Civilistische Abhandlungen: Band 1 Das Accrescenzrecht und die successio graduum der Novellen 118 und 127 [Reprint 2019 ed.] 9783111693606, 9783111305912


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Table of contents :
Inhaltsverzeichniß
Einleitung
§. 1. Umfang der successio ordinum et graduum
§. 2. Verhältniß des Accrescenzrechtes zur successio graduum
§. 3. Welcher Zeitpunkt entscheidet für die Vertheilungsweise der Erbmasse?
§. 4. Schluß
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Civilistische Abhandlungen: Band 1 Das Accrescenzrecht und die successio graduum der Novellen 118 und 127 [Reprint 2019 ed.]
 9783111693606, 9783111305912

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Civilistische Abhandlungen von

Dr. Th. L. von Hklmolt.

Erstes Heft.

eso Gießen, 1855.

I. Ricker'sche Buchhandlung.

Accreseenzrecht und die

successio gradnmn der Novellen 118 und 127 von

Dr. Th. L. vo» Helmolt.

----------- i"iawn Gießen, 1855.

I. Ricker'sche Buchhandlung.

I. Das

Accrescenzrecht und die snccessio gradnum -er Novellen 118 und 127.

Jnhaltsverzeichniß. Einleitung.............................................................. 1—2 Zerlegung deS Stoffes Im Allgemeinen. Gegenwärtiger

wissenschaftlicher Zustand der zu behandelnden Fragen.

$. f. Umfang der ■accessio ordinam et graduum

2—33

Theoretischer und praktischer Einfluß deS zu versuchen­

den Beweises, daß Justinian in Nov. 118 eine all­ gemeine successio ordinum et graduum wörtlich angeordnet, oder doch ausdrücklich daraufhingewiesen

habe.

(S. 2.)

Allgemeine Angabe deS zur Führung

dieses Beweises einzuschlagenden WegeS, (S. 2) :

I. Prüfung der Frage, was die Römer unter ordo und gradus, und was unter successio sequentis ordillis und sequentis gradus verstehen.

(@.3—10.) Kurze

geschichtliche Entwicklung bis auf Nov. 118.

(S. 4—7.)

Widerlegung der Behauptung von Bangerow und

ArndtS : die Römer machten überhaupt keine scharfe

Unterscheidung zwischen successio ordinum und successio graduum.

(S. 7 — 9, vgl. S. 18.)

j. 11 J. de grad. cogn. (S. 9. 10).

Theoph. ad

Sette

IL Augave des Hauptinhalts der Nov. 118 und 127, c. 1. (S 10—15.)

nian habe auch

Widerlegung der Anflcht, Justi­

in Nov. 127 die vollbürtigen Ge­

schwisterkinder bei bloser Concurrenz mit Ascendenten

von der ersten Delation ausgeschlossen.

(S. 12, 13.)

in. Beweisführung, daß Justinian in den Wor­

ten der Nov. 118, c. 5 : unumquemque secundum gradum et ordinem eine allgemeine successio graduum et ordinum ausdrücklich habe anerkennen wollen.

Die

bisher widerspruchslos herrschende Anflcht, die Nov. 118 enthalte kein Wort über successio graduum et ordinum

ist demnach unbegründet Anfichten

(S. 15 — 33.)

von Puchta und Büchel

Besondere

über successio

graduum der Nov. 118. (S. 16. 17.) Unzulänglichkeit des für die Allgemeinheit der successio graduum aus

der Tendenz der Nov. 118 überhaupt, oder aus den Worten des cap. 4 versuchten Beweises. (S. 18—21.)

Betrachtung der Worte de-^ap. 5 : unumquemque u. f. w. Verhältniß zwischen hereditas und Tutel vor Nov. 118. (S. 22—25.)

Combination des j. 7 J. de leg. agn.

succ. und 1. 4 C. de bon. lib. mit Nov. 118, c. 5.

(S. 26 — 30.)

Widerlegung etwaiger Einwendungen

über Zuläfflgkeit eines Rückschlusses von der Tutel auf die Jnteftaterbfolge.

(S. 30-33.)

$. 2. Verhältniß de- AeereSeenzrechte- zur

*uc-

ceiaio graduum Leitende GefichtSpunkte bezüglich der Anordnung der Berwandtenerbfolge.

(S. 33—35.) Ercluflve Wirkung

des Augenblicks der Delation. (S. 36.) $. 9 J. de bon. poss.

Unrichtige Auslegung dieser Stelle durch Mayer

und Bangerow. (S. 37—39.) Wegfall einzelner Delaten vor dem Erwerbe ihres Antheils, und dadurch,

zufolge der Idee der Universalsuccesfion, von selbst ge­

botener Uebergang zum AccreScenzrecht. (S. 39.) J u-

33—83

IX

Seite

sttmtan

hat an den für

letzteres bisher geltenden

Grundsätzen in Nov. 118 nichts geändert.

(S. 40.)

Fälle, in welchen viele neuere Schriftsteller eine Modistcation der bisherigen Grundsätze über AccreScenzrecht zu Gunsten der successio graduum durch Nov. 118 be­

haupten.

(S. 41. 42.)

Die Ansicht des unbedingten

Vorzugs des AccreScenzrechteS vor der successio gra­

duum ist die allein richtige.

(S. 43.)

Prüfung der

I. Das Wesen des AccreScenzrechteS.

(S. 43—45.)

gegnerischen Gründe:

Widerlegung der Ansicht von Francke über die, auf

die

Analogie der testamentarischen Substitution und

1. 37 de test. mil. gestützte, angebliche Subsidiarität des

AccreScenzrechteS.

(S. 45—50 ) Unrichtigkeit der An­

sicht von Mayer, das Wesen des AccreScenzrechteS

bestehe darin, daß der wegfallende De lat so behandelt werde, als sei er nie dagewesen.

(S. 50. 51.)

n. Die Berufung auf daS gleichstarke Erbrecht der entfernteren Descendenten, Ascendenten und der Ge­ schwisterkinder mit den früher berufenen Oheimen u. s. w.

ist zur Begründung des Vorzugs der successio gra­ duum ebensowenig geeignet, (S. 51 — 53.) wie

III. die Berufung auf 1. 2 $. 18 ad SC. Tert, und

IV. auf singuläre Fälle möglicher DecreScenz, z. D. I. 4 8i pars bered, pet.

(S. 54. 55.)

V. Der Ausdruck der Nov. 118 : in locum et jura

succedere, aus welchem ebenfalls der Vorzug der suc­ cessio graduum vor dem AccreScenzrechte hergeleitet werden soll, ist bisher in vielfacher Weise mißverstan­ den, und selbst von Anhängern des Vorzugs des Ac­

creScenzrechteS, z. B. Büchel und Bangerow, zu

unrichtigen Theorieen benutzt worden.

(S. 55. 56.)

Der genannte Ausdruck hat an sich, sowie

auch in

Nov. 118 nur eine faktische Bedeutung, (@.55—61)

X Sette

die prinzipiell sowohl von der Berufung als sol­ cher, (welche keine quantitativen Unterschiede kennt, S. 62.) wie auch von der Bertheilung der Erb­ masse zu trennen ist. Gerade aus dieser genaueren Unterscheidung ergiebt sich :

1) die Unrichtigkeit des fg. Repräsentationsrechtes; (S. 63.) 2) die Unhaltbarkeit der Art und Weise wie Büchel, nach Analogie der „testamentarischen", die Theorie der sg. „gesetzlichen" Substitution construirt. (S. 64—69.) Unrichtige Betonung der Worte praemortuus und privilegium durch Büchel (S. 66 — 68.) Ähnliche Ansicht Burchardt'S. (Note 87.) 3) Die Inkonsequenz der Darstellung Bangerow'S, und der innere Widerspruch seiner Ansicht über die „gesetzliche" Substitution. (S. 69- 75.) Prüfung, was haltbares an der Idee der „gesetzlichen" Substi­ tution sei. Dieselbe ist nicht geradezu unrichtig. Die Analogie der testamentarischen Substitution kann jedoch nicht in positiver Weise für die Intestaterbfolge benutzt werden, sondern sie bildet nur die allge­ meine Schranke, über welche in keinem Falle hin­ ausgegangen werden dürfte. Mit dieser blosen Ne­ gative ist aber an sich für die positive Uebertragung der testamentarischen Substitution auf die Jntestaterbfolge noch nicht der geringste Anhaltspunkt ge­ geben. Eine solche Uebertragung setzt vielmehr für jede einzelne Anwendung bestimmte Quellenzeugniffe voraus, welche nur ausnahmsweise, man kann sagen nur scheinbar vorliegen, z. B. 1. 61 Z. i de leg. II. Deshalb ist es zweckmäßiger die Ausdrücke „Repräsen­ tation" und „Substitution" für die vorliegende Lehre ganz fallen zu lassen. (S. 75 — 77.)

4) Die Unrichtigkeit der Ansicht von Sintenis, daß

XI

(Enkel unb) Neffen nicht jure proprio, sorrdexv nur durch eine besondere successio in locum parentis praedefuncti succediren, sowie dessen Unterscheidung zwischen

unryittelbarer und mittelbarer Berufung als Kennzeichen für die Theilung in capita oder stirpes.

(S. 77-81.)

VI.

Auch die von Witte und SinteniS hervor­

gehobene Allgemeinheit der successio ordinum et graduum, sowie die fortschreitende Entwicklung der letzte­

ren hiS zur Nov. 118 kann Pen Borzug der successio graduum vor dem AccreSceuzrecht nicht rechtfertigen. (S. 81-83.)

Z. 3. Welcher Zeitpunkt entscheidet für die Dertheilungsweise der Erbmasse? . . . 83—92 Die Art der Dertheilung der Erbmasse nach Nov. 118

(in capita, in Stirpes, in lineas,) erscheint in ihren einzelnen Bestimmungen bei unbefangener Betrachtung als eine vernünftige und anwendbare.

Insbesondere

ist die Berthellung in stirpes bei entfernteren Descen­

denten

und

Geschwisterkindern

gerechte.

eine

Die

Stammtheilung ist lediglich aus dem Gesichtspunkte einer, aus Rücksicht auf die Miterben angeord­ neten, Beschränkung deS natürlichen Anspruchs jedes Berufenen auf einen Kopstheil zu betrachten.

DaS

Erbrecht der entfernteren Descendenten u. s. w. wird aber durch

die Stammtheilung gar

nicht alterirt,

denn die Erbberechtigung als solche kennt keine quan­ titativen Unterschiede.

(S. 83—85.)

Die Berufung

der entfernteren Descendenten u. s. w. ist eine ganz

selbständige, und deshalb kommt ihr ParenS für seine Person hier gar nicht mehr in Betracht, sondern ist

blos daS Mittel zur Darstellung des StammtheilS. (S. 86.)

Zur Feststellung der BertheilungSweise der

Erbmasse ist der Zeitpunkt der Delation, (nicht der-

xn jenige der

Aequtsitioa)

der

allein entscheidende.

Seite

(S. 87.) Inkonsequenz derjenigen Schriftsteller, welche,

wie SinteniS, bezüglich des BertheilungSmaßstabeS

de« Augenblick der Delation entscheiden, trotzdem aber die successio gradoum dem AecreScenzrecht Vorgehen

lassen, (oder umgekehrt, wie Roß Hirt,) also der De­

lation in der einen Richtung erclufive Wirkung bei­ legen, in der andern nicht.

(S. 87 — 89.)

Sonstige

Gründe, welche zu Gunsten des Zeitpunkte- der Acqui-

fition geltend gemacht werden.

lativer Gesichtspunkt.

(S. 91. 92.)

Legis­

(Rote 20.)

.93

§. 4. Schluß................................ Aufstellung der Resultate. (S. 93—95.)

Widerlegung

der Ansicht, der Borzug des AccreScenzrechteS vor'dev successio graduum führe zu unbilliger Härte.

trachtung der

einzelnen

möglichen Fälle im

Be­ Leben.

DaS TranSmiffionSrecht ist zur Beseitigung wahrer

Unbilligkeit hier überall ausreichend.

(S. 95 — 100.)

100

Einleitung. Die Fragen, in welchem Umfange nach dem justinia-

neischen Erbrechtssysteme eine successio graduum statt­

finde, insbesondere ob sie dem Accrescenzrechte vorgehen oder nachstehen müsse, sowie die damit in Zusammenhang

stehende.Frage, nach welchem Zeitpunkte sich die Berthei­ lungsweise der Erbmasse richte,

sind seit längerer Zeit

Gegenstand lebhafter und widersprechender Erörterungen gewesen.

Vorzugsweise bei der zweiten dieser drei Fragen,

welche den Mittelpunkt des obschwebenden Streites bildet,

sind die verschiedenen Meinungen mit dem Erfolge durch scharfsinnige Gründe vertheidigt worden, daß man behaup­

ten kann, eine herrschende Theorie bestehe nicht. Lage der Sache,

namentlich die

vielfachen

Diese

gegenseitigen

Vorwürfe von petitiones principii sind es auch, welche

z. B. Sintenis *) zu dem Ausspruche bewegen, könne nur der Gesetzgeber hier helfen.»

'-es

Allerdings würde

ein entschiedener Ausspruch Iustinian's vielen Controversen

vorgebeugt haben.

Allein da er nicht vorliegt, so würde

■) Pr. Civ. R. $. 163, Rote 16. v. Helmolt, civil. Abhandl.

2 es schon als ein Gewinn zu betrachten sein, wenn eine der verschiedenen Ansichten sich zur herrschenden erheben könnte, und eS rechtfertigt sich deshalb jeder Versuch, eine derselben

durch neue Gründe zu unterstützen.

Im Allgemeinen mag

hierbei im Voraus die Bemerkung erlaubt sein, daß, wenn auch manche Schriftsteller, z. B. von Bangerow, mit

practischem Tacte zu richtigen Resultaten gelangt sind, doch

meines Erachtens eine allgemeine Uebereinstimmung, bisher gerade durch die Art der Begründung und die dabei auf­ gestellten Theorieen verhindert wurde, und deren Prüfung

muß deshalb eine besondere Aufgabe der folgenden Dar­ stellung sein.

Jede der genannten drei Fragen soll hierbei

abgesondert behandelt werden, soweit nicht der innere Zu­ sammenhang oder die Prüfung der Darstellungsweise ein­ zelner Schriftsteller eine Abweichung gebieten.

§• 1.

Umfang der successio ordhiiim et gradumn. Läßt es sich beweisen, daß Justinian in Nov. 118 eine allgemeine successio ordinum et graduum angeord­

net, oder doch ausdrücklich darauf hingewiesen habe, so

ist dies von entschiedener Bedeutung deshalb, weil dieselbe

dann solange als Regel die Vermuthung für sich hat, bis die Bestimmung des Gegentheils für einzelne Fälle un­

zweifelhaft

nachgewiesen

wird.

Ist diese Voraussetzung

richtig, so müssen Ansichten, wie z. B. die von Puchta,

3 welche auf

das Mchtvorhandenfein jener Regel bezüglich

der successio graduum, sowie Behauptungen, wie bezüg­

lich der Geschwisterkinder die von Büchel, welche auf eine unbewiesene Ausnahme von jener Regel gegründet sind,

von selbst als den Quellen nicht entsprechend zusammen­

fallen.

Ebenso ist, falls sich die obige Regel beweisen läßt,

dem Auftauchen neuer Meinungen in dieser Richtung vor­

gebeugt. Bevor wir zum Beweise dieser Behauptungen über­

gehen, erscheint es sowohl zur Widerlegung der Ansichten von Puchta und Büchel, wie auch zur Bekämpfung des

z. B. von Bangerow und Arndts aufgestellten Satzes, die Römer machten keine scharfe Unterscheidung zwischen successio ordinum und successio graduum, unerläßlich, vorher (Nurn. I) zu prüfen, waS die Quellen unter ordo und gradus und waS unter successio sequentis ordinis und gradus verstehen, und sodann

(Num. II), — weil

bekanntlich gerade aus der Fassung der Nov. 118 und 127, sowie aus dem Gesammteindrucke, welchen sie machen,

viele Controversen entstanden sind, — den wesentlichen In­ halt der drei ersten Capitel der Nov. 118 nebst Nov. 127

c. 1. so mitzutheilen, wie meines Erachtens eine richtige Auffassung der wahren Absicht Justinian's am ehesten

zu vermitteln ist.

Erst hierauf kann (Num. III), nach

Angabe der verschiedenen bestehenden Meinungen, der oben angedeutete Beweis geführt werden, daß Justinian in

Nov. 118 selbst auf eine allgemeine successio ordinum

et graduum ausdrücklich hingewiesen habe.

4 I.

Das Wort ordo wird theils allgemein für Ord­

nung oder Reihenfolge überhaupt gebraucht*2), 3 im beson­

deren Sinne aber sprechen die Römer gerade bei der Jntestaterbfolge von ordo, wenn sie damit eine Anzahl von Personen (in der Regel nahe Verwandte) bezeichnen wollen,

welche nach natürlicher Anschauungsweise zusammengehören,

z. B. Ascendenten, Descendenten, Seitenverwandte •). So­ dann gebrauchen die Quellen aber auch das Wort ordo, um den Kreis von Personen zu bezeichnen, welche nach

positivem Rechte als zusammengehörig betrachtet werden, was nicht überall mit der Eintheilung in Ascendenten u. s. w.

übereinstimmt.

Nach positivem Rechte machen bekanntlich

schon die 12 Tafeln drei Abtheilungen, sui, agnati, gentiles, obgleich dafür der Ausdruck ordines nicht gebräuch­ lich war.

Ebenso machte der Prätor verschiedene Abthei­

lungen 4), liberi, legitimi, cognati, vir et uxor.

Bei

diesen scheint nicht die Bezeichnung durch ordo, sondern

vielmehr

der

Ausdruck

gradus

technisch

gewesen

zu

’) 1. 4 C. de suis 6, 55 : ordo successionum lege XII tab. factus. 1. 3 C. de ine. nupt. 5, 5. Paulus EL 8. IV, 8, 8. — Sprachlich bezeichnet ordo das Nebeneinanderstehen, gradus das Ueber- oder Untere in and erstehen. Aehnlich die griechischen Bezeichnungen rafo und ßa&uo$, nur mit dem Unterschiede, daß ßa&pos mehr den Gesichtspunkt der Ruhe, dagegen gradus die Be­ wegung deS Auf- oder Absteigend ausdrückt. 3) 1. 1 pr. de grad. 38, 10 (Gaj.) 1. 9 eod. (Paulus, wel­ cher von stemmata oder lincae spricht). Nov. 118 praef.

4) plures partes :!.!§. 1, si tab. test, nullae. 38, 6.

5 seins), ein Sprachgebrauch, der in dem Folgenden seine

Erklärung finden wird. Unter gradus im ursprünglichen, im Zweifel stets an­ zunehmenden, Sinne verstehen die Römer die Stufen der Verwandtschaft in der Weise, daß der absolut Nächste, sei eS in auf- oder absteigender Linie, die erste Stufe bildet,

die Seitenverwandtschaft also erst im zweiten Grade mög­

lich ist •).

Sodann wird aber, wie oben erwähnt wurde,

daS Wort gradus auch gleichbedeutend mit ordo gebraucht.

Zur Erklärung ist Folgendes zu beachten.

Der oben er­

wähnte allgemeine Begriff von ordo snccessionum ent­ hält einen inneren Gegensatz in dem Begriffe successio

ordinum, d. h. dem Nachrücken eines späteren ordo, falls die Personen des vorhergehenden ordo nach der Delation wegfallen.

In dem alten

Civilintestaterbrecht

war dies

nicht zulässig, nach dem Grundsätze in legitimis hereditatibus successio non est ’).

rischen Rechte

stattet 8).

eine

Wohl aber wurde im präto­

allgemeine

successio ordinum ge­

Ebenso ließ der Prätor innerhalb der rein prä-

a) 1. 1 Note 4 eit.; I. 5 nnde cognati 38, 8. j. 7. 11. Mayer Anwachsungsrecht S. 290.

Ulp, fr. 28,

•) 1. 1 §. 1, I. 9 §. 9, 10 t. c. 38, 10; § 7 J. h. t. 3, 6. ’) Gaj. III, 12. ülp. fr. 26, 5. Paulas R. 8. IV, 8. 23. Vüchel, Streitfragen aus Nov. 118, S. 118. v. Vangerow, Lehrb. §. 407, S. 33. •) 1. 1 pr. §. 8. 10. 11, de succ. ed. 38, 9; 1. 1 C. h. t. 6, 16; Gaj. III, 33.

8 torischen Classe der cognati •) eine succesaio sequentig gradus zu, d. h. es wurde, auch wenn der vorhergehende

gradns erst nach der Delation wegfiel, eine zweite, dritte und weitere Delation

an die nächstfolgenden Grade er­

laubt *°), eine Begünstigung, welche weder in den einzelnen

Abtheilungen des Civilintestaterbrechts "), noch auch in den übrigen

Abtheilungen

des

prätorischen EdictS

gewährt

war 12 * *).*014 * Erst Justinian führte in einer Constitution,

auf welche er sich in §. 7 J. de leg. agn. succ. 3, 2 beruft, und welche im Auszuge noch in den Basiliken *•)

erhalten ist, auch für die b. p. unde legitim! die successio sequentis gradus ein.

Ob er dies auch für die Classe

der über! verordnet habe, ist bekanntlich sehr bestritten. Covsequent wäre

es

jedenfalls

gewesen,

und seit der

Glosse ") haben viele diese Meinung vertheidigt.

Wenn

auch die hier gewöhnlich citirte 1. 3 C. unde liberi ihrem

Inhalte nach diese

Annahme gar

nicht rechtfertigt,

so

glaube ich doch, daß die bereits von Mäher und Bange-

row hervorgehobene Stelltmg in dem Titel unde liberi

•) Für die Entwickelung des sg. TognationSprinzipS vgl. bes. «lenze. Zisch, f. g R W. VI, Nam. I. I0) 1. 1 pr. § 3. 6. 10, unde cogn. 38, 8.

*’) 1. 1 $. 8 de suis 38, 16.

Gaj. III, 22.

M) Gaj. III, 28.

,s) XLIX, 1, 4. bei Fabrot VI, p. 586 fg.; in den neueren Ausgaben des Corp. jur. I. 4 C. de bon. lib. 6, 4. 14) Glo. Negat. i. f. ad 1.3 C. unde lib. 6, 14 C. de succ. ed. 6, 16.

Azo Summa

7 die Absicht der Compilatoren deutlich hervortreten läßt'»).

— Für den römischen Ausdruck : segnens gradus succedit, ist jetzt der, allerdings nicht quellenmäßige: successio

graduum üblich ie), und es ist gegen diese kürzere Be­ zeichnung mit Grund

nichts

einzuwenden.

Wenn nun

Vangerow 1. c. und Arndts ”) behaupten, daß die Römer überhaupt keine scharfe Scheidung zwischen suc­

cessio ordinum und successio graduum gemacht hätten,

so ist dies äußerlich allerdings richtig für das vorjustinia-

neische Recht, indem das Wort gradus geradezu gleichbe­ deutend mit ordo gebraucht wird.

Dies ist darum sehr

erklärlich, weil für dieses ältere Recht eine thatsächliche Verschiedenheit erst und allein in der b. p. unde cognati

sich entwickelte.

Allein ebenso unzweifelhaft ist es, baß die

Pandectenschriftsteller der Sache nach die einzelnen Abthei­

lungen (partes) sehr genau und mit Bewußtsein von den darin möglichen Stufen (gradus) unterscheiden, selbst da, wo bezüglich"der nur einmaligen Delation dem Effecte

nach ein ordo nur wie ein einzelner gradus behandelt

wurde.

Die letztere Bedeutung von gradus ist nicht die

ursprüngliche, wie sie in den Note 6 genannten Stellen angegeben wird, und..stets in unveränderter Bedeutung bei­

behalten wurde, sondern eine abgeleitete, auf die Eigenthümlichkeit

der

positiven

Erbrechtsordnung -gegründete.

» '*) A. M- Büchel 1. c. S. 113 und Sintenis 1. c. Rot» 15.

“) Vangerow 1. c. S. 73 i f. Sintenis 1. o. Rot« 16. ") in Wel-ke'S R. 8. V, S. 694.

s Wenn nun aber Bangerow und Arndts den Mangel einer scharfen Scheidung von

successio ordinum

und

successio graduum auch auf das justinianeifche Recht, so­ gar auf Nov. 118 beziehen, so ist dies entschieden unbe­

gründet.

Justinian und ebenso TheophiluS und die

Basiliken unterscheiden fast durchweg ganz genau und mit Bewußtsein ordo

und gradus (ßafytog) und

ebenso die successio ordinum und graduum.

Schon in

den Jnsütutionen wird bei Darstellung des

bisherigen

Rechtes gesprochen von tertio ordine cognatorum *8).

Ebenso nennt TheophiluS ") geradezu die sui (liberi), legitimi, und cognati : TQelg zä^eig ot>yyevelag.

Für die^ Verordnungen Justinian'S

lassen aber z. B.

1. 14. 15 C. de leg. her. 6, 58 (a. 531, 532), sowie Nov. 118 20) gar keinen Zweifel übrig.

Die Vulgata hat

zwar in Nov. 118 praef. statt des tqujl tdl-eai : tri-

bus gradibus, allein schon Glück2') bemerkt mit Recht, daß diese Lesart nicht zu billigen sei.

Unzweifelhaft wird

dies, wenn man berücksichtigt, daß bei der Eintheilung in Ascendenten, Descendenten und Seitenverwandte

bereits

die älteren Juristen 2i) stets von ordines sprechen, und

••) §. 1 J. de suec. cogn. 3, 6.

••) zu §. 11 J. de grad. cogn. 3, 6 (ed. Reitz). ao) c. 1 : in hoc enim ordine grad nm quaeri nolamus; c. 2 : proximo gradu, eundem grad um (sc. ascendentium); c. 6 : unumquemque secundum gradum et ordinem.

’*) Jntestaterbfolge 2. Aufl. S- 566. «) s. Note 3.

9

daß auch Julian im Epit Nov. und Athanasius 2S) das Wort ordines wiedergeben. Für alle Zweifel, welche bezüglich der Ansichten über successio ordinum und successio graduum zur Zeit Justinians, sowohl waS die Gliederung, wie auch den Sprachgebrauch betrifft, obwalten könnten, ist folgender Ausspruch des TheophiluS in der Note 19 citirten Stelle (nach der Uebersetzung von Reitz) von entscheidender Bedeutung : Ideo non dicendum est : qui gradu (rqJ ßafytqi) est propior, is in succedendo praefertur : ordo 24) enim ordini praefertur, et qui prioris est ordinis, etsi gradu deficit, tarnen quum ex potiori sit ordine, praecedit in succedendo. Uunc vero graduum fit computatio, quum multae ex eodem ordine personae veniunt. Neque igitur aequalem cognationis grad um habentes semper una vocantur, neque proximior semper praefertur 25). Nam primus ordo est suorum etc.-------Finge ergo, esse defuncto proncpotem vel abnepotem, et esse quoque fratrem vel patrem vel matrem : pronepos vel abnepos praeferetur, utpote ex potiori veniens ordine, etsi gradu

") Epit. Nov. ed. Heimbach p. 104. ") Theoph. ad J. de leg. agn. succ. 3, 2, prooem. : Cogna­ tionis nomen est generale, dividitur autem in tria, in ascendentes, descendentes et ex transverso.-------Quisque autem cognationis ordo

varios diversosque habet gradus.

") 1. 1 Z 2. de grad. 38, 10.

10 vincitur; nam pater vel mater primi est gradus,

frater secundi, pronepos tertii, abnepos quarti, etc.

II.

In der Nov. 118 praef. sagt Justinian, er

wolle die vielen und verschiedenen bisherigen Gesetze über

die Jntestaterbfolge der Verwandten (cognatorum) durch ein neues Gesetz in

klarer und umfassender Anordnung

regeln, und es solle, unter Aufhebung der bisherigen Be­

stimmungen, für die Zukunft nur dasjenige Geltung haben, was er jetzt bestimme.

Unter den drei ordines der Ver­

wandtschaft, nämlich Ascendenten, Descendenten und Sei­ tenverwandten, sollten fortan die Descendenten den ersten Platz einnehmen, cap. 1 : und alle Descendenten cujus-

libet sexusraat gradus allen Ascendenten und Seiten­

verwandten vorgezogen werden.

Cap. 2 : Hinterlasse der

Verstorbene aber keine Descendenten als Erben,

dann

sollten die Ascendenten nach der Gradesnähe allen Seiten­ verwandten vorgezogen werden mit Ausnahme der vollbür-

tigen Geschwister des Verstorbenen.

Mit den Worten:

Reliquum est ut tertium ordinem decernamus, qui vocatur ex latere, bereitet Justinian den Uebergang

vor zu cap. 3, wo er bestimmt : Hinterläßt der Verstor­ bene aber weder Descendenten noch Ascendenten, so rufen

wir 1) nochmals die voll bärtigen Geschwister.

Sind aber

keine solche vorhanden, so rufen wir 2) in zweiter Reihe die halbbürtigen Geschwister (denn — dies ist der offen­ bare Gedanke Iustinian's, vgl. Nov. 84 — die Voll­

geburt soll den Vorzug haben vor der Halbgeburt). Hier­

auf fährt Justinian fort : Mit den Geschwistern wollen

11

wir die Kinder verstorbener Geschwister gleichzeitig rufen, also die vollbürtigen Neffen und Nichten in erster Reihe, die halbbürtigen in zweiter Reihe.

Hieraus ergiebt sich

von selbst (unde consequens est) das richtige Verhältniß, daß vollbürtige Geschwisterkinder ihren (halbbürtigen) Ohei­

men und Tanten, obgleich sie dem Grade nach (nämlich dem dritten) ihnen gleichstehen, doch vorgezogen werden sollen, ebenso wie ihr Vater, falls er noch lebte, denselben

vorginge, und daß ebenso halbbürtige Geschwisterkinder den vollbürtigen Geschwistern nachstehen müssen, wie ihr Parens, falls er noch lebte, von der Erbschaft ausgeschlossen

Nur wenn mit vollbürtigen Geschwistern zugleich

wäre.

Ascendenten gerufen sind, sollen selbst vollbürtige Geschwi­ sterkinder

auf

keine Weise

gleichzeitig

berufen

werden.

Cap. 3, §. 1 : Wenn aber der Verstorbene weder Ge­ schwister noch Geschwisterkinder hinterläßt, so sollen die

übrigen

sein.

Seitenverwandten nach der Gradesnähe

gerufen

Sodann stellt Justinian in cap. 4 das bekannte

Prinzip auf, daß bei jeder Succession oder Erbschaft jeder

Unterschied zwischen Agnaten und Cognaten aufhören, und alle nur secundum cognationis suae gradum 2#) zur Intestaterbfolge dxr Cognaten gerufen sein sollen.

An diese Bestimmungen der Nov.

118 legte Justi­

nian in Nov. 127, wie er selbst hervorhebt, verbessernde Hand an, und sagt, er erinnere sich, daß er ftüher zwar,

") Dieser Ausdruck wird später besonders betrachtet werden: f. R. 47.

12 falls blos vollbürtige Geschwister vorhanden seien, auch die Kinder verstorbener vollbürtiger Geschwister

zur

Erbfolge

berufen habe (Nov. 118, c. 3), wenn aber neben Geschwi­ stern noch Ascendenten vorhanden seien, so habe er zwar die Geschwister berufen (cap. 2), die Geschwisterkinder aber

ausdrücklich ausgeschlossen (cap. 3).

Dies wolle er ge­

rechterweise zu Gunsten der vollbürtigen Geschwisterkinder

verbessern, und schlechtweg bestimmen, daß die Kinder ver­ storbener vollbürtiger Geschwister denselben ordo haben sollen,

sowohl wenn sie (wie in Nov. 118, c. 3) blos mit vollbür­ tigen Geschwistern, als wenn (wie in Nov. 118, c. 2) mit vollbürtigen Geschwistern auch

Ascendenten gerufen seien.

Bevor wir eine Folgerung ziehen aus diesen Verord­ nungen Justiniau'S,

Streitfrage gedenken,

müssen

wir einer präjudiziellen

welche aus der

Nov. 127, c. 1. erhoben worden ist.

Wortfassung

der

Schon ältere

und

ebenso neuere Juristen 2’) behaupten, Justinian habe des

Falles nicht ausdrücklich gedacht, wenn

blos

Ascendenten

und vollbürtige Geschwisterkinder in der ersten

Delation

begriffen seien, und deshalb müßten letztere in diesem Falle auch noch nach dem neuesten Rechte von der ersten Delation

ausgeschlossen bleiben.

An eine solche Ausschließung hat

aber Justinian gewiß nicht gedacht, ja man

kann

bei

unbefangener Vergleichung der ganzen Haltung der Nov. 118

und 127 behaupten, daß dies geradezu der Absicht Justi-

”) vgl. z. B. Cujac Comm. ad Nov. 118. Lauterbach, Disp. 68, 16. Bang. I. c. §. 416, S. 63. Arndts 1. c. S. 692.

13 nian'S widersprechen würde.

Ebenso wie Bangerow

die Ansicht Büchel'S, daß wegen des Ausdrucks praemortui die successio graduum für Geschwisterkinder in

der 2. und 3. Classe ganz ausgeschlossen sei, mit Recht als eine Buchstabenerklärung verwirft, welche zur Verkennung

des wahren gesetzgeberischen Willens hinführen würde, ebenso

ist jene Ansicht über Ausschluß der vollbürtigen Geschwister­ kinder bei bloser Concurrenz mit Ascendenten mit Recht

von jeher durch die herrschende Theorie und eine ganz entschiedene Praxis verworfen worden 28).

Abgesehen aber

hiervon zeigt sich die Absicht Justinian'S ganz deutlich in der Fassungbei Julian (Epit.) : Et ut simplici­

ter29) dicamus, quam dedimus eis ordinem ascendentibus personis non suppositis, eundem eis praestamus etsi parentes exsistant ejus, de cujus hereditate agitur. Vgl. Cocceji Jus civ. controv. 28, tit. 15, qu. 6.

") Das Wort simpliciter, oder wie einige Ausgaben lesen: brcvi, sowie das aaJLos elcrtir des griechischen Textes weisen gerade auf die Nothwendigkeit weiterer Unterscheidungen hin, ohne daß dies jedoch für die Geschwisterkinder bezüglich ihrer erbrechtlichen Stel­ lung einen Unterschied machen soll. — Wollte man den stritten Wortlaut der Nov. 127 so wie die Gegner urgiren, so müßte man die Schwefterkinder ganz ausschließen, da in Nov. 127 blos von fratres die Rede ist, und wollte man auch zugeben, daß dies allge­ mein, wie in anderen Stellen, z. B. Nov. 118, c. 1, 3, für Ge­ schwister (fratres masculi vel feminae) gebraucht sei, so würde doch der Ausdruck : quantam eorum pater futurus erat accipere, nicht auch von der Mutter verstanden werden dürfen, da Justinian sonst stets parentes (yorrfg) setzt, wo er Vater und Mutter oder weitere Ascendenten ohne Unterschied des Geschlechtes bezeichnen will.

14

Fassen wir nun

den Gesammtinhalt der Nov. 118

und 127 ins Auge, so zeigt sich darin die unverkennbare Absicht

Iustinian's, vier gegeneinander abgeschlossene

Kreise von Verwandten zu bilden, welche wir Classen oder ordines zu nennen berechtigt sind so).

Diese Verwandten­

kreise sind 31):

1) Sämmtliche Descendenten in infinitum. 2) Sämmtliche Ascendenten, vollbürtige Geschwister und vollbürtiger Geschwister Söhne und Töchter.

3) Halbbürtige

Geschwister

und

deren

Söhne

und

Töchter.

4) Die übrigen Seitenverwandten nach der GradeSnähe. Will man einen genügenden Erklärungsgrund haben, warum Justinian gerade diese Art

der Anordnung ge­

troffen habe, so wüßte ich diesen kaum schöner und treffen­

der anzugeben, als es bereits Sinteni s s2) gethan hat, daß nämlich Justinian eine neue Erbfolge mit absoluter Be­

rücksichtigung des durch die Nähe der Blutsverwandtschaft bestehenden natürlichen Bandes und der

vermuthlichen

") vgl. Theoph. Note 19 und Tert zu Note 25 cit. — A.

M- ist Ortloff, Uebersetzung der Nov. 118 u. f. w. S. 27.

’O vgl. Glück Jntestaterbfolge S. 567. 239.

Mayer 1. c. S.238,

ArndtS I. c. S. 683. — Es gilt uns hier nur darum, die

ordines als solche mit scharfer Begrenzung gegeneinander festzuftellen.

Daß damit über die concrete Erbberechtigung der zusammengehöri­ gen Personen innerhalb jedes einzelnen ordo nichts entschieden sei,

bedarf wohl kaum einer Verwahrung.

“) 1. c. tz. 163, Note 15.

15 Abstufung der natürlichen

Liebe habe begründen

wollen, in welcher Weise sich denn der Vorzug des voll-

bürtigen Geschwisterkindes

vor dem halbbürtigen Bruder

oder Schwester aus der sogenannten

Stiefverwandtschaft

erkläre, und ebenso das natürliche Gefühl, in Verbindung

mit der Regel des Bedürfnisses und des natürlichen Gan­ ges der Dinge im Leben den Umstand rechtfertige, daß selbst

die dem Grade nach ferneren Descendenten des Erblassers

wieder noch den näheren Ascendenten vorgehen 33). HI.

Wir sind jetzt auf dem Punkte angelangt, von

welchem aus wir den Versuch des Beweises unternehmen können, daß Justinian

in Nov. 118

selbst auf eine

allgemeine successio ordinum et graduum ausdrücklich

hingewiesen habe.

Daß nach Nov. 118

eine allgemeine

successio ordinum stattfinden müsse, ist meines Wissens

unbestritten34),falls man nicht etwa wie Ortloff33)behaup-

ss) vgl. auch 1. 220 de V. 8. 1. 7 §. 1 si tab. test, nullae 38, 6. sr) Selbst Puchta (vgl. Vorl. tz. 458, Num. 3), welcher die successio graduum am meisten beschrankt, giebt die Allgemeinheit der successio ordinum als solcher zu. 35) s. oben Note 30. — Es ist eine durchaus unrichtige Be­ hauptung, daß man erst seit Koch's Successio ab intestato die Ver­ wandten bezüglich der Jntestaterbfolge in Classen theile. Nur die systematische Darstellung durch Combination der beiden Novellen 118 und 127 ist es, welche im vorigen Jahrhundert üblich wurde. Die ordines hat Justinian selbst geschaffen, denn er scheidet die Des­ cendenten als ersten ordo, die Ascendenten und vollbürtigen Geschwi­ ster als zweiten ordo, bezeichnet die voll- und halbbürtigen Geschwi-

16 ten will, Justinian habe gar keine Elasten gemacht. Eben­

so wird von der entschiedenen Mehrzahl der Schriftsteller eine durchgreifende successio graduum innerhalb der ein­

zelnen ordines angenommen. Geiste

und der Tendenz

Man folgert dies aus dem

der Nov.

118.

Sämmtliche

Schriftsteller stimmen aber darin überein, daß die Nov. 118

selbst gar nichts über successio ordinum

oder graduum

aussage 8e). — Eigenthümliche Ansichten bezüglich der suc­

cessio graduum haben Puchta und Büchel aufgestellt. Ersterer behauptet ”), „die successio graduum sei nur möglich, wenn in einer Classe die Nähe deS Grades ent­

scheide, also in der vierten Classe, und in der zweiten in Rücksicht der Ascendenten (vorausgesetzt, daß alle Delaten weggefallen sind). Dagegen finde sie nie in den andern

Classen statt, wenn alle Successionsberechtigten zugleich ge­

rufen würden; auch diejenigen, welche nicht gerufen wür-

ster als zwei verschiedene ordines, stellt Geschwisterkinder den Ohei­

men und Tanten gleich, und sagt in Nov. 127 ausdrücklich, daß vollblütige Neffen und Nichten stets eundem ordinem wie ihre

Oheime und Tanten, sowie die Ascendenten haben sollen, und ruft

zuletzt die etwa noch übrigen Seitenverwandten.

Daraus ergeben

sich ganz von selbst die bekannten vier ordines. ") vgl. Glück 1. c. S. 750.

IV.

Maper 1. c. S. 283.

Baumeister Anwachsungsrecht @.55. Francke, Beiträge S. 169. Bangerow I. c. § 420.

Arndts 1. c. S. 694.

SinteniS 1. c.

Note 15, S. 337: „daß die Nov. einer successio graduum fauch nur

Einen näheren vor den entfernteren gedacht) überhaupt keine Er­ wähnung thut."

Burchardi, Lehrb. des Röm. R. §. 370.

”) f. oben Note 34.

17

den, seien nicht in dieser Classe successionSberechtigt, also auch für eine successive Delation

hig." s8)

in dieser Classe unfä­

Büchel behauptet, nur bei Geschwisterkindern

solle wegen der in Nov. 118 vorkommenden

Ausdrücke

»praemortuus (parens)« und »privilegium« die successio graduum in der zweiten und brüten Classe ausge­

schlossen sein, so daß

Geschwisterkinder, falls sie nicht in

der ersten Delation begriffen seien,

nur in der vierten

Classe berufen würden." 'Diese gewiß unhaltbare") An­

sicht soll deS Zusammenhanges wegen erst später 40) mit dem von Büchel aufgestellten, von Bangerow theilweise

adoptirten *'), jedoch zu positiven Analogieen für die Jntestaterbfolge ganz ungeeigneten Gesichtspunkte der (ge­

setzlichen) Substitution betrachtet werden. Unter den angeführten Meinungen halte ich die erste für die allein richtige, gebe auch schr gern zu, daß schon

der Geist und die ganze Tendenz der Nov. 118 eine allge­

meine successio orclinmn et graduum nothwendig, nnd die darauf gerichtete Absicht Justin ian'S wahrscheinlich mache.

Die Ansicht aber, daß Justinian in der Nov.

keine bestimmte Auskunft

ertheile, ob dieselbe stattfinden

solle, halte ich für durchaus unbegründet. *•) vgl. oben den Anfang des §. 1 und Dang. 1. c. §. 420.

’•) vgl. Dang. I. c. §. 416, Sinnt. 1 und $. 420, S. 74.

SinteniS 1. c. §. 163, Note 15 g. E.

*°) f. §. 2. Nam. V, 2. $. 2, Note 87. “) f. §. 2. Nam. V, 3. v. Helmolt, civil. Abhandl.

Ueber Burchardi'S Ansicht f. unten

18

Den Beweis für die Allgemeinheit der successio gra-

duum könnte man 1) schon aus der Allgemeinheit des in Nov.

118, c. 4 48)

aufgestellten Cognationsprinzips zu

führen versucht sein, mit Bezug auf die bonorum possessio

unde cognati, so daß, wie dies auch die meisten Schrift­ steller thun, die successio graduum als von Justinian

vorausgesetzt betrachtet werden müsse, und zwar mit dem Erfolge, daß man,

wie z. B. ArndtS") vorschlägt:

„weil eine strenge Scheidung zwischen successio ordinutn und graduum nicht gegründet sei, durch alle Classen hin­ durch so viele Grade der Intestaterdfolge annehme, als überhaupt

Classen von Personen vorhanden sind, die

durch andere ihnen vorgehende von der Erbschaft ausge­

schlossen werden."

Ich gebe die Bedeutsamkeit des Cog­

nationsprinzips vollständig zu, und werde dasselbe als un­ terstützendes Moment später stets benutzen.

Mein das für

die Gesammtconstruction dabei von Arnd tS vorgeschlagene

Auskunftsmittel ist unzureichend, wie ja die obigen Ansich­ ten von Puchta

und Büchel zur

Genüge

beweisen.

Denn wir verlieren dadurch gerade die feste Construction der

ordines.

Abgesehen von

demjenigen,

was bereits

oben 44) für den schon vor den Novellen scharf ausgepräg­ ten Unterschied zwischen ordo und gradus angeführt wurde,

scheint gerade die Fassung der Nov. 118 den unzweideutig-

*’) vgl. Note 26.

") I c. S. 694. ") vgl. Num. I und Note 35.

19

sten Beweis zu liefern, daß Justinian eine deutliche und feste Construction der einzelnen ordines beabsichtigte "),

so daß jeder in dem vergehenden ordo Berufene einen abso­

luten Vorzug haben sollte vor jedem erst in einem späteren ordo Genannten, nach dem von Theophilus ausgespro­

chenen Prinzipe: ordo enim ordini praefertur, et qui prioris est ordinis, etsi gradu deficit, tarnen quum ex potiori sit ordine, praecedit in succedendo 4 46).

4S) c. 1 : filios cujuslibet sexus aut gradus etiam ipsis paren tibus praeponi — ; c. 2 : Si igitur defunctus descendentes non relinquat heredes------parentes — omnibus ex latere cognatis prae­ poni sancimus, exceptis solis fratribus ex utroque parente conjunctis defuncto; c. 3 pr. : Si igitur defunctus neque descendentes neque ascendentes reliquerit — etc. His autem non existentibus — etc.; §. 1 : Si vero neque fratres, neque filios fratrum defunctus reliquerit etc. ") Ich will damit gar nicht die theoretische Möglichkeit in Ab. rede stellen, daß ein in einem früheren ordo Gerufener auch noch einmal in einem späteren ordo berufen werden könne, etwa wie in dem edictum successorium : ut ipse sibi succedat, wie ja auch Zustinian in ähnlicher Weise die vollbürtigen Geschwister in Nov. 118 in dem zweiten und noch einmal in dem dritten ordo ruft, und wie z. B. vollbürtige Geschwister auch daS geringere Recht als halbbür­ tige für sich in Anspruch nehmen könnten. Allein dies ist etwas ganz anderes, als wenn man wie Büchel und Puchta manche Ver­ wandte für den Fall der sofortigen Berufung als unzweifelhaft in einem bestimmten ordo von Justinian berufen zugiebt, trotz dieses, und zwar gerade für den Hauptfall, bereits festen Standpunktes aber fle für andere Fälle aus diesem ordo wieder ausstößt. — DaS obige ipse sibi succedere sowie das von Arndts vorgeschlagene AuskunftSmittel werden aber überflüssig durch die feste Abgränzung 2*

20 Eine Bestättgung der Ansicht von Arndts könnte man

aber finden wollen in den Worten der Nov. 118 c. 4 : — omnes sine qualibet hujusmodi (agnatorum cognato-

rumque) differentia secundum cognationis snae gradum ad cognatorum successionem ab intestato

venire praecipimus, wenn man das Wort gradus 4T) hier

ohne scharfe Unterscheidung sowohl in dem Sinne von ordo

wie für die eigentliche Bedeutung von gradus nehmen wollte.

Allein abgesehen davon, daß der Gebrauch von

gradus cognatorum für ordo cognatorum in dem Sinne

der älteren Juristen 48) eine unterschiedslose Masse für die

Berwandtenerbfolge der Nov. 118 darstellen würde, da sie

jetzt alle nur als cognati anzusehen sind, würde die obige Stelle, außer der etwaigen Unklarheit, nichts beweisen, da es Justinian hier offenbar nur darum zu thun ist, statt des früheren Vorzugs der Agnaten die umgekehrte

Regel des Vorzugs der Cognaten hervorzuheben.

Außer­

dem beweisen aber auch der griechische Ausdruck ßa&fiog sowie der Auszug Iulian's"), daß Justinian hier

der ordines^unb die sodann bewiesene Regel der allgemeinen euccessio graduum.

41) Die Erklärung wurde oben vorbehalten, s. Note 26. ") Note 5.

") Nulla autem differentia sit agnationis et cognationis, sed so!ns gradus sanguinis naturalis spectetur. Nam cognatus proximior (gradu) ulteriori agnato praeponitur. Früher galt der Grundsatz : agnatos etiam longiore gradu positos cognatis proximioribus anteferri. Papinian. lib. resp. tit. X; §. 12 J. de grad. cogn. 3, 6.

21

daS Wort gradus lediglich in dem ursprünglichen Sinne nimmt.

Man könnte aber auch 2), gestützt auf die b. p. unde cognati, in den Worten der Nov. 118 c. 4 eine unmit­

telbare Bestätigung der successio ordinum et graduum finden, wenn man den griechischen

Text : n«was-------

xot« tov tt)5 I6lag10) avyysvelag ßaö-fiov übersetzen

wollte mit : omnes---------secundum propriae (oder spe­

cialis) cognationis gradum, so daß der Nachdruck auf dem

Worte propriae läge.

Nimmt man nun das Wort cog-

natio in dem Sinne von Theophilus 51), und bedenkt man, daß auch Justinian in Nov. 118 pr. dieselben ver­ schiedene ordines cognationis als Unterlage ") für seine

neue Formirung der Erbfolgeordnung aufstellt, so wäre man berechtigt, die propriae cognationes als die einzel­

nen neuen ordines anzusehen, und innerhalb dieser unter

dem Worte gradus auch die Anerkennung der successio graduum, mit Rücksicht auf deren unzweifelhafte Geltung bei den bisherigen Cognaten, zu finden.

Obgleich ich die­

ser möglichen Deutung des cap. 4 nicht alle Beweiskraft absprechen will, dieselbe vielmehr als adminiculirend gelten

lasse, halte ich die Stelle doch für

zu unbestimmt, um

daraus einen stringenten Beweis zu liefern.

Den eigent­

lichen Beweis für die obige Behauptung, daß Justinian

50) die Basiliken lesen o,'x«a§. 51) f. Note 24. “) f. u. $. 2, Note 2.

22 in Nov. 118 auf eine allgemeine successio graduum et ordinum ausdrücklich hingewiesen habe, finde ich viel­

mehr in folgenden Worten des cap. 5 :

Ex bis autem quae de hereditate diximus et disposuimus, et quae de tutela sunt manifeste consistunt. Sancimus enim unumquemque secundumgradum et ordinem, quo ad hereditatem vocatur, aut solus aut cum aliis etiam functionem tutelae suscipere, nulla neque in hac parte differentia introducenda de agnatorum seu cognatorum jure, sed omnibus similiter vocandis quique ex masculorum, quique ex feminarum prole descendunt minori conjuncti. Bevor wir den Inhalt dieser Stelle für unsere An­

sicht benutzen können, ist es nöthig, einige Worte über das Rechtsverhältniß zwischen

hereditas 53)

und Tutel vor

der Nov. 118 vorauszusenden.

Cs unterliegt keinem Zweifel, daß von den ältesten

Zeiten her die hereditas und Tutel als in inniger Ver­ bindung und Wechselwirkung gedacht und dargestellt wur­

den M).

Die Juristen stellen als allgemeinen Grundsatz

dafür auf : übi successionis est emolumentum, ibi et

") Die bon. poss, berechtigte und verpflichtete nicht zur Tutel. Die fortschreitende Annäherung zwischen hereditas und bon. poss. führte bezüglich der Jntestaterbfolge der Verwandten zur völligen Bereinigung in Nov. 118, so daß für dieses Gesetz ein Unterschied nirgends hervortritt.

") Cic. pro domo c. 13; Klenze Rote 9 cit.

23 tutelae onus esse debet ").

Früher mehr als Recht

der nächsten Verwandten, später mehr als onus

betrach­

tet 4e), wurde die legitima tutela allerdings vorzugsweise als die Folge der

Erbberechtigung angesehen,

so daß

GajuS 47) und die Institutionen z. B. berichten, in

den XII Tafeln hätten zwar die Patronen und ihre Kin­

der ein Erbrecht in das Vermögen ihrer

Freigelassenen

erhalten, nicht aber ausdrücklich die Tutel.

Allein ebenso

wie die XII Tafeln unter den Agnaten bei Freigebornen

dieselben Personen zur Erbschaft und zur Tutel gerufen hätten, so habe man auch per interpretationem, oder wie Ulpian 48) sich ausdrückt : per consequentias he-

reditatum, quae ex ipsa lege patronis datae sunt, den

Patron und seine Familie so zur Tutel über den Freige­

lassenen gerufen : atque si verbis legis introducta esset.

Allein daß die Anschauung der Tutel als eines blosen An-

nexum, einer blosen Consequenz der Delation der Erb-

551 pr. J. de leg. agn. tut. 3, 15; Tit. J. de leg. patron. tut. 3, 16. — ES ist dies eine spezielle Anwendung des allgemeinen Grundsatzes : quem sequuntur incommoda eum et commoda sequi debent, in der Umstellung : quem sequuntur commoda eum et in­ commoda sequi debent. Vgl. Donelli Comm. (ed. Flor.) III, c. 6, Num. V sq. ") 1. 1 pr. 1. 5 §. 4 de leg tut. 26, 4. erbrecht §. 30. 57) Corn. I, 165.

RoßHirt, Jntestat-

") 1. 3 $. 1 t. c. 26, 4; ÜIp. fr. XI, 3; vgl. noch 1. 10 pr. de grad. 38, 10. (Paulus.)

24 schäft, nicht so streng festgehalten *•), vielmehr beides als so

zusammengehörig betrachtet

wurde, daß eine genaue

Scheidung in der Regel keine Bedeutung habe, vielmehr von dem Dasein des einen auch auf das Dasein des andern

ein Schluß zulässig sei, zeigt der Ausspruch des Q. M. Scävola in 1. 73 de V. 8. : Quo tutela redit eo et hereditas pervenit, selbst wenn man diese Fassung von dem strengeren Gesichtspunkte einer Hysterologie aus be­

trachtet "°).

Atzch bei den späteren Erweiterungen der Jntestaterb-

folge wurde die Tutel correspondirend erweitert.

In die­

sem Sinne spricht sich auch Justinian mehrmals sehr

entschieden auö über den innigen Zusammenhang und die

Wechselwirkung zwischen Erbschaft und Tutel •*), sogar bei der Patronatischen Succession, von welcher er sagt62), daß er sie beinahe ganz gleich geregelt habe wie die Succession

bei Freigebornen.

Dabei beruft er sich wiederholt ") auf

") Roßhirt 1. c. S 460. ”°) vgl. Schulting, Jurispr. antejust. p. 62, N. 5 und A. G. de Sehroeter, de ckexn tutelae et Juris succedendi in bona defunctorum p. 33 — 35 und p. 40.

•*) 1. 15 §. 4 C. de leg. her. 6, 58 : quas autem personas ex

jure cognationis in legitimes successiones transveximus, eas etiam tutelae gravamini vicissim supponimus, — ut non solnm lucrum

sentiant, sed et gravamini subjugentur. ea) §. 3 J. de succ. lib. 3, 7 (8); §. 5 J. de b. p. 3, 9.

•3) j. 7 J. t. c. 3, 2; j. 10 J. de grad. cogn. 3, 6.

25

seine Constitution de jure patronatus "), deren hier ein­ schlagende Stellen demnächst mitgetheilt werden sollen.

Werfen wir nun einen Blick zurück auf die bereits oben angeführten Worte der Nov. 118 c. 5, so sagt auch

hier Justinian, es sollten zur Tutel sämmtliche Ver­ wandte , wie er sie in den vorhergehenden Capiteln zur Erbschaft berufen habe,

jedoch

jeder

so, wie er dem

Grade und der Ordnung nach gestellt sei, gerufen sein, und zwar rein nach dem Prinzipe der Cognation, wie er

dies auch für die Jntestaterbfolge selbst aufgestellt habe (nulla neque in hac parte differentia introducenda). Nun

galt aber bei der Tutel ganz unzweifelhaft vor der No­ velle eine Succession (successive Delation) für sämmtliche

berechtigte Personen, und Justinian hat unbestreitbar durch die obigen Worte des cap. 5 keine Einschränkung, sondern durch die ausdrückliche Aufstellung des vollständi­

gen Cognationsprinzips6S)

eine

möglichste

Erweiterung

••) s. oben Note 13. ") Die Gründe, welche die Prätorrn zur Abänderung und Er­ weiterung de- CivilintestaterbrechtS, namentlich zur Aufstellung der b. p. nnde cognati, sowie zum successorium edictum bewogen, (Gaj. III, 33 : ne quis sine successore moriatur; §. 2 J. de b. p. 3, 9; 1. 1 pr. de succ. ed. 38, 9) billigt Justinian. In welcher Weise er das prätorische Erbrecht benutzte, spricht er deutlich aus, z. B. §. 3 J. t. c. 3, 2 : laudamus quidem praetores snae hnmanitatis, non tarnen eos in plenam caasae mederi invenimus; 1. 15 pr. C. de leg. her. 6, 58 : necessarium duximus, et si quid ex praetoria jurisdictione frugi inventum est, et hoc cum perfectissima defrnitione disposito, nostras leges ampliari.

SS

wollen eintreten lassen, soweit dies die eigenthümliche Na­

tur der Tutel überhaupt zuläßt ••).

Eine Vergleichung

der Worte des cap. 5 cit. mit §. 7 J de leg. agn. succ. wird dies

anschaulich

machen.

Justinian giebt im

Anfang dieser Stelle den bisherigen Zustand der Agnaten-

succession und deren Mängel an, indem er anführt, „eS habe bei derselben kein Nachrücken stattgefunden, d. h.

wenn auch der Zunächstberufene die Erbschaft au-ge­

schlagen oder vor der Antretung verstorben sei, so sei trotzdem an den Nächstfolgenden nicht weiter deferirt

worden.

Zwar hätten die Prätoren einige Abhülfe ge­

währt durch Berufung dieser Personen in dem ordo unde

cognati.

Allein diese Abhülfe sei ungenügend.

Deshalb

habe er in seiner Constitution de jure patronatus auch

für die Agnaten die successio graduum eingeführt: quum satis absurdum erat, quod cognatis a praetore aper­

turn est, hoc agnatis esse reclusum, maxime quum in onere quidem tut eia rum et proximo gradu deficiente sequens succedit, et quod in onere

obtinebat non erat in lucro permissum." Von höchstem Interesse sind hierbei, nicht blos in materieller Hinsicht, sondern auch wegen ihrer Fassung,

die Worte der von Justinian in §. 7 cit. angezogenen

1. 4 C. de bon. lib. •’), deren betreffende Stellen wir deshalb hier vollständig anzugeben genöthigt sind :

•*) s. u. Rote 77. •’) s. oben Note 64. — Daß diese 1. 4 nicht glosffrt ist, steht

27

Quia autem manumissores agnati esse videntur manumissis, ideo etiam vocantur ex successione legitima68); sicuti in ingenuis gradu proximiores vocantur ita et in libertis. ünde si quidem liberos habent liberti et hi eorum heredes sunt, excludunt patronum ; si autem, liberis non exstantibus vel exheredibus factis, patroni veniant, secundum gradum vocentur in bona libertorum, — — ut primi vocentur ipsi patroni et patronae, deinde post eos liberi eorum, et si non extent liberi eorum, nepotes eorum ex masculis aut feminis descendentes. Si vero nu 11 os patronus vel patrona descenden­ tes habet, tune et collaterales eorum vocamus se­ cundum gradum, ut propiores cognati praeferantur iis, qui in ulteriore sunt gradu. In dieser Stelle wird, ganz ähnlich wie in den drei ersten Capiteln der Nov. 118 69), weder einer successio ordinum noch graduum zunächst Erwähnung gethan, viel­ mehr spricht Justinian ebenso wie bei den Descendenten des libertus : „liberis non exstantibus vel exheredibus factis“, auch bei dem Patrone und seiner Familie nur von dem Falle : si liberi non exstent und si descenden­ tes nullos habet, tune et collaterales vocamus. Bon deren Benutzung nicht entgegen,

um den

wahren Sinn anderer

Gesetze zu ermitteln.

**) J. de leg. patr. tut. 1, 17; Theoph. ad h. tiL ") s. oben Note 45,

J. de succ. lib. III, 7 (8).

28 dem Falle der Repudiation und einer zweiten und dritten

Delation ist keine Rede.

Daß aber Justinian diese be­

stimmt vor Augen habe, und auch in unserer Stelle ent­

schieden voraussetze, geht deutlich hervor aus folgenden

Worten derselben I. 4 :

Sed et si praecedens gradus repudiaverit70 * ), * *tune * rarsns gradus sequens vocetur; recipimus enim in libertis successiones secundum cognationem, Id est : ut priore recusante sequens gradus succedat : namque hoc et in ingenuis obtinet, quoniam et antiquitus 71)> quando (öVs) in hereditate non succedebant posteriores, idem in tut eia observabatur, et primo forte vocato atque se excusante sequens vocabatur. Vergleicht man diese Zeugnisse mit den Worten der

Nov. 118 c. 5, so zeigt sich im Gedankengang und der

Ausdrucksweise eine so überraschende Aehnlichkeit, daß man allen historischen und logischen Zusammenhang bei den

Verordnungen Justinian'S

wegleugnen müßte,

wenn

’°) Daß Justinian hier keinen Unterschied machen will zwischen Repudiation und Tod geht unzweifelhaft hervor aus §. 7 J. t. c.

3, 2 : aut spreverit bered itatem, aut antequam adeat decesserit, wobei er sich ausdrücklich auf die const. de jure patronatus

beruft. 7I) vgl. 1. 16 §. 1 de tut. 26, 1; 1. 3

7-9 de leg. tut.

Donell. 1. c. III, c. 6, Num. XIX.

Glück, CvMM. Dd.

26, 4.

31, S. 130. 1. c. S. 112.

Mühlenbruch, Fortfg. Bd. 43, S. 6.

Büchel

29

man nicht auch in cap. 5

eine ausdrückliche Anerkennung

der successio

zugeben wollte.

graduum

Erwägt man

dabei:

1) daß Justinian keinen qualitativ neuen Begriff

von Cognation aufstellen wollte, sondern daß es lediglich seine Absicht war, die bunt durcheinanderlaufenden, viel­ gestaltigen Bestimmungen der bisherigen Jntestatsuccession

durch

eine neue Rangordnung in Formirung bestimmter

Classen, mit dem natürlichen, in jeder einzelnen Classe gleichmäßig wiederkehrenden Prinzip der Cognation, ein­

heitlich zu construiren ’2);

2) daß er in 1. 4 C. cit. prinzipiell die successio

graduum als etwas in dem Wesen der Cognation Liegen­

des, sich von selbst Verstehendes darstellt TS); 3) daß er überall die Tutel und die dabei unzweifel­

haft geltende successio graduum mit als

Motiv zur Er­

weiterung der successio graduum bei der Erbschaft an­ führt, die Annahme der Beseitigung der bisherigen succes­ sio

graduum bei der Tutel burd).Nov. 118 c. 5 aber

allen Grundsätzen der Interpretation geradezu widerspre­ chen würde ");

”) Bangerow 1. c. §. 411, S- 45 und §. 417, S. 72. ") Rote 70 (Tert). ’*) Zur Bestätigung dieser Ansicht dient -irr, daß Julian im

Epitome gerade an der betreffenden Stelle des cap. 5 den alten, auch von Justinian in seinen früheren Verordnungen stets hervor­

gehobenen Rechtssatz einschiebt : Nam ibi tntelae gravamen im-

ponendum est, ubi hereditas deferri speratnr.

30 4) daß Justinian ferner überall in

seinen eignen

Verordnungen die Worte gradua und ordo genau und technisch unterscheidet (s. oben Num. I), eine ausnahms­

weise Vermischung

aber gerade hier anzunehmen

durch

nichts gerechtfertigt wäre;

5) daß endlich, zufolge des historischen 1S) und logi­

schen Verhältnisses, bei Zulassung einer allgemeinen suc-

cessio graduum sich die allgemeine successio ordinum von selbst versteht, — so rechtfertigt sich daraus wohl der Schluß, daß Ju­

stinian in den Worten des cap.

5 : unumquem-

que (cap. 4 eod. omnes) secundum gradum et

ordinem, eine allgemeine und durchgreifende successio graduum et ordinum ausdrücklich habe anerkennen

wollen.

Anch ist hierbei bezüglich des Rückschlusses von

der Tutel auf die Erbschaft um so weniger der Borwurf

einer petitio principii zu fürchten,

als Justinian in

cap. 5 den Folgesatz nicht blos in eine ganz bestimmte

Relation zu dem Vordersatze bringt, und die Identität, des

Mittelbegriffs, nämlich des allgemeinen Cognationsprin-

zipS hervorhebt, sondern auch in §. 7 J. citt. ausdrücklich selbst die Richtigkeit des

der Tutel auf die Erbschaft bestätigt.

und 1. 4 C

Schlusses von

Trotzdem könnte man

vielleicht dagegen noch einwenden : die Vergleichung der Tutel mit der Erbschaft sei nicht passend, da sie erweis-

") s. Tert zu Rote 7 fg

31

lich unvollständig sei.

Einmal sei es bekanntlich öfter vor­

gekommen, daß die Tutel

an andere Personen deferirt

worden sei, als die Erbschaft 7e).

Sodann sei in den vor­

gebrachten Quellenzeugnissen nirgends die Rede von einer Tutel der Descendenten, und falls man überdies I. 3 C. unde liberi nicht als beweisend anerkenne für die Geltung

einer Succession in dem ordo unde liberi, so habe man

für die successio graduum unter den Descendenten weder in dem früheren Rechte noch in Nov. 118 den geringsten

Anhaltspunkt.

Beide Einwendungen erweisen sich bei nähe­

rer Betrachtung als unbegründet.

Denn die Tutel hat

chrer Bestimmung und ihrem Wesen nach besondere Erfor­

dernisse, nämlich daß die Delaten persönlich fähig seien die Vormundschaft zu

übernehmen ”).

Die Tutel hat

engere Gränzen als die Delation der Erbschaft.

Allein

dies berührt gar nicht unsere Frage über die successio

graduum, denn dabei bleibt stets der Satz wahr, daß bei

den Fällen und Personen, bei welchen eine Delation der Tutel ihrem Wesen nach überhaupt möglich sei, auch eine successio graduum eintrete, und daß Justinian auch

hieran denke, sieht man deutlich aus den Worten des c. 5 :

neque excusatione competente sibimet utantur.

Schwie­

riger scheint der andere Einwand bezüglich der Tutel der

Descendenten.

Abgesehen davon, daß eine wirlliche tutela

’•) I. 1 §. 1, 3 de leg. tut. 26, 4.

") l. 5 C. t. c. 5, 30; 1. 15 §. 4 C. t. e. 6, 58 Nov. 118, c. 5.

32 der Kinder über ihre Eltern natürlich unmöglich ist, scheint

selbst die enratio der Descendenten über ihre Ascendenten dem Gefühle zu widersprechen.

AuS diesem Grunde wurde

dieselbe auch von den alten Römern als ein indecorum ’8)

verworfen. Divi

Allein später ging man seit Rescripten der

Fratres von der entgegengesetzten richtigeren An­

sicht aus, daß z. B. ein filius, si tarn probns sit, tarn sobrie vivat, wohl der Nächstberechtigte zur Uebernahme

der Vormundschaft und der Geeignetste sei, welcher seinen Eltern die beste Pflege

könne.

und die größte

Liebe erweisen

Hierdurch war daS Prinzip der Delation der Vor­

mundschaft an Descendenten, und deren Vorzug vor andern

Personen (filium — magis quam extraneum; filio potius) schon längst vor Justinian anerkannt.

Hält man

dies fest, so kann eS, unter Berücksichtigung desjenigen, was bezüglich der successio graduum bei der civilrechtli­ chen Tutel und cura ”) bereits

oben ausgeführt wurde,

”) 1. 12 $. 1 de tut. 26, 5 (ü bp.) : quam vis enim contra sit apud Celsum et apud alios plerosque relatum, quasi indecorum

sit patrem a filio regi, attamen — — divi fratres rescripserunt :

filium, si sobrie vivat, patri curatorem dandum, magis quam ex­ traneum; 1. 1 §. 1 de cur. für. 27, 10. Ulp. : filio potius cu-

rationem permittendam in patre furioso, si tarn probns sit. — 1. 2 (Paulus), 1. 4 (Ulp.) eod. : Furiosae matris curatio ad filium pertinet; pietas enim parentibus, etsi inaequalis sit eorum potestas, aequalis debetur.

”) Vgl. noch Cic. de inv II, 50; §. 3 J. de cur. 1, 23; 1. 5 C. t. c. 5, 30. Ulp. fr. XII, Z 1, 2; 1. 10 §. 3 de grad. 38, 10.

33 keinem begründeten Zweifel unterliegen, daß Justinian nicht blos den prinzipiellen Vorzug der Descendenten als solcher, sondern auch eine snccessio graduum unter ihnen

bezüglich der Delation der Vormundschaft, und correspon-

dirend

der

Jntestaterbfolge

in

Nov.

118

c.

5

aner­

kannt habe.

§. 2. Verhältniß des Accrescevzrechtes zur snccessio graduum. Wir haben bisher nur die Frage zu beantworten ver­

sucht, ob nach Nov. 118 eine allgemeine snccessio ordi-

num et graduum stattfinde.

Mit der Bejahung derselben

ist nun zwar auch die einfache Frage als entschieden zu betrachten : wann

die snccessio

ordinum eintrete,

(d. h. sobald alle Personen ex potiori ordine weggefallen sind,) nicht aber auch : wann die snccessio graduum

Platz greife. Auf den ersten Anblick möchte es als das Einfachste und Natürlichste erscheinen, daß'man bezüglich der Ord­

nung der Jntestaterbfolge alle

Verwandte auf Grundlage

der drei Richtungen der Cognation, (Ascendenten, Descen­

denten, Collateralen,) jedoch ohne besonderen Vorzug der einen vor der anderen, rein nach der Gradeönähe erben lasse.

Eben so gewiß eS nun ist, daß die älteren Römer, Z

v. Helmolt, civil. Abhandl.

84 wie auch Justinian *), die drei lineae oder ordinea cog-

nationis der Ascendenten u. s. w. als Unterlage 8) benutz­ ten, und ebenso auf den Gesichtspunkt der absoluten GradeSnähe gebührende Rücksicht nahmen, eben so gewiß ist eS aber auch, daß diese Anschauungen für die positive Erb­

folgeordnung niemals die allein maßgebenden waren.

Denn

in der älteren Zeit entschied nicht die naturale cognatio,

sondern die civile agnatio s), und selbst bei dieser sollte

nicht die absolute GradeSnähe den Vorzug geben, sondern

die

sui

heredes ohne Rücksicht

auf

als die proximiores agnati berufen

GradeSnähe

stets

fein 4* ).*5 3 Aber auch

zur Bestimmung der Suität sollte die absolute GradeSnähe

nur in jeder einzelnen stirps entscheiden s).

Der bereits

von GajuS 6) in dieser Rücksicht aufgestellte Satz : Quando de hereditate vel bon. poss. quaeramus,

non semper

eos, qui ejusdem gradus sunt, concurrere, wird von

Justinian noch in den wiederholt.

Institutionen') sehr bestimmt

Selbst als Justinian das frühere Verhält-

') f. oben §. 1, Note 3. 22. ') f. §. 1, Note 52. 3) 1. 10 §. 4 de grad. 38, 10; $. 12 J. de grad. cogn. 3, 6 : Toties etc. 4) 1. 10 §. 3 t. c. 38, 10. — Gaj. III, 7 nee qui gradu proximior est ulteriorem excludit.

5) f. u. Note 72. 76. ’ •) h 1 §. 2 t. c. 38, 10.

’) §. 11 J. t. c. 3, 6; Theoph. ad h. I. (f. oben $. 1, Note

19 und Tert zu Note 24.)

35 niß zwischen Agnaten und Cognaten geradezu umkehrte 8), sollte z. B. der ordo der Descendenten **) als solcher einen

absoluten Vorzug vor den übrigen Cognaten haben, unter den Descendenten selbst aber auch nicht die absolute GradeSnähe bezüglich des Verhältnisses der einzelnen Stämme

zu einander *°), sondern nur innerhalb jeder stirps als solcher entscheiden.

Fassen wir nun die positive Erbfolgeordnung, wie sie sich unter Berücksichtigung der soeben angegebenen GesichtS-

') s. oben

1, Note 49.

•) Ueber den Erklärungsgrund deS Vorzugs der sui vgl. Gaj. II) 157 : sui heredes ideo appellantur, qnia domestici heredes sunt, et vivo quoque parente quodammodo domini existimantur. $. 2 J. de her. quäl. 2, 19; $. 3. 15. 16 J. de her. quae ab int. 3, 1 : ne hi, qui ex transversa linea veniunt, potiores iis habeantur, qui

recto jure descendunt; 1. 11 de liberis 28, 2 (Sui heredes) post mortem patris non hereditatem percipere videntur, sed magis libe-

ram bonorum administrationem consequuntur; 1. 1 $. 12 de succ.

ed. 38, 9 : in honorem sanguinis------- ; 1. 7 de bon. damn. 48, 20 : Quum ratio naturalis, quasi lex quaedam tacita, liberis pa-

rentum hereditatem addiceret, velut ad debitam successionem eos vocando, propter quod etiam in jure civili suorum heredum nomen

eis inditum est--------. Diese Stellen find abffchtlich bereits -ter vollständig mitgethetlt, um spätere Wiederholungen an verschiedenen Stellen zu vermeiden (s. u. Note 75. 78. 83). — Ueber die weitere Entwickelung der Descendentenqualität bis Nov. ns vgl. 1. 1 C. de bis qui ante ap. tab. 6, 52; $. 9 J. t. c. 3, 1; 1. 9, 12 i. f. C. de suis 6, 55, §. 11 J. de grad. cogn. 3, 6.

Ie) Nov. 118, c. 1 : In hoc ordine (descendentium) grad um

quaeri nolumus, s. Note 53.

36 punkte im Laufe der Zeit bei den Römern verschieden ge­

staltete, ins Auge, so scheint eS auf den

ersten Anblick

wiederum das Natürlichste zu sein, daß man alle dabei vom Gesetze genannten Personen der Reihe nach zur Erb­ folge berufe, und zwar

ohne Rücksicht darauf, ob die

vorhergehenden Personen vor oder nach Eröffnung der

Intestatsuccession, ohne die Erbschaft erworben zu haben,

wegfallen.

Wir finden aber, daß die Römer in der älteren

Zeit von dem entgegengesetzten Grundsätze ausgingen, und mit

dem Augenblicke der Eröffnung der Intestatsuccession einen scharfen Ein- und Abschnitt machten : Ab intestato “) succedit is, ante quem alii non est delata hereditas, ein Satz, dessen

suis heredibus

Consequenz das Axiom ausdrückt : in

— in

cessio non est ,e).

legitimis hereditatibus

— suc-

Die zu Grunde liegende Idee war:

der Augenblick der Delation soll in jeder Be­ ziehung exclusiv wirken.

Eine zweite oder weitere

Delation war also unmöglich.

Fielen daher die eine oder

die mehren Delaten sämmtlich weg ohne erworben zu ha­

ben, so war von einer wirllichen Erbfolge keine Rede mehr.

Hierbei drängt sich aber von selbst die weitere Frage auf : Wie wurde es gehalten, wenn von mehren Dela­ ten einer oder einige vor dem Erwerbe wegfielen, die

n) Gaj. III, 13; $. 6 J. t. c. 8, 2 — si facto testamento quisquam decesserit, (proximns) per hoc tempus requiritur, quum certum esse coeperit, nullum ex testamento heredem exstiturum.

") s. oben $. 1, Note 7-11.

37 übrigbleibenden aber ihre Erbtheile erwarben?

Hier trat

von den ältesten Zeiten her die Idee der Universalsucces­

sion , und deren praktische Consequenz : das Anwachsungs­

recht, (dessen Bedeutung wir unten genauer kennen lernen werden 1S),) vermittelnd ein.

Dieser Character der Exklu­

sivität des Augenblicks der Delation mit der

Folge des

AccreScenzrechteS als Regel für die Fälle der Repudiation

oder des Todeö einiger Delaten ohne Erwerb, wurde selbst dann beibehalten, als

später die Prätoren ausschließlich

für den Fall, daß sämmtliche frühere Delaten repudiirten oder vor dem Erwerbe starben, eine successio ordi-

num und in der b. p. unde cognati eine successio graduum u) zuließen,s).

Auch Justinian änderte daran

nichts in dem vornovellischen Rechte,e).

Zwar bestreitet

dies Mayer ”), indem er den §. 9 J. de bon. poss. durch die Behauptung zu beseitigen sucht, daS Wort »accrescit« sei in dieser Stelle nicht im technischen Sinne gebraucht.

Mit gutem Grunde hat dies bereits Bange-

u) f. u. Tert zu Rote 27 fg.

■•) f. $. 1, Rote 7 fg. '») 1. 3 $. 9 - 1. 5 de b. p. 37, 1. Pauli 8. R. IV, 8, 26;

1. 9 de suis 38, 16; 1. 2 $.8 de b. p. sec. tab. 37, 11; 1. 53 j 1,1. 80 de acq. her. 29, 2; 1. 1 $. 9— 11 ad 86. Tert. 38, 17. L un. C, quando non petentium partes petentibus accrescant. 6, 10.

*•) §. 4 J. de 80. Orph. 3, 4; §. 9 J. de b. p. 3, 9; Vgl. noch Note 120. n) 1. c. S. 287 fg.

38 row 18) verworfen. Mein auch die Auslegung, welche Bangerow dieser Stelle giebt, läßt sich nicht rechtferti­ gen, und es muß dessen Ansicht sofort hier berücksichtigt werden, da sie für Nov. 118 von großem Gewicht sein würde. Der §. 9 J. cit. lautet : Liberis itaque et parentibus in petenda bon. poBS. anni spatium, ceteris centum dierum dedit. Et si intra hoc tempus aliquis b. p. non petierit, ejusdem gradus personis accrescit, vel si nemo sit, deinceps ceteris bon. possessionem perinde ex successorio edicto pollicetur, ac si is, qui praecedebat, ex eo numero non esset. Bangerow liest hier statt : »vel si nemo sit, dein­ ceps ceteris u. s. w." : »vel si nemo sit deinceps, cete­ ris u. s. w." ") Bangerow will dadurch, daß er das Komma hinter deinceps stellt, also dieses Wort zu vel si nemo sit gehörig betrachtet, den Beweis führen, daß schon in dem ordo unde liberi vor Nov. 118 eine successio graduum möglich gewesen, trotzdem aber aus-

") 1. c. S. 78. '•) Auch Mayer 1. c. S. 287, Büchel 1. c. S. 158, Schra­

der, Inst. h. 1., und Mühlenbruch, Comm. 1. c. S- 278 haben dieselbe Interpunktion

Zu den sonstigen Ansichten Mühlenbruch'S

über die vorliegende Frage paßt dieselbe aber offenbar gar nicht.

Mühlenbruch sucht sich durch die Übersetzung zu helfen: „Und

erst wenn Alle (nämlich die früheren Delaten)

weggefallen sind",

was nach der Lesart Mühlenbruch'S eine unrichtige Übersetzung ist, denn »deinceps“ bezeichnet stets Gradesentferntere.

39

drücklich von Justinian dem AccreScenzrecht der Vor­

zug gegeben worden sei. der Stelle.

Allein dies liegt gewiß nicht in

Der Gebrauch des Wortes deinceps würde

zwar in beiden Fällen nichts Bedenkliches haben 20).

Allein

abgesehen davon, daß die Worte »vel si nemo sit dein­

ceps«, welche Bangerow auf den ordo unde liberi be­ zieht , ganz allgemein sind, und gar nicht auf die mit den

liberi gleichzeitig vorhergenannten parentes passen würden, indem diese nach ausschließlicher GradeSnähe erst in dem ordo unde legitimi oder cognati kommen

gegen die ceteri im zweiten Satze

können, also

des §. 9 cit. gar kei­

nen Gegensatz bilden, — ist es offenbar, daß die beiden

Sätze von Liberia — dedit, und von Et si u. s. w. ganz selbständige sind, so daß das

»ceteris« des ersten Satzes

ganz verschieden ist von dem »ceteris« des zweiten Satzes.

Schon die Worte : »Et si intra hoc

tempus aliquis«

zeigen, daß dabei sowohl das anni spatium als

die 100

dies, und bezüglich der betreffenden Personen : liberi, pa­

rentes und ceteri zusammengefaßt sind.

In §. 9 J. cit.

ist meines Erachtens nicht mehr gesagt, als in den sonsti­

gen vornovellischen Stellen 2I).

,0) vgl. $. 4. 8 J. t. c. 3, 2; 1. 6 $. 1 de her. inst 28, 5; 1. 1 $. 8, 1. 2 $. 1 t. c. 38, 16; 1. 1 §. 10 de succ. ed. 38, 9; 1. 15 tz. 3 C. de leg. her. 6, 58; Nov. 118 c. 3 Z. 1.

**) B. 1. 1 Z. 10 de succ. ed. 38, 9 : Quibus ex edicto b. p. dari potest, si quis eorum aut darf sibi noluerit, aut in die* bus statutis non admiserit, tune ceteris b. p. perinde competit,

40 Fragen wir nun, ob Justinian inNov. 118 an dem von ihm Vorgefundenen Rechte etwas geändert habe, so ist

es vorerst unzweifelhaft, daß in

der genannten Novelle

wörtlich nichts gesagt wird über das AccreScenzrecht, nicht einmal in der Weife,

wie in cap. 5 durch die Worte

secundum gradum et ordinem

ausdrücklich htngewiesen

wird auf die successio ordinum et graduum (s. o. §. 1). Man könnte zwar auch hier eine mittelbare Bestätigung

der Grundsätze über AccreScenzrecht finden, wie sie früher

bei der b. p. unde cognati galten.

Allein wir wollen

selbst dieses Argument fallen kaffen, weil es zweifelhaft erscheinen könnte. werde das

Nehmen wir also an, in Nov.

118

Accrescenzrecht gar nicht berührt, so müßten

wir schon nach

allgemeinen Interpretationsgrundsätzen der

Ansicht sein, Justinian habe die bestehenden Regeln über

Accrescenzrecht stillschweigend anerkannt, falls sich nicht

aus anderen Aussprüchen der Novelle, oder sonstigen Grün­ den,

eine Aenderung erweisen lasse.

Denn die Absicht

Justinian'S, das ganze bisherige Accrescenzrecht durch

bloseS Jgnoriren aufheben zu wollen, wird wohl Nie­

mand annehmen.

Eine theilweife Aenderung der ftüheren

ac ei prior ex eo numero non fuisset. — Daß Ausdrucksweisen wie in 1. 16 $. 3 C. t. c. 6, 58:------- nullusque alias sit in secundo

gradu, qni succedere potest, — hier nicht zur formellen Unterstützung der oben verworfenen Interpunktion des $.9 J. eit. dienen können,

bedarf wohl keines Beweises. 1. c. S. 173.

Bgl. unten Note 102 und Francke,

41

Grundsätze über Accrescenzrecht durch die Nov. 118 wird

aber von vielen Schriftstellern für folgende Fälle behauptet: 1) Wenn von mehren Descendenten einer nach der De­

lation auSfällt, ohne erworben zu haben M), und

Nachkommen hinterläßt, welche zur Erbschaft beru­ fen worden wären, wenn ihr ParenS zur Zeit der

Delation ihnen nicht im Wege gestanden hätte ”). 2) Wenn bei Concurrenz von Ascendenten, vollbürtigen

Geschwistern und Geschwisterkindern ersten

Grades,

die in der ersten Delation begriffenen Ascendenten,

oder eines der Geschwister, ohne erworben zu haben,

wegfallen, jedoch entferntere Ascendenten, oder Söhne oder Töchter der weggefallenen Geschwister vorhan­

den sind, welchen sofort deferirt worden wäre, hätte

der Weggefallene ihnen nicht zur Zeit

der

früheren

Delation im Wege gestanden 24).

”) die Abstention des suus hat dieselbe Wirkung. *’) j B. x stirbt ohne Testament mit Hinterlassung von drei emancipirten Söhnen A, B, C. C fällt vor dem Erwerbe der Erb. schäft weg mit Hinterlassung von drei Kindern D, E, F. Sollen hier a) D, E, F (abgesehen von dem ihnen etwa -ustehenden Trans­ misstonsrechte, s unten $. 4, Note 4) durch siiccessio graduum, also durch eine neue Delation, noch neben die beiden früheren De­ katen A und B rücken, und gleichzeitig miterben, .oder b) soll der Erbtheil des weggefallenen C den beiden gleichzeitigen Delaten A und B accreSciren, also die Enkel des Erblassers ausgeschlossen sein? ") z. B. A stirbt ohne Testament, ohne Descendenten, mit Hin­ terlassung seiner Eltern A, B, und dreier vollbürtiger Geschwister C, V, E. Nach der Delation, jedoch vor der Antretung der Erbschaft,

42 3) Bei halbbürtigen Geschwistern und Geschwisterkindern wie bei vollbürtigen. Fast sämmtliche ältere, wie auch ein großer Theil der neueren Juristen 25) geben auch in den genannten Fällen dem AccreScenzrechte den Vorzug vor der successio graduum, dagegen wollen einige ältere, sowie viele neuere Juristen *•) hier seit der Nov. 118 die successio gra­

fallen A, B, C weg.

Sollen hier a) die noch lebenden Großeltern

F, G, H, I, und die Kinder des C : K, L, M (abgesehen von dem

ihnen etwa -ustehenden TranSmisfionSrechte, s. Note 23) durch suc­ cessio graduum nachrücken und gleichzeitig

mit den noch übrigen

früheren Delaten D, E erben, oder b) sollen die Antheile der aus­

gefallenen A, B, C den gleichzeitigen Delaten D, E accresciren?

”) Der Kürze halber verweise ich auf Glück, Inteftaterbfolge,

§. 150 fg. und die daselbst angeführte ältere Literatur, gerow I

c. §. 420,

S. 75 fg

und Van-

und die daselbst angeführte neuere

Literatur, welche zu vervollständigen ist durch: Savignp, Spst. Vlll, S. 488, welcher sich ebenfalls für den Vorzug des AccreScenzrechtS entscheidet.

") Aeltere : Strpk,

tract. de succ. ab int. dies. III, c. 1,

§. 11 und Leyser, Med. SP. 423, med. 4, welche beide jedoch nur

bei Geschwisterkindern der successio graduum den

Vorzug geben.

Koch. succ. ab int. $. 102, welcher einen in den Quellen gar nicht

begründeten Unterschied zwischen Wegfall eines Delaten durch Tod oder Repudiation (vgl. oben $. 1, Note 70) macht (vgl. darüber Büchel I. c. S. 86, Note 3 und Vangerow 1. c. S. 78).

Francke 1. c.

S. 167 fg.

R. Ler. I, S. 289 fg. Fritz),

Lehrb. §. 439.

Ma per 1. c. S. 284 fg.

Hunger, Erbr. $. 130 Valett,

Schweppe, Handb. V, $. 880.

Lehrb.

$.

Neuere:

Witte im

Wening (und

949.

Mejer

zu

Sinterns 1. c. §. 163, Note 16.

43 daum in Ccllisionsfällen dem AccreScenzrechte vorgezogen

wissen.

Ich halte die Ansicht des unbedingten Vorzugs

des Anwachsungsrechtes für die richtige, jedoch nicht über­ all aus den von den Vertheidigern

dieser Ansicht vorge­

brachten Gründen.

Die Vertheidiger des Vorzugs der successio graduum suchen ihre Meinung zu unterstützen durch die Berufung :

I. auf das Wesen des jus accrescendi;

II. auf die in Enkel

thesi gleichstarke Erbberechtigung der

und Geschwisterkinder

mit

ihren

Oheimen

und Tanten;

III. auf das accessorische Erbrecht der Mutter nach I. 2 §. 18 ad SC. Tert.;

IV. auf die Möglichkeit der

Decrescenz der anfängli­

chen Erbportion;

V. auf die Ausdrücke in locum et jura parentis succedere;

VI. auf die Allgemeinheit der successio ordinum et gradu­

um, und die fortschreitende Entwickelung der letzteren. Wir wollen diese Punkte in dem Folgenden einer ge­

naueren Prüfung unterwerfen. I. Das AccreScenzrecht2’)

Idee der Universalsuccession.

ist eine Consequenz der

GS ist deshalb nicht blos

ein Recht, sondern vorzugsweise auch eine necessitas ac­

crescendi.

Diese tritt definitiv ein, sobald Jemand wirk-

”) Die besonderen Grundsätze de- Accrescenzrechts bei Bermächtniffen bleiben hier außer Betracht.

44 lich Erbe geworden ist, gleichviel zu welchem Theile. Möglichkeit des Erwerbs eine- Theile» des

liegt aber in der

Die

Nachlasses

sogenannten Delation, und mit der

Delation eines Theiles der Erbschaft ist sofort die Mög­

lichkeit des Erwerbs der ganzen Erbschaft geboten für den Fall des Aufhörens der Concurrenz von Miterben.

Das

Wesen des AccreScenzrechtS liegt darin, daß nur die Por­

tion zu einer andern Portion Hinzutritt; es ist also etwas Objectives, über welchem als Bindemittel die Idee der

Universalsucceffion schwebt.

Mehre Miterben, welche ihre

Antheile erwerben, werden wie eine Person, nämlich wie

der Erblasser selbst behandelt, und wenn türliche

Trennung

mehrer

Miterben

auch die na­

nicht

ohne

allen

Einfluß sein kann, so wird doch durch jeden Erbt heil

die Fortsetzung der ganzen substantiirten Persönlichkeit des Erblassers repräsentirt, und eS liegt, wie Ihering 28) sehr treffend sagt, in dem Rechte auf einen Theil der Sache

der Keim zu einem Rechte auf das Ganze, so daß jedem Theile gleichsam eine Expansivkraft innewohnt, welche nur

der factischen Möglichkeit bedarf, um sofort und von selbst auch auf die übrigen Theile sich auszudehnen, respecttve

dieselben an sich zu ziehen 2»);

eine Erscheinung,

wegen des natürlichen Zusammenhangs

die

der Theile eines

") Abhandlungen Num. I, S- U. 20. ") Gerade mit Bezug auf das AccreScenzrecht werden deshalb die übrigen Theile eines Nachlasses von Ulpian in I. SS pr. de

acq. her. 29, 2 als »Appendices« bezeichnet.

45 Ganzen auch

in

andern Verhältnissen möglich ist, z. B.

bei der in Folge der actio com. div. zulässigen Adjudi-

cation des Ganzen 30). Dieses Wesen des AccreScenzrechtS wird zu Gunsten

der

successio graduum von mehren Schriftstellern in

einzelnen Beziehungen modificirt, und zwar 1) leugnet Francke$1), daß mit der Delation einer

Erbportion resp, mit deren Erwerb auch ein jus quaesitum

auf die ganze Erbschaft begründet sei.

Derselbe stützt dies

auf die Analogie der testamentarischen Substitution, welche

ja auch dem Accrescenzrecht vorgehe, sowie auf die Be­ stimmung, daß der Soldat auch pro parte testiren könne, (mit besonderem Bezug auf 1. 37 de test. mil. 29, 1,) und leitet aus diesen Gründen den Charakter der Subsi­

diarität des AccreScenzrechtS ab. Allerdings wird beim Vorhandensein mehrer Delaten, bezüglich der objectiven Erbschaft, jedem derselben zunächst nur ein

bestimmter Theil deferirtS2), und insofern hat

Francke Recht, wenn er das jus quaesitum vor der Ent­

scheidung, ob die übrigen Theile von den Miterben erwor­

ben werden, auf diesen deferirten Theil beschränkt.

die Quellen sprechen von in partem

Auch

succedere, sogar

») 1. 6 $ 10. 11 h. t. 10, 3; 1. 55 fam. herc. 10, 2.— I. 33 de usufr. 7, 1; 1. 1 §. 1. 3, 1. 3 pr. de usufr. accr. 7, 2; 1. 20 $. 3 de H. P. 5, 8; 1. 7 j. 4. 5 de exe. r. j. 44, 2. -') 1. c. S. 180—182.

”) Francke 1. c. S. 170.

46 von in partem vocare ’•).

Allein die blose Theilbe­

stimmung bezüglich der objectiven Erbschaft ist genau zu

unterscheiden von der Universalrepräsentation des Erblas­ sers, welche mit der Delation selbst jedem Miterben, und

damit nicht blos ein durch den Wegfall der Miterben be­ dingtes Recht, sondern auch die eventuelle Verpflichtung

dazu eröffnet, und mit dem Erwerbe der Erbportion fest begründet wird, so daß sie nur ausnahmsweise wieder rückgängig gemacht werden kann.

Deshalb ist auch die Be­

merkung Mühlenbruch'S **) begründet, daß bei Francke nicht vorauSzusetzen sei, er habe mit der obigen Behaup­

tung die Untheilbarkeit der Erbschaft in Abrede stellen wol­

len 1S), daß aber auch damit der von Francke den Geg­ nern gemachte Vorwurf einer petitio principii Wegfälle.

Obgleich, wie wir später sehen werden, Quellenaussprüche über testamentarische Grundsätze für die vorliegenden Fra­

gen nur mit Vorsicht auf die Intestaterbfolge angewandt werden dürfen, so glaube ich doch, daß gerade hier fol­

gende Stelle zur Entscheidung benutzt werden kann :

1. 2 §. 2 de b. p. sec. tab. 37, 11: Pro qua quisque parte heres scriptus est, pro ea accipiet bon. possessionem, sic tarnen, ut, si non sit, qui ei concurrat, habeat solus bon. possessionem.

”) f. unten §. 3, Note 6 — 8.

") Comm 43, S. 274. . ") Francke giebt diese Untheilbarkeit sogar selbst zu 1. c. S. 180, Zeile 5 von unten.

47 Quamdiu tarnen unus ex heredibus deliberat, utrum

admittat bon. poss. an non? portio bon. posses­ sionis ejus coheredi non defertur ").

In dieser Stelle sagt Ulpian, daß vor dem Weg­ fälle des Miterben dessen Portion dem Miterben nicht ein­

mal deferirt werde ; ebenso wird Niemand leugnen, daß, falls dem Miterben in dem Testamente ein Dritter substituirt wäre, der Substitut den andern Miterben verhindern

könne, ut solus babeat bon. poss.”). Alles dieses scheint Fran cke'S Meinung gerade zu bestätigen.

Allein es ist

unzweifelhaft, daß Ulpian für den Wegfall des Miterben

keine neue Agnition der b. p. für den vacanten Erbtheil verlangt, (und dies ist für die vorläufige Frage der Wir­

kung der Delation resp, des Erwerbs eines Theiles der Erbschaft entscheidend,) sondern für den Fall : si nemo

sit, qui ei (sc. heredi pro parte scripto) concurrat, geradezu das Accrescenzrecht eintreten läßt, (ut solus

babeat b. p.) 18).

Und wenn die Quellen häufig von der

conditio alterius portionis sprechen, so wird damit weder die Untheilbarkeit der Erbschaft geleugnet, noch die

••) s Note 33.

”) I. 2 8. 8 t. c. 37, II (ebenfalls von Ulpian). ") 1. 80 $. 1 de acq. her. 29, 2 — adeundo unam portionem,

omnes acquiro, si tarnen delatae sint; 1. 2 §. 8 eit. 37, 11 : nec erit ei necesse petere b. p. sed ipso jure ei accrescat, 1. 76 pr.

t. c. 29, 2 : nihil interest, utrum ex substitutione prius adierit, an

ex prima institutione, quum ab utraque causa una aditio sufficiat; vgl. noch oben Note 15.

48 Nothwendigkeit einer nochmaligen Antretung oder Agnition

einer vacant werdenden Portion behauptet. Denn die Fälle,

in welchen die Römer sagen : iterum adeundum esse, si conditio (alterins portionis) exstiterit, erklären sich ge­ nügend aus der auSnahmSweisen Annahme einer gleichsam

doppelten, oder doch neu entstehenden Persönlichkeit"). Zur Unterstützung der angeblichen Subsidiarität des AccreScenzrechtS bet der Intestaterbfolge gegenüber der suc-

cessio graduum ist aber auch a) die Analogie der testamentarischen Substitution nicht

geeignet. Dieselbe kann nämlich im Allgemeinen nicht zu p osi tiv e n Resultaten benutzt werden, wie wir später (Num. V) sehen werden.

Sodann ist aber hier Folgendes entscheidend.

Daß die Römer zwischen dem Erwerbe zufolge testamentari­ scher Substitution und dem Erwerbe zufolge deS AccreScenz-

rechts bei der Intestaterbfolge einen Unterschied machen, ist unzweifelhaft. Das AccreScenzrecht als etwas Objectives geht

auf die Erben über 40 * *).*

Die Substitution als etwas rein

Persönliches geht nicht auf die Erben über.

Die Substitu-

tion wird als bedingte Institution behandelt, und da nur

dem lebenden institutus deferirt wird, so heißt es auch von

3e) 1. 79. 80 §. 2. 3 t. c. 29, 2 : illud, quod dicimus, semel adeundum, in ejus dem persona locum habet, non cum per alium

acquirenda est hereditas. 40) 1. 9 de suis 38, 16; I. 26 $. 1 de cond. et dem. 35, 1;

1. 53 pr. de acq. her. 29, 2. de SC. Orph. 3, 4.

Paulus 8. R. IV, 8 §. 26; §. 4 J.

49 dem snbstitutus konsequent: vivo defertur ex substitutione 41); riam si mortuus esset ad heredem non trans-

ferret substitntionem 4ä).

Wenn deshalb von vier Mit­

erben, welche sich gegenseitig substituirt sind, zwei nach Er­ werb ihres Antheils sterben, der dritte hierauf den seinen

ausschlägt, so wird nur dem vierten Miterben, qni eo

tempore supervixit,ex substitutione deferirt 4S). Hier

geht also, wie auch in den einfacheren Fällen, die Substi­ tution entschieden dem AccreScenzrecht vor.

Wäre es nun

richtig, daß man diejenigen Personen, welchen bei der Jntestaterbfolge eine successio graduum in thesi zusteht 44),

auf gleiche Linie stellen dürfte mit den testamentarischen Substituten, sie also als „gesetzliche" Substituten betrach­

ten müßte, so wäre die Ansicht Francke'S bezüglich der allgemeinen Subsidiarität des Accrescenzrechts unzweifel­

haft begründet, und es müßte die successio graduum dem AccreScenzrecht bei der Jntestaterbfolge unbedingt vorgehen,

weil diese „gesetzliche" Substituten existente conditione

snbstitutionis als instituirte Miterben zu behandeln wären, und bezüglich ihrer Portion von einem AccreScenzrecht der übrigen Miterben natürlich gar keine Rede sein könnte.

Allein die Römer unterscheiden ausdrücklich zwischen den

*') L 9 eit. 88, 16.

“) I. 81 t. c. 29, 2. ") 1. 46 $. 1 de vulg. et pup. subst. 28, 6; vgl. noch 1. 41 pr. eod.; 1. 35 pr., 1. 52 Z. 1, I. 76, 80 t. c. 29, 2. ") s. oben Rote 23. 24. v. Helmolt, civil. Abhandl.

-o Grundsätzen der testamentarischen Substitution, und bett Grundsätzen des Accrescenzrechts bei der Intestaterbfolge,

und sagen gerade bei der Vergleichung der beiden Institute in

Bezug auf letztere-") : reliquis qui adierint,

accrescit illonim (sc. omittentium etc.) portio; und den hierbei erfolgten Aeußerungen, wie z. B. von Pau­

lus ") : diversa enim causa est scripti et legi­ tim! (heredis) liegt mindesten- der allgemeine Gedanke zu Grunde, daß man von den Grundsätzen der testamen­

tarischen Substitution keinen

positiven Schluß ziehen

dürfe auf die Natur de- Accrescenzrechts bei der Intestat­

erbfolge. b) Daß auch durch Berufung auf 1. 37 de test. mil. und die offenbare, von Paulus ausdrücklich hervorgeho­

bene Singularität : quia miles et pro parte testari

potest, die Ansicht Francke's nicht bestätigt wird, hat

bereit- Mühlenbruch ♦’) hervorgehoben. 2) Mayer 48) behauptet, der Character des Accres­

cenzrechts zeige sich darin, daß der Wegfallende so behan­ delt werde, wie wenn er gar nicht vorhanden gewesen wäre.

Schon Mühlenbruch 1. c. macht auf das Bedenkliche solcher Abstractionen aufmerksam. Allein der von Mayer

aufgestellte Satz ist auch gar nicht wahr, denn nicht der

") I. 9 cit. de suis 88, 16.

") 8. R. 1. c. — Vgl. noch Rote 105. *’) Comm. 1. c. S. 283. ") L c. S. 295; vgl. auch Witte 1. c. S. 275. 278.

61 wegfallende Delat wird so behandelt, als wäre er gar nicht dagewesen, sondern nur die ihm deferirte Portion,

denn portio portioni accrescit.

Daß der TDelat einmal

da war, und durch sein Dasein andere Personen, welche

in thesi ein gleichstarkes Erbrecht wie die übrigen Delaten

haben, von der früheren Delation ausgeschlossen hat, kann nicht ungeschehen gemacht werden; nur die Verthetlung

der Erbmasse ändert sich formell 4e) zu Gunsten der übri­

gen Delaten.

In dem ganz objectiven Wesen des AccreS-

cenzrechtS liegt nicht im Mindesten der allgemeine Grund­

satz, daß der Delat als solcher auch persönlich so behan­ delt würde, als sei ihm nie deferirt worden, denn sonst müßte man konsequent sogar das Transmissionsrecht aus­

schließen.

II. Manche Schriftstellerso) machen für den Vorzug der successio graduum vor dem AccreScenzrecht geltend,

daß entferntere Descendenten und Ascendenten, sowie Neffen und Nichten4') seit Nov. 118 ein gleich starkes Erbrecht

") Daß da- AccreSciren materiell nacht-eilig werden kann, ist unzweifelhaft.

Dies ist aber nicht zu verwechseln mit dem DerrrS-

ctren, welches von manchen Schriftstellern geltend gemacht wird,

um eine nachträgliche, für einzelne Delaten auch formell nacht-eilige Aenderung der VcrtheilungSart herbeizufiihren.

S. unten Nam. iv

und Z. 3 a- E.

“•) Schrader, Com. de nexu succ. ab. int et quer, inoff. test. $. 94.

Francke 1. c.

§. 163, Note 16, S. 337. “) f. oben Note 23. 24.

Witte L c. S. 281.

Sintrai- 1. c.

52

hätten, wie die früher berufenen Oheime n. s. w.

Mein

dieser Grund war selbst zu der Zeit, als eS entweder eine successio graduum noch gar nicht gab, oder doch die

GradeSnähe unbedingt entschied •*), prinzipiell gerade schon so vorhanden für nepotes neptesve in familia, waS durch

den alten, auch von Justinian in Nov. 118 wiederhol­ ten Grundsatz ausgedrückt wird : in hoc ordine gradum quaeri nolumus **).

Trotzdem unterliegt es nicht dem

geringsten Zweifel, daß ihr concretes Erbrecht von dem

Zufalle abhing, daß zur Zeit der Delatton ihr Vater ihnen

nicht mehr ittj Wege stand, und daß sie im entgegengesetz­ ten Falle nicht blos nach Civil- sondern auch nach präto­ rischem Rechte von dieser Delation völlig ausgeschloffen

waren, obgleich sie auch schon vor Nov. 118, wenn sämmt­ liche erste Dekaten wegfielen, noch durch eine zweite oder

weitere Delatton (in der b. p. unde liberi, soweit man

hier successio graduum zuläßtM), jedenfalls aber) in

dem ordo unde legitim! oder cognati zur Erbfolge gelan­

gen konnten.

Wenn es nun aber nicht zu bezweifeln ist,

daß Justinian in Nov. 118 c. 3 und Nov. 127, c. 1 das

Verhältniß, welches früher blos für die sui galt, auch auf die Geschwisterkinder übertragen wollte **), nur mit dem

Unterschiede, daß der Grund ihres Erbrechts respective

**) s. oben §. 1, Rote 7 fg. und $. 2, Rote 1 —10. 14.

") s. oben Rote 4 und 10. “) s. §. 1, Rote 14. 15 und $. 2, Rote 18 fg.

") Bangrrow 1. c. $. 414, Seite 57. 58.

53 ihrer Berufung lediglich in der Blutsverwandtschaft liegen solle, so ist auch für Geschwisterkinder ••) nicht der mindeste Anhaltspunkt vorhanden, aus dem Grunde, weil sie in

thesi gleichmäßig mit Oheimen und Tanten erbberechtigt

sind *’), der successio graduum den Vorzug vor dem AccreScenzrecht einzuräumen, falls sich nicht eine ausdrück­ liche Abänderung Justinian'S bezüglich der auch schon

früher bei Enkeln geltenden Grundsätze nachweisen ließe. Dies ist aber nicht der Fall, vielmehr besteht die Neue­ rung Justinian'S, soweit sie hierher gehört, darin, daß

Enkel, Urenkel u. s. w. unter allen Umständen, d. h. auch wenn sie von der ersten Delation ganz ausgeschlossen sind, für den Wegfall sämmtlicher früherer Delaten, nicht erst

(durch zweite, dritte Delation,) in dem zweiten oder drit­ ten ordo berufen werden, sondern daß sie als cognati-

scheDescendenten jedenfalls allen übrigen blutsverwand­ ten Ascendenten und Collateralen vorgehen, d. h. stets in der

ersten Classe, (ordo descendentium,) und ebenso Ascen­ denten , Geschwister und deren Söhne und Töchter in der

zweiten resp, dritten Classe gerufen sein sollen s8).

") Ebensowenig für Ascendenten.

•*) Julian. Epit. 395 sagt deshalb, ste seien als cognati quasi secundum gradum obtinentes zu betrachten. ") f. oben $. t, Nmn. II; für Descendenten und Ascendenten s. oben §. 1, Rote 45, für Geschwisterkinder Nov. ns, c. s : prae-

ponantur istius filii propriis thiis; Julian Epit. 1. c. : Ideoque

modis omnibus avunculis vel patruis defuncti praeponuntur.

54 HL Daß auch, wie Francke und Mayer ••) wol­

len, aus

der Analogie de»

I. 2 §. 18 ad SC.

Erbrecht-

der Mutter nach

Tert. 38, 17 kein Beweisgrund für

den Borzvg der successio gradunm entlehnt werden kann,

haben bereit-

Büchel,

bruch *°) dargethan.

dem er

sagt,

Bangerow

und

Mühlen-

Mayer widerlegt sich selbst, in­

daß für den Fall de- MchtantttttS von

Setten der Schwester, der Mutter wegen des Vorhanden­

seins de- Vater- de- Verstorbenen gar nicht deferirt werde, trotzdem aber daraus einen poflttven Beweis für den Vor­ zug der successio gradunm vor dem AccreScenzrecht her­

leiten will.

Denn wenn, wegen der Existenz des Vaters,

der Mutter gar nicht deferirt wird, so kann von

ihrem

Erbrechte, oder AccreScenzrechte, oder daß eine- von diesen, oder die Theilung-art sich ändere, gar nicht die Rede sein.

IV. Zur Beseitigung der Inconventenz,

daß durch

den Vorzug der successio graduum vor dem AccreScenz­ recht die bereits bestimmten Anthelle der früheren Dekaten möglicherweise decreSciren können"), haben

Manche •*)

sich auf singuläre Fälle berufen, und daraus

auch

einett

Vorzug der

suc-

Rückschluß gemacht, daß dadurch

“1 Franck» I. c S. 182.

der

Mayer 1. c. S. 264. 265. 296 fg.

•°) Büchel I. c. S. 145 fg. Bangerow l. c. S. 77. Müh« lenbruch 1. c. S. 285. Auch Savigny 1. c. erklärt sich gegen den Gebrauch der 1. 2 cit. •') f. Note 23. 24. 49; und $. 3, Note 20. ”) J. ®. Witt» 1. c. S. 271. 279.

65 cessio graduum unterstützt werde.

Mein dergleichen sin­

guläre Fälle, z. B. wenn eine schwangere Wittwe statt Drillingen vier oder fünf Kinder zur Welt bringt, sind gewiß nicht geeignet, um daraus ein Prinzip zu construi-

ren oder nur irgendwie zu unterstützen M). V. In Nov. 118 c. 1 sagt Justinian : Enkel,

Enkelinnen und weitere Descendenten sollten in proprii parentis 1 ocum snccedere,-------- tantam de heredi-

tate morientis accipientes partem, quanticunque

sint, quantam eorum parens, si viveret, habuisset, quam successionem in stirpes vocavit antiquitas. In hoc enim ordine gradum quaeri nolumus, sed cum

filiis et filiabus ex praemortuo filio aut filia ne-

potes vocari sancimue.

In ähnlicher Weise sagt er

von Söhnen und Töchtern verstorbener Geschwister, sie sollten das privilegium haben: ut in suorum parentum jura succedant e4).

Aus diesen, bei unbefangener Betrachtung gewiß ein­

fachen Ausdrücken Justinian's hat man die verschieden­ artigsten Consequenzen gezogen und zu deren Rechtfertigung

•3) vgl. noch § 3 und Büchel 1. c. S. 169. 236. 246.

schen Borl. $. 929.

Gö­

Mühlenbruch I. c. ®. 295 in f.

•*) Vgl. noch in cap. 3 : Quandoquidem igitnr fratris et sororie filiis tale privilegium dedimus, ut in propriorum parentum succedentes locum — ad hereditatem vocentur etc. — UNd Nov.

127, c. 1 :------- cum ascendentibus et fratribus vocentur etiam

praemortui fratris filii, et tantam accipiant portionem, quan­ tam eorum pater futurus erat accipere, si vixisset.

HS Theorie« aufgestellt, die stch theils an sich, theils gerade dmch die Consequenzen al- durchaus unhaltbar zeigen. So

hat man daraus das bekannte sogenannte Repräsentations­

recht construiich; Büchel und Bangerow stützen darauf den Gesichtspunkt der sogenannten „gesetzlichen" Substitu­ tion, namentlich für Neffen und Nicht«; Sinteni s will

SUS einer besonder« successio in locum parentis praedefuncti ein Argument herleit« für den Vorzug der suc-

cessio graduum vor dem AccreScenzrecht.

Obgleich der

letzte Punkt derjenige ist, welcher uns hier vorzugsweise interesfirt, so erfordert es doch der Zusammenhang, daß

die Ansichten, welche selbst von Vertheidigern des BorzugS deS Accre-«nzrechtS, wie Büchel

und Vangerow es),

aufgestellt worden sind, hier gleichzeitig näher betrachtet werden, weil sie alle die obigen vielbestrittenen Worte der

Nov. 118 zum gemeinsamen Ausgangspunkte haben, und nur durch Beseitigung der entgegmstehmden Ansichten der

wahre Sinn jener Worte vor Anfechtung sicher gestellt wer­

den kann.

Hierbei läßt sich, wie sich später zeigen wird,

ein genaueres Eingehen gerade ans die Darstellungsweise

der genannten Schriftsteller nicht vermeiden.

Um deshalb

bei den in der Sache selbst herrschenden Verwicklungen die

möglichste Klarheit zu bewahren, sollen in dem Folgenden

die Ausdrücke in locum und in Jura succedere zuerst für stch, und sodann, nach kurzer Erwähnung des sogenannten

") f. oben Rote 25. 26.

57 Repräsentationsrechtes, die Ansichten von Büchel, Ban-

gerow und SinteniS abgesondert betrachtet werden. Fassen wir den Ausdruck: in locum succedere schär­

fer ins Auge, so ist eS nicht in Abrede zu stellen, daß

derselbe bei den Römern eine so allgemeine Bedeutung hat,

daß chm an und für sich eine speziell technische Bedeutung geradezu abgesprochen werden muß.

Sowohl daS Wort

locus ••), wie auch das Wort succedere •’), und ebenso

die Combination in locum succedere haben an sich nur eine factische Bedeutung.

Erst aus dem Rechtsverhält­

nisse selbst, mit welchem sie in Verbindung gebracht wer­

den , läßt sich ein juristischer Gehalt und dessen Consequen­ zen bestimmen, nicht aber darf man aus dem Ausdrucke

in locum succedere als solchem Folgerungen ziehen, deren Existenz erst eines selbständigen Beweises aus der Natur

des concreten Rechtsverhältnisses bedarf. Schon Stande68)

bemerkt mit Recht, daß man hinter den Ausdrücken in lo­ cum oder in Jura succedere nicht zuviel suchen solle, und daß

sie an sich nichts sagen, als „ein Recht übertragen erhal­

ten, daS früher ein Anderer hatte." weiter nichts

Damit wird aber

angebeutet als ein factischer Zustand, der

objective Umfang den ein RechtSverhältniß einnimmt, ganz

abgesehen von der Persönlichkeit, welche als Berechtigter

erscheint.

Hat nun bereits ein Anderer denselben Platz

fl6) Forcellini, Lex. tot. lat. h. v. •’) Brisson, h. v.

••) 1. c. S. 177.

58

eingenommen, oder würde er ihn bei dessen Eröffnung ein­ genommen haben, falls er noch lebte, so ist mit dem in locnm oder in Jura succedere nichts anderes verbunden, al- daß der jetzt in diesen Platz Einrückende oder Nachfol­ gende nicht mehr Rechte oder Pflichten hat, als mit dieser Stellung als solcher verbunden sind. Nur wo diese Stellung nicht kraft eigenen Rechtes stattfindet, sondern ihren Ursprung unmittelbar au- der Person Desjenigen herleitet, welcher ftüher an dieser Stelle stand, find Rechte und Pflichten des Nachfolgers ganz dieselben, wie die des Borgängers. So sprechen die Römer in verschiedener Rich­ tung von in locnm und in Jura succedere, z. B. bei dem interd. de itinere actuque private, beim Kauf, Pfand­ recht, Verhältniß zwischen Erben und Erblasser u. s. w.") Daß aber trotz vieler spezieller, sowie einiger allgemeiner ’°) Aussprüche eine völlig gleiche Behandlung aller einzelnen Fälle schon von den Römern für unzulässig gehalten wor­ den sei, zeigt beispielsweise 1.4 §. 29 ’•) de exe. doli, 44,4, wo Ulpian gerade mit Bezug auf die Folgen de- in locnm

••) 1) 1. 3 $. 2 de itinere actuque priv. 43, 19; 1. 166 de R. J; 1. 1 $. 13 quod leg. 43, 3; 2) 1. 76 §. 1 de contr. ernt. 18, 1; 3) 1. 12 $. 9 qui potiores in pign. 20, 4; 1. 5 pr. de distr. pign. 20, 6; 1. 3 quae res pign. 20, 3 : verb. saepe en im etc.; 4) 1. 17 $. 6 de usur. 22, 1; 6) 1. 62 vgl. mit 1. 59, 42. 120 de R. J.; 1. 37 de acq. her. 29, 2; I. 1 C. de rer. perm. 4, 64. 70) z. B. 1. 177 de R. J. : Qui in jus dominiumve alterius succedit, jure ejus uti dcbet.

") vgl. $. 27. 28 (Keller, C. Pr. Rote 306) 30. 31 eod.

SS succedere sagt : aliud est enim emere, aliud ex bis causis (legati, donationis) succedere. Wenn wir nun, unter Berücksichtigung des bisher Gesagten, in den Quellen sehr häufig ausgesprochen finden, daß Enkel, Urenkel u. s. f. per successionem in locum patris sui den Großvater, Urgroßvater u. s. w. ab intestato beerben sollen, so ist damit noch keineswegs gesagt, daß die Enkel u. s. w. in aller und jeder Beziehung persönlich gerade so behandelt werden, resp, berechtigt oder verpflichtet sein sollen wie ihr parens, vielmehr drücken die Worte in locum succedere gar nichts weiter aus als die Thatsache, daß sie an die Stelle treten, an welcher früher ein Anderer, nämlich ihr parens gestanden hat. Dies geht deutlich hervor aus folgendem Ausspruch des GajuS ; 1. 13 de inj. r. irr. test 28, 3: — — si filium et ex eo nepotem neptemve in potestate habeam, quia filius gradu praecedit, is solus jura sui heredis habet, quamvis nepos quoque et neptis in eadem potestate sint. Sed si filius meus me vivo moriatur aut qualibet ratione exeat de po­ testate mea, incipit nepos et neptis in ejus locum (Vulg. loco) succedere, et eo modo jura suorum heredum quasi agnatione qancisci’2). ES wird hier Niemand mit Grund behaupten können "),

”) vgl. Coll. XVI, 2 —6; 1. 2 $. 4—8 de suis 38, 16; 1. 2 C. de lib. praet. 6, 28. ") Die Anhänger des sog. Repräsentation-rechtes sagten, wie

60 daß der Enkel seine Rechte al- saus heres aus der Per­ son seines parens Herlette, vielmehr ist dieser nur

ein

bedingtes factischeS Hinderniß, daß die Rechte, welche dem

Enkel kraft des Familienbandes ") aus eigener Person zu­ stehen, in unbeschränkte Wirksamkeit treten.

Die Enkel

werden nicht gerufen, -weil sie in locum patris eintreten, sondern weil sie sni sind ’*); ihr concreteS Erbrecht ist

nur durch die negative Bedingung beschränk : si pater suus

heres non est ’•).

Eine Bestätigung findet dies in dem

Grundsätze, daß Weiber nach älterem Eivilrecht von ihren

Kindern nicht beerbt werden : quia suos non habens.”); ebenso darin, daß Enkel den noch lebenden pater emanci-

patus nach Civilrecht ausschließen, so daß dieser erst durch die nova clausula Julian! in dem prätorischen ordo unde liberi zur Erbfolge seines Vaters berufen wurde, und zwar nicht allein, sondern, well die eigene Suität der Enkel

z. B. Strpk, Rote 26 cit., von den Enkeln : Justum e«t nt ex filii persona et in stirpes succedant — S. auch Note 83 und 9.

H) 1. 1 §. 6 de conj. c. em. Jib. 37, 8.

’*) s. oben Note 9 und $. 2 und 9 J. de her q. ab int. 3, 1 ; $. 2 J. de her. quäl. 2, 19. Glück, Jntestaterbfolge §. 53. 56. 69, des. S. 89 und 238. 7e) 1. 25 pr. de leg. praest. 37, 5; 1. 5 §. 1 si tab. test, nullae 38, 6; Pauli 8. R. IV, 8, §. 8; Coll. XVI, 3. — DaS that-

sächliche Verhältniß enthält der allgemeine Satz in 1. 28 $. 1 de lib. et post. 28, 2 : priore subducto de potestate suus heres, ulterior successit in proximum locum. ") Ulp. fr. 26, 2; 1. 13 de suis 38, 16.

61

deren Erbgrund

bildete78),

nur

neben seinen eignen

Kindern, unb auch hier nur durch Fiction der Suität. Waren aber auch die Enkel emancipirt, so trat wieder

da- natürliche Verhältniß ein, daß der Sohn die Enkel ganz ausschloß "). In Nov. 118 und 127 hat der Ausdruck in locum

succedere an sich ebenfalls nur eine factische Bedeu­ tung, welche prinzipiell von der Berufung und deren Grundlage durchaus getrennt ist.

Auch der Ausdruck in

Jura succedere in cap. 3 ändert hier gar nichts

Denn

daß Justinian bei diesen Worten nur auf den Erfolg sieht, wie er sonst durch in locum succedere bezeichnet

wird, geht daraus hervor, daß wenn ryan den Ausdruck in jura parentis defuncti succedere etwa so verstehen wollte, daß darin ein RepräsentationSverhältniß wie zwi­ schen Erben und Erblasser 8o)

liege, man nothwendig zu

") 1. 1 pr. h. t. 37, 8; 1. 1 $. 14 de succ. ed. 38, 9 : Non solum autem cum suo nomine veniunt liberi parentesque etc.

In 1. 5 pr. t. c. 38, 6 wird von den Enkeln gesagt : si ad eos hereditas suo nomine pertinebit — Treffend bezeichnet auch Osann, Comm. de L. A. Senecae scriptis quibusdam deperditis,

spec. I, p. 23 (Giss. 1846) das Erbrecht der sui, indem er von »domestico suo jure« spricht. Daß hiergegen auch die Worte der 1. 2 de coli. 37, 6 : nomine emancipati filii nicht ZUM Gegenbe­ weise dienen s. unten Note 89 und oben Note 9.

’•) 1. 1

Z.1; 1. 6 §. 3 de b. p.

c. t. 37, 4;

1. 1 Z. 1. 6. 7.

11 h. t. 37, 8; 1. 5 $. 1 t. c. 38, 6. •°) 1. 1

C. de rer. perm. 4, 64 : in jura patris succedere.

es der verwerflichen Theorie des

vollständigen sogenannten

Repräsentation-rechtes gelangen müßte.

Die Bernfung der

Enkel u. s. w., sowie der Geschwisterkinder ist vielmehr in

allen Fällen eine ganz selbständige, welche stet« kraft eignen Rechtes, und zwar (seit Nov. 118) kraft der Blutsver­

wandtschaft erfolgt.

Sie ist prinzipiell ebenso genau zu

trennen von der Bert Heilung der Erbmasse, ohne daß damit ein Zusammenhang der Grundsätze über Berufung

und Erbthellung geleugnet werden soll 8l).

Die Beru­

fung al« solche aber kennt keine quantitativen Unterschiede.

Sie wird stets als allgemeine Voraus­

setzung der Vertheüung der Erbmasse betrachtet.

Erst wenn

die Berufung als solche möglich ist, (und die- tritt ein bei der Delation,) kommt die Frage in Betracht, welchen räum­

lichen Gehalt ihr Erbrecht in concreto ausfüllen kann,

und hierbei ist für Enkel u. s. w. sowie für Geschwister­ kinder bestimmt, daß, falls ihre Berufung feststeht, sie le­

diglich den faktischen Verhältnissen nach den Raum (locum)

einnehmen können, der durch das Wegfallen ihres parens eröffnet ist, und daß sie, falls ihrer mehre sind, deshalb gegenüber den übrigen Miterben82) bet der Erb-

tHeilung nicht als mehre Persönlichkeiten, sondern

als

eine Person behandelt werden sollen, in ähnlicher Weise

als wenn z. B. der Testator bestimmt hätte : A soll mein

") c r 3.

63 Erbe auf die Hälfte, B, C, D sollen meine Erben auf die andere Hälfte meines Nachlasses sein 82).

Die prinzipielle Trennung der Berufung.als sol­

cher sowohl von dem factischen Ereigniß des in locum succedere als der dadurch unter Umständen

bedingten

Bertheilung in stirpes, ist aber darum von "entschiedener Bedeutung, well sich daran gerade die Unhaltbarkeit der

nachfolgenden Theorieen zeigt.

Man hat nämlich, wie oben

bereits angedeutet wurde, 1) auS den Ausdrücken in locum und in jura pa-

rentis praedefuncti succedere ein sogenanntes Repräsen­

tationsrecht heraus interpretirt, wovon kein Wort in den Quellen steht8S), z. B. bezüglich deS Pflichttheils, der Col-

lationspflicht, ferner daß Enkel u. s. w. sowie Geschwister­ kinder nur dann ihre Großeltern, Oheime oder Tanten

beerben könnten, wenn ihr (der Repräsentanten) parens in concreto erbfähig gewesen wäre, oder gar daß sie die­

sen selbst erst beerbt haben müßten.

Die Theorie dieses

") 1. 11, 59 $. 2 de her. inst. 28, 5. ") Die Conftruction ist bei den Anhängern dieser Theorie häu­

fig folgende : Die GradeSnähe ist die entscheidende Regel.

Sollen

nun Gradesentferntere mit GradeSnäheren gleichzeitig erben, so be­

dürfen erstere des jus repraesentativum, quia non jure proprio succedunt, sed quia stirpem, ex qua nati sunt, et in cujus jus succedunt, repraesentant.

Fällt aber die Eoncurrenz der GradeSnäheren

weg, so soll das jus proprium eintreten, übi ergo jus proprium incipit, cessat repraesentatio I vgl. z. B. C o c c e j i, jus civ. contr. xxxvni, 15. - S. dagegen oben Rote 9. 73. 76. 78.

64 Repräsentationsrechtes ist glücklicherweise jetzt beinahe all­

gemein aufgegeben84). 2) Büchel") deducirt in seiner gediegenen und aus­ führlichen Abhandlung aus den Worten »in locum et por-

tionem parentis praemortui succedere« nach Analogie der „testamentarischen" eine „gesetzliche" Substitutton für

die Intestaterbfolge, jedoch mit besonderer Unterscheidung der „Möglichkeit" und „Wirllichkeit" für die einzelnen Fälle.

Dieser Gesichtspunkt der „gesetzlichen" Substitu-

tton hat allerdings manche Aehnlichkeit mit den testamenta­ rischen Substitutionen, sowohl bezüglich des allgemeinen

Grundsatzes, daß die Reihenfolge der ab intestato gerufe­

nen Personen sich auf den muthmaßlichen Willen des Erb­ lassers stütze, wie auch bezüglich mancher gemeinschaftlicher Quellenausdrücke, z. B. in locum alicujus succedere, he-

res primi, secundi, tertii gradus.

Fassen wir nun die

testamentarische SubstttuttonSbefugniß ins Auge, so ist diese

bekanntlich eine fast schrankenlose.

Der Erblasser kann

nicht blos von mehren Miterben einem einen andern Mit­

erben oder einen Dritten, sondern auch alle Miterben sich wechselseitig substituiren, und ebenso wie er einem heres primi gradus einen einzigen heres secundi oder tertii

•*) vgl. Glück Jntestaterbfolge $. 23 fg. und gegen die von Glück gemachten unbegründeten Unterscheidungen : Franck« 1. c.

Büchel 1. c. S. 217. 1. c. S. 683.

Bangerow 1. c. $. 414, Anm. 2.

") s. oben §. 1, Rote 7. 39. 40.

Arndts

66 gradus subsütuiren darf, so kann er auch mehren zuerst

berufenen Erben für den Fall, daß sie sämmtlich weg­ fallen, einen oder mehre zweite DÄaten substituiren.

Bon

diesem Gesichtspunkte aus kann man die gefammte Intestat­ erbfolge in ihrer fortlaufenden Gliederung als eine gesetz­

liche Substitution betrachten.

Allein gerade diese Allge­

meinheit und Unbestimmtheit, welche die bestimmte Rechen­ folge der Erben als bereits gegeben voraussetzt, ist eS, wie

wir später sehen werden 8e), welche die Art wie Büchel

construirt als unzulässig darstellt.

Büchel stützt nämlich

nicht blos die Erbfolge der Enkel, Neffen und Nichten,

sondern auch die Succession der Ascendenten (S. 156) auf eine gesetzliche Substitution.

Er sagt aber, die Suc­

cession der Ascendenten durch successio graduum gehe in ihrem technischen Sinne nur auf den Wegfall der

näheren Ascendenten nach der Delation, also blos im

nichttechnischen Sinne auf den Wegfall der gradesnähe­ ren vor der Delation.

Dagegen die Erbfolge der Enkel

und Neffen stütze sich auf das in locum parentis prae-

defuncti succedere, d. h. auf eine Substitution, die im technischen Sinne nur auf dem Wegfall des gradeSnä-

heren parens vor der Delation beruhe.

Rur im nicht­

technischen Sinne müsse also diese letztere Substitution

(deren Möglichkeit Büchel zugeben muß, —S. 125 —,

deren Wirklichkeit er aber bei Neffen wegen des AuS-

S1) f. unten tert hinter Note SO; Rote 103. v. Helmolt, civil. Abhandl.

66 brirtte praemortuus leugnet,) sich auf die Fälle er­ strecken , wenn der parens nach der Delation ausfällt. Wo stehen aber diese Unterschiede in den Quellen ausge­

sprochen ?

Büchel stützt, wie früher erwähnt wurde, seine

ganze Theorie auf die Worte : in locum portionemque

succedere, sowie die Worte : praemortuus und privilegium, und folgert daraus :

a) weil Neffen nur als gesetzliche Substituten in dem obigen technischen Sinne gerufen (d. h. blos

wenn sie in prima delatione) seien, so könnten sie im

Falle chr parens und alle übrigen ersten Delaten nach der Delation wegfielen, nicht in der zweiten oder dritten

Classe durch successio graduum, sondern nun erst in der vierten Classe erben, während doch Enkel, obgleich bei ihnen in Nov. 118 c. 1 ebenfalls der Ausdruck prae­

mortuus parens vorkommt, auch nach Büchel's Ansicht

(S. 118) stets noch durch successio graduum in der er­ sten Classe erben können.

Es ist dies eine offenbare In­

konsequenz Büchel's, denn der von ihm für die succes­ sio graduum der Descendenten angeführte Grundsatz der

reinen Cognation gilt auch für die Geschwisterkinder, und daß auch der Ausdruck praemortui parentis nicht ent­

scheide, hat bereits Bangerow nachgewiesen 8’).

'") s. Bangerow 1. c. § 416, S. 64.

Ebenso-

Sintents 1. c. S.

334 i. f. — Daß übrigens, wie Bangerow S. 65 behauptet, dir Griechen das Wort praemortuus regelmäßig ignoriren, und allge­ mein nur von „Geschwisterkindern" reden, ist nicht völlig richtig;

67

wenig wird die Ansicht Büchel'S durch den Ausdruck »vi

privilegii« unterstützt, indem sonst z. B. unter Umstän­

den die halbbürtigen Neffen den vollbürtigen vorgehen wür­ den, was für letztere eine offenbare Verschlechterung ihres

Zustandes nach dem vornovellifchen Rechte wäre88).

privilegium

soll für

Das

Geschwisterkinder offenbar nur

darin bestehen, daß sie als vollbürtig e Geschwisterkinder

den eigenen halbbürtigen Qheimen und Tanten, und als Geschwisterkinder überhaupt (vollbürtigx und halbbür­ tige,) den Oheimen und Tanten des Erblassers vorgehen

sollen.

Justinian'S Absicht ging auf eine Erweiterung

des Rechtes der Geschwisterkinder, und man könnte Büchel mit Ulpian in 1. 3 §. 3 de b. p. c. t. 37, 4 antworten, Justinian habe den Ausdruck privilegium bei Ge-

vgl. z. B. Theodor! Epit. Nov. ed. Zachariae p. 217, Nnm.

XV und p. 137, zu Nov. 127 c. 1. — Besonderen Nachdruck auf

das Wott praemortnus legt auch Burchardi (Lehrbuch des Röm. R. §. 370, des Note 8 und 9 vgl. mit $. 342, Note *) und behauptet deshalb, daß in Nov. 118 und 127 den Enkeln und Geschwisterkin­

dern nicht schlechthin, sondern nur wenn ihre Eltern schon vor dem Erblasser todt waren, ein Erbrecht beigelegt sei, weshalb

sie auch beim Mangel dieser Voraussetzung gar kein Erbrecht hätten, und deshalb nicht durch successio gradnum, sondern nur durch Trans­ mission eintreten könnten.

Gegen diese Darstellung Burchardi'S

möchte man versucht sein, sich auf dessen Unterscheidung in §. 342

cit. Note 5 -u berufen. ") 1. 1 §. 11 de succ. ed. 38, 9; 1. 1 §. 10 nnde cogn. 38, 8; 1. 15. 16 C. de leg. her. 6, 58; Nov. 84; Büchel Lc.

5*

172.

68 schwisterkindern angewandt : quo magis admittantur, non quo minus "). b) weil Ascendenten nur für den Fall technisch sub-

ftituirt seien, daß alle früheren Delaten, z. B. Vater rnib vollbürtige Geschwister, welche die erste Stufe bildeten,

(S. 157) erst nach der Delation wegfielen, so müsse selbst für den Fall, daß die gradesnäheren Ascendenten, z. B.

die Eltern, wegfielen, das AccreScenzrecht vorgehen, weil mit diesen noch nicht die erste Stufe, nämlich auch die

vollbürtigen

Geschwister weggefallen

sei,

(S. 157)

die

Großeltern aber erst die zweite Stufe, die Urgroßeltern

die dritte Stufe bildeten.

Dies ist ein ganz willkürli­

cher, in den Quellen nicht im Mindesten begründeter Begrifi

von gradus, denn gradus wird entweder für die absolute natürliche

GradeSnähe

oder für

den

ganzen

ordo

ge-

") Erwähnt muß hier noch werden, daß Büchel zur Unter­

stützung seiner Anficht fich auch auf I. r pr. de coli. 37, 6 beruft Wenn hier Paulus bezüglich der besonderen Grundsätze der Collation den fingulärea Fall betrachtet, daß ein nepos postumns post

avi mortem editus sein eignes Vermögen zu ronferiren habe, weil

er nomine emancipati filii die b. p. annehmen müsse, so erklärt fich dieser finguläre Ausdruck schon genügend aus dem von Paulus

beigesügten Tefichtspunkte : licet non potest dici mortis tempore

avi bona habnisse, qni ipse nondnm in rernm natura erat. Wenn nun Büchel mit Bezug auf diese Stelle fich stets so aus.

drückt (z. B. S. 159 fg.), als ob überall bei Enkeln und Reffen

der Ausdmck in locum parentis praedefoncti snccedere gleichbedeu­

tend fei mit »loco et nomine patris snccedere«, so ist dies in keiner Weise gerechtfertigt. S. oben Rote 78.

69

braucht ”). —Die technische Substitution, wie sie Bü­ chel als gewiß annimmt, ist gerade das, was erst bewie­

sen werden soll, und deshalb beschuldigt ihn SinteniS mit Recht einer petitio principii. 3) Bangerow

macht, mit Bezug auf Büchel,

ebenfalls Gebrauch von der Idee der gesetzlichen Substitu­ tion.

Derselbe sagt»')

bei Gelegenheit der Bekämpfung

des sogenannten Repräsentationsrechtes, „daß die Aus­

drücke in locum und in jura parentis succedere von Justinian selbst durchaus nur auf die Erbtheilung e2)

bezogen würden, so daß damit nichts als die successio in

stirpes bezeichnet werden solle.

ES sollten nämlich Enkel

und Neffen gleichsam als gesetzliche Substituten des verstorbenen ParenS so viel erhalten, als dieser

ParenS erhalten haben würde, und sie sollten insofern den Platz einnehmen, den ihr Ascendent eingenommen ha­

ben würde, wenn er noch lebte,"

Dabei ist zu beachten,

daß Bangerow (S. 79) den Neffen (und Enkeln) ein

selbständiges, nicht etwa blos accefforischeS Erbrecht ein­ räumt. — Gegen diesen so begränzten Gebrauch der „ge­

setzlichen" Substitution würde an sich nichts einzuwenden, und ein Mißverständniß nicht leicht möglich sein.

Nun

sagt aber Bangerow (S. 64), „daß die Neffen (und Nichten), sofern ihnm ihr ParenS nicht im Wege stehe, als

••) f. $. 1, Num. i. ") 1. C. $. 414, Anm. 2, N. 2. •’) s. unten Note 99.

70 gesetzliche Substituten dieses ihres Parens, und folglich

wie zweigradige Verwandte

neben Geschwistern

gerufen

sein sollen," und S. 67 bezüglich der Frage, ob Neffen nach Nov. 118 in stirpes theilen sollen : „Offenbar hat Justinian die Neffen nur darum in der

ersten und

zweiten Ordnung der Collateralen-Succession berufen, weil sie als gesetzliche Substituten wie zweigradige Ver­

wandte zu behandeln sind ; die Idee der gesetzlichen Substi­ tution führt aber nothwendig die successio in stirpes

mit sich."

Bangerow stützt also hier die Berufung

der Geschwisterkinder auf die gesetzliche Substitution, und

will dadurch den Beweis führen, daß sie nach Nov. 118 und 127 in stirpes theilen müssen, im Gegensatze der be­

kannten Bestimmung deS R. A. v. 1529. Die Berufung durch

gesetzliche Substitution soll

also zur Folge haben, daß Geschwisterkinder in stirpes

theilen, wie dies auch Büchel, z. B. S. 123, annimmt. Wenn nun aber Vangerow,

um den von ihm (S. 76

und 79) behaupteten Vorzug des Anwachsungsrechts vor

der successio graduum gegen den von Francke hervor­ gehobenen Einwand »’) zu schützen, daß sich mit dem Vor­ züge des AccreScenzrechtS vor der successio graduum der

Vorzug der Substitution vor der Accretion nicht vereinigen

lasse, S. 76 am Ende und S. 77 sich folgendermaßen aus­ drückt : „Behält man nur den Character der Substitution

") s. oben Num. I, 1. a.

71 „als einer bedingten Institution

im Auge, so ver-

„steht es sich ganz von selbst, daß wie bedingte Erbeinsetzun„gen anderer Art den Anspruch des Miterben

wirksam

„beschränken, dies auch bei derjenigen bedingten Erbeinsetzung ,,der Fall sein muß, welche in der Gestalt der Substitution

„vorkommt.

Muß man nun aber das Dogma (des Ac-

„crescenzrechtes '*), daß man durch Delation der Erb„schaft einen Anspruch auf das Ganze erhält, der nur durch

„den gleichen Anspruch der Mitberufenen beschränkt wird,

„also beim Wegfallen desselben in volle Kraft tritt,) und „zwar nicht etwa nur als ein subsidiäres, sondern als ein

„allgemein giltiges anerkennen, und darf man ferner nicht

„in Abrede stellen, daß in der successio graduum eine „eigentliche neue Delation enthalten sei, eine Delation die

„von Anfang an noch gar nicht, auch nicht einmal even„tuell vorhanden war : so kann man auch nicht verken-

„nen, daß eine successio graduum im Falle blos theil„weisen Wegfallens der ersten Delaten nicht statthaft ist,

„indem für eine neue Delation kein Raum sein kann, da „die frühere, noch wirksame die ganze Erbschaft erschöpft." —

so ist dies eine offenbare Inconsequenz und Widerspruch

mit sich selbst.

Denn wenn Neffen (und Nichten) nur

darum berufen sind, weil sie als gesetzliche Substituten

ihres ParenS wie zweigradige Verwandte behandelt werden sollen, so muß Vangerow

•*) s. Bangerow ®. 76 i. f.

72 a) entweder den Nachdruck legen auf da- Wort prae-

mortuua ••), so daß die Substitution und damit die Be­ rufung nur für den Fall augeordnet ist, daß der Parens zur Zeit der Delation gestorben ist, und dann consequent

mit Büchel eine wettere Berufung durch successio gra-

duam in der zweiten oder dritten Elaste ganz leugnen; oder b) er muß, falls die Substitution eine bedingte Institution ist, erstere auch auf den Fall auödchnen,

wenn der ParenS erst nach der Delation ohne Erwerb

wegfällt, also für Geschwisterkinder (und resp. Enkel",) die successio graduum dem AccreScenzrechte vorgehen las­

sen •*).

Denn daß in der successio graduum eine neue

Delation liege, gerade so wie bei der testamentarischen Substitutton, fall- der Institut nach der Delation weg­ fällt, ist gewiß.

Daß aber diese neue Delation, sobald

die Intestaterbfolge eröffnet wird, noch nicht einmal even­ tuell vorhanden sei, ist wohl nicht richtig.

Denn alle

Blutsverwandte sind doch von Anfang an von dem Ge­ setze eventuell berufen, und die definitive

Beru­

fung tritt dann ein, wenn die Bedingung existirt, daß

kein vorher Berufener die Erbschaft erwirbt, daß aber auch diese eventuelle Berufung im späteren römischen Rechte

positiv anerkannt wurde, geht deutlich hervor aus der Wirk-

•*) s. oben Rote 87. ") f. Banger»« I. c. ®. 57. 58. ") f. oben ($. 2) Num. I, 1. » und Not« 25.

73

sämkeit der agnitio b. p. intra alienas vices M).

Will

aber Vangerow

c) den Gesichtspunkt der gesetzlichen Substitution, ge­

stützt auf den Ausdruck in locum succedere, blos auf die Erb theil« ng ••)

beziehen, und

aus dieser gesetzlichen

Substitution mit Nothwendigkeit die successio in stirpes

folgern, so zeigt sich auch dies als unbegründet bei Be­ trachtung folgender Stelle.

In I. 15 §. 2 C de leg. her.

6, 58 (a. 534) bestimmt nämlich Justinian, daß alle

Geschwister ohne Unterschied wie zweigradige consanguinei gleichzeitig berufen sein sollen, so daß sie aliis Om­

nibus , qui ulterioris gradus sunt, licet legitim! sint, praecellant.

Desgleichen bestimmt er in §. 3, baß mit

den Oheimen (des Verstorbenen) auch die Geschwisterkin­

der (Söhne und Töchter), soweit und weil sie mit dem Erblasser im d r i t t e n Grade verwandt seien, gleichzeitig

berufen sein sollen.

Hierbei fügt er hinzu :

Snccessionis videlicet jure et in hac parte servando,

ut, si qui ex secundo gradu (Geschwister) vocati renuntiaverint 10°) hereditati et noluerint eam adire, nullusque alias sit ex secundo gradu, qui

succedere potest et vult loa), tune hi, quos prae-

••) 1. 9 C. qui admitti 6, 9. — Für das frühere Recht s. 1.42 $. 2 de bon. lib. 38, 2.

") f. oben Rote 92. ■••) f. $. 1, Rote 70 und (§. 2) Rote 114 "") s. oben Rote 21.

74

sente lege enumeravimus ex tertio gradu (Oheime und Geschwisterkinder) in lotsn recnsantium succedant.

Ilio etiam observando, ut successio non in

stirpes, sed in capita dividatur.

ES geht aus dieser Stelle klar hervor, 1) daß der Ausdruck in locum succedere nicht blos

von (Seiten-) Verwandten in absteigender, sondern.auch in aufsteigender Linie (Oheimen) des Erblassers gebraucht wird; 2) daß dieser Ausdruck nicht auf den Zeitpunkt der

Delation beschränkt, sondern auch über diese hinaus bis zum Erwerbe ausgedehnt wird;

3) daß

der

Gesichtspunkt der „gesetzlichen

Substi­

tution," soweit er auf den Ausdruck in locum succedere gestützt wird, auch für die Fälle der Recusation (oder Tod)

zulässig ist; daß demnach 4) die Idee der gesetzlichen Substitution für (Enkel

und) Geschwisterkinder nur dann als ein auf die Zeit der Delation beschränkter, und dadurch als ein eigenthümlicher

aufgefaßt werden kann, wenn man den Nachdruck auf das Wort praemortuus legt, wodurch man nothwendig zu der Consequenz Büchel's hingezogen

wird; daß man aber

bei entgegengesetzter Ansicht, wie diese Bangerow mit

Recht vertheidigt,02), 5) aus der Idee der gesetzlichen Substitution als sol-

*•*) s. oben Note 87.

75 cher nicht mit Nothwendigkeit die successio in stirpes deduciren kann. GS scheint hier ,os) der passende Ort zu sein, um zu

prüfen, waS Wahres an der Idee der „gesetzlichen" Sub­ stitution sei.

Schon oben ist behauptet worden, daß die­

selbe eine für die gesammte Jntestaterbfolge im Allgemei­

nen zulässige sei 104).

Denn letztere beruht auf dem muth-

maßlichen Willen des Erblassers.

Dabei wird aber vor­

ausgesetzt, daß die Art und Reihenfolge der Succession genau bereits

festgesetzt sei,

daß wie

bei Testamenten

nicht für das Dasein von Substitutionen vermuthet wird, daß namentlich aus der Idee der gesetzlichen Substitution

das Dasein einer solchen im einzelnen Falle nicht gefolgert werden kann. Die Idee der Substitution, wie sie bei Testa­

menten stattfindet, kann

vielmehr auf die Jntestaterbfolge

nur in ihrer Mgemeinheit übertragen, und auch in dieser

Allgemeinheit nicht zu positiven ,Oi), sondern nur zu negativen Analogieen benutzt werden, d. h. man darf die Anwendung der Substitution bei der Jntestaterbfolge nicht weiter ausdehnen, als sie bei Testamenten zulässig ist. Wo

'") s. oben Note 86. *’*) s. oben Tert vor Rote 86. — Deshalb kann man fie nicht geradezu verwerfen, wie Sintenis 1. c. $. 163, Rote 15, ober geradezu für unnüthig halten, wie Mühlendruch Comm. 43, S. 285, Rote 15 a. E. '”) s. oben Z 1 Tert hinter Rote 41, und $.2 Tert hinter Rote 46.

76

positive Analogie«» stattfinden sollen, muß die- auf un­

zweifelhaften Bestimmungen der Quellen beruhen, wie

die« z. B. in I., 61 §. 1 de leg. 31 (Ulp.) der Fall ist,

daß nämlich wenn von zwei legitim! berede» derjenige,

welchem

ei« Intestatfideicommiß

auf er legt ist, (also

durch eine letztwillige Verfügung des Erblassers,) seinen

Erbthetl ausschlägt, für den andern (Jntestat -) Erben be­ stimmt ist : post rescriptum Severi, quo fideicommissa

ab instituto relicta a substitutis debentur, et hic quasi substitutus consequetur accrescentem ,oe) por-

tionem l07).

Daß aber die Römer bezüglich der Idee der

gesetzlichen Substitution nicht einmal im Allgemeinen soweit gegangen sind, wie dies bei den testamentarischen

Substitutionen möglich ist, geht schon daraus hervor, daß ab intestato nur eine bestimmte und beschränkte Reche von

Personen als einander substituirt erscheinen, während der Testator fast schrankenlos jeden beliebigen Dritten substi-

tuiren darf.

Eine

völlige und allgemeine Analogie der

testamentarischen und Intestatsubstitution verliert sich ganz ins Unbestimmte, und würde nur möglich sein, wenn man

">•) f. oben Rote 29 und 1. 1 §. 9 de leg. 32; 1. 4 C. ad SC.

Orph. 6, 49. Fraucke 1. c. S. 135. Rudorfs, in der Zeitschr. f. g. R. W. VI, S. 399. 400. Witte, im R. 8. I. S. 282 und 295, Rote 111.

Rühleubruch 1. c. S. 284. 301.

'”) In ähnlicher Weise sprechen die Römer auch von einer inetitntio der Jnteftaterben. S. darüber die vortreffliche Ausführung von Fein, zu Glück'- Comm. Bd. 44, S. 306 fg.

77 etwa das allgemeine Recht der Occupatio» zuließe, und je­

den Occupanten als gesetzlichen Substituten betrachten wollte.

Aus diesen bisher angegebenen Gründen erscheint es als zweckmäßig, daß man die unquellenmäßigen Ausdrücke Repräsentation *08) und Substitution bei der Intestaterb­

folge ganz fallen läßt, mit Ausnahme der sehr wenigen Fälle, in welchen der Gesichtspunkt der Substitution von den Quellen selbst benutzt wird 10e), — im Uebrigen aber nur

der Ausdrücke sich bedient wie sie die Quellen gebrauchen""). Denn so wünschenSwerth an sich allgemeine Gesichtspunkte sind, so verwerflich sind sie, wo sie statt zur Vereinfachung

nur zur Verwirrung dienen, und dies ist bei den, richtig

verstanden allerdings unverfänglichen'") Ausdrücken der

Repräsentation und Substitution der Enkel und Geschwi­ sterkinder bisher der Fall gewesen.

4) SinteniS "2) sagt gegen Büchel, „daß wqm man hervorhebe, die Nov. 118 berühre bei Geschwisterkin­ dern überall nur den Fall, wenn der Nähere gestorben

sei, so gelte dies auch wider die successio graduum, so­

weit sie Büchel zugebe, eine Inconsequenz, über welche auch daS selbstgeschaffene Auskunftsmittel einer bei der suc-

*08) '