubt den direkten Kauf des angebotenen Artikels innerhalb des Banners. So wartet Nike nicht, bis der Kunde zu ihm geht - Nike bringt den Laden zum Kunden. Im Internet werden sich immer stärker die Vorteile der systeminhärenten Interaktivität bemerkbar machen. Die Firmen lernen ihre Kunden immer besser kennen. Wer als schnellster darauf reagieren kann, wird am Ende die Nase vorn haben. Über Bots - Suchmaschinen, die nach spezifischen Produkten suchen und Angebotsvergleiche machen - können Online-Shopper Vergleiche über Preis, Service und Anbieter anstellen, die in der Offline-Welt entweder nur mit großem Zeitaufwand oder gar nicht machbar sind. OnlineShopper lernen teilweise über Internet-Auktionen eine für sie bessere Welt mit freier Information und Markttransparenz kennen. Die Zeit ist nicht mehr weit, wo Online-Shopper alles zur Auktion stellen werden. Wer kann mir bis morgen früh meine Lebensmittel, sechs Penn-hardcourt-Tennisbälle und eine Business-Week zum günstigsten Preis besorgen? Anbieter werden diese Erwartungen nicht nur zu erfüllen haben, sie müssen sogar weitere antizipieren. PlanetAll hat beispielsweise in den USA ein Online-Netzwerk von Freunden, Bekannten und Arbeitskollegen gestartet. Als Mitglied trägt man alle persönlichen Daten ein. Diese Angaben können von anderen, ausgewählten PlanetAll Mitgliedern gesehen werden. Ändert man seine

74

Drei Mega-Trends im E-Tailing - Anfang 2000

Daten, so kriegen alle aus dem Bekanntenkreis in ihrer nächsten UpdateE-Mail die neuen Informationen. Meldet man beispielsweise seine Reisepläne bei PlanetAll an, so informiert eine E-Mail, wer von den Bekannten sich auch gerade am selben Reiseziel befindet. Letztere bekommen natürlich auch per E-Mail vom anstehenden Besuch Bescheid. Eine Art GPSSystem für Menschen ... Zwei Dinge sind klar: Die Möglichkeiten des Internets sind für den Endverbraucher und für Unternehmen endlos. Und dieser Artikel ist möglicherweise innerhalb kürzester Zeit schon wieder hoffnungslos veraltet.

CLICK 2 - START-UPS ALS IMPULSGEBER IM E-BUSINESS

4.

Cassiopeia - Communities als Erfolgsfaktor im E-Business (D. Wiek, S. Kaiser)

5.

Virtuelles-Kaufhaus.de - Ein Start-Up zwischen Technik und Geschäftsidee (L. Quiring, C. Backmann)

77

93

6.

VitaGO - Schönheit und Gesundheit aus dem Internet (A. Fopp, J. Oelert)

7.

Scout24 und AutoScout24 - Innovative Konzepte für virtuelle Marktplätze (C. Mangstl, B. Resch)

139

JFax - Unified Messaging als integrierte Kommunikationsplattform (S. Glückstein, M. Schuster)

151

Manager-Lounge - Führungskräfte-Vermittlung im Internet-Zeitalter (P. Bachsleitner, E. Gratz)

171

8.

9.

117

4 . CASSIOPEIA - COMMUNITIES ALS ERFOLGSFAKTOR IM E-BUSINESS

Daniela Wiek, Stephan Kaiser

1.

EINFÜHRUNG

79

2.

DIE ENTWICKLUNG VON COMMUNITIES ALS ZENTRALES THEMA IM E-BUSINESS

80

2.1

FORMEN VON COMMUNITIES

81

2.2

VORTEILE VON COMMUNITIES

83

3.

4.

ERFOLGSFAKTOREN EINER COMMUNITY UND ENTWICKLUNG DER COMMUNITY-DYNAMIK

85

3.1

ERFOLGSFAKTOREN EINER COMMUNITY

86

3.2

ENTWICKLUNG EINER COMMUNITY-DYNAMIK

87

AUSBLICK: MÖGLICHKEITEN DES SOFTWAREGESTÜTZTEN AUFBAUS EINER ERFOLGREICHEN COMMUNITY

89

Cassiopeia - Communities als Erfolgsfaktor im E-Business

1.

79

EINFÜHRUNG 1

Noch ist weitgehend unklar, wie die kommerzielle Nutzung des Internets den Handel und die Geschäftsprozesse verändern wird. Klar ist jedoch, dass ein Engagement im E-Business ein entscheidender Erfolgsfaktor fur jedes Unternehmen sein kann. Die alleinige Entscheidung über die Präsenz im Internet ist dabei längst nicht mehr ausreichend. Immer wichtiger wird es auch, die richtige Erscheinungsform im Internet zu wählen. Dabei scheint sich in letzter Zeit vor allem eine Erscheinungsform herauszukristallisieren: Online- bzw. Virtuelle Gemeinschaften, auch Virtual Communities genannt. Virtual Communities entstanden schon lange vor der kommerziellen Entdeckung des Internets. Trotzdem, oder vielleicht eben darum, können durch den Einsatz von Virtuellen Gemeinschaften die kommerziellen Möglichkeiten, die das Internet bietet, erst voll ausgeschöpft werden. Virtual Communities spielen daher in zunehmendem Maße eine entscheidende Rolle und werden zu einem der wichtigsten Themen im E-Business.3 Allerdings müssen dabei bestimmte Erfolgsfaktoren beachtet werden. Die Cassiopeia AG (www.cassiopeia.com), Unterhaching/München, bietet Software im modularen Aufbau, die diese Erfolgsfaktoren berücksichtigt, und unterstützt somit den Aufbau einer dynamischen und erfolgreichen Virtual Community.

Die Autoren bedanken sich an dieser Stelle auch bei Jochen Scheuer für die operative und konstruktive Unterstützung. Darüber hinaus scheinen - zumindest in der Wahrnehmung der Verfasser - vor allem so genannte Portalseiten an Bedeutung zu gewinnen. Diese integrieren jedoch im zunehmenden Maße Community-Elemente. Große Bekanntheit hat in diesem Zusammenhang das 1997 erschienene Buch "Net Gain" von Armstrong und Hagel erlangt. Viele der Gedanken von Armstrong und Hagel finden sich entsprechend auch in diesem Beitrag wieder. Freilich gibt es auch schon frühere Arbeiten, die sich mit dem Thema beschäftigen. Vgl. stellvertretend Faßler (Hrsg.; 1994).

80

2.

Cassiopeia - Communities als Erfolgsfaktor im E-Business

D I E ENTWICKLUNG VON COMMUNITIES ALS ZENTRALES THEMA IM E-BUSINESS

Die ersten Communities entwickelten sich bereits zu Beginn der 70erJahre. Wissenschaftler nutzten das Internet, um Forschungsergebnisse auszutauschen und interaktive Forschungsgruppen zu bilden, also um untereinander zu kommunizieren. Das prominenteste Beispiel entstand Ende der 80er-Jahre. "The Well" war eine Community von High-TechFreaks, die mit Hilfe von virtuellen "schwarzen Brettern" Informationen über die neuesten Computer-Technologien, bestehende Probleme und deren Lösungen austauschten. Die zunehmend zahlreichen und interessanten Beiträge zogen immer neue Computer-Nutzer an, und es entstanden zahlreiche zusätzliche virtuelle "schwarze Bretter" zu sehr unterschiedlichen Themen wie Sport, Politik, Krankheiten etc. Alle diese Virtuellen Gemeinschaften hatten die Eigenschaft, nicht kommerziell motiviert zu sein. Sie ermöglichten den Teilnehmern lediglich, miteinander über gemeinsame Interessen zu kommunizieren und Erfahrungen auszutauschen, soziale Kontakte zu knüpfen und Netzwerke zu bilden. Durch die jüngste rasante Entwicklung des E-Business wird die Entwicklung Virtueller Gemeinschaften jedoch von Unternehmen mit zunehmendem Interesse beobachtet und ihre Bedeutung für das Geschäft im Internet erkannt. Bisher sind viele Unternehmen mit einer Homepage im World Wide Web vertreten, auf denen Besuchern vorwiegend Informationen über die eigenen Produkte angeboten werden. Aufwendiger gestaltete Sites bieten zudem die Möglichkeit, Produkte direkt zu bestellen oder auch zusätzliche Features wie Spiele und Links zu verwandten Seiten. Jedoch bieten bisher wenige dieser Homepages Besuchern die Möglichkeit, untereinander zu kommunizieren. Genau diese Möglichkeit wird aber von Internet-Nutzern gesucht. Sie wollen über das Internet Erfahrungen austauschen und Kontakte knüpfen. Bis dato ist es den Unternehmen kaum geglückt, die vielfältigen sozialen und wirtschaftlichen Bedürfnisse der Kunden im Internet mit den eigenen wirtschaftlichen Ansprüchen zu verknüpfen, und somit die

Cassiopeia - Communities als Erfolgsfaktor im E-Business

81

Bedürfnisse der Kunden für sich nutzbar zu machen. Kommerzielle Virtual Communities bieten nun die Chance, die Bedürfnisse der Kunden mit denen der Unternehmen auf eine für beide Seiten Gewinn bringende Weise zu verbinden. Da Virtuelle Gemeinschaften so zu einem zentralen Ansatzpunkt für Erfolg im E-Business werden, entwickeln sich derzeit immer mehr kommerzielle Communities und bereits existente Seiten werden zu solchen weiterentwickelt. Dadurch entstehen unterscheidbare Formen von Communities (1), mit denen jeweils Vorteile für die Beteiligten verbunden sind (2).

2.1

Formen von Communities

Eine exakte Abgrenzung verschiedener Formen von Communities ist nur bedingt möglich, da bereits die Grenzen zu anderen Erscheinungsformen im Internet als fließend zu bezeichnen sind. Hinzu kommt, dass ständig neue Formen von Communities entstehen. Trotzdem können einige Merkmale festgehalten werden, die für alle Communities charakteristisch sind: Virtual Communities sind eine Aggregation von Internet-Nutzern, die erstens eindeutig abgegrenzte Themenkomplexe aufweist, zweitens den Besuchern die Möglichkeit bietet, untereinander zu kommunizieren und die drittens Inhalte und Kommunikationsmöglichkeiten so integriert, dass der Großteil der Inhalte von den Mitgliedern selbst generiert wird. Ausgehend von diesen allgemeinen Merkmalen können verschiedene Community-Formen beschrieben werden. Dabei lassen sich jeweils anhand von Mitgliedern (a) sowie von Anbietern (b) Unterscheidungen treffen: (a) Unterscheidung nach Mitgliedern: Entlang der Frage, wer die Nutzer einer Community sind, können drei Formen von Communities differenziert werden: Business-to-Consumer-Communities, Business-toBusiness-Communities und Corporate-Communities. Während die Mitglieder einer Business-to-Consumer-Community die Endverbraucher sind und es sich dabei meist um Internet-Lösungen handelt, sind Corporate-Communities in der Regel meist im

82

Cassiopeia - Communities als Erfolgsfaktor im E-Business

entsprechenden Intranet des jeweiligen Unternehmens verortet. Die Teilnehmer sind die Angestellten dieses einzelnen Unternehmens. An einer Business-to-Business-Community sind mehrere Unternehmen beteiligt, welche die Community dann meist als Marktplatz nutzen. Hierbei handelt es sich vorwiegend um Extranet-Lösungen, die es erlauben, die Produktions- und Beschaffungsprozesse der beteiligten Unternehmen miteinander zu verbinden bzw. aufeinander abzustimmen. (b) Unterscheidung nach Anbietern: Zunächst lassen sich Communities nichtkommerzieller bzw. kommerzieller Anbieter differenzieren. Bei den kommerziellen Anbietern, die im Folgenden im Fokus stehen, kann man zwischen Communities eines Unternehmens und Communities eines unabhängigen Organisators unterscheiden. •

Im ersten Fall kann ein einzelnes Unternehmen zunächst versuchen, seine eigenen Produkte über das Internet zu verkaufen. Das Mitglied hat dann lediglich die Möglichkeit, die Produkte dieses einen Unternehmens zu bestellen. Die Kommunikation innerhalb der Community wird sich weitgehend eben auf diese Produkte beziehen. Zwar kann das Unternehmen Vergleichsangebote von Konkurrenzunternehmen zulassen, es ist jedoch unwahrscheinlich, dass die Mitglieder sich bei dieser Vorgehensweise auf die Unparteilichkeit des anbietenden Unternehmens verlassen. Darüber hinaus liegt der Fokus derartiger Communities auf einer verstärkten Kundenbindung (z. B. www.redseven.com).4 Vor diesem Hintergrund verliert dann der eigentliche Verkauf von Produkten an Bedeutung, die Community dient vor allem der Kommunikation mit dem Kunden und einer Erhöhung der Transparenz der Zielgruppe.



Im zweiten Fall integriert ein unabhängiger Organisator verschiedene Konkurrenzunternehmen in seiner Community. Die Mitglieder haben dann sowohl Möglichkeiten des Preisvergleichs als auch die Möglichkeit, wechselseitig ihre Erfahrungen mit unterschiedlichen Konkurrenzprodukten auszutauschen. Derartige

Cassiopeia - Communities als Erfolgsfaktor im E-Business

83

Communities können unter Umständen dann auch tatsächlich "nichtkommerziellen" Charakter haben. Es wird mittlerweile als ein wichtiger Erfolgsfaktor für Communities angesehen, dass diese eine hohe inhaltliche Objektivität bieten. Denn die Mitglieder wollen möglichst objektive Informationen und binden sich deshalb ungern an eine Community, die lediglich Produkte eines einzelnen Unternehmens vertreibt bzw. nur positive Berichte über eigene Produkte zulässt. Will eine Community erfolgreich sein, muss sie dieses Bedürfnis der Mitglieder ernst nehmen. Es werden sich also Virtuelle Gemeinschaften unabhängiger Organisatoren oder Communities von Unternehmen durchsetzen, die glaubhaft zusichern können, objektive Informationen - u. U. auch über Produkte anderer Unternehmen - zu bieten. Erfolgreiche Communities müssen Fürsprecher ihrer Mitglieder und nicht des Anbieters sein. Ein Teil der Marktmacht verlagert sich dann durch die Community von den Unternehmen hin zum Kunden bzw. zum Community-Mitglied, so dass dieses von seiner Teilnehmerschaft profitiert. Jenseits dessen lassen sich noch weitere Vorteile von Communities differenzieren.

2.2

Vorteile von Communities

Eine der großen Stärken des Community-Gedankens ist die Tatsache, dass alle Beteiligten von einer Community profitieren können. Drei Beteiligte, die jeweils in unterschiedlicher Weise von der Community profitieren, lassen sich differenzieren: die Mitglieder (a), die Unternehmen (b), die über Virtuelle Communities ihre Produkte bewerben und verkaufen, sowie unabhängige Organisatoren (c). Letztere müssen freilich nicht notwendigerweise vorhanden sein. (a) Vorteile für die Mitglieder: In einer Community treffen sich InternetNutzer mit gleich gelagerten Interessen. Diese nutzen die Community als Kommunikationsplattform. Mit deren Hilfe können die Mitglieder Vgl. zu einem derartigen Fokus des Internet-Marketings auch Newell (2000) sowie Stolpmann (2000).

84

Cassiopeia - Communities als Erfolgsfaktor im E-Business

Freundschaften aufbauen und Netzwerke bilden, also eher soziale Bedürfnisse befriedigen. Durch die Community können Mitglieder für Unternehmen relevante Informationen gezielt an diese weitergeben. Die Teilnehmer profitieren dann dadurch, dass sie personalisierte Informationen und Kaufangebote von den verschiedenen konkurrierenden Unternehmen erhalten. Die Mitglieder kommen somit leichter und kostengünstiger an Informationen über Produkte, an denen sie zuvor ihr Interesse bekundet haben. Hinzu kommt, dass durch den Erfahrungsaustausch über Produkte das Risiko der Kaufentscheidung verringert wird. Der Markt gewinnt für die Mitglieder an Transparenz und ihre Transaktionskosten sinken. Daraus resultiert die bereits erwähnte Machtverschiebung von den Unternehmen hin zu den Kunden. (b) Vorteile für die beteiligten Unternehmen: Communities bieten den Unternehmen über Mitgliederprofile und das Beobachten (tracking) einzelner Teilnehmer innerhalb der Community Zugang zu Kundenprofilen. Die so erhaltenen Informationen über die Nutzer und damit über potentielle Kunden ermöglichen den Unternehmen ein One-toOne-Marketing,5 mit dessen Einsatz die Zielgenauigkeit verkaufsunterstützender Maßnahmen verbessert werden kann. Der Aufwand der Kundenansprache kann somit reduziert, die Akquisitionskosten für Neukunden gesenkt und somit Ressourcen effizienter eingesetzt werden. Zudem können Unternehmen in Communities die Zufriedenheit der Kunden mit den Produkten messen, indem sie den Erfahrungsaustausch zwischen den Mitgliedern beobachten und dokumentieren. Eventuelle Mängel des eigenen Produkts können dann schneller geortet und somit die Produktqualität und der Kundenservice verbessert werden. Die Teilnehmer einer Community fühlen sich einer Community zugehörig, indem sie Inhalte selbst generieren und in der Community immer wieder dieselben Menschen treffen. Es entsteht eine Art Loyalität

Vgl. zum Begriff des One-to-One-Marketing stellvertretend Reichardt (2000).

Cassiopeia - Communities als Erfolgsfaktor im E-Business

85

zu einer Community, und Unternehmen können diese dazu nutzen, im EBusiness eine engere Kundenbindung zu erzeugen.6 Dadurch lassen sich, wie in herkömmlichen Märkten auch, Markteintrittsbarrieren aufbauen. Insgesamt vergrößert sich durch den Einsatz von Communities die Transaktionsneigung der Mitglieder, so dass Käufer und Verkäufer schneller zueinander finden. (c) Vorteile für unabhängige Community-Organisatoren: Wie oben erwähnt kann es für eine Community von Vorteil sein, wenn sie von unabhängigen Organisatoren betrieben wird. Dies gewährleistet die Objektivität der Informationen. Die unabhängigen Organisatoren wiederum können in zweifacher Hinsicht profitieren: Zum einen profitieren sie über den Verkauf von personalisierbaren und damit hochpreisigen Werbebannern auf den Community-Seiten. Zum anderen können die Organisatoren Transaktionsprovisionen und Teilnehmergebühren erheben, sei es von den Unternehmen oder sei es von den Mitgliedern.

3.

ERFOLGSFAKTOREN EINER COMMUNITY UND ENTWICKLUNG DER COMMUNITY-DYNAMIK

Die besagten Vorteile können den Beteiligten nur von einer erfolgreichen, d. h. teilnehmerstarken, Community geboten werden. Ziel jeder Community ist es deshalb, möglichst schnell eine hohe Anzahl von Mitgliedern zu bekommen. Man spricht in diesem Zusammenhang von einer "kritischen Masse" an Teilnehmern. Um diese "kritische Masse" zu erreichen, sollte man verschiedene Erfolgsfaktoren bei der Gestaltung und dem Aufbau einer Community beachten (1). Erst dann setzt sich eine sich selbst verstärkende Dynamik, die so genannte Community-Dynamik, in Gang (2).

Vgl. zur Bedeutung der Kundenkommunikation hinsichtlich Kundenbindung auch den Sammelband von Hesse (Hrsg.; 1997).

der

86

3.1

Cassiopeia - Communities als Erfolgsfaktor im E-Business

Erfolgsfaktoren einer Community

Es sind in erster Linie vier Faktoren, die über den Erfolg einer Community entscheiden: •







Jede Virtuelle Gemeinschaft sollte einen spezifischen gemeinsamen Interessenschwerpunkt aufweisen. Dieser ist Voraussetzung für einen gezielten Einsatz der Ressourcen durch den CommunityOrganisator und hilfreich bei der Gewinnung neuer Mitglieder. Nahe liegend sind geographische und themenbezogene Schwerpunkte, prinzipiell sind aber noch viele andere Kriterien zur Bildung von Interessensschwerpunkten vorstellbar. Der Integration von Inhalt und Kommunikation sollte große Bedeutung zugemessen werden. Die Inhalte müssen allen Teilnehmern zugänglich sein. Die permanente Kommunikation über diese erweitert gleichzeitig die Inhalte der Community. Zusätzlich sollte gewährleistet sein, dass den Nutzern die Möglichkeit offen steht, selbst Inhalte zu generieren. Die Community kann dann auf die von Mitgliedern generierten Inhalte fokussieren. Die Teilnehmer profitieren von einer Community, indem sie sich mehr und objektivere Informationen über Produkte beschaffen können. Deshalb gewinnt an Bedeutung, dass möglichst viele verschiedene Anbieter in der Community vertreten sind. So können die Mitglieder eventuelle Konkurrenzprodukte miteinander vergleichen und sich ein umfassendes Bild über Produktalternativen machen. Die Organisatoren der Communities sollten diese grundsätzlich aus kommerzieller Motivation betreiben. Dadurch ist eher gewährleistet, dass die Ressourcen effizient eingesetzt werden und die Nutzer einen größtmöglichen Nutzen aus ihrer Mitgliedschaft ziehen. Nur Organisatoren, die es verstehen, die Bedürfnisse der Teilnehmer und potenzieller Besucher bestmöglich zu befriedigen, haben auf Dauer eine Chance, sich am Markt durchzusetzen.

Werden diese Erfolgsfaktoren beachtet, kann man eine "kritische Masse" an Mitgliedern erreichen. Ist diese erreicht, beschleunigt sich das

Cassiopeia - Communities als Erfolgsfaktor im E-Business

Wachstum der Virtual Community untereinander verstärkende Prozesse.

3.2

durch

87

vier

sich

selbst

und

Entwicklung einer Community-Dynamik

Die Community-Dynamik

beschreibt

einen Prozess,

der

zu

einer

ständigen Beschleunigung des Wachstums und damit zu einer ständig steigenden Mitgliederzahl der Community führt, sobald die "kritische Masse" an Teilnehmern erreicht ist. Dieser Prozess besteht aus vier Teilprozessen, die alle über das beschleunigte

Mitgliederwachstum

miteinander verbunden sind und sich dadurch gegenseitig verstärken: •

Die generierten Inhalte nehmen mit steigender Teilnehmerzahl selbstverständlich zu. Mehr Nutzer generieren mehr Inhalt. Der zusätzliche Inhalt steigert zunächst die Attraktivität der Community für neue Mitglieder. Diese generieren wiederum neue Inhalte usw.



Durch die steigende Teilnehmerzahl wächst auch die Menge der möglichen Interaktionen zwischen diesen. Besucher lernen sich untereinander

kennen

und

binden

sich

gegenseitig

an

die

Community. Mit steigender Mitgliederzahl steigt also die Loyalität der Teilnehmer, die Wechselrate sinkt aufgrund der höheren Bindung. •

Die wachsende Anzahl an Mitgliedern steigert natürlich auch unmittelbar die Attraktivität der Community für bereits beteiligte und

potenziell

beteiligte

Unternehmen.

Mit

steigender

Teilnehmerzahl steigt das Umsatzpozential einer Community. Dies zieht neue Unternehmen an, was wiederum die Attraktivität für potenzielle Nutzer und damit die Mitgliederzahl erhöht. •

Mit steigender Mitgliederzahl erhöht sich natürlich auch die Anzahl der generierten Teilnehmerprofile. Beteiligte Unternehmen erhalten also detaillierte Informationen von immer mehr

Mitgliedern.

Dadurch erhöht sich die Attraktivität der Teilnahme an einer Community für Unternehmen. Durch die größere Vielfalt an beteiligten

Unternehmen

wird

das Angebot

der

Community

88

Cassiopeia - C o m m u n i t i e s als Erfolgsfaktor i m E - B u s i n e s s

wiederum attraktiver für Mitglieder, da sich die Angebote noch individueller zuschneiden lassen. Die nachstehende Abbildung versucht die oben beschriebene CommunityDynamik zu illustrieren: Mehr Mitglieder in die Community locken

Mitglieder werben und Ausgaben fördern Anbieter in die Community locken

Attraktivität

Kaufangebote

des Inhalts

Mitglieder erzeugen eigene Inhalte

Z u n e h m e n d e E r t r ä g e in der virtuellen C o m m u n i t y Gezielte Werbung und Kaufangebote

Mitgliederprofile

( MitgliederMi V loyalität

\

Informationen über Mitarbeiter sammeln

Abb.

1:

Die sich selbst (Quelle:

Aufbau der Loyalität von Mitgliedern zur Community

verstärkende

Armstrong/Hagel

Interaktion zwischen Mitgliedern fördern

Community-Dynamik 1999,

S.

61)

Trotz dieser sich selbst verstärkenden Kreisläufe kann natürlich nicht von einem Automatismus des Wachstums die Rede sein. Es bedarf im Gegenteil eines gezielten und aktiven Managements der Community, um die oben beschriebene Dynamik erstens in Gang zu bekommen und um sie zweitens am Laufen zu halten. Für die Phase des Community-Aufbaus sind vor allem die allgemeinen Marketing-Tools von Bedeutung, die dafür sorgen, dass ausreichend "Laufkundschaft" auf die Community trifft. Dabei ist zu beachten, dass sich die Werbemaßnahmen nicht nur auf herkömmliche Offline-Werbung (Print, TV, ...) beschränken sollte, sondern ebenso Werbung im Internet (Links, Banner, Eintragung in Searchengines,...) ein effizientes Mittel sein kann, neue Mitglieder zu werben.

Cassiopeia - Communities als Erfolgsfaktor im E-Business

89

Um die gewünschte Community-Dynamik zu erreichen, d. h. die "Laufkundschaft" zur "Stammkundschaft" zu machen, bedarf es darüber hinaus jedoch des Einsatzes spezieller Community-Tools und der Gestaltung attraktiver Angebote. Dazu zählen beispielsweise aktuelle und personalisierte Informationen zu den Kernthemen der Community, ChatMöglichkeiten, Homepagebuilding usw. Daneben gewinnt auch die "Rundum-Pflege" der Community an Bedeutung, d. h. Mitglieder müssen betreut, Inhalte gepflegt, Beiträge überwacht werden etc.

4.

AUSBLICK: MÖGLICHKEITEN DES SOFTWAREGESTÜTZTEN AUFBAUS EINER ERFOLGREICHEN COMMUNITY

Die cassiopeia AG (www.cassiopeia.com) unterstützt sowohl Unternehmen als auch unabhängige Organisatoren dabei, erfolgreiche und dynamische Communities aufzubauen. Die Kernkompetenz von cassiopeia liegt dabei in der kompletten Umsetzung einer Community: Hierzu gehört zunächst die Beratung bei der Grundlagenermittlung und die Konzeption einer entsprechenden Community. Ferner werden die Konzepte realisiert und installiert. Ebenso kümmert sich cassiopeia um die anschließende Betreuung. Die cassiopeia AG bietet dazu seinen Kunden eine Software-Lösung, die verschiedene Module integriert. Ziel dieser Software im modularen Aufbau ist es, die Community-Dynamik in Gang zu setzen und zu kontrollieren. Im Folgenden sollen einige ausgewählte Module kurz beschrieben werden: • Das Modul Diskussion ist als Plattform fiir den Meinungsaustausch zentral für eine Community, s regt durch Übersichtlichkeit und die Möglichkeit, sich über Reaktionen auf eigene Beiträge benachrichtigen zu lassen, zu wirklichen Diskussionen und damit zur Erzeugung von Inhalten an. Des Weiteren kann die Erzeugung von Inhalten über das Chat-Modul gefördert werden. Dabei handelt

90





Cassiopeia - Communities als Erfolgsfaktor im E-Business

es sich um einen leistungsfähigen Echtzeit-Chat, der unter anderem auch mit der Möglichkeit zur Moderation ausgestattet werden kann. Mit Hilfe des Moduls Mailcenter können Community-Mitglieder EMail-Accounts einrichten. Dieses Modul bietet darüber hinaus die Möglichkeit, den Mitgliedern weitere Kommunikationsdienste, wie das Verschicken von SMS oder Fax, zu nutzen. Außerdem können sich Mitglieder mit dem Homepage-Modul eigene Homepages erstellen, über das Modul Postcard virtuelle Postkarten per E-il verschicken, und das Gamecenter-Modul als Plattform für Mehrbenutzer-Spiele nutzen. Das Modul AdServer ermöglicht Werbeeinblendungen in Form von Bannern, mit deren Hilfe einzelne Community-Benutzergruppen gezielt beworben werden können. Zusätzlich können mit Hilfe des Tracking-Modul die Aufenthaltsorte und Wege vorher definierter Benutzergruppen verfolgt werden. Die Ergebnisse werden in übersichtlichen Diagrammen dargestellt.

Neben diesen Modulen existieren noch weitere. Zudem ist letztlich noch auf die Bedeutung des Managements einer Community hinzuweisen. Denn auch wenn die Community-Dynamik selbstverstärkende Wirkung zeitigt und durch die beschriebenen Module unterstützt wird, so ist darüber hinaus das Vorhalten entsprechender Humanressourcen notwendig, die eine permanente Weiterentwicklung der Community vorantreiben.

Cassiopeia - Communities als Erfolgsfaktor im E-Business

91

LITERATURVERZEICHNIS Armstrong, A., Hagel III, J. (1999), Net gain - Profit im Netz: Märkte erobern mit virtuellen Communities, Niederhausen/Ts. 1999 Faßler, M. (Hrsg.; 1994), Cyberspace: Gemeinschaften, virtuelle Kolonien, Öffentlichkeiten, München 1994 Hesse, J. (Hrsg.; 1997), Kundenkommunikation und Kundenbindung: neue Ansätze zum Dialog im Marketing, Berlin 1997 Newell, F. (2000), Loyality.com: Customer Relationship Management in the New Era of Internet Marketing, McGraw-Hill 2000 Reichardt, C. (2000), One-to-One Marketing im Internet. ErfolgreichesE-Business für Finanzdienstleister, Wiesbaden 2000 Stolpmann, M. (2000), Kundenbindung im E-Business - Loyale Kunden nachhaltiger Erfolg, Bonn 2000

5 . VIRTUELLES-KAUFHAUS.DE - EIN S T A R T - U P ZWISCHEN TECHNIK UND GESCHÄFTSIDEE

Lars Quiring, Christian Backmann

1.

2.

3.

4.

EINLEITUNG: DER START-UP UND DAS POSITIONIERUNGSPROBLEM

95

1.1

Gründung

95

1.2

Spannungsfeld Geschäft und Technik

96

GESCHÄFTSIDEE UND TECHNIK IM B2C-MARKT

98

2.1

Shop-Konzept

99

2.2

Marketplace-Konzept

99

2.3

Konkurrenzanalyse

101

2.4

Lieferfenster als Problem der Online-Shops

104

GESCHÄFTSIDEE UND TECHNIK IM B2B-BEREICH

107

3.1

E-Procurement

108

3.2

E-Frastructure

109

3.3

Konkurrenzanalyse

110

3.4

Diffusionsprobleme

112

SCHLUSS: WIE UND WO POSITIONIEREN?

113

Virtuelles-Kaufhaus.de - ein Start-Up zwischen Technik und Geschäftsidee

1.

95

EINLEITUNG: D E R START-UP UND DAS POSITIONIERUNGSPROBLEM*

1.1

Gründung

Die Unternehmung "Virtuelles Kaufhaus" startete als "klassische InternetGründung" im Mai 1998. Insgesamt wollte man zunächst InternetDienstleistungen im Sinne von Planung, Konzeption, Design, Aufbau und technischer Pflege von komplexen Internet-Präsenzen erbringen. Dies beinhaltet zunächst die Entwicklung skalierbarer Datenbankstrukturen zur Abbildung und Anbindung der für E-Commerce relevanten Wertschöpfungsfunktionen von Unternehmen. Andererseits sollten über Beobachtung und Analyse des WWW Nischen für eigene Geschäftsideen aufgedeckt und das für eine technische Basisentwicklung notwendige inhaltliche Wissen erworben werden, um diese Ideen umsetzen zu können. Mit zunehmender Reife und folglich Komplexität der Ideen war der Verkauf an Partner angedacht, lediglich die technische Betreuung sollte weiterhin durch das "Virtuelle Kaufhaus" abgewickelt werden. Dieser Ansatz machte es nötig, vier grundlegende Aktivitätsfelder zu besetzen: •



Entwicklung komplexer Datenbankschemata zur Realisierung der Funktionalitäten, die der Kunde im Internet anzubieten hat. Eine offene Architektur ermöglicht dabei die direkte Vernetzung mit Unternehmensprozessen. Möglichkeiten der Neuentwicklung oder Abstimmung des Designs als HTML-Grafik-Design. Das Augenmerk liegt hierbei auf Möglichkeiten des Internets bzgl. Layout und Einsatz von interaktiven Elementen.

Die Autoren bedanken sich an dieser Stelle bei cand. rer. pol. Karolin Marx für die konstruktive und insbesondere inhaltliche Unterstützung bei der Erstellung dieses Aufsatzes.

96

Virtuelles-Kauihaus.de - ein Start-Up zwischen Technik und Geschäftsidee



CGI-Programmierung als Bindeglied zwischen Datenbanken und ihrer Repräsentation als HTML-Seite. Dies impliziert eine portable Programmierung, die plattformunabhängig mit austauschbaren Datenbanken arbeitet und so größtmögliche Flexibilität erlaubt.

Die Beobachtung und Analyse des WWW zur Identifikation eigener Geschäftsideen hatte die Erarbeitung von vier größeren eigenen Produkten zur Konsequenz: billiger-strom.de, virtuelles-kaufhaus.de, virtuellebueros.de und virtuelle-galerie.de. Insbesondere im Rahmen des Produktes virtuelles-kauihaus.de wurde jedoch deutlich, dass sich die Gründer auf ein Feld konzentrieren müssen. Gelingt dies nicht, so sitzt die Gesellschaft "zwischen den Stühlen"1 im "Spannungsfeld zwischen Geschäftsidee und Technik".

1.2

Spannungsfeld Geschäft und Technik

www.virtuelles-kaufhaus.de - a l s technisches System- ist ein MailSystem, das Unternehmen die Präsentation ihrer Produkte auf den verschiedenen Etagen eines "Kaufhauses" ermöglicht. Basis dafür ist die Simulation eines realen Kaufhauses durch ein 3D-System. Es ist möglich, Produkte in Abhängigkeit der vom Anwender optional zu wählenden Stadt zu präsentieren (interessant für ortsabhängigen Lieferservice). Die Realisierung eines virtuellen Kaufhauses durch 3D-Graflken ist in dieser Ausbaustufe bisher einzigartig. Das bei der Entwicklung eingesetzte Software-System hat zum Vorteil, die Daten schon heute in ein in Echtzeit zu durchschreitendes 3D-Modell (VRML) transformieren zu können.2 Die im Back-End liegenden relationalen Datenbankstrukturen ermöglichen die strukturierte Erweiterung und Anpassung des Systems an

Vgl. Porter (1999), S. 41 ff. Der Einsatz im WWW scheitert derzeit noch an den geringen Transfergeschwindigkeiten des WWW selbst. Es ist abzusehen, dass dieser Engpass zunehmend an Bedeutung verliert. Das www.virtuelleskaufhaus.de ist aufgrund der geleisteten Vorarbeit dann kurzfristig (in Relation zur Neuentwicklung) in der Lage, dem Kunden in Echtzeit eine Simulation eines 3-dimensionalen Einkaufes anzubieten.

Virtuelles-Kaufhaus.de - ein Start-Up zwischen Technik und Geschäftsidee

97

alle denkbaren Situationen: Dies ermöglicht die Nutzung des Systems als ein kollektives Mali-System. Die Warendatenbanken vieler heterogener Mall-Partizipienten werden in ein einheitliches Design eingespeist. Es erfolgt eine zentrale Auftragsverwaltung mit Rechnungslegung, Versand und Mahnwesen durch den Mali-Betreiber. Unabhängig davon werden die einzelnen Warendatenbanken nur von den jeweiligen Mall-Partizipienten dezentral gepflegt. B2C

Abb. 1:

B2B

Geschäft

Goldsucher

Technik

Schaufelhersteller

Positionierungsoptionen

des" virtuellen Kaufhauses"

Auf Basis dieser Technologie bieten sich dem Unternehmen verschiedene Positionierungsoptionen (vgl. Abb. 1). Das technische System kann auf der einen Seite selbst betrieben (Geschäft) oder als technische Systemlösung (Technik) im Sinne einer Lizenzvergabe an Unternehmen verkauft werden. Auf der anderen Seite kann das System in beiden Optionen im Bereich des Business to Consumer (B2C) oder im Bereich des Business to Business (B2B) genutzt werden. Verglichen mit der Zeit des "Klondike-Goldrush" können so Goldsucher und Schaufelhersteller unterschieden werden. Die Goldsuchermentalität kommt im Betrieb als Geschäft zum Ausdruck. Hier hoffen die Glücksritter, die einzelnen Geschäftsbetreiber, auf die Nutzung der Idee (das Finden von Gold am Klondike) und den dann eintretenden großen Reichtum. Doch nur wenige wurden am Klondike wirklich reich. Reich hingegen werden eher die Schaufelhersteller. Wer für die Goldsucher Schaufeln, Decken, Zelte, Stiefel oder gebackene Bohnen in Dosen zum Verkauf anbietet, verdient

98

Virtuelles-Kaufhaus.de - ein Start-Up zwischen Technik und Geschäftsidee

an der risikobehafteten Goldsuchidee in einer vorgelagerten Phase des Rushs. Im Folgenden wird auf diese Optionen noch näher eingegangen.

2.

GESCHÄFTSIDEE UND TECHNIK IM B 2 C - M A R K T

Der in Deutschland getätigte Online-Umsatz mit privaten Endkunden (Business to Consumer) verzeichnete von 1998 bis 1999 eine Verdreifachung auf ca. 2,2 Mrd. DM. 2001 werden nach Schätzungen in Deutschland insgesamt 28,9 Mrd. DM über das WWW umgesetzt. 4 Im B2C-Markt gibt es grundsätzlich zwei Anbietertypen, um dieses Potenzial zu nutzen. Die Organisationsformen unterscheiden sich in der Art und Weise, wie das Online-Geschäft betrieben wird: •

Die Multichannel-Anbieter versuchen ihr bestehendes OfflineGeschäft in den virtuellen Markt zu transferieren (Shop-Konzept).



Die Gruppe der Pure Plays5 versucht durch von Fremdvergabe geprägten Geschäftsideen, den elektronischen Markt zu beherrschen (Marketplace-Konzept) ,6

In den beiden folgenden Abschnitten wird die Analyse des Shop-Konzepts und des Marketplace-Konzepts in den Fokus der Betrachtung gerückt.

Diese Zahl beinhaltet sämtliche über das Internet verkauften Waren und Dienstleistungen, unabhängig davon, ob der Anbieter selbst als Händler bzw. Leistungserbringer auftritt oder ob er gegen Provision OnlineUmsätze für Dritte anbahnt. Zu diesem Ergebnis kam eine E-CommerceStudie der Boston Consulting Group, bei der über 120 führende OnlineUnternehmen in Deutschland befragt wurden. Vgl. BCG (1999), S. 7. Vgl. Schätzungen von Forrester Research in o.V. (1998), S. 72-74. Vgl. BCG (1999), S. 14. Das Verhältnis dieser beiden Anbieter hängt stark von der Branche ab. Während bei Versicherungen hauptsächlich Multichannel-Anbieter aktiv sind, werden Auktionen zu 100 Prozent von reinen Online-Anbietern durchgeführt. In dem Bereich der virtuellen Handelshäuser dominieren bisher noch die Multichannel-Anbieter, die Zahl der reinen OnlineAnbieter nimmt aber ständig zu.

Virtuelles-Kaufhaus.de - ein Start-Up zwischen Technik und Geschäftsidee

2.1

99

Shop-Konzept

Für Multichannel-Anbieter stellt das WWW "nur" einen neuen Vetriebskanal neben stationären Kanälen wie Warenhäusern und Filialen oder direkten Vertriebsformen wie Katalog oder Telefon zur Übertragung des bereits bestehenden "Ladentischkonzepts" in die virtuelle Welt dar. Die Multichannel-Anbieter bauen auf Erfahrungen und bestehender Infrastrukturen auf. Durch den eigenen Online-Shop bleibt ihre Unabhängigkeit gewahrt. Für den Kunden ist der Zusatznutzen zum Offline-Geschäft relativ gering. Freilich kann der Gang zum Warenhaus und das Schlangestehen an der Kasse dem E-Kunden erspart bleiben. Entscheidend ist jedoch, dass aufgrund des identischen Produktangebots wie im Offline-Geschäft Streuverluste zwischen Nachfrage und Angebot weiterhin bestehen bleiben. Die Möglichkeit der schnellen Bündelung mannigfaltiger Informationen von verschiedenen Anbietern und damit die Angleichung von Angebot und Nachfrage im Medium WWW wird bei diesem Ansatz nicht beachtet. Gerade hier setzt das zweite Geschäftsmodell an.

2.2

Marketplace-Konzept

Das Marketplace-Konzept baut auf den neuen Anforderungen des elektronischen Marktes, respektive der veränderten Beziehungen zwischen Anbieter und Nachfrager auf. Evans/Wurster (2000) führen dies auf folgenden Sachverhalt zurück: Auf herkömmlichen Märkten besteht g

ein Trade-Off zwischen "Richness und Reach". Die Unternehmen müssen sich entscheiden, ob sie entweder viele potenzielle Kunden mit wenig reichhaltiger Information ansprechen oder wenige Kunden mit qualitativ hochwertiger Information versorgen.

Vgl. PWC Aufsatzsammlung. Vgl. Evans/Wurster (2000), S. 23: "Richness means the quality of information, as defined by the user: acuracy, interactivity, relevance, security and so forth. Reach means the number of people who participate in the sharing of that information."

100

Virtuelles-Kaufhaus.de - ein Start-Up zwischen Technik und Geschäftsidee

Gefahr des Versandens" lassischer Markt , . . ) \ J 4U Alternative A

hoch Reach

/ gering

v

„ w lin virtueller Markt?

„ .. , tueller Markt

Rassischer Markt . „ Alternative B

)

gering

hoch Richness

Abb. 2:

Der Trade-Off zwischen Richness und Reach wird durch das WWW relativiert. (Quelle: in Anlehnung an Evans / Wurster 2000, S. 23)

Dieser Trade-Off wird durch das WWW relativiert. Jedes Unternehmen kann auf dem virtuellen Markt eine breite Masse an potenziellen Kunden (Reach) mit reichhaltiger Information (Richness) ansprechen. Zusätzlich wächst die elektronische Informationsversorgung nicht zuletzt durch die steigende Anzahl virtueller Anbieter, was zu einer Informationsüberflutung der Nachfrager fuhrt. Das Suchen nach der richtigen Information ist zu einer Suche nach der Nadel im Heuhaufen geworden. Vor allem in intransparenten Branchen wie Warenhäusern entsteht eine Tendenz zum "Cybershopping-Frust". Entgegen dem bisherigen Trend des E-Commerce, der möglichst viele Absatzmittler auszuschalten sucht, fordert die ständige Zunahme von Angeboten Instrumente zur Koordination. Idee des Marketplace-Konzepts ist es nun, einen zentralen Marktplatzorganisator einzuschalten, der Angebot und Nachfrage zusammenbringt. 10 Für den Kunden schafft dies einen addedvalue zu den herkömmlichen Geschäften in Form einer schnellen und 9

10

Vgl. Evans/Wurster (2000). T. Kollmann (1999): "Es findet eine Re-Intermediation von Handelsmittlern statt." Eine Nachfragebündelung erfolgt produkt- und unternehmensneutral und wird erst anschließend mittels einer Datenbank

Virtuelles-Kaufhaus.de - ein Start-Up zwischen Technik und Geschäftsidee

101

genauen Erfüllung seiner Bedürfnisse - ohne Streuverluste und ohne zeitliche und räumliche Einschränkungen. "Pure Plays" gehen Kooperationen mit bestehenden Warenhäusern ein, welche die Lagerung und Auslieferungslogistik übernehmen. Die einzelnen Anbieter konzentrieren sich auf ihre Kernkompetenzen und werden damit zu "Dirigenten eines komplexen Netzwerkes von Partnern".11 Die Einnahmen der Marktplatzbetreiber bestehen aus Einstellgebühren und Provisionserträgen für Verkäufe, welche die Anbieter für die Nutzung der Plattform bezahlen müssen. Das "Virtuelle Kaufhaus" stellt eine solche Plattform dar, auf der bspw. Lebensmittel, Kleider etc. verschiedener Anbieter an die Besucher der Internet-Seite vermittelt werden. Einkauf, Lagerung, Auslieferung und Rechnungsstellung können durch die Anbieter selbst erfolgen. Der Systemaufbau des "Virtuellen Kaufhauses" sieht hier jedoch auch die Abbildung eines Geschäftsprozesses mit zentraler Rechnungsstellung vor.

2.3

Konkurrenzanalyse

Im Folgenden wurde mittels einer Konkurrenzanalyse untersucht, wie das "Virtuelle Kaufhaus" im Vergleich zu Wettbewerbern positioniert ist. Zu diesem Zweck wurden acht Auftritte von Warenhäusern im WWW hinsichtlich der Kategorien Design, Warenangebot, Bestellung, Kontakt und Lieferung untersucht. •

Beim Design ging es darum, die Gestaltung der Startseite, die Übersichtlichkeit und die Funktionalität der Hilfe- und Suchfunktion zu vergleichen. Die 3D-Gestaltung der Startseite positioniert das "Virtuelle Kaufhaus" an erster Stelle. Die Hilfeund Suchfunktion ist hingegen bei Quelle, Otto und my-world funktionaler ausgestaltet.

mit einer Vielzahl angeschlossener Unternehmen in Übereinstimmung gebracht. BCG (1999), S. 18.

102

Virtuelles-Kaufhaus.de - ein Start-Up zwischen Technik und Geschäftsidee



Das Produktangebot

wurde im Einzelnen auf

Produktanzahl,

Gewährung von Sonderangeboten und ergänzende Informationen zu den Produkten untersucht. Führend bei der Produktanzahl ist die "electronic mall bodensee" (emb). 12 Mit neun Anbietern

am

Standort Leipzig befindet sich das "VK" im mittleren Bereich. Sonderangebote werden nicht durch einem Extralink wie z. B. "Schnäppchen-Angebote" kenntlich gemacht. Personalisierung und

OB j 1

3! X

I

| C

I

1 1 0. 1

Design Produktangebot Kaufhof

+/-

+/- +

+

++

+/-

++ ++

+

+

Otto

+

++ ++

+

++ +

+

+

+

+

+/-

+

+

+

emb

+/-

+++ +

Neckermann +

+

++

+

+

Shopping-24 +

+

+++ +

+

+

+/- +

+

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++ +

Spar

+/-

+

+

VK

+++ +

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+

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+

+++ = überdurchschnittlich gut

+

+

+

+

my-world

1 i? ?Ì

u < Bestellung

Quelle

+

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.SP

+

+

-

+

-

++ = sehr gut

?



+

-

+

+

-

+

+

+

+

+

+

4 Tage DM

+

Abhängig vom Partner 24 h 30 3 Tage DM

+

2 Tage

-

Abhängig vom Partner

+ +

JS

Abhängig vom Partner = gut/vorhanden

+/- = mittel



der

Bestellung

+



Abhängig vom Partner

wurde

-



Lebensmittel 2 h 2-ih 10 DM

-

+

Konkurrenzanalyse der Kaufliäuser Kategorie

i4h 2 Tage DM

+

+

Abhängig vom Pattner

Abb. 3: Bei

+

+

s

a.

3 Tage

+

Abhängig vom Partner

-

+

+

+

+

+

|

0 a. Kontakt Lieferservice

Bezahlung

-

-

1% 1 s* i

Eigene Niederlassung

I

1

Hotline

|

Kreditkarte

|Vi

Rechnung

0

Bestell-arücilung

|

| Produkt in formation

j

Multiperspektive des Produktes werden nicht ermöglicht.

+

= schlecht/nicht vorhanden

geprüft,

wie

das

Warenkorbsystem funktioniert, ob die Bestellabwicklung erklärt wird und ob der Kunde eine Auftragsbestätigung per E-Mail erhält. Anschließend

folgte

ein

Vergleich

der

verschiedenen

Zahlungsmöglichkeiten der Kunden. Beim Warenkorbsystem ist es vorteilhaft,

wenn

der kumulierte

Gesamtpreis

während

des

Einkaufsprozesses sichtbar ist, wie es bei Spar beispielsweise der Fall ist. Das "Virtuelle Kaufhaus" bietet weder dieses Feature noch

Diese fuhrt insgesamt 5.000 Produkte von über 40 Anbietern.

verschiedenen

Virtuelles-Kaufhaus.de - ein Start-Up zwischen Technik und Geschäftsidee

103

eine detaillierte Bestellanleitung an, obwohl das letztgenannte für neue Nutzer von großer Bedeutung ist. Eine ausführliche Anleitung, wie sie Otto verwendet, gibt dem User Vertrauen und mindert das Risiko, dass der Einkaufsprozess vor der Bestellung abgebrochen wird. In dieselbe Richtung zielt eine E-Mail-Auftragsbestätigung, die Kaufhof und Otto gewähren. Auch sie erhöht das Sicherheitsgefühl des Nutzers. Während Spar und das "Virtuelle Kaufhaus" die Bezahlung in bar oder per Eurocheque direkt bei der Warenübergabe wünschen, bietet die Mehrzahl der Warenhäuser eine Rechnung im Nachhinein an. Kreditkarten werden wegen der Datenübertragung via Internet von den meisten Kunden abgelehnt.13 •



Möglichkeiten der Kontaktaufnahme bieten sich für den Kunden per E-Mail oder Hotline. Während Quelle, Otto und Karstadt beide Tools anbieten, beschränken sich die anderen Anbieter auf eine E-Mail-Adresse auf der Homepage. Abschließend wurde, soweit möglich, der Lieferservice der verschiedenen Anbieter bzgl. der Zeit der Lieferung (Lieferfenster) und Zusatzkosten für den Kunden untersucht. An dieser Stelle wird auf die Ergebnisse in der Tabelle verwiesen, da ein ausfuhrlicher Vergleich aufgrund der Partnerabhängigkeit schwierig ist. 14

Während die oben dargestellten technischen Unterschiede relativ schnell und einfach kompensiert werden können, existiert jenseits dessen ein entscheidendes Problem. Der virtuelle Lebensmittelverkauf des "Virtuellen Kaufhauses" ist in der Testphase, die Produkte können noch nicht oder nur in bestimmten Gebieten online eingekauft werden. Diese kann aus folgenden Gründen negative Auswirkungen auf die Wettbewerbsposition des "Virtuellen Kaufhauses" haben: Im Cyberspace gilt das Gesetz der großen Zahlen, d. h. es muss eine bestimmte kritische

13 14

Vgl. hierzu jedoch kritisch die Studie von ECIN (2000). Grundsätzlich gibt es vier Möglichkeiten der Distribution von online bestellten Waren, auf die an späterer Stelle eingegangen wird.

104

Virtuelles-Kaufhaus.de - ein Start-Up zwischen Technik und Geschäftsidee

Masse erreicht werden, damit das Geschäft erfolgreich ist. 15 Die große Anzahl der heute schon am Markt operierenden Warenhäuser versuchen alle potenziellen Kunden abzuschöpfen. Während die MultichannelAnbieter in dieser Hinsicht einen Vorteil durch ihren im Offline-Markt bekannten Namen haben, versuchen die Pure Plays durch aggressive Werbung, Partnernetzwerke und Bindung an ihren Marktplatz ihre Stellung im Netz auszubauen.16 Für alle Wettbewerber existiert jedoch das grundsätzliche Problem des "Lieferfensters-Fullfillments". Dies soll im Folgenden diskutiert werden.

2.4

Lieferfenster als Problem der Online-Shops

Es gibt drei mögliche Distributionskanäle für online bestellte Güter. Die Wahl ist abhängig davon, wie dringend das Produkt ausgeliefert werden soll und auf welche bestehenden Infrastrukturen die Anbieter zurückgreifen können. •

Der Posi-Service wird von Anbietern genutzt, die ihre OnlineKundschaft aus einem Zentrallager mit Produkten wie Mode, 17



Gebrauchsgegenstände etc. bedienen. Der Vertrieb via Post ist günstig, beansprucht aber viel Zeit. Die verschiedenen Anbieter garantieren hier Lieferzeiten von zwei bis vier Tagen. Die Expresszustellung erfolgt per LKW und wird innerhalb von 24 Stunden nach Bestellung garantiert. Die Anbieter verteilen die Produkte meist aus einem Zentrallager an Kunden in ganz Deutschland. Bei kleineren Aufträgen muss eine geringe Gebühr bezahlt werden.18

Vgl. Heil (1998), S. 99ff. 16

17

18

Vgl. BCG (1999), S. 19ff. Der amerikanische Internet Buchhändler Amazon verschickt beispielsweise seine gesamte Ware per Post. Ab 200 DM Bestellvolumen ist der Service beispielsweise bei Kaufhof Köln kostenfrei. Vgl. Sturm (1998).

Virtuelles-Kauihaus.de - ein Start-Up zwischen Technik und Geschäftsidee



105

Der Vertriebsweg über eigene Niederlassungen ermöglicht auf der einen Seite eine schnelle Zustellung, setzt jedoch auf der anderen 19



Seite eine hohe Niederlassungsdichte voraus. Auch bei einer so hohen Filialdichte wie beispielsweise bei Spar bleibt das Problem der "letzten Meile". Eine andere Möglichkeit der Auslieferung zum Kunden sind hauseigene Zustelldienste wie beispielsweise Hermes Versand von Quelle. Der Distributionskanal Deutschlandweite Partner bietet eine schnelle Zustellung und setzt im Gegensatz zur Distribution über eigene Niederlassungen diese nicht voraus. Der Vertriebsweg wird verstärkt vor allem im Lebensmittelbereich von Pure Plays genutzt. Sie haben selbst kein Lager und können deshalb entweder Partner suchen, die über ein hohes Filialnetz verfügen, wie z. B. Spar, oder sie gehen mit verschiedenen Warenhäusern vor Ort Kooperationen ein. Hierbei ist wichtig, dass in den jeweiligen Städten möglichst viele Partner für die einzelnen Bereiche gefunden werden, damit die Vielfältigkeit der Marktplattform gewährleistet bleibt. 20 Diese Strategie verfolgt das "Virtuelle Kaufhaus", indem Partnerschaften mit lokalen Anbietern favorisiert werden. Kleine Handelshäuser haben dadurch die Möglichkeit, sich relativ kostengünstig im Internet zu platzieren und zusätzlich durch die Plattform einen größeren Kundenkreis zu bedienen. Trotzdem ist es schwierig, eine große Anzahl von Warenhäusern an sich zu binden, nicht zuletzt So garantiert Karstadt mit my-world.de im Bereich der Lebensmittel zwar eine schnelle Auslieferung über ihre Niederlassungen, ihr Service beschränkt sich jedoch auf die Städte Deutschlands, wo Filialen vorhanden sind. Alle potenziellen Kunden, die nicht Bewohner dieser Städte sind, können somit nicht online einkaufen. Spar hingegen verfügt über ein sehr eng gespanntes Filialnetz, weshalb es ihnen gelingt, alle Städte Deutschlands zu versorgen. Sie garantieren eine Lieferung innerhalb von zwei Stunden, eine Bestellung bis 18 Uhr wird noch am selben Abend ausgeliefert Lösungsansätze hierfür sind Zustelldienste wie beispielsweise "Shoppers Express" in den USA, der mit 30 Supermarktketten zusammenarbeitet und somit vom nächstgelegenen Markt die Bestellungen ausliefern kann. Die Kosten der Zustellung werden zwischen Händler und Kunden geteilt.

106

Virtuelles-Kaufhaus.de - ein Start-Up zwischen Technik und Geschäftsidee

deshalb, weil viele Anbieter durch das Online-Geschäft Kannibalisierungseffekte mit ihrem Offline-Geschäft befurchten.21 Das Problem der "letzte Meile" besteht, wie oben erklärt, auch bei diesem Distributionskanal. Eine grundsätzliche Option zur Handhabung der "letzten Meile" bietet die Integration in City-Logistik-Modelle. Hierbei werden die Waren auch von Online-Geschäften zur Lieferung in eine Stadt in ein außerhalb gelegenes Umschlagszentrum geliefert. Die Distribution in die Stadt selbst wird nach Umladung von besonderen Stadt-Spediteuren durchgeführt. Die Durchläufe in den Städten können dann von Online-Geschäften zum Versenden von Waren in sehr kurzer Zeit genutzt werden, indem die Waren in den Lauf "eingespeist" werden.

/\

Lauf

bß ^ ^ c 3 £ W Warenzentrum "3

r

Abb. 4:

Stadt Ein ¡peisung in den Lai

r

A

Die Lösung des "Last-Mile"-Problems der City-Logistik

durch Einspeisung

in Läufe

Es ist deutlich zu erkennen, dass Online-Shopping, vor allem in dem Bereich der Lebensmittel mit Problemen behaftet ist. Trotz der vielen operierenden Online-Warenhäuser heutzutage, beschränken sich die meisten auf Waren wie Mode, Mediaprodukte, Sport- und Drogerieartikel etc., da bei dieser Art von Gütern hinsichtlich der Auslieferung und Lagerung geringere zeitliche Probleme entstehen. Neben der soeben beschriebenen Geschäftsidee hat das "Virtuelle Kaufhaus" noch ein zweites Standbein im Internet-Geschäft. Die für das "Virtuelle Kaufhaus" entwickelte Technik kann anderen Unternehmen zur Nutzung im Rahmen eines virtuellen B2B-Geschäfts angeboten werden.

Vgl. Sturm (1998).

Virtuelles-Kaufhaus.de - ein Start-Up zwischen Technik und Geschäftsidee

107

Eine Analyse dieser Strategie bildet den inhaltlichen Schwerpunkt des nächsten Kapitels.

3.

GESCHÄFTSIDEE UND TECHNIK IM B 2 B - B E R E I C H

Während der business-to-consumer(B2C)-E-Commerce-Markt durch ein überdurchschnittliches Wachstum gekennzeichnet ist, geht man davon aus, dass der business-to-business(B2B)-Markt noch schneller wachsen 22

wird. Eine Studie von Goldman Sachs schätzt den in USA 1999 getätigten Umsatz zwischen Firmen im Internet auf $114 Billionen und prognostiziert ein Umsatzwachstum auf $1,5 Trillionen in 2004. In einem ersten Zugriff kann man zwischen zwei Handlungsmöglichkeiten für Unternehmen auf dem E-Markt unterscheiden. • Zum einen bietet sich die Möglichkeit, einen elektronischen Marktplatz aufzubauen, auf welchem Unternehmen als Käufer und Verkäufer zusammenkommen, um zu kommunizieren, zu werben, Transaktionen durchzuführen und Ideen auszutauschen. Das marktplatzbetreibende Unternehmen nimmt ausschließlich eine Vermittlerrolle ein. Eine zweite Möglichkeit besteht darin, den Marktplatz zum direkten Kontakt mit dem Kunden, d. h. als neuen Absatzkanal neben den bereits bestehenden einzusetzen. Darüber hinaus bietet sich die Nutzung des elektronischen Marktplatzes vor allem im Beschaffungsbereich von Güter- und Dienstleistungen (CClass-Güter) an (E-Procurement).

Vgl. Goldman Sachs (1999). Dieser Markt wird in der Literatur zum Teil als radikalste Innovation seit der Erfindung des Fließbandes bezeichnet. Vgl. Biedermann (1999). Forrester Research kommt zu einem ähnlichen Ergebnis: In 2003 soll nach ihren Schätzungen der Umsatz im B2B-Geschäft bei $1,3 Trillionen liegen, dies bedeutet eine jährliche Steigerungsrate von 99 Prozent. Merrill Lynch geht davon aus, dass im Jahr 2003 39 Prozent aller Beschaffungsvorgänge in der Computer- und Elektronikindustrie online getätigt werden.

108

Virtuelles-Kaufhaus.de - ein Start-Up zwischen Technik und Geschäftsidee



Auf der anderen Seite erfordert der neue Markt die Entwicklung von Infrastrukturen, welche mittels Lizenz an andere Unternehmen weitergegeben werden können (E-Frastructure) 24

Das enorme Potenzial und die schnelle Adoption des B2B-Marktes kann auf die rasche Durchdringung des Marktes durch das Internet und die steigende Bedeutung der Online-Präsenz zurückgeführt werden. Darüber hinaus bietet die Vereinheitlichung der Standards und die immer einfachere Anwendung die Möglichkeit der weltweiten Vernetzung und der schnellen Übertragung von Informationen.25 Dieser weder räumlich noch zeitlich begrenzte Datentransfer eröffnet den Unternehmen, sowohl auf Käufer- als auch auf Verkäuferseite, Prozesskosteneinsparungspotenziale. Es handelt sich somit um eine "Win-Win"-Situation. Außerdem generieren die Entwicklungen von adäquaten E-MarktArchitekturen, die Voraussetzung für das Funktionieren des Marktes sind, neue und große Einnahmequellen. Das E-Procurement und die E-Frastructure als zwei grundlegenden Handlungsmöglichkeiten für Unternehmen im B2B-Markt stehen im Fokus der folgenden Punkte.

3.1

E-Procurement

Ziel des E-Procurements ist es, mittels elektronischer Verfahren Beschaffungsprozesse für Güter und Dienstleistungen im Unternehmen zu automatisieren und kontrollieren und damit Kostensenkungseffekte zu realisieren. "Die Global-Top-1400 Unternehmen verwenden ca. $4,8 Bio. 26

für die Beschaffung von Gütern und Dienstleistungen." Dies macht ungefähr 25 Prozent der gesamten Ausgaben eines Unternehmens aus. Durch den Einsatz geeigneter IT-Technologie, respektive geeigneter

Hierunter versteht man Softwarelösungen für z. B. virtuelle Shops, Auktionen oder Communities. Diese Techniken bilden die Voraussetzung dafür, dass elektronische Marktplätze überhaupt funktionieren können. Vgl. Sieber (1997). Vgl. PWC-Aufsatzsammlung (1999) Band 4.

Virtuelles-Kaufhaus.de - ein Start-Up zwischen Technik und Geschäftsidee

109

Software-Lösungen, können die Beschaffungsprozesse zwischen Unternehmen und Lieferanten effizienter gestaltet werden. Die Bestellzeiten werden verkürzt, die Lagerbestände sinken und damit auch die Kosten. Somit können sowohl bei Lieferanten als auch bei Abnehmern mittels E-Procurement Rationalisierungspotenziale realisiert werden. Eine Studie der Flughafen Frankfurt AG (FAG) kam zu dem Ergebnis, dass die Betriebskosten für Bestellungen von kleineren Artikeln durch das 27

E-Procurement um 87 Prozent gesenkt werden können. PWC nennt Kostenreduktionspotenziale von $85-$ 100 pro Beschaffungstransaktion. Bei einer durchschnittlichen Anzahl von 100.000 Transaktionen pro Jahr 28 fuhrt dies zu Einsparungen von $5 Mio. bis zu $13 Mio." Zur Realisierung solcher Rationalisierungspotenziale sind geeignete SoftwareLösungen erforderlich. Eine Ausprägungsform dieser so genannten E-Frastructure ist das Shop-Konzept des "Virtuellen Kaufhauses", das im Folgenden im Mittelpunkt der Betrachtung steht.

3.2

E-Frastructure

Das "Virtuelle Kaufhaus" versucht im B2B-Bereich die Software-Lösung anderen Unternehmen zur Nutzung anzubieten. Diese können die Technik für Transaktionen mit Lieferanten oder Kunden einsetzen und somit selbst zum Marktplatzbetreiber werden, wie weiter oben ausfuhrlich dargestellt wurde. Die neue Einnahmequelle dieses Geschäftskonzeptes besteht entweder darin, dass die Entwickler der Software Lizenzen für die Nutzung ihrer Lösungen vergeben oder ihre Technik verkaufen. Moai Technologies und OpenSite, beide Software-Provider für Online-Auktionen, vergeben zum Beispiel Lizenzen an die Kunden für die Nutzung ihrer Auktionen29

Software. Lösungen

Die Entwicklung und der Vertrieb von solchen Softwarebenötigen weder Lagerbestand noch vorhandene

Vgl. Fehr (1999). Vgl. PWC-Aufsatzsammlung (1999) Band 4. Vgl. Goldman Sachs (1999).

110

Virtuelles-Kauihaus.de - ein Start-Up zwischen Technik und Geschäftsidee

Infrastrukturen, darüber hinaus sind die laufenden Kosten relativ gering. Deshalb lassen sich mit solch einem Geschäftskonzept nach einer Untersuchung von Goldman Sachs durchschnittliche Bruttogewinne von 90 bis 100 Prozent erzielen. Dem entgegenzuhalten ist der sich abzeichnende Trend, dass einzelne Unternehmen dazu übergehen Software-Lösungen gratis anzubieten, um damit die Transaktionen in ihrem eigentlichen Geschäft zu steigern.30 Zudem steigt die Zahl der Software-Anbieter für Online-Shops exponentiell an. Welche Position das "Virtuelle Kaufhaus" in dem relevanten Markt einnimmt, wird im nächsten Abschnitt mittels einer Konkurrenzanalyse mit ausgewählten Anbietern von Software-Lösungen für Online-Shops spezifiziert.

3.3

Konkurrenzanalyse

Grundsätzlich kann man bei online angebotenen Shop-Systemen zwischen Mietshops und Kaufshops unterscheiden. Während bei Mietshops anfänglich ein Einrichtungspreis und monatliche Nutzungsgebühren zu entrichten sind, wird bei Kaufshops ein einmaliger entsprechend höherer Kaufpreis verlangt. •

Kosten und Format: Die Einrichtungskosten sowie die monatlichen Mietzahlungen variieren stark unter den angebotenen Shops und verhalten sich proportional zu der Anzahl an Merkmalsausprägungen, die ein Shop aufweist. Die meisten Anbieter bieten zwei verschiedene Shoptypen an: Basis und Exklusiv. Während der Exklusiv-Shop zum Beispiel eine unbegrenzte Artikelanzahl und kostenfreie Banneraufrufe im Werbenetz des Shopentwicklers garantiert, bietet die Basisversion neben den Grundfunktionen keine Extra-Features an.31 Das "Virtuelle Kaufhaus" unterscheidet zwischen Testshop, Einzelhandel und Großhandel, wobei innerhalb des Großhandels und des Einzelhandels weiter nach dem Grad an

Vgl. www.apiras.de. Vgl. www.gigabell.de.

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111

A&B

NetShop

Gigabell

_

15.000

+

+

+

+

_

15.000

+

+

3

+

+

+

unbegrenzt

+

+

+

0

3

+

+

+

+

+

0

+

+

+

+

3D

0-49

49

2

K

400-1.800 0

3

M

0

99

0"

| Auswertung

|Suchmaschine

möglich

Statistische

individuelle Gestaltung

|

j

J |Designvorlage

Warenkorb

jSonderangebote

+

M

Apiras

Produktanzahl

Shopausprägungen*

Service* Strato

Shopping-Mall

Integration in

Service/ techn. Hotline

Anbieter

Installation durch

jversch. Versionen

Kosten pro Monat

Kaufpreis

Einrichtungskosten/

Mietshop/ Kaufshop

|

|

Umsatzbeteiligung differenziert wird. Die Kosten variieren zwischen Null DM und 3.900 DM zuzüglich monatlicher Mietkosten von 250 DM nach Ablauf einer Frist von 12 Monaten. Apiras bietet seinen Shop ohne Zusatzkosten an, bei Erwerb der Warenwirtschaftssysteme, die das Unternehmen anbietet, wird der Shop als integrierter Bestandteil mitgeliefert. Installationshilfen für den Online-Shop werden ebenso wie eine technische Hotline von allen untersuchten Anbietern zur Verfügung gestellt. Die Integration in eine Shopping-Mall wird nur von Gigabell angeboten, wobei dies auch nur dann sinnvoll ist, wenn das marktplatzbetreibende Unternehmen den Shop zum Verkauf der eigenen Ware nutzt. Die Wichtigkeit des Kriteriums variiert je nach Nutzung des Shops.

+

+ +

+

+

+ +

1.000ShopSite

K

2.000

2

+

+

M

200-3.900 35-250 5

+

+

virtuelles Kaufhaus

_

250

*

= A u s w e r t u n g dieser Kriterien a n h a n d des besten Shops, der j e w e i l s angeboten wird

+

= gut/vorhanden

-

= schlecht/nicht v o r h a n d e n

"

= Apiras Warenwirtschaft muss verwendet werden

Abb. 5:



2.000

Konkurrenzanalyse

+

+

+

der Systemanbieter

Shopausprägungen: Bei diesem Merkmal wurde die Gestaltung und die Funktionsfähigkeit der angebotenen Shops verglichen. Im Folgenden werden die jeweils besten Shops der einzelnen Anbieter als Maßstab angesetzt. Während Gigabell eine unbegrenzte

112

Virtuelles-Kauihaus.de - ein Start-Up zwischen Technik und Geschäftsidee

Produktanzahl in ihrem Premium Shop anbietet, ermöglicht das "Virtuelle Kaufhaus" beim Einzelhandelshop die Platzierung von 250 Produkten, beim Großhandelshop wird die Produktanzahl nach Absprache festgelegt. Ein Warenkorb, in dem die eingekauften Produkte gesammelt werden, existiert bei allen angebotenen Shops. Unter den Anbietern, die eine Designvorlage anbieten, steht die SDGestaltung des "Virtuelle Kaufhaus" an erster Stelle. Die Möglichkeit der statistischen Auswertung bieten außer Apiras und dem "Virtuellen Kaufhaus" alle untersuchten Anbieter, wohingegen die Integration einer Suchmaschine in den Shop nur von Apiras und ShopSite angeboten wird. Wie die oben durchgeführte Konkurrenzanalyse zeigt, weist das "Virtuelle Kaufhaus" eine ausreichende Anzahl angebotener Shops und ihnen innewohnender Merkmale auf. Durch ständige Weiterentwicklung auf diesem Gebiet sollte das "Virtuelle Kaufhaus" versuchen, seine Kompetenzen zu stärken und seine Stellung unter den Softwareanbietern auf dem B2B-Markt auszubauen. Bei der Diffusion von SoftwareLösungen ist es wichtig, auf einige Besonderheiten zu achten, die eng mit dem Problem der kritischen Masse zusammenhängen. Darauf soll im folgenden Abschnitt näher eingegangen werden.

3.4

Diffusionsprobleme

Eine erfolgreiche Diffusion von Software-Lösungen steht in engem Zusammenhang mit dem Abhängigkeitsverhältnis zwischen direkten und indirekten Adoptoren. Für einen potenziellen Adoptor ist eine SoftwareLösung zur Realisierung von E-Procurement oder sonstigen Transaktionen mit Kunden und Lieferanten nur dann nutzenstiftend, wenn zum Zeitpunkt der Adoption eine solche Interaktion gewährleistet ist. Der Anbieter von Software-Lösungen sieht sich damit einem zweistufigen Kritischen-Masse-Problem gegenüber: Zum einen muss der direkte Kunde eine ausreichende Zahl relevanter Teilnehmer als indirekte Adoptoren gewinnen können, damit der Kauf der Software-Lösung für ihn einen Nutzen stiftet. Zum anderen muss der Software-Anbieter selbst die

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113

kritische Masse überschreiten, um die Entwicklungskosten zu refinanzieren. Dies vollzieht sich wiederum nur dann, wenn die direkten Kunden selbst ihre kritische Masse erreichen, um so genügend Software nachzufragen. Darüber hinaus ist nicht allein die interne Wertschöpfungskette einer Software-Lösung erfolgskritisch, sondern auch externe Wertschöpfungsstufen wie z. B. Endgerätehersteller, Netzbetreiber etc., die zum Erfolg von eingesetzten Software-Lösungen beitragen. Die Diffusion von Software-Lösungen kann als ein komplexes System betrachtet werden, das von deren Anbietern nur indirekt beeinflussbar ist.

4.

32

SCHLUSS: W I E UND WO POSITIONIEREN?

Für das "Virtuelle Kaufhaus" als Firma stellt sich die Frage, wie und wo es sich in dem extrem dynamischen Umfeld positionieren soll. Die in der Einleitung vorgestellte Matrix zeigt generische Optionen. B2B

B2C

Geschäft

^ ^ ^ F o t e n t i a l e im ~ ^—^ ( Betrieb als j Plays_^-^

Potentiale im Betrieb mit E-Procuement

Technik

Potentiale im System für Pure Plays und Shop Konzept

f Potentiale im System N. mit E-Frastructure ^s

= derzeitige Positionierung Abb. 6:

Differenzierte Kaufhauses"

Positionierungsoptionen

des

"Virtuellen

Diese sind das Resultat aus der Entscheidung entweder im B2B oder B2C als Techniklieferant oder als Betreiber aufzutreten. Grundsätzlich ist jedoch für beide Optionen zu sagen, dass es einer intensiven Suche nach Vgl. Heil (1999).

114

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Partnern bedarf. Der Betrieb der Systeme setzt eine extreme branchenspezifische Fachkenntnis voraus. Ein Weg, diese anzuziehen, liegt in der Möglichkeit einer Allianz mit Contentlieferanten. Der Vertrieb der Technik hingegen stellt das "Virtuelle Kaufhaus" in den Wettbewerb mit großen Herstellern wie Intershop oder Gigabell. Auch hier scheinen entsprechende Allianzen einen gangbaren Weg darzustellen.

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115

LITERATURVERZEICHNIS Biederman, D. (1999), It's a B2B spree online, in: Traffic World, Vol. 26 (1999), Issue 10, S. 16-18 Bliemel, F. (1999), Electronic Commerce: Herausforderungen-AnwendungenPerspektiven, Wiesbaden (1999) ECIN

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Leitfaden

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116

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The Boston Consulting Group (1999), E-Commerce in Deutschland: Vom Goldrausch zur Goldgewinnung, München (1999)

6. V I T A G O SCHÖNHEIT UND GESUNDHEIT AUS DEM INTERNET

Adrian Fopp, Jochen Oelert

1.

EINLEITUNG: VITAGO - START-UP IM E-COMMERCE

119

2.

GRÜNDUNG UND FINANZIERUNG DER VITAGO A G

120

2.1

Team - Idee - Business Plan

120

2.2

Venture Capital und Börsengang

122

3.

4.

5.

VITAGO: "SCHÖNHEIT UND GESUNDHEIT FÜR EUROPA"

123

3.1

Vision und Positionierung

123

3.2

Mission und Differenzierung

125

3.3

Konkurrenten im Markt

126

3.4

Europäischer Roll-out

128

HERAUSFORDERUNGEN VON V I T A G O IN DER START-UPPHASE

129

4.1

Personalakquisition und -motivation

130

4.2

Logistik und Distribution

131

4.3

Public Relations und Marketing

131

4.4

Customer Relation Management

132

4.5

Partnerschaften und Kooperationen

133

SCHLUSS: ENTWICKLUNGSPERSPEKTIVEN VON V I T A G O

136

VitaGO - Schönheit und Gesundheit aus dem Internet

1.

119

EINLEITUNG: V I T A G O - START-UP IM E - C O M M E R C E

VitaGO - "Alles für Schönheit und Gesundheit". Mit diesem Slogan bietet VitaGO seit Dezember 1999 in Deutschland und seit April 2000 auch in anderen europäischen Ländern Drogerieartikel, Parfüms, Kosmetika und nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel über das Internet an. VitaGO ist ein Internet-Shop mit einem breiten Zusatzangebot an Informationen. Kunden können online unter www.VitaGO.de aus einem Spektrum von 15.000 Produkten wählen und umfangreiche Services nutzen. VitaGO ist ein Online-Shop und damit als E-Commerce Unternehmen zu charakterisieren. Im Sinne des Community-Gedankens ist VitaGO bestrebt, das Warenangebot in einen attraktiven Content zu den Themen Schönheit und Gesundheit einzubetten. Es wird im folgenden gezeigt, wie die Geschäftsidee im Rahmen eines Start-Ups umgesetzt wurde. Hierfür werden drei Perspektiven gewählt. Zunächst wird der Fokus auf die Gründung und Finanzierung der VitaGO AG gerichtet (Abschnitt 2). Das Fundament des Start-Ups wurde von Harvard Business School Absolventen mit weitreichender Berufserfahrung gelegt. Eine herausragende Rolle hat neben der Geschäftsidee und dem Business Plan vor allem das Gründerund Management-Team gespielt. Es wird gezeigt, dass sich dieses positiv auf die weitere Finanzierung auswirkte. Darüber hinaus wird betrachtet, wie VitaGO sich im (europäischen) Markt positioniert (Abschnitt 3). Dabei wird unterschieden zwischen der allgemeinen Positionierung und der Differenzierung vor allem gegenüber so genannten "brick und mortars", also Filialen aus Stein und Mörtel. Im Zusammenhang mit der Differenzierung werden aber auch die OnlineKonkurrenten näher betrachtet und VitaGO als einziger paneuropäischer Player herausgestellt. Weiterhin sieht sich ein Internet-Start-Up wie VitaGO zahlreichen organisatorischen Herausforderungen gegenüber (Abschnitt 4). Es wird daher erläutert, welche Wege beschritten wurden, um den Herausforderungen bei Personalakquisition, Kundenmanagement oder Infrastruktur zu begegnen.

120

VitaGO - Schönheit und Gesundheit aus dem Internet

Abschließend werden die zukünftigen Entwicklungsperspektiven insbesondere durch die Liberalisierung von Arzneimittel- und Parfümmarkt beleuchtet (Abschnitt 5).

2.

GRÜNDUNG UND FINANZIERUNG DER V I T A G O A G

Im Rahmen der Finanzierung von Start-Ups mit Venture Capital haben die Kriterien Team - Idee - Business Plan eine besondere Bedeutung. Die Gründungs- und Finanzierungsgeschichte von VitaGO ist in doppeltem Sinne beispielhaft für ein Internet-Start-Up.

2.1

Team - Idee - Business Plan

Die Bestandteile Team - Idee - Business Plan sind für die Gründung und Finanzierung von Start-Ups und waren insbesondere bei VitaGO von entscheidender Bedeutung. Team - Idee - Business Plan sind neben Marktund Wettbewerbssituation wichtige Entscheidungskriterien für VentureCapital-Geber, um eine Investitionsangebot zu beurteilen und darauf einzugehen. Die besondere Konstellation von Team - Idee - Business Plan bei VitaGO bilden ein solides Fundament für Gründung, Finanzierung und Umsetzung: •

Das (Gründungs-)Team Die Management-Kompetenzen des Gründungs-Teams im Bereich Unternehmensführung, Marketing und Finanzierung bildeten das Fundament für ein hochqualifiziertes Management-Kernteam1 bei VitaGO. Adrian Fopp, Chief Executive Officer, ist Absolvent der Harvard Business School, USA (MBA) und der Universität St. Gallen, Schweiz (Dipl.-Kfm.). Er war Brand-Manager für die Marken "Pampers" und "Mr. Clean" bei Procter & Gamble. Verantwortlich für Akquisitionen von Großkunden sammelte er Erfahrun-

VitaGO - Schönheit und Gesundheit aus dem Internet

121

gen im E-Business bei Delta Tree Inc., einem Internet-TelefonieUnternehmen. Youssef Ghazal, Chief Financial Officer, ist Absolvent der Harvard Business School, USA (MBA) und der Universität Graz, Österreich (Dipl.-Kfm.). Er arbeitete bereits bei Anderson Consulting im Bereich "Operations Management" und "Management Information Systems". Bei der Boston Consulting Group war er zuständig für Fusionsszenarien. Bei Morgan Stanly Dean Witter in London entwickelte er Finanzierungsmodelle. Guillaume Dufossé, Vice President New Markets, ist Absolvent der Harvard Business School, USA (MBA) und der SUPELEC, Frankreich (Dipl.Ing.). Er arbeitete zunächst fur GEC Aistom in Taiwan und in China, später bei Bain & Company in Paris. Dort entwickelte er Marketingstrategien für große Dienstleistungsunternehmen. •

Die (Geschäfts-)Idee Die Geschäftsidee besteht grundsätzlich in der Übertragung eines erfolgreichen Geschäftskonzeptes aus den USA auf den europäischen Markt. Mit Drugstore.com, PlanetRx.com und Soma.com haben sich Anbieter im Segment fur "beauty care", "health care" sowie "medical equipment" und "medical supply products" etabliert. Drugstore.com und PlanetRx.com sind bereits im Juli bzw. Oktober 1999 an der Börse platziert worden. Der europäische Markt bietet aussichtsreiche Perspektiven durch eine stark wachsende Anzahl an Internet-Usern und damit verbunden eine Steigerung der Umsätze im Business-to-Consumer-E-Commerce von € 120 Mio. in 1997 auf € 5000 Mio. in 2002.2 Darüber hinaus war 1999 das fokussierte Marktsegment durch eine geringe Wettbewerbsintensität und durch ein Marktvolumen von insgesamt etwa € 90 Mrd. gekennzeichnet.



Der Business Plan Im Rahmen der Teilnahme an einem Business-Plan-Wettbewerb wurde die Idee konkretisiert und zu Papier gebracht. Die Ge-

2

Bei einem Start-Up Team kann in "Kernteam" (Management und Technik) und "Value-Team" (Promotoren wie Mentoren, Business Angels, Networker) unterschieden werden (vgl. Ringlstetter 1999, S. 12). Vgl. VitaGO (2000), S. 22.

122

VitaGO - Schönheit und Gesundheit aus dem Internet

schäftsidee und deren Umsetzung im Business Plan überzeugte die Jury. Bestandteile des Business Plans waren unter anderem: Vision, Strategie, Chancen (Marktgröße und -Wachstum), Wettbewerbsvorteile des Geschäftskonzeptes, Konkurrenzanalyse bzw. Betrachtung von Pionieren, Zielgruppen, Marketing-Strategie, Distributions-Netzwerk, Technologie-Strategie (Front-End und BackEnd), Preis- und Kostenstruktur, Cashflow-Rechnung, Bewertungsmodell, Finanzierungsmodell und Zeitplan. Der Business Plan wurde als einer der Besten ausgezeichnet und belegte 1999 den zweiten Platz beim Business Plan Wettbewerb der Harvard Business School.

2.2

Venture Capital und Börsengang

Die aussichtsreiche Konstellation von Team - Idee - Business Plan war für VitaGO der Grundstein für die weitere Gründung und Finanzierung. Die Harvard Business School Absolventen kehrten mit dem prämierten Business Plan nach Europa zurück, um die notwendigen Finanzierungsmittel zu beschaffen und ihre Idee umzusetzen. Beim Business Plan trug die Firma noch den Namen "ourWellness.com". Dieser wurde im weiteren Gründungsverlauf in "YOI" (chinesischer Ausdruck für Gesundheit) später dann in "VitaGO" umbenannt. Die Namensänderungen wurden aufgrund der beabsichtigten Übertragung des Geschäftskonzeptes unter gleichem Namen in ganz Europa vorgenommen. Ein einprägsamer und in allen Ländern positiv-assoziierter Name sowie freie Domains in allen europäischen Zielländern sind dafür notwendig. Neben der eigentlichen Gründung der VitaGO AG mit Hauptsitz in München war es zur Umsetzung der Geschäftsidee notwendig, Venture Capital-Geber zu finden. In einer ersten Finanzierungsrunde im Sommer 1999 investierten Early Bird und Highland Capital zusammen € 7 Mio. Im April 2000 kam es zu einer zweiten Finanzierungsrunde. Early Bird und Highland Capital erhöhten ihr Investitionsvolumen. Mit Advent Venture Partners, Continuation Investment, Casino Group, Star Ventures, Poly-

VitaGO - Schönheit und Gesundheit aus dem Internet

123

Technos Venture-Partners, Wellness Business Partners und privaten Investoren kamen neue Kapitalgeber hinzu. Insgesamt erhielt VitaGO durch die zweite Finanzierungsrunde weitere €43,3 Mio. Der enorme Kapitalbedarf für Werbung, Partnerschaften sowie für die Weiterentwicklung des Front- und Back-End, aber auch für den Aufbau des Verteilungs- und Logistiknetzes wird es notwendig machen, bis Mitte des Jahres 2001 eine weitere Kapitalerhöhung durchzuführen. Grundsätzlich ist dieses durch einen Börsengang am Neuen Markt beabsichtigt. Durch das gegenwärtig schlechte Klima an den internationalen Börsen ist jedoch auch eine Beteiligung eines Strategischen Investors oder eine dritte Finanzierungsrunde durch Venture-Capital-Gesellschaften denkbar.

3.

V I T A G O : "SCHÖNHEIT UND GESUNDHEIT FÜR EUROPA"

VitaGO kann wie bereits oben erwähnt als Internet-Shop im Bereich E-Commerce charakterisiert werden. Im folgenden wird erläutert, wie VitaGO sich im Marktsegment "Schönheit und Gesundheit" grundsätzlich positioniert, welche Differenzierungsmerkmale zu "brick und mortars", also klassischen Filialen, bestehen und in welcher Wettbewerbssituation VitaGO sich gegenwärtig befindet. Die Umsetzung der in der grundsätzlichen Positionierung schon zum Ausdruck kommenden Europastrategie von VitaGO wird abschließend dargestellt.

3.1

Vision und Positionierung

In Verbindung mit dem Internet-Shop von VitaGO steht eine zukunftsträchtige Vision: "Europe's premier interactive market place for health and beauty care, offering our customers the widest ränge of services, products, and information." (VitaGO 2000, S.2) VitaGO positioniert sich damit grundsätzlich im Markt für Gesundheit, Schönheit und Fitness. Aus mehreren Gründen konzentriert sich das Pro-

124

VitaGO - Schönheit und Gesundheit aus dem Internet

duktangebot von VitaGO mit ca. 15.000 Stock-Keeping-Units (SKUs)3 gegenwärtig hauptsächlich auf das klassischer Drogerien (Abbildung 1).

Abb. 1:

Positionierung von VitaGO (Quelle: verändert übernommen aus VitaGO 2000, S. 9)

Im Gesundheitsbereich schränken gesetzliche Reglementierungen den Verkauf von Waren ein. Derzeit darf VitaGO aufgrund der deutschen Arzneimittelgesetzgebung nur einen kleineren Teil pharmazeutischer "Restricted Over-The-Counter"-Produkte (RX OTC) verkaufen. Die Distribution von verschreibungspflichtigen Medikamenten und eines großen Teils der OTC-Präparate ist nur eingeschränkt und durch qualifiziertes Personal der Apotheken zulässig. Im Bereich Schönheit stehen Exklusiv-Kontrakte der Parfüm- und Kosmetik-Hersteller mit klassischen Geschäften (wie etwa Douglas) der Erweiterung des Produktangebotes derzeit entgegen. Die Hersteller binden ihre Händler durch Depotverträge, die jeden Versandhandel via Internet untersagen.

3

Die Stock-Keeping-Units (SKU) geben die Anzahl an Sortimentsartikeln, d. h. die Anzahl der einzelnen Produkte (auch z. B. unterschiedliche Größe) an.

VitaGO - Schönheit und Gesundheit aus dem Internet

3.2

125

Mission und Differenzierung

In der Vision kommt bereits zum Ausdruck, dass den Kunden nicht nur der Kauf von Produkten, sondern auch umfangreiche Informationen zu Produkten und zu unterschiedlichen Themen sowie eine Vielzahl von Services angeboten werden. VitaGO bringt darüber hinaus in seinem Mission-Statement zum Ausdruck, dass es einen Mehrwert zum täglichen Leben seiner Kunden leisten möchte: "We contribute to our customers daily lives through providing them with the experience of truly convenient online shopping." (VitaGO 2000, S.3) Die Konkretisierung des Mission-Statements steht im Zusammenhang mit den Differenzierungsmerkmalen von VitaGO. VitaGO differenziert sich mit seinem Online-Shop von den herkömmlichen "brick and mortar shops" durch ein umfassendes Produkt-, Service- und Informationsangebot. Die Differenzierung ist an die Möglichkeiten eines Online-Shops angelehnt und basiert auf den folgenden Bausteinen: •





Produkt-Sortiment: Kunden von VitaGO in Deutschland können gegenwärtig aus einem Angebot von 15.000 Produkten wählen. In den anderen europäischen Ländern sind es etwa 10.000 Produkte. Das Angebot an Produkten ist damit etwa doppelt so groß wie das klassischer Drogerien. Untergliedert sind die Produkte in die Kategorien: Gesundheit & Natur, Schönheit & Pflege, Hygiene & Baby, Fitness & Sport. Bestellservice: Bei VitaGO können Kunden nach Belieben 24 Stunden am Tag, 7 Tage in der Woche ihre Waren online bestellen. Damit sind Kunden unabhängig von herkömmlichen Ladenöffnungszeiten. Die Zahlung erfolgt über Kreditkarte, Bankeinzug oder Nachnahme. Lieferservice\ Der Lieferservice von VitaGO bringt den Kunden die Bestellungen versandkostenfrei direkt nach Hause oder ins Büro. Die Lieferung erfolgt am nächsten Werktag (außer Samstag) bei Bestellungen bis 11.00 Uhr, sonst am übernächsten Werktag (außer

126







3.3

VitaGO - Schönheit und Gesundheit aus dem Internet

Samstag). Das Verpackungsmaterial ist umweltfreundlich und besteht aus natürlichen Rohstoffen, Das Füllmaterial ist zu 100% biologisch abbaubar. Mit der Lieferung ist eine Geld-zurückGarantie bis 14 Tage nach Lieferung verbunden. Dies gilt auch bei fehlerfreier Ware, soweit diese original verpackt ist. Bester Preis: VitaGO bietet seinen Kunden den "besten Preis". Unter dem "besten Preis" versteht VitaGO den günstigsten regulären Preis aller On- und Offline-Konkurrenten. Ein zeitaufwendiger Vergleich verschiedener Preise und Angebote wird überflüssig. Content und Community: Zu aktuellen Themen und Trends bietet VitaGO umfassende Informationen. Im Lexikon können Kunden Stichworte nachschlagen, in Chats sich zu verschiedenen Themen und Produkten austauschen. VitaGO bietet dem Kunden damit eine Informations-Plattform, die von klassischen Geschäften nicht bereitgestellt werden kann. Individuelle und persönliche Beauty- und Healthcare-Beratung: Per E-Mail oder im Call-Center können sich Kunden zu unterschiedlichen Probleme Rat einholen. Darüber hinaus können Kunden persönliche Daten (wie z. B. Allergien, Krankheiten etc.) bei VitaGO eintragen. Beim Kauf von Produkten werden sie dann auf für sie nicht geeignete Inhaltsstoffe hingewiesen. Eine ähnliche Betreuung des Kunden in traditionellen Geschäften ist durch die Notwendigkeit von qualifiziertem Personal und weitaus aufwendigerer Datenbeschaffung und -auswertung kaum denkbar.

Konkurrenten im Markt

In den unterschiedlichen Segmenten des primären Internet-Geschäfts haben sich mittlerweile eine Vielzahl von Unternehmen etabliert 4 VitaGO sieht sich im Bereich "Schönheit und Gesundheit" zunächst als paneuropäischer Player. Auf dieser Ebene gibt es nach Auffassung von VitaGO

Zu einer Übersicht vgl. Gutowski et al. (2000), S. 105. In diesem Zusammenhang wird auch häufig von einem bevorstehenden Ausleseprozess ausgegangen.

VitaGO - Schönheit und Gesundheit aus dem Internet

127

keinen vergleichbaren Konkurrenten. In den jeweiligen Ländern existieren aber neben den "Online-Filialen" klassischer "brick and mortars"5 auch eine Reihe reiner Online-Shops. In Deutschland zählen zu den Wettbewerbern die reinen Online-Shops abea.de, beauty24.de und beautynet.de sowie die "Online-Filialen" traditioneller Anbieter wie rossmann.de, schlecker.com und budnikowsky.de. wwwAdresse

VitaGO.de

abea.de

beauty24.de

Slogan

Alles filr Schönheit und Gesundheit

• • • •

ProduktSpektrum

klassische Geschflftsart

Fitness+Sport Schönheit+Pflege Hygiene+Baby Gesundheit* Schönheit

Gesundheitsstore, Drogerie, Parflimerie,

the universe ofbeauty

• ParfQms

beauty and more

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Düfte/ Make-up Hautpflege Bad+Körper Haarpflege Accessoires

• umfangreiches Informationsangebor (Rezepte, Horoskope, Tipps, Med. Ratgeber,...) über beauty-and-more.de

DM 35,-/ frei Haus

Kosmetikstore Parfllmerie Drogerie

• (redakt) Beiträge zu Trends, Beauty, Style, Wellness, Men's, Astrologie • Archiv • Beratung (Call-Center, Mail) • Newsletter

ohne/ DM 6,90 bzw. DM 90,-/ frei Haus

• Info-Center mit umfangreichem Informationsangebot • Pay-Back-Service • Rossmann-Club

DM 40,-/ DM3,90 bzw. DM 90,-/ frei Haus

... mehr als beauty

• • • • •

Schönheit/ Gesundheit Körperpflege/ Baby Foto/CD (Kosmetik)

Drogerie

... jede Woche Sonderangebote

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Haushalt Kötperpflege Gesundheit/ Baby Essen/ Genießen Haustiere

Drogerie

keine Untergliederung nach Kategonen, aber umfangreiche! Produkttngebot

Drogerie

• Alle Wettbewerber bieten einen Chat bzw. ein Forum an.

Abb. 2:

DM 50,-/ frei Haus

Kosmetikstore

rossmann.de

BUDNI einfach gut

• „Mein VitaGO" • Tipps & Trends (redakt. Beiträge) • Gesundheitslexikon Buch-Shop • Energy Lab • Beratung (Call-Center, Mail) • Newsletter

k.A./ frei Haus

beautynet.de

budnikowsky.de

Bestellwert/ Versandkostea

< ausgewählte (redaktionelle) Beitrage

Parfllmerie

• Gesicht/ Make-up • Körper/ Düfte Schön schoppen. • Trendpakete Schön informieren. • Baby+Kinde Schön reden. • Wellness/ Sonne • Haare/ Geschenke «Drogerieartikel

schlecker.com

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0800-Service-Rufhummer Favoriten Services: Horoskop, Rezepte Tipps und Trends zu Beauty, Wellness, Lifestyle, Family

• 0800-Hotline • Kundenkarte • wenige Informationsbeiträge ohne Gewfihr

DM 30,-/ frei Haus

DM 100,-/ frei Haus (Ober Filiale mil Lieferaervice) Stand: 24. Mai 2000

Konkurrenten von VitaGO in Deutschland im Vergleich

Die Anbieter unterscheiden sich in ihrem Produktspektrum, ihren Services und den Lieferkonditionen (Abbildung 2). Die Gestaltung des WebAuftrittes von VitaGO wurde bereits mehrfach prämiert. VitaGO erhielt den "E-Shopping-Award 2000" als bester Newcomer, wurde

5

von

Zum Aufholen der Offline-Einzelhändler im Internet (von "retailern" zu "e-tailern") vgl. Calkins/Farello/Smith Shi (2000), S. 140 ff. und Pelda (2000), S. 4.

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VitaGO - Schönheit und Gesundheit aus dem Internet

com ¡online mit "sehr gut" bewertet und bekam von goldguide.de insgesamt die beste Bewertung. Neben den hier aufgeführten direkten Konkurrenten stehen VitaGO auch im Bereich "Gesundheit" medizinische Informationsanbieter gegenüber. Hierzu zählen z. B. almeda.de, gesundheit.com, gestindheit24.de, lifeline.de, mdr.de/hauptsache-gesund, medinzin-forum.de, meinegesundheit.de oder netdoktor.de.6 Gegenwärtig sind dies eher Konkurrenten bei Werbeeinnahmen durch Banner. Bei einer Liberalisierung des Arzneimittelmarktes können diese Informationsseiten aber schnell zu Produktanbietern aufsteigen.

3.4

Europäischer Roll-out

Ein internationaler Roll-out von Internet-Unternehmen bietet sich aus unterschiedlichen Gründen an. Das Geschäftskonzept ist grundsätzlich vorhanden und muss nur länderspezifisch leicht angepasst werden. Der Roll-out kann schnell geschehen und eine First-mover-Position so gesichert werden. Durch den europäischen Roll-out kann VitaGO Skaleneffekte bei Technik, Personal und Vertrieb sowie teilweise bei Werbung und PR realisieren. VitaGO hat von Beginn an eine paneuropäische Strategie verfolgt. Die Gründung des Hauptsitzes erfolgte in München, Deutschland (vitago.de). Von hier expandiert VitaGO nach ganz Europa (Abbildung 3). Die Umsetzung der Europastrategie erfolgte in einer ersten Welle auf der Basis strategischer Fokus-Länder. Großbritannien mit 16 Mio bzw. Frankreich und Italien mit jeweils 9 Mio Internet-Nutzern stellen attraktive Märkte mit einem hohen Umsatzund Wachstumspotenzial dar.7 Der Roll-out in diese Länder erfolgte durch den Aufbau eigener Vertretungen. In London (vitago.co.uk), Paris (vitago.fr) und Mailand (vitago.it) wurden Niederlassungen eingerichtet. Sie übernehmen in erster Linie den Aufbau von Partnerschaften bei Waren-

Zu einem Überblick vgl. Gutowski/Watermann (2000), S. 146. Vgl. VitaGO (2000), S. 19.

VitaGO - Schönheit und Gesundheit aus dem Internet

129

einkauf und Auslieferung sowie die Kundenbetreuung in den jeweiligen Ländern. Das technische Front- und Back-End sowie übergreifende Kooperationen werden von dem Hauptsitz in München aus gesteuert. Eine zweite Welle für den europäischen Roll-out ist bis Ende 2000 geplant und wird Spanien, Skandinavien und die Beneluxländer umfassen.

Ursprungsland - seit E n d e 1 9 9 9 - Deutschland: www.vitago.de R o l l - o u t 1. W e l l e - seit M i t t e 2 0 0 0 - Italien: www.vitago.it - Frankreich: www.vitago.fr - England: www.vitago.co.uk Roll-out 2. Welle - g e p l a n t bis E n d e 2 0 0 4 (nach prove of concept in den Kernländern) - Beneluxländer - Österreich - Schweiz - Skandinavien - Spanien

Abb. 3:

Europäischer Roll-out von VitaGO

4.

HERAUSFORDERUNGEN VON V I T A G O IN DER STARTUP-PHASE

Für den Aufbau eines Start-Ups ist eine umfangreiche Infrastruktur mit o

Personal, Distribution und Technik notwendig. Gleichzeitig muss ein positives Image und ein hoher Bekanntheitsgrad bei der relevanten Zielgruppe durch PR und Marketing erreicht werden. Die Beziehung zum Kunden bedarf bei Online-Shops einer besonderen Aufmerksamkeit. Teilweise können Aufgaben von Partnerschaften und Kooperationen übernommen werden. Der Aufbau eines umfangreichen Netzwerkes wird unumgänglich. Im Folgenden werden diese Herausforderungen beim Auf-

Auf den Aspekt 'Technik' wird im vorliegend Beitrag nicht näher eingegangen.

130

VitaGO - Schönheit und Gesundheit aus dem Internet

bau von VitaGO konkretisiert und Wege zu deren Handhabung durch VitaGO erläutert.

4.1

Personalakquisition und -motivation

Eine der zentralen Herausforderungen bei dem Aufbau eines InternetStart-Ups ist die Rekrutierung einer ausreichenden Anzahl von qualifizierten Mitarbeitern. Die Mitarbeiteranzahl von VitaGO stieg rasant von ca. 20 im Sommer 1999 auf etwa 85 im Februar 2000 und auf ca. 150 im April 2000 an. Zu den 150 besetzten Stellen hat VitaGO im Mai 2000 etwa 25 weitere Stellenangebote - vom Business Develop Manager bis zum Web Producer - ausgeschrieben. Die Deckung des Personalbedarfs versucht VitaGO auf unterschiedliche Weise zu erreichen: •





Attraktive Standorte: VitaGO hat seinen Hauptsitz in München, seine europäischen Niederlassungen in London, Paris und Mailand aufgebaut. Diese Städte sind in der Internet-Branche die bedeutendsten europäischen Regionen, gemessen an der Anzahl der Beschäftigen. Darüber hinaus liegen die Städte in attraktiven Großräumen mit einem hohen Lebenswert. Direkt-Akquisition: VitaGO versucht, über direkte Akquisitionsmaßnahmen qualifizierte Personen zu gewinnen. Dies umfasst u.a. die Gewinnung von Mitarbeitern über eigene, persönliche Kontakte oder durch Kontaktaufnahme über Universitäten. Internationales Team: Die Mitarbeiter von VitaGO kommen aus einer Vielzahl unterschiedlicher Länder. Durch die paneuropäische Strategie und die europäischen Niederlassungen liegt der Anteil an nichtdeutschen Mitarbeitern bei ca. 50%.

Die Motivation der Mitarbeiter ergibt sich insbesondere durch die Arbeit für ein Start-Up in einem jungen dynamischen Team. Darüber hinaus halten alle Mitarbeiter Aktien- und/oder Aktienoptionspakete (ab 30 Aktien aufwärts). Weitere Maßnahmen wie ein Beamer oder Rund-Mails zur Dies fuhrt dazu, dass bei offiziellen Meetings generell Englisch gesprochen wird.

VitaGO - Schönheit und Gesundheit aus dem Internet

131

Information über die aktuellen Verkaufszahlen, wöchentliche gemeinschaftliche Teamsitzungen und ein insgesamt "offenes Haus" ergänzen die Motivationsinstrumente.

4.2

Logistik und Distribution

Der Zugang zu Waren kann ein Hindernis für eine gute Geschäftsidee darstellen.10 VitaGO organisiert seinen Wareneinkauf einerseits durch Rahmen-Verträge mit Großhändlern und andererseits durch Abkommen mit Produzenten wie Procter & Gamble, Hipp, Schwarzkopf, Henkel, Gillette und Kneipp. Der Distributionsweg verläuft dabei entweder direkt vom Großhändler (organisiert von einem VitaGO-Mitarbeiter) oder von einem eigenen VitaGO-Lager. Von dort werden die Produkte dem Kunden frei Haus geliefert. Die Lieferungen übernehmen Logistik-Partner in den jeweiligen Ländern: Deutsche Post und Hermes in Deutschland, TNT in Italien, ANC in Großbritannien, Calberson in Frankreich.

4.3

Public Relations und Marketing

Die aktuelle Marketing-Kampagne für Europa steht unter dem Motto "The Shoppers Paradise". Die Werbe-Message zielt dabei auf die Vorteile eines Online-Kaufs bei VitaGO ab: "Eingekauft statt Mittagspause - Eingekauft um 23.00 Uhr. www.vitago.de" oder "Der bequeme Weg zu beliebten Produkten." Im weiteren Text heißt es: "Kaufen sie jetzt günstig und zeitsparend. Unter www.vitago.de können Sie Ihre Lieblingsprodukte für Schönheit und Gesundheit online bestellen. Und zwar rund um die Uhr, 7 Tage in der Woche. Unser Lieferservice bringt Ihnen dann alles nach Hause oder ins Büro." Die Kampagne ist auf die Kernzielgruppe (20-39 Jahre, gute Bildung, hohes Einkommen) zugeschnitten. Inseriert wird insbesondere in Zeitschriften (z. B. Spiegel, Fokus, Brigitte). Unterstützt werden die Anzeigen durch gezielte PR-Aktivitäten. Zu solchen Aktivitäten zählen z. B. SänfSiehe hierzu auch die angedeutete Problematik von Exklusiv-Kontrakten.

132

VitaGO - Schönheit und Gesundheit aus dem Internet

tenträger auf der CeBIT 2000, das Verteilen von Give-Aways oder das Verschenken von Gutscheinen. Fernseh- und Radiowerbung werden aufgrund des großen Streuverlustes nicht in den Media-Mix einbezogen. Insgesamt beläuft sich das Marketingbudget europaweit auf einen zweistelligen Millionen-€-Betrag. Ein wichtiger Bestandteil sind neben der klassischen Offline-Werbung auch Online-Banner. Im Rahmen von Partnerschaften mit Amazon.com, Yahoo.com, Shop.de, Womanweb.de oder Mytoys.de werden Banner auf anderen Websites platziert, oder es wird dort in besonderer Weise auf VitaGO hingewiesen.

4.4

Customer Relation Management

Die Gewinnung eines Online-Kunden ist für reine Online-Shops verhältnismäßig kostenintensiv.11 Das Wechseln zu anderen Anbietern fällt Kunden im Internet relativ leicht. Die Bindung eines Kunden gewinnt daher im Rahmen eines umfassenden Customer Relation Managements (CRM) an Bedeutung. Die technischen Möglichkeiten erlauben die Sammlung und Bündelung vieler kundenbezogener Daten und darauf aufbauend eine weitgehend individuelle Betreuung des einzelnen Kunden (Personalisierung oder auch One-to-One-Marketing). Neben der persönlichen Ansprache sind allgemeine psychologische Aspekte für ein CRM von Bedeutung: der Aufbau von Vertrauen und von Kundenloyalität.12 Aus ökonomischer Perspektive wird das Ertragspotenzial eines Konsumenten im Rahmen des CRM durch die Dauer der Kundenzugehörigkeit insgesamt sowie durch Cross-Selling (weitere Produkte) und Up-Selling (qualitativ hochwertige Produkte) ausgeschöpft. Schließlich soll der zufriedene Kunde weitere

"Traditional store-based retailers can use the Internet to exploit the fact that they have somewhat less than $5 a head to bring their customers online, whereas Internet start-up companies must lay out an average of $45 a head to attract customers wholly from a scratch." (Calkins/Farello/Smith Shi 2000, S. 146). Vgl. Bierbach (2000), S. 3.

VitaGO - Schönheit und Gesundheit aus dem Internet

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Kunden werben. Für ein CRM werden bei VitaGO folgende Instrumente eingesetzt: 13 •

Convenience-Services'. Search Engine, Blitzeinkauf, Special Offers, Gliederung der Produkte nach Kategorien. • Personalisierungs-Services: My VitaGO mit Favoriten und Abonnement sowie Historie bisheriger Bestellungen, Produktempfehlungen, Hinweise auf Inhaltsstoffe. • Informations-Services: Lexikon, Bücher, Chats, Tipps, allgemeine Informationen, Informationen zu Trends, vollständige Produktinformationen der Hersteller, Bewertung nach Verkaufszahlen, Kommentare und Bewertung von Kunden, Ratgeber, EnergyLab, Links, FAQs. • Beratungs-Services-. Mail-Kontakt, Call-Center, Online-Tests*. • Treue-Programme: Club-Mitgliedschaft*, Webmiles*, Rabatte*. Darüber hinaus können durch das CRM bei VitaGO die Kunden durch Telefonumfragen in regelmäßigen Abständen aktiv nach ihren Meinungen und Bedürfnissen befragt werden. Auch die eine detaillierte Auswertung der Besuche der VitaGO-Site (z. B. Kaufverhalten, Kaufabbruch, BluePrint im Online-Shop) ist möglich.

4.5

Partnerschaften und Kooperationen

Ein Start-Up steht generell vor dem Problem, dass seine eigenen Ressourcen und seine Infrastruktur beschränkt sind. Partnerschaften und Kooperationen bieten VitaGO die Möglichkeit, ein Netzwerk aufzubauen.14 Partnerschaften mit traditionellen Einzelhändlern sind z. B. ftir die strategische Positionierung oder auch für die Warenbeschaffung von Bedeu-

CRM-Instrumente mit * sind in Überlegung oder in Vorbereitung. Zwei 'fundamental steps in launching an e-business' sind: "[...] 3. Run like mad to establish vendor networks for Web design, Web hosting, system integration, data base management, and transaction systems. 4. Outsource everything that isn't fundamental to the business. [...]" (Cornet/Milcent/ Roussel 2000, S. 36).

134

VitaGO - Schönheit und Gesundheit aus dem Internet

tung. 15 Insgesamt hat VitaGO bis Mai 2000 etwa 120 Partnerschaften und Kooperationen geschlossen. Die wichtigsten Partnerschaften von VitaGO werden hier zusammengefasst: •

Strategische Partnerschaften. In Frankreich unterzeichnete VitaGO im April 2000 eine Vereinbarung mit der Casino-Gruppe, dem größten Einzelhändler in Europa. VitaGO erhält durch diese Partnerschaft Zugriff auf sämtliche Produkte, die Casino in den Bereichen Schönheit und Gesundheit anbietet. Darüber hinaus ist VitaGO exklusiver Partner im Online-Auftritt von Casino. Die Besucher der Casino-Online-Seiten zum Thema Schönheit und Gesundheit werden auf www.vitago.fr verwiesen. Durch die weitgehende Verknüpfung der Angebote im Internet und im stationären Handel ist eine der ersten umfassenden "clicks-and-mortar"-Kooperationen im europäischen Handel begründet worden. Die Casino-Gruppe hat sich darüber hinaus bei der zweiten Finanzierungsrunde beteiligt und hält rund 10% der Anteile von VitaGO.



Einkaufs-Partnerschaften-. Durch die Partnerschaft mit dem Stuttgarter Großhändler Kapferer hat VitaGO Zugriff auf ca. 5.000 Produkte. Eine weitere Einkaufs-Partnerschaft hat VitaGO im Februar 2000 mit der Drogeriemarktkette "DM" geschlossen. Die Partnerschaft mit "DM" dient überwiegend der umfassenden und günstigen Warenbeschaffung. Darüber hinaus existieren Verträge mit Herstellern wie Procter & Gamble, Hipp, Schwarzkopf, Henkel, Gillette oder Kneipp. Vom Fitnessgerätehersteller Gold's Gym wurden die Exklusiv-Rechte im Online-Vertrieb in Deutschland erworben.



Logistik-Partnerschaften: In Deutschland liefert die Deutsche Post und der Hermes-Versand die Bestellungen an die Kunden. In den anderen Ländern übernehmen TNT (Italien), ANC (Großbritannien) und Calberson (Frankreich) den Versand.

Die Vernetzung mit "store-based-retailern" gewinnt für "E-Retailer" vor dem Hintergrund von Synergien und Wettbewerbsvorteilen an Bedeutung. Vgl. Calkins/Farello/Smith Shi (2000), S. 140ff und Cornet/Milcent/ Roussel (2000), S. 37.

VitaGO - Schönheit und Gesundheit aus dem Internet





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Vertriebs- und Werbe-Partnerschaften: Durch die Partnerschaft mit Amazon bietet VitaGO etwa 1.600 Bücher auf seinen Seiten an. Amazon bindet im Gegenzug die Produktpalette von VitaGO in seinen Online-Shop und seine Auktionen ein. Mit anderen Websites wie Yahoo, Urbina.com, Vavo.com, Shop.de, Planet Medica, Womenweb.de oder MyToys bestehen ähnliche Abkommen. Content-Partnerschaften: Die Verlagsgruppe Brockhaus hat VitaGO gestattet, den "Gesundheits-Brockhaus" als Service für seine Kunden zur kostenlosen Online-Nutzung ins Internet zu stellen.

Neben diesen Partnerschaften bietet VitaGO anderen Websites VerkaufsKooperationen an. Deutsche Websites haben die Möglichkeit, mittels eines Partner-Programms zum (VitaGO-)Online-Shop zu werden. Das Programm umfasst drei Basis-Kooperations-Modelle: •

"Easy Link": Jeder Homepage-Betreiber kann das VitaGO-Logo oder einen Banner auf seiner Seite einbinden. VitaGO zahlt dafür eine Werbekostenerstattung, die sich nach der Anzahl der clickthroughs16 richtet.



"Cool Content": Homepages mit Inhalten zu den Themen Schönheit und Gesundheit können ebenfalls einen Link oder Banner von VitaGO auf ihrer Seite plazieren. Die Werbekostenerstattung bemisst 17



sich in diesem Fall nach click-throughs und click-buys . "Hot Shop": Hompage-Inhaber, die E-Commerce betreiben, können den deutschen VitaGO-Shop direkt in ihr eigenes Angebot einbinden. Hot Shop Partner haben dabei die Wahl, ob sie das vollständige Sortiment oder nur bestimmte Produkte anbieten wollen. Je nach Umfang der Kooperation kann der VitaGO-Shop auch an das Design des Partners angepasst werden.

Bei click-throughs erhält der Website-Besitzer, von dessen Page der User kommt, einen Betrag von bis zu DM 1,50. Bei click-buys wird der Website-Besitzer, von dessen Page der User kommt, prozentual am Umsatz, den der User dann generiert, beteiligt. Die Provision beträgt etwa um die 5%.

136

5.

VitaGO - Schönheit und Gesundheit aus dem Internet

SCHLUSS: ENTWICKLUNGSPERSPEKTIVEN VON VITAGO

In den vorangegangenen Abschnitten wurden die Entstehungsgeschichte und die zentralen Herausforderungen von VitaGO dargestellt. Gründungsweg, Umsetzungsherausforderungen und deren Handhabung im Bereich Personalakquisition, Werbung, Partnerschaften oder Technik sind mit anderen Internet-Start-Ups prinzipiell vergleichbar. Die Herausforderung für VitaGO besteht in der Zukunft zunächst in der Etablierung als Online-Drogeriemarkt und in der Verbindung von "clicks und bricks". In Abschnitt 3 wurde aber auch schon auf die Entwicklungspotenziale von VitaGO in den Bereichen Parfüm und Kosmetika sowie bei Arzneimitteln hingewiesen. Durch eine mögliche Deregulierung des Arzneimittelmarktes eröffnet sich für VitaGO ein weiteres Marktpotenzial von € 170 Mrd. im Bereich regulierter OTC Medizin sowie verschreibungspflichtigen, pharmazeutischen Produkten (Abbildung 4).

Regulierte OTC Medizin (€ 80 Mrd)

Nichtregulierte OTC Medizin (€ 10 Mrd)

v

Verschreibungspflichtige pharmazeutische Produkte (€ 90 Mrd)

Abb. 4:

Gesundheits- und Schönheits-Produkte (€ 10 Mrd)

Marktvolumen für Arzneimittel sowie Schönheitsheitsprodukte in Europa im Jahr 2000 (Quelle: VitaGO 2000, S. 23)

und

Gesund-

Einerseits können dem Kunden durch Online-Bestellung, Heimlieferungen, z. B. für bettlägerige Menschen, oder Medikamenten-Abonnements echte Zusatznutzen geboten werden. Eine umfassende Beratung könnte auf der Basis umfangreichen Datenmaterials erfolgen, das im Verlaufe

VitaGO - Schönheit und Gesundheit aus dem Internet

137

einer Patientenhistorie gesammelt wird. Andererseits kann den einzelnen Apotheken eine Plattform geboten werden, die sie für die Präsentation ihrer Filiale oder für den Verkauf von Arzneimitteln nutzen. Beides ist bei der gegenwärtigen Gesetzeslage und der Einstellung der Ärzte- und Apothekerverbände nicht möglich. Solange der Verkauf und die Distribution von Arzneimitteln über das Internet nicht gesetzeskonform sind, konzentriert sich VitaGO in Europa auf die gegenwärtigen Geschäftsmöglichkeiten im Bereich der nichtregulierten OTC-Medizin, Fitness sowie Schönheit und Gesundheit.

138

VitaGO - Schönheit und Gesundheit aus dem Internet

LITERATURVERZEICHNIS Bieberbach, F. (2000): Customer Relationships in Web-based Business, unveröffentlichtes Arbeitspapier, München 2000 Calkins, J.D./Farello, M.J./Smith Shi, C. (2000): From retailing to e-tailing, in: The McKinsey Quarterly, 14. Jg. (2000), Heft 1, S. 140-147 Cornet, P./Milcent, P./Roussel, P.-Y. (2000): From E-commerce to Eurocommerce, in: The McKinsey Quarterly, 14. Jg. (2000), Heft 2, S. 30-38 Gutowski, K./Haacke von, B./ Hajek, S./ Mai, J. (2000): Lustvoller Einkauf im Ladenlokal, in: Wirtschaftswoche, 54. Jg. (2000), Heft 21, S. 100-107 Gutowski, K./Watermann, U. (2000): Hosen runterlassen. Medikamente und ärztlichen Rat gibt es zunehmend im Internet - Revolution im Gesundheitswesen, in: Wirtschaftswoche, 54. Jg. (2000), Heft 14, S. 144-149 Pelda, K. (2000): Hohe Kosten und niedrige Kurse beschleunigen Auslese unter den Internet-Einzelhändlern, in: Financial Times Deutschland, Nr. 109 (2000), S. 4 Preißl, B./Haas, H. (1999): E-Commerce - Erfolgsfaktoren von Online-Shopping in den USA und in Deutschland, Berlin 1999 Ringlstetter, M. (1999): E-Business = New-Business?, unveröffentlichte Vorlesungsunterlagen, Ingolstadt 1999 VitaGO (2000): VitaGO - Everything for Health and Beauty, unveröffentlichte Firmenpräsentionsunterlagen, München 2000

7 . S C O U T 2 4 UND A U T O S C O U T 2 4

-

INNOVATIVE K O N Z E P T E FÜR VIRTUELLE M A R K T P L Ä T Z E

Christian Mangstl, Bernhard Resch

1.

KRITISCHE ERFOLGSFAKTOREN IM E-BUSINESS

141

2.

AUTOSCOUT24 - INNOVATIVE KONZEPTE FÜR VIRTUELLE MARKTPLÄTZE

142

2.1

VISION AUTOSCOUT24

142

2.2

STRATEGISCHES KONZEPT VON AUTOSCOUT24

145

3.

ZUSAMMENFASSUNG UND KURZER AUSBLICK

149

Scout24 und AutoScout24 - innovative Konzepte für virtuelle Marktplätze

1.

141

KRITISCHE ERFOLGSFAKTOREN IM E-BUSINESS 1

Im Zeitalter des E-Business steht eine Vielzahl potenzieller Nachfrager einer Vielzahl potenzieller Anbieter gegenüber - es entstehen virtuelle Marktplätze im Internet. Scout24 sucht in diesem Zusammenhang die Idee zu verwirklichen, unter Nutzung neuer Kommunikations- und Marketingtechnologien Angebot und Nachfrage auf diesen a priori ineffizienten Märkten kostengünstig zusammenzuführen. Das Internet-Geschäft ist dabei in einem ersten Zugriff ein Geschäft wie jedes andere. Bei näherer Betrachtung wird jedoch die Besonderheit dieses Typus deutlich: In kaum einem anderen Businessbereich finden täglich derart viele Neuerungen statt, werden Technologien schlagartig steinalt, betreten beinahe zu jeder Minute neue Player den Marketplace usw. So lassen sich vor allem fünf Kernelemente, fünf Elemente für den Erfolg im E-Business, konstatieren. Zwei davon stellen quasi die Rahmenbedingungen des Marktes dar: • •

Als erste conditio sine qua non ist grenzenlose Schnelligkeit vonnöten. Die zweite Rahmenbedingung, die das E-Business charakterisiert, ist die unbedingte Bereitschaft, bestehende Geschäfte zu kannibalisieren und somit permanent den Status Quo zu hinterfragen, um neuen Ideen unbegrenzten Entwicklungsspielraum zu geben.

Drei weitere Elemente verkörpern weniger die marktlichen Gegebenheiten, sondern vielmehr die Fähigkeiten, die Kompetenzen, die ein Unternehmen aufweisen muss, um am Markt bestehen und erfolgreich agieren zu können. • • 1

Das beste Team, Marketing-Exzellenz und Die Autoren bedanken sich an dieser Stelle auch bei Christian Backmann

142



Scout24 und AutoScout24 - innovative Konzepte fur virtuelle Marktplätze

technologische Überlegenheit.

Wie diese Herausforderungen zu meistern sind, soll im Folgenden beispielhaft anhand von AutoScout24 dargestellt werden.

2.

AUTOSCOUT24 - INNOVATIVE KONZEPTE FÜR VIRTUELLE MARKTPLÄTZE

Analog zu den oben dargestellten Elementen für Erfolg in der virtuellen Welt kann AutoScout24 bezüglich seiner Elemente analysiert werden (Punkt 2.2). Vorher sollen jedoch die hinter AutoScout24 steckenden Visionen und Ideen dargestellt werden (Punkt 2.1).

2.1

Vision AutoScout24

Die prinzipielle Idee von Scout24 ist, wie in der Einleitung angesprochen, über virtuelle Marktplätze die Vielzahl von Anbietern und Nachfragern im Internet zusammenzuführen. AutoScout24 stellt innerhalb dieser Idee die für die konstruktive und koordinative Unterstützung.

Scout24 und AutoScout24 - innovative Konzepte für virtuelle Marktplätze

143

Spezialisierung auf den Automobilmarkt dar und bietet als vertikales Portal einen Nutzer-Service rund um das Auto. Dieses Spektrum umfasst dabei: •

Marktplatz flir gebrauchte und neue Automobile: Kernstück der Services von AutoScout24 ist ein riesiges Angebot an Automobilen, um den Suchenden den schnellen und komfortablen Weg zu ihrem Wunschauto zu ermöglichen.



Informationen rund um das Auto, wie eine Informationsdatenbank für Neu- und Gebrauchtwagen, Qualitätskriterien und Mängellisten spezieller Fabrikate und Modelle, Fahrberichte usw. sowie Hilfestellungen und Rechenmodelle bzgl. Preisermittlung und Betriebskosten sowie News und Entertainment zum Thema Automobil. Services rund um das Auto, wie die generelle Hilfe beim Suchen und beim Autokauf, aber auch Antworten auf Fragen bzgl. Versicherung, Finanzierung usw. bis hin zu einer Reparaturvermittlung. E-Commerce rund um das Auto, wie Auktionen, EU-Reimporte, ausgefallene Automobile unter dem Stichwort "Exoten" sowie Automobilzubehör. Angebote zu benachbarten Themen, wie Sport, Freizeit und Reisen sowie Finanzen und dergleichen mehr.







Generell wird also das Ziel verfolgt, die Suche nach dem Wunschauto schneller, billiger und sicherer zu ermöglichen. Als oberstes Prinzip steht dabei die Endkundenorientierung im Mittelpunkt. Erreicht wird dies zum einen durch eine Zugangsmöglichkeit für die Nachfrager über alle relevanten Kanäle, d. h. über das Internet, über Call-Center und bald auch über Printmedien. Für die angeschlossenen Händler wird im Vergleich zu herkömmlichen Vertriebswegen zu deutlich verbesserten Kosten zusätzliche Nachfrage durch neue Kunden generiert.

144

Scout24 und AutoScout24 - innovative Konzepte für virtuelle Marktplätze

• Infodatenbank GW und NW • Qualitätskriterien • Fahrberichte • Preisermittlung • Betriebskosten «News + Entertainment

• • • •

Abb. 2:

Vision: Nutzerservice

Auktionen Exoten EU-Cars Zubehör

rund ums Auto

Nach dieser kurzen Darstellung der Idee und Vision von AutoScout24 soll nun im folgendem Scout24 und insbesondere AutoScout24 bezüglich seiner Antworten auf die eingangs angeführten fünf Elemente für den Erfolg im Internet analysiert werden. Diese Antworten sollen als "Strategisches Konzept" bezeichnet werden.

Scout24 und AutoScout24 - innovative Konzepte für virtuelle Marktplätze

2.2

145

Strategisches Konzept von AutoScout24

Im Folgenden sollen nun die einzelnen Elemente des Auftrittes von Scout24 bzw. AutoScout24 genauer untersucht und damit überlegt werden, welche Elemente des Erfolges mit welchen Gestaltungsmitteln erreicht werden. Unter der Dachmarke Scout24 agieren sechs eigenständige Scouts: ImmobilienScout24, GesundheitsScout24, JobScout24, FriendScout24, FinanzScout24 sowie schließlich AutoScout24 (weitere Scout24Gesellschaften befinden sich in Gründung). Jedes dieser Unternehmen ist rechtlich eigenständig und wird als Einzelmarke beworben, wobei der Auftritt im Markt abgestimmt wird. Dadurch entsteht im Internet ein Traffic-Netzwerk, welches ein weites Feld für Cross-Selling-Potenziale eröffnet. Durch diese aufbauorganisatorische Gestaltungsoption und den Auftritt als Markenplattform im Markt werden vor allem zwei Elemente des Erfolges realisiert: Zum einen ermöglicht diese Struktur ein Expertentum im jeweiligen Markt sowie Flexibilität und vor allem die essentielle Schnelligkeit. Marketing-Exzellenz wird erreicht durch die Markenplattform, welche Marketing-Synergie-Potenziale schafft und eine breite Basis für eine gemeinsame Kundenakquisition darstellt, die durch die internationale Struktur von beispielsweise AutoScout24 noch erheblich verbreitet wird und zusätzlichen Umsatz generiert.

146

Scout24 und AutoScout24 - innovative Konzepte fur virtuelle Marktplätze

AutoScout24 SC AB Stockholm

AutoScout24 BLX si Bruxelles AutoScout24 France SA Paris (2Q 2000)

AutoSc out24 Espana SA Barcelona, Madrid

AutoScout24 Deutschland GmbH München AutoScout24 Austria GmbH

AutoScout24 CH AG (former autopool) Bern*

AutoScout24 Italia SpA Padoa

* In cooperation with the Swiss Dealer Association AGVS Abb. 3:

Internationale

Struktur

AutoScout24

Ein großzügig angelegtes Marketing-Budget wird den Erwartungen zufolge für eine erhebliche Steigerung der Bekanntheit und damit für den nötigen Traffic auf den Internet-Seiten und den damit verbundenen Umsatz sorgen. So werden für AutoScout24 in 2000 ca. 25 Mio. DM und allein in Deutschland ca. 15 Mio. DM für Marketing-Zwecke aufgewendet, um der skizzierten unabdingbaren Notwendigkeit von MarketingExzellenz gerecht zu werden. Durch die Summe der oben genannten Scout24-Gesellschaften wird die Markenplattform Scout24 in 2000 alleine in Deutschland mit einem Budget von mehr als 40 Mio. DM beworben.

Scout24 und AutoScout24 - innovative Konzepte für virtuelle Marktplätze

147

Durch diese Offensive konnten die Seitenzugriffe bei AutoScout24 bis Mitte 2000 auf über 30 Millionen gesteigert werden. Von der Wirtschaftswoche wurde AutoScout24 deshalb im Mai 2000 den zehn größten E-Commerce-Sites in Deutschland zugerechnet. Neben diesem immensen Marketing-Aufwand, der natürlich in erster Linie mit erheblichen finanziellen Mitteln verbunden ist, kommt eine weitere maßgebliche Säule zum Tragen, die eigentlich wichtigste: das Team. Das beste Team, eines der fünf Elemente für den Erfolg, stellt gleichsam die Basis einerseits für die Marketing-Exzellenz und andererseits für die technologische Überlegenheit dar. AutoScout24 hat hierfür hoch erfahrene Marketing-Spezialisten aus verschiedenen Branchen gewinnen können. Entsprechend ist es Marketing-Philosophie bei AutoScout24, permanent den Status Quo und das bislang Erreichte zu hinterfragen und zu überprüfen, um von Monat zu Monat hinzuzulernen sowie die Marketing-Effizienz kontinuierlich zu steigern. Dies ist nur mit einem hoch professionellen und motivierten Team zu schaffen. Mit fast jeder Marketing-Maßnahme bei AutoScout24 wird Neuland betreten, da der Markt erst im Entstehen ist, täglich neue User und Zielgruppen dazu kommen und das Wettbewerbsumfeld sich ständig ändert. Nur ein Unternehmen, das bereit ist, in das Recruiting und die Weiterentwicklung von Top-Leuten zu investieren wird in diesem wettbewerbsintensiven und schnellen Markt die Nase im Marketing vorne behalten können. Ein Team zusammenzustellen, das diesen außerordentlichen Anforderungen gerecht werden kann, hat 18 Monate benötigt und bleibt eine weiter bestehende Herausforderung für AutoScout24.

148

Scout24 und AutoScout24 - innovative Konzepte für virtuelle Marktplätze

Inhouse Integration

Betonung in der Ausrichtung

Abb. 4:

Marketing

Content

Technik

Außendienst

ja

ja

teilweise

ja

Branchenerfahrung aus Werbeagenturen und autoaffinen Presseagenturen

System- und Netzwerkadministration; Applikationsentwicklung; Contententwicklung/ Design; Webmastering

Branchenerfahrung auf strategischer und operativer Ebene

Branchenerfahrung auf strategischer und operativer Ebene

Für gutes Marketing hat sich AutoScout24 die besten im Markt geholt.

Ressourcen

Eng verbunden mit dem Marketing ist natürlich der konkrete Verkauf. Auch hier konnte AutoScout24 erfahrene Experten aus dem Verkauf für die Aussendienstorganisation gewinnen. All diese Verkaufsprofis kommen aus dem Automobilverkauf oder zumindest aus dem Automobilbereich oder ähnlich funktionierenden Branchen. Doch ist nicht nur in puncto Marketing das beste Team unabdingbar, sondern natürlich auch auf der Ebene der Technik, des Produktes von AutoScout24. So besteht bei AutoScout24 das implementierungserfahrene Technik-Team allein aus 24 Mitarbeiter, die durch weitere zehn bis zwölf Mitarbeitern bei externen Partnern unterstützt werden. Von den internen Mitarbeitern sind vier mit System- und Netzwerkadministration, fünf mit Applikationsentwicklung, drei mit Content-Entwicklung und Design sowie vier mit Webmastering beschäftigt. Das Webmastering wird dabei von je einem Webmaster maßgeschneidert nach den Ländern Deutschland, Spanien, Schweiz und Schweden vorgenommen, um bei aller Standardisierung die Kunden spezifisch ansprechen zu können. Insgesamt lässt sich festhalten, dass bei AutoScout24 hoch erfahrene Experten an den jeweiligen kritischen Funktionen sitzen und einen nachhaltigen Wettbewerbsvorsprung garantieren. Nur so kann den beschriebenen Elementen für den Erfolg im E-Business begegnet werden. Das Erfolgsrezept lautet also abschließend, in einer dezentralen

Scout24 und AutoScout24 - innovative Konzepte für virtuelle Marktplätze

149

Unternehmensorganisation mit rechtlich selbständigen Töchtern Schnelligkeit am Markt sicherzustellen und mit hochqualifizierten Humanressourcen Marketing-Exzellenz auszuüben und technologische Überlegenheit zu gewährleisten.

3.

ZUSAMMENFASSUNG UND KURZER AUSBLICK

Möchte man zusammenfassend die oben dargestellten Inhalte zu Kernthesen verdichten, so lassen sich folgende Thesen für Erfolg im Internet extrahieren: • • • • • • •

Schnelligkeit siegt: wer zögert, sieht andere vorbeiziehen, neue Geschäfte brauchen Talente, Marken machen mächtig, Marktflihrerschaft erfordert frühe, mutige Investitionen, technologische Führerschaft ist kein Projekt, sondern ein Prozess, Angst vor Kannibalisierung des Kerngeschäftes stärkt die Kannibalen, und noch einmal: Schnelligkeit, Schnelligkeit, Schnelligkeit.

Es wurde gezeigt, wie Scout24 diesen Parametern Rechnung trägt: vor allem sind es das beste Team, das sich durch alle Bereiche zieht, sowie technologische Überlegenheit und Marketing-Exzellenz. Man könnte nun den Eindruck gewinnen, dass das Internet-Geschäft zwar komplex ist, beachtet man die Aussagen von Scout24, jedoch auch höchst nachahmenswert. Als kleiner Wehrmutstropfen sei deshalb am Ende des Beitrages noch erwähnt, dass auch in dieser Branche nicht alles Gold ist, was glänzt. Wirft man einen genaueren Blick auf die heute erfolgreichen Unternehmen im E-Business, so zeigt sich - wie auch in diesem konkreten Fall - sehr schnell, dass es meistens nicht irgendwelche Informatikstudenten sind, die nach einer durchzechten Nacht ein geniale Idee haben. Vielmehr handelt es sich um Profis, häufig aus der Beratungsbranche, die viel Geld investieren müssen, um eine Chance zu haben. Und auch dann ist der Weg noch ein steiniger: Nur die Besten überleben!

150

Scout24 und AutoScout24 - innovative Konzepte für virtuelle Marktplätze

In nur zwei Jahren hat sich Anzahl der potenten Marktteilnehmer auf nur wenige reduziert: •AutoScout24 •Faircar •AutoEuro •Mobile

1997/98

Abb. 5:

Nur die Besten

2000

überleben.

8 . JFAX - UNIFIED MESSAGING ALS INTEGRIERTE KOMMUNIKATIONSPLATTFORM

Alexandra Glückstein, Michael Schuster

1.

2.

VON DER NOTWENDIGKEIT EINER INTEGRIERTEN KOMMUNIKATIONSPLATTFORM UNIFIED MESSAGING ALS INTEGRIERTE KOMMUNIKATIONSPLATTFORM

155

2.1

BESTEHENDE PRODUKTLÖSUNGEN

157

2.2

ENTWICKLUNG UND STRUKTUREN DES MARKTES FÜR U M DIENSTE

3.

4.

153

159

DIE BEDEUTUNG UND SONDERROLLE VON JFAX ALS ANBIETER VON UM-DIENSTEN

162

3.1

DAS TECHNISCHE KONZEPT

163

3.2

DIE PRODUKTE

163

3.3

STRATEGIE UND POSITIONIERUNG

164

FAZIT UND AUSBLICK

166

Jfax - Unified Messaging als integrierte Kommunikationsplattform

1.

153

V O N DER NOTWENDIGKEIT EINER INTEGRIERTEN KOMMUNIKATIONSPLATTFORM

Gerade in den letzten Jahren ist sowohl das private als auch das berufliche Umfeld des Menschen von einem stets ansteigenden Maß insbesondere geographischer Mobilität geprägt. Zum einen bringt die zunehmende Flexibilisierung

der

Arbeitswelt

oder

sinkende

die

Bindung

des

Arbeitnehmers an ein bestimmtes Unternehmen vermehrt beruflich induzierte Wohnortwechsel mit sich, zum anderen produziert die zunehmende Freizeitorientierung des Menschen immer mehr den Wunsch nach außerhäuslichen Erreichbarkeit

Aktivitäten. und

Stets bleibt

doch

der

1

Neben

Kommunikationsfähigkeit.

Wunsch

nach

diesen

eher

gesellschaftlichen spielen auch technologische Faktoren eine Rolle. Nicht zuletzt durch die zunehmende Verbreitung moderner Kommunikationstechnologien, wie dem Mobiltelefon oder dem Internet- und E-Mailfähigen Heimcomputer, bieten sich dem Menschen Möglichkeiten, die bis vor einigen Jahren noch undenkbar schienen. Ein Problem, das sich bei dieser schon heute bestehenden Vielzahl unterschiedlichster Kommunikationsmöglichkeiten ergibt, besteht nun aber darin, dass diese - jede für sich - ein mehr oder minder proprietäres, d. h. in sich geschlossenes und mit anderen inkompatibles Medium darstellt. Diese werden vom Nutzer oftmals abwechselnd oder gleichzeitig nebeneinander verwendet, wodurch sich für ihn ein deutlicher administrativer Mehraufwand ergibt, da verschiedene Nachrichtenkanäle, die jeweils ein Medium transportieren, gleichzeitig überwacht werden müssen.

Vgl. auch Beck (1998), der die Auflösung der geographischen Immobilität im Zuge der fortschreitenden Globalisierung als Ortspolygamie, d. h. "das Verheiratetsein mit mehreren Orten" (Beck 1998, S. 129), bezeichnet. Damit beschreibt Beck ein Phänomen, nach dem die Menschen trotz ihrer Bindung an einen festen Wohn- und Lebensmittelpunkt Teilnehmer einer immer größeren Zahl anderer Lebenswelten werden, die im Gegensatz zu früher keine notwendige geographische Bindung oder Nähe zum festen Lebensmittelpunkt haben müssen.

154

Jfax - Unified Messaging als integrierte Kommunikationsplattform

Ein weiteres Problem ergibt sich daraus, dass gerade vor dem Hintergrund der zunehmenden geographischen Flexibilisierung bei vielen Menschen die Notwendigkeit besteht, auf eingegangene Nachrichten zugreifen zu können, unabhängig von ihrem aktuellen Aufenthaltsort. Ebenso muss sich der Absender einer Nachricht sicher sein können, dass die von ihm übertragene Information den Empfänger sicher und rechtzeitig erreicht, unabhängig davon, wo dieser sich gerade aufhält. Vor einem ähnlichen Problem stand Mitte der 90er-Jahre ein Berliner Musiker namens Jens Müller. Bereits auf einer Europatournee im Jahr 1994, bei der sich ständig sein Aufenthaltsort und somit auch seine momentane Telefon- und Faxnummer änderte, fiel ihm auf, dass die einzigen Nachrichten, die ihn während der Tournee stets zuverlässig erreichten, solche waren, die ihm per E-Mail übermittelt wurden. Faxe oder Telefonate hingegen mussten oftmals erst umständlich weitergeleitet werden oder erreichten ihren Empfänger auch gar nicht. Als er sich dann im darauf folgenden Jahr zu Verhandlungen in Los Angeles aufhielt, schickte ein Konzertveranstalter eine Einladung für ein Festival in Boston, bei dem Jens Müller auftreten sollte, an seine New Yorker Fax-Nummer, die während dieser Zeit aber nicht überwacht wurde. Die Folge war, dass Müller von dem Fax und der Einladung auf das Musikfestival erst bei seiner Rückkehr nach New York erfuhr. Leider war zu diesem Zeitpunkt das Festival schon seit zwei Tagen vorüber. Aus diesen Erfahrungen entstand der Wunsch nach einer Form der Kommunikation, die in der Lage ist, die Vorteile der analogen und digitalen Welt zu kombinieren, und dem Nutzer, unabhängig von der gewählten Form der Nachricht, permanente Erreichbarkeit garantiert. Eine Lösung dieses Problems sah der leidenschaftliche E-Mail-Nutzer und computerbegeisterte Jens Müller in einer Kombination traditioneller, analoger Kommunikation in der Form von Telefon und Fax mit den Möglichkeiten der digitalen Kommunikation in Form der E-Mail-Technologie. Aus dieser Idee heraus entstand im Jahr 1996 das Unternehmen jfax Communications Inc., das mit seinem ersten Produkt, jfax Personal Telecom, diese Vision einer integrierten Kommunikationsplattform in die Realität umsetzen wollte. Mit diesem Schritt erfand und erschuf Jens

Jfax - Unified Messaging als integrierte Kommunikationsplattform

155

Müller mit Unifled Messaging ein Produkt und einen Markt, der sich bis heute in einer starken Wachstumsphase befindet. Mittlerweile ist jfax in einer Vielzahl von Ländern vertreten, darunter auch Deutschland und anderen europäische Staaten.

2.

UNIFIED MESSAGING ALS INTEGRIERTE KOMMUNIKATIONSPLATTFORM

Kurz gesagt stellt Unified Messaging (UM) den Versuch dar, verschiedenste Kommunikationsmöglichkeiten in einer einzigen Plattform zu integrieren, um auf diesem Wege sowohl real-time- als auch store-and-forwardVerfahren unter einem Dach nutzbar zu machen. Angestrebt wird eine umfassende Nachrichten-Management-Lösung für die Übermittlung beliebiger Daten. UM bietet dem Nutzer permanenten Zugriff auf alle an ihn gerichteten Nachrichten und Informationen, unabhängig davon, wann er diese abrufen will. Es ist unwesentlich, ob es sich bei der Nachricht um eine E-Mail, ein Telefax, eine SMS- oder Pager-Kurznachricht oder einen Anruf handelt, oder welches Mittel des Zugriffs er benutzt. Dabei kann dieser Zugriff quasi von jedem beliebigen Ort auf der Welt erfolgen. Die Bündelung verschiedenster Kommunikationswege ermöglicht es somit dem Nutzer, jederzeit und überall für jede beliebige Nachricht direkt, d. h. real-time, oder indirekt, d. h. store-and-forward, erreichbar zu sein. Möglich wird dies durch die Umwandlung, Weiterleitung und Archivierung eingehender Nachrichten in digitalisierter Form. In aller Regel verfügt der Nutzer über eine einzige Telefonnummer, über die alle eingehenden Nachrichten, seien es Fax-, Daten- oder Sprachmeldungen, zentral gesammelt, anschließend digital verarbeitet und entsprechend den Vorgaben des Nutzers bis zum Abruf archiviert oder auch weitergeleitet

Real-time-Verfahren sind solche, bei denen Sender und Empfanger gleichzeitig an einer Kommunikation teilnehmen (beispielsweise Telefon oder Internet Remote Chat), während bei Store-and-Forward-Verfahren die Kommunikation zwischen beiden Teilnehmern zeitversetzt erfolgt (beispielsweise E-Mail oder Fax).

156

Jfax - Unified Messaging als integrierte Kommunikationsplattform

werden. Diese zentral oder dezentral gespeicherte Nachricht kann der Nutzer dann bei Bedarf über ein beliebiges Kommunikationsendgerät abrufen. So kann er sich beispielsweise eingegangene Telefaxe oder E-Mails über das Telefon elektronisch vorlesen lassen oder erhaltene SMS (Short Message Service) an seine E-Mailbox weiterleiten zu lassen, um sie dann per POP3- oder IMAP-Protokoll von seinem PC abzufragen, ob dieser nun im Büro oder Zuhause steht. Auch ist es denkbar, eingegangene Sprachnachrichten per Telefon ganz wie bei einem herkömmlichen Anrufbeantworter abzuhören, um sie anschließend beispielsweise an weitere Empfänger per E-Mail zu verschicken.

Abb. 1:

Schematische Darstellung eines Unified

Messaging-Dienstes

Abbildung 1 illustriert anhand einer schematischen Darstellung das entscheidende Prinzip von Unified Messaging-Diensten. Kernidee ist dabei, die Bindung der Form einer Nachricht an ein bestimmtes Empfangsmedium aufzulösen. So waren bisher sprachlich übermittelte Nachrichten nur mittels Telefon zu empfangen, Textnachrichten nur über E-Mail oder Fax. Die Umwandlung, Weiterleitung und Speicherang verschiedener Nachrichteninhalte in digitaler Form ermöglicht es nunmehr auch, Nachrichten mit sprachlichen Inhalten über elektronische oder textbasierte Me-

Jfax - Unified Messaging als integrierte Kommunikationsplattform

157

dien zu empfangen, oder auf Textnachrichten über sprachbasierte Medien zuzugreifen. Insofern haben UM-Dienste aus heutiger Sicht das Potenzial, die bisher bestehende Proprietarität einzelner, isoliert nebeneinander genutzter Kommunikationsmedien zu überwinden und einer wie auch immer gearteten Konvergenz zukünftiger Kommunikationsmöglichkeiten Vorschub zu leisten.

2.1

Bestehende Produktlösungen

Es ist nicht verwunderlich, wenn man als Betrachter des noch verhältnismäßig jungen Marktes für UM-Dienste unterschiedlichste Varianten von Produktlösungen finden kann. Trotz dieser starken Heterogenität lassen sich jedoch aktuell im wesentlichen folgende drei Kategorien identifizieren: (1) Bei webbasierten Anwendungen ist ein normaler Internet-Browser das zentrale Interface des Nutzers zum Nachrichten-Server. Dieser kann durch Anwahl der entsprechenden Seiten des Dienstleisters die jeweiligen Kommunikations-Dienste in Anspruch nehmen, beispielsweise den Inhalt seines Eingangskorbes überprüfen und eingegangene Nachrichten lesen oder weiterleiten, genauso aber Nachrichten verschicken, wobei als Formate meist SMS, Fax oder E-Mail zur Verfugung stehen. Dem Vorteil eines standardisierten und daher weltweit möglichen Zugriffs auf die Nachrichten stehen insbesondere sicherheitsrelevante Nachteile entgegen. So werden zum einen alle Nachrichten bis zum Abruf auf einem Fremdserver gespeichert, zum anderen ist die Übertragung der Nachrichten vom Rechner des Anbieters zu dem des Nutzers heute meist noch nicht verschlüsselt. Somit werden möglicherweise brisante private oder berufliche Informationen für jeden lesbar über das Internet übertragen. Da sich diese Dienste aus diesen Gründen vor allem für private Nutzer eignen, sind diese meist relativ günstig oder sogar kostenlos und finanzieren sich zu einem beträchtlichen Teil aus Werbung. (2) Nichtwebbasierte UM-Dienste versuchen besonders dem erstgenannten Nachteil zu begegnen, indem sie eingehende Nachrichten

158

Jfax - Unified Messaging als integrierte Kommunikationsplattform

nach entsprechender Aufbereitung an den Kunden weiterleiten, beispielsweise an eine bestimmte E-Mail-Adresse. Dadurch wird die elektronische Mailbox des Nutzers zur zentralen Schnittstelle, auf die er von Zuhause, am Arbeitsplatz oder unterwegs, etwa mittels eines WAP-fähigen Mobiltelefons, zugreifen kann. Die Übertragung kann über öffentliche oder private Netze erfolgen, wobei in aller Regel moderne Verschlüsselungstechniken zur Anwendung kommen. Einige Anbieter verfugen über eigene Datennetze, mittels derer die Nachrichten übertragen werden, und kommen damit sicherheitsrelevanten Fragestellungen wesentlich entgegen, da die Nachrichten während des Transports innerhalb dieses Netzes von fremden Zugriffen geschützt sind. Diesen Vorteilen stehen natürlich auch Nachteile gegenüber. So vollzieht sich die Speicherung der Daten allein auf den Rechnern des Nutzers, was insbesondere für größere Unternehmen einen nicht zu vernachlässigenden Investitionsbedarf nach sich ziehen kann. Zum anderen sind solche Dienste, die über eigene Netze und entsprechende Verschlüsselungstechniken verfugen, meist nicht ganz preiswert. Aus diesem Grund richten sich durchreitende Dienste meist an professionelle Nutzer und Unternehmen. (3) Unternehmenseigene UM-Dienste schließlich nehmen in dieser Einteilung insofern eine Sonderrolle ein, als die Anschaffung eines eigenen Nachrichten-Servers nur für größere Unternehmen in Frage kommt, nicht jedoch für einzelne private oder professionelle Nutzer. Die Nachteile einer solchen Lösung liegen auf der Hand. Neben den einmaligen Kosten für die Beschaffung der notwendigen Hard- und Software sowie Schulungsmaßnahmen sind es vor allem die erforderlichen laufenden Aufwendungen für Administration und Wartung, die eine solche Lösung nur ab einer bestimmten Größe sinnvoll erscheinen lassen. Auf der anderen Seite bietet eine solche Lösung die Möglichkeit einer optimalen Anpassung an die bestehende Infrastruktur der Nutzer, individuelle Gestaltungs- und Erweiterungsoptionen sowie die Unabhängigkeit der eigenen Kommunikationsfahigkeit von Drittanbietern.

Jfax - Unified Messaging als integrierte Kommunikationsplattform

2.2

159

Entwicklung und Strukturen des Marktes für UMDienste

Jfax Communications Inc. wird allgemein als Begründer des Marktes für Unified Messaging-Dienste betrachtet. Seit der Einführung ihres ersten Produkts im Jahr 1996, einer E-Mail-basierten Fax- und Sprach-Dienstleistung, ist der Markt bis heute beständig stark gewachsen. Im Jahr 1998 waren nur 35.000 Kunden Nutzer eines UM-Dienstes, Ende 1999 betrug die Zahl laut einer Studie von IDC allein in den USA bereits 4 Millionen und wird für das Jahr 2003 auf mindestens 25,4 Millionen Nutzer geschätzt. Eine ähnliche Entwicklung wird auch fur den europäischen Raum erwartet. Betrug die geschätzte Marktgröße in Europa im Jahr 1999 noch 135 Mio. US-Dollar, so wird sie für 2006 mit über 18 Mrd. US-Dollar erwartet.3 Wie Abbildung 2 allerdings auch zeigt, wird das Marktwachstum im gleichen Zeitraum von knapp 185 Prozent im Jahr 1999 auf nur noch 7 Prozent im Jahr 2006 sinken. Größter Ländermarkt in diesem Zeitraum ist Deutschland, noch vor Großbritannien und den skandinavischen Ländern. Hauptursache für dieses doch bemerkenswerte Wachstum sind die bereits weiter oben skizzierten großen Produktivitätssteigerungspotenziale dieser Dienste durch Vereinheitlichung des Zugriffs auf unterschiedlichste Arten von Nachrichten. Entsprechend dem noch geringen Reifegrad dieser Industrie ist das Feld der Anbieter auf diesem Markt und der von ihnen verfolgten Produkt* und Marktstrategien recht breit gefächert. Manche Anbieter (beispielsweise jfax oder GMX in Deutschland) beschränken sich primär auf die Bündelung verschiedenster Nachrichtenarten, somit also den Kern eines UM-Dienstes. Andere (beispielsweise jointplanning.com oder SmartCal in den USA) versuchen, dem Nutzer umfassende virtuelle Sekretariatsdienste anzubieten, die natürlich auch UM-Funktionen umfassen, darüber hinaus aber auch webbasierte Dienstleitungen wie Terminplanung, Aufgabenlisten-Verwaltung und Gruppenfunktionen zu bieten. Die Entwicklung des europäischen und dabei insbesondere des deutschen

Vgl. hierzu auch Reibold (2000, S. 65).

160

Jfax - Unified Messaging als integrierte Kommunikationsplattform

Marktes verlief bis heute analog der des amerikanischen Marktes, wenn auch mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung. So gibt es mittlerweile auch in Deutschland eine fast unüberblickbare Zahl unterschiedlichster UM-Anbieter, von denen sich manche (beispielsweise jfax.de) allein auf das Anbieten von spezialisierten UM-Diensten beschränken, während andere (beispielsweise web.de oder directbox.com) webbasierte UMDienste mit anderen Funktionen, wie beispielsweise einer Suchmaschine oder einem Themen-Portal, anreichern.

Abb. 2:

Der europäische Markt fiir Unified Messaging Sullivan)

(Quelle: Frost &

Aktuell ist der Markt für UM-Dienste von einer hohen Wettbewerbsintensität gekennzeichnet. Dies hat verschiedene Gründe. Wie bereits weiter oben dargestellt, gewinnt der Markt für UM zunehmend an Attraktivität und entwickelt sich so von einem Nischen- zu einem Massenmarkt, was durch die ansehnlichen Wachstumsraten unterstrichen wird. Entsprechend steigt auch die Zahl der konkurrierenden Wettbewerber, die sich alle in diesem noch jungen Markt mit einer eigenen Markenidentität etablieren wollen. Schließlich fuhrt die breite Verfügbarkeit von standardisierten, Off-the-shelf-Software-Lösungen namhafter Entwickler wie Lucent

Jfax - Unified Messaging als integrierte Kommunikationsplattform

161

Technologies, Nortel Networks oder Cisco dazu, dass potenzielle Wettbewerber nur geringe Markteintrittsbarrieren überwinden müssen, um in den Markt eindringen zu können. Im Gegensatz zu den Marktpionieren sind sie nicht auf riskante Eigenentwicklungen angewiesen, sondern können auf standardisierte Software-Lösungen etablierter Hersteller zurückgreifen.4 Aufgrund der Vielschichtigkeit der angebotenen Dienstleistungen erweist sich nicht nur die Angebots-, sondern auch die Nachfrageseite als recht heterogen. Grundsätzlich lässt sich aber sagen, dass heutige UMNutzer in aller Regel noch eine deutlich größere Technik-Affinität als der Bevölkerungsdurchschnitt aufweisen, was bedeutet, dass sie neuen technischen Möglichkeiten und Entwicklungen tendenziell eher positiv gegenüberstehen. Auch sind aktuell verfügbare UM-Produkte aufgrund ihrer technischen Komplexität und der notwendigen individuellen Konfiguration für den Technik-Laien im Vergleich zu etablierten analogen Kommunikationsmitteln, wie dem Telefon oder Telefax, trotz ihrer offensichtlichen Vorteile noch zu wenig praktikabel. Verschiedene Marktstudien haben zwei Grundtypen potenzieller und tatsächlicher UM-Nutzer identifiziert: (1) Privatkunden stellen aktuell noch das kleinste Segment dar. Da für diese Nutzergruppe das Prinzip der ständigen Erreichbarkeit für alle Arten von Nachrichten keine wirkliche Priorität darstellt, sind diese auch nur selten bereit, für den sich ihnen bietenden Mehrwert von UM-Diensten zu bezahlen. Aus diesem Grund scheinen sich insbesondere webbasierte, kostenlose Anbieter für diese Zielgruppe zu eignen, wohingegen spezialisierte, professionelle und kostenpflichtige Dienste in diesem Kundensegment erwartungsgemäß keine größere Rolle spielen. (2) Große und kleine Geschäftskunden bilden das andere, wirtschaftlich sicher interessantere und auch deutlich größere Segment, sowohl was die Zahl der Nutzer als auch das Marktvolumen betrifft. In dieser Gruppe befinden sich auf der einen Seite Freiberufler und Kleinstunternehmen,

Vgl. zu einer Darstellung verschiedener Softwarelösungen Reibold (2000, S. 67f.).

162

Jfax - Unified Messaging als integrierte Kommunikationsplattform

auf der anderen Seite größere Unternehmen bis hin zu international tätigen Konzernen. Während die stete Erreichbarkeit für Privatnutzer mehr eine individuelle, frei gewählte Gestaltungsvariable des privaten Lebens darstellt, ist es für viele geschäftliche Anwender eine berufliche Notwendigkeit, stets erreichbar zu sein und von überall her auf alle Arten von Nachrichten zugreifen zu können. Außerdem spielen Fax- und Datenkommunikation in der geschäftlichen Kommunikation eine wesentlich größere Rolle als im privaten Umfeld. Daher stellen UM-Dienste für gewerbliche Nutzer grundsätzlich einen deutlichen Mehrwert dar, für den diese dann auch zu zahlen bereit sind. Abschließend lässt sich feststellen, dass der Markt für UM-Dienste sowohl auf der Anbieter- als auch auf der Nachfrageseite von einer gewissen Heterogenität und einer starken Fluidität gekennzeichnet ist, was eine klare paradigmatische Entwicklung noch nicht erkennen lässt. Aus diesem Grund finden sich im Markt auch eine Vielzahl unterschiedlicher, primär technologiegetriebener Produktlösungen, über deren marktliche Akzeptanz heute noch nicht abschließend geurteilt werden kann.

3.

DIE BEDEUTUNG UND SONDERROLLE VON JFAX ALS ANBIETER VON UM-DIENSTEN

Im Spektrum der Anbieter von UM-Dienstleitungen nimmt das bereits mehrfach angesprochene Unternehmen jfax als durchreichender UM-Anbieter eine gewisse Sonderrolle ein. Zum einen war das amerikanische Unternehmen jfax 5 maßgeblich an der Entstehungsgeschichte des noch jungen Marktes für Unified Messaging-Services beteiligt und hat diesen mit seinen Produktideen entscheidend geprägt. Zum anderen nimmt das

Neben der amerikanischen Konzern-Mutter jfax.com existiert eine Vielzahl regionaler Töchter in ausgewählten europäischen Ländern (beispielsweise in Deutschland oder Frankreich). Diese sind in aller Regel JointVenture-Unternehmen, bei denen neben der mehrheitlichen Beteiligung der amerikanischen Mutter ein oder mehrere lokale Venture-Capital-Geber beteiligt sind.

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163

technologische Konzept, auf dessen Basis jfax seine Produkte anbietet, eine gewisse Sonderrolle ein. Aus diesen Gründen scheint eine genauere Betrachtung dieses speziellen Unternehmens besonders interessant.

3.1

Das technische Konzept

Die wesentliche technologische Differenzierung von jfax gegenüber dem Wettbewerb besteht in der Vorhaltung eines eigenen Datennetzes, das weltweit über 48 vernetzte Server verfugt. Empfangene und versendete Nachrichten werden soweit als möglich über dieses private Netzwerk übertragen, so dass nur für die örtliche Verbindung vom Absender zum nächstgelegenen Knoten und vom empfangenden Knoten zum letztendlichen Empfanger auf öffentlich zugängliche Datennetze zurückgegriffen wird. Dadurch und durch eigene Verschlüsselungstechniken ist die Übertragung der Nachrichten über einen Großteil der Strecke, die die Nachricht zurücklegt, sicher, vor allem im Vergleich zur Übertragung auf öffentlichen Datennetzen, wie dies bei herkömmlichen Faxen und E-Mails üblich ist. Da es sich bei jfax um einen nichtwebbasierten UM-Dienst handelt, werden übertragene Nachrichten nicht auf firmeneigenen Rechnern zwischengespeichert, sondern stets direkt an den Empfanger weitergeleitet.

3.2

Die Produkte

Im Kern stützt sich das Angebotsspektrum von jfax auf drei Produkte. Diese stellen gleichzeitig die Realisierung der Grundidee des Unified Messaging dar. Basis aller Produkte ist eine von jfax für den Kunden freigeschaltete Rufnummer, bei der der Nutzer die Wahl aus über 120 Orten weltweit hat. Damit hat der Kunde die Möglichkeit, virtuelle Büros an einem Ort seiner Wahl einzurichten, unabhängig davon, wo sich der Nutzer tatsächlich aufhält. Alle über diese Rufnummer eintreffenden Nachrichten werden dann an die bereits bestehende E-Mail-Adresse des Kunden weitergeleitet.

164

Jfax - Unified Messaging als integrierte Kommunikationsplattform

(1) Die wesentliche Funktion ist die Weiterleitung eintreffender Sprach- und Faxnachrichten an die bestehende E-Mail-Adresse. Hierzu werden die Nachrichten digitalisiert, in standardisierte Dateiformate umgewandelt und über das firmeneigene Datennetz an die bestehende elektronische Mailbox des Empfängers weitergeleitet. Der Kunde öffnet diese dann als Anlage einer E-Mail auf seinem PC, wo die dafür notwendigen Applikationen installiert sind. (2) Eine weitere Option ist, Dokumente aus Standardapplikationen heraus als Fax an beliebige Empfanger zu versenden. Hierzu wird das zu versendende Dokument entsprechend umgewandelt und als Anlage einer E-Mail unter Angabe der Empfänger-Rufnummer aus dem eigenen EMail-Programm heraus an einen Server von jfax übertragen, der das Fax dann über das firmeneigene Rechnernetz an denjenigen Rechner übermittelt, der dem Empfanger am nächsten ist. Auf diese Weise können insbesondere bei internationalen Fax-Übertragungen Kosten eingespart werden, da die Übertragung weitgehend über das eigene Netz geschieht und nur für den Weg vom letzten Netzrechner zum Empfänger Kosten anfallen. (3) Eine letzte Funktion besteht darin, auf empfangene Sprach-, Faxoder E-Mail-Nachrichten über ein Telefon zugreifen zu können. Nach der Einwahl, die entweder über Fest- oder Mobilnetz erfolgen kann, können einzelne, von einer Sprachsoftware "vorgelesene" Nachrichten abgehört werden. Anschließend kann der Empfänger die Nachricht per Sprache beantworten und an den Absender der Nachricht schicken. Neben diesen primären Kernprodukten bietet jfax noch andere sekundäre Dienstleitungen, wie sie auch die meisten Wettbewerber anbieten. Dazu gehören die Möglichkeiten, per SMS über eingegangene Nachrichten über das Mobiltelefon oder einen Pager informiert zu werden, oder über die firmeneigene Webseite Faxe zu verschicken.

3.3

Strategie und Positionierung

Als relevante Zielgruppe betrachtet jfax grundsätzlich jene, welche die Vorteile nichtortsgebundener Kommunikation für sich nutzen wollen, unabhängig davon, ob es sich dabei um private oder gewerbliche Nutzer

Jfax - Unified Messaging als integrierte Kommunikationsplattform

165

handelt. Vor dem Hintergrund unterschiedlicher Nachfragerstrukturen und unterschiedlicher Konkurrenzsituationen in den einzelnen Marktsegmenten, macht der Versuch einer vollständigen Marktabdeckung eine differenzierte Marktbearbeitung notwendig.6 Aufgrund der, insbesondere im Vergleich zur Konkurrenz, die oftmals kostenlos ist, nicht unerheblichen monatlichen Kosten, scheintjfax jedoch primär für kleine und mittlere Unternehmen und andere gewerbliche Nutzer interessant. In diesem Segment spielen insbesondere sicherheits- und zuverlässigkeitsbezogene Fragen eine gewichtige Rolle, die in den Augen dieser Nutzer durchaus einen Mehrwert darstellen, für den sie auch zu zahlen bereit sind. Gerade hier verfügt jfax mit der vergleichsweise sicheren Übertragung innerhalb des firmeneigenen Datennetzes und der Möglichkeit, weltweit virtuelle Büros zu eröffnen, über echte Alleinstellungsn

merkmale (bzw. Unique Selling Propositions), mit denen sich jfax deutlich von der Mehrzahl der konkurrierenden UM-Anbieter abhebt. Diese können im Rahmen einer differenzierten Marktbearbeitung für das Segment der Unternehmen und gewerblichen Nutzer im Rahmen einer wertbringenden Abhebungsstrategie genutzt werden. Das Segment privater Nutzer hingegen ist von einem harten Verdrängungswettbewerb geprägt. In diesem Segment agieren eine Vielzahl zumeist kostenloser UM-Anbieter, die alle mehr oder minder ähnliche Produkte rund um Unified Messaging anbieten. Zwar bietet sich auch hier zum Zweck der Positionierung eine wie auch immer geartete Abhebungsstrategie, jedoch ist es in diesem Segment wesentlich schwieriger, die vorhandenen Alleinstellungseigenschaften gegenüber den potenziellen Kunden zu kommunizieren, da diese aus der Sicht des Kunden (insbesondere im Vergleich zur meist kostenlosen Konkurrenz) keinen Mehrwert bieten, für den er zu zahlen bereit wäre. Vor dem Hintergrund der geschilderten Situation in den einzelnen Marktsegmenten kann man die Marktbearbeitungsstrategie von jfax zuVgl. auch Porter (1999, S. 168ff.) für eine Betrachtung der Differenzierungsstrategie.

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sammenfassend dahingehend beschreiben, dass sie in ihren realen Ausprägungen primär auf das gewerbliche Segment beschränkt ,ist, dort aber o

durchaus nach verschiedenen Kundengruppen differenziert.

4.

FAZIT UND AUSBLICK

Aufgrund des doch noch recht geringen Alters und der enormen Dynamik des Marktes für UM-Dienste kann eine ausblicksartige, zukunfitsgerichtete Betrachtung sicherlich nur unscharf sein. Dennoch lassen sich vor dem Hintergrund des Vorangegangenen einige interessante Aussagen ableiten. Grundsätzlich kann wohl davon ausgegangen werden, dass die Kernidee des Unified Messaging, nämlich die Integration verschiedenster Formen moderner Kommunikation unter einem einheitlichen medialen Dach auch in der Zukunft fortbestehen wird, da mit UM durch die Digitalisierung aller Nachrichten die trennenden Grenzen zwischen verschiedenen Formen der Kommunikation überwunden werden können und damit auch gleichzeitig die Ortsgebundenheit einzelner Medien aufgelöst werden kann. Allerdings lässt sich wohl noch keine Aussage darüber machen, in welcher Form diese Idee in Zukunft in Erscheinung treten wird, da der noch recht junge UM-Markt in seiner Entwicklung heute noch schwer abschätzbar ist. Dies hat seine Ursache in einer Vielzahl von Unwägbarkeiten, von denen abschließend einige wesentliche kurz skizziert werden sollen. (1) Eine erste Unwägbarkeit liegt in dem geringen Alter und der mangelnden Reife des Marktes. Unter Zuhilfenahme prominenter Modelle Vgl. auch Eichholz (1984) für eine Diskussion der Alleinstellungseigenschaften. Vgl. auch Freter (1983) für eine umfassende Darstellung verschiedener Möglichkeiten der Marktsegmentierung und sich daraus ableitender Marktbearbeitungsstrategien. Allerdings muß auch auf einzelne Studien (vgl. McCarthy et al. 1999) verwiesen werden, die in der Bündelung verschiedenster Nachrichtenarten für den Nutzer die Gefahr eines 'message overload' sehen, und die daher eine Trennung von Sprache und Text bevorzugen.

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167

industrieller Entwicklungen10 kann wohl davon ausgegangen werden, dass sich die momentan fast schon unüberschaubare Zahl von Anbietern und Lösungen im Laufe der Zeit und mit zunehmender Reife und Etablierung des Marktes auf einige wenige reduzieren wird, deren genaue Beschaffenheit heute jedoch noch nicht abgeschätzt werden kann. (2) Eine weitere, aus heutiger Sicht nur schwer abschätzbare Variable liegt in der zunehmenden Aufmerksamkeit, die etablierte Unternehmen wie Microsoft oder Lotus der Idee des Unified Messaging widmen. Während die heute im Markt für UM-Dienste-Software angebotenen Lösungen zumeist Insellösungen (beispielsweise canbox oder Tobit) oder sogar Eigenentwicklungen des UM-Anbieters (wie bei jfax oder web.de) darstellen, bieten besagte Unternehmen im Rahmen ihrer etablierten und gerade im gewerblichen Bereich weit verbreiteten Messaging-Lösungen (Microsoft Exchange Server oder Lotus Domino/Notes) integrierte Pakete an, die die UM-Funktionalität in die bereits bestehenden Kommunikationssysteme nahtlos integrieren, während andere Entwickler von UM-Lösungen künstliche Schnittstellen schaffen müssen, die in sich stets die Gefahr von System- und Informationsbrüchen tragen. (3) Eine letzte Unwägbarkeit liegt in der Richtung der technologischen Entwicklung. Bereits heute ist abzusehen, dass mit der Schaffung des neuen mobilen Kommunikationsstandards UMTS eine reale Alternative zur heutigen Festnetz-Technologie geschaffen wurde. Die dann möglichen Übertragungskapazitäten und die immer größere Leitungsfähigkeit verfugbarer Endgeräte, wie Mobiltelefone oder Palmtops, gestatten mögliUm ein solches Modell handelt es sich beispielsweise bei Abernathy/Utterback (1978), die vor dem Hintergrund umfassender empirischer Beobachtungen industrieller Entwicklungen drei aufeinanderfolgende Entwicklungsmuster identifiziert haben, nach denen sich die Entwicklung einer neuen Industrie oder Branche vollzieht: (1) Die fluide Phase ist von einer Vielzahl unterschiedlichster Unternehmen und Produktlösungen gekennzeichnet. (2) In der Übergangsphase kommt es zur Etablierung einiger weniger dominierender Produktdesigns, die zu einer zwangsläufigen Selektion der beteiligten Unternehmen fuhrt. (3) In der spezifischen Phase schließlich haben sich einige wenige, allgemein akzeptierte Standards etabliert, die von einer überschaubar großen Zahl von Unternehmen zielgruppenspezifisch und differenziert angeboten werden.

168

Jfax - Unified Messaging als integrierte Kommunikationsplattform

cherweise die Etablierung neuer Kommunikationsstandards, die vorhandene Medien wie Sprache, Text, Graphik, aber auch Musik oder Video in einem Format vereinen, womit bestehenden UM-Lösungen die Existenzgrundlage entzogen würde. Trotz der skizzierten Unwägbarkeiten kann davon ausgegangen werden, dass die grundsätzliche Idee des Unified Messaging gerade vor dem Hintergrund zunehmender gesellschaftlicher Mobilisierung und der sich daraus ergebenden Notwendigkeit mittelbarer Kommunikation langfristig Bestand haben wird, die exakte Form hingegen aus heutiger Sicht noch nicht genau bestimmt werden kann.

Jfax - Unified Messaging als integrierte Kommunikationsplattform

169

LITERATURVERZEICHNIS Abernathy, W./Utterback, J. (1978), Patterns of industrial innovation, in: Technological Review, Nr. 7 (1978), S. 4 1 ^ 7 Beck, U. (1998), Was ist Globalisierung ? Irrtümer des Globalismus - Antworten auf Globalisierung, Frankfurt 1998 Eichholz, R. (1984), Alleinstellung, in: Blick durch die Wirtschaft, 06.12.1984, S. 1 Freter, H. (1983), Marktsegmentierung, Stuttgart 1983 McCarthy, A./Hannigan, B./Roland, E. (1999), Unified messaging misses the mark, in: The Forrester Brief, 03.09.1999 Porter, M. (1999), Wettbewerbsvorteile, 5. Auflage, Frankfurt/Main 1999 Reibold, H. (2000), Erweitertes Messaging. Neue Services und Add-ons, in: Internet Professionell, Nr. 3/2000, S. 65-69

9 . MANAGER-LOUNGE.COM FÜHRUNGSKRÄFTE-VERMITTLUNG IM INTERNET-ZEITALTER

Peter Bachsleitner, Uschka Pittroff

1.

CHANCEN FÜR PROFIS

173

2.

E-CRUITING BRINGT TEMPO IN DEN ATTRAKTIVEN WACHSTUMSMARKT PERSONALBERATUNG

174

2.1

Wachstumsmarkt Personalberatung

174

2.2

Wachstumsmarkt E-Cruiting

175

TYPOLOGIEN VON E-CRUITING-LÖSUNGEN

176

3.1

Stellenanzeigen auf den Websites der Arbeitgeber

176

3.2

Online-Stellenbörsen der klassischen Printmedien

177

3.3

Online-Stellenbörsen neuer Marktteilnehmer

178

3.4

E-Cruiting der klassischen Personalberater

179

3.5

Zielgruppenspezifisches E-Cruiting - der neue Trend

182

3.

4.

5.

MANAGER-LOUNGE - E-CRUITING FÜR DAS MITTLERE UND OBERE MANAGEMENT

184

4.1

Management-E-Cruiting - ein Widerspruch?

184

4.2

Manager-lounge - Online-Direct-Search nach Führungskräften

185

VOM E-CRUITING ZUM INFOPORTAL UND KARRIERENETZWERK MIT ZUKUNFT

188

Manager-lounge.com - Führungskräfte-Vermittlung im Internet-Zeitalter

1.

173

CHANCEN FÜR PROFIS

Im "War for Talents" spielt das Internet eine immer entscheidendere Rolle: E-Cruiting ist das neue Zauberwort unter den Personalberatern und Rekrutierungverantwortlichen in den Unternehmen auf der einen Seite. Auf der anderen Seite nutzen mehr und mehr Jobsuchende die Angebote im World Wide Web zur beruflichen Neuorientierung. Fakt ist, dass der so genannte E-Cruiting-Markt boomt und sich unzählige internetbasierte Jobvermittler bzw. Online-Stellenbörsen (alleine in Deutschland sind es über 200 Anbieter) um einen der vordersten Plätze rangeln. Bei näherer Betrachtung des Marktes wird man jedoch feststellen, dass noch einige attraktive Nischen vorhanden sind, die von Profis besetzt werden können. Ein Beispiel ist das Münchner Projekt "manager-lounge.com AG", das exklusive Karrierenetzwerk für moderne Führungskräfte. Der im Frühjahr 2000 von Profis aus der Old und New Economy gegründete Start-Up, versteht sich im Kern als zeitgemäßer Personalberater für das mittlere und obere Management. Die Benefits des Internet - Schnelligkeit, vernetzte Kommunikation, globale Reichweite, etc. - werden mit den Stärken der traditionellen Führungskräftevermittlung kombiniert (Abbildung 1). Der klassische Trade-off zwischen hoher Informationsqualität bezüglich einzelner Personen einerseits und großer Nutzerreichweite andererseits wird dabei aufgehoben. Arbeitgebern und Führungskräften wird gleichermaßen eine maßgeschneiderte Informations- und Kommunikations-Plattform geboten, die weit über die Mittlerrolle zwischen Personalsuchenden und Jobsuchenden hinausreicht. So partizipiert das Unternehmen im Allgemeinen am attraktiven Personalberatungsmarkt und im Speziellen am enormen Wachstum des E-Cruiting-Marktes. Diese Marktsegmente sollen im Folgenden kurz beleuchtet werden, bevor nach einer Typologisierung von E-Cruiting-Lösungen das Geschäftsmodell von manager-lounge näher erläutert wird.

174

Manager-lounge.com - Führungskräfte-Vermittlung im Internet-Zeitalter

Abb.l:

Manager-lounge überwindet den klassischen formationsqualität und Nutzerreichweite.

Trade-off zwischen In-

2.

E-CRUITING BRINGT TEMPO IN DEN ATTRAKTIVEN WACHSTUMSMARKT PERSONALBERATUNG

2.1

Wachstumsmarkt Personalberatung

Das Business der klassischen Personalberater "boomt" mit zweistelligen Zuwachsraten bei den Honorarumsätzen in den letzten Jahren. Fusionen, Restrukturierungen, die Privatisierung von Staatsbetrieben, die Globalisierungswelle und der Start-Up-Boom halten den Personalmarkt in Schwung. Die zunehmende Akzeptanz der Dienstleistung Personalberatung und die Gehaltssteigerungen insbesondere im Top-Management sorgen für zusätzliches Honorarwachstum. Allein im Jahr 1998 setzten die rund 5000 Berater der Branche in Deutschland etwa 1,3 Mrd. Mark um (Quelle: BDU) und für 1999 wird ein Plus von 15 Prozent erwartet. Doch locken fürstliche Honorare (in der Regel 25-33% vom Jahreseinkommen des vermittelten Kandidaten), vergleichsweise geringe Kosten und niedrige Einstiegsbarrieren ständig neue Anbieter, meist Einzelkämpfer, in die Wettbewerbsarena. Das ist nicht verwunderlich, denn man braucht "ja in

Manager-lounge.com - Führungskräfte-Vermittlung im Internet-Zeitalter

175

diesem Markt nicht mehr als ein Telefon, einen Schreibtisch, ein paar Kontakte", so Herbert Bechtel, Vorsitzender der Vereinigung Deutscher Executive-Search-Berater. Trotzdem hat sich laut Robert Rauschenbach, Partner bei Korn/Ferry International, diese "Branche in Ihrer Arbeitsweise in den letzten 30 Jahren kaum verändert" (beide so zitiert in W & V 42/99). Seit einigen Jahren existiert jedoch für die Personalberaterzunft eine neue Zeitrechnung: die ante und die post Internet.

2.2

Wachstumsmarkt E-Cruiting

Mitte der 90er-Jahre wurde in Deutschland eine erste Jobbörse mit einigen wenigen Stellenangeboten ins Netz gestellt, heute gibt es mehr als 200 große und kleine Anbieter von E-Cruiting-Lösungen. Allein die 40 größten gewerblichen Jobbörsen, so rechnet das Fachblatt "PersonalWirtschaft" (Mai 2000) vor, präsentieren gegenwärtig mehr als 200.000 offene Stellen im Internet. Nicht dazu gerechnet die rund 400.000 offenen Stellen, die über den Stelleninformationsservice der Bundesarbeit für Arbeit angeboten werden. "E-Recruiting bringt Tempo in den Stellenmarkt" subsumiert "Die Welt" in einem Artikel über das Angebot von Online-Jobbörsen (Mai 2000), die am Wettbewerb um "Talente" verdienen wollen. "Die Branche wächst rasant", meldet die "Personalwirtschaft" (Mai 2000). Es entsteht ein Markt mit enormen Wachstumschancen, in dem mehr als die Hälfte der Anbieter für das Jahr 2000 ein Umsatzplus von über 100 Prozent erwartet - Optimismus allenthalben. Noch interessanter werden die Zahlen, wirft man einen Blick auf den globalen Markt und den Vorreiter in Sachen E-Business, die USA: So soll der weltweite E-Cruiting-Markt (Online-Stellenanzeigen und Online-Recruiting) bis zum Jahr 2005 auf 7,1 Milliarden US-Dollar anwachsen (Quelle: Untersuchung des Marktforschungsunternehmens Forrester Research, Februar 2000). Allein in den USA wird ein jährliches Wachstum von 46% prognostiziert, so dass eine Entwicklung von 411 Millionen Dollar in 1999 auf 7,1 Milliarden Dollar in 2005 erwartet wird. Mit zeitlicher Verzögerung, aber ebenso deutlich, soll der europäische E-Cruiting-Markt anwachsen: von 75

176

Manager-lounge.com - Führungskräfte-Vermittlung im Internet-Zeitalter

Millionen Euro in 1999 auf 1,2 Milliarden Euro in 2004 (Quelle: "Financial Times" März 2000). Professor Dr. Jäger von der Fachhochschule Wiesbaden, Fachbereich Medienwirtschaft, orakelt: "Insgesamt ist zu erwarten, dass in den nächsten ein bis zwei Jahren rund ein Viertel der Jobs ausschließlich über das Internet besetzt werden. In bestimmten Teilbereichen des Bewerbungs- und Recruiting-Prozesses kommt das Internet auf einen noch höheren Anteil."

3.

TYPOLOGIEN VON E-CRUITING-LÖSUNGEN

Bislang sind es die Generalisten, die den Markt unter sich aufteilen. Wie nahezu alle Bereiche des E-business befindet sich aber auch der junge E-Cruiting-Markt in einer Phase des Umbruchs, in dem sich jetzt die Spreu vom Weizen trennt. Gemäß des Mottos der E-Bay-Gründer "Einfach machen!" entstanden zunächst viele neue Produkte und Unternehmen, die den lukrativen Markt für Personalvermittlung und Stellenanzeigen via Internet erobern wollten - per Mausklick an die Masse hieß die Devise. Man erhoffte sich ein lukratives Geschäft durch Ansprache möglichst vieler "Endkunden", die auf die jeweilige Website gelockt werden sollten. Jobs en masse als Vision potenzieller Moneymaker - vom Süßwasser-Biologen bis zur Sekretärin, vom Marketing-Manager bis zum Montage-Spezialisten. Vier Modelle von E-Cruiting-Lösungen können in diesem hart umschwärmten und umkämpften Markt im Prinzip unterschieden werden: Stellenanzeigen einzelner Arbeitgeber auf deren eigenen Websites, InternetStellenbörsen der klassischen Medien, Internet-Stellenbörsen neuer Marktteilnehmer und als vierte Gruppe das E-Cruiting der Personalberater.

3.1

Stellenanzeigen auf den Websites der Arbeitgeber

Erwartungsgemäß fanden sich bei Arbeitgebern aus dem Sektor Informationstechnologie die ersten Stellenanzeigen auf den Websites. Und inzwischen zählt diese Branche zu den stärksten Anwendern bei der internetbasierten Personalsuche. So erfolgen beim weltgrößten Anbieter von Internetsystemen, CISCO, fast 70% der Einstellungen kostenreduzierend via Internet (6500

Manager-lounge.com - Führungskräfte-Vermittlung im Internet-Zeitalter

177

Dollar versus circa 10.800 Dollar im Industriedurchschnitt; Quelle: Wirtschaftswoche vom 10.2.2000). Über 8 Millionen Dollar betrage allein die jährliche Ersparnis bei CISCO. Interessant ist in dem Zusammenhang, daß Vakanzen können heute in durchschnittlich 45 Tagen besetzt werden können (gegenüber 113 Tagen im Jahr 1997). "Jobbörsen im Internet sind unverzichtbar", sagt auch Silvia Steffens-Duch, Leiterin Personal-Marketing bei der Deutschen Bank. Laut ihrer Aussage ist dieser Weg geeignet, Mitarbeiter für das Unternehmen zu gewinnen: "20 Prozent unserer IT-Spezialisten und Investmentbanker finden wir bereits über das Internet". Für die Arbeitgeber wird die Erreichbarkeit potenzieller Kandidaten durch die Online-Anzeigen bzw. Personal-Homepages zweifelsfrei erhöht. Auch aus dem fernen Ausland können sich interessierte Kandidaten über aktuelle Angebote informieren und - ein weiteres Plus für die Bewerber - die oftmals mühsame Recherche über das Unternehmen wird durch ein umfangreiches Informationsangebot auf der Website erheblich erleichtert. Allerdings, so eine Studie der Zeitschrift "Die Welt" und der TU Berlin unter den 100 gewichtigsten deutschen Unternehmen (Juni 2000), bleibt das interaktive Potenzial des Online-Recruiting bislang größtenteils ungenutzt. Lange Reaktionszeiten auf Seiten der Unternehmen, mangelnde Aktualität der Stellenausschreibungen, fehlende Angaben über Unternehmenskennzahlen oder Karriereperspektiven verhalfen nur einem Untenehmen zu einer "Zwei" (Schulnotenprinzip) aus Sicht der Juroren. Jedes sechste Unternehmen kassierte eine "Fünf' oder "Sechs".

3.2

Online-Stellenbörsen der klassischen Printmedien

In Folge der funktionalen und preislichen Vorteile dieser neuen RecruitingAlternative haben klassische Printmedien, in der Vergangenheit wichtigstes Medium und notgedrungen "everybodys darling" für die anzeigengestützte Personalsuche, deutlich an Attraktivität verloren. In den Verlagen musste man zwangsläufig reagieren: So offerieren überregionale Tageszeitungen wie die www-ambitionierte "Die Welt", die "Süddeutsche Zeitung" sowie die konservative "FAZ" mittlerweile in ihren Online-Ausgaben auch Jobbörsen mit Anzeigen von Unternehmen. Die jüngst lancierte "Financial Times

178

Manager-lounge.com - Führungskräfte-Vermittlung im Internet-Zeitalter

Deutschland" hat die klassischen Stellenanzeigen sogar ganz aus dem Blatt herausgelöst und offeriert mit "PositioNet" eine eigenständige Wochenbeilage in Verbindung mit einem Online-Stellenmarkt. Schrittweise wurde auch die Inserierung von Stellengesuchen in das E-Cruiting-Angebot integriert und mehr und mehr zu Datenbanklösungen für die Erfassimg von Kandidatenprofilen ausgebaut. Bisweilen sehr umfangreiche redaktionelle Beiträge mit Tipps für Bewerber runden das Angebot für die Jobsuchenden ab. Jedoch: das versprochene elektronische Matching zwischen Stellenangeboten und -gesuchen leidet erheblich unter der mangelnden Qualität der verfügbaren Daten. Der Montage-Spezialist aus dem Automobilbau ist nämlich nicht unbedingt der richtige Kandidat für den suchenden Anlagenbauer. Auch einige Wochen- und Monatsmagazine sahen sich unter Zugzwang, ihre Zielgruppen - ob so genannte Info-Elite oder Entscheider - angemessen zu bedienen. Es ist nicht nur eine Frage des Images, sondern letztendlich auch der "Fakten, Fakten, Fakten", für die sich die Controller interessieren: die Wirtschaftlichkeit eines Printproduktes und dessen Online-Derivat in einem starken Konkurrenz-Umfeld. Stellenanzeigen sind nämlich der Spitzenreiter unter den Online-Dienstleistungen, sie werden von über 25% der Internet-Nutzer aufgesucht (Quelle: Studie zur Internet-Nutzung der G & J Electronic Media Service GmbH, April 2000). So haben u. a. auch "Focus", die "Wirtschaftswoche", "Der Spiegel" und das "Manager Magazin" E-Cruiting-Lösungen in ihre Online-Ausgaben integriert, um deren Attraktivität zu erhöhen.

3.3

Online-Stellenbörsen neuer Marktteilnehmer

Die jeweils integrierten Stellenmärkte stammen meist von den eigentlichen Pionieren des E-Cruiting-Marktes. Neue Wettbewerber, wie die jüngst durch ihren IPO bekannt gewordenen Jobs & Adverts (jobpilot.com) und Stepstone (stepstone.com) oder die Börsenaspiranten wideyes (wideyes.com) und jobline (jobline.de) aus Schweden. Diese Klassiker der New Economy existieren im Schnitt seit vier Jahren, machen ca. 10 Millionen Euro Umsatz und treiben den Aufbau europaweiter Niederlassungen energisch voran. Die großen Vorbilder sind monster.com (eine Tochtergesellschaft von TMP

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worldwide), Jobbörsen-Gigant in den USA und deren Verfolger hotjobs.com, die seit 1999 an der NASDAQ gelistet ist. Sie verstehen sich meist als internetbasierter Dienstleister rund um das Thema Recruiting und bieten neben Stellenanzeigen auch Bewerberdatenbanken, umfangreiche redaktionelle Beiträge zum Thema Karriere, sowie Tools für die Unternehmen, die das Schalten von Stellenanzeigen und das Management des Online-RecruitingProzesses erleichtern sollen. Allerdings bedienen sich diese Wettbewerber sehr einfacher Kriterienraster für die Erfassung von Stellenangeboten und Bewerberprofilen. Masse geht eindeutig vor Klasse, d. h. die Hauptaktivitäten zielen auf ein Wettrennen um die größte Anzahl von Stellenanzeigen der Unternehmen bzw. die größte Anzahl von potenziellen Kandidaten in der Bewerberdatenbank, die eher unter den Sachbearbeitern und Karriereeinsteigern als unter den Führungskräften zu finden sind. Neben den unter 2.2 angeführten Kooperationen mit Online-Portalen klassischer Printmedien wird deshalb auch die Anbindung an die Markennamen unter den Suchmaschinen bzw. Internetadressen gesucht. So sind Liaisons - ob bei Yahoo mit Webhire oder AOL mit Monster in den USA - zwischen www-Adressen mit hoher Besucherfrequenz und Jobbörsen en vogue. Auch bei so genannten Metacrawlern, einer noch breiter angelegte Variante des Online-Stellenmarktes, wie "worldwidejobs.de" steht das Massengeschäft im Vordergrund. Hier werden die Stellenangebote anderer OnlineStellenbörsen sowie jene auf den Websites einzelner Unternehmen zusammengefasst und nach einem simplem Suchraster (z. B. Regionen, Branchen) strukturiert. Das Geschäftsmodell basiert jedoch weitgehend auf Erlösen aus Bannerwerbung, und es bleibt deshalb abzuwarten, ob diese Anbieter mangels Wirtschaftlichkeit bald die Anlehnung an einen starken Partner suchen.

3.4

E-Cruiting der klassischen Personalberater

Auch für die klasischen Personalberater wurde und wird das World Wide Web immer mehr zum Jagdrevier beziehungsweise zur verlängerten Research-Werkbank. Laut einer Erhebung des BDU für das Jahr 1999 präsentieren sich bereits rund 75% der Personalberater in Deutschland auf einer eige-

180

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nen Homepage. Noch mehr (80%) geben an, dass sie das Internet im Rahmen des Research nutzen. Die Akquise von geeigneten Kandidaten über OnlineStellenanzeigen wird jedoch weitgehend den in diesem Segment bereits etablierten Anbietern überlassen. Nicht einmal 30% der in der BDUUntersuchung befragten Unternehmen gaben an, Online-Stellenanzeigen zu platzieren. Konzentration auf die eigenen Stärken, insbesondere die Direktansprache und Beurteilung potenziell geeigneter Kandidaten, zu lange Skepsis bezüglich der Eignimg des Internets für die Kandidatenjagd sowie mangelnde Investitionsbereitschaft in eine qualitativ anspruchsvolle E-CruitingLösung sind sicher nur einige der möglichen Gründe für die Zurückhaltung der Branche. Beispielhaft für diese Bestandsaufnahme sind zwei der zehn umsatzstärksten Personalberatungen Spencer Stuart & Associates und Korn/Ferry International. Spencer Stuart hat sich mit Jobline, einem der Marktführer unter den deutschen Stellenbörsen, verbunden und schaltet einen Teil der zu besetzenden Positionen über dessen Online-Stellenmarkt. Interessierte Bewerber werden dann für die auftraggebenden Unternehmen vorselektiert - zu den branchenüblichen Konditionen. Jobs im mittleren und oberen Management bleiben allerdings weiterhin der Direktansprache vorbehalten. Korn/Ferry geht dagegen einen ganz anderen Weg. Seit 1999 wird mit Großanzeigen für "die erste Online-Personalberatung für Fach- und Führungskräfte", die Tochtergesellschaft Futurestep, geworben. Jobsuchende können selbst ihr Profil online in einer Datenbank hinterlegen - für die meisten ein über eine Stunde dauernder Prozess. Futurestep sucht dann bei einem Kundenauftrag in dieser Datenbank nach geeigneten Bewerbern und präsentiert sie dem Auftraggeber nach positivem Ergebnis des Assessment. Vorteilhaft für den Kunden ist, dass die Suche in der Regel zu schnelleren Ergebnissen führt. Ähnlich wie bei der anzeigengestützen Suche, aber deutlich wirkungsvoller, wird ein größerer Kandidatenkreis erreicht. So können z. B. auch Personen in die Auswahl einbezogen werden, die sich selbst gemeldet haben und bei der klassischen Direktansprache off-limit wären, da sie bei einem Unternehmen arbeiten, das Korn/Ferry zu seinen Auftraggebern zählt. Der Preis für diese Dienstleistung unterscheidet sich jedoch nicht von der klassischen Personalberatung, er beträgt ein Drittel des Jahreseinkommens des platzierten Bewer-

Manager-lounge.com - Führungskräfte-Vermittlung im Internet-Zeitalter

181

bers. Außerdem mag mancher Bewerber bereits eine neue Aufgabe gefunden haben, bis Futurestep bei einer Suche nach Kundenauftrag auf das Profil zurückgreift. Im Bereich der Führungskräftevermittlung ist unter deutschen Personalberatern eine andere Einsatzform des Internets weit mehr verbreitet: mehr oder weniger detaillierte, exklusive "Teaser-Stellenanzeigen" auf der eigenen Website. Diese Kurzprofile zu besetzender Positionen - aktuell im Auftrag der Kunden - sollen geeignete Kandidaten dazu bewegen, sich direkt an den Personalberater zu wenden, in der Regel durch Anruf oder Einsenden des Lebenslaufes (online oder offline). Im Segment der Top-ManagementBerater waren Rickert & Co in Deutschland die ersten, die diese Methode mit verschlüsselten Kurzprofilen einsetzten, allerdings nur für die Ansprache von Top-Führungskräften mit einem Einkommen über 500 000 DM. Wurde dieser Weg anfangs in der Branche heftig kritisiert, so sind ihm inzwischen zahlreiche Berater gefolgt, darunter vor allem jene, die sich üblicherweise auf die Direktansprache im mittleren Management konzentrieren. Ein Manko besteht darin, dass bei dieser sehr simplen Form des E-Cruiting nur Kandidaten erreicht werden, die regelmäßig die Website des Beraters besuchen. Dennoch wird diesem die Research dank größerer Reichweite erleichtert, und dem Auftraggeber-Unternehmen entstehen - bei gleichzeitiger Chance auf ein schnelleres Ergebnis bei der Neubesetzung einer Position - keine zusätzlichen Kosten. Vergleicht man nun die vier beschriebenen E-Cruiting-Typologien, lässt sich feststellen, dass Online-Stellenbörsen und -Bewerberdatenbanken es bisher zwar geschafft haben, die klassische anzeigengestützte Personalsuche zu ergänzen oder sogar zu ersetzen. In der klassischen Domäne der Personalberater, der Vermittlung von Führungskräften, dient das Internet bislang jedoch lediglich als ergänzendes Tool, um einen breiteren Kandidatenkreis zu erreichen. Menschliches Beurteilungsvermögen lässt sich eben bei den bislang bekannten Ansätzen noch nicht durch automatisierte MatchingProzesse ersetzen.

182

3.5

Manager-lounge.com - Führungskräfte-Vermittlung im Internet-Zeitalter

Zielgruppenspezifisches E-Cruiting - der neue Trend

Nachdem die erste Welle der Goldgräberstimmung zur Gründung von über 200 Online-Stellenvermittlern führte, wird in der Brache allgemein eine Konsolidierung erwartet. Allerdings, die Erfahrung aus den Schwächen der ersten Ansätze und die weiterhin relativ geringen Einstiegsbarrieren eröffnen auch neue Chancen. Weitere Markttrends wie Spezialisierung und Differenzierung sorgen zusätzlich fiir Bewegung im Wettbewerb der E-CruitingLösungen. Während sich die klassischen Personalberater auch online meist an eine bestimmte Zielgruppe richten, nämlich die der Führungs- oder Nachwuchsfuhrungskräfte, besinnen sich nicht nur einige der ersten, sondern auch weitere neue Marktteilnehmer auf eine künden- bzw. kandidatenspezifische Ausrichtung. Mehr Qualität und Service durch zusätzlichen Content und die Verbindung mit Off-line-Maßnahmen heißt das Erfolgsrezept. Höhere Kundenbindung durch genauere Ansprache soll letztendlich zu mehr Wirtschaftlichkeit führen. Was für Christian Hellmann, CEO der "Tomorrow AG" in Hamburg, für den Bereich Publikationen und Medien im Internet gilt E-Commerce-Angebote, die von redaktionellen Inhalten getrennt sind, seien "Rohrkrepierer" - begreifen jetzt auch einige Anbieter im Bereich der "Jobbörse". Joachim Gutmann, Leiter Unternehmenskommunikation der Kienbaum Unternehmensberatung bestätigt diesen Trend: "Zusätzlicher Nutzwert ist unbedingt notwendig", sagt er in einem Interview mit der "Welt". Er erkennt dabei neben einem starken Konzentrationsprozess auch Chancen für Spezialisten: "Einige Anbieter werden überleben. Andere können sich eventuell in Nischen etablieren." Auch die "Personalwirtschaft" (Mai 2000) prognostiziert diesen Selektionsprozess in Sachen www-sucess. "Zukünftig wird eine Jobbörse nicht nur an den im Netz verfügbaren Stellenangeboten gemessen. Ein zusätzliches Kriterium ist die Qualität der Bewerberdatenbank". Der Schritt von der Quantität zur Qualität. Mit dieser Zielsetzung haben sich neben den "new entrants" und den klassischen Anbietern im Personalberatungs- bzw. Stellenanzeigenmarkt auch einige Unternehmen und Institutionen der Old Economy mit spezialisierten

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183

E-Cruiting-Lösungen ins Worldwideweb begeben. MLP hat mit Unterstützung von SAP unter "careerbase.de" eine Online-Stellenbörse mit Bewerberdatenbank ins Netz gestellt, wie auch McKinsey mit weiteren Partnern unter "e-fellows.de". Das Angebot richtet sich vor allem an Hochschulabgänger, Karriereeinsteiger und Nachwuchsfuhrungskräfte. Zwar sind der Prozess der Datenerfassung und das Matching mit Jobangeboten mit einem exklusiveren und professionellen Anspruch versehen, doch sorgen die vordergründig eigenen Recruiting-Interessen der Initiatoren de facto für eine geringe Attraktivität bei anderen personal suchenden Unternehmen und damit wiederum bei potenziellen Bewerbern, die an einem möglichst breiten Outlet für ihr Bewerbungsprofil interessiert sind. Eine ebenfalls sehr spezialisierte Form des E-Cruiting bieten INSEAD/LBS/IMD mit "mba-exchange.com", die ihren Blick jedoch speziell auf die Kandidaten und weniger auf die Arbeitgeberinteressen richten. Hier haben sich die fuhrenden europäischen Business Schools zusammengeschlossen und für ihre Studienabgänger eine Mischung aus OnlineCommunity und Plattform zur Vermarktung der "Ich-AG" geschaffen. Nur Absolventen dieser Kaderschmieden können sich online registrieren und ihr persönliches Profil sehr detailliert hinterlegen. Flankiert wird dieser Prozess durch telefonische Beratung und einem Persönlichkeitstest. Anfragen registrierter Unternehmen werden mit den Profilen "gematcht" und die Bewerber bei passenden Angeboten per E-Mail unterrichtet. Die Vorselektion durch die ausschließliche Aufnahme ehemaliger Studenten dieser Universitäten garantiert den Unternehmen eine gewisse Qualität der Kandidaten. Redaktionelle Beiträge zum Themenbereich Karriere speziell für High-Potentials, ChatForen und die Möglichkeit innerhalb dieser geschlossenen Benutzergruppe zu kommunizieren, schaffen wiederum eine hohe Attraktivität für die Bewerber und Kundenbindung. Ein Nachteil besteht darin, dass Bewerber ohne MBA-Qualiflkation unberuecksichtigt bleiben und sich die Arbeitgeber wegen des relativ geringen Angebots an MBA-Absolventen auch anderweitig umsehen müssen, um offene Stellen erfolgreich zu besetzen. Bei rund 500.000 Managern mit einem Jahresbruttoeinkommen von mehr als Euro 75.000 allein in Deutschland und einer ansteigenden jährlichen Veränderungsquote von über 10% stellt

184

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dieser Bereich ein durchaus attraktives Marktsegment dar. In diesem bisher von den klassischen Personalberatern dominierten Feld erhofft sich managerlounge Marktchancen mit einer zeitgemäßen und professionellen Lösung zur internetbasierten Vermittlung von Führungskräften.

4.

MANAGER-LOUNGE - E-CRUITING FÜR DAS MITTLERE UND OBERE MANAGEMENT

4.1

Management-E-Cruiting - ein Widerspruch?

Eine umfangreiche Markt- und Wettbewerbsanalyse der Gründer der manager-lounge (erfahrene Personal- und IT-Berater, Top-Manager und Hochschulprofessoren) ergab, dass sich nur in wenigen der im Frühjahr 2000 existierenden Online-Bewerber-Datenbanken vereinzelt Führungskräfte registriert hatten, obwohl einer Studie zur Internet-Nutzung der G & J Electronic Media Service GmbH (April 2000) zufolge gerade Personen mit hoher Bildung und hohem Einkommen zu den intensivsten Internet-Nutzern zählen. Auch die Forsa-Umfrage @facts 1999 stellt fest, dass 80% der Internet-User der "Info-Elite" angehören. Eine von manager-lounge mit renommierten Marktforschungsunternehmen im Sommer 2000 durchgeführte Befragimg von Führungskräften mit Jahreseinkommen über Euro 75.000 zeigt einige der Gründe hierfür: • •



Manager wollen sich nicht mit Sachbearbeitern in der gleichen Datenbank wieder finden. Die Online-Datenerfassung nimmt zu viel Zeit in Anspruch, wenn sie hinreichend konkret sein soll, oder ist zu ungenau, um das eigene Leistungs- und Fähigkeitenprofil richtig abzubilden. Die Vermittlungserfolge sind gering, weil das automatisierte Matching zwischen Kandidatenprofil und Stellenprofil nicht funktioniert.

Dass Masse nicht unbedingt die Management-Ebene anspricht, geschweige denn deren Ansprüchen im Supermarkt der Jobbörsen gerecht wird, ist einer der Grundpfeiler von manager-lounge. Durch die Spezialisierung auf die

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185

Zielgruppe der Führungskräfte im mittleren und oberen Gehaltssegment und durch Kombination von Online- und Offline-Elementen wird der scheinbare Widerspruch zwischen Managementvermittlung und E-Cruiting aufgelöst.

4.2

Manager-lounge Führungskräften

-

Online-Direct-Search

nach

Das Unternehmen manager-lounge.com AG versteht sich im Allgemeinen als Karrierenetzwerk für moderne Manager und im Speziellen als internetbasierte Führungskräftevermittlung, als Match-Maker zwischen den Unternehmen einerseits und veränderungsbereiten Managern andererseits. Dazu werden Arbeitgeber und Angestellte bzw. Unternehmen und Manager "Members" in einem exklusiven Netzwerk. Die Führungskräfte hinterlegen ihr ausführliches Kandidatenprofil in einer Datenbank - allerdings nicht selbst, sondern via Karriereberater von manager-lounge, der bei der optimalen Gestaltung der "elektronischen Bewerberunterlagen" hilft. Damit kommt ihr Profil unmittelbar auf den Radarschirm zahlreicher Top-Unternehmen. Diese werden wiederum selbst zum "Headhunter", denn sie können online in diesem Pool vorselektierter und durch Interviews qualifizierter, ausführlicher Kandidatenprofile nach geeigneten Kräften suchen. Selbst weniger geduldige Manager können diese Dienstleistung in Anspruch nehmen und Ihre Unterlagen per Post oder Telefax an manager-lounge schicken, wo die Daten erfasst und vor Online-Freischaltung im persönlichen Gespräch validiert und optimiert werden. Ein Blick auf die Strategischen Gruppen im Markt der Personalberatung und -Vermittlung (siehe Abbildung 2) veranschaulicht die Positionierung der manager-lounge. Das Direct-Search-Geschäft der HauteCouture-Schneider unter den Personalberatern, beispielsweise von Rickert & Co. oder Egon Zehnder International, basiert auf folgenden BusinessKoordinaten: Je höher eine zu besetzende Position im Gehaltsniveau angesiedelt ist, desto intensiver muss sich der Berater in die spezifische Situation des suchenden Unternehmens und in die Persönlichkeit potenziell geeigneter Top-Manager hineindenken. Seine Berufs- und Lebenserfahrung, sein Netzwerk und eine hohe Informationsqualität bezüglich der Kandidaten sind wichtiger als die Suchmethode bzw. eine hohe Reichweite. Bei dieser Art der

186

M a n a g e r - l o u n g e . c o m - F ü h r u n g s k r ä f t e - V e r m i t t l u n g i m Internet-Zeitalter

Suche nach den richtigen Köpfen kommen in der Regel nur wenige Personen in Frage, ein großer Kandidatenpool ist nicht erforderlich. iL Gehaltsniveau der Kandidaten

500TDM

Top Level V Direct Search / \Boutique/ 1 Internationale \ Top- und \ Mid-Levei \ Personal- A Middle\ \ beratungs- U Management \ netzwerkeX Personalberater

)

( Online-Stellenbörsen )

100TDM

Einzelvermittlung (DirectSearch) Abb. 2:

managerlounge

Strategische

w Anzeigengstütze Suche

Positionierung

von

„ _ .. E CrUlting " manager-lounge

im

Personalvermittlungsmarkt

Anders verhält es sich bei den niedrigeren Gehaltssegmenten. "Dort ist das Direct-Search ein Massengeschäft, welches ohne Unterstützung von Informationsverarbeitung nicht durchzuführen wäre", so Friedbert Herbold, Partner bei Amrop Hofmann, Herbold & Partner im Handelsblatt (14.8.1999). Hier gibt es in der Regel eine große Anzahl von potenziellen Kandidaten, die für eine zu besetzende Stelle in Frage kommen. Dabei stehen die fachliche Qualifikation und die entsprechende Verfügbarkeit im Vordergrund. Der Anspruch an Umfang bzw. Qualität der Informationen über potenzielle Kandidaten ist geringer als im Top-Segment. Die klassischen Personalberater haben deshalb vor Jahren begonnen, die einmal identifizierten Manager in einer Datenbank zu erfassen. Im Umkehrschluss bedeutet dies: Je weiter die "Suchmaschine" über persönliche Researcharbeit, Anzeige oder OnlineBewerber-Datenbank reicht, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, ausreichend schnell geeignete Kandidaten für eine Stelle zu finden. Die manager-lounge kombiniert die Vorteile des Internet mit der persönlichen Betreuung des Direct-Search, und positioniert sich - dem klassischen Mittelmanagement-Personalberater vergleichbar - zwischen "Headhunting"

Manager-lounge.com - Führungskräfte-Vermittlung im Internet-Zeitalter

187

und Online-Börsen. Eine Online-Datenbank mit hoher Informationsqualität über möglichst viele Kandidaten im Gehaltsbereich von ca. 150 000 bis 500 000 Mark, soll Unternehmen eine neue Form der Suche nach Führungskräften ermöglichen. Und dass für alle Branchen und zu deutlich niedrigeren Vermittlungshonoraren als bei der klassischen Personalberatung. Von den Bewerbern wiederum wird eine geringe (steuerlich als Bewerbungskosten absetzbare) Bearbeitungsgebühr erhoben, die sicherstellen soll, dass sich nur ernsthafte Interessenten registrieren lassen. Um das notwendige Qualitätsniveau der erfassten Profile sicherzustellen, wird dieses nicht durch die Kandidaten selbst bestimmt, sondern in einem persönlichen Gespräch mit einem geschulten Berater erarbeitet. So ist es möglich, entsprechend anspruchsvolle Klassifizierungen festzuhalten, die beim Matching mit den Suchprofilen der Unternehmen eine hohe Treffgenauigkeit garantieren. Außerdem werden weder interessierte Personen zugelassen, deren Gehaltsniveau unter dem vorgegebenen liegt, noch Kandidaten, die im Aufnahmeprozess wichtige Angaben verschweigen oder falsch darstellen. Durch regelmäßige Kontaktaufnahme mit den registrierten Kandidaten werden diese daran erinnert, eventuell erforderliche Aktualisierungen ihres Profils zu veranlassen. Auch für die heiklen Themen Datensicherheit und Vertraulichkeit gibt es eine innovative Lösung. Auf die Datenbank können nur registrierte Unternehmen zugreifen, wenn sie sich über eine Kombination von Passwort- und Smartcard-Technologie als berechtigte Nutzer ausweisen. Kandidaten wiederum können selbst festlegen, welche Unternehmen vom Zugriff auf ihr Profil ausgeschlossen werden sollen. Die Kontaktaufnahme beider Seiten erfolgt über einen mehrstufigen Prozess, bei dem die von einem Unternehmen anhand eines anonymen Kurzprofils identifizierte Führungskraft zunächst ohne Aufdeckung ihrer Identität kontaktiert wird. Nur wenn der angesprochene Manager einverstanden ist, kann das Unternehmen den kompletten Datensatz einsehen und direkt mit dem interessierten Bewerber Kontakt aufnehmen.

188

5.

Manager-lounge.com - Führungskräfte-Vermittlung im Internet-Zeitalter

VOM E-CRUITING ZUM INFOPORTAL UND KARRIERENETZWERK MIT ZUKUNFT

Manager-lounge will Unternehmen und Führungskräfte gleichermaßen nicht einfach nur "matchen", sondern langfristig an das Beratungsunternehmen binden. Auch hierbei dient eine Kombination von On- und OfflineElementen der Kundenbindung. Über ein Internetportal werden beiden Seiten - teilweise nur exklusiv für registrierte Nutzer - hochwertige, zielgruppenspezifische Informationen, Diskussionsforen etc. offeriert, die durch attraktive Angebote jenseits des Internet ergänzt werden. Man stellt sich damit auf eine moderne Manager-Generation ein, über die Trendforscher Prof. Peter Wippermann sagt: "Das Ich wird als Aktiengesellschaft begriffen, die nach den Prinzipien der Ökonomie geführt und vermarktet wird." Wie in einem Club werden die Mitglieder der manager-lounge zusammengeführt, ähnlich dem "Networking" in den USA, das in Universitäten, Colleges und Business-Schools gang und gäbe ist. Hinter dem Modell manager-lounge steckt somit eine Philosophie, die die Veränderungen im Personalberatungsmarkt mutmaßlich weiter beschleunigt: DAS Karriere-Netzwerk für Manager - offline und online.

CLICK 3 - AKTIVITÄTEN ETABLIERTER KONZERNE IM E-BUSINESS

10.

Deutsche Lufthansa AG - Vertriebsstrategien im Internet (G. Schlüter, B. Resch)

191

11.

Perspektiven fur Medienkonzerne im digitalen Zeitalter. (A. Vizjak, A. Brack, T. Hoffmeister)

203

12.

BfG Bank AG - Von der Filialbank zur Onlinebank. (C. Poggemann, A. Pölert)

227

13.

Bertelsmann Buch AG - Gestaltungsoptionen im E-Procurement (P. Ohle, H. Maaß)

247

1 0 . DEUTSCHTE LUFTHANSA A G

-

VERTRIEBSSTRATEGIEN IM INTERNET

Gregor Schlüter, Bernhard Resch 1.

2.

DIE BEDEUTUNG VON E-COMMERCE ALS BESTANDTEIL DES DIREKT VERTRIEBES

193

IMPLIKATIONEN VON E-COMMERCE AUF DEN VERTRIEB VON FLUGTICKETS

195

2.1 2.2 3.

Chancen und Risiken durch E-Commerce und daraus resultierende strategische Ziele

195

E-Commerce als globaler Vertriebskanal

198

AUSBLICK

201

Deutsche Lufthansa AG - Vertriebsstrategien im Internet

1.

193

D I E BEDEUTUNG VON E-COMMERCE ALS BESTANDTEIL DES DIREKTVERTRIEBES

"Die Deutschen entdecken die Reisevorbereitung mit Hilfe des Internets. Jeder dritte Besucher von Reise-Websites bucht Flugtickets, Hotelunterkünfte oder Reisen online."1 Dadurch bieten sich zahlreiche Chancen für einen Online-Vertrieb von Tickets für die Deutsche Lufthansa AG. Generell wird zum einen in den nächsten Jahren weiter mit überproportionalen Zuwachsraten im E-Business gerechnet, zum anderen fällt der "alte" Trade-Off zwischen Reach und Reachness2 weg: Stand man auf herkömmlichen Märkten vor der Wahl, entweder wenige potenzielle Kunden mit sehr reichhaltiger und personalisierter Information anzusprechen oder viele potenzielle Kunden mit qualitativ minderwertiger Information zu versorgen, ermöglicht das E-Business qualitativ hochwertige Informationen zu distribuieren, ohne auf die Ansprache einer breiten Masse verzichten zu müssen. Im Falle der Deutschen Lufthansa AG bedeutet dies, die Plattform für umfassende Online-Vertriebskanäle zu haben. Diese aufgezeigte Veränderung ist nicht die einzige Neuerung, die durch das E-Business hervorgerufen wurde. Vielmehr bedeutet E-Business das Hervortreten grundlegend neuer Herausforderungen im Vertrieb von Flugtickets. •

Die Deutsche Lufthansa AG steht durch ihr Direktvertriebsengagement fortan im direkten Wettbewerb mit den bisherigen Vertriebspartnern, d. h., dass zum bisherigen Wettbewerb der Vertriebspartner mit dem Leistungserbringer ein zusätzlicher Wettbewerber die Arena betritt. Da, bedingt durch die geringeren Vertriebskosten via Internet und die höhere Preistransparenz, die Ticketpreise weiter fallen dürften, werden sich die Margen für die

Vgl. http://www.firstsurf.de/reise.htm. Vgl. Evans/Wurster (2000).

Deutsche Lufthansa AG - Vertriebsstrategien im Internet

Vertriebspartner reduzieren. Diese könnten sich dadurch wiederum veranlasst sehen, zum einen Lufthansa aus dem Listing zu nehmen, zum anderen sich zusammenzuschließen (Konzentrationsprozess im Handel), was wiederum die Einstandspreise von Tickets mindern dürfte. Geschürt wird diese Feststellung durch die zunehmende Hoffähigkeit von Konsolidation. Insgesamt besteht die Gefahr, dass die Ersparnisse durch den Direktvertrieb von den möglicherweise erzwungenen Zugeständnissen an Vertriebspartner (über-)kompensiert werden. Auf Seite der Kunden wird zwar prinzipiell die Akzeptanz des Direktvertriebes weiter steigen, aber ebenso die Preissensibilität mit einhergehender, gleichzeitiger Erosion der Markentreue zunehmen. Durch die Liberalisierung der Märkte ist auf der Ebene der Wettbewerber ein fortschreitender Wettbewerb der Allianzsysteme zu beobachten, wodurch ein erheblicher Kostendruck entsteht, der zudem einer steigenden Angebotsqualität und -quantität gegenübersteht. Der bedeutendste Veränderungsfaktor ist jedoch die Informationstechnologie selbst. Sie ermöglicht direkte Kundenansprache ("Oneto-One-Marketing") und macht die Welt zu einem globalem Marktplatz. Andererseits schafft die neue Informationstechnologie auch eine Plattform für den Eintritt "neuer Spieler". Markteintrittsbarrieren werden folglich abgebaut. Abbildung 1 zeigt die Herausforderungen im Überblick

195

Deutsche Lufthansa AG - Vertriebsstrategien im Internet

Wettbewerber • * • *

Liberalisierung der Mtrkte Wettbewerb der Allianzsysteme Kostendruck nimmt zu Steigende Angebotsquallt&t Kunden

Vertriebspartner • • • •

• • • • •

Wettbewerb der Vertrlebskantle Konzentration Geschftftsrelsen Handel unter Margendruck Konsolidation wird hoffähig

Einkaufsmacbt der Firmen Markentreue nimmt ab Zunehmende Preissenslbllltit Arbelt wird mobil Akzeptanz Direktvertrieb

Informationstecknologte • • • •

Abb. 1:

Direkte Kundenansprache mSgllcb Branchenfremde „neue Spieler" Globaler Marktplatz Neue Technologien

Herausforderungen

im Vertrieb

Im Folgendem wird skizziert, welche Chancen sich der Lufthansa durch die veränderten Rahmenbedingungen und die Möglichkeiten von E-Commerce eröffnen.

2.

IMPLIKATIONEN VON E - C O M M E R C E AUF DEN VERTRIEB VON FLUGTICKETS

Aus den genannten Rahmenbedingungen ergeben sich für die Lufthansa verschiedene Chancen (2.1), die durch die im Folgenden aufgezeigten Vertriebsstrategien (2.2) realisiert werden.

2.1

Chancen und Risiken durch E-Commerce und daraus resultierende strategische Ziele

Der Analyse der Chancen durch E-Commerce (1) folgt darauf aufbauend die Formulierung der strategischen Ziele (2).

196

Deutsche Lufthansa AG - Vertriebsstrategien im Internet

(1)

Chancen und Risiken durch E-Commerce für die Deutsche Lufthansa AG

Das Internet ermöglicht prima vista den Aufbau neuer, globaler Vertriebskanäle durch die weltweite Zugriffsmöglichkeit. Zum Zweiten lässt sich durch einen Direktvertrieb via Internet die Abhängigkeit von Absatzmittlern reduzieren sowie durch die direkte Interaktionsmöglichkeit (One-to-One) potenziell eine engere Kundenbindung realisieren. Durch innovative Gestaltung der Homepage bzw. des InfoFlyway's eröffnet sich des weiteren Differenzierungspotenzial von Wettbewerbern. Darüber hinaus bietet die Erschließung von Fremdvertriebskanälen zusätzliche Ertragspotenziale. Letztlich lassen sich die Vertriebskosten durch den Direktvertrieb per Internet aufgrund reduzierter Provisionen deutlich reduzieren.

Diesen Chancen stehen jedoch die o. g. Herausforderungen gegenüber.

Deutsche Lufthansa AG - Vertriebsstrategien im Internet

(2)

197

Strategische Ziele für die Deutsche Lufthansa AG

Die strategischen Ziele, die durch die Einfuhrung eines Online-Direktvertriebes verfolgt werden, lassen sich zu drei Hauptpunkten verdichten: •

Unter dem Schlagwort Steigerung der externen Vertriebsproduktivität wird die Einsparung von Vertriebskosten durch die Reduzierung von Provisionen diskutiert. Darüber hinaus wird durch die realisierten Einsparungen der Wettbewerbsdruck auf die traditionellen Vertriebskanäle erhöht.



Die Steigerung der internen Vertriebsproduktivität hingegen zielt vor allem darauf ab, durch die weltweite Verfügbarkeit bzw. Präsenz durch das Internet Umsätze zu steigern und die Infrastruktur international zu optimieren, um dadurch den Betreuungsaufwand der Vertriebskanäle zu reduzieren. Schließlich kann durch die Möglichkeit der direkten Ansprache im Rahmen eines One-to-One-Marketing ein Mehr an Pull durch individualisierte Kommunikation mit dem Kunden erreicht werden. Dieser Pull lässt auf der einen Seite Umsätze steigen, auf der anderen Seite kann die Kommunikation zum Aufbau von "Customer Loyality" führen. Letztlich bieten sich z. B. über den InfoFlyway alle Möglichkeiten eines Data-Warehouse bis hin zu Auswertungen wie bspw. eines Customer Lifetime Value.



198

Deutsche Lufthansa AG - Vertriebsstrategien im Internet

Vertriebskosten sparen Vertriebskostenbasis für neue Produktlinien schaffen Wettbewerbsdruck auf neue Vertriebskanäle aufbauen

Steigerung der externen Vertriebsproduktivität

Internen Betreuungsaufwand reduzieren Infrastruktur international optimieren Umsätze über weltweite Verfügbarkeit steigern

Steigerung der internen Vertriebsproduktivität

Mehr „Pull" durch individualisierteN. Kommunikation mit den Kunden

/

• Data Warehouse/ One-to-One-Marketing • Customer Lifetime Value • Customer Loyalty

Direktvertriebes

Abb. 3:

Strategische Ziele des

2.2

E-Commerce als globaler Vertriebskanal

Nachdem die strategischen Ziele erläutert sind, die auf den Möglichkeiten eines internetbasierten Direktvertriebes beruhen, werden im Folgendem Umsetzungsoptionen durch die Deutsche Lufthansa AG aufgezeigt. Diese unterscheidet im Online-Vertrieb zwischen "E-Commerce als Direktvertriebskanal" (1) und "E-Commerce als Fremdvertriebskanal" (2). (1)

E-Commerce als Direktvertriebskanal

Der Online-Direktvertriebskanal der Deutschen Lufthansa AG ist der Lufthansa InfoFlyway. Der InfoFlyway ist dabei der erfolgreichste Airline Direktvertriebskanal in Europa und eine der am meisten ausgezeichneten Travel-Sites überhaupt.3 Die Deutsche Lufthansa AG führte 1996 den "InfoFlyway" als Informationsmedium fur die Kunden im Internet ein. Im Vgl. London School of Economics 1999, und Manager Magazin 07/1999.

Deutsche Lufthansa AG - Vertriebsstrategien im Internet

199

Laufe der Zeit entwickelte sich das reine Informations-Tool hin zu einem Direktvertriebskanal: So wurden zunächst ab 1997 konkrete Transaktionen, d. h. Buchungen, über das Internet abgewickelt. Der reine Transaktionscharakter wiederum wurde in Richtung Interaktion weiterentwickelt, wodurch der Kundennutzen kontinuierlich erhöht werden konnte. Abbildung 4 zeigt auf, dass nicht nur die Zahl der Hits, Pageviews und Buchungen zugenommen hat, was durch die üblichen Zuwachsraten im E-Business zu erklären wäre. Vielmehr ist interessant, dass sich durch die konsequente Weiterentwicklung des InfoFlyway's vor allem das Verhältnis "look-to-book"-Ratio kontinuierlich verbessert hat.

Abb. 4:

1997

1998

1999

• Hits

75 Mio.

219 Mio.

260 Mio.

• Verfügbar• keitsabfragen

17 Mio.

71 Mio.

114 Mio.

• Buchungen

14.000

40.000

81.000

• look to book ration

293:1

162:1

115:1

Entwicklung von Hits, Pageviews book"-Ratio

und Buchungen und "look-to-

In 1999 buchten beinahe ca. 1% der InfoFlyway-Besucher auch tatsächlich, wohingegen dieser Wert in 1997 erst bei ca. 0,3% lag. Neben dem Online-Direktvertrieb über den InfoFlyway betreibt die Deutsche Lufthansa AG ergänzend einen Vertrieb über Online-Fremdvertriebskanäle.

200

(2)

Deutsche Lufthansa AG - Vertriebsstrategien im Internet

E-Commerce als Fremdvertriebskanal

Neben dem Auf- und Ausbau eines Internet-Auftrittes durch eine eigene Homepage bietet sich natürlich hier die Möglichkeit, die Präsenz in weiteren elektronischen Vertriebskanälen zu erhöhen. Die Zusammenarbeit mit Online-Fremdvertriebskanälen findet vor allem in den Märkten statt, in denen der InfoFlyway bzw. die Marke "LH" einen geringen Bekanntheitsgrad aufweist (z. B. Westküste Nordamerika). Generell gilt für Lufthansa überall dort präsent zu sein, wo der Kunde Lufthansa sucht. Dies bedeutet, dass die Deutsche Lufthansa AG über Kooperationspartner überall im Internet anzutreffen ist. Als alternative Option für den Online-Vertrieb bietet sich der Ticketverkauf direkt über Dritte. Dabei können die Tickets bei einem Online-Vollsortiment Reisebüros bestellt werden wie z. B. bei Microsoft Expedia oder Travelocity. Um der Marktmacht dieser "Online-PurePlays" entgegen treten zu können, schließen sich die Airlines in naher Zukunft zu Anbieter-Gemeinschaften zusammen (in Nordamerika z. B. unter dem Namen "Orbitz"). Eine zweite Schiene stellt den Verkauf von Tickets für preissensible Anbieter dar. So können Tickets der Deutschen Lufthansa AG beispielsweise bei L'Tur online geordert werden. Die dritte Fremdvertriebsoption beschreibt schließlich neue Geschäftsmodelle. So kann man z. B. bei PriceLine angeben, wie viel man für ein Ticket zu zahlen bereit ist, und erhält anschließend entsprechende Angebote. Lufthansa-Tickets sind dabei ebenso im Pool. Der Nachfrager weiß allerdings a priori nicht, um welche Fluggesellschaft es sich handelt. Ein weiteres neues Geschäftsmodell stellt der Vertrieb von Tickets über Auktionatoren dar. Lufthansa arbeitet in diesem Zusammenhang z. B. mit ricardo.de bereits zusammen und plant eine Kooperation mit 12snap. Strategische Zielsetzung dieser gemeinsamen Aktivitäten ist die Generierung von Umsatz und die gemeinsame Marktdurchdringung. Dies wird erreicht durch gegenseitiges Zuführen von Kunden über Distributionspartner und zweitens durch die Möglichkeit der Vervollständigung der eigenen Produktpalette über Content-Partnerschaften.

Deutsche Lufthansa AG - Vertriebsstrategien im Internet

201

Darüber hinaus werden Technologiepartner für den Aufbau und Betrieb der Infrastruktur (Plattform, Call Center, Fullfillment usw.) eingesetzt.

3.

AUSBLICK

Die Lufthansa-Vertriebsstrategie berücksichtigt explizit die veränderten Rahmenbedingungen im E-Business und zielt darauf ab, die Position im Wettbewerb auszubauen. Diese Maßnahmen stellen keinen statischen Zustand dar. Weitere Schritte sind bereits eingeleitet: • Ausweitung der Kooperationen im Internet (Partnering), wie oben beschrieben wurde. • Parallel wird versucht, durch einen fokussierteren und maßgeschneiderten Auftritt spezifische Zielgruppen anzugehen. Dadurch kann, so die Intention, einerseits die Anzahl der Kunden erhöht, andererseits aber auch ein noch spezielleres Kundenbindungsmanagement und One-to-One Marketing betrieben werden. •

Die dritte Neuerung schließlich zielt in Richtung M-Commerce ab. So werden Kunden künftig via SMS auf Verspätungen, Flugänderungen und dergleichen aufmerksam gemacht. Diese technische Möglichkeit bietet schließlich den Raum für ein erfolgreiches Customer Relationship Management.

Das E-Business stellt folglich für die Deutsche Lufthansa AG einen wesentlichen Baustein in der Vertriebsstrategie dar. Es bleibt aber letztlich zu berücksichtigen, dass Lufthansa ihr E-Business Engagement nicht als Selbstzweck betrachtet, sondern im globalen Luftverkehrswettbewerb zur Optimierung der Kostenposition sowie zur optimalen Ausschöpfung aller Vertriebskanäle gezwungen ist.

202

Deutsche Lufthansa AG - Vertriebsstrategien im Internet

LITERATURVERZEICHNIS http://www.firstsurf.de/reise.htm Evans, P., Wurster, T. S. (2000), Web Atta@ck, Hamburg 2000

1 1 . PERSPEKTIVEN FÜR MEDIENKONZERNE IM DIGITALEN ZEITALTER

Andrej Vizjak, Anke Brack, Tim Hoffmeister

1.

MEDIENBRANCHE IM UMBRUCH

2.

ALLGEMEINE HERAUSFORDERUNGEN DES INTERNETS

3.

4.

205

FÜR MEDIENKONZERNE

206

2.1

Fragmentierung des Konsums und der Prozesse

206

2.2

Konvergenz von Medienprodukten und Branchen

209

2.3

Globalisierung der Märkte und Unternehmen

211

VERÄNDERUNGEN DES BUCHMARKTES UND NEUE OPTIONEN DER VERMARKTUNG

213

3.1

Verkauf von Büchern über das Internet

213

3.2

Veränderung der Produktstruktur von Büchern

214

3.3

Veränderung der Marktstrukturen durch das Internet

217

ORGANISATORISCHE IMPLIKATIONEN DURCH MEDIENTRENDS FÜR DIE BERTELSMANN A G

220

Perspektiven für Medienkonzerne im digitalen Zeitalter

1.

205

MEDIENBRANCHE IM U M B R U C H

Die Medienbranche befindet sich in einer Phase grundlegender Umwälzungen. Mit Multimedia und Internet kommen gravierende Veränderungen auf Wirtschaft und Gesellschaft zu. Medienunternehmen treiben einerseits diesen Wandel und sind ihm andererseits unterworfen.1 Weltweit agierende Konzerne, wie AOL/Time Warner, Walt Disney oder Bertelsmann, haben sich auf diese neuen Rahmenbedingungen und die daraus erwachsenden Chancen eingestellt und ihre strategische Ausrichtung angepasst. Prozesse der Machtkonzentration und vertikalen Integration werden Prognosen zufolge weiterhin zunehmen. Die Medienkonzerne versuchen mehr und mehr, ihren Content über möglichst viele Vertriebswege und Übermittlungssformen zu verbreiten und zu kontrollieren, wozu der Vertrieb über das Internet gute Möglichkeiten bietet. Ein interessanter Aspekt ist dabei, wie Medienkonzeme die Entwicklung im digitalen Zeitalter bewältigen können. Zunächst werden allgemeine Herausforderungen, entstanden durch die Entwicklung des Internet, für Medienunternehmen dargestellt. Die drei wesentlichen Triebkräfte Fragmentierung, Konvergenz und Globalisierung werden in Abschnitt 1 analysiert. Vor dem Hintergrund dieser Rahmenbedingungen werden in Abschnitt 2 Implikationen für den Buchmarkt, auf dem der Fokus dieses Abschnitts liegt, herausgearbeitet. Neue Technologien verändern einerseits die Produktstrukturen, andererseits eröffnen sie neue innovative Möglichkeiten der Vermarktung. Durch neue Umfeldbedingungen verändern sich die Wertschöpfiingsketten der Unternehmen; dies wird sich auch auf ihre Organisationsformen, -strukturen und -prozesse auswirken. Die Folgen dieser Verände-

Vgl. Middelhoff (1999a).

206

Perspektiven für Medienkonzerne im digitalen Zeitalter

rungen werden in Abschnitt 4 exemplarisch am Beispiel der Bertelsmann AG dargestellt.

2.

A L L G E M E I N E HERAUSFORDERUNGEN DES INTERNETS FÜR MEDIENKONZERNE

Veränderte Umweltbedingungen erfordern einen anderen Umgang mit vorhandenen Unternehmensressourcen, um diese erfolgreich für den Aufbau und die Weiterentwicklung von Produkt-/Marktkombinationen nutzen zu können. 2 Wesentliche Entwicklungstendenzen des Mediensektors, Fragmentierung (2.1), Konvergenz (2.2) und Globalisierung (2.3), sollen deshalb im Folgenden erörtert werden (Abbildung 1).

Konsum

Unternehmen

Global iA |Sierung j FinanzKonvergenz; Produkt

I märkte

Branche

Abb. 1:

Triebkräfte des Internets

2.1

Fragmentierung des Konsums und der Prozesse

Unter Fragmentierung ist die zunehmende Varietät der Konsumgewohnheiten der Kunden (1) zu verstehen. Kunden wünschen sich heutzutage individualisierte, auf ihre Bedürfnisse angepasste Angebote. Auf

Perspektiven fur Medienkonzerne im digitalen Zeitalter

207

Unternehmensebene kann Fragmentierung auf die Veränderung der Wertschöpfiingsketten (2) bezogen werden. Durch die Möglichkeit der Digitalisierung von Medieninhalten zerfallen die ursprünglich voneinander getrennten Wertschöpfungsketten für die traditionellen Bereiche, wie z. B. für Musik-, Video- und Printprodukte. Die Fragmentierung des Konsums beinhaltet vor allem die Entwicklung zahlreicher Special-Interest-Angebote. Die speziellen, individuellen, d. h. fragmentierten Interessen und Bedürfnisse immer kleinerer homogener Gruppen fuhren zur Herausbildung eines größeren Angebotes von Medienprodukten, allerdings mit sehr viel kürzeren Lebenszyklen. Durch die Möglichkeit der Interaktion mit dem Kunden durch das Internet können Medienangebote individuell generiert werden. Dadurch besteht heute die Möglichkeit, Kunden einer Special-Interest-Gruppe segmentspezifisch oder sogar individuell mittels One-to-One-Marketing anzusprechen. So können z. B. durch Communities und Foren im Internet Kundenwünsche und -bedürfnisse gesammelt, analysiert und auch gezielt gesteuert werden. Mittlerweile werden rund um die verschiedenen MusikGenres Special Interest Communities angeboten, in denen man sich regelmäßig treffen und über neue Produkte informieren kann. In diesen Communities, die sehr starken Wachstumsraten unterliegen, findet sich ein hohes Potential für Target- oder auch One-to-OneMarketing. Neben der zielgerichteten Kundenansprache findet auch eine segmentorientierte oder individuelle Interaktion mit den Kunden statt, wobei Kundengruppen in unterschiedlichen Frequenzen schriftlich oder mündlich kontaktiert werden, wie z. B. Serien zur segmentspezifischen Aktivierung oder Reaktivierung. Auf der anderen Seite steht die Fragmentierung der Prozesse bei der Erstellung von Angeboten. Durch die Digitalisierung lösen sich die Inhalte immer stärker von ihren ursprünglichen Trägermedien und ihre Verbreitung wird einfacher und günstiger. 3 Konsumenten können sich Vgl. Middelhoff (1999b). Middelhoff beziffert als Beispiel die Kosten der Herstellung und Verteilung einer digitalen Enzyklopädie von Microsoft auf CD-ROM mit 1,50 Dollar versus der Buchversion mit 250 Dollar.

208

Perspektiven für Medienkonzerne im digitalen Zeitalter

durch Stichwortsuche im Internet ihre individuellen Informationspakete zusammenstellen. Durch die Möglichkeit der Erstveröffentlichung und Distribution von Inhalten über das Internet werden Inhaltsproduzenten wie Künstler oder Autoren unabhängiger von den großen und kapitalstarken Medienunternehmen. Musiker wie David Bowie produzieren im eigenen Studio und vertreiben ihre Musik heutzutage über das Internet direkt an den Kunden. Malone et al. haben bereits 1987 postuliert, dass die neuen Kommunikationsinfrastrukturen zu einer verstärkten Umgehung und Ausschaltung von Mittlern führen werden; zahlreiche Beispiele belegen diesen Trend des Direktvertriebs an den Endkunden.4 Sakar et al. (1996) haben den Begriff des "Cybermediary"5 als neuen Handels- und Informationsmittler geprägt. Darunter fallen z. B. virtuelle Buchläden, d. h. zum einen branchenfremde Unternehmen, wie Microsoft, die in neue Geschäftsfelder eindringen, aber auch etablierte Anbieter, wie die Buchhandelskette Barnes & Noble, die ihr Geschäftsfeld in den Cyberspace ausdehnen.6 Einzelne Stufen der traditionellen Vermarktungskette werden sich so verändern bzw. obsolet werden. Die Multimedia-Wertschöpfungskette unterscheidet sich grundlegend von den klassischen Medien-Wertschöpfungsketten; die Wertschöpfungsstufen sind flexibel und austauschbar. Außerdem entspricht die Linearität der Wertschöpfungsketten nicht mehr dem Grad der Vernetzung in den konvergierenden Medien-Industrien. Die Zusammenstellung von Inhalten hängt beispielsweise von der Breite und Tiefe der Übertragungsmöglichkeiten und der Features der Endgeräte ab. Musik wird direkt aus dem Studio auf einen Server im Internet geladen und vom Kunden individuell zusammengestellt, um dann an portable MP3-Player via Satellit übertragen zu werden. Aufgrund dieser gegenseitigen Vernetzung kann auch von einem Multimedia-Wertschöpfungsnetz gesprochen werden.

4 5

6 7

n

Vgl. Malone et al. (1987), S. 485f. Vgl. Sarkar et al. (1996), S. 4f. Vgl. Klein/Schubert (1996), S. 16f. Vgl. Middelhoff (1999b).

Perspektiven für Medienkonzerne im digitalen Zeitalter

2.2

209

Konvergenz von Medienprodukten und Branchen

Die Konvergenz vollzieht sich sowohl auf Produkt- als auch auf Unternehmensebene. Inhalte und die Branchen der Bereiche Content, Hard- und Software und Telekommunikation konvergieren. Die Konvergenz von Medienprodukten beschreibt die Verschmelzung verschiedener Inhalte zu multimedialen Produkten. Zunächst findet die Konvergenz verstärkt zwischen den Bereichen Content und Hard- bzw. Software statt. So bietet Microsoft die Microsoft Encyclopedia an und ist somit in den Content-Bereich vorgedrungen. Auch die Bestrebungen von Bill Gates, das weltweit größte digitale Bildarchiv aufzubauen, sprechen hierfür. Aber auch klassische Content-Unternehmen wie die Bertelsmann AG dringen in den Hard- und Software-Markt. Bertelsmann entwickelte in Kooperation das Rocket E-Book, ein Hardware-Device, ähnlich eines Notebooks, mit dem digitale Bücher eingespeist und gelesen werden können. Ebenso ist die Betreibung von CompuServe oder die Kooperation mit AOL als eine Ausweitung der Content-Bereichs in den IT-Sektor zu sehen. AOL, der weltgrößte Online-Anbieter, hat sich z. B. zu einem großen Nachrichtenumschlagsplatz für seine Mitglieder entwickelt. Auf der Homepage finden sich ständig aktualisierte Nachrichten von Associated Press oder Business-News von Reuters. AOL erfüllt somit wichtige Funktionen persönlicher Information, die traditionell vor allem von Zeitungen erbracht wurden. Außerdem findet im Internet, anders als bei den traditionellen Medien, die Kommunikation in zwei Richtungen statt. Internetnutzer konsumieren nicht nur, sondern sind auch selbst fähig, Inhalte zu verbreiten. Es hat also auch eine Art Konvergenz bezüglich des Nutzungsverhaltens der Rezipienten stattgefunden. Die betriebswirtschaftliche Innovationsforschung geht davon aus, dass neu entstehende Technologien die vorher verwendeten substituieren.

O

Im Mediensektor sind Substitutionseffekte

Vgl. Stripp (1998), S. 78. Vgl. Anderson/Tushmann (1994), S. 26f.

210

Perspektiven für Medienkonzerne im digitalen Zeitalter

bisher allerdings nur dann zu beobachten, wenn die neue Medientechnologie die Funktionen einer bestehenden Technologie für den Abnehmer vollständig nachbildet. 10 Trotz ihres Nutzungszuwachses beeinflussen die Online-Medien den Konsum der klassischen Medien bisher nur minimal und werden hauptsächlich als Komplementärmedien angesehen.11 Der Anteil des Mediensektors an der Gesamtwirtschaft ist zudem kontinuierlich gestiegen, so dass auch Budget-Restriktionen bisher kaum zu einem Herausdrängen bestehender Medien aus dem Konsumverhalten der Verwender geführt haben. 12 Zukünftige Prognosen erweisen sich aufgrund der hohen Innovationsrate im Mediensektor, wie z. B. MP3, als noch nicht genügend diffundiert, stärkere Substitutionseffekte sind jedoch wahrscheinlich. Die Konvergenz der Medienprodukte führt dazu, dass sich die klassischen Medienkonzerne nun auch im Wettbewerb mit Unternehmen anderer Branchen befinden. Diese Konvergenz von Branchen findet vor allem in den Bereichen der Medien, der Telekommunikation und der 13

Unterhaltungselektronik, statt Die multimediale Wertschöpfungskette besteht dabei aus drei wesentlichen Erfolgskomponenten: • Dem Inhaltbereich: Multimediale Angebote werden nur nachgefragt, wenn der damit vermittelte "Content" einen höheren Nutzenwert (z. B. Unterhaltungswert) als andere Medienangebote bietet.14 • Dem Aggregatorbereich: Inhalte und Kommunikationstools werden zu umfassenden Dienstleistungsangeboten zusammengefasst (Online-Dienste, Suchmaschinen). • Dem Bereich Access: Dieser sichert technischen Zugang zu multimedialen Inhalten und Aggregatoren.

Beispiel einer solchen Substitution ist der Wechsel von der Schallplatte zur CD. Vgl. Eimeren (1998), S.423f. Vgl. Dührkoop (1998), S. 24. Vgl. Wössner (1999), S. 8. Vgl. o.V. (1998), S. 66.

Perspektiven für Medienkonzerne im digitalen Zeitalter

211

Im Fokus der Integrations- und Konzentrationsbewegungen steht besonders der Bereich der Aggregation. 15 Die hier tätigen Unternehmen sind im Markt etabliert und durch ihr Know-how für Unternehmen der Medienbranche begehrte Kooperationspartner in Bereichen, die aufgrund des Zeitproblems durch Eigenaufbau nicht zu erreichen sind. Der Einstieg der Medienunternehmen in diese Bereiche durch Akquisitionen oder Kapitalbeteiligungen führt zu einer Integration der Wertschöpfung.16 Die Konvergenz steht nach Ansicht der Europäischen Kommission noch in ihren Anfangen und ist durch Unsicherheitsfaktoren gekennzeichnet. Die Unsicherheit besteht in Bezug auf die Technologien, die sich durchsetzen müssen, und die Märkte, die wirtschaftlich tragfahig sein 17

müssen. Herausforderung der Medienunternehmen wird insbesondere die Bereitstellung von Inhalten sein, um die neuen Vertriebskanäle, die nun zur Verfugung stehen, ausfüllen zu können. Der Inhaltsbereich wird als zukünftiger Engpass und als Bereich des größten Wertschöpfungspotenzentials gesehen.18

2.3

Globalisierung der Märkte und Unternehmen

Die rapide Verbreitung des Internets in einer Vielzahl von Wirtschaftszweigen hat eine Kommunikationsstruktur geschaffen, welche es Unternehmen ermöglicht, kostengünstig eine ständig wachsende Zahl potenzieller Kunden weltweit zu erreichen. Die Online-Märkte entwickeln sich zu Massenmärkten, da die Bereitschaft zu Online-Transaktionen zunimmt.

19

Grund für diese Entwicklung sind u. a. kostengünstige PC-

Durch die Etablierung in diesem Bereich lassen sich Kunden gezielt steuern. Dies zeigen Allianzen zwischen Disney-Infoseek, Time Warner-US West und Bertelsmann-AOL. Vgl. Europäische Kommission (1998), S. 18f. Vgl. Boston Consulting Group (1994), S. 223. Vgl. Wössner (1999), S. 25. Untersuchungen zufolge wird in 25 Jahren in Deutschland eine Online-Penetration von 80% der Bevölkerung erreicht sein, gegenüber einer Penetration von 15% heute.

212

Perspektiven für Medienkonzerne im digitalen Zeitalter

Angebote und die Liberalisierung im Telekommunikationsbereich, die eine Verringerung der finanziellen Eintrittsbarrieren der potenziellen Nutzer zur Folge haben. Die Komplexität wird durch einfachere Anwendungsmöglichkeiten ständig reduziert, während sich die Leitungsgeschwindigkeit zur gleichen Zeit erhöht. Gerade für kleine und mittlere Unternehmen war das Mithalten bei der Globalisierung der Märkte aufgrund der immensen, für die internationale Vermarktung erforderlichen Mittel bisher mit hohen Kosten verbunden. Der elektronische Handel über das Internet stellt diesen Unternehmen die Möglichkeit in Aussicht, kostengünstig neue globale Distributionskanäle für ihre Produkte und Dienstleistungen zu erschließen und auch ihre Beschaffungsprozesse kostengünstig global auszurichten.20 Die Entwicklung der erfolgreichen Internet-Unternehmen erfolgt durch neue Finanzierungsmöglichkeiten, unabhängig von den traditionell etablierten Medienkonzernen.21 Durch die Existenz des Internets werden Märkte nicht mehr national erschlossen und dann internationalisiert, vielmehr erfolgt nach dem globalen Start eine langsame Anpassung an die jeweiligen nationalen Konsumentenpräferenzen. Globalisierung und "Fragmentierung im engeren Sinne" stellen demnach zwei gegenläufige, sich aber ergänzende Trends dar. Auf der einen Seite findet eine weltweite Vernetzung mit unbeschränktem Zugang zu Angeboten statt, auf der anderen Seite besteht durch technische Innovationen die Möglichkeit, eine individuelle Kundenansprache vorzunehmen.

Vgl. Burger u.a. (1995), S. 212. Die Vorteile geographischer Standortvorteile nehmen dadurch ab, der Wettbewerb hingegen zu, da sich Unternehmen im Heimatmarkt mit einer Vielzahl weiterer Anbieter konfrontiert sehen. Vgl. Wössner (1999), S. 2. Durch die Möglichkeiten der Finanzierung durch Initial Public Offerings, Venture Capital oder Junk Bonds können diese Unternehmen sehr schnell wachsen und sind daher von Anfang an ernstzunehmende Wettbewerber.

Perspektiven für Medienkonzerne im digitalen Zeitalter

3.

213

VERÄNDERUNGEN DES BUCHMARKTES UND NEUE OPTIONEN DER VERMARKTUNG

Der Buchmarkt als klassischer Medienteilmarkt ist gerade in Bezug auf das Internet interessant, da Bücher zu den meistgekauften Produkten im Internet gehören. Darüber hinaus ergeben sich durch veränderte Produktstrukturen und Vermarktungsformen neue Handlungsoptionen für Verlage und andere Inhaltsproduzenten, die sich doch wesentlich von dem klassischen Kulturgut Buch und den bisherigen Vertriebswegen unterscheiden.

3.1

Verkauf von Büchern über das Internet

Die Buchumsätze weltweit sind in den letzten 5 Jahren durchschnittlich um 3,3% gestiegen und belaufen sich derzeit auf 80 Milliarden Dollar, wobei 75% der Umsätze auf Amerika und Westeuropa entfallen. Das Wachstum wird verstärkt von den Großen der Branche getragen, der weltweite Konzentrationsprozess wirkt sich sowohl bei den Verlagen als auch beim Buchhandel aus. In Deutschland ist der Konzentrationsgrad noch relativ gering, auf die zehn größten Verlagsgruppen entfällt rund ein Viertel des Umsatzes.22 Insbesondere der Internet-Buchhandel hat in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen. Das Umsatzvolumen in Deutschland 1999 betrug 150 Millionen DM, dies entspricht einem Wachstum von 150% gegenüber dem Vorjahr. Fast alle internetaktiven Buchhändler berichten 23

über hohe Steigerungsraten. Untersuchungen zufolge sind Bücher, vor CDs und Software-Produkten, die meistgekauften Produkte über das Internet. Dies ist wesentlich auf die spezifischen Eigenschaften von Büchern zurückzuführen, die dadurch besonders geeignet für den E-Commerce erscheinen. Das physische Berühren ist bei Büchern vor dem Kauf nicht unbedingt notwendig, da

Vgl. Börsenverein des deutschen Buchhandels (1999). Vgl. dpa (2000).

214

Perspektiven für Medienkonzerne im digitalen Zeitalter

jeder mit dessen Beschaffenheit vertraut ist. Bücher sind im Vergleich zu anderen Produkten zwar relativ billig, aufgrund der Vielfalt an vorhandenen Titeln jedoch beratungsintensiv. Bücher sind Informationsprodukte, weshalb eine fachliche Beratung beim Kauf oftmals erwünscht ist. Diese kann zwar in einem Buchladen auf persönlichere Art und Weise erfolgen, das Vertrauen zu einem Buchhändler, mit dem man bereits Erfahrungen hat, wird größer sein als zu einer anonymen Buchhandlung. Dennoch bietet das Internet Vorteile, die stationäre Buchhandlungen nicht haben. Die Auswahl in Internetbuchhandlungen ist sehr viel größer, d. h. sowohl der spezifisch suchende Kunde als auch der noch unentschiedene Kunde haben eine breitere Auswahl. Da es im Wesentlichen von der Verfügbarkeit abhängt, was der Kunde als Nächstes kauft, haben InternetBuchhandlungen hier einen nicht widerlegbaren Vorteil. Außerdem ist der Kunde durch das Internet nicht an Öffnungszeiten gebunden, er muss keine Wege auf sich nehmen und erhält seine Bestellung bei den meisten Anbietern innerhalb von 24 Stunden. Da Kundendaten im Internet sehr viel besser verarbeitet und analysiert werden können (DatabaseMarketing), können dem Kunden anhand von Informationen aus seiner Kundenkontakthistorie spezifische Angebote unterbreitet werden. So besteht insbesondere die Möglichkeit des cross- und up-selling. Dem Kunden wird im Internet, je nach Shoppingsystem, ein unterschiedlicher Zusatznutzen geboten. So bieten viele Internet-Buchhändler Leseproben oder Rezensionen an, es bestehen vielfältige Suchmöglichkeiten, persönliche Buchempfehlungen, Secondhandmärkte und CommunityAngebote.

3.2

Veränderung der Produktstruktur von Büchern

Eine schon lang praktizierte, preispolitische Strategie der Verlage besteht darin, ein Buch zunächst als gebundene Ausgabe anzubieten und dann nach einiger Zeit auch als Taschenbuch auf den Markt zu bringen. Kunden, die der Neuerscheinung einen hohen Wert beimessen, werden die gebundene Ausgabe zu einem höheren Preis erwerben, während andere Kunden warten, bis die billigere Taschenbuchausgabe erscheint.

Perspektiven für Medienkonzerne im digitalen Zeitalter

215

Ein erster Ansatz von Verlagen und anderen Inhaltsproduzenten im E-Commerce aktiv zu werden, d. h. die Produkte ohne inhaltliche Veränderungen direkt über das Internet zu vertreiben, wurde bereits vorgestellt.

Technische

Entwicklungen

machen

neue

Formen

des

Vertriebs möglich. Hier ist z. B. die Print-on-Demand-Technik (POD) zu nennen, bei der ein Buch erst gedruckt wird, wenn die Bestellung des Kunden eingegangen ist. Wird dieser reine Druck um die Bindung als Buch ergänzt, spricht man von Books on Demand (BOD). Für den Kunden besteht so die Möglichkeit, das Buch gebunden zu bestellen, es selbst zu Hause am Bildschirm zu lesen oder bei gegebenen technischen Möglichkeiten selbst auszudrucken. Falls es dem Kunden möglich ist, das Buch am Bildschirm zu lesen, so spricht man auch von einem "Buch in elektronischer Form". Derartige Bücher sind auch auf eine spezielle Hardware übertragbar, so genannte Elektronische

Bücher

(E-Books).

Abb. 2:

Nutzentypologie

des Buches (in Anlehnung an Bezold

1991)

Um Aussagen über den Nutzen der verschiedenen Materialitätsstadien von Büchern treffen zu können, bietet sich die Anlehnung an die von Bezold aufgestellte Nutzentypologie 24 des gedruckten Buches (vgl. Abbildung 2) an.

24

Vgl. Bezold (1991), S. 97ff.

216

Perspektiven für Medienkonzerne im digitalen Zeitalter

Während bei den meisten Produkten der Grundnutzen im MateriellStofflichen enthalten ist, liegt der Grundnutzen von Büchern im kommunikativen Gehalt, im Text. Ergänzt wird diese Komponente um den Gebrauchsnutzen, d. h. inwiefern die funktionale Gestaltung den Ansprüchen der Kunden entspricht. Der Zusatznutzen eines Buches besteht zum einen aus persönlichen Komponenten, wie zum Beispiel der Freude an einem teuren Einband oder aufwendigen Illustrationen, sowie sozialen Komponenten, wie der demonstrativen Nutzung aus Prestigegründen. In der realen Welt sind die genannten Elemente eines Buches, also der Content, der Context (Format, Papierqualität, Einband usw.) und die Infrastruktur, d. h. wo ein spezifisches Buch zu erhalten ist, untrennbar miteinander verbunden.25 Durch den Einsatz von Informationstechnologien lassen sich diese Elemente trennen. Dies ist allerdings nur dann sinnvoll, wenn der Kunde dadurch einen Zusatznutzen hat. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass es nur sinnvoll ist, Produkte digital abzuspeichern, die einen spezialisierten Inhalt aufweisen und unabhängig von der Form für den Kunden einen Wert darstellen.26 Bestes Beispiel sind hierfür digitale Nachschlagewerke, wie zum Beispiel die Enzyklopädie Britannica. Jahrelang war diese angesehene Enzyklopädie erfolgreich für 2000 Dollar verkauft worden, bis Microsoft und andere Unternehmen Enzyklopädien auf CD-ROM für 70 Dollar auf den Markt brachten. Diese digitalen Versionen bieten den Kunden eine Reihe von Vorteilen, wobei an oberster Stelle der attraktivere Preis steht. Dem Kunden wird durch die elektronische Version auch ein höherer Gebrauchsnutzen geboten. Zum einen können diese Versionen kontinuierlich auf den neusten Stand gebracht werden und weisen demnach immer eine höhere Aktualität auf als Ausgaben in Buchform, zum anderen wird dem Kunden durch die Möglichkeit der Darstellung in Ton, Bild und Schrift und dem Setzen von Hyperlinks eine leichtere Handhabung geboten.

Vgl. Studer/Sieber (1998), S. 13. Vgl. Schiele/Lube (1996), S. 169.

217

Perspektiven für Medienkonzerne im digitalen Zeitalter

3.3

Veränderung Internet

der

Marktstrukturen

durch

das

Neben der Veränderung des Produktes Buch wandeln sich durch das Internet auch die klassischen Vermarktungsmöglichkeiten; es findet eine Veränderung der Marktstruktur statt.

Abb. 3:

Veränderungen der Marktstruktur durch das Internet

Die klassische Vertriebskette im Buchmarkt lief, wie in Abbildung 3 dargestellt, stets ausgehend vom Autor, über den Verlag, dann über verschiedene

Zwischenhändler

zum

Buchhändler

und

von

diesem

schließlich zum Kunden. Bei den Zwischenhändlern unterscheidet man so genannte Barsortimente und Verlagsauslieferungen. Während Barsortimenter in eigenem Namen und auf eigene Rechnung wirtschaften und sich demnach frei aus den Sortimenten der Verlage ihr Angebot zusammenstellen, sind die Verlagsauslieferungen gezwungen, das gesamte Sortiment eines Verlages zu vertreiben. Da diese Zwischenhändler über das Internet durch

eigene

Angebotskataloge

bessere

Möglichkeiten

haben,

Endkundenkontakt zu bekommen, schalten sie verstärkt die klassischen Buchhändler aus. Der Kunde bekommt somit nicht mehr ein vom Buchhändler mit seiner Kompetenz ausgewähltes Sortiment, sondern

218

Perspektiven für Medienkonzerne im digitalen Zeitalter

muss sich in der oft großen Angebotsbreite der "ehemaligen" Zwischenhändler selbst zurechtfinden. Diese Angebotsfulle bzw. Informationsvielfalt im Internet ist es auch, die verstärkt Prognosen der Herausbildung einer neuen Art von Zwischenhändlern, so genannte "cybermediaries" oder auch Informationskatalysatoren hervorruft. Der Mensch oder Kunde im Informationszeitalter wird zunehmend durch die Vielfalt überlastet. Der Erfolg von Communities im Internet oder personalisierten Newslettern zeigt das Bedürfnis der Nutzer, die Vielfalt auf ein für sie verträgliches Maß zu reduzieren und nach Interessensgebieten zu filtern. Durch das Internet ergeben sich neue Handlungsoptionen für Inhaltsproduzenten und -vermittler, die weit über den reinen Vertrieb von Büchern im originären Sinne über das Internet hinausgehen. Als Beispiel hierfür können die Buchclubs der Bertelsmann Buch AG genannt werden. Die klassischen Vorteile einer Clubmitgliedschaft, nämlich Preisvorteile und ein kompetent ausgewähltes, kundenspezifisches Produktangebot, können durch die Nutzung des Internets verstärkt werden. Durch spezielle Discount-Sites kann dem Mitglied eine größere Auswahl an Produkten angeboten werden als z. B. in traditionellen Clubfilialen. Zusätzlich können Target- und auch Direct-Marketing eingesetzt werden und der potenzielle Kunde auch außerhalb der üblichen Clubumwelt angesprochen werden. Der neue Verkaufsweg über das Internet kontrastiert das traditionelle Clubgeschäft hinsichtlich Format und Image, so dass neue Kundengruppen und -Segmente von der Clubidee eingenommen werden können. Special Interest Communities sind nur eine Möglichkeit, neue Clubgemeinden zu bilden und den Austausch von Informationen untereinander zu fördern. Ausgerichtet auf Kundensegmente werden Angebote in einer dynamischen Weise den Mitgliedern näher gebracht. Online-Kataloge geben vielfaltigere Informationen und können sich z. B. an den ServiceAngeboten von BOL (Bertelsmann Online) orientieren. Im Gegensatz zu herkömmlichen Werbemitteln ist auch Cross-Advertising möglich und bietet dem Kunden somit einen besonderen Nutzen. Wo früher nur große

Perspektiven für Medienkonzerne im digitalen Zeitalter

219

Kundensegmente mittels klassischer Werbemittel angesprochen wurden, können nun kleine Kundengruppen individualisiert zum Kauf animiert werden. Der größte Unterschied zum traditionellen Club jedoch ist die Kommunikation mit den Mitgliedern und der Mitglieder selbst untereinander. Im klassischen Medienunternehmen sind es Programm und in geringem Maße das Marketing, welche für die Produktvielfalt und das Angebot zuständig sind. Eine Kommunikation zwischen den Produzenten und Kunden findet nur selten statt, welches zur Nichterfüllung von Kundenwünschen fuhren kann. Mitglieder und Verantwortliche im Club kommunizieren meist nur bei Problemen und Beschwerden, diese Kommunikation ist eher reaktionär. Auch untereinander können sich die Mitglieder nur selten austauschen. Durch einen Club im Internet können hingegen multiple Kommunikationskanäle geöffnet werden. Marketing und Programm stehen in engem Kontakt zu den Mitgliedern und können so Feedbacks zu den unterschiedlichen Aktionen sowie Angeboten und Titeln einholen. Auch die Kommunikation vom Mitglied zum Verantwortlichem im Club kann entscheidende Anstöße geben. Die Mitglieder äußern ihre Wünsche und Vorstellungen, so dass das Programm auf diese abgestimmt wird. Die Kommunikation findet also proaktiv statt. Ebenfalls durch die Kommunikation zwischen den Mitgliedern kann auf den Entscheidungsprozess und die Programmauswahl Einfluss genommen werden. Durch die Einrichtung der genannten Special Interest Groups oder Spezialclubs kann ein zielgerichtetes Programm entwickelt werden. Als Beispiel hierfür ist der amerikanische Internet Only Club "Black Expression" der Bertelsmann Buch AG zu nennen, der ein zielgruppenspezifisches Programm für eine bestimmte Bevölkerungsgruppe anbietet. Aber auch für Verlage besteht durch E-Commerce die Möglichkeit, direkt an den Kunden heranzutreten. Im Zusammenhang mit diesen Überlegungen wird die steigende Bedeutung der Markenbildung deutlich, die ursprünglich aus der Konsumgüterindustrie stammt und besagt, dass Produkte, die weitgehend identisch im Bezug auf Preis, Leistung und

220

Perspektiven für Medienkonzerne im digitalen Zeitalter

Qualität sind, als einziges Unterscheidungskriterium die Marke selbst aufweisen. Anders jedoch als Konsumgüter, die ihre Markenidentität im Wesentlichen über Kommunikation gewinnen, sind Medienprodukte selbst Informations- und Kommunikationsträger. Der Vergleich zur Konsumgüterindustrie hinkt also in der Hinsicht, dass bei Medienprodukten, deren Inhalt immer wieder unterschiedlich ist (z. B. Zeitungen), sehr wohl das Produkt und nicht nur die Marke, wie z. B. bei Coca Cola, entscheidend ist. Dennoch wird hinsichtlich des Informationsangebotes im Internet die Markenbildung von Verlagen und Autoren bei der Überlegung eine direct27

to-customer-Beziehung von großer Bedeutung sein. Das Beispiel eines John Grisham, der vor kurzem mit großem Erfolg damit begonnen hat, seinen ersten Fortsetzungsroman über das Internet zu veröffentlichen, bestätigt diese These. Unbekanntere Autoren haben zwar durch billigere Publikationsmöglichkeiten im Internet ebenfalls- oft zum ersten Mal- die Chance, ihre Texte überhaupt zur Veröffentlichung zu bringen, die Nutzung wird allerdings sehr viel geringer sein als bei etablierten Verlagen oder Autoren. Der gesellschaftliche Trend zur Individualisierung und damit zur Segmentierung von Angeboten gilt dagegen auch für die Medienindustrie. Technische Entwicklungen haben es ermöglicht, dass diese Strategie verstärkt auch von Buchverlagen verfolgt werden kann.

4.

ORGANISATORISCHE IMPLIKATIONEN DURCH MEDIENTRENDS FÜR DIE BERTELSMANN A G

Durch die Vernetzung der Wirtschaft ist es den Medienunternehmen möglich geworden, sowohl in der Produktion als auch im Vertrieb individuell auf den Kunden einzugehen. Hieraus ergeben sich neue Wettbewerbsstrategien für Medienunternehmen. Die Änderung bzw. 27

Der Ratgeberverlag Gräfe und Unzer versucht seit einiger Zeit durch ein Konzept der integrierten Gesamtkommunikation die eigene Markenbildung zu verstärken. Vgl. Der Buchmarkt (1999).

Perspektiven für Medienkonzerne im digitalen Zeitalter

221

Weiterentwicklung dieser Strategien mit dem Fokus auf E-Commerce hat auch Änderungen in der Organisationsstruktur dieser Medienkonzerne zur Folge. 28 Das Geschäft mit dem Internet wurde zunächst nur als erweiterter Vertriebskanal angesehen und erst über den Zeitraum in die Wertkette integriert, um dann schließlich eine umfassende Branchentransformation 29

auszulösen.

Diese drei Stufen sind in Abbildung 4 abgebildet und

werden im Folgenden am Beispiel der Bertelsmann AG erläutert.

BranchenTransformation

Änderung des Gesamtuntemehmens auf E-Commerce

Wertkettenintegration

Distributionskanalerweiterung

• Marktvolumen der E-Commerce-Aktivitäten

Abb. 4:

Veränderung der Organisationsstrukturen E-Commerce (in Anlehnung an Hail et al., 1999)

aufgrund

von

Die Organisationsstruktur der Bertelsmann Buch AG setzte sich 1982 neben den unterstützenden Servicebereichen der Hauptverwaltung und der Zentralen Unternehmensentwicklung aus den fünf Business Units der Produktlinien Verlage, Buchclubs, Industrie, Zeitschriften und

Film

30

zusammen.

Erste Aktivitäten im E-Commerce ließen diese Struktur nur

innerhalb der einzelnen Business Units zu. Die jeweiligen Vertriebswege konnten um den Bereich E-Commerce erweitert und auf die entsprechen28

29 30

Vgl. Chandler (1962). Vgl. Hailetal. (1999). Vgl. Bertelsmann (1983).

222

Perspektiven für Medienkonzerne im digitalen Zeitalter

den Erfordernisse der Produkte angepasst werden. Multimedia und E-Commerce entwickelte sich so zunehmend zu einem neuen Stammgeschäft der Bertelsmann AG. Innovationen aufgrund der neuen technischen Infrastruktur des Internets wurden allerdings nicht Business-Unit-übergreifend genutzt. Synergien bei der Erschließung des digitalen Marktes wurden nur selten realisiert. Erst mit der Umstrukturierung von 1997/98 wurden die E-Commerce-Aktivitäten aus den einzelnen Business Units herausgelöst und in einer neuen Business Unit "Multimedia" zusammengefugt.31 Aufgabe dieses neuen Unternehmensbereichs Multimedia war es, zusätzlich zu eigenen Entwicklungen und Firmen konzernweit die Bemühungen des Gesamthauses im Bereich E-Commerce zu bündeln, sie zu koordinieren und eine einheitliche technische Plattform für alle Angebote zu schaffen. Profit Center aus den drei Bereichen Content, Aggregation und Access32 wurde in dieser neuen Unternehmenseinheit zusammengefasst. Erstmalig wurde E-Commerce nicht mehr nur als neuer Vertriebskanal angesehen, sondern als durchgehende neue Wertkette integriert. Als Beispiele sind www.sportl.de,www.gamechannel.de, tvtoday.de oder Stern.de (Content), AOL, CompuServe, Fireball.de, Lycos für Aggregation und Bertelsmann media systems, Pixelpark und die 33

Netzwerkfirma mediaWays (Access) zu nennen, die in dieser Business Unit konsequent aufgebaut und weiterentwickelt wurden. Durch die Ausgliederung in einen separaten Bereich war es möglich, Synergien zwischen den einzelnen autonomen Profit Centern zu realisieren und die Kannibalisierung der neuen Geschäftstätigkeiten durch die schon gewachsenen Unternehmen der restlichen Business Units konnten somit erfolgreich vermieden werden. Mit dem Geschäftsjahr 2000/01 werden die "neuen" Geschäfte wieder mit den ursprünglichen Produktlinien in der neuen Business Unit "Bertelsmann Direct" verschmelzen. Die E-Commerce-Aktivitäten Vgl. Bertelsmann (1987). Vgl. Punkt 2.2. Vgl. Bertelsmann (1998).

Perspektiven fiir Medienkonzerne im digitalen Zeitalter

223

werden mit den klassischen Profit Centern des Vertriebs, wie z. B. der Direktvertrieb und die Bertelsmann Buch Clubs gebündelt.34 Durch diese Integration wird der aufgebaute elektronische Vertriebskanal die klassischen Geschäfte revitalisieren und die ursprünglichen Geschäftsaktivitäten transformieren. Durch Kooperationen und Partnerprogramme, z. B. zwischen den Buchclubs und BOL, können neue Impulse iur die "traditionellen" Profit Center generiert werden?5 Das Beispiel der organisatorischen Veränderungen bei Bertelsmann und der damit vollzogenen konsequenten Ausrichtung auf Multimedia zeigt, inwieweit E-Commerce-Aktivitäten die ursprünglich voneinander unabhängigen Bereiche Content, Aggregation und Access zusammenwachsen lassen. Nur durch eine stringente Integration aller drei Bereiche wird es zukünftig möglich sein, eine wichtige Rolle im neuen MultimediaBereich zu spielen.

Vgl. Bertelsmann (1999). Vgl. Punkt 2.3.

224

Perspektiven fur Medienkonzerne im digitalen Zeitalter

LITERATURVERZEICHNIS Anderson, P., Tushman, M.L. (1994), Managing Trough Cycles of Technological Change, in: Research and Technology Management, Nr. 3 (1994), S. 2631 Bertelsmann (1983), Geschäftsbericht 1982/83, Gütersloh 1983 Bertelsmann (1987), Geschäftsbericht 1986/87, Gütersloh 1987 Bertelsmann (1998), Pressemitteilung vom 18.03.1998, Gütersloh 1998 Bertelsmann (1999), Pressemitteilung vom 9.12.1999, Gütersloh/München/New York 1999 Bezold, J., (1991), Preis- und Produktdifferenzierung - Determinanten des strategischen Produktmanagements im Buchverlag, Wiesbaden 1991 Boston Consulting Group (Hrsg., 1994), Medienunternehmen im Zeitalter des Multimedia, o.O. 1994 Börsenverein des deutschen Buchhandels (1999), Buch und Buchhandel in Zahlen, Frankfurt am Main 1999 Burger, C. Entenmann, M., Nepute, S. (1996), Konsumgüterindustrie und Handel im Jahr 2005 - Handel entmachtet, in: Markenartikel, Nr. 5 1996, S. 209214 Chandler, A. D. (1962), Strategy and Structure, New York 1962 dpa (2000), Bald Konsolidierung bei Internet-Buchhändlern, Meldung vom 3.7.2000 Dührkoop, T. (1998), Medienwandel aus betriebswirtschaftlicher Sicht, St. Gallen 1998 Eimeren, B. u. a. (1998), ARD/ZDF Online-Studie 1998, in: Media Perspektiven, Nr. 8, S. 423—435 Europäische Kommission (Hrsg., 1998), Statusbericht zu Konvergenztendenzen in der Medienbranche, o. O. 1998 Hail, B. et al. (1999), Indusriestudie E-Business-Potentiale für deutsche TVAnbieter, Düsseldorf 1999 Hachmeister, L., Rager, G., (1997), Wer beherrscht die Medien? - Die 50 größten Medienkonzerne der Welt, Jahrbuch 1997, München 1997 Klein,

S., Schubert, P. (1996), Künftige Forschungspapier, St. Gallen 1996

Entwicklungen

des

Internet,

Malone, T.W., Yates, J., Benjamin, R.I. (1987), Electronic Markets and Eletronic Hierarchies, in: Communications of the ACM, 6 (1987), S. 484-497

Perspektiven fur Medienkonzerne im digitalen Zeitalter

Media

Perspektiven (1998), Basisdaten, Daten Deutschland, Frankfurt am Main 1998

225

zur

Mediensituation

in

Middelhoff, T. (1998), Bertelsmann in Transition, Rede beim 5. Bertelsmann Management Kongreß, Gütersloh 1998 Middelhoff, T. (1999a), Strategien für ein Medienunternehmen Jahrhundert, Rede vom 26. April 1999 Middelhoff, T. (1999b), Herausforderungen Werbwirtschaft, Rede vom 20. Mai 1999

für die

Medien-

im 21. und

die

1 2 . B F G BANK A G - V O N DER FILIALBANK ZUR ONLINEBANK

Christian Poggemann, Arnd Pölert

1.

EINLEITUNG

229

2.

MARKT- UND WETTBEWERBSENTWICKLUNG

231

2.1

Kunden

231

2.2

Neue Anbieter

233

2.3

Lieferanten

235

2.4

Bestehende Wettbewerber

235

3.

WETTBEWERBSSTRATEGIEN

236

3.1

Strategiealternativen und ihre Nutzenpotenziale

237

3.2

Die Hybridbank-Strategie: BfG Internet Banking & Ordering

240

Die Parallelbank-Strategie: SEB direct GmbH

241

3.3 4.

AUSBLICK

243

BfG Bank AG - Von der Filialbank zur Onlinebank

1.

229

EINLEITUNG

In den letzten Jahren hat - ausgehend von BTX- und Telefonbanking der Begriff des "Homebanking" stark an Bedeutung gewonnen. Wurde dessen Eignung als Alternative zum klassischen Filialbanking anfangs noch bezweifelt, so wird bereits heute ein großer Teil der Konten online geführt und über die so genannten "Neuen Medien" ein erheblicher Teil des Privatkundengeschäftes deutscher Banken abgewickelt.1 Es ist damit zu rechnen, dass das Marktpotenzial dieser Vertriebswege weiterhin stark wachsen wird, weshalb sich Banken rechtzeitig strategisch im Wettbewerb positionieren müssen. Die BfG Bank AG unternahm daher entsprechende Schritte, um diesem Erfordernis zu entsprechen. Die Entwicklung zur Online-Bank vollzog sich dabei in mehreren Abschnitten: In den 80er-Jahren führten ernste Kosten- und Ertragsprobleme zu der Notwendigkeit, den Kunden in die Leistungserstellung einzubinden. Daher führte die BfG Bank AG als eines der ersten überregionalen Kreditinstitute 1983 BTX-Banking und 1993 Telefonbanking ein. Der mehrheitlichen Übernahme durch die französische Crédit Lyonnais im Jahr 1993 folgten im Privatkundengeschäft verschiedene Phasen der strategischen Neuausrichtung. Die Positionierung des BfG Plus Kontos als "Kostenloses Gehaltskonto" fokussierte in 1996 auf den jungen, dynamischen Privatkunden und bewirkte eine zahlenmäßige Verdoppelung dieser Kundengruppe. Ziel der gewählten Strategie war weiterhin eine dauerhafte Ertrags- und Kundenorientierung mit bestehenden Filial- und Personalressourcen. In diesem Zusammenhang ergab sich die Forderung, die Filialbelastung durch Standardtätigkeiten von 60% auf 40% zu senken und dadurch gleichzeitig die Kapazität für kundenorientierte Tätigkeiten in gleichem Maß zu erhöhen.

Vgl. o.V. (1999a), S. 1.

230

BfG Bank A G - Von der Filialbank zur Onlinebank

Aus den bereits genannten Gründen wurde in dieser Phase der Begriff des "Digital Online Banking" eingeführt, welcher das Erbringen aller Arten von Finanzdienstleistungen mit Hilfe neuer Medien wie Telefon, Internet, Handy, Multifunktionsterminals, etc. umfasste. Ziel war es, dem Kunden, aufbauend auf dem bestehenden Filialnetz, eine einheitliche medienunabhängige Plattform mit hohem Wiedererkennungseffekt zu präsentieren. Die Bank verstand sich als deutsche MultichannelUniversalbank. Seit Dezember 1998 bietet die BfG Bank AG ihren Kunden als erstes überregionales Kreditinstitut Internet Banking auf Basis des HBCI-Standards in Verbindung mit einer RSA-Chipkarte an. Im April 1999 wurde dieses Angebot um Ordering-Funktionalitäten ergänzt. Die Übernahme des Kreditinstituts durch die schwedische SEB führte im Privatkundengeschäft nochmals zu einer signifikanten Steigerung der Online-Aktivitäten. Dieser stringent wirkenden Entwicklung liegt allerdings ein fundamentaler Paradigmenwechsel zugrunde. Das neue Selbstverständnis lässt sich mit dem Begriff "E-Centric" treffend umschreiben und versteht Online-Banking wird nicht mehr primär als Möglichkeit zur Kostenreduktion, sondern als die mittelfristig erfolgversprechendste Art, Geschäfte zu machen. Die deutsche Multi-ChannelUniversalbank soll sich zukünftig als europäische Internet-Bank verstehen und dazu um einen reinen Online-Zweig mit einer klaren Fokussierung auf das Segment der vermögenden Kunden ergänzt werden. Aus dieser Überlegung heraus wurde die SEB direct GmbH gegründet, welche zukünftig für die Abwicklung des Online-Geschäfts verantwortlich sein wird. Im Folgenden sollen nun die strategischen Überlegungen dargestellt werden, welche dem Einstieg ins Digital Online Banking und dem Ausbau der begonnenen Aktivitäten zugrunde liegen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den Marktperspektiven des Digital Online Banking sowie auf den damit zusammenhängenden wettbewerbsstrategischen Implikationen. In

Bei HBCI (Home Banking Computer Interface) handelt es sich um einen vom ZKA verabschiedeten Standard fiir Onlinebanking, der Verschlüsselungstechnologien und Geschäftsvorfälle bankübergreifend spezifiziert.

BfG Bank AG - Von der Filialbank zur Onlinebank

231

Abschnitt 2 soll daher die mit der Erweiterung der Wettbewerbsarena einhergehende Veränderung der Wettbewerbssituation untersucht werden. Im Anschluss werden in Abschnitt 3 Strategien zur Positionierung im veränderten Wettbewerbsumfeld dargestellt.

2.

M A R K T - UND WETTBEWERBSENTWICKLUNG

Die mit dem Aufstieg der Online-Medien entstehende neue Wettbewerbssituation eröffnet vollständig neue Zugänge zum Kunden. Damit werden alte Markteintrittsbarrieren wie das Vorhandensein eines flächendeckenden Filialnetzes umgangen. Relevant für die neuen Zugänge zum Kunden sind Kompetenzen, die nicht typischerweise bei Banken angesiedelt sind. Auf der einen Seite birgt diese Situation die Chance, attraktive Onlineaffine Neukunden zu gewinnen. Andererseits laufen vor allem inländische Filialbanken Gefahr, Marktanteile an ausländische Banken, aber auch inund ausländische Nichtbanken zu verlieren. Gemeinsam mit dem Vorhandensein einer äußerst attraktiven Kundengruppe bewirkt dies eine drastische Verschärfung der Wettbewerbsintensität. Selbst bei der grundsätzlich chancenreichen Bereitstellung eines eigenen OnlineAngebots wird die Kundenbindung aufgrund der spezifischen Charakteristika der Online-Medien sowie der steigenden Wettbewerbsintensität schwieriger. Diese neue Wettbewerbssituation kann anhand der Wettbewerbskräfte präziser charakterisiert werden. Hierbei handelt es sich insbesondere um Kunden (Punkt 2.1), neue Anbieter (Punkt 2.2), Lieferanten (Punkt 2.3) und bestehende Wettbewerber (Punkt 2.4).

2.1

Kunden

Bei den privaten Bankkunden ist ein Wandel im Verhalten und in den Erwartungen festzustellen, der sich im Wesentlichen an drei Trends festmachen lässt:

232

BfG Bank AG - Von der Filialbank zur Onlinebank



Discount und Luxus sind kein Widerspruch mehr. Die Nutzung von Online-Angeboten erfolgt parallel zu der Inanspruchnahme individueller Beratung.



Zudem sind die Kundenerwartungen signifikant gestiegen. Dies gilt sowohl in Bezug auf das Preis-Leistungs-Verhältnis, als auch auf die absolute Service-Kompetenz, Betreuungsqualität und Produktkompetenz. Gleichzeitig scheint sich ein Trend zur abnehmenden Kundenbindung abzuzeichnen. Dies wird insbesondere in Verbindung mit einer Verschiebung der Marktanteile hin zu Online-Medien relevant, über die sich kundenbindende Maßnahmen ohnehin schwieriger darstellen lassen.4



Diese für die Banken sehr anspruchsvolle Situation aufgrund der Entwicklung im Kundenverhalten wird durch den zunehmenden Wettbewerb speziell um Online-Kunden noch verschärft. Als Zielgruppe für den Einsatz von Digital Online Banking kommen nämlich im Wesentlichen jene Kunden in Betracht, die den Angeboten von Telefonbanking, Internetbanking und Handybanking zumindest aufgeschlossen gegenüber stehen. Von den knapp 180 Mio. Europäern werden im Jahr 2003 ca. 100 Mio. Menschen einen Mobiltelefonanschluss und etwa 82 Mio. einen Internet-Zugang haben, wobei ca. 60 Mio. einen PC besitzen. Diese so genannten E-Customer sind zum einen ein ausgesprochen Aktien-affines Kundensegment, für das in Europa, insbesondere durch eine starke Nachfrage in Skandinavien und Deutschland, bis zum Jahr 2004 15 Millionen Depots vorausgesagt werden. Zum anderen erscheinen gerade sie bei einer demographischen Betrachtung der Alters- und Einkommensstruktur als ausgesprochen attraktiv: 3

4

Vgl. Schüller (1998), S. 4. Während die Wechslerquote in den letzten Jahren zwischen Filialbanken in Deutschland pro Jahr etwa 5% betrug, ist die Frequenz von Bankfluktuationen in der Online-Community laut Infratest Burke mehr als doppelt so hoch. Der Kundenfluss von Filialbanken hin zu Direktbanken beträgt sogar bis zu 28% (vgl. o.V. 1999b, S. 1).

BfG Bank AG - Von der Filialbank zur Onlinebank





2.2

233

Untersuchungen bezüglich der Altersstruktur ließen vor allem bei jüngeren Kunden eine stärkere Hinwendung zum Homebanking erkennen. Bei Jugendlichen bis 20 Jahre lag die Affinität gegenüber Direktbanken bei über 50%, bei den 20- bis 30-Jährigen zwischen 30% und 40% und bei den über 35-Jährigen bei weniger als 30%. Untersuchungen zur Struktur der Internet-Nutzer ergaben, dass die deutlich stärkste Gruppe mit 65,6% von den 20- bis 40-Jährigen gebildet wird. 5 Bezüglich der Einkommensstruktur zeigt sich, dass vor allem Kundensegmente mit höherem Einkommen verstärkt daran interessiert sind, Bankgeschäfte von zu Hause aus abzuwickeln. Diese Tatsache ist für den Aufbau von Digital Online Banking insofern von wesentlicher Bedeutung, als im Privatkundengeschäft der Banken ein relativ kleiner sehr profitabler Anteil von vermögenden Privatkunden (ca. 5%) einen Anteil von mehr als 50% am Geschäftsvolumen ausmacht6 und somit eine sehr interessante Zielgruppe darstellt. 25% der Online-Investoren verfugen heute über ein monatliches Haushalts-Nettoeinkommen von DM 6.000,00, während dies im Bevölkerungsschnitt nur bei etwa 12% der Fall ist.7

Neue Anbieter

Vor dem Hintergrund dieser attraktiven Zielgruppe ist mit eine Reihe neuer Anbieter zu rechnen (vgl. Abb. 1). Die neue Informationsökonomie erweitert die Wettbewerbsarena zunächst einmal zugunsten der heutigen Non- und Near-Banks, so dass diese in wenigen Jahren einen signifikanten Marktanteil im Privatkundengeschäft erreichen können. Die frühere Markteintrittsbarriere des Filialsystems existiert für einen Großteil

6 7

Die Alterspyramide wird allerdings allmählich flacher; vgl. o.V. (1999c), S. 1. Dies ergibt sich aus internen Analysen der BfG Bank AG. Vgl. o.V.(1999d), S. 1.

234

BfG Bank AG - Von der Filialbank zur Onlinebank

des Leistungsangebots praktisch nicht mehr und wird insbesondere für ITO

orientierte Unternehmen aus Fremdbranchen unerheblich. Neue Anbieter wie Netzbetreiber, Processing-Unternehmen, IT Dienstleister, Softwarehäuser und Medienkonzerne ohne Personal- und Raum-Overhead können so mit attraktiven Kostenstrukturen bei permanenter und ortsunabhängiger Erreichbarkeit die Standortvorteile ortsansässiger Unternehmen ausschalten.

WebStreet Sec., Inc.

British Airways Global Finance Services* Reuters

Telekom ConSors Lufthansa AirPlus NetBank VW-Bank

Bank

Abb. 1:

Non- und Near-Bank

Neue Anbieter auf dem Bankenmarkt

Für kleine innovative Unternehmen tun sich Nischenmärkte auf. Prägnante Beispiele dafür sind DigiCash oder CyberCash.10 Gleichzeitig entstehen virtuelle Finanzdienstleistungsmarktplätze durch Unternehmen wie netIPO, IPOnline oder das Virtuelle Emissionshaus als neue Wettbewerber fur Aktienplatzierungen. Häufig handelt es sich bei solchen neuen Anbietern um Industrieunternehmen wie die VW Bank AG, welche

Vgl. Schüller (1998), S. 4, sowie o.V. (1999e), S. 1. Vgl. Bartmann/Kerscher (1995), S. 43. Hinter diesen Begriffen verbergen sich intelligente Zahlungssysteme für das Internet, die durch sehr kleine Finnen entwickelt und vertrieben wurden.

BfG Bank AG - Von der Filialbank zur Onlinebank

235

gezielt Kundensegmente mit attraktiven Konditionen bedienen. Auch Handelshäuser wie die Entrium Direct Bankers AG (Quelle) besitzen mit dem Verkauf von Handelsprodukten so viele Informationen, dass sie über ein geschicktes, auf den Einzelkunden zugeschnittenes Database Marketing absatzpolitisch hoch effektive Maßnahmen treffen können. Hierbei lässt sich häufig die Entwicklung von einer anfänglichen Spezialisierung hin zu einer universellen Positionierung beobachten. Entrium 11 und First E sind hierfür Beispiele.

2.3

Lieferanten

Eine Sondergruppe neuer Anbieter stellen ehemalige Lieferanten der Banken dar. Ihnen stand bisher kein adäquater Zugang zum Endkunden zur Verfugung, da sie in der Regel nicht über ein ausgedehntes Filialnetz verfügen. Sie können sich nun zu neuen Wettbewerbern entwickeln, indem sie ihr Know-how über Online-Medien neuen Anbietern oder den Kunden direkt zur Verfügung stellen. Hierbei ist in erster Linie an Clearinghäuser, Informationsbroker oder Börsen zu denken, welche die Geschäftssysteme der Banken sehr gut kennen. Hinzu kommen neuartige Lieferanten, die sich dadurch auszeichnen, dass der Bedarf an ihrer Leistung erst mit der Entwicklung der OnlineMedien aufgekommen ist und dass diese Leistungen für den OnlineVertrieb unverzichtbar sind. Bei den hier u. a. angesprochenen Zertifizierungsstellen bzw. Trust Centern besteht zudem eine große Monopolisierungsgefahr.

2.4

Bestehende Wettbewerber

Auch innerhalb der Branche verstärkt sich der Wettbewerb durch Discount Broker und Direktbanken sowie Auslandsbanken. Unterstützt von Globalisierung und Deregulierung stellt das Online-Banking gerade für diese letzte Gruppe ein ideales Einfallstor in den inländischen Markt Entrium begann mit einem Tagesgeldkonto und baute die Leistung dann

236

BfG Bank AG - Von der Filialbank zur Onlinebank

dar. Zunächst nur auf diesen Direktvertriebsweg beschränkt, können sie sich später mit Hilfe von Kooperationspartnern in der Fläche ausdehnen. Im Rahmen der Intensivierung des Wettbewerbs ist zudem mit einer Fokussierung auf bestimmte Schwerpunkte zu rechnen. Die starke Rolle der Online-Vertriebskanäle in der neuen Wettbewerbsarena lässt neben der Kompetenz zur Erstellung typischer Bankleistungen (Product) zwei weitere potenzielle Kernkompetenzen erwachsen. Hierbei handelt es sich um die Kompetenz der technischen Abwicklung (Process) sowie die Kompetenz durch geschickten Vertrieb dauerhafte Beziehungen zu bestimmten Kundensegmenten aufzubauen (Relationship). Die Herausbildung von Product-, Process- und Relationship-fokussierten Unternehmen, ähnlich der Entwicklung bei Convenience-Produkten, erscheint denkbar. Die Möglichkeit, Informationen von ihrem physischen Überbringer zu trennen und im Sinne eines Wertschöpfungsnetzwerkes zu distribuieren, erlaubt den Mitgliedern eines solchen Netzwerkes die Fokussierung auf individuelle Kernkompetenzen. Organisatoren der virtuellen Märkte z. B. können sich zu Sammlern der Kaufkraft entwickeln und zum Wohle der Kunden, die sie vertreten, Lieferanten gegeneinander ausspielen. Eventuell wird es nur den ganz großen Universalbanken in einem solchen Szenario gelingen, auch weiterhin alle Wertschöpfungsstufen durch eine integrierte Wertkette wettbewerbsfähig abzudecken.

3.

WETTBEWERBSSTRATEGIEN

Die vorausgegangenen Betrachtungen ließen es für Filialbanken dringend geboten erscheinen, sich einen Online-Marktzugang zu verschaffen. Nur dieser garantiert den Absatz der eigenen Produkte, aber auch die notwendige Marktnähe, um auch in Zukunft marktfähige Produkte entwickeln zu können. Mit einer solchen Teilnahme am OnlineWettbewerb wird es erforderlich, sich entsprechend zu positionieren.

sukzessive in Richtung Kredit- und Brokerage-Angebot aus.

237

BfG Bank AG - Von der Filialbank zur Onlinebank

3.1

Strategiealternativen und ihre Nutzenpotenziale

Für die Positionierung im Wettbewerb existieren zwei grundsätzliche Alternativen. Der Gründung einer rechtlich und wirtschaftlich selbständigen Direktbank, analog der Kombination Commerzbank - comdirect bank oder HypoVereinsbank - Direktanlagebank (Parallelbank-Konzept) steht eine Integration elektronischer Vertriebswege in die Infrastruktur der Filialbank, ähnlich der Deutsche Bank 24 (Hybridbank-Konzept) gegenüber. In letzterem Fall existiert eine einheitliche interne Organisation mit einheitlichem externen Erscheinungsbild aufgrund einer abgestimmten Marketingstrategie. Die wichtigsten Vorteile der jeweiligen Konzepte sind in Abb. 2 dargestellt.

1 ParallelbankKonzept

Multimedia Banking 1

Aufbau einer /.Weltmarke Einfache Prels-/Lelstungsdifferenzierung Nutzungsmögllchkelten einer modernen, effizienten Infrastruktur Z u o r d n u n g und Einsatz der verfügbaren Ressourcen Entscheidungsgeschwindigkeit und Handiungsfleilbilitit Unbehinderte Entwicklung einer „Online - K u l t u r " Kapitalbeschaffung durch I P O Beteiligungsverflechtungen Keine Kanniballsierung der Vertriebswege

Abb. 2:

Die Vorteile eines Hybridbankkonzeptes

1 HybridbankKonzept + Relativ geringe Aulbaukosten + Differenziertes Eingehen auf KundenbedQrfnlsse + Relativ innovatives Konzept + keine Kanniballsierung des Ergebnisses im Stammgesch&ft + Erweiterung des Filialkreises + Entlastung des Telefonbankings + Kundenbindungsmöglichkeiten f ü r abwanderungssensitive Kunden + Einheitliches Markenkonzept + Bessere Nutzung von Synergien

Parallelbankkonzeptes gegenüber.

stehen

denen

eines

Die Nutzenpotenziale eines Online-Marktzuganges, welche von den beiden Konzepten auf unterschiedliche Weise erschlossen werden, lassen sich in zwei Kategorien einteilen: • •

Stärkung der Kundenbasis und Erhöhung der Deckungsbeiträge pro Kunde.

Die Stärkung der Kundenbasis (vgl. Abb. 3) basiert auf der Gewinnung von Online-affinen Neukunden und der Bindung von Bestandskunden durch das Angebot ergänzender Abwicklungskanäle sowie

238

BfG Bank AG - Von der Filialbank zur Onlinebank

Zusatzprodukte

wie

E-Commerce

oder

Informationsdienste.

Eine

konstante Kundenbasis kann entweder bei einer niedrigen Kundenbindung durch eine hohe Akquisitionsrate (dynamisch) oder bei einer niedrigen Akquisitionsrate durch eine hohe Kundenbindung (fest) erreicht werden. Beides erfordert eine klare Fokussierung auf bestimmte Kundensegmente.

hoch

Konstant (dynamisch)

Wachsend

Hobe Akquisition Hohe Fluktuation

Hohe Akquisition Geringe Fluktuation

Schrumpfend

K o n s t a n t (fest)

Geringe Akquisition Hohe Fluktuation

Geringe Akquisition Geringe Fluktuation

Neukundengewinnung

niedrig

niedri

g

Kunden-

hoch

bindung

Abb. 3:

Teilziele bei der Stärkung der Kundenbasis

Die Gewinnung von Neukunden profitiert davon, dass gegenwärtig das Marktpotenzial des Online-Banking noch nicht ausgeschöpft ist, da bisher reine Filialkunden ohnehin auf der Suche nach einer Online Bank sind. Ihr Ziel sind entweder reine Direktbankleistungen oder eine Kombination aus Filial- und Online-Leistungen. Die angesprochene Fokussierung kann also über

reine

Direktbank-Angebote

oder

echte

Multikanal-Angebote

erfolgen. Umgekehrt suchen natürlich auch die eigenen Kunden nach entsprechenden Angeboten bei den Wettbewerbern. Die Bereitstellung von Online-Leistungen kann daher ein erster Schritt zur Kundenbindung sein. Im Wettbewerb, speziell mit inländischen Banken, stellt dies zumeist jedoch lediglich einen Hygienefaktor dar, so dass echte bindungswirksame Kundenzufriedenheit erst durch Zusatzangebote erreicht werden kann, welche die Service-Erwartungen des Kunden übertreffen. In einem stark umkämpften Markt reicht aber häufig auch Kundenzufriedenheit als

BfG Bank AG - Von der Filialbank zur Onlinebank

239

Bindungsinstrument nicht mehr aus, weil die Gefahr besteht, dass der Kunde ein noch besseres Angebot bekommt, das ihn trotz Zufriedenheit zu einem Wechsel bewegt. Hinzu kommt im Online-Markt, dass kaum eine emotionale Kundenbindung aufgebaut werden kann. Daher kommt zusätzlichen Wechselbarrieren als Bindungsinstrument verstärkte Bedeutung zu. Hierbei kann es sich um zeit- und transaktionsabhängige Bonussysteme handeln, welche für den Kunden im Falle eines Wechsels Opportunitätskosten darstellen. Eine verbesserte Marktbearbeitung führt in Verbindung mit gleichzeitigen Kosteneinsparungen zu einer Erhöhung des Deckungsbeitrages pro Kunde. Dies wird durch verschiedene Faktoren begünstigt. Die zusätzlich angebotenen Abwicklungskanäle generieren sowohl originären Kundennutzen in Form von Zeitkostenersparnissen, ein Mehr an Information und Spontaneität sowie zusätzliche Beratungskapazitäten, aber auch einen verbesserten Marktauftritt in Form von Imagegewinn. 12 Diese Vorteile für den Kunden eröffnen der Bank gewisse Preisspielräume. Zudem eröffnet der Online-Kanal ein CRM13-Potenz ial sowie die Möglichkeit einer verbesserten Marktbearbeitung in Form von Preis- oder Produktdifferenzierung. Diesen umsatz- und preisstützenden Effekten steht auf der anderen Seite ein Kostensenkungspotenzial durch Filialentlastung entgegen. So lassen sich beispielsweise die Kosten einer Überweisung abhängig vom Prozentsatz der Online-Kunden von DM 2,00 auf DM 0,20 senken.14 Die BfG Bank AG verfolgt derzeit beide Ansätze. Während das BfG Internet Banking & Ordering auf Basis des bestehenden Filialnetzes dem Hybridbank-Konzept entspricht (2), repräsentiert die SEB direct GmbH die Umsetzung des Parallelbank-Ansatzes (3).

Vgl. Pölert (1999), S. 26. CRM = Customer Relationship Management. Diese Angabe basiert auf Berechnungen im Rahmen der Kooperation mit der BfG Bank AG. Eine Studie von Downes/Mui (1999) stellt fest, dass sich die Kosten einer Überweisung von USD 1,70 im Filialbetrieb durch die Intemetabwicklung auf USD 0,10 senken lassen (vgl. Petzel 1999, o.S.).

240

BfG Bank AG - Von der Filialbank zur Onlinebank

3.2

Die Hybridbank-Strategie: BfG Internet Banking & Ordering

Die BfG Bank AG entschied aufgrund dieser Überlegungen im Jahr 1996, zunächst das Hybridbank-Konzept zu favorisieren. Ein Blick auf den von einem Großteil der Kunden in Zukunft vermutlich präferierten Vertriebskanal-Mix ließ diese Einschätzung gerechtfertigt erscheinen. Ausgehend von der These, dass komplexe Bankleistungen sich auf absehbare Zeit besser über das Filialnetz als über Online-Medien vertreiben ließen und der Kunde von seiner Bank sowohl kostengünstige Online-Angebote als auch hohe Problemlösungskompetenz erwartet, ist für die nächsten Jahre etwa die in der rechten Säule von Abb. 4 dargestellt Kundenstruktur zu erwarten.

Abb. 4:

Die Mehrheit der Kunden wird den Vertriebsweg situationsspezifisch flexibel wählen wollen (Quelle: Heydebreck 1999, S. 446)

Die Annahme, dass das Kundenpotenzial im Multikanal-Markt jenes im reinen Online-Markt übersteigt, lässt den Einstieg ins Online-Banking auf der Basis eines bestehenden Filialnetzes aussichtsreicher erscheinen. Das auf Basis dieser Überlegungen eingeführte BfG Internet Banking & Ordering (Hybridbank-Konzept) zielt insbesondere auf Filialkunden des eigenen Instituts sowie darüber hinaus auch anderer Institute (vgl. Abb. 5). Im Rahmen der Kundengewinnung bietet dieses Konzept die

BfG Bank AG - Von der Filialbank zur Onlinebank

241

Option, Filialkunden anderer Institute ebenfalls Filialbankleistungen mit der zusätzlichen Option der Abwicklung über das Internet anzubieten (2). Aber auch eigene Filialkunden können auf diese Weise unter Umgehung von Wechselbarrieren zu kostengünstigen Online-Kunden entwickelt werden (la). Gleichzeitig bildet das zusätzliche Angebot von InternetBankleistungen einen wirksamen Schritt zur Bindung jener Kunden, die ohne dieses Angebot aus verschiedensten Gründen den Wechsel ihrer Bankverbindung in Betracht gezogen hätten (lb und lc). O Ausgangszustand

Zielzustand

Kunden gewinnen (Transformation fördern)

Kunden binden (Transformaton verhindern) Nichtkunden

Kunden-

BfG-Kunden

beziehung

Abb. 5:

Filialaffine Kunden als Zielgruppe Ordering (Hybridbank-Konzept)

des BfG Internet Banking &

3.3

Die Parallelbank-Strategie: SEB direct GmbH

Nach der Übernahme durch die schwedische SEB wurde die beschriebene Hybridbankstrategie durch eine Parallelbankstrategie ergänzt. Neben der auf dem Filialnetz der BfG basierenden Hybridbank wurde die SEB direct GmbH gegründet, welche ab September 2000 am Markt auftritt. Sie soll sich als Marke für eine spezifische Pan-Europäische Zielgruppe entwickeln, den "Cosmo No. 1". Diese Zielgruppe zeichnet sich aus durch •

ein großes und wachsendes für Finanzanlagen zur Verfügung stehendes Vermögen,

242

BfG Bank AG - Von der Filialbank zur Onlinebank



ein

großes

und

wachsendes

Interesse

an

ihrer

Vermögens-

entwicklung sowie •

eine große und wachsende Präferenz für eine virtuelle Abwicklung.

Dieser Zielgruppe werden alle notwendigen Mittel zur Entwicklung ihrer persönlichen

finanziellen

Situation bereitgestellt, um den Aufbau einer

langfristigen Partnerschaft des Kunden mit seiner Bank zu begünstigen. Der Cosmo No. 1 ist in seinem Verhalten ausgesprochen beziehungsorientiert und erwartet von seiner Bank eine Leistung, welche sich mit dem Begriff "Knowledge Empowerment" umschreiben lässt. Zur Pflege dieser Beziehung bevorzugt er virtuelle Interaktionsformen, (vgl. Abb. 6).

Transaktionsorientiert

Abb. 6:

Die Positionierung der SEB direct GmbH mit Focus auf den Cosmo No. 1

Die

direct

SEB

GmbH

(Parallelbank-Konzept)

insbesondere auf Internet-affine

Nichtkunden

fokussiert

dabei

(vgl. Abb. 7). Hierdurch

sollen zum einen Filialkunden anderer Institute gewonnen werden, welche als weitere Bankverbindung eine reine Internet-Bank in Erwägung ziehen (1). Zum anderen zielt diese Strategie aber auch auf Internet-Kunden anderer Institute, welche durch ein zielgruppenspezifisches Angebot gewonnen werden (2). Schließlich lassen sich auf diese Weise auch

243

BfG Bank AG - Von der Filialbank zur Onlinebank

Kunden der Hybridbank (BfG Internet Banking & Ordering) auffangen, die den Wechsel zu einer reinen Online-Bank in Betracht ziehen (3). Ungeachtet der bereits angesprochenen Kostenvorteile einer OnlineAbwicklung von Bankgeschäften ermöglicht das mit der Gründung der SEB direct GmbH aufgegriffene Parallelbank-Konzept eine vereinfachte Preis-/Leistungsdifferenzierung. Da die Rolle der reinen Online-Bank nun von der SEB direct GmbH übernommen wird, muss die Hybridbank nicht selbst in diesem Segment konkurrieren, welches einem sehr starken Preiskampf unterliegt. Daher kann sie aufgrund der höheren Preise im Filialbanking noch einen großen Teil der Produzentenrente abschöpfen.

O Internetkunden

Ausgangszustand

Zielzustand

Priferierter Vertriebskanal

Kunden gewinnen (Transformation f ö r d e r n )

//+

Filialkunden

Kunden binden (Transformaton verhindern) Nichtkunden

Knnden-

BfG-Kunden

beziehung

Abb. 7:

Internetaffine Kunden (Parallelbank-Konzept)

4.

AUSBLICK

als Zielgruppe

der SEB direct

GmbH

Die dargestellten strategischen Alternativen bedürfen selbstverständlich individueller Implementierungsstrategien. Darin müssen einerseits, quasi als Fundament der strategischen Positionierung, vier Handlungsfelder Berücksichtigung finden: • •

Gestaltung des Web-Auftritts, Optimierung der Prozesse,

244

• •

BfG Bank AG - Von der Filialbank zur Onlinebank

Mobilisierung von Zentralbereichen, Filialen und Mitarbeitern, Integration der Kunden.

Über diese Basisimplementierung hinaus ist allerdings eine permanente Weiterentwicklung der Online-Banking-Kompetenz erforderlich, um der beim Online-Banking anzutreffenden Marktdynamik gerecht zu werden. Der Aufbau von produkt- und kundenorientierten Entwicklungssystemen wie CIP 15 oder CRM 16 hilft, Entwicklungs- und Lernprozesse kurzfristig zu institutionalisieren und insgesamt zu professionalisieren. Schließlich ist jenseits des Erfordernisses von operativer Exzellenz im Rahmen beider Ansätze die Frage zu thematisieren, welche der beiden Strategien sich langfristig als die tragfahigere erweisen wird. Während die meisten Institute heute offensichtlich eher die Parallelbank-Strategie favorisieren, halten andere, beispielsweise die Deutsche Bank 24, offensichtlich die Hybridbank-Strategie für die geeignetere. Ob eine klare Entscheidung zugunsten der einen oder anderen Alternative zum jetzigen Zeitpunkt gefällt werden kann, ist fraglich. Die BfG Bank AG geht davon aus, dass sich mittelfristig das Hybridbankkonzept mit Schwerpunkt auf dem Online-Vertrieb durchsetzen wird. Generisch betrachtet erscheint eine Auflösung des Gegensatzes beider Ansätze durch eine mittelfristige Entkoppelung von organisatorischer Gestaltung und Marktauftritt denkbar. Auf diese Weise können für den Kunden als einheitlich wahrnehmbare Dachmarken entstehen (Hybridbank-Charakter), während der Widerspruch zwischen Online- und Filialkultur in der Leistungserstellung durch organisatorische Entkoppelung entschärft werden könnte (Parallelbank-Charakter).

Continuous Improvement Process. Customer Relationship Management.

BfG Bank AG - Von der Filialbank zur Onlinebank

245

LITERATURVERZEICHNIS Bartmann, D., Kerscher, B. (1995), Telekommunikatiion - Heißer Draht zum Kunden, in: Business Computing Speziai - Banken und Versicherungen, 4/1995, S. 40-43. Heydebreck, T. v. (1999), Deutsche Bank 24: Aufbruch in eine neue Bankenwelt, in: die Bank 7/99, S. 444-448. o.V. (1999a), Umsätze über Electronic Commerce: in Deutschland, in Europa und weltweit, in: http:/www.ecin.de/marktbarometeer/daten/umsatz.html vom 17.05.00. o.V. (1999b), Online-Banking verändert Wechselverhalten von Bankkunden, in: http://www.infratest-burke.de/infratest/en/netznews/ezb_internet.html. o.V. (1999c), Die "Alterspyramide" der WWW-Nutzer wird flacher, in: 8. W3BUmfrage, http://www.web.de/ergebnisseweb8/demographie2.html. o.V.

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1 3 . BERTELSMANN BUCH A G

-

GESTALTUNGSOPTIONEN IM E-PROCUREMENT

Patrick Ohle, Heiko Maaß

1.

E-PROCUREMENT BEI BERTELSMANN

2.

NACHTEILE DEZENTRALER EINKAUFSSTRUKTUREN BEI

3.

DER BESCHAFFUNG

250

2.1

Nachteile bezüglich direkter Beschaffungskosten

250

2.2

Nachteile bezüglich indirekter Beschaffungskosten

253

E-PROCUREMENT ALS LÖSUNGSANSATZ

3.1

255

3.2

Operative Vorteile

258

3.3

Strategischer Vorteil: Öffnung des E-Procurement-

AUSGESTALTUNG EINES E-PROCUREMENT ALS LÖSUNGSANSATZ

4.1 4.2 5.

254

Zentrale Koordination als Grundlage zur Realisierung der Vorteile durch E-Procurement

Systems für Dritte 4.

249

FAZIT

260

261

Vorgehensweise im E-Procurement-Projekt bei der Bertelsmann AG

261

Gestaltungsvariablen und -optionen

263 268

Bertelsmann Buch AG - Gestaltungsoptionen im E-Procurement

1.

249

E-PROCUREMENT BEI BERTELSMANN

Die Bertelsmann AG ist wie viele global agierende Unternehmen dezentral organisiert. Die mehreren hundert Profitcenter des Konzerns agieren als nahezu autonome Unternehmen. Nur wenige Funktionen, wie z. B. Teile des Personalwesens, werden zentral in Gütersloh ausgeübt. Die Profitcenter werden nur über finanzielle Messgrößen gesteuert. Die Dezentralität ist fest in der Unternehmenskultur verankert, so dass Eingriffe in das operative Geschäft der einzelnen Profitcenter durch zentrale Stellen quasi unmöglich sind. Die dezentrale Organisation des Bertelsmann Konzerns liefert einen großen, wenn nicht den größten Beitrag zu dem Erfolg des Medienkonzerns. Dennoch kann es sinnvoll sein, bestimmte Funktionen, wie hier den Einkauf, bis zu einem gewissen Grad zu zentralisieren, um unweigerlich bestehende Synergiepotenziale auszuschöpfen. Dieser Artikel soll Möglichkeiten aufzeigen, wie sich mit Hilfe des Internets durch so genannte E-Procurement-Lösungen die Nachteile dezentral organisierter Einkaufsstrukturen vermindern lassen, ohne dabei bestehende Vorteile der Dezentralität, insbesondere die Flexibilität und Entscheidungsfreiheit der häufig regional agierenden Proficenter zu stark zu beschneiden. Als E-Procurement wird der Einkauf mit Hilfe des Internets im Business-to-Business-Bereich (B2B), also dem Leistungsaustausch zwischen Unternehmen, bezeichnet. Nach einer Forrester Research-Studie wird das B2B-Geschäft in den nächsten Jahren die bedeutendste Rolle im Internet einnehmen, und in vielen Branchen und Bereichen entstehen bereits neue Lösungen und Plattformen für den Leistungsaustausch zwischen Unternehmen aller Art. Wie auch im Business-toConsumer-Bereich (B2C) entstanden zuerst Plattformen für Güter mit einer relativ geringen Beschaffungskomplexität, wie z. B. Büromaterial, dessen Handel mit dem Buchhandel im B2C-Geschäft vergleichbar ist. Beispiele, wie die entstehenden Plattformen von General Motors oder Ford, sowie die Plattformbemühungen von Firmen wie SAP oder Oracle zeigen die Tendenz, auch komplexe horizontale und vertikale Beschaf-

250

Bertelsmann Buch AG - Gestaltungsoptionen im E-Procurement

fiingsprozesse mit Hilfe von E-Procurement-Lösungen abzubilden und zu vereinfachen. Auf Basis der Nachteile dezentraler Einkaufsstrukturen in Bezug auf die direkten und indirekten Kosten (Abschnitt 2) kann E-Procurement als Lösungsansatz dargestellt werden (Abschnitt 3). Hierbei wird auf die operativen und strategischen Vorteile eingegangen, die sich aus der Koordination der Einkaufsaktivitäten mit Hilfe von E-Procurement ergeben. Schließlich wird gezeigt, wie die Bertelsmann AG vorgeht, um diese Vorteile zu erschließen, und welche Gestaltungsvariablen eine Rolle spielen (Abschnitt 4).

2.

NACHTEILE DEZENTRALER EINKAUFSSTRUKTUREN BEI DER BESCHAFFUNG

Mangelnde Transparenz hinsichtlich bestehender Lieferantenbeziehungen, über die Einkaufsvolumina und über die Spezifika "gemeinsam" eingekaufter Güter und Dienstleistungen fuhren in dezentralen Einkaufsstrukturen zu Koordinationsproblemen, die Kostennachteile gegenüber zentral organisierten Einkaufsstrukturen nach sich ziehen. Zum einen handelt es sich dabei um die Nichtnutzung oder suboptimale Realisierung von Einsparungspotenzialen bei den direkten Beschaffungskosten (Punkt 2.1) und zum anderen um höhere indirekte Beschaffungskosten, die sich auf Mängel in den Prozessen und der Systemunterstützung zurückführen lassen (Punkt 2.2).

2.1

Nachteile bezüglich direkter Beschaffungskosten

Die direkten Beschaffungskosten sind diejenigen Kosten, die für die eingekauften Güter oder Leistungen als Einkaufspreis entstehen. Die Einkaufspreise können durch Verhandlungen mit Lieferanten beeinflusst werden. Je höher das zu verhandelnde Volumen ist, umso besser ist die Verhandlungsmacht des Einkäufers. Daher ist es sinnvoll, die Einzelvolumina zu einem Gesamteinkaufsvolumen pro Materialgruppe zu bündeln. Nachhaltige Senkungen des Einkaufspreises sind über den so genannten

Bertelsmann Buch A G - Gestaltungsoptionen im E-Procurement

251

Lieferantenhebel zu erzielen und können je nach Materialgruppe mit Hilfe des Materialhebels weiter ausgebaut werden (siehe Abbildung l). 1 Lieferantenhebel Reduktion der Vielzahl von Lieferanten auf wenige Hauptlieferanten, um die Verhandlungsmacht zu erhöhen

Abb. 1:

Materialhebel V \ / Ä

Direkte Beschaffungskosten einer Materialgruppe

y / \ K

Standardisierung von Produkten und Leistungen, um größere homogene Einkaufsvolumina zu erzielen

Lieferanten- und Materialhebel als Methoden zur Reduktion der direkten Beschaffungskosten

Hinter dem Lieferantenhebel

verbirgt sich die Reduktion der in der de-

zentralen Einkaufsstruktur bestehenden Vielzahl von Lieferanten für Güter und Dienstleistungen einer Materialgruppe auf wenige Hauptlieferanten. Nachdem geeignete Lieferanten aus einer möglichst großen Anzahl gefunden wurden und diese sich z. B. durch ein Ausschreibungsverfahren als interessant erwiesen haben, können je nach Materialgruppe spezielle Preise oder Rahmenverträge, wie volumenbezogene Bonusvereinbarungen, spezielle Zahlungsziele usw. ausgehandelt werden. Wenn das Einkaufsvolumen groß genug ist, um Verhandlungen direkt mit dem Hersteller zu fuhren, besteht auch die Möglichkeit, verschiedene Stufen des Zwischenhandels auszuschalten. Mit Materialhebel

wird ein weiteres Preissenkungspotenzial bezeich-

net, das sich durch Standardisierung innerhalb des Einkaufsvolumens bzw. der Ausweitung des Einkaufsvolumens einzelner Segmente innerhalb von Materialgruppen ergibt. Häufig werden innerhalb von Materialgruppen sehr ähnliche Güter eingekauft, die zwar geringfügig unterschiedliche Spezifika aufweisen, z. B. eine andere Hersteller-Marke, sich jedoch im Nutzen für den anvisierten Einsatzzweck nicht signifikant unterscheiden. Werden solche Überlappungen identifiziert und z. B. durch

Vgl. zu Lieferanten- und Materialhebel Aris (1999), S. 14.

252

Bertelsmann Buch AG - Gestaltungsoptionen im E-Procurement

zentrale Einkaufsrichtlinien eliminiert, können erneut die Anzahl der Lieferanten gesenkt bzw. gegenüber bestehenden Lieferanten erneute Volumensteigerungen in einzelnen Segmenten der Materialgruppe erzielt werden. Darüber hinaus ist es im Sinne des Materialhebels auch sinnvoll zu prüfen, ob eventuell mehrere Materialgruppen von einem Lieferanten bezogen werden können, so dass sich das von dem Lieferanten bezogene Gesamtvolumen auch über die Materialgruppen hinweg erweitern lässt. In dezentralen Einkaufsstrukturen verhandeln typischerweise jedoch eine Vielzahl von Einkäufern mit relativ kleinen Einzelvolumina mit einer noch größeren Anzahl von Lieferanten. Dabei kommt es häufig zu Überlappungen, so dass mehrere Profitcenter zu unterschiedlichen Konditionen bei ein und demselben Lieferanten einkaufen. Schon die Identifikation dieser Überlappungen als Ansatzpunkt für den Lieferantenhebel ist in dezentralen Einkaufsstrukturen ein schwieriges Unterfangen, da die Lieferantenbeziehungen der Profitcenter pro Materialgruppe nicht zentral bekannt sind bzw. die erforderlichen Daten in keiner vergleichbaren Form vorliegen. Noch schwieriger gestaltet sich die Identifikation des Materialhebels, da die Detaildaten über eingekaufte Güter und Leistungen bekannt sein müssen. Gute Beispiele sind hier die Materialgruppen Druckleistungen und Papier für den Buchdruck. Ein Buch ist ein kompliziertes Gut, das durch eine Vielzahl von Gestaltungsoptionen gekennzeichnet ist. Auf Seiten des Drucks spielen unter anderem das Druckverfahren, die Formate, die Art des Einbands und der Bindung, sowie die Anzahl der Farben eine Rolle. Das zum Druck erforderliche Papier kann sich u. a. in den Qualitäten, Grammaturen und Volumen unterscheiden. Um Standardisierungspotenziale, wie z. B. einheitliche Formate und Papierqualitäten zu ermitteln, muss also ein große Menge an Detaildaten erhoben und analysiert werden. Dabei stellt schon die Vereinheitlichung z. B. der Materialbezeichnungen oder Maßeinheiten ein aufwendiges Problem dar. Neben der Identifikation von Ansatzpunkten fiir die beiden oben genannten Hebel kommt in dezentralen Einkaufsstrukturen wie bei Bertelsmann erschwerend hinzu, dass sich die einzelnen Profitcenter über gemeinsame Lieferanten und Spezifika einig werden müssen. Hier können

Bertelsmann Buch AG - Gestaltungsoptionen im E-Procurement

253

Bindungseffekte durch langfristig gewachsene Lieferantenbeziehungen, die unterschiedlichen Sprachen und die unterschiedlichen Präferenzen der Einkäufer für bestimmte Spezifika große Barrieren darstellen.

2.2

Nachteile bezüglich indirekter Beschaffungskosten

Die indirekten Beschaffungskosten sind diejenigen Kosten, die während der Beschaffung von Gütern und Dienstleistungen entstehen. Dieses sind vor allem Prozesskosten, die (direkt) mit der Beschaffung zusammenhängen, aber auch Folgekosten die sich aus längeren Beschaffungszeiten, z. B. für anschließende weiterverarbeitende Prozesse oder aus höheren Lagerbeständen ergeben. Neben der Prozessgestaltung selbst wirkt auch der Grad der Systemunterstützung auf die Prozesskosten ein. Die Prozesskosten lassen sich relativ einfach anhand der Durchlaufzeiten messen und damit auch bewerten. Schon die Beschaffung unkomplizierter Güter wie Büromaterial kann ein hohes Maß an Prozesskosten aufweisen. In einer Studie der Flughafen Frankfurt Main AG wurde der Beschaffungsprozess für drei Kisten Kopierpapier analysiert.2 Von der Bedarfsindentifikation über das Bestellschreiben bis hin zur Rechnungseingangsbuchung und schließlich der Erteilung der Zahlungsanweisung wurde eine Durchlaufzeit von netto 182 Minuten ermittelt. Zu den ermittelten Kostensätzen ergaben sich daraus Prozesskosten in Höhe von 279,00 DM, die gegenüber dem Warenwert des Kopierpapiers "beängstigend" hoch ausfallen. In dezentralen Einkaufsstrukturen ist davon auszugehen, dass Großteile dieser Prozesse stark unterschiedlich und unnötig redundant betrieben werden. Insbesondere bei den "Suchkosten" für das Auffinden geeigneter Güter und geeigneter Lieferanten sind Einsparpotenziale zu erwarten. Auch Genehmigungsverfahren und Budgetkontrollen können ein hohes Maß an Ineffizienz aufweisen. Eine Ursache dafür stellen uneinheitliche oder mangelnde Systeme zur Einkaufsunterstützung dar. Diese führen zu

Vgl. hierzu und im folgenden Fehr (1999), S. 276

254

Bertelsmann Buch AG - Gestaltungsoptionen im E-Procurement

manuellen Bearbeitungsschritten, geringer schlechterer Kontrollierbarkeit der Prozesse.

3.

Transparenz

und

damit

E-PROCUREMENT ALS LÖSUNGSANSATZ

Um die zuvor genannten Nachteile der dezentralen Einkaufsstruktur zu reduzieren, können E-Procurement-Lösungen einen sinnvollen Ansatz darstellen. Da selbstverständlich bei den meisten Materialgruppen der physische Güterfluss nicht über das Internet erfolgen kann, liegen die Hauptvorteile des E-Procurements in der mit Hilfe von Systemen und gemeinsamen Plattformen relativ einfach herzustellenden Transparenz über alle Einkaufsaktivitäten, der Vereinheitlichung der Prozesse und einer durchgängigen Systemunterstützung. Es ist möglich, die dezentrale Einkaufsstruktur mit Hilfe von E-Procurement um eine effiziente zentrale Koordination zu ergänzen, die Grundlage für die Realisierung operativer Vorteile ist (Punkt 3.1). Neben den operativen Vorteilen im Sinne der Reduzierung der direkten und indirekten Beschaffungskosten (Punkt 3.2) lässt sich optional auch ein strategischer Vorteil durch die Öffnung des konzerninternen E-Procurement-Systems für Dritte realisieren (Punkt 3.3). Die Vorteile sind im Überblick in Abbildung 2 dargestellt.

Bertelsmann Buch AG - Gestaltungsoptionen im E-Procurement

Operative Vorteile

Einfacher und schneller Einkaufsprozess Weniger Medienbrüche und "Papierkram" Geringere Fehlerquote Geringere Prozessfolgekosten, durch z. B. niedrigere Lagerbestände

Transparenz über die Einkaufsvolumina Bessere Nutzung von Lieferanten- und Materialhebel Bessere Vergleichbarkeit der Angebote Effiziente Preisbildung

255

Strategischer Vorteil

Zusätzliche Einnahmen aus Transaktionsgebühren Informationsgewinnung Erschließung neuer Kunden- und Marktsegmente

Abb. 2:

Vorteile durch E-Procurement (Quelle: leicht verändert nach Baker et al. 2000)

3.1

Zentrale Koordination als Grundlage zur Realisierung der Vorteile durch E-Procurement

Bei der zentralen Koordination mit Hilfe von E-Procurement verbleiben die Einkaufsentscheidung und der operative Einkauf weiterhin in den einzelnen Profitcentern. Es wird kein zentraler Einkauf angestrebt, der die Profitcenter in ihrer Flexibilität und Kreativität beschneidet, zusätzliche Prozesse ins Leben ruft und zusätzliche Overheadkosten erzeugt. Stattdessen soll die zentrale Einkaufskoordination für die Profitcenter ein Angebot darstellen, an den Vorteilen, die durch die Koordination entstehen, teilzuhaben. Dafür stehen drei grundsätzliche organisatorische Ansätze zur Verfügung. Bei allen ist die Einrichtung einer zentralen, von den Profitcentern unabhängigen Stelle empfehlenswert. Die grundlegenden Aufgaben dieser

256

Bertelsmann Buch AG - Gestaltungsoptionen im E-Procurement

Stelle sind die Festlegung und Kontrolle der übergreifenden Einkaufsstrategie sowie die Einrichtung und der Betrieb des E-ProcurementSystems. Je nach verfolgtem Ansatz werden dieser Stelle weitere operative Einkaufsfunktionen zugesprochen. Die organisatorischen Ansätze sind gleichzeitig als Strategie für den "Inhalt" des E-Procurement-Systems zu verstehen, d. h. welche Materialgruppen auf welche Weise über das System eingekauft werden. Bei vielen einzukaufenden Gütern wird der Einkauf systemseitig über Kataloge3 abgewickelt. Es ist daher zu klären, wer organisatorisch für die Inhalte der Kataloge, die dahinter liegende Lieferantenauswahl und die für den Katalog erforderlichen Lieferantenverhandlungen verantwortlich ist. Abbildung 3 zeigt diesbezüglich drei grundsätzliche Ansätze. Der "Decentralized Approach" ist der am geringsten zentral koordinierte Ansatz. Hier wird das System so eingerichtet, dass jedes einzelne Profitcenter seine eigenen Materialgruppenkataloge für die Materialgruppen, die über das System abgewickelt werden können, erstellt und pflegt. Die Kataloge werden auf die Anforderungen der einzelnen Profitcenter zugeschnitten. Die zentrale Stelle nimmt bei diesem Ansatz keine zusätzlichen Funktionen zu den bereits genannten wahr. Nachteil dieser Organisationsform ist die relativ geringe Nutzung der Lieferanten- und Materialhebel, da unterschiedliche Kataloge nicht unbedingt zu einer Bündelung der Volumina bei wenigen Lieferanten fuhren und auch der Materialhebel nur bedingt wirken kann. Beim "Lead Buyer Approach" erstellen und pflegen diejenigen Profitcenter einen Materialgruppenkatalog, die in der betreffenden Materialgruppe das höchste Einkaufsvolumen haben. Die zentrale Stelle übernimmt hierbei zusätzlich die Aufgabe der Bestimmung und die Kontrolle der Lead-Buyer. Vorteil dieses Ansatzes ist, dass diejenigen Profitcenter, die selbst schon eine gute Verhandlungsmacht gegenüber ihren Lieferanten haben, nun mit einem noch größeren Volumen verhandeln können.

Kataloge werden hier nur beispielhaft verwendet. Sie sollen als Exempel für andere Preisbildungsarten beim E-Procurement verstanden werden.

Bertelsmann Buch AG - Gestaltungsoptionen im E-Procurement

257

Die erzielten Ergebnisse kommen dann "automatisch" allen Profitcentern zugute. Dezentralized Approach

00 •0 QQ





Erstellung zugeschnittener Materialgruppenkataloge der Matcrialgruppen, die über das System gehandelt werden können, durch die Profitcenter Pflege der Materialgruppenkataloge durch die Profitcenter.

Lead Buyer Approach

000

—"

-V,

• •

Es werden Leadbuyer für jede Materialgruppe anhand des Einkaufvolumens festgelegt Die Erstellung und Pflege der Materialgruppen Kataloge für alle Profitcenter wird durchden Leadbuyer vorgenommen

Centralized Approach • •

Abb. 3:

Es werden zentrale Materialgruppenkataloge eingerichtet, die für alle Profitcenter gültig sind Zentrale Stelle erstellt und pflegt diese Kataloge, fuhrt Lieferantenverhandlungen etc.

Organisatorische Ansätze für das E-Procurement (Quelle: Bertelsmann AG 2000)

Den am stärksten zentral koordinierten Ansatz stellt der Centralized Approach" dar. Bei diesem Ansatz gibt es nur einen zentralen Katalog pro Materialgruppe, der von der zentralen Stelle erstellt und gepflegt wird. Sowohl Lieferantenhebel als auch Materialhebel können hier am stärksten ausgenutzt werden. Allerdings muss eine wesentlich größere zentrale Stelle eingerichtet werden, da pro Materialgruppe entsprechende Kompetenzen aufgebaut werden müssen. Aus prozessorientierter Sicht stellt der "Lead Buyer Approach" die günstigste Alternative dar. Es wird pro Materialgruppe, wie auch beim "Centralized Approach", nur ein Katalog erstellt, die entsprechenden Kompetenzen und das Prozesswissen sind beim Lead-Buyer bereits vorhanden.

258

3.2

Bertelsmann Buch AG - Gestaltungsoptionen im E-Procurement

Operative Vorteile

Die operativen Vorteile durch E-Procurement wirken sich sowohl auf die direkten als auch auf die indirekten Beschaffungskosten aus. In Bezug auf die direkten Beschaffungskosten können der Lieferantenhebel als auch der Materialhebel durch eine E-Procurement-Lösung besser ausgenutzt werden. Da jeder Lieferant und alle Transaktionen detailliert im System erfasst werden, existieren bereits diejenigen Daten, die für die Nutzung der beiden Hebel erforderlich sind. Für den Lieferantenhebel ist insbesondere eine ausfuhrliche und aktuelle Lieferantendatenbank erforderlich sowie die Möglichkeit zur genauen Ermittlung der eingekauften Volumina. Da es im System nur einen Datenstamm für Lieferantendaten und die einzelnen Güter einer Materialgruppe gibt, werden Verluste der Datenqualität durch falsche Redundanzen vermieden und detaillierte Auswertungen pro einzukaufendem Gut anhand der erfassten Transaktionen ermöglicht. Auf diese Weise können einerseits Lieferantenauswahl und Lieferantenverhandlungen besser geführt und vorbereitet werden und andererseits auch der Gesamteinkauf so gesteuert werden, dass z. B. vereinbarte Bonusbedingungen bestmöglich ausgeschöpft werden. Wird darüber hinaus auch den teilnehmenden Lieferanten die Möglichkeit gegeben, durch ihren Zugang zu dem System mehr Transparenz über ihre Marktposition zu erhalten, kann eventuell der Wettbewerb unter den Lieferanten noch verstärkt werden. Über eine genau spezifizierte Struktur innerhalb der Materialgruppe lassen sich von der für die Materialgruppe verantwortlichen Stelle Ansatzpunkte für den Materialhebel besser aufspüren. So können vorab erkannte Standardisierungspotenziale in der Struktur berücksichtigt, aber auch neue Standardisierungspotenziale durch Analysen erkannt werden. Durch die Reduktion der Beschaffungsalternativen innerhalb der Materialgruppe lässt sich diese in der Struktur verankern. Auch die indirekten Beschaffungskosten werden durch eine E-Procurement-Lösung positiv beeinflusst. Bei den Prozesskosten ergeben sich neben Einsparungen auf Seiten des Einkäufers auch mögliche Prozesskostenvorteile für die Lieferanten, die wiederum evtl. die direkten

Bertelsmann Buch AG - Gestaltungsoptionen im E-Procurement

259

Beschaffungskosten senken. Darüber hinaus können auch Vorteile in bestimmten Prozessfolgekosten entstehen. Prozesskostenvorteile durch ein E-Procurement-System ergeben sich direkt aus dem Wegfall von Prozessschritten im Einkaufsprozess (z. B. Lieferantensuche und -auswahl), der Reduktion von Medienbrüchen und aufwendigen, oft papierbasierten, Genehmigungsverfahren sowie einer geringeren Fehlerquote, da mit Hilfe von Regelsystemen, Pflichtfeldern und Plausibilitätskontrollen zeitraubende Abstimmungs- und Korrekturprozesse mit den Lieferanten vermieden werden. Je nach Integrationsgrad des Systems können sich die Vorteile bis ins Rechnungswesen und Controlling ziehen. Das bereits erwähnte Beispiel der Frankfurter Flughafen AG zeigte eine Prozesskostenverminderung bei dem Einkauf von Kopierpapier mit Hilfe ihres E-Procurement-Systems von rund 92% und eine Durchlaufzeitreduktion von rund 90%. 4 Indirekt können die Prozesskosten durch die Vereinheitlichung der Prozesse gesenkt werden. Durch die so geschaffene Vergleichbarkeit und die durch das System bereitgestellten Kennzahlen sind kontinuierliche Verbesserungen des systemgestützten Einkaufsprozesses möglich. Es können Best Practices identifiziert und Prozesse entsprechend modelliert werden, so dass diese mittels des Systems in alle Profitcenter getragen werden. In Abhängigkeit von der Gestaltung der Schnittstelle zu den Lieferanten lassen sich auch auf Seiten der Lieferanten Prozesskostenvorteile realisieren. Je besser die angelieferten Daten durch den Lieferanten weiterverarbeitet werden können bzw. je stärker Lieferantensysteme mit dem E-Procurement-System verknüpft werden, umso stärker fallen diese aus. Beispielsweise kann die Auftragserfassung entfallen, wenn die Daten direkt in das Lieferantensystem übernommen werden. Selbstverständlich profitieren die Lieferanten auch von einer niedrigeren Fehlerquote in den Bestellungen ihrer Kunden. Vorteile in den Prozessfolgekosten ergeben sich aus den geringeren Durchlaufzeiten. So ist die Reduktion der durchschnittlichen Lagerkosten

Vgl. erneut Fehr (1999), S. 276.

260

Bertelsmann Buch AG - Gestaltungsoptionen im E-Procurement

ebenso ein Vorteil wie die erhöhte Flexibilität, die z. B. schnellere Reaktionen auf dem Markt erlaubt.

3.3

Strategischer Vorteil: Öffnung des E-ProcurementSystems für Dritte

Wird ein konzerninternes E-Procurement-System etabliert, besteht die strategische Option, dieses auch ftir Dritte zu öffnen, d. h. Einkäufern anderer Unternehmen die Möglichkeit zu bieten (z. B. über eine Website), ihr Einkaufsvolumen auch über das E-Procurement-System abzuwickeln. Sowohl für den externen Einkäufer als auch für den Systembetreiber ergeben sich daraus Vorteile. Der externe Einkäufer muss keine eigenen Entwicklungskosten tragen. Er kann unter den gleichen preislichen Bedingungen einkaufen wie die internen Einkäufer, obwohl sein Volumen wesentlich geringer ausfallen kann. Darüber hinaus profitiert er indirekt von detaillierten Lieferantendaten und den zusammengestellten Sortimenten. Auch auf Seiten der Prozesskosten bestehen für den externen Einkäufer fast im selben Umfang Vorteile. Diese hängen davon ab, wie die Anbindung der eigenen Systeme an das E-Procurement-System gelöst ist, also ob z. B. Doppelerfassungen durch Schnittstellen behoben werden können oder nicht. Dem Betreiber des E-Procurement-Systems entsteht einerseits der Vorteil, dass das zu verhandelnde Einkaufsvolumen durch die von außen hinzugekommenen Volumina erweitert wird, und andererseits die Möglichkeit, durch Transaktionsgebühren oder andere Abrechnungsmodelle zusätzliche Erträge zu erwirtschaften. Transaktionsgebühren können sowohl den Lieferanten, der durch die Plattform neue Kunden gewinnen kann, als auch den externen Einkäufern in Rechnung gestellt werden. Eine Abrechnung auf Lieferantenseite hat jedoch den Nachteil, dass sich die Gebühren wieder in erhöhten direkten Beschaffungskosten niederschlagen können. Auf Einkäuferseite können die Transaktionsgebühren dagegen pauschal oder an das Transaktionsvolumen gekoppelt, erhoben werden. Darüber hinaus können durch die Öffnung der Plattform zusätzliche Informationen über den Beschaffungsmarkt gewonnen werden.

Bertelsmann Buch AG - Gestaltungsoptionen im E-Procurement

4.

261

AUSGESTALTUNG EINES E-PROCUREMENT ALS LÖSUNGSANSATZ

Bei der Ausgestaltung einer E-Procurement-Lösung spielen eine Vielzahl von Gestaltungsvariablen eine Rolle, die maßgeblich von den Zielen der Organisation und der Beschaffungskomplexität der einzukaufenden Materialgruppen abhängen. Um eine E-Procurement-Lösung gestalten zu können, ist es daher erforderlich, sich mit den einzelnen Variablen und den dazugehörigen Gestaltungsoptionen eingehend auseinanderzusetzen. Die Bertelsmann AG hat zur Erschließung dieses Themas ein zentrales Projekt initiiert, welches zunächst in seinen Grundzügen dargestellt wird (Punkt 4.1). Abschließend werden noch zentrale Gestaltungsvariablen und -optionen erläutert (Punkt 4.2).

4.1

Vorgehensweise im E-Procurement-Projekt bei der Bertelsmann AG

Die Vorgehensweise innerhalb des Projektes teilt sich in drei Phasen, die in Abbildung 4 dargestellt sind. Zunächst wurden in einer detaillierten Analysephase vier Themen untersucht. Zum einen wurden materialgruppenspezifisch die Einkaufsprozesse, die Beschaffungsmärkte und Besonderheiten der jeweiligen Materialgruppe und zum anderen die verfugbaren technischen Gestaltungsoptionen analysiert. •

Zur Analyse der Einkaufsprozesse wurden bereits bestehende unterstützende Systeme und die zugrunde liegenden Prozesse betrachtet. Ziel war es, interne Best-Practices zu ermitteln, an die sich das geplante System anlehnen kann. Darüber hinaus ist es, sofern möglich, empfehlenswert, auch externe Best Practices zu ermitteln.



Bei der Beschaffungsmarktanalyse waren vor allem die Anbieterstrukturen von Interesse. Aber auch die üblichen Geschäftsgebaren und die Prozesse bei den Lieferanten mussten verstanden werden. Die Materialgruppenanalyse hatte zum einen das Ziel, die Einkaufsvolumina detailliert zu ermitteln. Zum anderen sollten die



262



Bertelsmann Buch AG - Gestaltungsoptionen im E-Procurement

Strukturen innerhalb der einzelnen Materialgruppen besser verstanden werden, da mit wachsender Anzahl von Produkten, Varianten oder gar Gestaltungsoptionen die Beschaffungskomplexität und damit die Komplexität der abzubildenden Prozesse steigt. Schließlich sollte auch Einblick in die bestehenden technischen Gestaltungsoptionen für E-Procurement-Systeme gewonnen werden. Neben der Sichtung bereits bestehender Lösungen für die einzelnen Materialgruppen wurden auch die verschiedenen Anbieter für mehr oder minder standardisierte Lösungen betrachtet.

Abb. 4:

Vorgehensweise des E-Procurement-Projektes

bei Bertelsmann

Die Ergebnisse der Analysephase sollten dann zu einem groben Bild der anzustrebenden E-Procurement-Lösung fuhren. Dabei wurde der Umfang der E-Procurement-Lösung festgelegt, d. h. die Entscheidung darüber getroffen, für welche Materialgruppen eine Lösung angestrebt wird. In Zukunft ist bei der Bertelsmann AG geplant, folgende Materialgruppen über E-Procurement-Lösungen einzukaufen, wobei weitere noch folgen mögen: • • •

Druckleistungen, Büromaterial und -ausstattung, Merchandising-Artikel,

Bertelsmann Buch AG - Gestaltungsoptionen im E-Procurement



263

Werbemittel.

In der Phase "Konkretisierung der Gestaltungsvariablen" geht es nun darum, die aus der Analysephase gewonnenen Erkenntnisse in materialgruppenspezifische Anforderungsprofile für die E-Procurement-Lösung umzusetzen. Hierbei werden mit Hilfe eines so genannten "Solution-Fit-Tests" die einzelnen Gestaltungsoptionen für die Gestaltungsvariablen auf ihre Eignung für die spezifische Materialgruppe getestet und bestimmt. Anhand dieser Anforderungsprofile soll dann schließlich eine konkrete Implementierungsplanung abgeleitet werden. 4.2

Gestaltungsvariablen und -optionen

Eine zentrale Stellung in dem eben beschriebenen Vorgehen nehmen die Gestaltungsvariablen und ihre Gestaltungsoptionen ein. Dabei zeigen sich die Plattformspezifität (Unterpunkt 4.2.1), die Make-or-Buy-Entscheidung (Punkt 4.2.2) und die Preisbildungsart (Unterpunkt 4.2.3) als zentrale Variablen. 4.2.1 Plattformspezifität: Einzelplattform versus multiple Plattformen Bei dieser Gestaltungsoption handelt es sich um die Frage, ob der Einkauf verschiedener Materialgruppen auf einer einzelnen "großen" Plattform oder auf mehreren Plattformen abgewickelt werden soll. Einzelplattformen haben den Vorteil, dass grundlegend einheitliche Datenstrukturen und Funktionen bestehen. So können z. B. eine einheitliche Abbildung der eigenen Organisation sowie die Abbildung bestehender und potenzieller Lieferanten in der Struktur zu erheblichen Vereinfachungen für Buchhaltung und Controlling fuhren und einheitliche Oberflächen und Benutzerfuhrung die Arbeitsabläufe für die Einkäufer gegenüber mehreren Plattformen erheblich erleichtern. Darüber hinaus können auch materialgruppenübergreifende Auswertungen durchgeführt werden, die zum einen bei der Identifikation und Realisierung von Lieferanten- und Materialhebeln helfen und zum anderen übergreifende Prozessvergleiche erlauben.

264

Bertelsmann Buch AG - Gestaltungsoptionen im E-Procurement

Nachteil einer Einzelplattform ist sicherlich ein wesentlich höherer Entwicklungsaufwand. Multiple Plattformen, also die Nutzung unterschiedlicher Systeme für einzelne oder mehrere Materialgruppen, haben den Vorteil, dass die Prozesse spezifischer abgebildet werden können. Jedoch fuhren unterschiedliche Datenstrukturen und Funktionen zu Nachteilen, wie beispielsweise Redundanzen in den Lieferantendaten, uneinheitlichen Daten für Buchhaltung und Controlling, schlechterer Auswertbarkeit und geringerer Benutzerfreundlichkeit. 4.2.2 Make-or-Buy-Entscheidung Bei der "Make-or-Buy"-Entscheidung geht es um die Frage, ob sich einer bereits bestehenden externen Marktplattform angeschlossen, oder ob ein eigenes internes System entwickelt bzw. eingeführt werden soll. Neben den nur im geringen Umfang erforderlichen Einrichtungskosten sprechen insbesondere bei relativ kleinen Materialgruppen weitere Vorteile für den Anschluss an eine oder mehrere externe Plattformen. So können z. B. bei relativ kleinen Materialgruppen Bündelungseffekte mit Einkaufsvolumina anderer Unternehmen wahrgenommen und auf einen größeren Lieferantenstamm zurückgegriffen werden, als es intern zuvor sinnvoll gewesen wäre. Mögliche Nachteile ergeben sich daraus, dass wenig Einfluss auf die auf der Plattform abgebildeten Prozesse und von der Plattform gelieferten Daten besteht. Interne Plattformen bieten den Vorteil, dass Daten und Prozesse direkt beeinflussbar sind und versucht werden kann, durch Anpassung und Kombination von Plattformen mehrerer Materialgruppen die gesamte Wertschöpfungskette des Unternehmens in einem integrierten System abzubilden. Darüber hinaus besteht nur bei dieser Alternative die strategische Option, eigene Plattformen "an den Markt" zu bringen. Nachteile sind insbesondere der hohe Einrichtungsaufwand, die geringere Einheitlichkeit (hinsichtlich der Datenstrukturen) und die Neutralität der eigenen Plattformen. Dies kann dazu fuhren, dass weniger Lieferanten bereit sind, sich der Plattform anzuschließen.

265

Bertelsmann Buch AG - Gestaltungsoptionen im E-Procurement

4.2.3 Preisbildungsarten Innerhalb des E-Procurement gibt es eine Vielzahl von Preisbildungsarten, die maßgeblich den Einkaufsprozess beeinflussen. Diese reichen von Kataloglösungen mit dem geringsten Grad an Interaktivität zwischen Lieferanten und Kunden bis hin zu so genannten virtuellen Marktplätzen, auf denen Lieferanten und Kunden direkt miteinander in Kontakt treten. Die Entscheidung für ein Preisbildungsverfahren und damit auch der Einfluss auf den Einkaufsprozess ist abhängig von der Beschaffungskomplexität der jeweiligen Materialgruppe. Abbildung 5 gibt einen Überblick über die verschieden Preisbildungsarten. Grad der Interaktivität Catalogs

Bidding

English Auction

Reverse Auction

Market Exchange

• Lieferanten erstellen OnlineKataloge für Kunden • Kunde kauft über diese Kataloge zu festgelegten Preisen ein

• Eiectroni scher Versand von Angebotsanfragen (RfQ)an Lieferanten • Elektronische Auswertung der eingehenden Angebote (RfP)

• Auktion wird vom Lieferanten organisiert, um seine Leistungen zu versteigern • Der bezahlte Preis ist abhängig von den Geboten anderer Einkäufer

• Auktion wird vom Einkäufer organisiert, um sein Einkaufsvolumen zu "versteigern" • Der bezahlte Preis ist abhängig von den Geboten der Lieferanten

• Perfekter Marktplatz, an dem mehrere Käufer und mehrere Verkäufer zusammentreffen, um Leistungen auszutauschen • Preise ergeben sich aus Angebot und Nachfrage

Static Catalogs

Static Configurable Catalogs

Dynamic Catalogs

• Kataloginhalte sind statisch und werden von den Lieferanten aktualisiert • Die Preise werden von Lieferanten und Kunden vorab ausgehandelt

• Kataloginhalt und Preise wie bei statischen Katalogen • Die Produkte können mit vorgegebenen Komponenten konfiguriert werden. Z.B. IT-Hardware

• Kataloginhalt wird bei dem Aufruf durch den Kunden generiert • Preise sind abhängig von der Verfügbarkeit der angebotenen Produkte/ Leistungen

Abb. 5:

Preisbildungsverfahren fiir das E-Procurement (Quelle: leicht verändert Baker et al. 2000)

Bei Kataloglösungen handelt es sich um Systeme, die die Bestellung von Artikeln über einen oder mehrere Kataloge von Lieferanten erlauben. Kataloglösungen eignen sich insbesondere für Materialgruppen mit einer

266

Bertelsmann Buch AG - Gestaltungsoptionen im E-Procurement

geringen Beschaffungskomplexität bzw. einer hohen Standardisierbarkeit, wie z. B. Büromaterial. Je nach Umfang der Kataloglösung unterscheidet man zwischen statischen, statisch konfigurierbaren und dynamischen Katalogen. Bei statischen Katalogen wird von den Lieferanten ein festes Angebot in den Katalog eingearbeitet und regelmäßig aktualisiert. Es können nur solche Materialgruppen über statische Kataloge eingekauft werden, deren Produkte vom Einkäufer nicht weiter spezifiziert werden müssen. Statisch konfigurierbare Kataloge bieten darüber hinaus die Möglichkeit, auch Materialgruppen einzukaufen, die durch den Einkäufer weiter spezifiziert werden müssen. Ein gutes Beispiel ist hier der Einkauf von IT-Hardware, bei der sich der Einkäufer aus vom Lieferanten bereitgestellten Komponenten den gewünschten Computer konfigurieren kann. Bei dynamischen Katalogen kommt noch die Funktion hinzu, dass aktuelle Informationen von Seiten der Lieferanten im Katalog berücksichtigt werden können. Da die Katalogseiten erst während des Aufrufs durch den Einkäufer generiert werden, können z. B. aktuelle Lagerbestände berücksichtigt und bei Nichtlieferbarkeit Alternativen zu dem gewünschten Produkt angeboten werden. Problematisch an allen Kataloglösungen ist die Integration mehrerer Lieferanten für gleichartige Artikel in ein E-Procurement-System. Um den Suchaufwand für den Einkäufer möglichst gering und die Transparenz möglichst hoch zu halten, ist es erforderlich, die Einzelkataloge der Lieferanten auf einen gemeinsamen Datenstandard zu bringen, was einen hohen Aufwand für die Lieferanten bedeuten kann. Das "Bidding" ist mit einer klassischen Ausschreibung zu vergleichen, die systemgestützt abgewickelt wird. Der Einkäufer erstellt eine Angebotsanfrage (Request for Quotation, RfQ), in der das einzukaufende Produkt oder die Leistung bis ins Detail spezifiziert wird. Anhand der enthaltenen Leistungsanforderungen und den Profilen der teilnehmenden Lieferanten wird die RfQ an die in Betracht kommenden Lieferanten weitergeleitet. Diese haben nun die Möglichkeit, ein entsprechendes Angebot (Request for Proposal, RfP) per E-Mail oder online abzugeben. Der Einkäufer kann dann systemgestützt die eingegangenen RfPs auswerten

Bertelsmann Buch AG - Gestaltungsoptionen im E-Procurement

267

und die Entscheidung zugunsten des einen oder anderen Lieferanten treffen. Das Bidding hat den Vorteil, dass auf diesem Wege auch Materialgruppen mit einer sehr hohen Beschaffungskomplexität eingekauft werden können. Beispiel ist hier der Einkauf von Farbbüchern, die aufgrund der hohen Anzahl von Gestaltungsmöglichkeiten nur schwierig standardisierbar sind. Problematisch ist allerdings die Schnittstelle zu den Lieferanten. Es ist beispielsweise im Falle des Farbbuchs erstrebenswert, den Lieferanten die Daten so anzuliefern, dass sie diese direkt in die eigenen Systeme zur Kalkulation übernehmen können. Die Systemvielfalt bei den Lieferanten einer Materialgruppe und derzeit fehlende Standards für Daten- und Datenstrukturen machen dieses jedoch fast unmöglich. Auktionen lassen sich beim E-Procurement, wie auch im Business-toConsumer-Bereich, mit relativ geringem Aufwand gegenüber klassischen Auktionsverfahren realisieren. Neben der "englischen Auktion", bei welcher der Einkäufer für den einzukaufenden Artikel bietet, ist beim E-Procurement insbesondere die so genannte "Reverse-Auction" interessant. Hierbei versteigert der Einkäufer sein Einkaufsvolumen an den Lieferanten, der bereit ist, die besten Konditionen zu bieten. Im Grunde genommen handelt es sich dabei um ein offenes Ausschreibungsverfahren. Dem bietenden Lieferanten ist es erlaubt, die anonymisierten Angebote der Konkurrenz einzusehen und diese auf Wunsch zu unterbieten. Neben der Versteigerung von "Einzeleinkäufen" bietet sich eine Revers-Auction besonders bei der Versteigerung von z. B. jährlichen Gesamtvolumina an. Mit demjenigen Lieferanten, der den Zuschlag erhält, wird dann ein Rahmenvertrag geschlossen und die einzelnen Einkäufe werden dann unter diesen Rahmenbedingungen, ohne erneute Preisbildung, über das System abgewickelt. Dieses Vorgehen bietet sich z. B. beim Papiereinkauf an. Zunächst wird der Hauptlieferant über das Auktionsverfahren ermittelt und dann werden über eine Kataloglösung die einzelnen Transaktionen abgewickelt. Obwohl die Hauptvorteile der Auktionen sicher auf Seiten des Einkäufers liegen, kann auch der Lieferant Nutzen daraus ziehen. Dem Lieferanten werden Informationen über den eigenen Markt bereitgestellt, die ihm bisher nicht zugänglich waren.

268

Bertelsmann Buch AG - Gestaltungsoptionen im E-Procurement

Bei dem "Market Exchange" handelt es sich um einen perfekten virtuellen Marktplatz, an dem mehrere Anbieter und mehrere Nachfrager direkt interagieren. Preisbildung und Leistungsaustausch kommen durch von Angebot und Nachfrage abhängigen Clearing-Verfahren wie an der Börse zustande. Vorteil dieser Lösung ist die Geschwindigkeit des Prozesses und der erhöhte Wettbewerb unter den Lieferanten. Dieses Verfahren wird allerdings nur bei Materialgruppen sinnvoll sein, bei denen beispielsweise eine hohe Umschlagsgeschwindigkeit vorherrscht oder durch eine schwierige Planbarkeit der Lieferantenkapazitäten starke Preisschwankungen bestehen.

5.

FAZIT

Für Unternehmen aller Art öffnen sich durch E-Procurement neue und interessante Chancen, Beschaffungsprozesse und -kosten zu optimieren und darüber hinaus neue Geschäftsfelder und Kundengruppen zu erschließen. Vielfältige Gestaltungsvariablen und -optionen helfen den Unternehmen dabei, für nahezu alle Güter und Dienstleistungen passende E-Procurement-Lösungen zu entwickeln und zu nutzen.5 In dezentralen Organisationen wie der Bertelsmann AG ergeben sich insbesondere durch die effiziente zentrale Koordination der Einkaufsaktivitäten mit Hilfe von E-Procurement Möglichkeiten, die Nachteile dezentraler Einkaufsstrukturen in direkten und indirekten Beschaffungskosten zu minimieren, ohne Vorteile der dezentralen Organisation zu gefährden. Das Projekt bei der Bertelsmann AG zeigt, dass es sich bei der Einfuhrung von E-Procurement um kein triviales Problem handelt. Für jede eingekaufte Materialgruppe müssen detaillierte Kenntnisse über ihre Spezifika, die Beschaffungsmärkte und Einkaufsprozesse aufgebaut werden, um möglichst optimale Lösungen zu gestalten und zu implementieren. Insbesondere bei Materialgruppen mit einer hohen Beschaffungskomplexität, wie z. B. Farbbüchern, werden auch hohe Anforderungen an die Technik Eine umfangreiche Liste bereits bestehender Lösungen findet sich in Ekkert, A. (2000), S. 36.

Bertelsmann Buch AG - Gestaltungsoptionen im E-Procurement

269

gestellt. Während der kommenden Implementierung können darüber hinaus sowohl interne als auch externe Barrieren entstehen. Neben einer überzeugenden E-Procurement-Lösung, die den Anforderungen der vielen über den Globus verteilten Profitcentern entspricht, wird auch zusätzliche "Überzeugungsarbeit" sowohl gegenüber diesen als auch gegenüber den Lieferanten ein kritischer Erfolgsfaktor sein.

270

Bertelsmann Buch AG - Gestaltungsoptionen im E-Procurement

LITERATURVERZEICHNIS Aris, A. (1999), Effizienzsteigerung durch teamorientierte Einkaufskoordination, in: McKinsey akzente, Jg. 1999, Nr. 10, S. 8-15 Baker, H. et al. (2000), E-Sourcing: 21st Century Purchasing, Booz, Allen & Hamilton, New York et al. 2000 Bertelsmann AG (2000), Interne Projektunterlagen Eckert, A. (2000), Virtuelle Marktplätze: Eine zündende Idee, in: screen BUSINESS ONLINE, Jg. 2000, Nr. 5, S. 30-36 Fehr, B. (1999), Pioniere im Netz, in: managermagazin, 29. Jg. (1999), Heft 11, S. 274-283

Click 4 - Management im E-Business

14.

Management einer Venture-Capital-Gesellschaft im E-Business (S. Sanktjohanser, M. Höllmüller)

273

15.

IPO von Start-Ups zum Ausbau der Eigenkapitalbasis (S. Pfender, A. Pölert)

16.

Kapitalbeteiligung der Mitarbeiter am Unternehmen - Vorteile und Gestaltungsoptionen (M. Ringlstetter, A. Brandenberg)

319

David gegen Goliath - Wettbewerb zwischen Konzernen und Start-Ups am Markt für "Unternehmer-Humanressourcen" (T. Satteiberger, M. Höllmüller)

341

17.

295

1 4 . M A N A G E M E N T EINER VENTURE-CAPITAL-GESELLSCHAFT IM E - B U S I N E S S - AUSFÜHRUNGEN AM BEISPIEL DER COMMUNICATIONS EQUITY ASSOCIATES

Stefan Sanktjohanser, Markus Höllmüller

1.

EINLEITUNG

275

2.

C E A IM MARKT FÜR VENTURE CAPITAL

277

2.1

MARKT FÜR VENTURE CAPITAL IN DEUTSCHLAND

277

2.2

DAS PROFIL VON C E A

280

3.

4.

MANAGEMENT EINER VENTURE CAPITAL GESELLSCHAFT

281

3.1

FUNDRAISING EINER VENTURE-CAPITAL-GESELLSCHAFT

282

3.2

MANAGEMENT DER PORTFOLIOUNTERNEHMEN

284

3.3

GESTALTUNG DES BETEILIGUNGSPORTFOLIOS

288

WEITERFÜHRENDE ÜBERLEGUNGEN - KÜNFTIGE HERAUSFORDERUNGEN FÜR VENTURE-CAPITALGESELLSCHAFTEN IM E-BUSINESS

290

Management einer Venture-Capital-Gesellschaft im E-Business

1.

275

EINLEITUNG

In Deutschland ist derzeit ein enormer Gründungsboom im Bereich E-Commerce bzw. E-Business festzustellen.1 Als Ursache für diese Entwicklung, die vergleichbar ist mit anderen Gründungsphasen in Deutschland wie z. B. Ende des 19. Jahrhunderts oder in der Nachkriegszeit, werden zahlreiche Faktoren angeführt. So geht ein starker Impuls von der andauernden Deregulierung im Telekommunikationsmarkt aus, die zu einer stetigen Senkung der Telekommunikationskosten und damit der Kosten für das Internet führt. Zudem ist die Wirkung von "deutschen Success-Stories", erfolgreicher Start-Up-Unternehmen wie Intershop, EM.TV oder dem Online-Broker Consors nicht zu unterschätzen. Die Gründerkultur wird durch diese Vorbilder stark gefördert. Ein dritter, wichtiger Faktor ist in den verbesserten Finanzierungsmöglichkeiten zu sehen. Ähnlich dem Nasdaq in den USA stellt der Neue Markt in Deutschland die wichtigste Kapitalquelle für Internet-Start-Ups dar, ohne die eine schnelle Expansion der Unternehmen in dieser Form nicht möglich wäre. Bevor jedoch ein Börsengang oder eine Kapitalerhöhung am Kapitalmarkt durchgeführt werden kann, wird in der Anfangsphase der Unternehmen, der so genannten Start-Up-Phase, Kapital benötigt.2 Hier ist eine verstärkte Präsenz von Venture-Capital-

Vgl. hierzu auch die Ausfuhrungen Sattelberger/Höllmüller (2000).

im

Buchbeitrag

von

Im Rahmen der Venture Capital Finanzierung werden verschiedene Entwicklungsphasen sehr unterschiedlich abgegrenzt. Grundsätzlich lassen sich grob drei Phasen unterschieden: die "Early-Stage"-Finanzierung, die "Expansion" Finanzierung und die "Later-Stage"-Finanzierung. Die "Early-Stage "-Finanzierung umfaßt drei Stufen. Erstens die SeedFinanzierung, die meist durch die Gründer oder sogenannte Business Angels durchgeführt wird. Zweitens die Start-Up-Finanzierung, die durch die VC-Gesellschaften erfolgt und drittens die First-Stage-Finanzierung. Die "Expansion" Finanzierung umfaßt mehrere Runden, die mit Second Stage oder Third Stage bezeichnet werden. In der dritten Finanzierungsphase, der "Later-Stage "-Finanzierung, kommt es nach der

276

Management einer Venture-Capital-Gesellschaft im E-Business

Gesellschaften (VC-Gesellschaft) zu diagnostizieren. Diese sorgen jedoch nicht nur für die anfangliche Finanzierung mit Venture Capital, sondern betreuen Unternehmen auch in der Wachstumsphase und verhelfen über ihre Netzwerke zu wichtigen Kontakten und Kooperationen. So waren bspw. VC-Gesellschaften an der erfolgreichen Entwicklung von Start-Ups wie Brokat Infosystems AG, Intershop Communications AG oder auch MobilCom AG beteiligt und haben durch Finanzierungs- und Beratungsleistungen die Entwicklung dieser Geschäfte unterstützt.3 In der einschlägigen Fachliteratur, die sich mit der Rolle von VCGesellschaften auseinandersetzt, wird dieser Aspekt sehr stark in den Mittelpunkt der Überlegungen gestellt.4 Im folgenden Beitrag wird angestrebt, aus der "Binnenperspektive" einer VC-Gesellschaft deren zentrale Managementfelder darzustellen. Hierzu wird als Praxisbeispiel die VC-Gesellschaft Communications Equity Associates (CEA) bzw. deren deutsche Niederlassung CEA Capital Partners herangezogen.5 Zudem wird auf Besonderheiten, die sich für eine Venture-CapitalGesellschaft wie CEA, die auch Start-Ups im E-Business finanziert, näher eingegangen. Ein erster Zugang erfolgt zunächst über die Darstellung der Grundzüge des Marktes für Venture Capital in Deutschland, in dem auch CEA tätig ist (Abschnitt 2). Daran anschließend wird auf das Management von VC-Gesellschaften eingegangen und zentrale Managementfelder, wie

Börseneinftihrung zur Finanzierung von Unternehmensübernahmen oder Management-Buy-Ins bzw. Management-Buy-Outs. Vgl. bspw. Merkle (1984), S. 1060ff. oder Gompers (1993), S. lOlff. Vgl. hierzu und zu weiteren Beispielen für die erfolgreiche Unterstützung von Start-Up Unternehmen durch Venture-Capital-Gesellschaften, o.V. (2000a), S. 9-10, 33-35,45-47. Vgl. bspw. Fried/Hisrich (1995), Albach/Hundsdiek/Kokalj (1986). Die CEA Group wurde als Investment Bank und Venture-CapitalGesellschaft 1973 in Tampa, Florida von Rick Michaels gegründet. Branchenschwerpunkte der Aktivitäten von CEA bilden die Kabel-, die Telekommunikations- und die Medienbranche. Vom nordamerikanischen Raum aus expandierte CEA nach Europa, Asien und Südamerika und verfügt derzeit weltweit über 17 Niederlassungen. Im Bereich Venture Capital verwaltet CEA ein Fondsvermögen von weltweit ca. 1 Milliarde US-Dollar.

Management einer Venture-Capital-Gesellschaft im E-Business

277

sie sich aus Sicht einer VC-Gesellschaft ergeben, werden erläutert (Abschnitt 3). Der Beitrag schließt mit weiterführenden Überlegungen zu Herausforderungen

für

VC-Gesellschaften

im

E-Business

und

Möglichkeiten für deren Handhabung (Abschnitt 4).

2.

Um

C E A IM MARKT FÜR VENTURE CAPITAL

wesentliche

Aspekte des Managements

einer

VC-Gesellschaft

darzustellen, ist es zweckmäßig, den Markt für Venture Capital in Deutschland näher zu analysieren. Für eine differenzierte Betrachtung wird im Folgenden auf die Anbieter von Venture Capital eingegangen (Punkt 2.1). Als konzeptioneller Ausgangspunkt zur Darstellung des Managements einer VC-Gesellschaft wird in einem nächsten Schritt die VC-Gesellschaft CEA dargestellt (Punkt 2.2).

2.1

Markt für Venture Capital in Deutschland

Die zunehmende Förderung von E-Commerce-Start-Ups durch Venture Capital kann sehr gut anhand der stark ansteigenden Bereitstellung von formalem 6 Venture Capital

veranschaulicht

werden.

Hierzu

ist

in

Abbildung 1 die Zeitreihe zur Entwicklung der Investitionen von Venture Capital in Deutschland dargestellt. Im Zeitraum von 1995 bis 1999 sind

Dabei bleibt das informale Venture Capital, das durch Business Angels bzw. private Investoren zur Finanzierung von Internet-Start-Ups zur Verfugung gestellt wird, unberücksichtigt. Dieser Anteil dürfte jedoch nicht sehr groß sein, wenn man die Ergebnisse einer europäischen Studie von 500 Venture-Capital-finanzierten Unternehmen berücksichtigt. Demnach werden im Durchschnitt etwa 46% der Unternehmensanteile von Venture-Capital-Gesellschaften gehalten, 37% von den Gründern und deren Familien und nur 7% von anderen privaten Investoren. Die restlichen Anteile werden von Unternehmen (5%), Öffentlichen Anstalten (3%) und sonstigen Investoren (3%) gehalten. Vgl. o.V. (1996), S. 4. Vgl. Frommann (1999), S. 6 und S. 10. Das Wachstum der Investments in Venture Capital ist in den USA etwa vergleichbar. Während 1995 erst 9 Mrd. US$ investiert wurden, erreichten die Investments in 1999 eine Höhe

278

Management einer Venture-Capital-Gesellschaft im E-Business

die Investitionen p.a. durchschnittlich um etwa 53% gewachsen, was zu einem enormen Schub bei der Gründung von Start-Ups führte. Der Aufbau von E-Commerce und Internet Aktivitäten wird durch einen Anteil von ca. 12% der Bruttoinvestitionen in 1999 unterstützt, d. h. ca. 750 Millionen DM formalen Venture Capitals sind in diesen Bereich geflossen. 8 Millionen DM

n = 173 Abb. 1:

Entwicklung Deutschland

der

Venture-Capital-Bruttoinvestitionen

in

Auf dem Markt für Venture Capital treten auf der Anbieterseite verschiedene Akteure auf. Beispielsweise bieten öffentliche Anstalten, Corporate VC-Gesellschaften von Industrieunternehmen oder VC-Gesellschaften Leistungen für Start-Ups an. Eine grundlegende Differenzierung der Marktteilnehmer kann dabei nach folgenden Kategorien erfolgen: •

Mission: Venture-Capital-Geber unterscheiden sich sehr stark hinsichtlich ihrer Motivation zum Angebot von Venture Capital.

von. 56 Mrd. US$. Dies entspricht einem durchschnittlichem jährlichem Wachstum von ca. 57%. Vgl. o.V. (2000b), S. 85. Vgl. Frommann (1999), S. lOff.

Management einer Venture-Capital-Gesellschaft im E-Business

279

Während bei öffentlichen Anstalten wie bspw. der Kreditanstalt für Wiederaufbau die Förderung von Technologien oder die Schaffung von Arbeitsplätzen im Vordergrund steht, beabsichtigen Industrieunternehmen9 die Erschließung von Technologiepotenzialen durch Corporate Venture Capital. Für VCGesellschaften steht dagegen die Rendite ihrer Investitionen im Vordergrund. •





Branchenfokus: Venture-Capital-Geber fokussieren sich meistens auf bestimmte Branchen. Ein wesentlicher Grund hierfür ist, dass Geschäftsideen nur bei fundierten Branchenkenntnissen beurteilt und effektive Beratungsleistungen erbracht werden können. Auf dieser Basis können die Wahrscheinlichkeit des Start-Up-Erfolgs erhöht und - bei ausreichend hoher Trefferquote - die Ziele des Venture-Capital-Gebers realisiert werden. Region: Neben dem spezifischen Branchenfokus sind VentureCapital-Geber häufig regional verhaftet. Auch bei großen VCGesellschaften wie 3i oder Advent International Corp. und auch bei CEA, wird der regionale Bezug durch regional tätige Tochtergesellschaften geschaffen. Die regionale Begrenzung erhöht die Markttransparenz des Venture-Capital-Gebers. So werden durch die geographische Nähe die Anwerbung von interessanten Investitionsobjekten gefördert, die Überwachung des Start-Ups verbessert und Möglichkeiten zur Bereitstellung von Kontakten gesteigert. Angebotene Leistungen: Schließlich unterscheiden sich VentureCapital-Geber hinsichtlich der angebotenen Leistungen. Da die Finanzierungsleistung die primäre Leistung eines Venture-CapitalGebers darstellt, orientieren sich die angebotenen Leistungen an den spezifischen Finanzierungsphasen des Start-Ups. Venture Capital Geber unterscheiden sich darin, ob sie eher in der "Early-

Vgl. hierzu beispielhaft Schween (1996) oder Siemer (1991).

280

Management einer Venture-Capital-Gesellschaft im E-Business

Stage"-Phase, der "Expansion"-Phase oder in der "Later-Stage" Phase Venture Capital anbieten.10 Die dargestellten Unterscheidungskriterien von Venture Capital Gebern geben einen ersten Überblick, der eine Einordnung einzelner Akteure im Markt vereinfacht.

2.2

Das Profil von CEA

Weltweit managed die CEA sechs Private Equity Fonds. In Deutschland ist CEA Capital Partners seit 1998 mit einer Niederlassung in Düsseldorf vertreten. Wie in Abbildung 2 durch die grauen Schattierungen deutlich wird, zeichnet sich die VC-Gesellschaft CEA-Deutschland durch spezifische Merkmale in Bezug auf Mission, Branchenfokus, Region und angebotene Leistungen aus. Mission Rendi te-

Erschließung neuer Technologien

Arbeitsplätze

"

Branchenfokus

...

Telecommunication

:

¡net

Region

Mediä

'

'

y Frankreich

^:

. _

-

England

Primäre Leistungen Seed \ Finanzierung/

Abb. 2:

Start-ap Finanzierung

Later stage Himnyigrmm

Zentrale Charakteristika der VC-Gesellschaft

CEA-Deutschland

Als renditeorientierte VC-Gesellschaft fokussiert sich CEA auf die so genannten "TIME" Branchen, d. h. es werden vor allem Investments in der Telekommunikationsbranche, dem Internet, bei Medienunternehmen

Vgl. hierzu Fußnote 2 in diesem Beitrag.

Management einer Venture-Capital-Gesellschaft im E-Business

281

und im Unterhaltungsbereich (Entertainment) getätigt. Die VentureCapital-Aktivitäten beschränken sich regional auf Deutschland, um die Nähe zum Markt sicherzustellen. Andere Regionen in Europa werden von den Niederlassungen in den jeweiligen Ländern betreut. Die primären Leistungen von CEA umfassen die "Start-Up"-Finanzierung, die "EarlyStage-Expansion"-Finanzierung sowie die "Later-Stage"-Finanzierung. Im Rahmen der "Start-Up"-Finanzierung werden Unternehmen von CEA mit Kapital und Beratungsleistungen unterstützt, um den Markteintritt und den Aufbau von internen Strukturen realisieren zu können. Die "Early-StageExpansion"-Finanzierung dient zum Aufbau der Vetriebsstrukturen, der Working-Capital-Finanzierung und der Bereitstellung zusätzlichen Wachstumskapitals. Darüber hinaus werden Start-Ups in dieser Phase des Lebenszyklus von CEA auch durch Kapital zur Vorbereitung des Börsengangs ("Later Stage") unterstützt.

3.

MANAGEMENT EINER VENTURE CAPITAL GESELLSCHAFT

Im folgenden Abschnitt werden am Beispiel von CEA das Management einer VC-Gesellschaft näher betrachtet und quasi aus einer "Binnenperspektive" zentrale Managementfelder analysiert. Dabei wird zuerst auf das "Fundraising", also die Beschaffung von Kapital eingegangen. Dieses stellt die Grundlage für das Management einer VCGesellschaft dar (Punkt 3.1). Als zweiter wichtiger Managementbereich werden Grundzüge des Managements der Portfoliounternehmen beschrieben. Hier werden potenziell auftretende Schwierigkeiten und Besonderheiten, die sich beim Management von E-Business Start-Ups ergeben, aufgezeigt (Punkt 3.2). Ein weiterer zentraler Aspekt ist die Gestaltung des Beteiligungsportfolios, d. h. diejenigen Aktivitäten die erforderlich sind, um die Risikostruktur der Beteiligungen eines VCGesellschaft zu optimieren (Punkt 3.3).

282

M a n a g e m e n t einer V e n t u r e - C a p i t a l - G e s e l l s c h a f t i m E - B u s i n e s s

3.1

Fundraising einer Venture-Capital-Gesellschaft

Grundlage für die Aktivitäten jeder VC-Gesellschaft ist der Zugang zu Kapitalressourcen, die zur Finanzierung von attraktiven Start-Ups eingesetzt werden können. Hierfür ist es notwendig, Kapitalgeber wie Industrieunternehmen, Pensionsfonds oder auch private Anleger anzusprechen.

Fonds in Fonds

Industrie / X. Versicherungen

^ - 2 , 4 %

4,3%-. \

Sonstige

\

8,6°À

\

/

9,1%\AA

1

9 , 2 % / y

32,0%

\

Kreditinstitute

Private Anleger y i i , 6 % / Öffentlicher Sektor

22,9%

y

/ ^ ^

Pensionsfonds

n = 173

Abb.

3:

Übersicht 1999

der

Venture

Capital

Fondsmittel

nach

Kapitalgebern

in

(Deutschland)

Aus Abbildung 3 wird ersichtlich, dass in Deutschland vor allem Pensionsfonds und Kreditinstitute als Kapitalgeber eine wichtige Rolle spielen.11 Diese stellen gemeinsam immerhin mehr als 50% der Fondsmittel zur Verfugung, die durch VC-Gesellschaften in Start-Ups investiert werden. Nur ca. 10% der Fondsmittel stammen jeweils von Industrieunternehmen, Versicherungen, privaten Anlegern und dem öffentlichen Sektor. Bei der Generierung ausreichend hoher Fondsmittel stehen aus Sicht einer VC-Gesellschaft vor allem folgende Aspekte im

Management einer Venture-Capital-Gesellschaft im E-Business

283

Vordergrund:12 die Gestaltung der Investitionsstrategie der VCGesellschaft, die Zusammenstellung des Management Teams und die Aushandlung bestimmter institutioneller Regelungen. Auf diese wird im Folgenden näher eingegangen: •



Die Gestaltung der Investitionsstrategie der VC-Gesellschaft hat neben der Ausrichtung am "Absatzmarkt" vor allem für die Ansprache von potenziellen Kapitalgebern zentrale Bedeutung. Diese sind nur dann bereit, der VC-Gesellschaft Kapital zur Verfügung zu stellen, wenn eine klare strategische Ausrichtung des Fonds vorliegt. Wie am Beispiel der CEA erläutert, sind vor allem der Branchenfokus, die regionale Ausrichtung und die angebotenen Leistungen Dimensionen der Positionierung einer VC-Gesellschaft. Durch die Qualifikation, Erfahrungen und Erfolge der Fondsmanager, dem so genannten "track record", kann den potenziellen Kapitalgebern die Qualität des Managements signalisiert werden und damit indirekt ein Signal für potenzielle Wertsteigerungen der investierten Mittel gegeben werden. Daher ist die Zusammenstellung des Management Teams ein wichtiger Baustein im Management des Fundraising.13 In vielen Fällen verfugen Fondsmanager über Erfahrungen als Unternehmensberater oder Investment Banker und können daher den geforderten "track record" aufweisen, da sie über Erfahrungen bei der Beratung von Unternehmen verfügen und zudem spezifisches Branchenwissen besitzen. Für die erfolgreiche Arbeit einer VC-Gesellschaft ist neben der Qualität des einzelnen Fondsmanagers zudem die Zusammenstellung des Teams von sehr großer Bedeutung. Im Idealfall ergänzen sich die Mitglieder des Managements in Hinblick auf ihre Qualifikationen. So ist es vorteilhaft, wenn sich das Team

Vgl. Frommann (1999), S. 4. Vgl. hierzu auch Perez (1986), S. 49ff. Vgl. zu den notwendigen Qualifikationen bspw. Silver (1985), S. lff. und S. 35ff.

284



3.2

Management einer Venture-Capital-Gesellschaft im E-Business

aus Spezialisten für Finanzierungsfragen, rechtliche Aspekte des VC-Managements und für bestimmte Branchen zusammensetzt. Schließlich ist auf die Gestaltung institutioneller Regelungen beim Fundraising einzugehen. Neben den gesellschaftsrechtlichen Strukturen eines Venture-Capital-Fonds und der ManagementGesellschaft 14 sind vor allem institutionelle Regelungen in Bezug auf die Fonds festzulegen. So müssen unter anderem das Fondsvolumen, die Laufzeit des Fonds, die Verteilung der Überschüsse und die anfallenden "management fees" festgelegt werden. Darüber hinaus werden vielfach auch eine Begrenzung der Investitionen auf einzelne Portfoliounternehmen und die Zustimmungspflicht durch die Kapitalgeber bei bestimmten Geschäften festgelegt. Diese Regelungen bestimmen im großen Umfang die "Beweglichkeit" des Fonds im täglichen Geschäft.

Management der Portfoliounternehmen

Die Erwartungen, die von einem Start-Up an den Venture Capitalist gestellt werden, sind vielfaltig und umfassen nicht nur die Bereitstellung von Venture Capital. Wie umfangreich die Erwartungen jenseits der Bereitstellung von Venture Capital sind, wird in Abbildung 4 ersichtlich. Eine Befragung von 500 europäischen, durch Venture Capital finanzierten Start-Up Unternehmen macht deutlich, dass vor allem die Finanzberatung, die Unterstützung bei der Entwicklung der Unternehmensstrategie und der Ideenaustausch als wichtige Leistungen angesehen werden.15 Aber auch Hilfestellungen bei der Management-Rekrutierung, im Aufbau des Ver-

Üblicherweise wird neben dem Fonds auch eine Management Gesellschaft gegründet, die die operative Steuerung der Geschäfte des Fonds, wie sie in Abschnitt II.2 erläutert werden, übernimmt. Die Vergütung des Fondsmanagement erfolgt durch eine sogenannte "management charge", die sich als Prozentanteil des betreuten Fondsvolumens ergibt. Zu einem Überblick vgl. Silver (1985), S. 19f. Vgl. o.V. (1996), S. 6.

Management einer Venture-Capital-Gesellschaft im E-Business

285

triebs und bei der Kontaktherstellung werden von einigen Start-Ups als wichtige Leistungen der Venture Capital Geber angesehen. Finanzberatung

Untemehmensstrategi e

Ideenaustausch

Kontaktherstel lung ManagementRekrutierung Vertriebsunterstützung

Marketing-Strategie

50% Häufigkeit der Nennungen von 500 europäischen, durch Venture Capital finanzierten Start-Ups

Abb. 4:

Wichtigkeit nicht finanzieller Leistungen von VC-

Gesellschaften

Aus Sicht einer VC-Gesellschaft stellen diese Leistungen jedoch nur einen kleinen Ausschnitt des Managements von Portfoliounternehmen dar. Betrachtet man die Aktivitäten im fiktivem Zeitablauf, ergeben sich die in Abbildung 5 unterschiedenen Aufgaben einer VC-Gesellschaft: Cash Flow



•HG

• • • • O • •• ••

••

ilio

O 0 I S • El • • B i l l

• • • • •

UBO

u s a n

• • • • Deal flow

Due dilligence

Investition»Vereinbarung

Abb. 5: Zentrale Aktivitäten im Management

Mentoring & Monitoring

von

Exit

Portfoliounternehmen

286

Management einer Venture-Capital-Gesellschaft im E-Business



In einem ersten Schritt gilt es den Deal Flow zu managen, d. h. grundsätzlich geeignete Investitionsmöglichkeiten zu generieren.16 Möglichkeiten hierzu bieten u.a. das Engagement bei Business-Plan Wettbewerben, die Präsenz auf Veranstaltungen wie dem "First Tuesday", der Kontakt zu Business Angels und die Zusammenarbeit mit anderen Venture-Capital-Gesellschaften. Einen wichtigen Ansatzpunkt zur Steigerung des Deal Flow stellt auch das "branding" der VC-Gesellschaft im Markt dar. Durch die Mund-zuMund Propaganda, die im wesentlichen durch erfolgreiches Venture Management gefordert wird, können Anfragen von Start-Ups gesteigert werden. So konnte sich beispielsweise CEA durch die Finanzierung von erfolgreichen Start-Ups wie dem OnlineBuchhändler buecher.de oder dem Online-Marktplatz für Computerbedarf DCI im Markt positionieren. Auf diese Weise konnte der Deal Flow sowohl quantitativ als auch qualitativ signifikant verbessert werden.



Für die Realisierung einer konkreten Investition ist es in einem zweiten Schritt notwendig, die Due Dilligence durchzuführen. Dabei werden zahlreiche Start-Ups einer Prüfung und Bewertung unterzogen, die als Grundlage für die grundsätzliche Investitionsentscheidung und ggf. dann für die Höhe der Investition dient. Im Rahmen der Due Dilligence wird im Allgemeinen auf das Gründerteam, das Marktpotenzial der Idee, und die Realisierungschancen einer Wertsteigerung des Investments besonderen Wert 17

gelegt. Für die Due Dilligence eines E-Business-Start-Ups kommt insbesondere der Qualität des Gründerteams, die sehr stark durch die vorhandenen Erfahrungen, Qualifikationen und die Komplementarität der Fähigkeiten einzelner Teammitglieder bestimmt wird, eine herausragende Bedeutung zu. Nachhaltige Wettbewerbsvorteile können nur durch diese "Ressourcen" 16

Vgl. Silver (1986), S. 47ff.

Management einer Venture-Capital-Gesellschaft im E-Business



287

entstehen, da die Imitierbarkeit von Geschäftsideen im E-Business als sehr hoch einzuschätzen ist. Wird ein Kandidat als attraktiv erachtet, sind in der Investitionsvereinbarung zwischen Start-Ups und VC-Gesellschaft Grundzüge der Geschäftsbeziehung zu vereinbaren. Hierbei wird 18



neben der Art und Höhe der Kapitalbeteiligung auch festgelegt, welche Rechte und Pflichten die Vertragspartner haben. Beispielsweise sichern sich VC-Gesellschaften meist Mitspracherechte bei wichtigen Fragen wie der Unternehmensstrategie oder der Besetzung von Schlüsselfunktionen. Kommt die Investitionsvereinbarung zustande, beginnt die Phase 19

Das bedeutet erstens, dass der des Mentoring und Monitoring. Venture Capitalist den Start-Up durch wichtige Beratungsleistungen bei Finanzierungsfragen oder der Unternehmensstrategie unterstützt. Venture Capitalists werden daher auch als "Consultants with financial interests" bezeichnet 20 Darüber hinaus werden wichtige Kontakte zu Kooperationspartnern vermittelt. Diese Leistung von Venture Capitalists ist für E-Business-Start-Ups wichtig, da diese bspw. starke Partner für Logistik, Marketing, ITServices oder Contentmanagement brauchen, um eine schnelle Marktdurchdringung zu erreichen. Zweitens wird das Portfoliounternehmen laufend überwacht, um frühzeitig Probleme zu erkennen und rechtzeitig geeignete Gegenmaßnahmen, z. B. den Strategiewechsel, die Auswechslung des Managements oder den Ausstieg aus dem Investment einleiten zu können. Die Überwachung basiert neben monatlichen Berichten und der

18

19 20

Vgl. dazu Perez (1986), S. 11 Iff., Rich/Gumpert (1985), Struck (1990), S. 6ff. und zur Bedeutung der Charakteristika des Gründerteams MacMillan/Siegel/Narasimha (1985). Zur Berechnung des Kapitalanteils der VC-Gesellschaft an einem Start-Up vgl. Silver (1986), S. 195ff. Vgl. Fried/Hisrich (1995). Vgl. Fried/Hisrich (1995), S. 102ff.

288



Management einer Venture-Capital-Gesellschaft im E-Business

Teilnahme an Aufsichtsratssitzungen idealerweise auf laufenden, persönlichen Kontakten mit dem Management des Start-Ups. Schließlich wird aus dem Exit der notwendige, Gewinn bringende 21

Rückfluss des investierten Kapitals realisiert. Durch den Exit bestimmt sich somit die Rendite, die aus der Beteiligung resultiert. Der Ausstieg aus dem Portfoliounternehmen kann auf verschiedene Weise erfolgen, z. B. durch den erstmaligen Börsengang, den Rückkauf der Anteile durch die Gründer oder den Verkauf von Anteilen an einen industriellen Investor bzw. eine andere VCGesellschaft. Im E-Business war in der Vergangenheit vor allem der IPO am Neuen Markt eine wertgenerierende Exit-Möglichkeit. Jedoch gewinnt in letzter Zeit, bedingt durch die verschlechterte Situation am Kapitalmarkt, auch die Exit-Möglichkeit des Verkaufs an industrielle Investoren an Bedeutung.

3.3

Gestaltung des Beteiligungsportfolios

Eine VC-Gesellschaft geht im Allgemeinen eine Vielzahl von Beteiligungen an Start-Ups ein. Grund hierfür ist zum einen die Steigerung des Transaktionsvolumens bzw. die daraus resultierende Steigerung des Gewinnpotenzials. Zum anderen ist zwischen den einzelnen Beteiligungen ein Risikoausgleich zu realisieren, wenn das Portfolio effizient gestaltet sein soll. Das CEA Beteiligungsportfolio in Europa wird in Bezug auf eine optimale Struktur der Risiken anhand folgender vier Dimensionen aktiv gestaltet: • • •

21

die Größenordnungen der einzelnen Beteiligungen, die Finanzierungphasen, in denen sich die Beteiligungen befinden, die jeweiligen E-Business Segmente, in denen die Start-Ups aktiv sind und

Zu einem Überblick verschiedener Exit-Strategien und der Bewertung der Stärken und Schwächen vgl. bspw. Perez (1986), S. 140ff. oder Wall/Smith (1996).

Management einer Venture-Capital-Gesellschaft im E-Business



289

die europäischen Ursprungsländer der Portfoliounternehmen.22

Durch die Berücksichtigung dieser Dimensionen findet ein Risikoausgleich zwischen den einzelnen Portfoliopositionen statt, da das Gesamtrisiko geringer als die Summe der Einzelrisiken ausfällt.

In Abbildung 6 sind zur Illustration einige Portfoliounternehmen (PU) von CEA abgebildet. Die einzelnen Portfoliounternehmen unterscheiden sich im Hinblick auf das Land, in dem sie tätig sind, die Finanzierungsphasen in der eine Beteiligung eingegangen worden ist, das jeweilige E-Business Die verschiedenen Länder in Europa sind unterschiedlich weit in Bezug auf das Internet entwickelt. Skandinavische Länder und Großbritannien weisen im Gegensatz zu Frankreich oder Spanien einen Vorsprung gegenüber Deutschland in der Entwicklung des Internets auf. Durch die Berücksichtigung dieser Dimension können zum einen Unterschiede bei der Bewertung von E-Business-Start-Ups antizipiert werden. Zum anderen können "Ausfallrisiken" durch negative Entwicklungen in einem europäischen Land, z. B. durch gesetzliche Regelungen und konstant hohe Telekommunikationskosten, diversifiziert werden. Die Betreuung dieser Investments erfolgt durch Dependancen in den jeweiligen europäischen Ländern.

290

Management einer Venture-Capital-Gesellschaft im E-Business

Segment und das investierte Kapitalvolumen. Damit konnte CEA (Europe) in der Vergangenheit einen hohen Risikoausgleich realisieren. Die einzelnen Beteiligungen ergänzen sich systematisch in Hinblick auf die Höhe der Beteiligung, die durch die Einstiegsphase determinierten Zeitpunkte des Cash Flow Rückflusses, die sehr sprunghaften Branchentrends im E-Business und die unterschiedlichen Entwicklungsgeschwindigkeiten des Internets in den einzelnen europäischen Ländern.

4.

WEITERFÜHRENDE ÜBERLEGUNGEN KÜNFTIGE HERAUSFORDERUNGEN FÜR VENTURECAPITAL-GESELLSCHAFTEN IM E-BUSINESS

Das Internet und damit alle darauf basierenden "Geschäfte" sind einem ständigen Wandel unterworfen. Während erste Start-Ups vor allem im 23

"B2C" Bereich aktiv waren, ist jetzt verstärkt die Realisierung von "B2B" Lösungen zu beobachten. Zudem zeichnet sich im M-Commerce 24 ein neuer Trend ab, der alle klassischen Internet-Geschäfte mobil verfügbar macht und ganz neue Leistungen für Unternehmen und Konsumenten generieren wird. Wie viele Beispiele zeigen, sind Wettbewerbsvorteile im E-Business jedoch nur sehr schwer nachhaltig verteidigbar. So gibt es derzeit z. B. (noch) im Bereich der "OnlineDrogerien" zahlreiche Anbieter, wie VitaGo.de, beautynet.de, schlecker.com oder beauty24.com.25 Imitation und Substitution von E-Business Geschäftsmodellen stellen die Regel dar, denn Domains, WebSite-Designs oder spezifische Anwendungsfunktionalitäten sind nur bedingt die Grundlage nachhaltiger Wettbewerbsvorteile. Vielmehr ist das "first-to-market" in einem neuen Segment oder einer neuen Anwendung von zentraler Bedeutung. Nur der erste Start-Up, der eine Idee realisiert, Vgl. zu einer Unterscheidung den Buchbeitrag von Ringlstetter/Oelert (2000) und Quiring/Backmann (2000). Vgl. hierzu bspw. Barnett/Hodges/Wilshire (2000).

Management einer Venture-Capital-Gesellschaft im E-Business

291

kann das notwendige Wachstum, die Aufmerksamkeit in der InternetCommunity und schließlich eine entsprechende Kapitalausstattung erlangen. Damit wird Schnelligkeit zur wichtigsten Fähigkeit eines StartUps. Durch Schnelligkeit im Aufbau und in der Bindung von Kunden, bei der Standardisierung von Abläufen oder der Anpassung an neue Trends können erreichte Wettbewerbsvorteile aufrechterhalten werden. Für einen Start-Up bedeutet dies, dass Voraussetzungen geschaffen werden müssen um das "first-to-market" und eine hohe Schnelligkeit zu realisieren. Hierfür sind insbesondere folgende Voraussetzungen zu schaffen: •



Von Beginn an sollte eine starke Ressourcenbasis vorhanden sein. Diese muss über der vergleichbarer Wettbewerber liegen. Denn nur so können z. B. geeignete Mitarbeiter akquiriert, notwendige technische Voraussetzungen geschaffen und die Fähigkeit der Schnelligkeit ressourcentechnisch abgesichert werden. Neben einer starken Ressourcenbasis gewinnen Netzwerke zunehmend an Bedeutung. Diejenigen Start-Ups, die sich durch ihre starken Kooperationspartner im Marketing, im Vertrieb oder in der Logistik auszeichnen, können exklusiv einen Markt erschließen oder ihre Bekanntheit bei der fokussierten Kundengruppe steigern, was angesichts der hohen Imitierbarkeit von Ideen von zentraler Bedeutung ist.

Vor dem Hintergrund der Anforderungen im E-Business ist der Venture Capitalist vor neue Herausforderungen im Management der Portfoliounternehmen gestellt. Das klassische, langfristig angelegte Venture-Capital-Management muss mit einem starken Fokus auf der Bereitstellung von Kapital und mittlerer Beratungsintensität an die 26

Gegebenheiten des E-Business angepasst werden. Für CEA bedeutet dies, dass die bisherigen Leistungen auf die Anforderungen des E-Business abgestimmt werden müssen. Dies kann u. a. durch Initiierung und Umsetzung folgender drei Komponenten realisiert werden: Vgl. hierzu den Buchbeitrag von Fopp/Oelert (2000).

292







Management einer Venture-Capital-Gesellschaft im E-Business

Die Beteiligung an einem Start-Up wird viel früher, also schon in der Seed-Phase des Start-ups, einsetzen. Diese Phase der Start-UpEntwicklung, die normalerweise durch Ersparnisse der Gründer oder Business Angels finanziert wird, benötigt den Einsatz von Venture Capital, um eine entsprechend starke Ressourcenausstattung fiir schnelles Wachstum zu gewährleisten. Die Beratungsleistungen werden erheblich erweitert und intensiviert. Dabei werden Kooperationspartner systematisch gesucht und für Start-Ups von Beginn an aktiviert, um das notwendige Netzwerk möglichst schnell und möglichst früh zu etablieren. Auch die Beratung in Strategiefragen oder bei der Besetzung von Management-Funktionen wird intensiver als bisher praktiziert. Als dritte Komponente, die außerhalb der bisherigen Leistungen der VC-Gesellschaft liegt, ist es erforderlich, vermehrt operative Leistungen für Start-Ups anzubieten bzw. zu übernehmen. Das kann sogar so weit gehen, dass zumindest in der Start-Up-Phase z. B. ITDienstleistungen, Vertriebsfunktionen, Humanressourcen-Management oder Forschung & Entwicklung von der VC-Gesellschaft bzw. einer daran assoziierten Gesellschaft übernommen werden.

Die dargestellten Maßnahmen repräsentieren nur einen Ausschnitt der von CEA angestrebten Veränderungen ihrer Venture-Capital-Strategie. Sie bilden jedoch die Grundlage für die Unternehmensentwicklung von CEA und sind die konsequente Weiterentwicklung des bestehenden VentureCapital "Geschäftsmodells" im Zeitalter des E-Business.

Ähnliche Entwicklungen zeichnen sich auch in den USA ab. Vgl. o.V. (2000b), S. 87.

Management einer Venture-Capital-Gesellschaft im E-Business

293

Literaturverzeichnis Albach, H., Hundsdiek, D., Kokalj, L. (1986), Finanzierung mit Risikokapital, Stuttgart 1986 Barnett, N., Hodges, S., Wilshire, M. (2000), M-Commerce: An operator's manual, in: McKinsey Quarterly (2000), Nr.3, S. 162-173 Fried, V.H., Hisrich, R.D. (1995), The venture capitalist: a relationship investor, in: California Management Review, 37 (1995), Nr.2, S.101-113 Frommann, H. (1999), Bundesverband deutscher gesellschaften (BVK) Statistik 1999, Berlin 1999

Kapitalbeteiligungs-

Gompers, P. (1993), The theory, structure and performance of venture capital, Dissertation, Boston 1993 MacMillan, I.C., Siegel, R., Narasimha, P. (1985), Criteria used by Venture Capitalists to evaluate new venture proposals, in: Journal of Business Venturing, 1 (1985), S. 119-128 Merkle, E. (1984), Venture Capital als Instrument des TechnologieManagements, in: Der Betriebs-Berater (1984), Heft 17, S.1060-1064 o.V. (1996), The economic impact of venture capital in europe, Coopers & Lybrand Coporate Finance/ European Venture Capital Association (1996), unter: www.evca.com/publications#special o.V. (2000a), European technology success stories, EVCA, Europe private equity special paper, EVCA (Hrsg. 1999), unter: : www.evca.com/publications #special o.V. (2000b), Venture Capital - Money to burn, in: The Economist (2000), 27. Mai 2000, S.85-87 Perez, R.C. (1986), Inside venture capital - past, present, and futur, New York 1986 Rich, S.R., Gumpert, D.E. (1985), How to write a winning business plan, in: Havard Business Review, 63 (1985), Nr. 3, S.156-162 Schween, K. (1996), Corporate Venture Capital, Wiesbaden 1996 Siemer, S. (1991), Diversifizierung mit Venture Management, Berlin 1991 Silver, D.A. (1986), Venture Capital - The Complete Guide for Investors, New York 1986 Struck, U. (1990), Geschäftspläne, Stuttgart 1990 Wall, J., Smith, J. (1997), Better Exits, EVCA und Price Waterhous Corporate Finance (Hrsg. 1997), unter: www.evca.com/publications#special

1 5 . I P O VON START-UPS ZUM AUSBAU DER EIGENKAPITALBASIS

Stefan Pfender, Arnd Pölert

1.

EINLEITUNG

297

2.

DIE BEDEUTUNG DER EIGENKAPITALAUSSTATTUNG FÜR INTERNET-START-UPS

297

2.1 2.2 3.

4.

5.

6.

Finanzierungsphasen bei der Gründung von Unternehmen

298

Besonderheiten von Internet-Start-Ups

299

DIE ENTSCHEIDUNG FÜR EIN I P O

301

3.1

Vorteile einer guten Eigenkapitalausstattung

301

3.2

Eigenkapitalbeschaffung durch ein IPO

303

ABLAUF EINES BÖRSENGANGES

307

4.1

Vor dem Börsengang

308

4.2

Phasen eines IPO

309

4.3

Nach dem Börsengang

312

NETTO-EIGENKAPITALERHÖHUNG

312

5.1

Das Emissionsverfahren

313

5.2

Der Emissionspreis

314

5.3

Die Emissionskosten

315

FAZIT

317

IPO von Start-Ups zum Ausbau der Eigenkapitalbasis

1.

297

EINLEITUNG

Die Entwicklung der Internet-Branche schreitet rasant voran und ein Ende ist noch nicht abzusehen. Deloitte Research beobachtete von 1995 bis 1999 einen Anstieg der weltweiten E-Commerce-Umsätze von 0,1 Mrd. US$ auf 180 Mrd. US$. Im Jahr 2002 erwarten die Marktforscher ein weltweites E-Commerce Umsatzvolumen von 1.234 Mrd. USS.1 Parallel zu dieser Entwicklung hat die Finanzierung von Internet-StartUps über IPOs2 - in Deutschland insbesondere durch die Schaffung des Neuen Marktes - stark zugenommen. War früher der Börsengang größeren Aktiengesellschaften vorbehalten, ist der Börsengang für Internet-Unternehmen inzwischen zur bevorzugten Kapitalbeschaffungsvariante avanciert. Am neuen Markt wurden im Jahr 1999 knapp 140 Unternehmen neu notiert, und auch im Jahr 2000 haben bis April bereits etwa 50 Unternehmen den Sprung an die Börse gewagt. In diesem Szenario ist es für jedes Internet-Start-Up ein Muss, über die Möglichkeit der Eigenkapitalbeschaffung durch ein IPO nachzudenken.

2.

D I E BEDEUTUNG DER EIGENKAPITALAUSSTATTUNG FÜR INTERNET-START-UPS

Jedes neu gegründete Unternehmen durchläuft in seinen Anfangen eine Reihe von Phasen, in welchen ihm verschiedene Finanzierungsquellen für Eigen- und Fremdkapital zur Verfügung stehen (Punkt 2.1). High-Techund insbesondere Internet-Start-Ups weisen jedoch eine Reihe von Besonderheiten auf. Finanzierungsformen auf Basis von Fremdkapital scheiden auf Grund des sehr hohen Risikopotenzials zunächst häufig aus, womit der Finanzierung durch Eigenkapital eine besondere Bedeutung zukommt (Punkt 2.2). Vgl. o.V. (2000a), S. 2. Initial Public Offering; engl, für Börsengang.

298

2.1

IPO von Start-Ups zum Ausbau der Eigenkapitalbasis

Finanzierungsphasen Unternehmen

bei

der

Gründung

von

Vereinfachend lässt sich die Gründungszeit eines Unternehmens in die vier Phasen Seed-Phase, Start-Up, Marktreife und Expansion unterteilen, in welchen sich dem Unternehmen unterschiedliche Formen der Eigenund Fremdkapitalfinanzierung anbieten (vgl. Abbildung 1).

Abb. 1:

Phasen des Unternehmenswachstums Finanzierungsquellen

und

die

möglichen

In der Seed-Phase geht es um die Umsetzung einer Idee in verwertbare Resultate bis zum Geschäftskonzept für ein zu gründendes Unternehmen. Sofern dem jungen Unternehmer kein Fremdkapital in Form staatlicher Fördermittel zukommt, ist er zunächst auf Eigenmittel angewiesen. In den seltensten Fällen steht zu diesem Zeitpunkt bereits Venture Capital zur Verfügung. In letzter Zeit haben sich für diese Phase auch BusinessAngels etabliert, die dem jungen Unternehmer neben einer finanziellen

IPO von Start-Ups zum Ausbau der Eigenkapitalbasis

299

Unterstützung in Form einer Beteiligung auch mit ihrem Know-How bzw. ihrer Erfahrung zur Seite stehen.3 In der Start-Up-Phase, geht es um die Gründungsfinanzierung. Diese Phase bewegt sich zeitlich zwischen der Fertigstellung des Geschäftskonzepts und der Marktreife der Produkte. Neben staatlichen Fördermitteln stehen hier bereits häufig Venture Capital (Eigenkapital) sowie kurz- und langfristige Kredite (Fremdkapital) zur Verfugung. Gleiches gilt im Prinzip für die Phase der Marktreife. Sie beginnt mit dem Zeitpunkt, wo eines oder mehrere Produkte die Marktreife erlangen und dauert idealerweise bis zum Erreichen des Break Even. Erst in der Expansions-Phase, häufig beginnend mit dem Zeitpunkt des Break-Even, entsteht für die meisten Unternehmen die Möglichkeit der Beschaffung von Eigenkapital über ein IPO. In Abhängigkeit von den Marktverhältnissen stellt ein vorangestelltes "Late Stage Private Placement" in dieser Phase eine Alternative dar.4

2.2

Besonderheiten von Internet-Start-Ups

Internet-Start-Ups befinden sich in Bezug auf ihre Finanzierung insofern in einer besonderen Situation, als ihre Revenue-Modelle häufig nicht den klassischen Bewertungsmaßstäben zur Vergabe von Fremdkapital genügen. Sie bewegen sich in Wachstumsmärkten und haben daher insbesondere in der Anfangsphase, gemessen an ihrem Umsatz, einen relativ hohen Investitionsbedarf. Eine Deckung dieses Investitionsbedarfs durch Fremdkapital würde das Finanzrisiko des Unternehmens häufig in nicht zu vertretender Weise erhöhen und bei temporär schlechter Geschäftsentwicklung rasch zu Liquiditätsproblemen und ggf. auch Überschuldung fuhren. 5 Zu Illustrationszwecken denke man sich eine Situation, in der ein Internet-Unternehmen einen Finanzierungsbedarf von 10 Mio. € hat (vgl.

3 4 5

Eine Übersicht findet sich bei o.V. (2000b). Vgl. hierzu den letzten Abschnitt in Kapitel 2.(2). Vgl. Rappaport (1994), S. 21 ff.

300

IPO von Start-Ups zum Ausbau der Eigenkapitalbasis

Abbildung 2). Einerseits kann es diesen durch eine Finanzierung ohne Fremdkapital durch Ausgabe von 1 Mio. Aktien ä 10 € decken. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, im Rahmen einer gemischten Finanzierung die Hälfte des Betrages, also 5 Mio. €, durch Fremdkapital zu decken, für das eine Verzinsung von 8% und damit eine jährliche Zinslast von 400.000 € angenommen wird. Im Falle der wahrscheinlichen Geschäftsentwicklung sind die Ergebnisse je Aktie in beiden Fällen gleich. Beim optimistischen Szenario liegt die Verzinsung des Gesamtkapitals über der des Fremdkapitals, weshalb sich das Ergebnis je Aktie bei einer teilweisen Finanzierung durch Fremdkapital verbessert. Im pessimistischen Szenario allerdings liegt die Gesamtkapitalverzinsung unter der des Fremdkapitals, weshalb das Ergebnis je Anteilsschein im Falle einer teilweisen Fremdkapitalfinanzierung negativ wird. Optimistisch

Wahrscheinlich

Pessimistisch

Betriebsgewinn nach Steuern

1.600.000

800.000

0

Finanzierung ohne Fremdkapital Anzahl ausgegebener Aktien

1.000.000

1.000.000

1.000.000

Finanzierung mit Fremdkapital Zinsaufwand nach Steuern Jahresgewinn nach Steuern Anzahl ausgegebener Aktien Ergebnis pro Aktie

400.000 1.200.000 500.000 2,40

400.000 400.000 500.000 0.80

400.000 -400.000 500.000 -0,80

Abb.2:

Vergleich der Ergebnisse pro Aktie bei reiner Eigenkapitalfinanzierung gegenüber einer teilweisen Finanzierung mit Fremdkapital (Quelle: in Anlehnung an Rappaport 1994, S. 22f.)

Neben dem angesprochenen Kapitalstrukturrisiko spielt auch das Geschäftsrisiko eine Rolle. Dieses ist bei neu gegründeten Unternehmens sehr schwer einzuschätzen, weshalb eine Verzinsung von 8% als zu niedrig angesehen werden muss. Venture-Capital-Gesellschaften oder Fonds versuchen daher, eine Mindestrendite von 25% pro Jahr zu erwirtschaften, um das mögliche Ausfallrisiko zu kompensieren. Abgesehen von diesen im Bewertungsobjekt begründeten Problemen lässt sich allerdings auch eine im Bewertungssubjekt verortete Hürde

IPO von Start-Ups zum Ausbau der Eigenkapitalbasis

301

gegen eine Fremdkapitalfinanzierung identifizieren. Die mit der Vergabe von Fremdkapital betrauten Entscheidungsträger in den Kredit- und Firmenkundenabteilungen der Kreditinstitute können häufig weder mit den Business-Modellen der kapitalsuchenden Start-Ups noch mit der Geschäftslogik der High-Tech-Branche ausreichend vertraut sein und sind daher oft nicht bereit, sich in diesem Bereich zu engagieren. Bei Internet-Start-Ups ist Fremdkapital daher nicht selten bereits aus diesem Grund keine realistische Option. Für Wachstumsunternehmen ist eine ausreichende Eigenkapitalausstattung daher eine wesentliche Voraussetzung für überdurchschnittliche Expansion.

3.

D I E ENTSCHEIDUNG FÜR EIN I P O

Die Entscheidung eines Unternehmens für ein IPO sollte in die langfristige Unternehmensstrategie eingebettet sein. Daher liegt der erste Grund, wie bereits in Abschnitt 1 angesprochen, in den Vorteilen einer soliden Eigenkapitalausstattung für die spezifischen strategischen Handlungserfordernisse eines Internet-Start-Ups (Punkt 3.1). Darüber hinaus gilt es allerdings einige Besonderheiten der Eigenkapitalbeschaffung durch ein IPO zu beachten, für die das Unternehmen gerüstet sein muss (Punkt 3.2). Selbst wenn alle Gründe für einen Börsengang sprechen, muss der richtige Zeitpunkt abgepasst werden. In Zeiten volatiler Märkte ist dieses Timing besonders relevant. Daher bietet sich bei einer grundsätzlichen Entscheidung für ein IPO zu bestimmten Zeiten ggf. eine Art Zwischenfinanzierung durch so genanntes "Late Stage Private Placement" an.

3.1

Vorteile einer guten Eigenkapitalausstattung

Zu den bereits im Abschnitt 1 dargestellten Problemen der Fremdkapitalbeschaffung, welche vielfach eine Finanzierung über Eigenkapital erforderlich machen, kommen für Internet-Start-Ups einige ganz konkrete Vorteile einer ausreichenden Eigenkapitalausstattung hinzu. Diese bestehen insbesondere in

302

• • •

IPO von Start-Ups zum Ausbau der Eigenkapitalbasis

einer höheren Liquidität, mehr Investitionschancen und größeren Handlungsspielräumen.

Eine höhere Liquidität kann auf den dynamischen Internet-Märkten, in welchen zumindest in der Anfangsphase eines Unternehmen keine konstanten Cash-In-Flows prognostizierbar sind, überlebenswichtig sein. Sie entsteht im Falle einer guten Eigenkapitalausstattung aufgrund einer Erweiterung des Kreditspielraumes durch Vergrößerung des Haftungspotenzials. Darüber hinaus ist das Unternehmen frei in der Entscheidung, Dividenden nur bei Unternehmensgewinnen auszuschütten und so den Liquiditätsverzehr in Zeiten schwacher Ergebnisentwicklung zu verhindern. Eine starke Eigenkapitalbasis eröffnet weiterhin vermehrt Möglichkeiten zum Tätigen von zukunftssichernden Investitionen. Diese können zum einen in der Akquisition oder Erweiterung von attraktiven Geschäftsfeldern zur Renditeoptimierung oder Risikostreuung bestehen. Zu diesem Zweck besteht die Möglichkeit der Eigenentwicklung von Geschäftsfeldern oder der Akquisition anderer Unternehmen. Letztere kann für börsennotierte Unternehmen aufgrund der in der Regel höheren Bewertung nach Börseneinführung insbesondere bei der Akquisition (noch) nicht börsennotierter Unternehmen lukrativ sein und spielt inzwischen auch empirisch eine nicht zu unterschätzende Rolle. Ein Beispiel soll dies verdeutlichen (vgl. Abbildung 3): Unternehmen A notiert am neuen Markt mit einem KGV6 von 40. Bei einem Gewinn von 5 Mio. € entspricht das einem Börsenwert von 200 Mio. €. Unternehmen B ist nicht börsennotiert. Unternehmen A zahlt für B "großzügig" das siebenfache des Gewinns von 3 Mio. €, also 21 Mio. €. Das kombinierte Unternehmen AB macht nun insgesamt 8 Mio. € Gewinn. Der Börsenwert steigt bei konstantem KGV von 40 um 120 Mio. € auf 320Mio. €.

Kurs-Gewinn-Verhältnis.

303

IPO von Start-Ups zum Ausbau der Eigenkapitalbasis

Abb. 3:

Mehrwert durch Börseneinfiihrung

Akquisition

von

Zielgesellschaften

nach

Ein Sonderfall der Investition in neue Geschäftsfelder eröffnet sich durch die Nutzung von Aktien als Währung zur Akquisition von Unternehmen. Damit profitiert das Unternehmen bei Akquisitionen von der positiven Börsenkursentwicklung nur eines kleinen Teils aller Anteile. Insgesamt eröffnet eine solide Eigenkapitalausstattung größere Handlungsspielräume sowie eine geringere Krisenanfälligkeit, z. B. durch umfangreichere Möglichkeiten des Ausgleichs von Verlusten oder flexiblere Reaktionen auf sich bietende Wettbewerbsvorteile.

3.2

Eigenkapitalbeschaffung durch ein IPO

Es wurde bereits angesprochen, dass eine sichere Eigenkapitalbasis für das Wachstum des Unternehmens unerlässlich ist. Ein IPO ermöglicht eine solche solide Eigenkapitalausstattung und bietet damit größere unternehmerische Handlungsmöglichkeiten.

Eine solche für Untemehmensakquisitionen adäquate "Währung" in Form der eigenen Aktie durch ein IPO zu generieren, ist unter Umständen auch für etablierte börsennotierte Unternehmen sinnvoll. So hat die Deutsche Telekom AG den Börsengang der eigenen Tochter T-Online AG primär unter dieser Perspektive durchgeführt. T-Online kann nun mit der eigenen Aktie das weitere externe Wachstum finanzieren.

304

Abb. 4:

IPO von Start-Ups zum Ausbau der Eigenkapitalbasis

Die Entwicklung von Amazon.com

Als Beispiel fur die Bedeutung der Eigenkapitalausstattung kann die Entwicklung von Amazon.com betrachtet werden (vgl. Abbildung 4). Dieses Unternehmen, eines der Pioniere des E-Commerce, gründet seine rasante Entwicklung in entscheidendem Maße auf die durch den IPO am 15. Mai 1997 geschaffene solide Eigenkapitalbasis. Diese ermöglichte in den Folgejahren die Finanzierung des Wachstums in Form von Akquisitionen. So wurden nacheinander Unternehmen wie BookPage (UK), Telebook (D), Internet Movie Database (US), Junglee (US), Plant All (US) und Drugstore (US) übernommen und integriert. Ein Börsengang ist jedoch weit mehr als nur die Beschaffung von Wachstumskapital. Er stellt darüber hinaus auch eine Art Marketingveranstaltung zur Erhöhung des Bekanntheitsgrades dar. Im Einzelnen sind die zentralen Motive für einen Börsengang vielschichtiger Natur und werden meist als Motivbündel in die Emissionsstrategie einfließen. Sie lassen sich wie in Abbildung 5 als Nutzen-Kreislauf darstellen.

IPO von Start-Ups zum Ausbau der Eigenkapitalbasis

\

Genereller Zugang zum Kapitalmarkt

/

/

Verbesserung / des inter/ / nationalen / / Renommées

/ /

Höhere Attraktivi- \ t»t f ü r \ Führungs\ kräfte und J \Mitarbeiter / f

/

/

Zuführung \ von Wachs\ N. tums\ kapital

/

Erhöhung 1 des BeI kanntheitsgrades /

/ Verbesse/ rung der / Stellung / gegenüber / Kunden /

1

Abb. 5:

\

Gründe für den Börsengang

1 Verbesserung der / Stellung 1 gegenüber Banken l

305

Verbesserung der Stellung gegenüber Lieferanten

\ \

Zentrale Motive für einen Börsengang

Das IPO fuhrt umgehend zur Zuführung von Wachstumskapital für das Unternehmen. Durch die Börsenzulassung entsteht aber auch ein genereller Zugang zum Eigenkapitalmarkt mit der grundsätzlichen Möglichkeit, bei Bedarf durch eine Kapitalerhöhung weiteres Eigenkapital aufzunehmen. Gleichzeitig führt ein IPO zu einer Erhöhung des Bekanntheitsgrades, was sich auf vielfältige Weise auf das Image des Unternehmens und damit letzten Endes auch wieder auf seine Finanzierungsmöglichkeiten auswirkt. Der im Rahmen eines IPO notwendigerweise erbrachte Nachweis der Börsenreife stellt ein Qualitätszeugnis erfolgreicher Unternehmensfiihrung dar (vgl. Abbildung 6).

306

IPO von Start-Ups zum Ausbau der Eigenkapitalbasis

Formale Kriterien

Innere Börsenreife • Zeitnahes, internes

Alter

und externes Rechnungswesen

Umsatz Testierte Jahresabschlüsse Rechtsform AG Plazierungsvolumen ca. 25%

Potentiale des Unternehmens

Markt- und Branchensituation

Umsatzrendite > Branchenrendite

Branchenposition Stabile und positive Marktentwicklung

Steigender Umsatzund Gewinnwachstum

• Effizientes Controlling

• Fundierte und differenzierte Unternehmensplanung

Erfüllung der Erfolgsfaktoren im Markt

Klare Unternehmensstrategie

Markteintrittsbarrieren

Hohes Innovationspotenzial

m Transparente

Hohe Managementkompetenz

Organisations- und Beteiligungsstrukturen

einfach

Abb. 6:

schwierig

Verifizierung Der Nachweis der Börsenreife stellt erfolgreicher Unternehmensführung dar.

ein

Qualitätszeugnis

Zunächst hat das Unternehmen mit dem Börsengang formale Kriterien erfüllt. Hierzu zählen sein Alter, der Umsatz, die Zurverfügungstellung testierter Jahresabschlüsse, die Rechtsform der AG sowie ein Platzierungsvolumen von ca. 25%. Darüber hinaus kann der Betrachter aus einem Börsengang auch auf eine so genannte innere Börsenreife schließen. Diese umfasst ein zeitnahes internes und externes Rechnungswesen, ein effizientes Controlling, eine fundierte und differenzierte Unternehmensplanung, sowie transparente Organisations- und Beteiligungsstrukturen. Auch die Positionierung innerhalb der Markt- und Branchensituation ist bei einem erfolgreichen Börsengang von den Investoren geprüft und für gut befunden worden. Hierzu zählen eine solide Branchenposition mit Erfüllung der Erfolgsfaktoren im Markt, eine stabile und positive

Für eine Notierung am Neuen Markt ist beispielsweise ein dreijähriges Bestehen des Unternehmens Voraussetzung.

IPO von Start-Ups zum Ausbau der Eigenkapitalbasis

307

Marktentwicklung sowie gegebenenfalls auch der erfolgreiche Aufbau von Markteintrittsbarrieren. Schließlich spricht ein Börsengang auch für das Vorhandensein von Unternehmenspotenzialen wie Managementkompetenz, Innovationspotenzial und einer klaren Unternehmensstrategie, aber auch der Erwartung steigender Umsätze und Gewinne. Diese Art Qualitätsnachweis verbessert die Stellung des Unternehmens gegenüber Kunden und damit auch gegenüber Lieferanten, was insgesamt einen positiven Einfluss auf seine Attraktivität für Führungskräfte und Mitarbeiter hat. Ein solches positives Umfeld wirkt - ungeachtet der verbesserten Eigenkapitalsituation - wiederum auf die Verhandlungsposition gegenüber Banken und sonstigen Fremdkapitalgebern. Alle diese Faktoren wirken gleichfalls auf die Entwicklung des internationalen Renommees. In Zeiten volatiler Märkte ist es möglich, dass sich die Marktlage für ein IPO vorübergehend sehr ungünstig darstellt. Fällt die Entscheidung eines Unternehmens für ein IPO zu einem solchen Zeitpunkt, bietet sich als Überbrückung eine so genannte Second Stage oder Late Stage Private O

Round an. Hierbei werden im Rahmen einer Roadshow ausgewählte Investoren wie Crossover Public Funds, institutionelle bzw. vermögende private Investoren, oder auch Late Stage Venture Capital Funds angesprochen. Voraussetzung ist dabei zumeist ein geplanter IPO innerhalb der nächsten 6 bis 18 Monate.

4.

ABLAUF EINES BÖRSENGANGES

Im Rahmen der Investors Relations - ausgehend von dem Verständnis eines IPO als Marketingveranstaltung - ist der gesamte Börsengang idealerweise mit dem Aufoau eines Spannungsbogens vergleichbar. Ausgehend von der Entscheidung und Veröffentlichung des Börsenganges (A) erfolgt durch sukzessives Durchlaufen der strategischen Planung,

vgl. Herrgott/Soltmann (2000), S. 8ff.

308

IPO von Start-Ups zum Ausbau der Eigenkapitalbasis

Aufbau der Story des Börsenganges, erste Gespräche mit Emissionsbanken und Steigerung des Bekanntheitsgrades in der ersten Phase (B) sowie eine gezielte Investor-Relations-Strategie, Steuerung der Research-Berichte, professionelle Öffentlichkeitsarbeit und Intensivierung der Marketingaktivitäten (C+D) der Aufbau eines Spannungsbogens, der in der Inszenierung der Pressekonferenz (E) seinen Höhepunkt erreicht. In einem zweiten Zugriff lässt sich im Rahmen der "Story danach" nochmals ansetzen und erneut eine Spannung aufbauen (vgl. Abbildung 7).

Abb. 7:

Der Aufbau eines Spannungsbogens Börseneinführung

4.1

Vor dem Börsengang

als Erfolgsfaktor

für

die

Vor einem Börsengang liegen die bereits in Abschnitt 1 angesprochenen Phasen des Unternehmenswachstums. In Bezug auf den geplanten Börsengang kommt es darauf an, in diesen früheren Phasen die Grundlage für einen erfolgreichen Börsengang zu schaffen. Hierzu gehört zunächst einmal die Schaffung einer Kapitalbasis i. d. R. durch Venture Capital, die Schaffung von Freiräumen für das operative Geschäft, der Aufbau von Mitarbeiterpotenzial und eine Steigerung des Unternehmenswertes. Nur wenn die Unternehmenspolitik bereits in diesen frühen Phasen auf den späteren IPO ausgerichtet wird, kann damit gerechnet werden, dass durch einen IPO das Eigenkapital auch in der erhofften Höhe realisiert werden kann.

IPO von Start-Ups zum Ausbau der Eigenkapitalbasis

4.2

309

Phasen eines IPO

Der Börsengang selbst stellt ein Projekt dar, das reibungslos neben dem laufenden Geschäftsbetrieb abgewickelt werden muss und deshalb professionell betreut werden sollte. Es bietet sich an, zur Unterstützung dieses Prozesses auf einen der verschiedenen Dienstleister zurückzugreifen, welche den Prozess von der Klärung von Grundsatzfragen bis hin zur Marktpflege nach der Emission unterstützen.

Das gesamte Projekt "Börsengang" lässt sich in sieben Phasen unterteilen und erstreckt sich in der Regel über etwa sechs bis sieben Monate (vgl. Abbildung 8). (1)

Zunächst gilt es grundsätzliche Fragen zu Ausgangs Situation und Zielen des anstehenden Börsenganges zu klären. Dies beginnt mit einer verbindlichen Festlegung der Emissionsziele (Dimensionierung und Kapitalstruktur) sowie einer umfassenden Analyse der Unternehmenssituation vor dem Hintergrund der Börsenfähigkeit. Weiterhin müssen grundsätzliche Überlegungen bezüglich der Darstellung des vorbörslichen Grundkapitals sowie hinsichtlich der Verwendung des durch den Börsengang realisierten Mittelzuflusses angestellt werden. Parallel dazu ist es erforderlich, sich über die Erfolgsfaktoren des Geschäftskonzeptes klar zu werden und in Verbindung damit die strategische Ausrichtung festzulegen. Ist dies erfolgt, entwickelt man eine Equity Story (über

310

IPO von Start-Ups zum Ausbau der Eigenkapitalbasis

die Verwendung des Mittelzuflusses) und aufbauend darauf einen (neuen) Business-Plan sowie eine Unternehmenspräsentation. Die Erstellung eines Zeitplans (inkl. Überlegungen über den richtigen Zeitpunkt) für den Börsengang und die Bildung des zuständigen Projektteams schließen die erste Phase ab. (2)

Sind die Grundsatzfragen geklärt, beginnt die Ausarbeitung eines Emissionskonzeptes. Hierbei ist zunächst an evtl. notwendige gesellschaftsrechtliche Anpassungen zu denken. Sofern dies noch nicht erfolgt ist, gehört dazu insbesondere der Rechtsformwechsel in eine börsenfähige Aktiengesellschaft. Darüber hinaus sollte das interne Rechnungswesen dem Informationsbedürfnis der zukünftigen Anleger entsprechen. Ein modernes und leistungsfähiges Controlling und Rechnungswesen, unterstützt durch eine plausible Planungsrechnung für die nächsten drei bis fünf Jahre überzeugt auch Außenstehende vom Ertragspotenzial des Unternehmens. Ebenfalls in diese Phase fallt die Konzeption von Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen und Manager Incentive Plänen. Diese werden vom Kapitalmarkt sehr positiv aufgenommen und sollten daher Teil eines jeden Börsenganges sein. Aus der Vielzahl der Gestaltungsmöglichkeiten sollte ein individuelles Konzept ermittelt werden, das die Interessen des Unternehmens optimal berücksichtigt. Ebenfalls sollten die Überlegungen zu der Höhe des Emissionsvolumens präzisiert und das genaue Emissionsvolumen festgelegt werden. Auch die Berechnung des Unternehmenswertes hat an dieser Stelle als Vorbereitung auf die Preisfestlegung zu erfolgen. Schließlich muss die bereits in Phase 1 erstellte Unternehmenspräsentation für Gespräche mit Emissionsbanken und der Deutschen Börse AG verbindlich verabschiedet werden. Den Abschluss der zweiten Phase bilden die Präsentation bei der Deutschen Börse AG sowie die Auswahl von Wirtschaftsprüfer (sofern noch nicht geschehen), evtl. eines externen Beraters für alle Investor-Relations-Aktivitäten und der Auswahl der Emissionsbanken). Gegebenenfalls stehen in dieser Phase auch noch

IPO von Start-Ups zum Ausbau der Eigenkapitalbasis

311

Überlegungen über die Möglichkeit der Durchführung einer Beteiligung zur Bridge-Finanzierung an. (3)

Während der nächsten Phase erfolgt die Vorbereitung auf die Emission. Hier wird nun auch innerbetrieblich die Konzeptionsebene verlassen und mit der Umsetzung der verabschiedeten Konzepte begonnen. Dabei geht es im Einzelnen zunächst um die Durchführung der gesellschaftsrechtlichen Anpassungen. Des Weiteren erfolgt die Implementierung des Konzepts für Rechnungswesen, Controlling und Berichtswesen. Auch die beschlossenen Mitarbeiterbeteiligungs- und ManagementIncentive-Programme müssen an dieser Stelle realisiert werden. In Zusammenarbeit mit den ausgewählten Wirtschaftsprüfern wird das Testat der Jahresabschlüsse über die letzten drei Jahre nach HGB und US-GAAP/IAS erfolgen. Sofern das Unternehmen sich in einem laufenden Geschäftsjahr befindet, muss es ebenfalls einen Zwischenabschluss erstellen und testieren lassen. Sind diese Aufgaben erledigt, kann die Investor-Relations-Arbeit, ggf. mit Unterstützung durch den ausgewählten externen Berater, beginnen.

(4)

In der nun folgenden Phase der Initiierung von Zulassungsverfahren und Emissionsverhandlungen beginnen die Gespräche mit der Zulassungsstelle durch die Emissionsbank. Auch die endgültige Festlegung des Konsortiums fällt in diesen Zeitraum. Weitere wichtige Bausteine sind die Durchfuhrung einer Marktund Wettbewerbsanalyse sowie die Vorbereitung der Due Dilligence durch die Emissionsbank. Während die InvestorRelations-Arbeit auch in dieser Phase weiterläuft, erfolgt abschließend die Vorbereitung und Erstellung des Emissionsprospektes.

(5)

In der darauf folgenden Phase geht es konkret um die Erlangung der Börsenreife. Hier erfolgt die Vorbereitung der Unterlagen für die Analysten sowie die Analystenpräsentationen. Die InvestorRelations-Arbeit ist auch ein wichtiger Faktor in dieser Phase. Das

312

IPO von Start-Ups zum Ausbau der Eigenkapitalbasis

Ergebnis dieser Phase besteht im Beginn des Zulassungsverfahrens und in der Erstellung der Research-Berichte durch die Emissionsbank. (6)

4.3

Als letzte der eigentlichen IPO-Phasen erfolgt die Börsenzulassung und Platzierung an der Börse. Hier erfolgt zunächst die Vorbereitung und Durchfuhrung der Börsenzulassung in Zusammenarbeit mit den Emissionsbanken, nach wie vor unterstützt durch Investor-Relations-Arbeit. Ebenfalls in diese Phase fallen Vorbereitung und Durchführung der Pressekonferenz, wie auch das Erstellen und Durchführen der Road Show. Schließlich fallt noch die wichtige Aufgabe der Aktienzuteilung an, um die angestrebte Aktionärsstruktur zu erreichen. Das Ergebnis dieser Phase besteht also in der Platzierung der Aktien an der Börse und der Neuaufnahme der Notierung.

Nach dem Börsengang

Nach Abschluss der vorangegangenen Phasen muss eine permanente Marktpflege einsetzen. Von diesem Zeitpunkt ab fallen regelmäßige Zwischenberichterstattungen und Ad-hoc-Meldungen an. Zudem besteht die Möglichkeit weiterer Kapitalmaßnahmen oder eventueller M &AAktivitäten. Auch nach dem IPO läuft notwendigerweise die InvestorRelations-Arbeit weiter.

5.

NETTO-EIGENKAPITALERHÖHUNG

Abschließend soll kurz auf die Frage eingegangen werden, mit welcher Eigenkapitalausstattung ein Unternehmen im Falle eines Börsenganges rechnen kann. Das netto zugefuhrte Eigenkapital im Rahmen eines IPO errechnet sich aus dem erzielbaren Emissionspreis je Aktie, multipliziert mit der Anzahl der platzieren Aktien abzüglich der durch die Emission anfallenden Kosten.

IPO von Start-Ups zum Ausbau der Eigenkapitalbasis

5.1

313

Das Emissionsverfahren

Es werden grundsätzlich zwei verschiedene Formen von Emissionsverfahren unterschieden. In den vergangenen Jahren hat sich das so genannte Bookbuilding-Verfahren, für die Festsetzung des Kurses einer Neuemission durchgesetzt. Dabei nimmt das Unternehmen in einem ersten Schritt gemeinsam mit den Emissionsbanken eine Bewertung vor. Die vorgesehene Emission wird dann potenziellen Großanlegern vorgestellt, womit das Unternehmen die Vorstellungen über Preis und Nachfrage erforscht und einen Richtwert für den Emissionskurs unter Berücksichtigung der aktuellen Marktlage erhält. Daraus ergibt sich schließlich die Bookbuilding-Spanne, innerhalb derer die Investoren beim Börsengang ihre Kauf-Orders platzieren können. Die Zeichnungswünsche werden nach Menge und Preis gesammelt. Auf Grundlage der bestehenden Nachfrage unter Berücksichtigung der aktuellen Marktlage und nach Absprache mit dem Emittenten wird dann durch die Emissionsbanken der Emissionspreis festgelegt. In neuerer Zeit ist einige Kritik am Bookbuilding-Verfahren laut geworden. Das Emissionshaus Trigon verwies auf eigene 10 Untersuchungen, die ergaben, dass die Abweichungen zwischen dem ersten an der Börse festgestellten Kurs und dem von der Bank festgelegten Emissionskurs im Jahr 1999 im Durchschnitt +57,68% betrugen, womit dem Unternehmen bzw. dessen Altaktionären regelmäßig Millionenbeträge entgehen. Die Lösung für dieses Problem soll im so genannten Auktionsverfahren 1 liegen. Grundsätzlich handelt es sich bei diesem Verfahren um ein Bieterverfahren, d. h. der potenzielle Anleger zeichnet die Aktien unter Angabe eines frei festlegbaren Preisgebotes. Nach Ablauf der Zeichnungsfrist wird der Preis nach den üblichen Preisfeststellungsregeln der Börse ermittelt. Als Orientierungshilfe für den Anleger werden verschiedene Analysen von konservativ bis spekulativ erarbeitet.

10 11

Vgl. o.V. (1999b). Vgl. zu diesem Verfahren o.V. (1999c) und o.V. (1999a), S. 44ff.

314

5.2

IPO von Start-Ups zum Ausbau der Eigenkapitalbasis

Der Emissionspreis

Zur Feststellung des fairen Emissionspreises werden unterschiedliche Verfahren angewandt. Die gängigsten dieser Verfahren sind das Multiplikatorverfahren (auch als Multiple oder Peer-Group-Vergleich bezeichnet), sowie das Discounted Cash Flow Verfahren als die gängigste Spielart der Ertragswertmethode. Das Multiplikatorverfahren erfolgt auf der theoretischen Grundlage, dass sich die Bewertung eines Unternehmens an der eines vergleichbaren Unternehmens orientieren sollte. Üblicherweise werden deshalb Aktien von Unternehmen aus der gleichen oder einer ähnlichen Branche herangezogen12, deren Bewertungskennzahlen auf das zu bewertende Unternehmen transferiert werden. Die gängigsten Kennzahlen in diesem Zusammenhang sind das Kurs-Umsatz-Verhältnis, das Kurs-GewinnVerhältnis und das Price-Earnings-Growth. Bei dem Bewertungsvergleich mit dem Kurs-Umsatz-Verhältnis (KUV) wird das durchschnittliche Kurs-Umsatz-Verhältnis der PeerGroup errechnet, welches ausdrückt, wie viel € Kurswert für einen € Jahresumsatz gezahlt werden müssen. Diese Zahl liegt typischerweise zwischen 2,0 und 7,0. Im Anschluss lässt sich durch Anwendung des KUV auf das neue Unternehmen nun bestimmen, welcher Aktienkurs bei gegebenen Umsatzprognosen gerechtfertigt erscheint. Eine weitere Möglichkeit besteht in einem Bewertungsvergleich mit Hilfe des Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV). Hierbei wird das durchschnittliche Kurs-Gewinn-Verhältnis der Peer-Group errechnet, welches das Verhältnis des Aktienkurses zum Ergebnis je Aktie in Relation stellt. Gängige Werte liegen hier in etwa zwischen 20 und 90, wobei allerdings auch relativ starke Ausreißer nach oben an der Tagesordnung sind. Durch Anwendung des KGV auf das neue Unternehmen lässt sich nun bestimmen, welcher Aktienkurs bei gegebenen Gewinnprognosen realistisch erscheint.

Um die Aussagekraft des Vergleichs zu stärken, beschränkt sich diese Vorgehensweise nicht auf ein Unternehmen, sondern wird für eine Gruppe von Vergleichsunternehmen (Peer-Group) durchgeführt.

IPO von Start-Ups zum Ausbau der Eigenkapitalbasis

315

Eine dritte Möglichkeit des Bewertungsvergleichs besteht in der Anwendung des Price-Earnings-Growth (PEG). Diese Zahl setzt das Gewinnwachstum ins Verhältnis zum KGV. Bei Unternehmen mit starken Wachstumsraten kann diese Kennzahl dazu dienen, die Wachstumsperspektiven einzurechnen. Gerade bei dynamisch wachsenden Aktiengesellschaften ist es jedoch nicht ungewöhnlich, dass diese in den ersten Jahren ein negatives KGV aufweisen. In diesen Fällen kann die Kennzahl nicht angewendet werden. Die Anwendung der aus der Peer-Group ermittelten Kennzahlen muss nicht unreflektiert erfolgen, sondern kann in einem präziseren Ansatz aufgrund verschiedener Kriterien an die spezifische Situation des Unternehmens angepasst werden. Eine nicht abschließende Aufzählung dieser Kriterien enthält das aktuelle Bewertungsniveau, das Zinsniveau, das Wachstumspotenzial von Umsatz und Ertrag, die Stetigkeit des Wachstums, den Grad der Produkt- und Regionaldiversifikation, die Finanz- und Ertragskraft, die Qualität des Managements, die Wettbewerbsintensität und den Bekanntheitsgrad des Unternehmens. Das Discounted-Cash-Flow-Verfahren legt den Unternehmenswert in direkter Abhängigkeit von der Ertragskraft des Unternehmens fest und basiert auf der Diskontierung zukünftiger freier Cash-Flows. Hierzu werden im einfachsten Fall zunächst die Cash-Flows der nächsten 10 Jahre geschätzt sowie die der darauf folgenden Jahre als konstant angenommen und dann auf ihren Gegenwartswert abdiskontiert. Der dabei in Anwendung kommende Diskontierungszins errechnet sich als Summe des risikolosen Zinses, z. B. dargestellt durch die Rendite 10-jähriger inländischer Staatsanleihen, derzeit ca. 5,5%, und einer Risikoprämie, welche im Neuen Markt im Schnitt bei etwa 10% liegt.

5.3

Die Emissionskosten

Die Kosten einer Emission liegen insgesamt zwischen 9% und 14% des Emissionsvolumen. Sie lassen sich in vier Kategorien einteilen (vgl. Abbildung 9).

316

IPO von Start-Ups zum Ausbau der Eigenkapitalbasis

r Sonstiges Kosten (4% - 6%)

GesamtKosten (9% - 1 4 % )