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German Pages 411 [428] Year 1915
ALOYS BAUER BUCHHANDLUNG SCHREIBWAAREN
COCHEMVMOSEL
'~
](/)
Ausgo«ahi«aene
[inv
Special
^ook
ölollection
'The search for truth even unto
In
Honor
its
innermost parts'
of
25th Anniversary of
Dr. and Mrs. Melvin L. Afremow The
Gift of
Mrs. Walter
E
.Ehr man
Brandeis University National
Women's Committee
ABHANDLUNGEN UND AUFSÄTZE VON
MAX SCHELER ZWEITER
BAJNfD
^9^5 VERLAG DER WEISSEN BÜCHER LEIPZIG
^
H'^
COPYRIGHT
1915
BY VERLAG DER WEISSEN BÜCHER,
LEIPZIG
INHALT DES ZWEITEN BANDES Seite
Die Idole der Selbsterkenntnis
3
Versuche einer Philosophie des Lebens
169
Die Psychologie der sogenannten Rentenhysterie
und der rechte Kampf gegen das Übel
Zum
.
.
.
Sinn der Frauenbewegung
263
Der Bourgeois Der Bourgeois und
293 die religiösen
Die Zukunft des Kapitalismus
2o3862
229
Mächte
....
335 381
DIE IDOLE DER SELBSTERKENNTNIS.
DIE IDOLE DER SELBSTERKENNTNIS. Vorbemerkung.
FRANZ Bacon schickte dem Teile Organen, in
dem
er die positive
seines
Novum
Methodik der
Erforschung der äußeren Natur entwickelte, ein negatives Lehrstück voraus, seine Lehre
von den
Der »getrübte Spiegel« unseres Verstandes meint
er
—
Idolen.
sollte
durch Kenntnis von natürlichen Nei-
gungen zu Täuschung und Irrtum und durch luten
Kampf
was Bacon
—
gegen
sie gereinigt
für die
Sphäre der
mung unternahm,
reso-
Eben das, äußeren Wahrneh-
werden.
im Folgenden für die Sphäre der inneren und Selbstwahrnehmung versucht werden. Es gibt vielleicht nichts, was für alle Art von Erkenntnis der seelischen Welt ein so prinzipielles Hindernis darstellt, als die von vielen Forschern und Philosophen der Gegenwart und jüngsten Vergangenheit angenommene Meinung, daß innere Wahrnehmung im Gegensatze zur äußeren Wahr-
nehmung
soll
der Natur nicht täuschen könne, ja daß
und adäquatem Wissen von den Erlebnissen zusammenfielen.
hier die Erlebnisse selbst mit evidentem
Diese von Descartes
stammende Lehre von einem
Evidenzvorzug der inneren Wahrnehmung vor der äußeren, die eine der Grundlagen alles philosophischen subjektiven
Idealismus
gleichzeitig eine der
und Egocentrismus
ist,
—
Grundlagen jener falschen Art
der Selbstgewißheit, die
im Verlaufe
des Aufbaues
unserer Kultur insbesondere der Protestantismus zu einer berechtigten menschlichen
suchte,
und
die für viele
Haltung zu machen
zum Stützpunkt
für einen
maßlosen Negativismus und Kritizismus gegen
alles
ist,
ihrer
Sein außerhalb des Ichs — Gott, Natur und objektive Kultur — geworden wird in Folgendem
vermeintlichen Stützen beraubt werden.
Im Gegen-
und Agnostizismus darf eine auf das Verfahren der phänomenologischen Wesensschau gegründete Philosophie behaupten, daß absolutes Sein in jeder Sphäre der Außen- und Innenwelt evident und adäquat erkennbar ist und alle faktische Geschiedenheit und Getrenntheit unseres Geistes von diesem Sein nicht satze zu allem sogen. »Phänomenalismus«
in einer unabänderlichen Konstitution des erkennen-
den Geistes, sondern nur in prinzipiell überwindbaren Schwächen und Neigungen der menschlichen
Natur beruht.
Aber gerade wenn
die
phänome-
nologische Philosophie diesen Grundsatz, der die Meta-
physik und mit ihr ein, absoluten Gegebenheiten zugewandtes Sein und Leben wieder in seine alten
Rechte erhebt, erweisen zu können meint, so
ist es
Formen der Abgesperrtheit des Menschen (und des Menschen unserer Tage im besonderen), desgleichen die Gründe und Motive aller möglichen Täuschungsrichtungen im Blick auf Gott, die Außendinge und sich selbst eingehend und genau zu erforschen. Es gibt aber für sie doppelt geboten, die vielartigen
gegenwärtig keines dieser Absperrungssysteme des
Menschen von den Sachen, das von ihm Besitz ergriffen hätte als
ihm und
seiner Seele
liegt.
tiefer
und stärker
jenes, das
zwischen
Die Lehre und der
Glaube an die Untäuschbarkeit der inneren Wahrnehmung drückt diesem Elende auch noch den Charakter eines auf.
Zustandes mit »gutem Gewissen«
Und damit hemmt
er
eben
am
stärksten den
Blick des Menschen in seine wahre Tiefe.
Aber auch als Beitrag zur Täuschungslehre überhaupt darf das Nachfolgende Verständnis erbitten. Der Begriff der »Täuschung« muß in einer Philosophie, die ihre Endergebnisse nicht rationeller Konstruktion verdanken will, sondern einem, dem puren Was (»Wesen«) der Welt zugewandten anschauenden Verhalten, eine ähnlich zentrale Rolle spielen wie
der
Begriff
des
»Irrtums«
in
den
Systemen des
Rationalismus. Ja, während die rationalistische Philosophie alle Täuschungen auf Irrtümer des Urteils
und
Schließens,
schließlich aber
sogar das
Wesen
der Täuschung auf das des Irrtums zurückzuführen suchte, wird sich für die intuitive Philosophie zei-
gen, daß alle Irrtümer durch sind, ja
Täuschungen fundiert
daß der Irrtum selbst noch (seinem Wesen
nach) ein Grenzfall der Täuschung einer gewissen Art, nämlich eine Reflexionstäuschung
ist,
die sich
beim Hinsehen auf die Ergebnisse unserer Denkakte Sowenig aber wie der philosophische einstellt^). Rationalismus, vermag der sensualistische Empirismus das Wesen der Täuschung zu verstehen. Die Täuschung hat in keiner ihrer Arten etwas mit dem puren Empfindungsmaterial zu tun, auf das
Phantom aufbaut. Beides Wahrnehmungstäuschung kurz gezeigt. ihr Objekt, das
sei
sich
an der
Das gesamte Feld der Wahrnehmungstäuschungen (und zwar der inneren und äußeren Wahrnehmung) hat seine Lage gleichsam zwischen dem eigentlichen Denken, der Urteils- und Schlußsphäre und den puren »Empfindungen«, die immer nur da oder nicht da sein können,
desgl. in
normaler
oder anormaler Weise da oder nicht da, die wohl ein
Anlaß zum Zustandekommen
sein können,
nie
aber
als
einer
solche
Täuschung
dasjenige
sein
können, worin die Täuschung und ihr Phantom bestehen.
Würde
gäbe in sensu
^)
der bekannte Satz des Aristoteles, es
stricto keine
»Sinnestäuschungen«, nur
Die ganze Bedeutung, welche
der Begriff der Täuschung für
demnächst M. Niemeyer (Halle a.d. S.) erscheinenden Arbeit: ,, Phänomenologie und Erkenntnistheorie", genauer auseinandergesetzt. die phänomenologische Philosophie gewinnt, ist in meiner
bei
8
Gesagte meinen oder der gleichsinnige
eben
das
die Sinne
Satz,
könnten
als solche
weder täuschen
wäre er zu unterschreiben. Da aber Aristoteles die Folgerung daraus zieht, daß eben darum alle Täuschungen nur irrige Urteile seien,
noch
irren, so
nur eben solche Urteile, die sich durch ihre Unmittelbarkeit von sonstigen
Irrtümern
(die
z.
B.
durch falsches Schließen irrig sind) unterscheiden,
damit auch schon angezeigt, daß sein Satz falsch ist. Das Wesen der Täuschung ist eben der so ist
Tatbestand, daß anschaulich Etwas »gegeben« (also
auch für
ja selbst
alle
ist
möglichen Urteile und Schlüsse,
bloßen »Annahmen« gegeben), was »selbst
darum hat die Täuschung mit »wahr« ganz und gar der Satz- und Urteilssphäre angehören, prinzipiell Nichts zu tun. Denn nicht da
und
ist«;
»falsch«, die
dem Gegebenen angemessen, so ist es »wahr«, und es ist »falsch«, wenn es ihm widerstreitet. »Der Mond (als Sehding) ist eine goldene Scheibe ist
am
das Urteil
Nachthimmel,«
ist
— für
eine gewisse Stufe der
Daseinsrelativität des Gegenstandes los
wahrer Satz und
dies
—
ein zweifel-
ganz gleichgültig, wie
A
und B ihn (je nach Standort) sehen oder ob C blind ist und ihn überhaupt nicht sieht, oder ob D vermöge einer Farbenblindheit oder einer Einengung seines Gesichtsfeldes ihn anders sieht, als der Nor-
male.
das
Daß
ist
der Normale ihn als solche Scheibe sieht,
eine Folge nur davon,
daß
er
eine solche
Scheibe
ist.
Es
»Ich sehe den
ist also
Mond
als
nicht so, daß nur der Satz:
goldene Scheibe« ein wahrer
Satz wäre, nicht aber der Satz: »Der solche
Scheibe«^).
Desgleichen
und
illusionierten
halluzinierten
und unrichtig
Mond
ist
kann über
eine
einen
Gegenstand richtig
und der Satz kann je nach seiner Angemessenheit an das Phantom »wahr« oder »falsch« sein. Der Unterschied von Wahrnehmungstäuschung und evidenter Wahrneh-
mung
ist
geurteilt werden,
wohl
Unterschied
ein
des
Erkenntnis-
wertes im Wissen, Kennen, Erkennen, hat aber mit
dem
Unterschied von »wahr« und »falsch« so wenig
zu tun, daß ein Wesen, das sich nie in seiner Wahr-
nehmung
täuschte, doch gleichzeitig in lauter irrigen
und umgekehrt ein Wesen, das in lauter Täuschungen lebte, fähig wäre, über alle von ihm vorgestellten Phantome wahre und richtige Urteile zu fällen^). Nicht minder scharf muß die Täuschung von einem anderen Maßstab, der gleichfalls ein Maßstab des bloßen Wissens, Kennens, Erkennens ist, aber ebensowenig mit wahr und falsch und mit Irrtum und rechtem Denken zu tun hat, geschieden werden: Ich meine den Maßstab der AdäUrteilen befangen sein könnte
^)
Eine Täuschung wird die
scheibe« erst,
dem *)
wenn
dieser
betrachtenden Menschen in der
wenn der
als
der »goldenen
Mond-
daseinsabsolut gegenüber
Wahrnehmung gegeben den
ist.
aussagen, »wahr«
ist;
daß der Satz dem Sachverhalt angemessen
ist,
Urteile sind richtig,
dies hat zur Folge,
über den des Urteil ergeht.
10
Wahrnehmung
Gegenstand
Satz,
sie
quation oder Inadäquation der Wahrnehmung.
wenig
und
es
möghch
falsch
(so
ist,
wie
So
den Unterschied von wahr
es
Spinoza
z.
B. wollte)
auf
Stufen der Adäquation einer intuitiven Erkenntnis
zurückzuführen, so wenig auch die »Täuschung«
und ihren Gegensatz
die »Selbstgegebenheit«.
»Adä-
quatio« bedeutet die Fülle dessen, was uns in einem Akte der Wahrnehmung (oder Vorstellung usw.) von einem Gegenstand gegeben ist. Sie ist von bloßer »Vollständigkeit« einer durch Wahrnehmung erfolgten Kenntnis einer Sache unterschieden, die nur auf die Menge der möglichen Seiten - Merkmale, Eigenschaften geht, die in eine Mehrheit von möglichen Wahrnehmungen der Sache eingehen können. Nun schließt aber eine Täuschung durchaus nicht in sich ein, daß, sei es weniger, Merkmale der wahrgenommenen Sache gegeben seien, als in einer die Sache treffenden Wahrnehmung; sei es daß der einzelne Wahrnehmungsakt weniger adäquat sei, als in diesem letzten Fall. Wer eine Wachsfigur für eine Dame hält, der kann durchaus alle Merkmale der Wachsfigur (oder beliebig viele) erfaßt haben nur daß sie ihm eben als Merkmale der Dame gelten; er
—
kann auch
jedes
quation besitzen.
Merkmal in beliebig großer AdäDie Täuschung hebt sich auch
dadurch von der Adäquationsstufe scharf ab, daß sie gegenüber der kontinuierlichen Steigerung und
Abnahme
der letzteren
stets
sprunghaft
einsetzt
11
(wenn
auch gleich
sie
ihrerseits
wieder größer und
damit die Abgrenzung der Wahrnehmungstäuschungnach oben (gegen die Denkkleiner sein kann).
Ist
sphäre hin) generell vollzogen, so
gilt
für ihre Ab-
grenzung nach unten hin, daß sich eine Wahrneh-
mungstäuschung zwar auf Seh- und Hörtäuschungen usw. aufbauen kann, niemals aber eine solche ist. Andererseits
auch Seh- und Hörtäuschungen
sind
echte Täuschungen
;
sie
sind also gleichfalls
von dem
Bestände des Empfindungsmaterials (sowie seiner normalen oder anormalen Herkunft) ganz verschieden.
Man
scheidet
die
also
echten Wahrnehmungstäu-
schungen von den bloßen (echten) Sinnestäuschungen.
Daß
z.
B. der halb im Wasser liegende Stab als ge-
brochen erscheint,
ist
keine »echte«
Wahrnehmungs-
täuschung, sondern eine (normale) Sinnestäuschung
und
zwar
eine
das Sehding Stab
physikalisch bedingte. ist
Denn nur
gebrochen, nicht das haptische
Das Empfindungsmaterial ist dabei sowohl beim Sehding als beim haptischen Stabding ein streng normales. Denn die Täuschung ist Stabding.
—
physikalisch
Ebenso
ist
das
durch Lichtbrechung
—
bedingt.
Größersein der Vertikalen gegen-
über der Horizontalen im Sehding eines gezeichneten
oder
aus
feinen
Stäben verfertigten
Qua-
drats eine optische Sinnestäuschung, aber hier eine
physiologisch bedingte.
Quadrats 12
um
Denn nach Umdrehung
des
einen rechten Winkel wird die als
und die andere Dagegen liegt eine echte Wahrnehmungstäuschung z. B. überall da vor, wo verschiedene gesehene
größer
Strecke
kleiner
größer.
Sinnesfunktionen gleichzeitig oder sukzessiv eben diejenigen Sinnesinhalte geben, welche der Täuschungs-
gegenstand,
Phantom und
das
heit erwarten läßt.
Dies
halluzinierter Stuhl auch,
am Fuße angefaßt
ist z.
seine
Beschaffen-
B. der Fall,
wo
ein
wenn
wird, den
er an der Lehne oder Form- und Tasteindruck
einer Stuhllehne oder eines
Stuhlfußes vermittelt.
Hier nehmen wir ja nicht etwas objektiv Nichtexistierendes
darum wahr,
optische oder
weil wir eine, sei es primär
haptische Täuschung
erleben,
son-
dern wir erleben eine solche optische oder haptische
Sinnestäuschung darum, weil wir ein solch Nicht-
wahrnehmend vor uns zu haben meinen. Innerhalb der Breite des Normalen existierendes wie einen Stuhl
sind in einem gewissen Sinne auch die
bekannten Bur-
mesterschen Täuschungen Wahrnehmungstäuschungen,
obgleich hier die Täuschungsgegenstände für
den Tastsinn nicht wie im obigen Falle beharren.
Was
also auf
täuschung, wie
den sie
Namen
einer
Wahrnehmungs-
beispielsweise die echte Hallu-
Anspruch hat, das sind alle anormalen Empfindungen wie z. B. die entoptischen Farbenempfindungen, die sog. »sekundären« Empfindungen, die verschiedenartigen Nachbilder und Analoges. Gewiß können sie zum Stoff zination
darstellt,
gar keinen
13
von Täuschungen werden, insbesondere wenn sie jenseits der Breite des Normalen liegen; aber dies prinzipiell nicht anders wie alle Empfindungen, auch die normalen. Auch für die echtesten Halluzinationen andererseits pflegt irgend welcher findungsstoff zu
existieren,
—
schwierig es
so
einzelnen Falle sein mag, ihn aufzudecken
etwa nur für die Illusionen.
Es
Empim
— nicht
keine aus-
gibt
schließlich zentral bedingte Halluzination, d. h. eine
irgendeinen
solche,
die
nicht
prozeß
zur
Mitbedingung hätte
Umwegen immer,
zentrifugalen
—
auf
Reiz-
welchen
eventuell auch über die zentrale
Sphäre hinweg jene zentrifugale Reizung zustande
kommen mag. Im Folgenden
sei
die Täuschungslehre nur soweit
um
Täuschungen über seelische Erlebnisse handelt; und auch hier nur soausgeführt, als es sich
weit,
vornehmlichen Täuschungsrichtungen
als die
der inneren
Wahrnehmung
in Frage
kommen. Eine
Erweiterung der Betrachtung über die Sphäre der
Täuschungen überhaupt, gibt neuerdings das an unsere Ausführungen anknüpfende Buch von H. Leyendecker »Zur Phänomenologie der Täuschungen« :
(I. Teil),
Halle 1913.
Es gibt ein dreifaches Interesse, das man an den Täuschungen über seelische Vorgänge so wollen
—
wir
zunächst
das
schungen« verstehen 14
vieldeutige
Wort
— nehmen kann.
»Selbsttäu-
Einmal das
Phänomenologen und Erkenntnistheoretikers, der zu sagen hat, was denn eine solche Täuschung im Unterschiede von einem Irrtum ist. Interesse
des
Die unmittelbar gegebenen Tatsachen des seelischen Seins, ihre Erkenntnisart sowie die Stufen, in
denen
angeschaut, wahrgenommen, bemerkt, beachtet
sie
und
schließlich
in
Urteilen
bestimmt Diese Aufgabe ge-
begrifflich
werden, sind hier aufzuweisen.
hört nicht zur Psychologie, sondern zur Theorie der
Erkenntnis des Psychischen, die analog
vorhergeht
erkenntnis Interesse
der des
wie
Theorie
die
er
das
Täuschungen den Mechanismus
Drittens
darlegt.
esse des Psychopathologen,
Natur-
der die
zu »erklären« sucht, indem ihrer Verwirklichung
der
Zweitens
Naturwissenschaft.
Psychologen,
Psychologie
aller
das Inter-
für den es wichtig
ist,
zu wissen, welche seelischen Funktionen es sind, die bei den nicht
normalen Selbsttäuschungen die Störung
oder den Ausfall erlitten; ob dies bei den verschiedenen Arten, Halluzinationen und Illusionen z. B.,
schon das pure Empfindungsmaterial
ist,
oder die
Funktion der Wahrnehmung und ihre Teilfunktionen, oder die mit deren Gehalt verschmelzenden Elemente des Sinnengedächtnisses oder
die
dazu
tretenden
reproduzierten Vorstellungen, oder erst die im Urteil liegende Funktion des
Es
muß
Behauptens und Glaubens.
analog für ihn von Interesse sein, zu wissen,
welche Stufen der Einbildung
z.
B. eines Schmerzes 15
dem
es gibt,
wie etwa
objektiv
Schmerz gegeben ist. ist und was nicht, der mit der Unfallgesetzgebung verbundenen
hysterischen Patienten sein
gegründeter
nicht
Die Streitigkeiten, was Simulation z.
B. bei
traumatischen Neurose^), lassen sich nur schlichten,
wenn
es eine tiefer fundierte
täuschungen
gibt,
die
wegs zusammenfällt. logischen
Die Aufhebung von patho-
Selbsttäuschungen durch den Arzt oder
den Erzieher hängt mit
Funktionen
denn
Morphologie der Selbst-
mit ihrer Erklärung keines-
der
eines
Seelenvorgangs
zusammen.
jeweilig gestört sind, aufs engste
Ein noch weit esse scheint
tieferes
mir daher
und
für
prinzipielleres
!in
Inter-
den Psychotherapeuten
mit unserer Frage verknüpft zu Ich sehe
welche
der Erkenntnis,
Erfassung
sein.
den gegenwärtigen psychotherapeu-
tischen Bestrebungen zwei Auffassungen des Zieles jeglicher
psychotherapeutischen
Hilfeleistung mit-
einander ringen, die sich ausschließen und auf grund-
verschiedene theoretische Seelenleben
zurückgehen.
fassungen könnte
man
Vorstellungen
Die
erste
bezeichnen
über das
dieser
als die des
Aufpsy-
chischen Chirurgen. Hiernach bedeutet Psychotherapie einen irgendwie zu
kausalen
Ablauf
der
machenden psychischen
Patienten mit der Endabsicht, ^)
Erlebnisse
sie in die
Bahn
des einer
Siehe die folgende Abhandlung über »Die Psychologie der sog.
Rentenhysterie und der rechte
16
Eingriff in den
Kampf
gegen das Übel«.
normalen Verlaufsform zu zwingen.
zum
Sugge-
Beispiel hierauf.
Den
Hintergrund für diese Ansicht
vom
stionsmethoden beruhen theoretischen
Alle
Ziele der Psychotherapie pflegt eine mechanistische
Assoziationspsychologie zu bilden.
fassung kann man
oder wie ich lieber sagen sich
Namen
diesen
nen. Hiernach
will,
gab,
durcheinandergehen —
Die zweite Auf-
des Psychoanalytikers
als die
—
da in der Schule, die
beide Auffassungen wirr
als die
»Sokratische« bezeich-
Endabsicht jeder Psychotherapie,
ist es
den Patienten zur Einsicht über sich
selbst,
be-
sonders seine tatsächlichen Erlebnisse der Vergangenheit zu führen, zur Einsicht in ihren
Sinnzusammen-
hang, oder auch, ihn von »Selbsttäuschungen« frei
Mag
zu machen.
zu diesem Ende auch wieder ein
technisches Eingreifen in seinen seelischen Ablauf stattfinden
z.
B. auch
Hypnose und Suggestion An-
wendung finden, so stellt sich doch dieses Verfahren hier immer in den Dienst des Zieles, ihm hierdurch jene mangelnde Einsicht zu gewähren. Der kausale Eingriff in die
Erscheinungen hat hier nicht den
technischen Zweck,
sie
abzuändern, Teile zu unter-
drücken oder neue einzusetzen, sondern einen analogen Zweck, wie ihn der Eingriff in die Natur gelegentlich
des
Experimentes hat,
handenes schärfer und
Zusammenhängen theoretische II.
2
isoliert
sichtbar
verständlich
Hintergrund
ein
zu
dieses
schon Vor-
und
in seinen
machen.
Der
therapeutischen 17
Ideals aber ist eine Auffassung,
nach der eine Art des
»seelischen Krankseins« gar nicht in den real erlebten
Vorgängen des Patienten, in ihrem Inhalt und in ihrem Ablauf selbst wurzelt, sondern nur in der Art und Weise, wie sie in den Funktionen psychischen
und Selbstwahrnehmung aufgefaßt, unterdrückt und gedeutet, interpretiert und beurteilt werden; wie wir Stellung zu ihnen nehmen, und in welcher Weise und in welcher Art wir sie der
inneren
erkennen.
Es
sind
Funktionsstörungen
des
Be-
wußtseins »von« den psychischen Erlebnissen, auf
denen hiernach das seelische Kranksein beruht. Erst diesem letzteren Zusammenhange gewinnt der
in
Begriff der Selbsttäuschung seine volle
Bedeutung.
Denn
therapie
ordnet sich
dann
Ziel ein,
Selbsttäuschungen aufzuheben.
ragende
die
und über-
gesamte Psycho-
letzten
Endes
in
das
Zwei Dinge sind mit diesem Unterschiede der psychotherapeutischen
Ideale
nicht
berührt
:
Die
eindeutige Determination der psychischen Störung
und ihr Verhältnis zu Störungen des Nervensystems und des Gehirns. Der Begriff der Selbsttäuschung und die Ansicht, daß es mannigfache Funktionen und Akte gibt, durch die wir die psychischen Vorgänge erfassen, zu Einheiten gliedern, deuten usw., enthält durchaus nicht, daß in diesem Sichtäuschen,
dem anormalen Stattfinden dieser Funktionen Moment von Willkür lieoe. Vielmehr kann auch
also in
ein 18
nach dieser zweiten Ansicht
alles
streng determiniert
vor sich gehen, wenn auch die Gesetzlichkeit der
Funktionen von denen der psychischen Inhalte unt erschieden werden muß. Auch eine Selbsttäuschung
kann notwendig und eindeutig determiniert sein. Auch hier hüte man sich, Gesetzlichkeit mit mechanischer Gesetzlichkeit (resp. assoziativer Gesetzlichkeit)
gleichzusetzen.
Und auch
die zweite Ansicht
gestattet, in jeder seelischen Störung, die auf einer
solchen
Funktionsstörung beruht, unter anderem
auch ein Zeichen zu sehen für eine Störung im Nervensystem und Gehirn. Es ist nicht der theoretische Gegensatz einer materialistischen und einer spiritualistischen Auffassung der Geistes- und Gemütskrankheiten,
um
den
es
sich hier handelt,
sondern der
funktionstheoretischen und einer inhaltstheoretischen Auffassung, ein Gegensatz, der in der Psychologie und Physiologie gleichzeitig herrscht und darum auf beiden Seiten selbstständig ausgetragen werden muß. Dies kann hier freilich nicht genauer gezeigt werden. Nur eine Andeutung möge hier stehen. Wer die zweite Auffassung zu Ende denkt, der wird auch brechen müssen mit jener Ansicht über das Verhältnis von Leib und Seele, wonach der Inhalt der psychischen Erlebnisse durch Zustände des Nervensystems und GeGegensatz
einer
hirns eindeutig
bestimmt wäre
(sei
es
kausal oder
in der Vorstellungsweise des sogen. Parallelismus). 2*
19
Nicht der Inhalt, sondern was wir von ihm wahr-
nehmen, wie wir
es
wahrnehmen, kurz das
Ins- Spiel-
treten der Funktionen, in denen wir unsere seelischen
Tatsachen erfassen, hat dann irgendeine eindeutige Determinationsbeziehung
Genau
system.
nehmung
so,
zum Gehirn und Nerven-
wie auch in der äußeren Wahr-
nicht der Inhalt »rot«, »grün«, »sauer« usw.,
sondern das Empfinden, das Sehen, das Schmecken,
Wahrnehmens dieser Inhalte durch Vorgänge auf der Netzhaut und Zunge, in den Seh- und Geschmacksnerven und ihren Endstellen im Gehirn und seinen Teilen eindeutig bedie verschiedenen Stufen
des
stimmt ist. Der Psychotherapeut im letzteren Sinne wird und kann daher nie eine Kritik am Gehalt des Lebens seines Patienten üben, sei es eine moralische oder
sonst irgend
eine.
Er wird
es nicht
dringliche kynische Seelenarzt
wie der auf-
und Prediger zu
ver-
ändern suchen, oder ihm eine andere Richtung zu geben suchen
Borne
als diejenige ist, die
Sein einziges Ziel
quillt.
aus seinem eigenen
ist,
daß der Patient
den Inhalt seines Lebens sehe und übersehe
und
vollständig
damit tue,
Was
in
gehalt
nommen,
wie möglich.
seine Sache
und nicht
Was
er
so
dann
die des Arztes.
seinem Leben an Gehalt, auch an Wert-
liegt,
änderlich.
20
ist
klar
—
das
ist
durch keine Psychotherapie ver-
Nur was, wie erfaßt wird,
ist
viel es.
und wie
es
aufge-
Das therapeutische Ideal im zweiten Sinne
um
ein Erhebliches bescheidener als jenes des psy-
chischen Chirurgen.
ihm
ist
ist
—
eigen
Vordringlichkeit
Die sokratische Zurückhaltung
im Unterschiede von kynischer in
der
Lebenslenkung
fremder
Menschen. 1.
Wesen der Täuschung im Unterschied
vom Nimmt man
einen
Irrtum.
fertigen
einen wirklichen Gegenstand, so heit
eine
zwiefache
falschen
kann
Quelle haben,
Volkssprache scheidet in »Irrtum«
Satz über
seine Falsch-
die
schon die
und »Täuschung«.
Die Täuschung hat hierbei immer im unmittelbaren
Erkennen, der besonders
Wenn
im
Irrtum im mittelbaren Erkennen, Schließen,
seine
eigentliche
Sphäre.
Grund einer gesehenen Nässe auf dem Wege vor meinem Hause urteile: »es hat geregnet«, und ich finde hernach, daß es weiter unten auf der Straße nicht naß ist, und endlich, daß ein ich
auf
Spritzwagen hier gefahren
ist,
so ist das ein Irrtum.
war mir nicht der Regen irgendwie gegeben; sondern ich zog den Schluß, daß es regnete, oder assoziierte die Vorstellung des Regens und brachte sie dann mit der Nässe in einen logischen Zusammenhang. Es ist etwas ganz anderes, wenn ich im »Nebelkleid die Eiche zum aufgetürmten Riesen« vergrößert finde. Das ist eine Täuschung. In der gesehenen Nässe
21
Oder wenn
den Stab, der zur Hälfte im Wasser gebrochen sehe. Auch das ist eine Täu-
liegt,
ich
schung. In der halt,
Täuschung Hegt zunächst
ein
bestimmter
In-
eben das, was ich zu sehen, zu spüren, zu fühlen
usw. meine. Es
ist
dabei gleichgültig, ob ich dies und
jenes darüber urteile. Urteile ich, so ergibt sich ein Satz, der auf das »Wirkliche« bezogen »falsch«
ist,
auf
das Täuschungsphantom bezogen aber »wahr« sein
kann; aber ich brauche auch gar kein Urteil zu
Aber
ziehen.
in der
Täuschung
liegt
voll-
abgesehen von
diesem Inhalt noch einAnderes. Die bloße Erscheinung des gebrochenen Stabes
ist ja
noch keine Täuschung.
Die Täuschung besteht vielmehr darin, daß ich diesen
Sachverhalt des Gebrochenseins, der mir in der Er-
scheinung vorliegt,
als
eine reale Eigenschaft des
Obgleich ich den wirk-
»wirklichen« Stabes ansehe.
lichen Stab in seiner wirklichen Beschaffenheit nicht in der
Anschauung habe
schung unmöglich
—
— habe
sonst wäre ja die Täu-
ich
doch schon im ersten
Anblick die Seinssphäre »fester Dinge« gegenwärtig. Ich blicke durch die Erscheinung in diese Seinssphäre hinein; halt
und
ich verlege
den Erscheinungssachver-
in diese Seinssphäre.
Es gibt Leute,
die
da
meinen: wozu diese schwierigen Unterscheidungen!
Der gebrochene Stab und der gerade Stab im Wasser sind zwei ganz gleichwertige Erscheinungen,
und
es
besteht nur der Unterschied, daß die erste Erschei22
iiuiig eine
solche des Gesichtssinnes, die zweite eine
Tastsinnes ist. Zur Täuschung führe gewohnte »Erwartung«, daß der Stab auch
des
solche erst die
für den
Tastsinn
täuscht,
wenn
Daß
gebrochen
ich den
Diese wird ent-
sei.
Stab berühre und abtaste.
wir den Stab für den Tastsinn dann den »re»wirklichen«
alen«,
nennen,
im
sei
Grunde unbe-
und komme daher, daß wir eine instinktive Neigung haben, die Daten des Tastsinnes denen
rechtigt
des Gesichtssinnes vorzuziehen.^) so
müßte
Wäre
dies richtig,
hier ein Schluß stattfinden (oder ein gleich-
Vorgang)
wertiger
des
Inhalts:
»auch
Angreifen wird der Stab gebrochen
sein.«
für
gebaute Erwartung würde enttäuscht.
hierauf
mein
Und
die
Die
Täuschung wäre dann auf einen Irrtum zurückgeführt. Indes der Unterschied zwischen Täuschung und Irrtum bleibt diesem Reduktionsversuche zum Trotz bestehen. Diese Auffassung vermag gar nicht verständlich zu machen, wieso wir denn die beiden Erscheinungen auf dasselbe Reale, denselben Stab beziehen. Warum sagen wir nicht: es gibt zwei Stäbe, einen für den Gesichtssinn und einen für den Tastsinn
Auch
?
Dann gäbe
es
auch keine Täuschung.
der »Vorzug« des Tastsinnsdatums erklärt hier
Ein
nichts.
solcher
»Vorzug«
der
einen
nung vor der anderen macht doch jene
Erscheiidentische
Beziehung auf »denselben« Stab nicht verständlich. ^j
So
z.
B. E.
Mach
in seiner
Analyse der Empfindungen.
23
Und außerdem
ist es
nicht richtig, daß wir generell
Daten des Tastsinnes als Zeichen für Reales (denn daß der Sinn des Wortes »real« durch eine Tastempfindung gedeckt sei, wird doch wohl auch diese Theorie nicht zu behaupten wagen) denen des Gedie
Wenn
sichtssinnes vorziehen.
mir bei übereinander-
gelegten Fingern zwei Kugeln gegeben sind,
nur eine da sage
so
ist
ich
und auch
doch
Dazu
vor.
tritt,
für den Gesichtssinn eine,
nicht:
Hier ziehe ich also das
daß
während
es
sind
Datum
die
wirklich
zwei.
des Gesichtssinnes
Täuschung durch
die
Ab-
tastung des Stabes nicht verschwindet, sondern nur der darauf aufgebaute falsche Satz abgelehnt wird.
Nicht nur die Erscheinung bleibt, ihr purer Inhalt;
sondern noch immer »meine«
ich,
den Stab
als ge-
brochen zu »sehen«. Die Täuschung kann daher nicht darin bestehen, daß jene unerfüllte Erwartung besteht. ist die
Denn
jetzt besteht sie
Täuschung
Man muß
da.
also zugestehen,
unmittelbar
nehmen und
erst hierdurch
gebrochen«,
ist
umgekehrt
in
beiden Er-
Reale
wird ein Widerspruch
gerade« möglich. Nicht aber kann
ein solcher Widerspruch als Konstruktions-
mittel für das Reale angesehen werden^). 1)
Ebensowenig kann
lichen objektiven Größe,
24
wahr-
aufgebauten Sätzen: »der Stab
sie
»ist
daß wir
dasselbe
scheinungen
zwischen den auf
nicht mehr; und doch
die z.
Annahme
Es
ist
der Existenz einet kontinuier-
B, des objektiven Gewichts aus den Wider-
eben die Voraussetzung dieser Theorie, daß wir zunächst Gesichtserscheinungen und Tasterscheinungen
wahrnehmen und
erst
aus ihnen den realen Ding-
körper konstruieren, eine ganz
irrige.
Wir nehmen
—
wie unvollwahr die Dinge selbst und und erst durch ständig und einseitig auch immer als solche
—
nachträgliche
finden
Reflexionsakte
wir,
welche
Gegebenen uns im bloßen Sehen oder Tasten gegeben sind. Ich sehe auch in der Gesichtserscheinung des »gebrochenen« Stabes von vornherein auf das Stabding hin; eine Erwartung, unter bei Ablauf der mit dem gewissen Bedingungen Erfassen verbundenen Muskelempfindungen usw. eine Tastempfindung zu erhalten, ist dazu nicht nötig. Und die Täuschung besteht nun darin, daß
Teilinhalte des
—
ich
—
den in der Gesichtserscheinung gegebenen Sach-
verhalt des Gebrochenseins ohne weiteres als reale
Eigenschaft des Stabdinges erfasse,
d. h.
ich ver-
lege diesen Sachverhalt, der ja als Sehinhalt unan-
fechtbar
ist
und
einer Erklärung
einer physikalischen Erklärung
— in diesem Falle — bedarf, eine in
Seinsschicht, in die er nicht gehört, in die Schicht
des dinglichrealen Daseins. Sprüchen verstanden werden, die sich gemäß unserer EmpfindHchkeit Gewicht A=B, B=C, A>Gegeben«
fremde Körper so
—
Theorie der Sympathiegefühle« (Niemeyer, Halle 1913).
IL
3
3B
oder nicht und in der allein psychischen Tatsache
und Erkenntnis
in die Erscheinung
treten.
Die Existenz einer besonderen Aktrichtung »innere
Wahrnehmung«
ist
denen aber, die
von vielen Seiten
sie
von
bestritten,
behaupten, in verschiedenem
Sinne behauptet worden.
Man
hat einmal behauptet,
daß Physisches und Psychisches nur gattungsmäßig verschiedene
Gegenstände seien,
so
etwa wie Bäume
und Häuser; Gegenstände, die aber in derselben Weise »gegeben« seien, bzw. wahrgenommen würden. Diese gattungsmäßig verschiedenen Einheiten müßten in diesem Falle definierbar sein, d. h. es müßte angebbar sein, in welchen Merkmalen sich psychische und physische Gegenstände unterscheiden. Ich will diese Definitionsversuche insbesondere
den kartesiani-
Ausgedehntem, Psychisches gleich Nichtausgedehntem setzt, sodann den-
schen,
der Physisches
jenigen F. Brentanos,
Glauben oder
alles
darin gefaßten
gleich
wonach Hören, Sehen,
Urteilen,
Aktartige usw. psychisch
Inhalte aber physisch,
z.
ist,
B.
die
Ton,
Farbe, zunächst etwas genauer betrachten.
Nachdem
der antike Begriff der Psyche
= Lebens-
kraft der Zerstörung anheimfiel^), gab es nur einen
einzigen Versuch, eine Definition, rein nach Inhalts-
^) Für Aristoteles fällt daher Biologie mit Psychologie der ernährenden Seele (tö x^psiTTiv.öv), die er den Pflanzen, und der empfindenden und ortsbewegenden Seele, die er neben der ersten den Tieren und Menschen zuschreibt, zusammen.
34
merkmaien der Gegenstände zu geben, und ich kenne keinen weiteren. Es ist die Scheidung der physischen und psychischen Gegenstände in ausgedehnte und unausgedehnte oder positiv in »denkende« und »ausgedehnte« seitens des Descartes.
Diese Scheidung
ist
aber 1. eine pure metaphysische Konstruktion ohne jede phänomenale Voruntersuchung. Es wird im Grunde nichts Gemeinsames an den Erscheinungen
an den Einzeltatsachen aufgesucht; sondern zwei Arten von realen Substanzen werden einfach aufgestellt und physisch ist dann, was zur einen Art, selbst,
was zur anderen als Modus »gehört«. diese Scheidung ungegründet. 2. Phänomenal ist Wieso wäre — phänomenal — das Psychische nicht ausgedehnt, zumal noch in dem weiten Sinne des Wortes, in dem es Descartes nimmt, so daß auch psychisch,
alle
Qualitäten Farbe, Ton, ja Festigkeit, ja sogar
Zeit
und
fallen.
Kraft
Ist
Farbe
die Farbe, der
dehnten nicht
usw.
Ton usw.
ein
Ist
Modus
ein
Wie
?
Seite soll
eines unausge-
sinnlicher
Schmerz
Hunger nicht ausgedehnt, Magengegend ausfüllend gespürt ist ?
ausgedehnt
?
Ist
mir eine rote Wand vor. »sehend« vor, und zwar eine bestimmte
Ja noch mehr: Ich Stelle ich sie
psychische
die
ausgedehnt
nicht
Dings sein?
da er doch die
auf
existierende rote
stelle
Wand
als existierend,
mir auch in ihrer Ausdehnung
—
so tritt sie
ob zwar ohne
den Leibhaftigkeitscharakter des Wahrgenommenen 3*
35
entgegen;
hier
ist
die
und der
Vorstellen gegeben
lung
ist
ausgedehnt
gegebene
Wand
in
Ausdehnung der Wand im
—
Inhalt dieser Vorstel-
sowenig auch die
sie
real
In einem anderen
ihn eingeht.
Falle stelle ich mir vielleicht nur eine rote
(ohne
als
Wand
vor
innerlich vor mir zu sehen) oder erinnere
an das Sehen einer bestimmten roten Wand, indem ich ein Erinnern des Sehens vollziehe. Hier ist ein Unterschied gegenüber dem ersten Falle, inich bloß
wo
ich die
Wand
selbst innerlich sehe. In den beiden
letzten Fällen tritt mir nicht die rote
phänomenal entgegen;
es ist nicht
Wand
derselbe
selbst
Raum
um
mich hier, in dem ich sie jetzt vorstelle. Ich weiß, das Gegebene von mir abhängig und gleichsam gehalten. Dazu hat es jetzt nur eine Symbolbeziehung zur Wand selbst. Aber ausgeder wirklichen Dinge
dehnt
ist
das Vorgestellte nicht weniger als vorher.
Sagt man: Ja, aber nicht das Vorstellen dehnt, so bestreite ich, daß es
diesem Akt zu tun hat. Sie hat i.
e.
Vorstellungsdingen
zu
ist
ausge-
die Psychologie mit
es
mit »Vorstellungen«
tun;
und
diese
sind
Gewiß: Nie und nie mit Dingen im gleichwohl mit ausgedehnten Dingen! Aber Raum! Ausdehnung ist ja noch lange nicht räumliche Ausdehnung. Worin bestünde denn der Unterschied zwischen Denken der Ausdehnung und Vorstellung der Ausdehnung, wenn nicht darin, daß die Vorstellung (als Gehalt) selbst ausgedehnt wäre? »Vor-
ausgedehnt.
36
stellen« der roten
logischeni
gewiß.
Wand, in philosophisch-phänomeno-
Sinne,
Dieser
Akt
aber dieser Akt
ist
Beziehung,
eine intentionale
ist
zweifellos nicht ausgedehnt;
ist
auch nicht das Vorstellungsding
Und mit
»Vorstellung einer roten Wand«.
ihm, mit
diesem dinglich gegebenen Etwas der inneren Wahr-
nehmung hat
empirische Psychologie zu tun. Gegenstand »rote Wand« und der reale es die
Der reale Gegenstand »Vorstellung« der roten Wand — sie entspringen aus demselben phänomenalen Gehalt, der im Vollzug des Vorstellens der roten Wand »selbst
Auch
gegeben
ist«.
die sinnlichen Gefühle sind zweiffellos aus-
gedehnt. Die Descartes'sche Lehre, daß ein Schmerz
oder das Annehmlichkeitsgefühl des Zuckers Ausdeh-
nung und
Ort,
den
sie
phänomenal
besitzen,
erst
vom
Zen-
einem Prozeß der sogenannten »Projektion«
trum auf peripherische ist
Stellen des Leibes verdankten,
eine völlig grundlose
Annahme;
sie ist so
grundlos
wie die schon von Hering, Mach, Avenarius widerlegte Lehre, daß der Inhalt der erst
in
den
Raum
u.
A.
Empfindung
»projiziert« werde.
Sie ist die
Folge einer metaphysischen Konstruktion, die von
einem im Gehirn befindlichen punktuellen Seelen-
wesen ausgeht, dessen Modus unausgedehnt sein müßte. Sowenig aber so
wenig
ist
alles
freilich
»zunächst«
Psychische unausgedehnt
ist,
andererseits alles Physische ausgedehnt. 37
Die intensiven Größen
(z.
B. die Geschwindigkeit,
Spannungsgrößen usw.) bleiben gegen Descartes Versuch, sie aus dem Naturgegebenen auszuscheiden die
und
vollständig auf extensive Größen »zurückzu-
sie
führen« ein unreduzierbares
auch
durch
ihre
Datum
Proportionalität
wie immer
zu
sie
extensiven
Größen gemessen werden mögen. Auch der Versuch, den Kraftbegriff oder das ihn erfüllende Anschauungsdatum auf sogenannte Einfühlung seelischer Tätigkeitserlebnisse, oder gar bloßer Muskel-
spannungsempfindungen rückzuführen,
ist
in
die
in all seinen
Naturobjekte
besonderen Modali-
täten völlig mißlungen. Schon daß wir gewisse
pfindungen im Muskel sind
—
—
die als
zu-
Em-
Empfindungen passiv
auf Empfindungen der
Muskel Spannung
deuten, setzt die physische Gegebenheit der »Span-
nung« voraus. Der Bewegungsbegriff, den Descartes auf den Begriff eines bloßen Ortswechsels zurück-
führen
will,
findet seine Erfüllung nur in
dem,
bei
continuierlichem Ortswechsel eines identischen Etwas,
immer mitgegebenen zuständlichen und dynamischen Momentes einer Tendenz des Beweglichen von Punkt zu Punkt, durch das der bloße Ortswechsel erst ein durch »Bewegen« bestimmter Ortswechsel,
und
d.
lität aber, eine
»Bewegung« wird. Die QuaKategorie, die Descartes allem Phyi.
erst
dem Psychischen
sischen absprach
und
zuweisen
behält sogar in der Mathematik
38
wollte,
die er
nur
B. qualitative Geometrie des Analysis situs)
(z.
Physik
ebenso in der deutung.
Ich darf hier
außerpsychische
eine
— wo
Be-
Fragen nicht im
diese
Einzelnen erörtert werden sollen
und
— auf
die ausgezeich-
nete Behandlung dieses letzten Punktes durch Du-
hem^) verweisen. Völlig zerbricht die Descartes'sche Konstruktion
überdies an der Tatsache, daß die Gesamtheit der
Lebenserscheinungen und die Gegebenheit des von der
Summe
der Organempfindungen und allen bloß
Einheiten scharf unterschiedenen »Lei-
körperlichen
Scheidung
der
in
bes«
bloß
»ausgedehnter«
und
nichtausgedehnter »denkender« Substanzen und ihrer
Modi keinerlei Ort finden. »Leben« und »Leib« können in ihrer Gegebenheit weder auf Einfühlung eines
primär
seelischen
Gefühls in äußere
Wahr-
nehmungsobjekte, noch auf bloße Gruppierung solcher physischen
Erscheinungen,
wie
sie
sich
auch im
(phänomenal) Toten finden, noch auf einen bloßen
»Zusammenhang« psychischer und
physischer Er-
scheinungen zurückgeführt werden.
Sie 'Stellen eine
letzte elementare
Man el
suche wie
Siehe
P.
Grundklasse von Phänomenen
man
wolle:
Duhems Arbeiten
Man
dar^).
wird kein Merk-
zur Grundlegung und Geschichte
der Mechanik und Physik. -) Ich habe diese Frage genauer behandelt im Anhang zu meinem Buche über Sympathiegefühle und gedenke sie nach ihrer für die Grundlegung der Biologie wichtigen Seite hin in einer in Kürze erseheinenden Arbeit über die Grundlagen der Biologie zu fördern.
39
mal finden, das die psychischen Tatsachen besäßen und die physischen nicht besäßen. Meumann beder merkte einmal in einer Kritik W. Wundts gleichfalls mit Recht leugnet^), es sei der Unterschied von psychisch-physisch ein solcher definierbarer Gattungen von Gegenständen wie z. B. »Baum«, »Haus« —
—
daß »Gefühle, Tätigkeiten, Relationen« nur innerhalb des Psychischen vorkämen. Atome z. B. aber nur in der Welt physischer Gegenes
doch
sei
klar,
Nun, das ist erstens keine Definition! Aber auch abgesehen davon ist irrig, was Meumann meint. Was versteht er unter Gefühlen ? Man kann darunter verstehen eine Qualität oder einen Inbegriff von Quastände.
litäten, solche z. B. die in
einem Lusterlebnis oder
und in dem Angenehmen und Unangenehmen einer Sache, in meiner gefühlten Heiterkeit und Ruhe und in der Heiterkeit des blauen Himmels und der Ruhe eines Waldes identisch sind. Versteht man diese Qualität unter diesem Wort Unlusterlebnis
—
so darf
man
auch nicht sagen, daß »Gefühle« psy-
Denn dieses angenehm und unangenehm, kann ebenso ursprünglich am und ruhig
chisch sind. heiter
—
Gegenstand der äußeren Anschauung, also an physischen Gegenständen vorgefunden werden. Versteht
man
aber unter Gefühl
— wie
z.
B. Lipps
— eine »Ich-
bestimmtheit«, eine Bestimmtheit des Sicherlebens
— so ^)
40
sind dies freilich psychische Tatsachen; aber
W. Wundt
:
Grundriß der Psychologie,
S. 3.
man bestimmt dann auch
Gefühle nicht nach ihrem
Gehalt, sondern nach ihrer Seins-
und Gegebenheits-
weise, die eo ipso nicht weiter definierbar
enthält auch
z.
im fliegenden
Steine, den ich
und
aufhalten will
spürte »Kraft des Widerstandes« oder die eines Fadens,
Analog
ist.
B. alles »Aufstreben in mir«
die
—
ge-
Spannung
den ich zupfe, etwas Gemeinsames:
»Dynamischem« meine von mir ausgehende Tätigkeit und die Tätigkeit, die im »Springen« oder im »Fließen« eines als »Tendenz« wie gesagt Flusses liegt und die in jede äußere Erscheinung von Bewegung eingeht: Eine identische Materie reiner Anschauung, die soeinen identischen Gehalt von etwas
—
wohl psychisch
als
—
physisch sein
darum nicht von Hause
;
ist.
kann; aber es eben Noch weniger aber
hat es Sinn, Relationen »psychisch« zu nennen.
Ist
Entfernung zweier Körper, z.B. der Sonne und Erde nicht eine physische Tatsache ? Auch hier sind
die
Das Wesen der Relationen selbst und das Wesen des Bewußtseins von Relationen z. B. zu
scheiden:
das
Wesen
1.
des Unterschiedsbewußtseins (etwa zweier
Gewichte), also physischer Gegenstände oder zweier
Empfindungsgegenstände, sachen.
2.
also
psychischer
Faktisch bestehende Relationen
Tatz.
B.
Entfernung zweier Körper, Verschiedenheit zweier Farben, Relationen von Bewußtseinszuständen; Re-
von physischen Gegenständen oder von psychischen Zuständen wie Empfindungsunterschie-
lationen also
41
Nur
den.
die Erlebnisrelationen (im letzten Sinne)
nicht aber die Rela-
sind »psychische Tatsachen«,
und nicht die Relationen physischer Gegenstände. »Atome« aber gehören überhaupt nicht hierher. Es handelt sich hier um die phänomenalen Ausgangspunkte aller denkenden Konstruktion,
tionserlebnisse
nicht
um
irgendwelche Konstruktionsgebilde selbst.
Eben dadurch, daß hebt sich heit ist
keine solche Definition gibt, heraus, daß »psychisch« eine echte Wesen-
— nicht
es
ein besonderer Daseinsgehalt, sondern
—
Form des D a seins der nach dem Wesenszusammenhang von Art- und Daseinsform auch eine besondere Form der Anschauung entspricht. Der Beeine
griff
des »Psychischen«
ist also
psychischen Tatsachen
ihnen abstrahiert.
noch
als
nicht an den einzelnen
ein
»Gemeinsames« an
Gleichwohl aber
ist
»Psychisch«
eine Materie des Seins überhaupt, resp. die zu-
gehörige
Form
der
Anschauung noch
eine Materie
purer und formloser Anschauung. Die sog. Ordnungstheorie
und Gesichtspunktslehre
folgt
aus unserer
These keineswegs. Nur darum, weil Psychisches eine
Form
und Gegebenseins ist, hat es auch Sinn von äußerer und innerer Anschauung (und Wahrnehmung) als von einem Richtungs- und Formunterschiede der Anschauung zu reden. Wenn die des Daseins
psychischen Gegenstände durch definitorisch angebbare gemeinsame Merkmale von physischen Gegen-
ständen oder nur in der Ordnungsweise derselben 42
Elemente geschieden wären, hätte diese Rede keinen Sinn. Wir müßten dann sagen: Psychisches und Physind beide nicht ein in zwei verschiedenen
sisches
»Weisen«,
sondern ein in derselben Weise Wahr-
genommenes.
Sowenig
es eine Pflanzen-
und
Tier-
wahrnehmung gibt, könnte es dann eine innere und äußere Wahrnehmung als Arten und Weisen des
Wahrnehmens Wahrnehmung
geben.
Der Formunterschied der
hebt sich eben dadurch erst heraus,
daß der Unterschied kein empirisch gegenständlicher ist.
An der
2.
Grenze von jenem Typus von Theorien,
und physische Tatsachen für definierbar verschieden halten und den Ordnungstheorieen, die ihn zu einem solchen der Methode der Betrachtung herabsetzen, steht die Lehre von Fr. Brentano, die psychische
S.
Alexander, Karl Stumpf. Sie besagt
Form)
:
(in
Brentanos
Psychisch sind die Akte und Funktionen
z.
B. Urteilen, Bemerken, Zusammenfassen, Auffassen,
Wollen, Hören, Sehen, Empfinden, Erinnern; physisch sind die Erscheinungen,
die in diesen
Akten Stumpf
oder Funktionen »intentional« gegeben sind. bestimmt die Lehre schärfer und ändert sie dahin ab: 1. Erscheinungen und Akte sind unmittelbar im
Erleben verschieden; kein Prädikat der Funktionen
kommt den Erscheinungen
(und umgekehrt) zu.
variieren unabhängig voneinander:
kann
Sie
Derselbe Ton
gehört, vorgestellt, geurteilt sein, bemerkt, be-
achtet
usw.
Auch
die »Verhältnisse
von Erschei43
nungen« und »Inbegriffe«: sind nicht erst durch Akte ihnen angetan, sondern werden in bestimmten Funktionen vorgefunden.
Stumpf
2.
identifiziert nicht wie
Brentano Erscheinungen mit Physischem, sondern weist
der »Phänomenologie« zu, die keine Reali-
sie
tätsfrage
stellt.
Erscheinungen sind erstens die
In-
halte der Sinnesempfindungen (und ihrer räumlichen
und
zeitlichen Eigenschaften), zweitens
dächtnisbilder
(Erscheinungen
zweiter
deren Ge-
Ordnung).
Diese drei unmittelbaren Gegebenheiten (Funktionen,
Erscheinungen, Verhältnisse) sind nicht Gegenstände der Forschung, sondern Material der Begriffsbildung, die erst
zu Gegenständen führt. »Physisch« sind nur
»Gegenstände«, also nicht Erscheinungen, und zwar solche, die »aus
und
in
den Erscheinungen erschlossen sind
raumzeitlichen Verhältnissen
Träger von Veränderungen Bei Brentano aber
angeordnete
sind«.
tritt die
Lehre hinzu, daß die
Akte und Funktionen durch innere Wahrnehmung wahrgenommen werden, und daß diese Wahrnehmung »evident« sei, wogegen die in den Akten wahrgenommenen »Inhalte« z. B. Farben, Töne nie evident
wahrgenommen
seien, also
immer noch
sein
oder nicht sein können. (»Evidenzvorzug der inneren
Wahrnehmung«.) Diese Scheidung
ist
für die
Phänomenologie wie
für die Psychologie in gleichem Ist
U
denn etwa das, was hier und was
Maße
verwirrend.
in der
Phänomeno-
!
logie »Akt«
genannt wird dasselbe? Durchaus nicht
Blicke ich in »innerer das,
was
als
zu mir gehörig gegeben
Akt
ich einen
der Beobachtung
ist,
so vollziehe
Wahrnehmung, von ihm umauch einen Akt des Bemerkens,
z.
B. eines jetzt vorhandenen Phan-
eines sinnlichen Gefühls usw.
Wahrnehmung
auch in äußerer
wie ich
auf mich und
innerer
spannt vielleicht
tasiebildes,
Wahrnehmung«
der Beobachtung
z.
genau so
;
einen
Akt
B. der Sonne durch ein Fernrohr
In diesem Sinne des Wortes »Akt« kann Akt nie zum Gegenstand irgendeiner Wahrnehmung
vollziehe.
werden
;
nie zu
einem »Gegenstande« überhaupt, nie
Das Sein des echten Aktes be-
zu einem »Dasein«. steht
vielmehr in seinem Vollzug und er
darin absolut
Gegenstandes
—
nicht relativ
—
vom
Vollzug
verschieden.
Dieser
und mit
»Reflexion«.
schlicht erfolgen
ist
eben
Begriff des
kann
Diese »Re-
flexion« ist indes keine »Vergegenständlichung«, keine
»Wahrnehmung«, mung«, die ja
Akten
auch keine »innere Wahrneh-
also
selbst
nur eine besondere Art von
Mitschweben des völlig unqualifizierten »Bewußtseins von« mit dem sich vollziehenden Akt nur möglich da, wo die ist.
Die Reflexion
ist allein ein
—
Person nicht ganz im Aktvollzug aufgeht. Der Tatbestand der »Reflexion« stelligen
verschieden von
Haltung überhaupt. Auch
Wahrnehmung kann Vollzug
ist
gegeben
ein
aller vor-
Akt äußerer
so in der Reflexion in seinem
sein.
Purer
Anschauung
kann 45
weiterhin »gegeben« sein sein
die
Qualität
Verschiedenheit,
des
und gegenständlich gegeben Aktes und die Gleichheit, der
Identität
Mehrheit von Akten. Aber
all
Qualität
das
ist
einer
in
durchaus nicht
der Akt selbst. So kann ich wohl in einem zweiten Akte feststellen, »daß ich mich eben an das gestrige schöne Wetter erinnerte«. Nicht der eben vollzogene Erinnerungsakt qua Akt ist mir dann im Akt 2 ge-
geben, sondern allein seine Qualität als Erinnerungs-
—
Grund eines Wesenszusammenhangs, daß zu ihm ein Akt »gehört« d. h. Etwas von gleicher Natur, wie das, was ich eben akt und ich weiß nur
vollziehe.
auf
Mit Akten in diesem Sinne, deren Gehalts-
wesen »Intentionalität«, »Bewußtsein von« deren Seinswesen »Vollzug« nie
und nirgends zu
hat es mit
diesem Akt
tun.
ist,
es
Psychologie
alle
Psychologie
hat
Denn
und
ist
daseienden Gegenständen zu tun. liegt
1.
In
nichts an Tätigkeit, (wie in
allem Beachten) die steigerungsfähig wäre;
2.
nichts
von phänomenaler Zeitdauer; Akt ist in diesem Sinne etwas, das jede phänomenale Zeitdauer schneidet und nie sich in ihr erstreckt oder dauert 3. »Akt« ist weiterhin absolut vom Gegenstand verschieden. Ich kann in dieser (phänomenologischen Betrachtung) noch sagen: Dieser eben vollzogene Akt ist ;
Erinnerungsakt,
ist
Erinnerungsakt
ist
Willensakt usw. so
und
so
;
beschaffen«.
dessen kann ich sicher sein: Niemals 46
nie aber »dieser
ist es
Denn
das,
wo-
rauf ich hier hinbKcke, der
Akt
immernoch
Erinnerns, sondern
selbst, der
Akt des
etwas, was zu seinem
(voll reduzierten) Gehalt gehört.
Etwas total Anderes als »Akt«, der vollzogen wird und nur in seinem Vollzug »sein« kann, ist nun aber das, was Stumpf »Funktionen« nennt. Funktionen werden nicht vollzogen, sondern »vollziehen sich« Sehen, Hören,
—
ja
z.
B.
auch noch Bemerken, Beachten,
Zusammenfassen, Urteilen usw. Ich leugne also nicht, es »Funktionen« gibt, sondern gebe Stumpf recht,
daß
wenn
er die
in ihnen
Funktionen von dem unterscheidet, was
erscheint,
Sehen,
B.
z.
Hören usw. von
Farbe, Ton. Aber die Funktionen gehören,
Akt und seinen inneren
vom echten
Qualitäts-, Form-, Richtungs-
unterschieden aus gesehen, selbst noch zu den »Ge-
samtmaterien«
der
wieder in
selbst
Akte,
welche
Funktionen
Materien
also
und Erscheinungen
Der Unterschied zwischen Funktionen
zerfallen.
und Akten besteht also: 1. In der Weise des Seins und Gegebenseins: Akte werden vollzogen (durch Personen) (als
3.
Funktionen vollziehen
psychische).
innerer sten
;
2,
laufen
ab
Funktionen werden noch in
Wahrnehmung
in
sich,
unmittelbarer
gegenständlich,
Erinnerung,
zum mindeAkte
nicht.
Psychische Funktionen sind wechselnde Weisen
des Verhaltens
und des Ablaufs,
die irgend einen
Aktvollzug und eine Gegebenheit in ihm bereits voraussetzen.
Sie
haben keine konstitutive Bedeutung 47
für das Wesen des »Bewußtseins von«
—
und
seine Arten auch keine für das Wesen des Psychischen. immer zu den Akten und ihren Qualitäts-,
also
Was
Form-,
und Grundartenunterschieden auch für jedes endHche »Bewußtsein
Richtungs-
gehört, das
ist
von Etwas« konstitutiv und für jeden Augenbhck seiner Existenz es ist auch ganz unabhängig von der Stufe der Entwicklung dieses Bewußtseins (so ;
z.
B.
Wahrnehmen,
unmittelbares Erwarten,
un-
mittelbare Erinnerung; Streben, Fühlen, Vorstellung
haben innere Wahrnehmung, äußere Wahrnehmung, Leibbewußtsein). Es ist also enthalten in jeder seiner Erfahrungen, (wie einfach diese immer der Ablauf von
sei).
Nicht
Beachtung kann fehlen. Sehen, Hören kann da sein und nicht da sein usw. Es mag schwer sein, zu scheiden, was Funktion und Akt ist. Wer z. B. meinte. Erinnern und Erwarten auf Reproduktion und Urteil zurückführen zu können, der müßte bestreiten, daß sie zur Aktso
Besonders schwierig
sphäre gehören. für das Urteil,
sphäre rechne,
Funktionen:
ist
die
Frage
das ich meinerseits nicht zur Akt-
—
wohl aber »Denken« im Sinne von
Bedeutungserfassung von Etwas überhaupt.
Aber abgesehen hiervon: Ich muß gegenüber Brentano den Satz bestreiten, es gäbe nur physische
Erscheinungen
seien
als
1.
48
solche
oder
»physisch«;
alle
»Erscheinungen«
gegenüber
Stumpf,
»Erscheinungen« erster und zweiter Ordnung seien
Gegenstände
nicht
Psychologie;
der
es
2.
gäbe
keine physischen Erscheinungen, sondern »physisch«
nicht erscheinungsmäßigen erschlossenen und gedachten Gegenstände; 3. Gegenstand sei gleich viel mit »gedacht«, ja in einem Begriff gefaßt; 4. Funktionen seien immer »psychisch«. Es seien erst die
nicht nur physische
gibt vielmehr
psychische Erscheinungen. chologie bekannt, die sich nicht
Mir
sondern
auch
keine Psy-
ist
auch mit Gedächtnis-
bildern, Phantasiebildern, Gefühlszuständen beschäftigte
und dem Verlauf
Dinge.
aller dieser
Alle kon-
sequente Assoziationspsychologie, die überhaupt keine
Funktionen kennt, wäre
von vornherein Und doch hat sie
ja hier
ein total Unsinniges verurteilt.
nachweisliches Recht. die
Es
als
ein
aber ausgeschlossen,
ist
Funktionen von den Erscheinungen
so zu schei-
den, daß beide ganz verschiedenen Wissenschaften zu-
gewiesen werden. Auch Stumpf folgt in praxi nicht seiner Scheidung.
Zu sagen, Töne, Farben
seien nicht
— notwendig — psychische Erscheinungen, lich völlig richtig.
Aber sagen
sein, ist unrichtig.
:
Sie
ist frei-
können auch keine
Sie sind es als Teilgehalte eines
bestimmten Ichbewußtseins, sie sind es, sofern sie auf das Ich bezogen erlebt sind. Auch der gehörte eine psychische Tatnotwendig Ton ist nicht
—
—
sache.
»Hören«
ist
zwar
eine Funktion, aber sie ist
sofern sie sich abspielt in äußerer
Wahrnehmung
der Gerichtetheit auf Körperdinge II. 4
z.
in
B. nicht not49
wendig eine psychische Funktion.
Es
ist
eine Leib-
funktion oder eine Vitalfunktion, die weder in innerer
noch äußerer Wahrnehmung gegeben zu sein braucht, aber gleichwohl gegeben sein kann. Aber der Ton,
von mir empfunden, der erlebte Ichbezogenheit hat, ist auch eine »psychische Er-
der erlebt
scheinung«; höre«,
die
bew^ußt,
was
in
ist
als
erst recht der
— mir
daß ich sie im Vorstellen »halte«. Alles, einem vom wirklichen Raum abweichenden
Vorstellungsraum, (z.
Ton, den ich »innerlich
Landschaft, »innerlich vor mir«
innerem Sehraum
gegeben
ist
B. Kandinskys »Pseudohalluzinationen«), das ist
auch eine »psychische Erscheinung«.
Dagegen
ist die
Landschaft des Starnberger Sees, die ich jetzt im erinnernden Sehen selbst erfasse, so wie liegt
— eingeordnet
psychische,
in das reale
sondern
eine
sie
dort
Deutschland keine
physische
Erscheinung,
ob ich sie gleich nur im Erinnern habe. Ich kann mich ebensowohl an physische Vorgänge z. B. ein Gewitter wie an psychische Vorgänge z. B. an ein Erlebnis mit einem Menschen erinnern. Wird nun
etwa das psychische Erlebnis (nach Brentano) eine »physische Erscheinung«, da es Erscheinung
ist
und
Oder eine »Erscheinung zweiter Ordnung«, mit der es die Phänomenologie zu tun hätte ? Hier ist die Unmöglichnicht Funktion wie das »Erinnern an« es
keit
dieser
Bestimmung offenkundig.
?
Und
wieso
wäre nun gar der vorgestellte Apollo oder ein Genta ur 50
eine physische Erscheinung
stand
ist
Gewiß
?
dieser Gegen-
verschieden von seinem »Vorstellen«.
dieses »Vorstellen« ist
Aber
der Akt im Sinne der Phä-
nomenologie. Es hat mit der »Vorstellung« des Psy-
chologen gar nichts zu tun.
Und doch
hat dieser
Das
zeigt sich
Begriff der »Vorstellung« ein Recht.
wenn
sofort,
ich
konstatiere:
Für den gläubigen
Griechen war Apollo nicht nur ein
vom
Vorstellen
des Apoll verschiedener intentionaler Gegenstand,
wie er das für denPhänomenologen immer er
war
stand
in seiner Intention
—
also
Für mich
ist
ist,
sondern
auch ein religiöser Gegenz. B. der Anbetung.
ein Gegenstand er
aber kein religiöser Gegenstand,
sondern nur die »Vorstellung« eines solchen. ist klar:
für
»Das Vorstellen«
als
den Griechen, der Apollo
der ich
diese
muß.
Wort
Hier
sowohl nötig
vorstellte als für mich,
—
in
Gegen-
diesem Sinne
—
»Vorstellung« einer »Vorstellung«
hat eben nur Sinn erste
ist
Vorstellung eines religiösen
standes mir auch wieder »vorstellen«
Akt
—
als
Wortverbindung, wenn das
»Vorstellung« den
Akt des
Vorstellens,
das zweite aber das Vorstellungsding des Psychologen bezeichnet.
eben genau so
Eine sogenannte »Vorstellung«
Ding
wie ein Stein ein Ding
ist.
ist
Es
gehört daher die Vorstellung durchaus in die Reihe der Gegenstände
und Erscheinungen.
Es gibt mit-
hin ebensowohl physrsche als psychische Erschei-
nungen. 4*
51
Wir sahen
also,
daß keiner dieser Definitions-
versuche der Kritik standhält^).
Die Untersuchung
der Frage zeigt, daß wir die Einheit des »Psychischen« gar nicht anders fassen können, als durch den
Hinblick auf die besondere Weise, wie wir es wahr-
Wahrnehmung« geWahrnehmung ist also nicht
nehmen, und
die eben »innere
nannt wird.
Innere
Wahrnehmung Definition
eines
bereits
unabhängig von
sondern »Psychisches«
immer dann
erfüllt,
wenn
richtung einer »inneren
und
^)
Wahrnehmung
Die Sphäre des Psychischen
die sich
wir diese besondere Akt-
Wahrnehmung«
ihr gleichsam nachgehen.
durch innere
als
von Gegenständen;
eine Bedeutung,
ist
durch
»Psychischen«
festgelegten
einer gattungsmäßigen Einheit
ihr
ist
einschlagen
»Psychisch«
ist,
was
in Erscheinung tritt. sicher weiter als diejenige der
umfaßt auch Empfindungen und zuständHche Gefühle. Auch wird man nicht leugnen können, daß der Inhalt einer Phantasievorstellung psychisch ist was immer auch darin vermeint wird, ein physisches Ding oder wieder ein psychisches. Andererseits dürfen die Akte, in denen Psychisches gegeben wird, also der Akt der inneren Wahrnehmung selbst und alle seine Modi nicht wieder psychisch heißen, sofern der unendliche Regreß vermieden werden soll. Von den drei Bewußtseinsbegriffen: = jedes »Bewußtsein von«, jedes intentionale 1. Bewußtsein Meinen und Gerichtetsein, = Inbegriff der Erscheinungen innerer Wahr2. Bewußtsein nehmung, 3. Bewußtsein = Inbegriff der realen Erlebnisse eines Indiviintentionalen Akte,
Sie
—
ist
der
duums zweite eine Art des ersten; und
zweiten abgeleitet.
52
der dritte
ist
aus
dem
Es bestünde
—
wie gesagt
äußeren und inneren
—
kein Recht, von einer
Wahrnehmung
zu reden,
wenn
Psychisches und Physisches definierbare gattungs-
mäßige, gegenständHche Unterschiede wären. Wir sprechen ja auch nicht von einer Bäume- und Häuser-
wahrnehmung. Das Wesen des Psychischen wird also in jedem Akte innerer Wahrnehmung erschaubar wie das Wesen des Physischen in jedem Akte äußerer Wahrnehmung. Es bedarf dazu keines Vergleiches von mehreren Objekten, und andererseits kann Physisches nur in äußerer Wahrnehmung, Psychisches
nur in Auch
innerer
Wahrnehmung
die vielfach
erscheinen.
gemachten Versuche, den Unter-
von Psychisch und Physisch auf einen Unterschied der Ordnungsweise derselben Inhalte zurückzuführen, an Stelle zweier Arten des Wahrnehmens also bloße Unterschiede des denkenden Beziehens zu setzen, sind undurchführbar. Der Unterschied von Psychisch und Physisch mag im konkreten schied
Falle zweifelhaft sein, d. h. es
mag
zweifelhaft sein,
ob eine bestimmte Erscheinung eine psychische oder physische
ist
—
keinesfalls wird der
Wesensunter-
Denken und Urteilen erst geschaffen. Es ist ein Unterschied im Wesen der Phänomene und der ihnen entsprechenden Wahrnehmungsarten. schied durch
Sagt die
man
mit Mach, Avenarius
»psychisch«
sei
Umwelt, bezogen auf einen Organismus, oder
die
u. A.,
53
Umweltserscheinungen, so weit
sie sich
von einem
zentralen Nervensystem als abhängig erweisen, so
macht man das »Psychische«
Beziehung zwischen
faktisch zu einer bloßen
physischen Phänomenen, aus
denen doch auch der »Organismus« oder das »Nervensystem« besteht.
Was man
hiermit definiert,
ist
lediglich der Tatsachenkreis der Sinnesphysiologie^),
und man muß schon der Meinung
sein, es lasse sich
Psychische auf Empfindungsinhalte, auch Streben und Gefühl auf Organempfindungen, Gedächtnis auf mattes Wiedererscheinen von Wahrnehmungsinhalten, zurückführen, um diese Scheidung auch nur in ernste Erwägung zu ziehen. Aber auch jede alles
andere Theorie der Anordnung versagt an der einfachen Tatsache, daß physisch und psychisch keine erst
durch das Denken zu kreierenden, sondern vor-
gefundene
Unterschiede sind.
theorie ist nur das richtig, es sich
was
An
der Ordnungs-
sie
verneint:
daß
um keinen definierbaren Unterschied gattungs-
mäßiger Art handelt, nicht aber, was
sie
behauptet.
beiden Wahr-
Es ist auch jeder nehmungsarten aufeinander zurückzuführen, als mißlungen anzusehen. So machten Berkeley und seine idealistischen Nachfolger den Versuch, die Versuch,
»Sensation« als weisen.
Indem
Grenzfall
u
der »Reflexion«
er die »äußere«
^) So schon ganz richtig nenten Philosophie«.
die
W. Wundt
nachzu-
Wahrnehmung
in seiner Kritik der
so-
»Imma-
fort
mit der »sinnlichen«
und
sie
Wahrnehmung
nur graduell von der Erinnerung und Vor-
stellung unterschieden sein läßt,
innerung
als
Urphänomen
nur
als
starke Erinnerung
also
identifiziert
indem
auffaßt;
Qualitäten,
die
er
die
—
dabei die Er-
festhaltend
—
dieselbe
und »Vorstellung« von Locke sog. sekundären
diesem,
obgleich
relativ
auf den
Menschen, durchaus noch nicht Tatsachen der »Resondern der »Sensation« waren,
flexion«,
sachen
der
Reflexion
ansieht
als
Tat-
und außerdem zu
zeigen sucht, daß die primären Qualitäten mit den
sekundären untrennbar verbunden seien (eine Tast-
empfindung z. B. graduell in Schmerz übergeführt werden könne, Ausdehnung nur ein unselbständiges Moment an der Farbe sei, nur in Worten trennbar nach seinem Nominalismus) — meint er gezeigt zu haben, daß es eine ursprüngliche Wahrnehmung der Materie gar nicht gäbe. Es kann hier nicht gezeigt werden, daß die von Berkeley angeführten Gründe für seine Lehre, wonach der Gehalt der äußeren
Wahrnehmung nur ist,
was
die peripherste
Schicht
dessen
er vieldeutig »Bewußtseinsinhalt« nennt, die
äußerste Grenze gleichsam der
um
das »Ich«, dessen
absolute Existenz er voraussetzt, gruppierten Inhalte,
—
unstichhaltig sind.
Immerhin hatte
er
noch positive Gründe für seinen Satz Esse-Percipi anzugeben gesucht und sich nicht mit der zweideutigen Redensart begnügt, daß alles Wahrge55
nommene und Gedachte eben schon darum auch »Bewußtseinsinhalt« sei, weil es wahrgenommen und gedacht listen«.
sei;
wie die meisten sog. modernen »Idea-
Bezeichnen wir mit
dem Namen »Bewußtseins-
was überhaupt in einem intentionalen Akte erfaßt und gemeint werden kann, so sind freilich auch Sonne, Mond und Sterne »Bewußtseins-
inhalt« alles,
Nur ist das ein ganz unsinniger Sprachgebrauch. Etwas völlig anderes ist dagegen gemeint, wenn unter »Bewußtseinserscheinung« eine in innerer inhalt«.
Wahrnehmung gegebene
Erscheinung,
psychische Erscheinung gemeint sein
aber schließt
die
Behauptung,
daß
kurz
Dann
soll.
alle
eine
Erschei-
nungen Bewußtseinserscheinungen seien, einen radikalen Irrtum in sich; denn dann schließt sie die Behauptung ein, daß alles anschaulich und unmittelbar Gegebene — nicht erst auf Schluß und Urteil Beruhende — eine psychische Erscheinung oder eine
und
Wahrnehmung sei, Wahrnehmung« gar nicht gäbe.
Erscheinung der inneren es eine
»äußere
Diesem sonderbaren Vorurteil gegenüber aber ist zu es auch physische Erscheinungen
behaupten, daß gibt,
Erscheinungen, die niemals ursprünglich »Be-
wußtseinsinhalte«
oder
»psychisch«
waren;
die
in
keinem Sinne aus Psychischem abzuleiten oder
im
Psychischen fundiert sind. einander
von
Raum und
physische Erscheinung; was 56
Was immer im Zeit
erscheint,
immer
Außerist
eine
erscheint in einer
Ichbeziehung
unmittelbaren
überhaupt,
einem
in
»Zusammen«, dem dieses räumHch-zeitHche Außereinander fremd reduzible
ist
und das
Mannigfaltigkeit
eine auf jene niemals erfüllt^),
ist
eine
psy-
Beide Erscheinungsarten sind
chische Erscheinung.
und im Aufbau der
gleich unmittelbar gegeben,
»Gegenstände«, die in beiden Bereichen des Erkennens
das unmittelbar und mittelbar identifizierende Er-
kennen und Denken
Es
der Mittelbarkeit.
dieselben Stufen
erfaßt, gibt es ist
daher ein grundlegender
Irrtum, das Gebiet des Phänomenalen, überhaupt
unmittelbar
der
scheinung, mit
und anschaulich gegebenen Er-
dem
Gebiet der »Bewußtseinserschei-
nung« oder der »psychischen« Erscheinung zusetzen und das Physische erst
als
gleich-
auf Denkakten
(sei
bloß ein identifizierender Akt oder gar ein Schluß
es
aus seelischen
Wahrnehmungen
oder aus der
Emp-
findung auf eine »Außenwelt«) beruhend anzusehen; oder auch
— wie
Wundt
es z. B,
tut
—
das Physische
dem
bloß »mittelbar« Gegebenen gleichzusetzen. Das Physische überhaupt — als Wesenheit — ist uns in jedem Akte äußerer Wahrnehmung gegeben, wie immer es sich mit dessen »Realität« verhalte und
wie immer innerhalb der Gesamtheit der physischen
Phänomene
die weitere
die physikalisch
So ^)
ist
die
und
Scheidung derjenigen
erfolge,
die physiologisch bedingt sind.
Erscheinung des gebrochenen Stabes im
Siehe hierzu Abschnitt
4.
57
Wasser
eine physikalisch bedingte,
Bild
vische
Körpers eine geometrisch und
eines
physische
bedingte
physiologisch
das perspekti-
Erscheinung^).
Die Abhängigkeit einer Erscheinung äußerer Wahr-
nehmung vom Leibe diese nicht zu
zu einem
(je
des
Wahrnehmenden macht
einem psychischen Inhalt, sondern nur
nach Art der Abhängigkeit) mehr oder
weniger daseinsrelativen alle daseinsrelativen
Aber nicht
Gegenstand.
Gegenstände sind darum »psy-
chisch« oder »subjektiv«.
So wenig aber der Gehalt der äußeren Wahrneh-
mung
als ein
ursprünglicher Teilgehalt der inneren
umgekehrt
angesehen werden kann, so wenig Gehalt der inneren
Wahrnehmung
Wahrnehmung
der Gehalt der inneren tisches
als
ursprünglich gegeben
—
der
durch äußere etwa
Wahrnehmung nur
so,
daß
ein gene-
Entwicklungsprodukt von »Elementen« wäre,
die »zunächst« im Gehalte der äußeren Wahrnehmung
anzutreffen wären.
entgegengesetzte
Diese
dem
Irrung liegt
Lehre zugrunde, nach der
»Idealismus« genau der
sensualistischen
alle seelischen
Tatsachen,
auch Gefühle, Strebungsakte usw. auf komplizierten
Verbindungen von sollen
(mit
^)
Alle
Organe und Viszeralnach dieser Lehre an der innersten
Einschluß
empfindungen, die Spiegelbilder,
»Empfindungen« beruhen
sog.
der
virtuelle
Bilder,
Regenbogen
obgleich nicht physisch real, so doch echte
nungen. 58
z.
B.,
sind
physische Erschei-
Grenze der äußeren
Wahrnehmung
liegen
und un-
analysiert einen besonderen elementaren Tatbestand
und eine besondere Wahrnehmung, die »innere Wahrnehmung«, vortäuschen sollen). Die Vorstellung wird hier einem abgeblaßten, an Inteni), und sität geringeren Sinnesinhalt gleichgesetzt »seelisch«
Gefühle,
Ich sollen
Streben,
sich
gefallen lassen,
Komplexe von Organ- und Viszeralempfindungen und bestimmter »Töne« dieser Elemente aufgelöst zu werden. Es ist dann ziemlich gleichgültig für diese
in
Frage, ob
man
bei diesen
Phänomene stehen
bleibt
Elementen der äußeren und alle mechanische
Reduktion derselben in der Physik als einen bloßen zweckmäßigen Symbolismus ansieht, ihre Abhängigaufzuzeigen,
keitsbeziehungen
mechanische Reduktion
als
oder
ob
man
die
ein Erfassen des »Re-
macht man die »seelischen« Tatsachen zu bloßen Komplexen physischer Elementarphänomene und »seelisch« selbst wird alen«
ansieht.
eine Kategorie,
In beiden
die
Fällen
eigentlich
nur eine künftige,
ungelöste Aufgabe der Naturwissenschaft bezeichnet. Das Seelische ist dann nur der jeweilige Rest des naturwissenschaftlich noch nicht völlig analysierten und erklärten Tatbestandes. Mit jedem Fortschritt der Naturwissenschaft würde dem »Seelischen« der Boden abgegraben und in einer voll^)
Wie widersprechend
gezeigt worden, als
daß
allen
Tatsachen dies ist, ist schon zu häufig werden müßte.
es hier wiederholt
59
kommenen
Naturwissenschaft würde diese Kategorie
verschwinden. Ist
mithin der Unterschied innerer und äußerer
Wahrnehmung weder reduzieren, so
nur
ist die
erlebbaren
zu leugnen noch weiter zu
Frage, was, abgesehen von
Richtungsunterschied
der
dem
beiden
Akte des Wahrnehmens, sie scheidet^). Da ist für unseren Zweck vor allem wichtig, daß der Unterschied der beiden Richtungen des Wahrnehmens in keiner Hinsicht als relativ auf den Leib und demgemäß auch auf die Sinnesfunktionen und -Organe anzusehen besteht,
wenn
ist.
Die Scheidung
ist
eine solche, die
wir auch die Existenz des Leibes auf-
gehoben denken^).
»Äußere Wahrnehmung«
als
Akt-
richtung hat daher mit »Sinnes Wahrnehmung« zu-
nächst gar nichts zu tun; lichung wie
immer an
die
mag
ihre reale Verwirk-
Mitwirkung der sinnlichen
Wesen
davon ganz unabhängig. Von der Fülle dessen, was ein Akt äußerer Wahrnehmung gibt, ist es eine zweite Frage, Funktionen gebunden
sein, ihr
ist
was uns davon durch diese oder jene Sinnesfunktion, durch Sehen, Hören, Riechen zugeht, und eine dritte, unter Mitwirkung welcher Organe und Veränderungen in ihnen und ihren Fortsätzen bis zum Gehirn uns ^)
Vgl.
hierzu Abschnitt
dieser Frage
kann
4.
Eine vollgenügende Untersuchung
hier nicht gegeben werden.
^) Daß »innere Wahrnehmung« mit Wahrnehmung des »in« den Leib Lokalisierten nichts zu tun hat, braucht nicht gesagt zu werden.
60
der betreffende Inhalt zugeht^). Unter den Erschei-
nungen aber, die uns äußere Wahrnehmung gibt, sind die Gruppen physikahsch und physiologisch bedingter Erscheinungen oder die betreffenden so verschieden bedingten
Momente an einer Erscheinung noch
different;
sie
scheiden sich erst innerhalb des Be-
reiches der »Erscheinungen äußerer
Wahrnehmungen« Das nur oder
oder der »physischen Phänomene«.
mag
überwiegend physiologisch Bedingte lich«,
selbst
in-
»subjektiv« heißen
logisch bedingten
(z.
»mensch-
B. alle physio-
Sinnestäuschungen), es wird da-
durch nicht im mindesten »psychisch«.
Es war
ein
Irrweg, den zuerst Descartes inauguvon allen äußeren Erscheinungen zuerst eine physikalische Erklärung zu fordern und dann erst die stattfindenden physiologischen Vorgänge soweit heranzuziehen, als sie durch die, den Erprinzipieller
rierte,
scheinungen supponierten, physikalischen Reizrealitäten als bewirkt angesehen werden dürfen. Sinnesphysiologie hat zuerst
Hering
(durch
In der
Vor-
aussetzung der wohlgeordneten Farbenerscheinungen
und nicht
ihrer physikalischen Definitionen), in er-
weitertem
Maße
erst
Pawlow durch
seine Erweite-
rung der Physiologie mit diesem Irrweg prinzipiell
^)
Dies finden wir erst durch eine Reflexion auf das Sehen, Hören,
Schmecken usw. und durch einen Hinblick darauf, was an dem wahrgenommenen Ganzen durch die Funktion herausgehoben wird.
61
Es
gebrochen^).
nungen zunächst erst
ist
also
auch
irrig,
»psychisch«
als
alle Erschei-
anzusehen und
durch einen »Schluß« oder eine »Deutung« in
das Gebiet des Physischen überhaupt hineingelangen
zu wollen. wird
die
In
jedem Akte äußerer Wahrnehmung
Existenz des
Physischen,
einer »Natur«
und nur nach der Stufe der des in dieser Erscheinung im
schlechthin evident, Daseinsrelativität
Denken zu erfassenden Gegenstandes, d. h. nach dem Maße und der Art seiner Abhängigkeit von den Eigenschaften des auffassenden Wesens (den generellen und individuellen, normalen und abnormen) kann dann noch eine weitere Frage gehen, die man summarisch oft mit »Realität der Außenwelt« beNicht aber auf eine zuvor angenommene zeichnet. »Realität« »jenseits des Bewußtseins« (wie der un-
klare Ausdruck lautet)
ist die
Außenwelt, sondern auf
Außenwelt schon als Phänomen ist die weitere Frage, was daran »real« ist und in welchem Sinne, zu stützen-). Es bedarf auch keiner »gesetzlichen Verknüpfung« der Indie evident gegebene Existenz der
halte
^)
mehrerer Akte,
Eine kurze
keiner besonderen »Ordnung«,
Belehrung über Pawlows erweiterte Physiologie
gibt sein auf der Königsberger Naturforscherversammlung gehaltene»
Vgl. zu dem oben Gesagten meine Ausführungen in der Abhandlung »Der Formalismus in der Ethik und die materiale Wertethik«, Niemeyer 1913, S. 100. sei hier nicht 2) Auf die Frage nach dem Wesen der »Realität«
Vortrag.
eingegangen.
62
um
uns zu einem »Physischen« zuführen. Vielmehr ist in jedem Akte äußerer Wahrnehmung uns »Natur« als ein unbestimmtes Ganzes gegeben, auf dessen
Hintergrund die sinnlichen Inhalte des gegenwärtigen
Momentes nicht
so,
Und
schärfer hervortreten.
daß uns
erst zerstückte
dabei
ist
es
Inhalte verschie-
dener sinnlicher Funktionen gegeben wären, wie rot und hart und sauer und laut, die erst durch eine hinzutretende Verknüpfungs- und »Ordnungstätigkeit«
zu »verbinden« wären;
sondern
es
ist
unmittelbar
dieselbe materielle Einheit, die wir tasten
wenn wir
heit überhaupt ist
Sphäre äußerer Wahrnehmung
Wahrnehmung
existierend evident gegeben; »Flypothese«, sein,
und
die »Materie« oder die dingliche Einin der
uns in jedem Akte äußerer
kann nur
sehen,
B. eine rote harte Fläche berühren
z.
Auch
sehen ^).
und
wie
sie
beschaffen
ist,
als
Deutung
kontinuierlich
oder diskret, resp. welche Bestimmungen wir je nach
Stand der Wissenschaft ihren letzten Elementen zuschreiben. Nicht aber ist sie selbst eine »Hypothese«.
Und
ganz analog
ein Ich
eines
und
ist in
innerer
Wahrnehmung immer
überhaupt gegeben, und zwar die Totalität
Ich,
auf dessen Hintergrund sich dann dies
jenes abhebt; auch dessen Existenz
bar evident und
es
ist
unmittel-
bedarf dabei keiner »Hypothese«
^) Alle »Entwicklung« und alles »Lernen« betrifft nur die Zuordnung der gegebenen Inhalte zu bestimmten realen Dingen; nicht
aber
ist
jene Identität selbst eine erlernte oder entwickelte.
63
oder eines »Schlusses« oder einer metaphysischen An-
nahme einer »Substanz« usw. Es bedarf auch keiner »Zusammenfassung« und »Synthese« einer Mehrheit von Bewußtseinsmomenten, vermittelt durch Erinnerung oder gar durch Reproduktion.
Wahrnehmung
inneren
Können spannt
geht
Der Akt der
dem Rechte und um-
nach auf jedes Erlebnis des Ich; er
alle
Stufen des Bewußtseins und alle zeitlich
wie immer getrennten Lebensmomente und nur die
Auswahl dessen, was in ihm als Teil des Jetztmomentes faktisch erscheint, ist durch Leibvorgänge und in zweiter Linie durch psychische Kausalität bestimmt.
Wie irrig es ist, äußere und innere Wahrnehmungen auf den Leib relativ zu setzen, das zeigt am besten die unumstößliche Tatsache, daß der »Leib«
— ein Tatbestand, den man doch vom »Körper« scharf scheiden möge, — uns sowohl in innerer wie äußerer Wahrnehmung
gegeben
durch Zuordnung, uns es ist »dieselbe
und als
unmittelbar,
nicht
»derselbe« gegeben ist;
Hand«, die ich hier sehe und in der
Schmerz vorfinde^) Täuschungen in dieser Richtung gelten also nur für die Zuordnung der be-
ich diesen
^)
Daß
;
der Schmerz unausgedehnt
sei
oder erst
vom Zentrum
Behauptung, die gleichfalls zu jenen Irrungen gehört, die ich im 3. Absatz bespreche und in denen der normale Fall nach Analogie mit anormalen Täuschungen (z. B. Schmerz im amputierten Glied) verständlich gemacht werden aus projiziert werde,
soll.
64
ist
eine ganz willkürHche
sonderen Inhalte zu der realen Sphäre wirklicher Erlebnisse
und wirklicher Körperteile;
diese unmittelbare Identifizierung
Derselbe Leib
nehmung
als
Bestandteil
ärzt-
diesem Grund-
uns also in äußerer Wahr-
»Körperleib«
seele« gegeben, in
stets
ist
setzen aber
voraus. Alle
liche »innere Diagnostik« beruht auf satz.
sie
und innerer
als
»Leib-
deren einheitlicher Totalität, die unseres
Bewußtseinsinhalts
ist,
Empfindungsgruppen der einzelnen ViszeralOrgane und Eingeweide (Organ- und
sich
erst
die
empfindung) heraussondern. Die äußere
Wahrnehmung
vollzieht
sich
durch
Vermittlung von Sinnesfunktionen, deren einheittion
Modi hindurchgreifende Grundfunkdas phänomenal aufweisbare pure »Empfinden«
ist;
sie
liche,
durch
alle
erfolgt
durch äußere Sinnlichkeit, die zu-
nächst funktionell und erst in zweiter Linie durch die Sinnesorgane bei
Lebewesen verschiedener Art
eigentümlich bestimmt
^)
Gesetzmäßigkeiten
der
ist^).
Die
Funktionen,
des
Sinnesfunktion
»Sehens«,
»Hörens«
können daher bestimmt werden unabhängig von der bestimmten Reizung und Beschaffenheit der Sinnesorgane und sind bei dem sog. inneren Sehen, inneren Hören (eines etwa in der Erinnerung gegebenen Tatbestandes) dieselben wie bei wirklichem Sehen und Hören (z. B. Umfang der an die bestimmten Funktionen gebundenen sog. »sinnlichen Aufmerksamkeit«, perspektivische Veränderungen der Inhalte mit Nah- und Fernlokalisation usw.). Diese Funktions-
verschiedener Ausstattung des Apparates der Sinnesorgane bei verschiedenen Tieren weithin dieselben und haben
gesetze sind auch bei
in ihrer Eigengesetzmäßigkeit erforscht zu werden.
II. 5
65
den Akt der
also schiebt sich sozusagen zwischen
äußeren
Wahrnehmung und
deren möghchen Ge-
Mitte und schneidet nur
halt in die
die
für die
Aktionsrichtungen des Lebewesens wichtigen Ele-
mente
Gesamtbereich
diesem
aus
Die
heraus.
hat also lediglich den Charakter Lebewesen bedeutsamen Analysators; keinerlei produktive Bedeutung für den Gehalt der äußeren Anschauung kommt ihr zu^). Nun ist es aber von grundlegender Bedeutung Sinnesfunktion
eines für das
und ihren weiteren Fortgang, daß anerkannt werde, daß auch die innere Wahrnehmung nicht unmittelbar auf das Ich und seine Erlebnisse geht, sondern gleichfalls vermittelt durch einen »inneren Sinn«. Es ist ein gewaltiger Irrtum, wenn man gemeint hat, seelische Existenz habe nur: einmal das jeweilig gegenwärtig im Bewußtfür die Psychologie
sein
Vorgefundene;
alles
vergangene Erleben
sei
da-
gegen nur in physiologischen Dispositionen oder auch in Dispositionen einer metaphysischen Seelensubstanz
und
dergl.
vorhanden; sodann nur das, wovon das
Individuum sich im Erleben bewußt uns in
^)
Eine interessante
Zusanimenstiminung
Bergson »Memoire
et
matiere«,
Pawlows genannten Vortrag.
66
daß
es dies
es erlebt.
F.
Alcan,
diesem Gedanken und Pawlow. Siehe
in
zeigen neuerdings die Forschungen von Bergson
H.
sei,
Genau so sinnlos als es wäre, den der Sinneswahrnehmung eben gegenwärtigen
und was
Paris 1908.
Desgl.
Ausschnitt der Natur für allein »wirklich« zu halten
und
alles
keiten
andere nur in »Dispositionen«, »Möglich-
Wahrnehmung^)«, genau
der
falsch
so
diese Vorstellung für die seelische Realität.
ist
Nicht
das Erlebnis selbst, sondern nur seine Erscheinung für den inneren Sinn ist uns in
uns
momentan gegenwärtig
ist
dem
(von
gegeben, was
aller
besonderen
Aufmerksamkeit, Bemerken, Beobachten noch ganz
Und
abgesehen).
so
wenig Sonne,
Mond und
von »Gehirn« und »Sinnen« abhängig das psychische Erlebnis selbst.
aber
ist die
Tatsache
sind, so
In beiden
Sterne
wenig Fällen
äußere und innere Sinneserscheinung der
vom Leibe, und
vensystem abhängig.
Es
in erster Stelle ist
Irrtum, der Biologie, Physik
vom
Ner-
eben ein prinzipieller
und Psychologie
gleich-
mäßig schädigt, das Psychische vom Leibe irgendwie abhängiger zu denken als das Physische. In beiden Gegenstandsbereichen gibt es vielmehr prinzipiell vom Leibe abhängige und davon unabhängige Erscheinungen und Erscheinungsmomente; und in beiden gibt es eine ganz bestimmte Ordnung unter den auf den Leib und bestimmte Beschaffenheiten seiner daseinsrelativen Gegenstände. In beiden
aber gibt
es
auch eine Schicht des absoluten Da-
seins, die unabhängig
vom Leibe besteht.
Sosinnlos
^) J. St. Mill und andere haben ja auch dieses behauptet. In seiner Untersuchung der Philosophie Hamiltons setzt Mill auch die Materie zu einer »konstanten Gruppe von Wahrnehmungsmöglichkeiten« herab.
5*
67
ein
Mensch
sich
wähnte, wenn
er
und
konstatierte
verhielte,
der Physik zu treiben
nur äußere sinnHche Erscheinungen sie
nach Abhängigkeit
vom
Leibe
erforschte (denn er treibt doch Physiologie der Sinne), so sinnlos ist es auch, die Tatsachen und Erscheinungen
des »inneren Sinnes« mit der seelischen Realität gleichzusetzen.
Freilich
gibt
eine
es
»Physiologie
des
inneren Sinnes« so gut wie eine solche des äußeren
Zu
Sinnes.
ihr
der Hauptinhalt der sog.
gehört
»Physiologischen Psychologie«.
Aber von Psychoda
logie ist diese Wissenschaft grundverschieden,
es
um das reale seelische Erum das, was das Individuum
sich in der Psychologie
leben handelt und nicht davon
in
seinem »inneren Sinne« erfaßt.
hängig
ist
vom
Erlebnis,
Leibe, das
ist
Was
ab-
nicht das reale seelische
sondern seine Auffassung durch den
pertubiert werden,
und nicht psychische Störungen,
sondern Störungen der Auffassung durch den neren Sinn« sind handelt.
Hierbei
in-
Diese allein kann »gestört«,
neren Sinn und ihre Art.
die alle Psychopathologie be-
es, ist
»in-
indes nicht das unsere
Meinung
(wie es Kants völlig anders orientierte Lehre
vom
»inneren Sinn« in sich schließt), daß das Psychische,
wie
es
unabhängig
vom
Erscheinung »wirklich« Sinne eines »Ding an
inneren Sinn und seiner
ist,
»transzendent« wäre
sich«^).
Wir scheiden
im
innere
^) überhaupt hat unser Begriff des »inneren Sinnes« mit jenen Kants nicht das mindeste zu tun. Kant setzt innere Wahrnehmung
68
Wahrnehmung von »innerem Sinn
ist
Sinn«; auch der innere
wie der äußere Sinn nur ein iVnalysator des
Wahrnehmens, nicht etwas, was positiv den Gehalt der Anschauung gibt; dies leistet allein die innere Wahrnehmung, in deren Gehalt durch den inneren Sinn nur das herausgeschnitten und abgestuft hell beleuchtet wird, was am psychischen Erlebnis für die Tätigkeits- und Interessensphäre des Leibes von entsprechend abgestufter Bedeutung ist. Wie wir aber durch Anschauung und Denken uns hinsichtlich der Außenwelt von der momentanen Sinneserscheinung frei machen können, so vermögen wir dies auch in der Sphäre der inneren Wahrnehmung, in der Psychologie, — und zwar in jedem denkbaren Grade; prinzipiell bis zur Anschauung des absoluten Gegenstandes — wenn wir so den Gegenstand nennen, der nur durch den Akt äußerer und innerer Wahrnehmung — und sonst durch nichts bedingt ist. Der innere Sinn, in unserem Verstände, ist keine Hypothese, geschweige gar eine metaphysische. Er Er enthält nichts weiter als ist ein Tatbestand. die
Anerkennung, daß jedes psychische Erlebnis,
das einem Lebewesen zur faktischen inneren und inneren Sinn
gleich,
Lehre, daß die Zeit die stichhaltig.
Die Zeit
ist
was wir gerade zurückweisen.
Form
des »inneren Sinnes«
sei,
Wahr-
Auch ist
seine
ganz un-
auch ein Wesensmoment des Gehaltes äuße-
Anschauung und wird nicht erst vermittelt durch eine zeitliche Ordnung der Auffassungsakte z. B. der Auffassungsakte einer Reihe von Bewegungsphasen auf diese Phasen übertragen.
rer
69
nehmung kommen
soll,
in dessen Leibzustand irgend
Variation setzen muß, die zu den Bewegungsimpulsen des Leibes eine bestimmte
eine charakteristische
Gesetzmäßigkeit aufweist i). So wenig die psychischen Erlebnisse auf Leibzustände,
findungen usw.
Komplexe von Emp-
zurückzuführen sind, so
doch
ist
mit jeder Wahrnehmung aines psychischen Erlebnisses ein charakteristischer Leibzustand
und
eine
mit ihm zusammenhängende, bestimmte Bewegungsintention verbunden, ohne die es die Schwelle des
inneren Sinnes nicht zu überschreiten vermag.
In-
sofern bleibt auch nach unserer Ansicht jedes Er-
wahrgenommen
von Zuständen des Leibes, also auch des Seelen- und Körperleibes, lebnis, sofern es
wird,
einem Maße abhängig; niemals aber
in irgend
der psychophysiologische Parallelismus meint
— —
wie das
Erlebnis selbst und sein purer Anschauungsgehalt.
Auf der Tatsache, daß zwischen die Erlebnisse und ihre Wahrnehmung ein »innerer Sinn«, ein Analysator des Lebenswichtigen eingeschaltet beruht
es
nun, daß
der inneren
^)
es
so etwas wie
Wahrnehmung«
gibt;
ist,
»Täuschungen
daß
es also
auch
Eine genauere Begründung dieses Satzes soll eine selbständige vom »inneren Sinn« gewidmete Arbeit geben. Eine An-
der Lehre
regung zur Wiederaufnahme des Begriffes »innerer Sinn« ist neuerdings von O. Külpe in seinen Arbeiten zur Psychologie der Abstraktion Gegenwart) aus(siehe auch Einleitung in die Philosophie der gegangen; deutung).
70
eine andere (ziemlich abstruse)
Vgl. auch H. Bergson:
Memoire
von Freud
(siehe
et matiere.
Traum-
und »Wirklichkeit« gibt, ja eine ganze Reihe von Schichten der psychischen Gegenständ-
hier »Schein«
desselben
hchkeit
Erlebnisses,
die
in
ganz
schiedenem Maße von der Beschaffenheit des
ver»in-
neren Sinnes« abhängig und darum in verschiedenem
Maße zu dem auffassenden Individuum Es
sind.
relativ«
ist
leider
eine
»daseins-
der beliebtesten
Lehren der gegenwärtigen Modephilosophie geworden,
daß
es
»Schein« und »Wirklichkeit« in der psychischen
Welt gar nicht gäbe, daß hier nur alles nur da sei oder nicht da sei, daß Psychisches so sei, wie es scheine; daß es also ein wahrhaftes »Ding an sich« sei. Wäre das richtig, so gäbe es freilich keine Täuschung der inneren Wahrnehmuno;^). Neuerdings hat auch E. Husserl, dessen Werken auch wir uns
^)
tief
verpflichtet fühlen, sich dieser Lehre angeschlossen.
»das psychische Sein, das Sein als »Phänomen«,
mehreren gesonderten Wahrnehmungen
eine Einheit, die in duell
identische
erfahrbar wäre,
desselben Subjekts.
Er sagt:
ist prinzipiell
nicht einmal in
nicht
als indivi-
Wahrnehmungen
In der psychischen Sphäre gibt es mit anderen
Worten keinen Unterschied zwischen Erscheinung und Sein usw.« (Logos, 1913), siehe auch das folgende. Wir sehen erstlich nicht, wie diese Behauptung mit den tiefdringenden Ausführungen in den »logischen Untersuchungen« über »innere und äußere Wahrnehmung« (S.
694), in
denen nicht nur der Vorzug der Evidenz der inneren vor der äußeren (wie sie Descartes und Brentano
Wahrnehmung lehren)
bestritten
gegenüber
mung von (S.
703,
will es
wird,
sondern ausdrücklich gesagt wird: »Dem-
mir erscheinen, daß innere und äußere Wahrneh-
ganz gleichem erkenntnistheoretischen Charakter sind usf.« übereinzubringen sei. Husserl hat hier seine Meinung
4)
geändert.
Sachlich aber scheint mir hier Husserl das
Wesen
des »Phäno-
mens« mit dem des »Psychischen«, Phänomenologie mit Psychologie
71
Nun
Ist es
aber schon eine Unterscheidung inner-
halb der Gemeinsprache, das Neuhinzutreten von Erlebnissen von neuer oder anderer Auffassung der zu verwechseln, obgleich an einer anderen Stelle (S.302 des Aufsatzes) die »Phänomenologie des Bewußtseins«, die es mit dem »reinen Bewußtsein« zu tun habe, von der »Psychologie«, die es mit dem »empirischen Bewußtsein« zu tun habe oder mit dem Bewußtsein als »Natur« scharf getrennt wird.
Natürlich hat Husserl recht,
wenn
er
»Ein
sagt:
Phänomen
ist
keine substantielle Einheit, es hat keine »realen Eigenschaften«, es
Phänomenen eine kennt keine realen Teile und keine Kausalität. reale Natur beimessen, nach ihren realen Bestimmungsstücken, nach das ist reiner Widerihren kausalen Zusammenhängen forschen .
.
—
sinn
.
.
.«
Gewiß, darum ist ein »Phänomen« auch nicht »beobachtbar«, sondern nur »erschaubar«. Aber eben aus diesem sicheren Tatbestand da jeder Satz eines Lehrbuches der Psychologie schließe ich, daß eine »Empfindung«, eine »Vorstellung« z. B. wie eine substantielle
—
Einheit behandelt, ihr »reale Eigenschaften« zuweist (die
dem Erlebenden gegeben
sie
Teile«
sie hat,
ob
oder nicht gegeben sind), auch »reale
und Kausalität zwischen den behandelten Gegenständen an-
nimmt — daß
es Psychologie niemals,
selbst die beschreibende Psy-
chologie (die doch auch auf »Beobachtung« beruht) mit
zu tun hat.
Phänomenen
Die Phänomenologie des Psychischen, die Lehre von den
wesenhaften Konstituentien des Psychischen und seinen Gegebenheitsweisen andererseits hat mit »Psychologie« so wenig zu tun wie Andererseits Phänomenologie der Zahl mit der Arithmetik. was Husserl vom »Phänomen« sagt, auch vom physischen Phänomen. »Phänomen« besagt doch nur das im lebendigen Akte unmittelbar Gegebene, das was in Selbstgegebenheit vor mir steht, so ist, wie es gemeint ist. Diese Gegebenheit aber kann ich an jedem beliebigen Gegenstand aufsuchen, an nichtpsychischen wie an psychidie
gilt alles,
schen; auch wieder an »Dingheit« und »Wirklichkeit«. Völlig recht
Ding-,
hat Husserl darin, daß der naturwissenschaftliche
Vorgangs-, Kausalbegriff usw. auf die Sphären der psychi-
schen Tatsachen nicht übertragen werden darf und daß die »Einheit« des Psychischen ihre ganz »eigenen Formen« hat.
72
Aber hieraus
ist
Erlebnisse bei deren Wiedererleben oder in der Er-
Es
innerung zu unterscheiden. ob Liebe und
Haß zu
ist ein
Unterschied,
einer Person aufhört,
oder
ob sich der Betreffende »getäuscht« hat und etwas
und Haß genommen hat, was gar nicht und Haß war^) ob weiter eine Liebe nicht da Liebe ist oder ob der Mensch sie zeitweise nicht fühlen kann für Liebe
;
oder sich dieselbe nicht »eingesteht«.
Es
ist
aus-
geschlossen, in solchen Fällen etwa zu sagen: alle Ge-
mütsbewegungen
(d. h. alles,
was
diese Qualität hat)
nicht zu schließen, daß diese Begriffe in der psychischen Sphäre überhaupt keinen Sinn haben, sondern nur, daß sie von den spezifischen Modalitäten, die sie in der Sphäre der äußeren Wahrnehmung und der besonderen Mannigfaltigkeit des Naturseins annehmen, dem raumzeitlichen Außereinander. Zwischen zu befreien sind »Ding«, »Materie«, »Körper« gibt es eben scharfe Unterschiede und so sicher das reale Ich, der »Charakter« kein Stück Materie oder ein
—
Körper
ist,
so sicher sind die Dinge.
zum
Eine »Vorstellung«, die eine
Elemente roit jener und hat »reale Teile«. Ein Motiv eines Willensaktes ist ein realer Vorgang und kann bestehen, während der Handelnde es nicht kennt oder sich ein ganz anderes Motiv zu haben einbildet, und ist die Ursache dieses Willensaktes. Freilich kann eine Beobachtungstatsache und eine kausale Lehre der Psychologie der Phänomenologie des Psychischen nie widersprechen und nie ihre Aufstellungen beweisen, da die Lehre von den Wesenheiten des Psychischen und deren Wesenszusammenhängen wie Husserl so treffend einandere hervorruft, weil
sie
Teil identische
hat, ist ein »Ding«
schärft
—
—
die
Voraussetzung
aller
Psychologie
für die Naturwissenschaft, auch für die
scheint uns Husserl ^)
Sondern
z.
nicht
ist.
Daß
dies aber
Mathematik weniger
gälte,
gezeigt zu haben.
B. eine Interessensolidarität, die sich unter »Liebe«
versteckte; oder ein Angezogensein durch einen äußeren Ausdruck,
der einem früher Geliebten glich; oder Selbstflucht; oder heit; oder
Gewohn-
Uberzeugungsgemeinschaft usw.
73
Mensch hat den anderen eben fünf Minuten oder drei Wochen geliebt und gehaßt und seine Angabe, er habe »sich getäuscht«, drücke nur aus, daß seine Erwartung einer längeren Dauer oder bestimmter Wirkungen seiner Gemütsbewegungen auf das Handeln nicht erfüllt worden sei. Viel mehr unterscheiden wir schon im Leben scharf zwischen diesem Tatbestand und einer echten sind gleich wirklich; der
Desgleichen zwischen einer bloß irrigen
Täuschung.
Subsumption
eines Erlebnisses unter einen Begriff,
unter den es nicht gehört, und
dem anschaulichen
Vermeinen, das Erlebnis
real
sei
So
vorhanden.
halten wir in der »Sentimentalität« bloß vorstelHg gefühlte Gefühle für wirkliche
und
reale; oder die
angelesenen Gefühle der Personen eines wirkliche
und
eigene.
Romans
für
In solchen Fällen liegt nicht
nur ein »Irrtum« vor, eine falsche Subsumption sondern eine »Täuschung« im
z.
B.,
früher bestimmten Sinne.
Es ist nicht richtig, daß der Zorn, die Trauer, ja der Schmerz eines hysterischen Patienten als Erlebnis mit einem Zorn, einer Trauer, einem Schmerz des Normalen psychisch ganz gleich ist und nur die objektiven Ursachen und Wirkungen (z. B. Ausdrucksbewegungen) verschieden sind; vielmehr sieht dieser Kranke sehr wohl noch jene tiefere Schicht seiner seehschen Person, auf der
z.
B.
während der stärksten
Äußerungen des vermeinten Zornes
Ruhe 74
liegt;
ein Gefühl der
nur diese Ruhe selbst sieht
er nicht
und
verlegt in
darum seinen bloß
diese tiefere Seinsschicht seines
Aber noch mehr;
Zorn
vorstellig gefühlten
es ist ein
halb des seelischen Gebietes
Ich.
Irrtum zu sagen, inner-
komme
der Unterschied
von Ding oder Vorgang und seinen »Erscheinungsweisen« gar nicht zur Verwendung. Der Psychologe, der von einer »Vorstellung« redet,
oder jenes wirken läßt,
sie
dieses
dieselbe
verblassen läßt oder
reproduzieren läßt, kann gar nicht umhin,
sie
unter
sie
der Kategorie eines realen Dinges oder Vorgangs
zu fassen und ihr Bestimmtheiten, Wirkungsweisen,
Beziehungen zuzuschreiben, die da
sind,
Vorstellenden erscheinen oder nicht. freilich ist
die Vorstellung nicht; aber
ob
dem
sie
Ein »Körper«
man
scheide
doch scharf die für die äußere und innere Wahr-
nehmung indifferente Dingidee und die Körperidee. Auch die Begriffe »Charakter«, »Seele«, »reales Ich« sind Dingbegriffe, ihre Gegenstände echte Dinge
—
ohne
darum transzendente Substanzen zu sein. Ein und dasselbe reale Erlebnis kann jetzt genauer, jetzt weniger genau wahrgenommen werden, z. B. ein Leid, das in mir steckt; ja wir
können uns
in der
äußersten Schicht unseres Lebens so »verlieren«, daß das Leid unserem Blicke ganz entschwindet oder
nur
als
ganz »allgemeiner Druck« gegenwärtig
ist,
während wir lachen und scherzen und diese Gefühle der »Freude« auch auf jener äußersten Schicht fühlen. Trotzdem ist es ein ganz bestimmtes Leid 75
mit einer Fülle aussagbarer Merkmale.
—
Ein Er-
vermag uns abwechselnd auch verschiedene Seiten darzubieten, wobei man unter »Seiten« nur
lebnis
muß, wie sie das Körperding oder der physische Vorgang hat. Das
nicht räumliche Seiten verstehen
aber
ist
etwas anderes
anders aus, erleben,
z.
als eine
Veränderung des Er-
Ein und derselbe Schmerz sieht
lebnisses selbst.
wenn
wir ihn in verschiedenen Modi
hingebend, ihm Widerstand leistend bietet
ihm usw. und er
B. leidend, duldend, genießend, uns
immer
dabei
neue
»Erscheinungen«
dar.
Die realen Erlebnisse und ihr kausaler Zusammen-
hang sind
also
im Phänomen der inneren Sinnes-
wahrnehmung so wenig gegenwärtig wie der reale Zusammenhang der Natur im Phänomen der äußeren Sinneswahrnehmung.
Die Daseinsstufen, dort
gekannzeichnet durch das
Maß
alle
der Abhängigkeit des
wahrgenommenen Gegenstandes vom auffassenden Subjekt und seinen generellen und individuellen Eigenschaften, entsprechen eben so viele Bewußtseinsstufen hier.
da
sein,
Ein Krankheitsgefühl
z.
aber auch nur der Sphäre des Bemerkens; in
B.
kann
aber der inneren Sinnessphäre entrückt sein;
dieser
liegen,
aber der
es
kann
Sphäre des Beachtens
entrückt sein; es kann hier liegen, ohne doch bees
kann beobachtet werden,
Urteil, eine
subsumierende Feststellung
obachtet zu werden;
ohne daß ein
darüber ergeht. 76
Wie
weit liegt also voneinander
und was er erlebend so weiß, daß er sagen kann, was er erlebt! Wir können den Erlebniszusammenhang, der je-
ab,
was jemand
erlebt
auch in symbolisch für ihn fungierenden Erscheinungen der Sphäre des inneren Sinnes entrückt ist, den »unterbewußten Teil« des Ich nennen. Aber weils,
es
muß dann
klar
»Unbewußten«,
d.
daß
sein,
h.
mit dem
dies
einer bloßen
Konstruktion zu
kausaler Erklärung des Seelenlebens,
Schon darum
z.
B. als Ort
genommen, gar nichts
»psychischer Dispositionen«
zu tun hat.
sog.
nicht, da ja das »unter-
bewußte« Erlebnis durchaus nicht für
schauung einfach fehlt oder
die innere
An-
erst erschlossen wäre,
sondern sein Dasein und Fehlen, sein Sosein und Anderssein sehr wohl den jeweiligen innerer
Anschauung modifiziert, wenn auch
Modifikation ihrem besonderen
ohne
weiteres
angebbar ein
ist.
Bewußtes,
gegen
durch
Das »Unterbewußte« so gut wie das
ja das sog.
ist
sprachlich also
noch
»Oberbewußte«, wo-
>>Unbewußte« in keinem Sinn für
sondern
soll,
Das unterbewußte Erlebnis
Wahrnehmung
diese
nach nicht
Inhalt
Erlebenden
den
das Bewußtsein da sein ist.
Gesamt gehalt
prinzipiell
unterbewußt macht,
ist
erst erschlossen
ist
zugänglich
also
innerer
und was
es
nur, daß es jeweilig nicht
auf den inneren Sinn einwirkt, durch dessen Reizung die Erlebnisse erst jene
bestimmte Lebhaftigkeits-
größe erhalten, durch die
sie
aktuell als gegenwärtige 77
Vorkomnmisse wahrgeiiommeii werden. Nicht weniger verschieden aber ist das Unterbewußte vom Unbemerkten, das bereits zur Sphäre des Oberbewußten gehören muß.
Ein genereller Irrtum in der Auffassung und Erklärung der Täuschungen.
3.
und Erklärung der und äußeren) finde ich eine irrige methodische Voraussetzung, von der es mir zweckmäßig erscheint, sie nicht nur von Fall zu Fall immer aufs neue aufzuweisen, sondern ihr an der Hand von Beispielen einmal prinzipiell In der bisherigen Auffassung
Täuschungen überhaupt
die fernere
Verwirrung dieser Fragen abzuschneiden.
Sie besteht darin, als
(der inneren
daß
man den
für jede
Täuschung
Korrelat dienenden Fall der »richtigen« Einsicht
um
Täuschung verständlich zu machen, sondern umgekehrt von den Täuschungen ausgehend auch den Fall der richtigen Einsicht genau so erklärt, wie man die Täuschung erklären zu müssen glaubt; daß man, wie wir kürzer sagen können, das Normale aus dem Anormalen, als einen Spezialfall derselben Gesetzmäßigkeit, die im Anor-
nicht voraussetzt,
die
malen herrscht, zu erreichen sucht — nur mit der Anmerkung, daß dem normalen Gebilde eben auch noch ein objektiv Reales entspreche. Dies
ist
z.
wahrnehmung 78
B. der Fall, als
wo
die
normale Sinnes-
eine »halluzination vraie« aufge-
faßt wird
(Taine),
ein
als
Gebilde also, das sich
von der Halluzination unterscheidet, sondern nur darin, daß ihr ein Wirkliches entspricht, daß also ein auf sie aufgebautes Existenzurteil »wahr« ist, während jener nichts entspricht; resp. daß zur Erklärung dieser ein objektiver Reiz phänomenal
in nichts
angenommen
wird, zu jener entweder nur eine rein
zentrale Reizung oder eine zentrifugal bedingte Rei-
zung der peripheren Sinnesflächen. ausgezeichnetes
logisch
Wahrnehmung
soll
es
Merkmal
Ein phänomenoder
natürlichen
hiernach nicht geben.
Man
schheßt: da auch die natürliche Wahrnehmung in ihrem gesamten Gehalte durch die Intaktheit ge-
und Fasern der Großhirnrinde und Reizung und Erregung dieser bedingt ist, die
wisser eine
Zellen
Halluzination aber ausschließlich durch eine solche (sehen wir hier von zentrifugaler Reizung ab), so in
der unmittelbaren Ursache
keinerlei
der
ist
Erscheinungen
Unterschied; eben darum könne man auch
die entfernteren Ursachen, die Glieder der Kausalkette, die in jener unmittelbaren Ursache endigen, aufge-
hoben oder ist,
so weit variiert denken, als es
nur möglich
sofern sie nur in diesem letzten Gliede der un-
mittelbaren Ursache endigen sollen
—
ohne hierdurch
den Gehalt der Erfahruno; zu verändern.
fertigt.
Es
nehmung
ist
Eine solche
nun ganz ungerechtganz unberechtigt, die natürliche Wahr-
oder ähnliche Schlußweise
in Analogie
ist
mit einer Halluzination zu be79
Einmal besteht
urteilen.
erst
unter der Voraussetzung,
daß uns die natürliche Wahrnehmung Bestehendes
gibt, dessen
ein wirklich
Gehalt nicht durch unseren
Leib, also auch nicht durch unser »Gehirn« bedingt ist,
das Recht, auch von sonst ähnlichen Erschei-
nungen zu reden, die dies nicht tun, die also zur Sphäre der Täuschungen — hier der Halluzinationen - gehören. Auch was wir von Leib, Gehirn, Reizung usw. aussagen, das können wir nur aussagen eben unter der
Voraussetzung
der
Dignität
der
natürlichen
Wahrnehmung, uns Wirkliches und nach seinem Gehalte von unserem Leib Unabhängiges zu geben.
Und
nur, weil wir aus der natürlichen
Wahrnehmung
was »Wirkliches«, was »Außenwelt«, was ein von uns unabhängig dem Wirklichen zukommender Gehalt ihrem Wesen nach sind, nur darum kann es vorkommen, daß auch Inhalte, die tatsächlich nicht so, d. h. real und außer uns begelernt haben,
dingt sind wie die der natürlichen
sondern nur zentral bedingt
—
Wahrnehmung
—
gleichwohl mit jenem
»Bewußtsein« der Wirklichkeit, der Außenweltlichkeit, der
bunden Fall ist;
Unabhängigkeit von unserem Gehirn ver-
auftreten, wie es bei der Halluzination der
oder kürzer: daß dieser Inhalt mit
dem
Aktcharakter und seinen Wesensbestandstücken des
»Wahrnehmens« behaftet Schlußweise nach
dem
auftritt.
Wollen wir jene
Satze von der »Ersparnis der
Ursachen« machen, so müssen wir vielmehr sagen: da 80
Aufhebung der Kausalglieder bis zur unmittelbaren Ursache im Großhirn die Inhalte der Erfahrung die
nicht verändern könnte,
so
muß
der zweifel-
bei
von natürlicher Wahrnehmung, die uns Wirkliches und nicht durch unser Gehirn bedingte Inhalte gibt — im Gegensatz zur Halluzination — der Sinn dieser »kausalen BedinVerschiedenheit
losen
,
gung« hier und dort ganz verschieden natürlichen
Wahrnehmung
ist
sein.
Bei der
gehirnbedingt eben
nur das Wahrnehmen dieses bestimmten Inhalts der Wirkhchkeit im Unterschied zu anderen Inhalten.
Es
ist
Selektion
gehirnbedingt die
dieses
Inhalts
aus der Fülle der sonst existierenden Inhalte.
mal
also
Ein-
das »Wahrnehmen« als der reale Vollzug
gerade dieser Aktqualität im Vorstellen,
Urteilen
usw.
Unterschiede von
und sodann
die
Wahl,
daß gerade dieser Inhalt der Wirklichkeit und nicht ein anderer ebenso wirklicher Inhalt von dem betreffenden Individuum, das dieses Gehirn hat, wahr-
genommen
Dagegen ist im Falle der Halluzination der Inhalt selbst (und nicht die Wahl aus möglichen anderen) und in zweiter Linie die Reprowird.
duktion der mit einer natürlichen
wesenhaft
verknüpften
Wahrnehmung
Erscheinungsmomente
hirnbedingt; das heißt, die Halluzination
ist
ge-
eine
Täuschung, in der wir wahrzunehmen bloß meinen,
ohne faktisch wahrzunehmen; und ihr Inhalt ist relativ auf das Gehirn des Halluzinanten, wogegen II.
6
81
der Gehalt der natürlichen ist;
Wahrnehmung
er ist relativ auf die Dinge,
da
die
dies nicht sind,
und
wirklich.
Dasselbe
für die
gilt
Illusionstheorie der
Wahr-
nehmung. Hiernach soll »Illusion« darin beruhen, daß die durch simultane Assoziation bzw. durch Assimilation mit den reinen Empfindungselementen Verbindungen eingehenden Gedächtniselemente ein quantitativ zu starkes Übergewicht über die
Nun
findungselemente erhalten. natürliche
Wahrnehmung nach
mehr oder weniger
des
je reicher
Emp-
aber auch jede
dieser Lehre bereits
reich mit solchen Gedächtnis-
—
und dies offenbar um so und entwickelter das geistige Leben
elementen durchsetzt
mehr,
ist
Wahrnehmenden
ist.
Nicht nur bestünde hier-
nach kein Wesensunterschied zwischen Wahrneh-
mung und Illusion, es
sondern nur ein solcher des Grades,
ergäbe sich auch die merkwürdige Folge, daß, je
reicher unsere Erfahrung würde,
die
Wahrnehmung
immer weniger mit den vorhandenen Sachen übereinstimmte und immer mehr mit den Illusionen des Kranken auf eine und dieselbe Stufe geriete. Der Naturforscher, z.
B. der
dem
Färbung
Beobachtung Spektrum der
bei einer einfachen
einer Linie
im
Sonne eine gewaltige Fülle von »Gedächtniselementen« herbeieilen, um das bloße Datum der Beobachtung zum
Gliede
eines
Tatsachenzusammenhanges, 82
reichen z.
anschaulichen
B. einer
bestimmten
Beschaffenheit der Sonne, zu machen^), wäre hier-
nach
am
meisten
dem
illusionierenden Irreji ähnhch,
dem bhnkenden Knopf
der in
seiner Bettstelle alle
möglichen Gesichter und Fratzen ja nicht
Es geht
erblickt.
etwa an, nach dieser Theorie zu sagen, daß
daß
der Unterschied darin bestehe,
der
bei
sion eben Gedächtniselemente hinzutreten,
Illu-
die gar
Reproduktionen von Merkmalen »derselben
nicht
Sache« sind, die da jetzt empfunden wird und die früher andere
der
Empfindungen gab
Wahrnehmung
dies
der
;
Fall
daß hingegen sei.
Denn
bei
der
Gehalt der Wahrnehmung, sofern er ein bestimmtes
Ding gibt und eben damit den Empfindungsinhalt überragt, der auch bei anderen und anderen Ding-
wahrnehmungen derselbe sein kann (z. B. weiß das Weiß des Schnees, oder das eines weißen Pulvers usw.), soll sich
nach dieser Lehre
ja
den
erst aus
hinzutretenden Gedächtniselementen aufbauen!
Es
hat also gar keinen Sinn mehr, zu sagen,
es seien
Wahrnehmung Reproduktionen von
früheren
bei der
Empfindungen der
Illusion
»derselben
nicht.
Sache« vorhanden,
Denn
diese
bei
Sache
»dieselbe«
im Bewußtsein nur durch das Hinzutreten jener reproduktiven Elemente vertreten und konsoll
ja
statierbar
sein.
auch bei der ^)
Dies
Hinzutreten
Illusion der Fall sein.
Man denke etwa an den Hergang
könnte
Auch
aber
ist,
so-
der Entdeckung der Spektral-
analyse durch Kirchhoff. 6*
83
lange
man
und Assoziation nicht
die Assimilation
zwischen den fertigen Wahrnehmungs- und Vorstellungsgebilden,
»Elementen« sich abspielen terium gegeben, nach es
um
sich
schon
sondern
entscheiden wäre, ob
Reproduktionen von Elementen
Denn
selben Sache« handelt oder nicht. die
A
Empfindungselemente der Sache bereitliegenden
sitionell
B
Sache
es
»der-
können
den dispo-
Gedächtniselementen
der
beliebig ähnlich sein oder mit ihnen ge-
meinsame Unterbestandteile haben, die sich und umgekehrt können Dispositionen von lungselementen der Sache findungselementen gleichen, sich also es sich
deren
noch gar kein Kri-
läßt,
dem zu
zwischen
um
die
der
A
da
die
sein,
A
Sache
durchaus
fertigen Gebilde der
—
die
Vorstel-
den Empnicht
wo Wahrnehmung
abschwächen müßten.
und Erinnerung handelt
stärken,
auch
Erst
als
Erinne-
—
kann von der Prüfung die ob das Reproduzierte auf die Wahr-
rungen gegeben sind
Rede sein, nehmung »derselben Sache« zurückgeht.
Davon
ist
aber hier gar nicht die Rede.
Ganz analog diesen Fehlerklärungen sind folgende Fälle. Die Anschauung eines Reliefs meinen Einige »erklärt« zu haben, wenn sie auf die Licht- und Schattenverteilung auf einer hinweisen,
kann. liche
84
die in
B. gemalten) Fläche
der Tat ein Relief vortäuschen
Aber wer sähe
Phänomen
(z.
nicht,
daß
man
das ursprüng-
eines Reliefs schon besitzen
muß,
um
es in solche Licht-
Es
einzusehen? wie in eine
dem
Falle,
bei
der
anders
dies
wo
wir in Vexierbildern plötzlich
Die zusammenfassende Tätigkeit
Katze sehen.
auch
nicht prinzipiell
hin-
ist
der Linien, Farben, ja
und Schattenverteilung
Formen
des Gegebenen, die wir
Wahrnehmung
einer
Katze vollziehen müssen, genügt nicht,
wirklichen
um
dieses
Denn machen. sollen diese Tätigkeiten so stattfinden, daß sie zum Bild einer Katze führen, so muß die Bedeutungseinheit »Katze« irgendwie bereits vorschreiben, nach Sehen verständlich zu
plötzliche
welchen Elementen des Gegebenen die zusammenfassende Tätigkeit greifen
Wir dürfen
lässigen.
das in der
soll
und welche vernach-
also das
Wahrnehmung
einer
Bedeutungsmäßige,
Katze
steckt, nicht
»erklären« wollen in der Art, wie wir die Erfassung
der Katze
im Vexierbild
erklären.
Oder: wir täuschen uns über den seelischen Vor-
gang eines Menschen. schung
ist,
Die Grundform dieser Täu-
daß wir die bloße Wirkung seiner Aus-
drucksbewegung auf uns auf unser seelisches Leben in die fremde Person »einfühlen« sei es die direkte Wir;
kung auf unser Gefühl, sei es die durch Auslösung einer Nachahmungstendenz der gesehenen Bewegung hervorgerufene Reproduktion von Erlebnissen, die gemeinhin auch bei uns zu einem solchen Ausdruck führten.
In
dem Maße,
als
so
etwas geschieht,
täuschen wir uns über den Seelenvorgang
des an-
85
deren,
indem wir
So bei
seine halten^).
die unsere sind,
Erlebnisse, aller
Mitlachen, Mitweinen, Mitdrohen
Das
erregungen).
ist
für
Gei'ühlsansteckung durch (z.
B. bei Massen-
offenbar das Gegenteil von
verständnisvollem Mitgefühl,
wo
sich erst auf das
intentionale Fühlen eben der fremden Trauer usw.,
das fühlende »Verstehen« dieses Gefühles des
auf
anderen das eigene Trauern, Sichfreuen usw. auf-
Eben
baut. Falle
der
dieses
auf
fremde Gefühl
Nachahmung
kommt
fundierten
uns im Gefühls-
ansteckung durch den anderen gar nicht zu sicht.
Wie verkehrt
ist
nun
z.
B. der Versuch
Ge-
von
Th. Lipps uud Anderen, auch das echte Mitleid nach
Analogie mit
Was
der Gefühlsansteckung
wir so erklären,
ist
darüber, daß wir »mit«
zu
erklären!
doch nur die Täuschung
dem Anderen
leiden.
Ge-
Ansteckung durch fremdes Klagen, Weinen oder auch bloß die momentane Schwäche ihrer Nerven oder einen Shok von ästhetischer Ablehnung für »echtes« Mitleid. Das Motiv mag Eitelkeit sein, die so gerne einen Vorgang, der einem positiv wertvollen Vorgang ähnlich ist, als diesen positiv wertvollen Vorgang wiß
:
viele
solche
Aber das ist eine Täuschung. Und sie voraus, daß wir den Tatbestand echten Mit-
ansehen setzt
Leute halten eine
läßt.
leidens usw.
kennen; wie sollten wir ihn sonst in
^) Vgl. hierzu den Anhang meines Buches »Zur Phänomenologie und Theorie der Sympathiegefühle« (Halle 1913).
86
den Tatbestand der
Gefühlsansteckung hineinzu-
sehen vermögen?
Ganz Analoges
schungen, wie
daß
z.
B.,
man
gilt
von Täu-
etwas bereue, während
man
nur die kausalen Unlustfolgen einer Handlung in den erinnerten Tatbestand dieser Handlung hin-
und Furcht vor sozialen Folgen, welche das Bekanntwerden dieser Handlung haben kann. Die echte Reue läßt sich nicht nach Maßgabe dieser Reuetäuschung erklären. Das einträgt,
z.
B. die Angst
Phänomen ist dazu vorausgesetzt. Dasselbe gilt, wenn z. B. jemand eine Wirkung einer ursprünglich krankhaften Tendenz, sich selbst zu quälen, sich
wehe zu
tun, sich zu züchtigen, für »Reue«, »Sünden-
bewußtsein«, »schlechtes Gewissen« hält.
man
Dann kann
doch niemals diese echten Erscheinungen selbst
mit solchen Mitteln erklären!
(Vgl. Fr. Nietzsches
Erklärung des »schlechten Gewissens«.) So
man
ist es
auch eine
das Verstehen fremdpsychischer Vorgänge,
historischer
seelischer
lung« verständlich lichste
auf,
prinzipielle Fehlerklärung,
wenn z.
B.
Tatbestände durch »Einfüh-
machen
will.
Ich weise die wesent-
Täuschungsquelle über fremdes Seelenleben
wenn
ich zeige, daß
A
seine Erlebnisse in
B
hineinträgt, daß die »Herren ihren eigenen Geist für
den Geist der Zeiten halten«, nicht aber weise ich den normalen Hergang der psychischen Fremdwahrnehmung auf. Fremdes Verständnis beruht gerade darin,
daß ich die
sich
mir darbietenden 87
eigenen Erlebnisse, die mir bei der Erzählung eines
um
fremden
Erlebnisses
z.
B.
zurückhalte,
einfallen,
das Fremde rein zu hören; deshalb führt auch
die
analogische
Heranziehung
von
Be-
Sitten,
griffen der eigenen Epoche zwecks historischen Ver-
ständnisses nie zur Klärung, sondern nur zu Täu-
schungen über das historisch Gegebene,
so »geistreich«
sich solches Verfahren auftut; gerade so wie
schen sofort in Täuschung lebte, das ein
Anderer
Men-
verfallen über das Er-
wenn sie in mit den Worten
erzählt,
tung kommen, die sich »ja, ähnliches ist mir auch schon
passiert«,
die Rich-
einführt:
und dann
nur mehr in den Schemata dieses Selbsterlebten das Fremde aufzunehmen und umzugestalten ver-
mögen. Demselben Typus gehören weitverbreitete Theorien an, die das Bewußtsein von »Kraft« in der äußeren Natur, von »belebten« Wesen, von »Werten« durch Hineintragung von Gefühlen, Begehrungen usw. in die sinnlich ständlich sie die
machen
wahrgenommenen
Inhalte ver-
wollen. Sie gehen alle so vor, daß
besonderen Anlässe, die zu
Täuschungen
den objektiven Bestand dieser Tatsachen führen können, z. B. mythologische Verlebendigung des Toten auch zur Grundlage des Verstehens der
über
normalen Wahrnehmung dieser Dinge, lebendigen Organismen
88
machen
wollen.
z.
B.
der
4.
Generelle Quellen der Täuschungen der inneren Wahrnehmung. Franz Bacon hat — wie bemerkt — den Versuch
gemacht, eine Idolenlehre zu begründen, in der
Täuschungsquellen
wichtigsten
die
äußeren
der
Wahrnehmung und Beobachtung anzugeben Was — wie mir scheint — der Psychologie wärtig sehr zustatten käme, das
ist
ein
er
sucht.
gegen-
analoger
Versuch für das Gebiet der inneren Wahrnehmung.
Es
gibt
nichts,
wodurch
die
Evidenzvorzuges der inneren äußeren,
dieser
Lehre eines
falsche
Wahrnehmung vor
Grundstütze
der
»idealistischen«
aller
und »psychologistischen« Erkenntnistheorien, besser ad absurdum geführt werden kann; und wodurch zugleich die echte Evidenz innerer
und Beobachtung auch
die
schärfer ins
Wahrnehmung
Auge
eminente Schwierigkeit
fällt;
freilich
echten
aller
in-
neren Wahrnehmunor und die Fülle der möglichen Stufen der Geoebenheit eines seelischen in ihr, zur Klarheit
kommt. Ohne auf
Gebildes
Vollständig-
Anspruch zu erheben, möchte ich hier zunächst einige Hauptquellen der normalen Täuschungen
keit
innerer
Wahrnehmung
ins
Auge
fassen.
Nichts hat der Psychologie so geschadet als die These,
sie
müsse nach Analogie mit der Natur-
wissenschaft heißen,
daß
betrieben sie
»genau« verfahren
werden.
Sollte
möglichst »exakt« im soll,
daß
sie sich
dies
nur
Sinne von
auf Beobachtung. 89
Experiment, induktive Methode aufbauen
soll,
so
natürlich dagegen nicht das mindeste zu sagen.
ist
wenn
Völlig in die Irre aber führt jene Forderung,
man
die
Grundkategorien
des
Naturseins,
sei
es
bewußt oder unbewußt, auf die seelischen Tatsachen überträgt oder gar unbewußt oder bewußt nach dem methodischen Prinzip verfuhr, daß die Scheidung der seelischen Mannigfaltigkeit in einzelne Gebilde erst
durch die Vermittlung von deren Beziehung
zu Naturobjekten (seien
die physischen
es
stände und Vorgänge der Außenwelt, seien
Gegenes
die
leiblichen Substrate der psychischen Vorgänge) er-
folgen dürfe.
Die
Idee einer »reinen Psychologie«,
entgegengesetzte Aufgabe zu auch die in der natürlichen in-
die sich gerade die
setzen hätte,
neren
alle,
Wahrnehmung noch mitgegebenen,
erst
durch
Hinblick auf die Außenwelt erfolgten Scheidungen, Charakteristiken usw. prinzipiell aus den seelischen
Tatbeständen und deren Beschreibung auszuschei-
den, und dann erst an dem eine Erklärung zu versuchen, verloren gegangen.
stimmung als
einer
Es
ist
ist klar,
Empfindung
Muskelempfindung,
so gereinigten Material
als
als
eben hierdurch fast
daß
z.
B. eine Be-
Gelenkempfindung,
Spannungs-,
als
Bewe-
Begungsempfindung usw. keine stimmung ist; denn von der Empfindung wird nur gesagt, es sei diejenige, die ich bei den Leistungen psychologische
dieser
90
und jener Organe
(Muskel,
Gelenk
usw.)
Bestimmungen sind außerpsycholowenn der Begriff der Empfindung überhaupt erst durch Anwendung der empfundenen
habe; solche
gisch; so auch,
wie Farbe, Ton, in Arten gespalten wird
Inhalte,
oder Empfindung überhaupt
wendung des Weiß ich von von
durch An-
erst
werden soll. Vorstellung nur, daß sie die Vor-
Reizbegriffes einer
stellung eines Hauses
nichts
gar
definiert
so weiß ich psychologisch
ist,
sage ja nur,
ihr; ich
sie
sei
das x der
symbolisch darstellenden Beziehung zu einem Hause steht, einem bestimmten physischen Ding. Es gibt keine seelischen
das
Mannigfaltigkeit,
einer
in
Art der Vorstellungen, die »Hausvorstellung« heißen dürfte;
und genau
so
Gelenkempfindungen
Auch
die
wenig gibt
als
Muskel- und
es
Arten von Empfindungen.
Voraussetzung dieser »naturwissenschaft-
lichen« Psychologie,
daß der Größenbegriff,
ja
schon
der Begriff der Zahl, daß Kausalität nach Art der
Naturkausalität, gesetze«
»Gesetze« nach Art
anwendbar und da zu war erkenntniskritisch von der äußerPsychisches
auf
finden seien, sten Naivität.
Ob
das der Fall
die Frage, ob der Zahlbegriff
Begriffe der
Größe
—
^)
als
ist
oder nicht, selbst
auch nur
—
ob gar der
auf Psychisches und die
seiner Mannigfaltigkeit ist
der »Natur-
Anwendung
Form
finden dürfte,
eine durchaus offene zu betrachten^).
Siehe hierzu auch Bergson: Essay sur les donnees immediates
de conscience, Alean,
Paris 1908.
Die Ergebnisse Bergsons teilen
wir indes keineswegs.
91
Es
ist
in
wenn
sehen,
Hinsicht
einer
Neuere
einige
als
Fortschritt
geradezu
verzichten,
Psychisches selbst zu messen, zu zählen solche Möglichkeit selbst leugnen
zum zu
aber dafür es
Täuschung,
man messe,
dabei
der doch
gründet
nicht
diese
wurde;
undenkbar
also
Größen und Zahlbestimmtem zu Es ist ein Fortschritt insofern, als
physischen
selbst, in
ja eine
nach seiner Beziehung zu Physischem,
bestimmen^). die
,
—
Prinzip erheben, alles Psychische erst indirekt,
h.
d.
—
anzu-
ist.
zähle usw. das Psychische
stattfindet,
eine Täuschung,
Richtung der Psychologie be-
und ohne die ihre Entstehung Aber indem es nun zugleich zu
einem bewußten Prinzip gemacht wird, daß seelische Tatsachen erst indirekt durch den Übergang über Physisches »gegeben« und »bestimmbar« sind, ja sogar die Behauptung von einigen aufgestellt wird,
das Psychische
sei
nur der jeweilige Rest des ur-
sprünglich Gegebenen, der bei logischer Bearbeitung der Daten in der äußeren Naturerklärung übrig bleibe, oder es sei das,
was
»jeweilig nur
Einem
ge-
und es könne daher nur eine indirekte Bestimmung und Beschreibung des Seelischen und erst recht nur eine indirekte Erklärung auf Grund — der physiologischen Zusammenhänge geben, geben«
1)
Siehe Münsterberg: Grundzüge der Psychologie,
Leipzig.
92
sei,
I.
A. Barth»
bricht diese Richtung noch viel
Idee einer
radikaler mit der reinen Psychologie und muß solchen, die
gleichwohl eine reine Psychologie für möglich halten, als ein
noch
größerer Irrweg erscheinen.
nur ein ausgedehnter Versuch,
Nun kann
alle naturalistischen
Kategorien aus der Beschreibung, Bestimmung und
Erklärung des seelischen Tatbestandes auszuscheiden,
und
gleichzeitig die
Anschauungsformen,
Scheidung jener Denk- und
die
noch
gegenständliche Bedeutung und
von denen,
die
eine allgemeine Anwendung haben,
nur auf die materiale Region des
»äußeren Naturseins« beschränkt sind, und endlich die
Herstellung
einer
positiven
psychologischen
Kategorien- und Anschauungslehre über Prinzipienfrage
entscheiden.
diese
Eine solche hier zu
kann nicht Aufgabe dieser Bemerkungen sein. Nur von der Überzeugung ausgehend, daß eine »reine Psychologie« möglich ist, und daß es die Aufgabe der
geben,
Psychologie
ist, alle
in der
Erkenntnis der physischen
Welt spezifisch notwendigen und gebräuchlichen Denk- und Anschauungsformen gerade auszuscheiden, soll das nachfolgende gesagt sein.
Von zwei
der prinzipiellsten Täuschungsquellen,
die es gibt, hat die bisherige
eine
hervorgehoben,
Lehre vorwiegend die
daß der Mensch neige, Tat-
sachen seiner inneren Wahrnehmung, kurz seelische Erlebnisse in die
physischen Naturobjekte
legen oder zu »projizieren«.
Weit
einzu-
seltener aber ist
93
gesehen und zugegeben, daß er auch die Neigung hat, Tatsachen, Verhältnisse,
Formen,
die dein
mate-
riellen Dasein angehören, auf die seelische Welt zu
Nicht nur unsere Sprache
übertragen. Stelle
Außenweltssprache;
Menschen
Interesse des
zugelenkt.
So wenig
ist ist
—
,
daß
aa erster
zunächst der Außenwelt also
»zunächst« seine »Vorstellung«,
mus« salbadert
ist
auch das vorwiegende die
—
Welt auch nur
wie der »Idealis-
er des flüchtigen
Gebildes
und
ihrer nie
seiner Vorstellung, ihres Oszillierens
ruhenden Verwandlung hinter den festen Dingen, Obgleich die sie symbolisiert, kaum gewahr wird. beide Welten und ihre Inhalte gleich sind,
lich«
so
Außenweltsrealität, der das
Erkenntnis
»nur
eine Vorstellung«,
usw., gleich als wäre es
Obgleich
gestellt wird.
»wirk-
bedeulen doch schon diese Worte an
erster Stelle die
sche als »nur
»real«,
aus
die
»kaum
wirklich«,
vom Standpunkt
entgegen-
einer reinen
Tatsachen
seelischen
Seeli-
ein Gefühl«
nicht
weniger ursprünglich »existieren«, real sind, so sorgt
doch eine
—
biologisch
wohlbegreifliche
stellung dafür, daß in dem, einer lichen Gehalt, der
nach
—
ihr,
mungen fällt
94
Ein-
Anschauung mög-
Ordnung der Folge der Erkenntnis
zunächst die physische Wirklichkeit ins
wo im Kampf Bearbeitung und Formung Hem-
Auge gefaßt und beachtet mit
—
in ihrer
eintreten,
wird.
Störungen
Erst
irgendwelcher
Art,
der Blick auf die gleichzeitige psychische Tat-
0. Külpe^) hat in seinen
Sache zurück.
schönen
Untersuchungen über die Objektivierung und Subjektivierung von Sinneseindrücken,
z.
B. eines Ge-
räusches oder eines LichtbHtzes gezeigt, daß in den
wo
von ihm angeführten »unmittelbaren und Subjektivierung der Inhalte schwankende sind, nicht eine Subjektivierung, sondern eine nach mittelbaren Kriterien fälschliche Objektivierung erfolgt. So wenig Fällen,
die
Kriterien« für die Objektivierung
erkenntnistheoretisches Vorrecht
dies ein
ßeren
Wahrnehmung
vor
der
inneren
der
oder
äueine
erkenntnistheoretische Fundierung dieser auf jener beweist, so zeigt es doch, daß in der natürlichen
normalen Weltanschauung schungsrichtung meintlich
für
ist,
die
vorwiegende Täu-
nicht wirklich Psychisches ver-
physisch,
sondern
wirklich
sches vermeintlich für psychisch zu halten.
Physi-
Es
ist
meines Erachtens
als
pathologische Erscheinung
wenn
ein
Vorwiegen der entgegenge-
anzusehen, setzten
Täuschungsrichtung
ganzen Zeitaltern sich
bei
einstellt.
Individuen
oder
Bisher sind keine Ver-
suche gemacht worden, die dies aufwiesen. Es wäre von großem Interesse, wenn dies geschähe. Bei allen Psychosen, in denen eine gesteigerte Gefühls-
verbunden mit einer dauernden Einstellung des Kranken auf die Zustände des Leibichs, findet — wie mir scheint — in der
erregbarkeit
1)
Wundt,
sich
Philos.
einstellt,
Stud. Bd.
meist
XIX. 95
Tat eine solcheUnikehr der vorwiegendeiiTäuschungsDie gesamte Umwelt mit ihren Vor-
richtung statt.
gängen
nur »gegeben«
ist hier
selnder
sonders
als eine
die
Die »Welt«
Leibgefühle
sinnlichen
ist
hier wirklich
—
Summe
wech-
Gefühle und be-
Erregungsmittel für die
nicht
des
Kranken.
im verkehrten
erkenntnistheoretischen Sinne einer soidisant »idealistischen Philosophie«
Und
gegeben.
das
— ihm als seine »Vorstellung« nicht nur für das Gebiet
gilt
der Vorstellungssphäre, sondern auch für die Willensbetätigung.
Das normale Wollen
zielt
unmittelbar
auf die Realisierung des gewollten Inhaltes ab,
das
Zimmer zu
verlassen.
Alles
z.
B.
Wollen der hierzu
nötigen Mittel, wie »zur Türe schreiten«, die »Klinke drücken«, die
Ausführung der hierzu nötigen Be-
wegungen usw. ordnet sich diesem Zielinhalt unter und tritt — so weit sich keine besonderen Hem-
mungen ein.
einstellen
— in
fast
automatischen Impulsen
Findet das Wollen eine
realisiert sich der gewollte
Erwartung, so geben«; es
ist
Inhalt nicht
das heißt,
gemäß der
Widerstandsphänomen »gegegeben sein, daß es nicht
ein
kann dabei
Hemmung,
so
auch schon alternativ, sei es auf die widerstandleistenden äußeren Objekte (physische oder auch soziale Tatsachen), sei es auf Hemmungen durch den Leib und die zur Ausführung der Bewegung dienenden Mechanismen, Widerstände, bezogen 96
sei es
ist.
auf innere psychische
Es
ist
in diesem Falle
zunächst indifferent
einfach
Das normale
da.
nun aber dadurch charakterisiert, daß im Zweifelsfalle der Grund der Hemmung immer auf die relativ äußere Seite geschoben wird; und erst da, wo die hier angenommenen WiderStrebensieben
ist
stände sich nicht beseitigen lassen,
fällt
der Blick
auf die leibliche, bzw. psychische Sphäre als mög-
Hemmung
lichen Sitz der
malen
Willensleben.
zurück. Anders
im anor-
Hier schieben sich die Inhalte B. der Strebensinhalt der
des mittelbaren Strebens,
z.
Armbewegung,
ist,
die nötig
um
einen Gegenstand
vom Kasten herunterzunehmen,
gesonderte, mehr oder weniger lebhafte Inhalte des Strebens vor die eigentlichen Zielinhalte und werden selbst Gegenstand eines bewußten Strebens. Eben hierdurch ergeben sich die Erscheinungen des »Zögerns« und der pathologischen Unentschlossenheit. Der Kranke,
Zimmer
der das Inhalt
Türe gehen«
»zur
drücken«
verlassen
usw.
Auch
als
»will«,
verweilt bei
und dann
gewisse
»die
dem
Klinke
psychisch bedingte
Arten des Stotterns gehören hierher;
Fälle, die dar-
Grund haben, daß der Kranke innerhalb der Bedeutungssphäre an das denkt, was er jetzt eben sagen will und nicht wie der Normale schon auf den zukünftig auszudrückenden Gedanken geistig gerichtet ist; und daß er, anstatt das Gedachte sich ihren
in
automatisch lassen, das n.
7
in
das
Aussprechen
Aussprechen selbst
als
übersetzen
zu
Sonderinhalt der 97
Es ist sicher, daß es biologisch zweckmäßig ist, daß wir im Zweifelsfalle einen erlebten Widerstand auf die Außendinge und nicht Betätigung intendiert.
auf »uns« schieben, seien es unsere leiblichen oder
Wer eben im
seelischen Widerstände.
Begriffe
ist,
mit einem von ihm geleiteten Automobil an einen
Baum im
aufzufahren, der wird weniger Aussicht haben,
letzten Augenblick die
Richtung des Fahrzeuges
wenn er, anstatt den Baum und das Ausweichen, die von ihm zu vollziehende Armund Handbewegung ins Auge faßt. Eine Umkehr der Ordnung der Intentionenfolge also, so daß im Falle der erlebten Hemmung ihr Grund zunächst richtig zu verändern,
in
uns gesucht wird,
Einstellung. Es erfolgt
ist
eine zweifellos
dann
anormale
ein pathologisches Sich-
vordrängen der Frage »kann ich« bei allen Dingen vor die Frage »will ich«
und
Und eben
»soll ich«.
hieraus
resultiert die pathologische Unentschlossenheit.
Es
gibt
Fälle,
—
mir
wo bestimmte Lehren
sich gerade
was
so scheint
sie
dadurch
als
—
eine ganze Reihe
der Normalpsychologie
falsch erweisen,
daß
das,
behaupten, nur in pathologischen Sonder-
fällen stattfindet, im normalen Leben aber keineswegs.
Ich rechne
z.
B. auch hierher die assozia-
tionspsychologische Ansicht
vom Denken. Der
Nor-
male reproduziert bereits auf eine Frage die Inhalte, die er »antwortet« in der Richtung einer Bedeutungseinheit (der »Obervorstellung«, wie
98
Liepmann
sagt),
vmd nur der Ideenflüchtige Sinne.
D. h. es
muß
»assoziiert«
im strengen
ein determinierendes
tungsmoment') »ausfallen«, damit genähert reinen Assoziieren
es
kommt;
Bedeu-
zu einem an-
nicht aber
»ist«
die »Bedeutung« nur ein komphziertes Assoziieren
oder Anklingen von dispositionell erregten Inhalten
an den Kern eines Lautkomplexes, wie der Nominalismus lehrt.
—
Analog verweilen wir im
»Erinnerungsbild« nur da,
oder
ist
wo
durch gegenwärtige
sog.
das Erinnern gestört
Reize
gehemmt
ist,
wogegen im normalen Erinnern ein gegenwärtiges »Bild« gar nicht gegeben ist. Trotzdem macht die herrschende
Lehre
vom
Gedächtnis
dieses
»Bild«
zum Ausgangspunkt der Lehre vom Erinnern! Auch wo das »Bild« vorhanden ist, haben seine Eigenschaften z. B. die Fülle oder Armut seiner Merkmale, seine Vagheit keit nelle
und Mattheit keinerlei eindeutige funktioBeziehung zur objektiven Treue, aber auch
keinerlei solche
und zur seits
oder Bestimmtheit, seine Lebhaftig-
Beziehung zur Evidenz des Erinnerns
Fülle dessen,
was erinnert wird.
Anderer-
führt gerade das Sichvordrängen des »Bildes«
zu jenen Erinnerungstäuschungen, in denen Phantasie-erlebnisse
für
von Erinnerungen lesungen S. 268.) ')
7*
über
den Patienten die Bedeutung
erhalten. (Vgl.
auch Störring, Vor-
Psychopathologie,
In analoger
Leipzig
1900,
Weise vermag gerade der pa-
Resp. eine gedankliche Beziehungsstruktur.
99
thologische
Ausfall des Wirklichkeitsbewußtseins
zu zeigen,
daß im »Wirklichsein« der
Sinnes-
in
inhalten gemeinten Gegenstände ein eigentümliches
Phänomen
das mit diesen Sinnesinhalten
vorliegt,
ihrer Fülle,
selbst,
gegeben
nicht
ist
Intensität
(wie
die
meinte); kann doch auch das
etwas Wirkliches« da
und Lebhaftigkeit
sensualistische
Phänomen:
vhier ist
ohne daß ein bestimmter
sein,
Bildinhalt, ein bestimmtes »Was« vor
Augen
steht.
W. James,
»Die religiöse Erfahrung in
Mannigfaltigkeit«,
Abschnitt »Das Realitäts-
(Siehe auch ihrer
Lehre
Auch die Urteilstheorie des Realitätsbewußtseins, wonach der Begriff »wirkhch« in. einer bewußtsein«.)
Reflexion auf das bejahende Urteil seine Erfüllung finden
soll,
die Wirklichkeit abgelehnt wird,
vorhanden
wo im Urteil aber im Phänomen
wird durch Fälle widerlegt,
ist,
Halluzinationen.
wie bei einer gewissen Art echter Desgleichen die Theorien, wonach
sich das Wirklichkeitsbewußtsein auf das Verhältnis
zum Wollen aufbauen
soll,
auf die Erscheinung des
»Aufdrängens gegen unser Wollen«. Die von Kawdinsky beschriebenen Pseudohalluzinationen
sich
V.
(siehe
auch Störring,
scheinung sein kann. in
seiner
S.
62) zeigen,
ohne Wirklichkeitsbewußtsein vorhanden — Analog zeigen Fälle, wo der Patient Wahrnehmung faktisch auf den Lihalt
eines Dinges eingeengt
ist,
der von
(Oberfläche und zugekehrte Seite), 100
daß diese Er-
ihm gesehen ist ihm die anderen
;
Inhalte
Ding ein
das
(daß
momentan
Inneres
Form
hat) aber nur in sind, die er,
um
daß
hat,
nicht gegebene Eigenschaften
es
und Seiten
einer »Erwartung« gegeben
das Ding herumgehend,
öffnend
es
(oder »sich umsehend, ob hinter ihm die Welt noch
da
ist«,
wie es der Verfasser an einem hysterischen
könnte, — daß jene Theorien, wonach die normale Dingwahrnehmung auf einem »Erwartungszusammenhang« beruht)^, Kinde beobachtete)
—
erfüllen
irrig sind. In der normalen
Wahrnehmung
erwarten
wir die andere Seite zu sehen, weil wir ein »wirkliches
Ding« zu sehen meinen und nicht umgekehrt
wir »erwarten« dies, weil wir »daß es eine andere ein
Seite hat,
Inneres hat« schon
im Gehalt der
unmittelbaren Anschauung mithaben. Analog zeigen Fälle
von »Entfremdung der Wahrnehmungswelt«,
normalen Wahrnehmung eine Qualität von »Bekanntheit« und »Sicherheit« steckt, die weder mit der Intaktheit des Erinnerns noch des Wieder-
daß
in der
erkennens (die beide bei dieser Erscheinung ungestört sein
können) etwas zu tun hat und die wahr-
scheinlich mit einem Faktor intentionalen Fühlens,
der
in
jede
normale Wahrnehmung eingeht,
sammenhängt.
Wiederum analog
zeigen Fälle,
zu-
wo
Seelenblindheit nicht mit einer Störung der Assoziationstätigkeit
^)
verbunden
So Hans Cornelius
ist,
daß
in
die
normale
in seiner »Theorie des Existenzialsurteils«.
101
Wahrnehmung
»Bedeutungsmoment« (ohne Urteil und Subsumtion des Wahrgenommenen) eingeht, dessen Ausfall eben jene Erscheinung hervorruft. Die Fülle der in der normalen Wahrnehmung enthaltenen asensuellen Momente und die Ärmlichkeit
ein
der meisten philosophischen
Wahrnehmungs-
theorien tritt eben erst durch die hier angewandte
Methode der Pathopsychologie ins rechte Licht. Ihr abstrakter Ausdruck ist der Grundsatz: Im Gehalt der normalen Wahrnehmung ist alles das als »gegeben« anzusehen, dessen pathologischer Ausfall oder dessen Steigerung
und Minderung den Wahrnehmungsgehalt in irgendeiner zu eruierenden Richtung verändert; und es ist dann Aufgabe der Phänomenologie d er Wahrnehmung dieses »Etwas« zum Gegenstand einer besonderen Intention zu machen und es so zu einer möglichst isolierten
Durch
Anschauung zu bringen. eine
Grundsatzes irrige
ist
systematische
auch
Voraussetzung,
sensuell ist oder
am es
Anwendung
dieses
ersten zu hoffen, daß die
müsse
alles,
was nicht
von sensuellem Gehalt abgeleitet
(wie die assoziativen Elemente), logisch sein, d. h. in
der Urteilssphäre liegen,
endlich verschwindet,
Komponenten der Wahrnehmung in ihrer ganzen Fülle und als das genommen werden, was sie sind und nicht als das, was sie einer beliebigen
und daß
102
die
genetischen Theorie zuliebe sein »könnten« oder sein »sollten«.
Zu eben
dieser Reihe
von Fällen gehört auch
Lehre, daß wir bei der willkürlichen
Organes,
Bewegung
die
eines
B. der Hand, zuerst eine Bewegungs-
z.
vorstellung, eine Reproduktion einer früher vollzoge-
Bewegung haben müßten. Das ist, wie die Selbstbeobachtung zeigt, im normalen Leben durchaus nicht der Fall. Ein normales Kind z. Bvermag die ihm vom Lehrer an der Tafel vorgenen
gleichen
schriebene kopieren.
Gestalt
Mit
die Reihe der
eines
dem Sehen
Buchstabens einfach zu der Gestalt
ist
ihm auch
Bewegungsintentionen irgendwie ge-
geben, durch die eine solche Gestalt hervorgebracht wird,
und
Diese
lernt
unabhängig von der Folge der an bestimmte Organe und ihre jeweilige Ausgangslage eindeutig geknüpften sog. »Bewegungsempfindungen«. dies
es
Ausführung
Bewegung müssen geführt
z.
erst
jener
der
durch und
in
der
Bewegungsintentionen,
in
der
kennen
ersten Schreibversuche ^).
B. idiotische Kinder die
bekommen,
um
Dagegen
Hand vom Lehrer
das Gesehene kopieren zu
Erst durch Ausfall der natürlichen Bindung der Bewegungsintentionen an die gesehene Ge-
lernen.
^) In diesen Zusammenhang ordnen sich auch die Fälle ein, in denen die Fähigkeit zu sprechen und zu gehen plötzlich erlangt wurde, ohne daß entsprechende Lernversuche vorausgegangen waren. Vgl. dazu Bastian, Über Aphasie und andere Sprachstörungen, S. 8 ff.
103
stalt
erhält
also
»Bewegungsvorstellung« jene
die
Bedeutung, die ihr von manchen Psychologen,
von Ziehen, auch
für die normale
z.
B.
Bewegung zuge-
Ich sagte, daß eine Tendenz, er-
schrieben wird.
lebten Widerstand zunächst an sich selbst zu suchen, eine anormale Tatsache Fälle
von Abulie,
Auch
ist.
die eigentlichen
denen nicht nur die Durch-
in
setzung des Wollens gegen reproduktive oder perseverative
gehemmt
Tendenzen^) oder
ist,
im gar
nur
Wollens, des Entschlusses in in
einer
miehr
inneren
intentionen beruhen
Leben selbst Umsetzung des
seelischen die
Bewegung (was wieder
Störung
kann,
z.
B.
der
BewegungsFehlbewe-
bei
gungen, vergreifen usw., und in mangelnden Zuordnungen der reproduzierten Bewegungsempfindungen der Organe, schließlich in bloßer objektiver Lähmung), sondern der Akt des Wollens selbst diese
Hemmung
erleidet,
bestätigen das
Hier geht jene Verschiebungstendenz
des
Gesagte.
Wider-
standes gegen das Ich hin nur bis zu seiner äußer-
und das Wollen selbst wird zum Ziel des Strebens. Der Kranke kann darum nicht mehr
sten Grenze,
»wollen«, weil er das
fortwährend
mit
Wollen
lebhafter
selbst erstrebt, weil er
Gefühlsbetonuno;
und
^) Eine Art besonders gesteigerter Hemmung des Willensaktes durch perseverative Tendenzen scheint auch der sog. »hysterische Gegenwille« darzustellen, der scheinbar völlig grundlos das Zustande-
kommen 104
eines Entschlusses vereitelt.
mit fortwährender Richtung der Aufmerksamkeit auf das Wollen »wollen will«. Eine Befreiung von dieser Einstellung auf das
Wollen und eine Lenkung
der Aufmerksamkeit auf die zu realisierenden In-
halte, die in der Richtung seiner vorwiegenden Interessen liegen,
vermag
— wie ich häufig sah — von Analog
diesem Zustande zu befreien.
ist
das bei
»modernen« Individuen so häufig mit Glauben verwechselte
»Glaubenwollen«
religiöse
eine
positive
Absperrung von allem echten Glauben^), Endlich zeigt auch das Gebiet der Werte und ihrer
Verhältnisse
zum Fühlen und
fühlsgegenständlichkeiten
zu
analoge
eine
den Genatürliche
Das Fühlen des Menschen ist auf die an den Sachen haftenden Werte gerichtet; und dies so sehr, daß er gegenüber den Werten, die er an den Dingen Täuschungsrichtung.
zunächst
fühlt,
ganz und
gar
seine eigene Gefühlsreaktion auf die Werte,
sein »Freuen« über etwas, »Trauern« über etwas, zu
übersehen neigt; oder doch neigt, seiner eigenen Gefühlsreaktion die Qualität desjenigen Wertes auf-
zuprägen, tritt.
angesichts
dessen
diese
Reaktion auf-
Nicht Einfühlung von Eigengefühlen in die
Sache und ihre Werte
ist
also
die
primäre Täu-
schungsrichtung, sondern das gerade Gegenteil dieses
Phänomens, nämlich das von außen nach innen
-)
Analoges
gilt
auch für das Liebenwollen.
105
Verlegen gefühlter,
der Weise des Fühlens
d. h. in
wahrgenommener Wert qu alitäten der Dinge und Situationen in die Gefühlssphäre der eigenen Ich-
So meinen wir uns häufig
zustände. weil uns
eine
weil uns ein
zu
freuen,
teure Speise dargeboten wird oder wertvoller Ring geschenkt wird; wir
meinen auch selbst traurig zu sein, weil wir in einem Leichenzuge gehen, obgleich ein Blick hinter die Peripherie unseres Bewußtseins uns zeigen würde, daß wir gar nicht traurig sind; d. h. nicht etwa, wir urteilen nur, daß wir traurig oder freudig sind.
Wir fühlen wohl das Gefühl
selbst,
aber auf eine nur
Das Gefühl ist wie ein »Schatten« des echten Gefühls. So scheinen die Heiterkeit, die Erhabenheit oder die Düsterheit einer Land-
»unechte« Weise.
schaft,
die
diesen
Sachen
feste Charaktere, die
selbst
—
anhaften,
als
mit unseren Gefühlszuständen
durchaus nicht variieren (eine düstere traurige Landschaft wird nicht heiter
und
hell
dadurch, daß ein
Mensch hindurchgeht, und auch nicht für diesen Menschen) und
so gestimmter es
prinzipiell erfassen
wird
sie
die
können, ohne die Gefühle,
wir d, h.
die Ichzustände derselben Qualität, schon erlebt zu
haben,
—
häufig auf uns selbst überzufließen.
»fühlen wir uns« selbst »geehrt«, betreten, das hier
stellt
Theorie, 106
Ruhm und
die
wenn wir
ein
Glanz umschwebt.
subjektivistische
für welche »Werte«
und
So
Haus Auch
idealistische
»zunächst«
nur Wir-
kungen der Dinge auf unseren Gefühlszustand sind, bzw. nur anklingende Reproduktionen von Gefühlen, für die in den Dingen die »konstanten Dispositionen« liegen und die erst in die Dinge »eingefühlt« würden, den Tatbestand geradezu auf den Kopf. Die »Einfühlung« ist die seltenere
— wo
und
sie
wirklich stattfindet
—
anormale Täuschungs-
sie ist die
Das Abgleiten des Blickes von dem an den Dingen und in den Dingen gefühlten Wert auf unser Gefühl während des Habens des Wertes, ja schon auf das Fühlen des Wertes als besondere Funktion der Wertaufnahme, ist der Anfang einer
richtung.
Erscheinung, die nur quantitativ gesteigert
Abnormen und Krankhaften
zum
Der Epikureer, und den
führt.
der nicht nach Besitz, Ehre, nach der Frau
immanenten Werten strebt, sondern nach der »Lust an ihnen« und der den natürlichen Menschen einen »Narren« schilt, weil er diesen Gegenständen
anstatt der Lust diese Sachwerte sucht, ist faktisch
seelenkrank und rechtfertigt mit seiner Theorie nur
So gleitet der Blick
seine krankhafte Einstellung.
des krankhaften Autoerotikers von
dem
geliebten
Gegenstand und seinem Werte immer auf die eigene
Empfindung
ab, bis sich diese
und
die ihr anhaften-
den sinnlichen Gefühle ganz vor die Wertgegenstände drängen und ihm diese immer mehr verdunkeln ;
so weit,
und
daß
in dessen
er schließlich
ganz im Eigenzustand
Analyse wie in einem Gefängnis
ein-
107
geschlossen
ist^).
Es scheint mir
in Fällen solcher
Art nicht an erster Stelle das pure Gefühlsmaterial, Qualität
die
der
Gefühle, ihre
Stärke,
ihre
Ver-
knüpfung mit bestimmten Inhalten, was eine Variation gegen das normale Leben gefunden hat, sondern die Funktion des Fühlens, die ihre primäre Richtung aufwerte, und zwar zunächst auf Außen- und Fremdwerte verloren hat; und die die Vorzugsrichtung »auf sich« und die eigenen Zustände genonamen hat. Gleichwohl
tiefer als eine
Störung der Aufmerksamkeitsrichtung, auf
bloße ^)
Störung
liegt eine solche
Autoerotismus darf, wo
lichen Wollust handelt, nicht
um
es sich
die
Sphäre der geschlecht-
objektiv definiert werden,
muß
Sinne der Selbstbefriedigung, sondern sionen intentional definiert werden.
wie
alle
z.
B.
im
solche Perver-
Selbstbefriedigung ist
—
wo
Suchen der Wollustempfindung ist, sondern mit Liebe verbunden nicht notwendig autoerotisch, z. B. nicht, wenn sie nur geübt ist, weil der geliebte Gegenstand abwesend ist aber die Richtung auf ihn durch Phantasie gegeben ist. Er ist völlig natürlich auch zu scheiden von allem, Avas die Sprache »Egoismus« nennt. Der »Egoist« erstrebt nicht Lust als »seine Lust«, als Lust, weil sie seine ist, als isoliertes Individuum wie dies der ohne dabei überhaupt auf andere hinzublicken Autoerotiker tut. Er sucht vielmehr Lust »ohne Rücksicht« auf den anderen oder gleichgültig gegen dessen Vorteil, wobei er aber doch auf den »anderen« überhaupt hinblickt, nur ihn nicht »berücksichtigt«. Auch im Falle, daß diese Lust Wollust ist, also der Egoismus in der sie
nicht völlig stumpf ein bloßes
—
—
—
—
—
—
Geschlechtssphäre stattfindet, bleiben beide
Autoerotismus
schieden.
ist andererseits
normalem Geschlechtsverkehr, wenn die eigene
die
Phänomene streng
ge-
vorhanden auch bei objektiv Richtung der Intention auf
Person geht, sowohl auf ihre Empfindung
als ihre erotisch
bedeutsamen Werte wie Schönheit, Lebenskraft usw., der andere also
nur
was
in
108
als
dem
»Diener« der eigenen Schönheit, bzw. als Ursache dessen,
betreffenden Individuum sich ereignet, aufgefaßt
ist.
die
man
häufig selbst Herzkrankheiten
Falle fortwährender
—
Aufmerksamkeit auf
wie im
die
Sen-
sationen des Herzschlages, zurückgeführt hat.
Das
von der Aufmerksamkeit geschiedene Funktion und untersteht der willentlichen Lenkung noch weniger als selbst die triebhafte AufmerkFühlen
ist
samkeit.
eine
Nicht weil wir auf unsere Gefühlszustände
mehr achten oder ihnen mehr Aufmerksamkeit zuwenden, fühlen wir sie mehr, im Gegenteil hat die Aufmerksamkeit
die Folge, die Gefühle zergehen
zu
lassen; sondern weil sich die Richtung des Fühlens einseitig
ihnen zukehrt und von den Werten ab-
können wir sie auch mehr beachten. Die Aufmerksamkeit als solche macht ja Gefühle nicht so wie Vorstellungsinhalte reicher und lebhafter, sondern zerstört sie vielmehr. Darum kann auch kehrt,
gesteigerte Gefühlserregbarkeit,
z.
B.bei hysterischen
Zuständen, nicht auf gesteigerter Aufmerksamkeit auf die eigenen Gefühle beruhen.
Nur
einen Spezialfall der Verkehrung der Täu-
schungsrichtung des emotionalen Lebens bieten auch gewdsse Störungen der sympathischen Gefühle des Liebens
und Hassens.
Wenn man
daß der Melancholiker schließlich
Erkrankung geübten aufgibt, eine liebte
Mutter
z.
und jede Sorge
»altruistischen« B., die ihr
z.
alle
und
B. findet,
vor seiner
Handlungen
Kind vorher heiß
für es trug,
gleichgültig zu-
sehen kann, wie ihr Kind sich vor Hunger rot und 109
blau schreit, so
ist es irrig
zu sagen, daß in diesen
und analogen Fällen der Akt des Liebens selbst oder seine Umsetzung in Wollen und Handeln eine Einbuße
erlitten habe.
Was
hier ausgefallen
sind vielmehr die Funktionen der klaren lichen Auffassung der
des
das
ist,
und deut-
fremden Seelenzustände,
z.
B.
Hungers und Schmerzes, auf deren fühlendes
Erblicken in den Ausdruckserscheinungen des An-
deren sich die Betätigung des Aktes des Liebens erst
aufbauen kann.
Diese Mutter sieht gleichsam
nur ein »schreiendes Kind mit rotem und blauem Kopf«, nicht aber seinen Hunger und seinen Schmerz. Diese
mögen
ihr
wohl assoziativ gegeben sein oder
auch durch Urteil und Schluß, aber nicht
in der
Weise des unmittelbaren Fühlens. Das Lieben als solches und auch seine Betätigung, wenn sie den Zustand des Kindes erblicken könnte, mag
—
dabei durchaus vorhanden sein^).
Darum
Defekt auch kein ethischer Defekt,
ist
ihr
der nur das
Verhalten gegen den schon gegebenen fremden Ge-
mütszustand betreffen kann.
Es
ist
auch hier die
vorwiegende Richtung des Fühlens auf sich ^)
Daß
Mitfühlen
selbst.
das Fühlen fremden Leides und fremder Freude noch nicht ist, zeigt ja die Tatsache, daß auch bei Bosheit oder noch
bei Grausamkeitswollust diese Komponente vorhanden ist, nur daß sich die Mitfreude an der fremden Freude oder das Leid an fremdem Leid nicht darauf aufbaut. Noch viel mehr gilt dies von Lieben und Hassen, die ursprünglicher sind als das bloße Mitfühlen. Siehe auch
mehr
meine Ausführungen
110
in
dem Buche
über »Sympathiegefühle«.
-
was
eine
Aufnahme
der fremden Zuständlichkeit
und
Man könnte
hier
der fremden Intentionen
hemmt.
geradezu von einer Fühlblindheit für
mütszustände
reden,
die
naturgemäß
auch
das
Auch Funktionsstörung vor und
Wirklichkeitsbewußtsein dieser hier liegt eine seelische
fremde Ge-
beeinflußt^).
keine notwendige Veränderung des Gefühlsmaterials.
Es
ist,
wie schon dieses Beispiel andeutet, durch-
aus nicht das Normale, daß wir fremde Gemüts-
zustände zunächst durch Reproduktion eigener ähn-
an analoge Ausdrücke gebundener Gefühls zustände und durch Einfühlung des so Reproduzierten in Andere uns zum Verständnis bringen. licher,
Vielmehr angesichts
ist
das Hinschielen auf das Selbsterlebte
fremder
Gefühlsäußerungen
oder
Er-
zählungen von Gemütszuständen bereits der Beginn Die Fühlfähigkeit fremder Gefühlszustände ist natürlich auch Geschichte einer reichen Entwicklung unterworfen gewesen
^)
in der
und
hält als Leidens-
und Freuensfähigkeit bzw. Genießensfähigkeit
mit der Entwicklung der Leidens- und Freuensfähigkeit eigener Schmerzen und sinnlicher Wohlgefühle im allgemeinen gleichen Sie ist völlig unabhängig von der Schmerz- und Schritt. Lustempfindlichkeit und deren Steigerungsgesetzen, da sie ja das Leiden und das Genießen dieser Empfindungsgefühle betrifft und Bei sittdieses weitgehend unabhängig von diesen variieren kann. licher Beurteilung unentwickelter Sitten, Gebräuche, Verhaltungsweisen müssen wir diesen Faktor stets in Anrechnung bringen, damit wir nicht den geringeren
Umfang und
die geringere Differenzierung
Fühlfähigkeit für einen Mangel an sympathischem Fühlen, Mitleid und Älitfreude oder gar für einen Mangel an Liebe nehmen
dieser
und
so
zu einem ganz ungerechten Urteil verleitet werden.
111
einer Störung der Fühlungsrichtung, die
im Extrem
zu
führt.
solchen
Fällen
der
Fühlblindheit
natürliche Täuschungsrichtung
ist
Die
nicht die, Eige-
nes für Fremdes zu halten oder sich in fremde Per-
sonen »einzufühlen«, sondern die umgekehrte, Fremdes für Eigenes zu halten.
Wir leben »zunächst«
in
den Fühlungsrichtungen unserer Umwelt, unserer
ehe wir unsere vielleicht von deren Gefühlsrichtungen abweichenden Gefühlsrichtungen gewahren; und von unseren eigenen Gefühlen gewahren wir zunächst nur diejenigen, die der Gefühlsrichtung unserer engeren und weiteren Gemeinschaft und ihrer Tradition entsprechen. Es Eltern, Familie, Erzieher,
bedarf
immer
eines
langen Weges der kritischen
Auseinandersetzung, bis wir hinter diesen nachgefühlten Gefühlen unsere
Klarheit geistiges
eigenen Gefühle uns zur
bringen, und gleichsam unser eigenes Haupt aus dem Strome der Gefühlstradi-
tion der Gemeinschaft herauszustrecken beginnen.
Wir halten eher
ein eigenes Gefühl für eine
Einbildung
bloßes Vorstellen
(ein
eines
bloße
Gefühls),
weil es zu den in der Gemeinschaft gefühlten Ge-
fühlen »nicht paßt«, als daß wir die Gefühle unserer
Nebenmenschen darum bezweifelten,
weil
wir
sie
nicht durch eigene analoge Selbsterlebnisse zu decken
vermögen.
Das
ist
die
normale Täuschungsrich-
tung, die sich sogar auf die in personalen Gebilden
der Kunst oder der Religion fühlbaren Gemütsvor112
gänge bezieht.
Das verliebte junge Mädchen fühlt
nicht seine Erlebnisse zunächst in Isolde
oder in
sondern die Gefühle dieser dichterischen
Julia ein,
Erst
Gestalten in seine kleinen Erlebnisse hinein.
später durchbricht vielleicht ein echtes Eigengefühl
das Gespinst dieser Gefühlsphantastik; und
nimmt
Täuschung vielleicht eine entgegengesetzte Richtung, die Richtung der echten Einfühlung^). Zu dieser ersten generellen Täuschungsquelle der
dann
die
inneren
Wahrnehmung,
Tatsachen,
stammen, ^)
in
Man kann
der
die
die allgemein darin besteht,
äußeren
ent-
den Gehalt der inneren Wahrnehmung, nicht von Gefühlsvorstellung reden,
Vorstellung einen Bildinhalt versteht.
kann man
Wahrnehmung
wenn man unter
In diesem Sinne vorstellen
Ursachen oder Wirkungen der Gefühle, nicht wäre es darum, zu sagen, es seien Gefühle immer gleich aktuell, sie verbänden sich nur durch Reproduktion Vielmehr gibt es in der mit Vorstellungen (Vorstellungsgefühle). Sphäre des Fühlens einen Unterschied, der dem von Wahrnehmung und Vorstellen, sofern diesen Worten »direktes Haben« und »indirektes Haben« (bzw. bloß symbolisches Meinen durch ein anderes hindurch) entspricht; das hat mit Reproduktion eines Gefühles nichts zu tun. Ich kann ein vergangenes Gefühlserlebnis nicht nur wissen und als ohne daß dadurch gehabt beurteilen, sondern auch »wiederfühlen« mein aktueller Gefühlszustand an Qualität dem vergangenen GeHeiteren Sinnes kann ich mich großer fühle irgendwie gleich wird. Schmerzen und tiefer Trauer »erinnern«, indem ich diese Gefühle »vorstellig« fühle. Dieses erinnernde Fühlen eines Gefühls ist nicht Dementsprechend gibt seine Wiederkehr in abgeschwächtem Maße. es nun aber auch eine Phantastik des Fühlens selbst, die nicht erst an der Phantastik des Vorstellungslebens als Lebens in »Bildern« erwacht, sondern ursprünglich ist und jenes häufig erst führt. Das ist da z. B. gegeben, wo wir spielend noch nie tatsächlich erlebte sie selbst.
sich nur die
Aber sehr
irrig
—
Gefühle »durchfühlen« und kombinieren.
II.
8
113
Tatsachen, die der
Fremdwahrnehmung entstammen,
den Gehalt der Selbstwahrnehmung zu verlegen,
in
nun gleich eine zweite an, die von keiner geringeren Bedeutung ist. Sie besteht darin, daß wir Formen der Mannigfaltigkeit, die nur der physischen Welt eigen sind, so wie bestimmte Zeit- und Kausalverhältnisse zwischen Ursachen und Wirkungen von seelischen Tatsachen; endlich auch die Einfachheit und Zusammengesetztheit der physischen Ursachen von seelischen Tatsachen auf führe ich
diese selbst übertragen.
Die
Einheit
inneren
und
Mannigfaltigkeit
Wahrnehmung Gegebenen
ist
des
in
eine
der
solche
und mit keiner anderen vergleichbar. Sie muß erstens völlig geschieden werden von jener Einheit, die zwischen den intentionalen Akten überhaupt in der gegenseitigen Identifizierbarkeit ihrer Gegenstände besteht. Nennt man diese Einheit sui
generis
»Einheit des Bewußtseins«, so meint
man
mit »Be-
wußtsein« ein jegliches »Bewußtsein von«, nicht nur jenes »Bewußtsein von«, das Bewußtsein
von den
»Bewußtseinserscheinungen« im engeren Sinne
ist,
ist, mit denen es Psychovon Arithmetik und Physik logie im Unterschiede z. B. zu tun hat, sondern auch jenes »Bewußtsein
d. h.
derjenigen Tatsachen
von«, in
dem uns
z.
B. Zahlen oder physische Er-
scheinungen gegeben sind. faltigkeit,
114
Die Einheit und Mannig-
von der wir hier reden,
ist
dagegen die
Einheit und Mannigfaltigkeit des
Wahrnehmung, noch nicht
die in jener allgemeinsten
liegt
und
die
nicht
intentionalen Erfassens eigen
Gegebenen Zweitens
der
ist
Gegebenen innerer
Akte
Akten des
sondern nur
ist,
dem
»innerer
Wahrnehmung«.
und
Mannigfaltigkeit
Einheit
diese
allen
Einheit
jener des Naturseins völlig disparat und entgegengesetzt.
Wie
die letztere Mannigfaltigkeit ein »Aus-
Formen von Raum und Zeit identisch einwohnt und durch dessen besondere Ordnung sich die Verschiedenheiten von Raum und Zeit noch bestimmen lassen, so stellt die einander«^)
darstellt,
ursprüngliche
das den
wie
Mannigfaltigkeit,
seelische
sie
jedem beliebigen Akt innerer Wahrnehmung angetroffen wird und mit dem Wesen dieses Aktes in
in
Wesenszusammenhang
steht,
eine Mannigfaltigkeit
dar, in der es kein »Auseinander«
überhaupt mehr
gibt,
sondern nur das nicht weiter definierbare »Zusammen«
im
wobei »Ich« eben nur die eigentümliche Einheit dieser Mannigfaltigkeit bedeutet. Die Art »Ich«,
also,
wie Gefühle, Gedanken, Bilder im
sammen
in großer Fülle
sind,
vielleicht in
bestimmten Akte innerer Wahrnehmung, eine zeitliche
^)
und
noch
ist
einem
weder
eine räumliche, gleichwohl aber
Die Idee des »Auseinander«, ein Phänomen, das zeitlichen
»Ich« zu-
Mannigfaltigkeit
identisch
in der
enthalten
räumlichen ist ganz
ist,
verschieden von der Idee der »Ausdehnung«, die auch vielem Psychischen zukommt.
8*
115
eine anschauliche, Sie wird
um
so
Schichten
peripherischen
nungen,
der
Leibichs,
wo
wenn auch eine solche sui generis. klarer, je mehr wir uns von den
Schicht die
der
der
Bewußtseinserschei-
Sinnenbilder
und
des
Scheidung zwischen Psychisch und
Physisch besonders schwer
ist,
den
tiefer
gelegenen
Schichten zuwenden, den Schichten der geistigen Gefühls-
und Strebenssphäre, und der Sphäre der Ge-
Auch
danken.
nimmt
der Schein eines »Auseinanderseins«
stetig ab, je
mehr wir uns zentralwärts auf
dasjenige Psychische hinbewegen, dessen psychischer
Charakter keinen
Zweifel
duldet;
und das eben
darum der Ausgangspunkt für die Erkenntnis des Wesens des Psychischen überhaupt sein muß. An der Peripherie einer solchen Bewußtseinseinheit finden
wir noch deutlich eine Ausdehnung und ein stromartiges
Sichfolgen
gebenen,
der Tatsachen mit einem aus-
Punkt,
gezeichneten
dem
des
»als
gegenwärtig«
das »als vergangen« und das »als zu-
künftig« Gegebene gegenübersteht;
Richtungen
Ge-
die
welch letzteren
Akte des »Erinnerns«
wartens« entsprechen.
So besitzt
z.
und »Er-
B. ein Schmerz
im Beine eine gewisse ursprüngliche Ausdehnung und eine Lokalisation, wie sinnlos es auch ist, ihn darum »räumlich« zu nennen, seine Ausdehnung messen zu wollen oder seinen Ort in Raum und Natur zu bestimmen. Auch »Müdigkeit« hat noch diese Bestimmtheiten, wenn auch vager, wogegen 116
mehr
B. »Mattigkeit« sie schon nicht
z.
Und
um
auch
so findet sich
und
so deuthcher
klater, als wir
uns an die Peri-
während
pherie des Bewußtseins halten,
abnimmt, wenn
aufweist.
dieses stromartige Folgen
es deutlich
wir uns der tieferen Gefühls-
Strebenswelt zuwenden^).
In
und
keinem Falle aber
Ausdehnung und dieses Sichfolgen ein Auseinander von Elementen, eine Form, die mit Ausdehnung und »Sichfolgen« noch keineswegs gegeben
ist diese
So erfasse ich
ist.
Töne
in
einer
Melodie;
sondern
gleichzeitig,
B. wohl das »Sichfolgen« der
z.
ich
erfasse
als »sich folgend«;
sie
nicht
und
als
keinerlei
bloße Ordnung in den ciualitativen Charakteren der
Töne, die »zunächst«
als gleichzeitig
gegeben wären,
könnte mir das Phänomen des »Sichfolgens« geben, läge es nicht schon
wohl findet ^)
im Phänomen
selbst; aber gleich-
dieses Sichfolgen in der Einheit
eines
Es gibt zwei verschiedene Grundphänomene dieses »Folgens«, nach der Stellungnahme, je nach dem Hineingerissensein
die sich je
des Interesses in die peripherere und zentralere Schicht einstellen. Sind wir auf das Leibich wesentlich eingestellt, so erscheint dieses
wie das konstante Ding, an
dem
unsere Strebungen, Gedanken so-
zusagen und im Bilde »vorüberfließen« als »flüchtige Gebilde«. Leben wir dagegen voll »gesammelt« in der zentralen Ichsphäre, so stellt sich deren Gehalt als »dauernd«, »fest« dar und der Gehalt des Leibals Summe sog. »Organempfindungen«, vag gegliedertes Ganzes erfassen, in dem sich dann »Organempfindungen« durch Analyse finden lassen),
ichs (das wir nicht zunächst
sondern erst
als
die
ein
sog.
nimmt jenen Charakter richtig
zu verstehen.
sondern
um
punkte
aller
erlebte
des »Vorbeiflutens« an.
Ich bitte Gesagtes
Es handelt sich hier nicht
Phänomene,
um
die in der Geschichte
»Theorien«,
Ausgangs-
möglichen schönen »Theorien« wurden.
117
Gebildes statt, das ich als Ganzes in
Mit der objektiven Folge der Tonerschei-
erfasse.
nung,
einem Akte
geschweige
mit
Folge
der
und
der Reize
Nervenchoks, die ihnen physikalisch und physiologisch entsprechen, hat dieses
Dieses »Sichfolgen«
tun.
ist
Phänomen
nicht meßbar, so wenig
wie die Ausdehnung des Schmerzes. fundiert auf das
nichts zu
Es
ist
dabei
Ganze der melodiösen »Form« und
der Einheit des »Rhythmus« und variiert
abhängig
von diesen Formen in seinem besonderen Charakter, von »schnell« und »langsam«, Qualitäten, die für die objektive meßbare Zeit keinen Sinn haben^). Auch im anschaulichen Gehalt eines Erinnerungsaktes und eines Erwartungsaktes treffe ich dieses »Sichfolgen« unter Umständen wieder unmittelbar an; und dies, ohne auf die objektive Zeitfolge der Begebenheiten der Außenwelt rekurieren oder gar schlußmäßige Operationen machen zu müssen. In jedem Akte innerer Wahrnehmung ist mir aber so einiges
als
»gegenwärtig«,
einiges als »zukünftig«
einiges
»als
gegeben und
vergangen«,
alles
auf un-
mittelbare Weise; wie auch die Gesamtfülle des so
Gegebenen wachsen und mir so gegeben
ist,
undeutlichen Hintergrund des ^)
es
Auch gegenwärtig
nicht für
mäßig 118
die
Was
abnehmen kann.
erscheint dabei stets auf einem
sein,
objektive
ganzen ungeteilten
zukünftig sein,
Zeit
an einen Leib gebunden.
vergangen sein
der Mechanik.
Sie sind
gibt
wesens-
Das
»Ich«.
Ich
in der inneren
Wahrnehmung
gegenwärtig,
also stets als Totalität^)
ist
der sich
z.
erscheinende
B. das Gegenwartsich nur
als ein
ders helleuchtender Gipfel heraushebt.
davon des
also,
daß ich
gegenwärtigen
erst
Ich
aus der
auf
beson-
Keine Rede
Wahrnehmung
mit erinnerten
Ichen der
Vergangenheit das Ich stückweise zu einer Einheit
verknüpfen müßte
—
so wie ich einen
Teilen zusammensetzte.
mit
seiner
gegeben
ist,
Erlebnisfülle
Was als
mir
vom
Körper aus ganzen Ich
Sonderinhalt
das kann doch noch
als ein
nicht
durch eine
Beziehungswahrnehmung zu einem Nichtgegebenen wohlbestimmtes und charakterisiertes »gegeben« sein; diese Beziehungsphänomene deuten sozusagen nach allen Punkten meines Lebens hin; ich habe ein unbildliches Bewußtsein davon, daß diese »Fäden«, die ich mit jedem Akt der inneren Wahrnehmung miterfasse, dort und da in meiner Vergangenheit enden, ohne daß mir die Endpunkte als gesehene Inhalte anschaulich gegeben sind.
Bewußtseinseinheiten, die ich in Akten innerer
Wahrnehmung
können an Fülle des Gehalts sehr verschieden sein. Aber jede dieser so verschiedenen, durch einen Akt geeinten Totalitäten gehören wieder einer Totalität derselben Natur und Mannigfaltigkeit an, wenn auch höherer antreffe,
^) Siehe auch W. Dilthey: »Aufbau der geschichthchen Welt den Geisteswissenschaften«, Schriften der BerHner Akademie.
in
119
Ordnung; und niemals besteht ein Recht, sie sich in der objektiven meßbaren Zeit sukzedieren zu lassen; so wenig Recht, als sie sich im Räume ausgebreitet zu denken.
Welt des Bewußtseins konstituierenden Form nach eine ganz
Das Gesagte schon der
sie
zeigt,
daß
die
andere Welt ist, als die der äußeren Wahrnehmung; und zeigt auch, wie wir mit unserer Außenweltssprache gleichsam ringen müssen,
um
sie
auch nur
nach ihrem einfachsten Baue zu beschreiben.
Die
eine der allerwesentlichsten Täuschungsquellen be-
steht
nun
Form
der Mannigfaltigkeit
darin,
daß wir diese
letzte unableitbare
mehr oder weniger
bild-
haft in die uns von der Außenwelt her bekannten
Formen von Raum und
Zeit übertragen,
vor allem dadurch, daß wir an
und
dies
Stelle der seelischen
Tatsachen selbst die bloßen
Symbole
die sie für physische Objekte
und deren raumzeit-
Ordnung dienen können; resp. an ihrer Ordnung der leiblichen Prozesse und der
liche
die
setzen, als
des Leibes,
auf die
sie
Stelle
Teile
noch eine angebbare Be-
ziehung geben; und endlich die leiblichen Ausdruckserscheinungen und Bewegungen, die
sie
hervorrufen.
an erster Stelle in den mannigfaltigen, der Außenwelt entnommenen Bildern hervor, die Dies
tritt
immer wieder
die Eigenart der
Bewußtseinsmannig-
und Einheit zu verstecken drohen. wenn man vom »Bewußtsein« redet, wie von faltigkeit
120
So einer
Bühne oder einem Kasten,
in
denen die »Vor-
stellungen« wie identische Dinge eintreten und abtreten, sich
hemmen und
stören, wie es
B. in
z.
dem
ganzen Bilderwerk der Herbartschen und englischen Ist doch die gesamte engPsychologie geschieht.
—
lische Assoziationspsychologie
wußte
—
sie
es
nur ein Versuch, die psychische Mannig-
faltigkeit so
zu zerlegen, und nur soviel an ihr
als
noch
daß Zuordnung zu raumzeitlichen Vorgängen des das Zerlegte
»gegeben« anzuerkennen, einer
insbesondere
Körpers,
bleibe^). Dies aber ist Fall,
ohne daß
wenn
sich
an
des
Nervensystems,
fähig
im strengen Sinne nur dann der
Stelle der
psychischen Tatsachen
Symbole schieben, die wie Atome gedacht werden (die Ideen und Impressionen Humes z. B.) und wenn nur eine ursprüngliche Verbindungsart selbst
zwischen
ihnen,
die
der Assoziation
durch
Be
-
rührung, angenommen wird^). Was sich diesem Schema ni cht fügt, wird dann überhaupt als seelischer Das ganze
Tatbestand nicht zugestanden.
Idol, eine
»psychische Mechanik« herzustellen, in der Grundbegriffe
der
echten Mechanik,
Energie usw., vage wissenschaftlich
bis
Anwendung in
die
wie Masse, finden,
äußerste
ist
Kraft,
nur die
Konsequenz
^)
Vgl. den Aufsatz über Versuche einer Philosophie des Lebens.
*)
Die Ähnlichkeitsassoziation
ist
bereits solcher
Zuordnung un-
meine Abhandlung im Jahrbuch für Philosophie und phänomenologische Forschung, II. Teil, letzter Abschnitt.
fähig.
Vgl.
121
getriebene, aber schon in der natürlichen
Hegende
seeHsche
die
Formen von Raum und
in die
Auch
Tendenz,
die natürliche
Zeit zu versetzen.
vage Vorstellung, das Seelische
befinde sich »im« Leibe, das die
Anschauung
Mannigfaltigkeit
Denken »im« Kopfe und
bekannten primitiven Lokalisationstheorien,
Vorstellungen in Ganglienzellen
die
Wohnung nehmen
lassen, weiter die so lange die Philosophie beschäf-
tigende Frage nach die
hierbei
dem
»Sitz« der Seelensubstanz,
irgendwie punktförmig und über den
»Fluß« des seelischen Geschehens »erhoben«, in ihn
hineinwirkend oder
die zuerst zeitlich
»Ereignisse« »zusammenfassend«
hören hierher.
getrennten
vorgestellt wird, ge-
Nicht weniger aber gehört das Bild
hierher, das sich neuerdings als etwas Besseres als
mehr statischen Bilder der Seele ausgeben wonach das Seelische ein in der objektiven dahinfließender Strom von »Ereignissen« sein diese
will,
Zeit soll,
zwischen denen eine unmittelbare Kausalität und Gesetzmäßigkeit in der zeitlichen Sukzession bestehen
soll,
wie
z.
B.
beiW.Wundt. Nicht weniger auch
Behauptung, »Bewußtsein« sei nur ein »Gattungsbegriff« im Verhältnis zu den einzelnen Inhalten oder es sei nur eine andersartige »Ordnung derdie
selben Inhalte« wie die der physischen Erscheinungen,
etwa die Ordnung, die
sie
»bezogen auf einen Orga-
Behauptungen und Bilder verfolgen Täuschungsmotive, die schon in der
nismus« annehmen.
122
Alle
diese
natürlichen Anschauung hegen, Konsequenzen.
Sie halten die
bis in die letzten
Forschung an der
periphersten Schicht des Bewußtseins, an der
mit Macht
findungsschicht,
fest
und
Emp-
führen
zu
der absurden Behauptung, alles Seelische lasse sich
Komplexe
auf sog. Empfindungen und
solcher zurück-
führen oder in solche »umarbeiten«.
Wird
sprüngliche seelische Mannigfaltigkeit
z.
die ur-
B. der ob-
jektiven Zeit eingeordnet, so müssen sich sofort eine
Menge unlösbarer Probleme
ergeben.
Ich nenne hier
nur die sofort sich einstellende Unmöglichkeit, die Tatsache des Erinnerns (und des Erwartens) zu fassen. Diese Tatsache besteht ja nicht darin, daß in einem
Zeitpunkt eine Vorstellung stellung
A
B da
ist,
die einer Vor-
oder einem Erlebnis eines früheren Zeit-
punktes gleich
ist
oder ähnlich plus einer »symbo-
lischen Funktion« auf das frühere Erlebnis.
Woher
wüßten wir auch von jenem Erlebnis A, dessen Bestehen an einer Stelle der früheren Zeit doch bei dieser Auffassung vorausgesetzt wird
Wahrnehmung von sich«,
Wäre
die
Seelischem nur auf das Gegen-
wartsich eingeengt, so wäre
»Ding an
?
A
ewig transzendent, ein
das wir auch streichen
könnten,
Gegebene der Erfahrung irgendwie zu A^erändern. Es ist schon eine völlig irrige Grundvorstellung, wenn das A, das sich nach dieser Anohne das
sicht ja
an einer anderen
befindet, also gar nicht
Stelle der objektiven Zeit
mehr
»ist«,
also
auch sich 123
nicht als wirksam erweisen kann, dadurch wieder
Kontakt mit dem gegenwärtigen Seelenleben gebracht werden soll, daß man an seine Stelle
in zeithchen
eine sog. »Disposition«
—
sei es eine
gar nur eine physiologische
psychische,
— setzt.
sei es
Eine solche, aus
gegenw^ärtigem Bestände erschlossene »Disposition« erklärt gar nichts, da sie ein völlig
Annahme
Die
daß ich von
unbekanntes X ist.
einer Disposition für
A
nicht ein völlig leeres Zeichen sein die völlig
die
so
setzt voraus,
Läßt
soll.
man
sogenannten Unbewußten aber
eines
treibt
die
Mannigfaltigkeit in
tinuierlichen
Einordnung
der
objektive
Zeit
die
seelischen
zum
sachen überhaupt.
zur
d. h.
Nun
geringere Täuschung dar,
stellt
als
sie
aber dieser keine in der
Annahme
bestände, daß Natur nur so weit wirklich
gerade
wahrgenommen
tatsächliches
Epi-
Leugnung jedes konZusammenhangs der seelischen Tat-
phänomenalismus,
sie
sie
dunklen psychischen »Dispositionen« und
Annahme
fort,
A
selbst irgend etwas weiß, wenn
Erlebnis
wird.
in
Faktisch
der Einheit
sei,
als
A
ein
ist
des betref-
fenden Bewußtseins, das prinzipiell auf jeden der folgenden Bewußtseinsmomente wirken kann, ohne
vorher in einer besonderen Vorstellung reproduziert
zu werden.
Es erscheint
in
dem ihm zukommenden
Zusammenhang und mit seinem Hintergrund im Erinnern genau so unmittelbar wie der sog. gegenwärtige Bewußtseinsinhalt und braucht nicht »zu124
nächst« in
dem
»gegenwärtigen« Bewußtseinsinhalt
durch einen besonderen TeiHnhalt,
z,
»Erinnerungsbild« vertreten zu sein.
noch für eine Reihe von Problemen wie
B. ein sog.
Analoges z.
gilt
B. der Wirk-
samkeit des Erwarteten oder der »Wirksamkeit« der
von außen oder innen
(triebartig oder
durch Willens-
entschluß) gesetzten »Aufgaben« auf den Ablauf des
gegenwärtigen Geschehens; diese Wirksamkeit
er-
ohne daß die Inhalte der Erwartung oder der Aufgaben wieder neu »vorgestellt« würden^). Auch das Problem des Sukzessivvergleichs und des Zeitbewußtseins, schließlich das Problem der psychischen Kausalität überhaupt, wäre unter dieser Vorausfolgt,
setzung unlösbar.
Hier
sei
dies
nur angedeutet.
Ein generelles Idolon für die innere Wahrnehmung (ja die
Anschauung von phänomenaler Gegebenheit
überhaupt),
das eng mit
dem eben Betrachteten
zusammenhängt, besteht weiter
darin,
daß das Ge-
gebene nur so weit aufgefaßt, identifiziert und unterschieden und in begriffliche Einheiten gebannt wird, als es für die
physische Realsphäre
fungieren kann.
Man
als
Zeichen
weiß, daß die »natürliche«
Anschauung der Welt schon dadurch der physi^)
Das Vorwirken der Aufgabe
in der
posthypnotischen Suggestion,
dem Termin besteht, Problem der Wirksamkeit der (guten oder schlechten) »Zukunft«, die ein Mensch hat, auf sein gegenwärtiges Befinden, gehören gleichfalls hierher. Siehe hierzu den Aufsatz über
das in einer eigentümhchen Erregung kurz vor sowie das interessante
»Rentenhysterie«.
125
kaiischen Wissenschaft gleichsani entgegenkommt,
daß
sie
anschauHchen Vollgehalt der
den
Quali-
täten nur so weit aufnimmt, als in ihnen und in ihrer
Verknüpfung Zeichen liegen
für
Dinge und Dinge« und
hier wieder an erster Stelle für »feste
deren Verschiedenheit, resp. Ansatzpunkte für Be-
ziehungen und an erster »Zeichen« für
sind, erscheinen
praktisch wich-
Farben und Töne,
tige Beziehungen.
nur mehr
Stelle für
die in der
Bewegung
zwar noch
in
Physik
Punkte der »natürlichen An-
schauung«, aber doch nur so weit,
fester
als sie für
Ding-
wahrnehmungen, welche die eigentliche Intention der natürlichen Anschauung darstellen, und für gewisse Beziehungswahrnehmungen und Gestalten eine bestimmte symbolische Leistung übernehmen. Wir sehen da zunächst »Kirschen« und hören einen »Wagen fahren« und nur so weit und nur in jenen Einheiten, als Farbe und Ton diese »Wahrnehmungen« vermitteln,
»Gegebene«
gehen ein.
sie
selbst
sekundär in das hier
So steckt in der natürlichen An-
schauung selbst schon eine Art »Kryptomechanik«,
die wir gerade
zum phänomenalen
zerbrechen müssen,
Sein zu gelangen.
um
Dieses Motiv
reicht aber tief hinein in die Wissenschaft.
Eine
ganze Reihe formaler Grundeigenschaften der sinnlich
in
elementaren Erscheinungen, vermöge deren
bestimmte formale Ordnungen gebracht werden
können, 126
sie
wurden nur darum
so
lange
übersehen
bloße Komplexe angesprochen, weil
oder
als
den
physikalischen
Reizes
eines die
kein
Grundqualitäten täten
ihre
Töne^);
der
Ordnung
in
Variabilität
So
der Farben, die vokalen
Hinsichten,
die
der
Analogon haben.
strenges
spezifische Helligkeit
prinzipiell
als
Dimensionen
sie
als
könnten nicht
nach denen die Quali-
finden,
mehr an Zahl
sein
die physikalischen Variationsmöglichkeiten der
zugehörigen Reize; und als dürfte man die phänomenalen Variationsrichtungen überhaupt erst schei-
wenn man
den, keit
von
bereits ihre eindeutige
einer physikalischen
gefunden habe.
Ist es
Abhängig-
Richtung der Variation
doch von Anfang an nur eine
praktisch biologische Einstellung, die uns auf den
räumlich
zeitlichen
Zusammenhang
fester
Dinge
und die Bewegungsvorgänge zwischen ihnen zunächst und auf Qualitäten, Formen und Gestalten und mögliche Variationen ihrer nur so weit hinblicken läßt,
Welt
als
sie
fester
nicht aber
für
Variationen in dieser bewegten
Dinge Zeichen und Symbole sein können, das
Gebot irgend einer »Logik« oder
eines »apriorischen Verstandes«.
Eben
dies gilt aber
auch für Qualitäten mit stärkerem Subjektivitätscharakter und noch mehr für die zentraleren Tat-
sachen der inneren Wahrnehmung, die sich im Erlebnis
selbst
entweder
erst
durch die Vermittlung
^) Siehe hierzu die treffenden allgemeinen Bemerkungen Köhler, Zeitschrift für Psychologie Bd. 54, S. 241ff.
von
127
des Leibichs auf äußere Dinge beziehen oder sich
ohne diese Vermittlung unmittelbar wie die geistigen Gefühle.
am
Ich finden
Die Qualitätenfülle der
Geschmäcke der Speisen und Getränke bleibt im selben Maße unbekannt, als Hunger und Durst nach diesen Dingen greifen läßt. Dem Hungrigen geht die Geschmacksqualität der Speise und das damit verbundene besondere sinnliche Wohlgefühl verloren in der angenehmen Empfindung der Magenfülluno- und der sich daran schließenden Befriedigung. Erst im Maße, als das unmittelbare Bedürfnis zurücktritt, breiten sich die Fächer der Qualitätenfülle aus. Das Gesagte gilt für alle »Qualitäten« und für die Wertqualitäten ganz besonders. Die Wertqualitäten sind ihrer Natur nach nicht darum »subjektiv«, »menschlich« usw., weil sie im natürlichen Verhalten faktisch meist nur als Signale zu bestimmten Handlungen aufgefaßt werden und nur so weit geschieden, in Begriffe gebracht und mit Worten genannt werden, als sie Signale für verschiedenartige und durch bestimmte Ziele geeinte Handlungen sind. Das »Menschliche« und »SubjekGerüche,
tive« besteht vielmehr gerade darin,
sie
zu fassen
und sie dabei nur so weit zu fassen, als sie diese Bedeutung eines Signalements der Umwelt für unsere praktischen Schritte besitzen. Es besteht hier eine genaue Analogie zwischen den Wertqualitäten und den Qualitäten der sinnlichen Erscheinungen. Der 128
anschauliche Gehalt der letzteren hat schon in der natürlichen Anschauung die
Tendenz, nur so weit
aufgefaßt zu werden, als er räumliche und zeitliche Verhältnisse von festen Dingen, ihre
Größen und
ihre
Bedeutung
zur Unterscheidung bringt
;
der natürlichen Anschauung
Formen und
als »Kirsche«,
»Stuhl«
ganz analog werden in alle
Wertqualitäten zu-
nächst zu bloßen Unterscheidungsmitteln für die
Träger von Werten und
bestimmten Art von
einer
Werten, nämlich für die wirtschaftlich bedeutsamen Güter,
die
schaft«
ihren
schließlich
der künstlichen
in
Stufe der »Gesell-
Ausdruck im Preise und im Geldquantum finden, für die sie er-
hältlich sind.
reinsten
Die Geldwirtschaft hat die Tendenz,
genau so die Werte vollständig zu dequalifizi eren, wie dies die mechanische Naturansicht für die anschaulichen Sinnesqualitäten vollzieht^). Der »Warencharakter« der Sachen, der nicht in einem inhaltlichen
Merkmal
tauschbarkeit
mögen zu
derselben, sondern nur in ihrer Ver-
des Effektes,
hinsichtlich
vergrößern, beruht,
wird wie
das
Substanz, an die sich die übrigen Qualitäten, die ästhetischen, erst anlegen.
wie
man meinte
—
eine
Und
Ver-
zu einer B.
z.
dies ist nicht
—
bloße zufällige Analogie,
sondern beide Tatsachen haben dieselbe Wurzel. ^)
Siehe Simmel, Die Philosophie des Geldes,
Der moderne Kapitalismus, Bd. den »Bourgeois«. II. 9
II.
und W. Sombart,
Siehe auch den Aufsatz über
129
Beide Erscheinungen folgen
dem
Gesetze, daß alle
erscheinungsmäßigen Weltinhalte überhaupt (die gefühlten Werte wie
die
wahrgenommenen
Inhalte)
Tendenz aufweisen, zu bloßen Symbolen und
die
Unterscheidungsmitteln
für
diejenigen
unter
ihnen zu werden, auf die sich die elementarsten, generellsten
und
dringlichsten Triebe
eines
Lebe-
wesens richten; und in beiden Fällen sind die künstlichen
Formen von Geldwirtschaft und mechanischer
Naturansicht nur Steigerungen von Tendenzen ins Absolute, die bereits der natürlichen Verhaltungs-
Menschen einwohnend, die faktische Qualitätenfülle der Welt für unser Bewußtsein vermindern; und mit denen eine rein erkenntnismäßige Stellung zur Welt prinzipiell zu brechen hat. Das Gesagte gilt nun gedoppelt für die zentralen weise
des
Schichten des Tatbestandes innerer Wahrnehmung.
Was uns im dahingleitenden Strome unseres seelischen Lebens »zunächst« in die Wahrnehmung fällt, das sind erstens
Werteinheiten und
die objektiv »allgemein« sind
hier
(wenn
und
wieder sie
solche,
auch nicht
»als«
allgemein gegeben sind)
nach
solche, die für die Variationen unseres Leib-
;
ihrer
Qualität
zustandes von symbolischer Bedeutung sind. es
Daß
Werteinheiten sind, das zeigt schon die offen-
sichtliche Tatsache,
daß
es
uns so
viel leichter fällt,
fremdes und eigenes Erleben zu beurteilen und zu richten,
130
als
»psychologisch«
aufzufassen
und
zu
Das Hinsehen nach »schlecht« und »gut«
verstehen.
auszuschalten, keit
zu
ist
mit einer besonderen Schwierig-
und Anstrengung verbunden. Nicht
dem Gegebenen,
die
erst
eine »Zutat«
durch einen Akt der
Beurteilung und durch Reflexion auf diesen sich ergibt, ist der
Wert
des Erlebnisses (wie
z.
B. Herbart
und Franz Brentano annahmen), sondern
er ist die
primär gegebene Tatsache, von der wir erst künstlich absehen müssen, um den wertindifferenten Tatbestand zu erhalten.
Diese primäre Gegebenheit
daß bei
des Wertes zeigt auch die Tatsache,
hemmter Erinnerung und Erwartung uns
ge-
Wert-
die
qualität des betreffenden Inhalts zuerst in die Er-
scheinung
Wir wissen noch, daß
tritt.
genehmes«,
ein
»Peinliches«,
ein
es ein
»An-
»Wichtiges«
oder
»Gleichgültiges«, ein »Schmutziges« oder »Edles« war,
das uns »da gestern passierte« oder was morgen eintretenwird, aber wir wissen noch nicht, was es
ist.
schauen Werte von Erlebnissen, indem wir
fühlen,
immer
sie
So
den hellen Bezirk unseres Bewußtseins herein, deren Träger uns selbst nicht gegenwärtig sind.
in
Wir fühlen
eine
Regung schon
als »schlecht«,
deren innere Zielintention wir noch nicht
als
auf
bestimmten Inhalt gerichtet erfaßt haben, und haben darum die Möglichkeit, sie zu unterdrücken, bevor sie selbst reif wird. Die durch einen
—
Werteinheiten zu Erlebnissen schon gegliederte Mannigfaltigkeit des 9*
Bewußtseins
tritt
nun aber
in die
131
Wahrnehmung zunächst nur so weit, als die Erlebnisse Zeichen für Leibzustände sind und ihre Veränderung Zeichen für veränderte Leibinnere
zustände. Ein jedes Erlebnis, Geinütsbewegung,
z.
z.
B. die Einheit einer
B. eine Trauer, eine Freude, ein
starkes Mitleid oder ein Willensakt
ist
von
einer Ver-
änderung im Gesamtbestande der Leibempfindungen und der mit ihnen verknüpften sinnlichen Gefühle begleitet. liegt
nun
Wahrnehmung
In der gemeinen inneren die
Täuschungsquelle,
aller qualitativen
Differenzen derjenigen Gemütsbewegungen und Stre-
bensinhalte sowie des Strebensherganges zu übersehen, die schon gleichartige Folgen für den Leib-
zustand besitzen.
Wir sind »geborene« Organsempund erst die Überwindung
findungspsychologen dieser
ursprünglichen
Neigung,
Seelenleben nur so weit sieht,
die
als es
das
im Dienste
licher Bedürfnisbefriedigung sich bewegt,
für veränderte Leibzustände ist oder zu
leiblichen
Bewegungen
eigentlichen,
gesamte leib-
Anzeichen
bestimmten
auffordert, erschließt uns die
die »rein« seelischen Tatsachen.
Alle
jene Übergangserlebnisse, die nicht gleichzeitige Ver-
änderungen des Leibzustandes und mit ihnen differente Handlungen nach außen bestimmen, werden nur ganz vage und undeutlich aufgefaßt sie
es
überhaupt werden
—
—
so weit
sie sind ein »Nichts«.
Erst ein schwieriges prinzipielles Sichabwenden von
den Leibzuständen und der äußeren Handlungs132
Phänomene
Sphäre läßt die eigentlichen seelischen
ihre Differenzen sowie deren Gesetzmäßigkeit
und aus
dem
Die im
geheimnisvollen Dunkel des Ich auftauchen.
Leibe und
Vorgängen gegründete also nicht oder bestimmt
seinen
Gesetzmäßigkeit »erklärt«
auch nur eindeutig jene Phänomene und ihre Gesetze, sondern sie »stört« sie in dem Sinne, wie Reibung die reine
Durchsetzung des Fallgesetzes
Das Super-
»stört«.
ist dann erst durch eine position beider Gesetzmäßigkeiten zu begreifen^).
konkrete Geschehen
Was
und ihre objektiven Korrelate bedingen, ist nicht der Gehalt des in innerer Wahrnehmung Gegebenen — genau so wenig wie in der die Leibzustände
Sphäre der äußeren Wahrnehmung -
Auswahl
dessen,
was
,
wir in innerer
Wer
faktisch jeweilig erfassen.
Vorgängen und
Inhalten
entsprechen läßt
—
sondern nur die
Wahrnehmung
also allen seelischen
Leibzustände
eindeutig
wie der psycho-physiologische
—
Bedingung der Wahrnehmung von Psychischem mit einer Bedingung des Psychischen selbst. Parallelismus es tut
Er verhält
,
der verwechselt eine
sich so wie ein Sinnesphysiologe, der sich
einbildete, er treibe Physik.
Eine Psychologie, die
nicht eine generelle Neigung zur Selbsttäuschung
Prinzip ihrer Forschung machen streben,
die
seelischen
will,
Tatsachen
muß
zum
daher nicht
möglichst
auf
^) Vgl. die Weiterführung des Gesagten im II. Teile meiner Abhandlung über den »Formalismus in der Ethik usw.«. Abschn. »Person«.
133
Elemente des Leibzustandes, Organempfindungen
und sinnliche Gefühle zurückzuführen, sondern im Gegenteil darnach, die letzteren überall aus dem konkreten Tatbestande herauszuschälen und die Natur und Eigengesetzmäßigkeit des Restes zu erforschen. So quelle innerer tätenfülle der
ist es
nur eine Folge jener Täuschungs-
Wahrnehmung, wenn man Gefühle auf Lust und Unlust
objektive Korrelate zurückführen alle
will.
die Quali-
plus deren
Gewiß: wir
beachten an den Gefühlen zunächst
liicht ihre
grundverschiedenen qualitativen Charaktere, sondern
nur den Endpunkt
ihrer,
da
sie in
das sinnliche Lust-
und Unlustgefühl (die Sphäre des sinnlich Angenehmen) und das Leibich hineinmünden und hierdurch Förderungen und Hemmungen der Lebensvorgänge im Getriebe des Organismus anzeigen. Aber schon das »Lebensgefühl« ist nicht eine Summe von sinnlichen Gefühlen, und seine Modifikationen wie gesund und krank, matt und kraftvoll. Aufsteigen und Absteigen usw. sind durch Ausfall und
Hinzukommen
sinnlicher Gefühle
die Gesetzmäßigkeit seiner
Rhythmus
ist
nicht darstellbar;
Veränderungen und
lichen Gefühle nicht verständlich.
Noch
viel
die Gesetzmäßigkeit geistiger Gefühle wie
und Trauer, Gesagte. 134
usw.
Seligkeit
Affektentheorie
sein
durch die Gesetzmäßigkeit der sinn-
ist ein
So wichtig
weniger
Wehmut
Die James -Langesche
deutliches Reispiel für das hier es
war, die Bedeutung der bei
Ausdrucksbewegungen beteiligten Empfindungen und noch mehr die inneren Viszeralempfindungen, die auch bei Zurückhaltung des äußeren Affektausdrucks — dann sogar in vereiner Affektentladung in
stärktem Maße
doch
so bleibt die sie
— auftreten,
ans Tageslicht zu ziehen,
die qualitative Fülle der Affekte
und
durchwaltende Intention des »Zornigsein über
etwas«
z.
B.,
sowie
die individuell
so
weitgehend
Richtung dieser Intention hierdurch ganz unerklärt. Fälle, wo die Theorie das Tatsächliche trifft, sind nicht Fälle der normalen Affektbetätiwechselnde
gung und Entladung, sondern Fälle pathologischer Art. Es scheint mir, daß die von allen Kennern der Hysterie hervorgehobene Tatsache, daß hier die Größe der Ausdrucksbewegungen der Affekte dem inneren Zustande nicht angemessen
viduum
also
wirklich
ist, viel trauriger
z.
B. viel
das Indi-
ist,
zorniger erscheint,
als
es
(nach Klagen und Tränen-
daß Nichtkenner jedesmal getäuscht werden, darauf hinweist, daß eben hier
ergüssen), als es
ist,
so
jener innere qualitative gehalt, auf
Gefühls-
den sich normaliter
und
erst jene
erscheinungen aufbauen, weggefallen
Intentions-
Ausdrucks-
ist
oder erst
nachträglich in der Weise einer Gefühlsvorstellung hinzukommt. Aber eben dies zeigt den Irrtum jener Affektentheorie für den normalen Fall. Der hysterische Patient ist wirklich »lustig, weil er lacht, und traurig, weil er weint«, wie man paradox jene Lehre 135
ausdrückte; der normale Mensch verhält sich
Die Einstellung auf den Eindruck beim
gekehrt.
Anwesenden, »soziale
um-
z.
Bild«,
mittelbar und
B.
das
den Arzt, oder auch auf das er
bietet,
bestimmt hier un-
gleichsam automatisch die Affekt-
entladung und das Gefühl des Patienten, und die Intention wird erst
nachträglich dazu vorgestellt.
Aufhören des Affektes, wenn kein »Zuschauer« mehr da ist. Die Täuschung des Anderen ist daher hier immer eine Folge vorangehender Selbst-
Daher das
sofortige
täuschung und dadurch unterscheidet sich dieses Ver-
Komödie und Simulation, die in der bewußten Willens- und Urteilssphäre ihren Ausgangspunkt nimmt und direkt auf den Anderen zielt. Zu der genannten Täuschungsquelle gesellt sich die mehr indirekte, aber auf dieser in letzter Instanz
halten von aller bloßen
beruhende, daß wir an seelischem Tatbestand in der inneren
Wahrnehmung
vollziehenden)
(auch der sich im Erinnern
nur das zu fassen pflegen, was zu
nützlichen und schädlichen Handlungen führen kann. Ich meine hier nicht die nachträgliche »Beurteilung« einer wahrgenommenen Regung, eines Gefühlsbestandes, eines Strebens oder als nützlich
und
Sehnens
schädlich, sondern eine Wirksamkeit
und Schädlichen, der gemäß diese Ideen wie Auf fassungsf ormen sich betätigen, durch die ausgeschieden wird, was überhaupt von den des Nützlichen
Erlebnissen in das Feld der inneren 136
Wahrnehmung
gerät.
Ein junges Mädchen, das im Sinne einer
kleinbürgerlichen
»wohlerzogen«
Gesellschaft
nimmt Gefühlserregungen gegen junge Männer, sie
nicht »heiraten« kann, die
können«, überhaupt nicht
sich diese Gefühle nicht ein«.
Vorgänge,
zu
die
sie
in sich
denselben
ist,
die
nicht »versorgen
wahr;
sie
Nun können
»gesteht seelische
Handlungen führen,
natürlich noch weithin in sich selbst verschieden
Tendenz ist, sie in der inneren Wahrnehmung nur als Bestimmungsgründe zu möglichen Handlungen überhaupt ins Auge zu fassen, so bleiben solche Verschiedenheiten den Individuen unbekannt. Ein ganzer Typus von Selbsttäuschungen gehört hierher, z. B. die Täuschungen sein; aber
da
es eine generelle
über die »Motive des eigenen Handelns«.
Diese oehen
nach zwei Richtungen. Einmal pflegen wir uns
selbst
und Anderen Überlegungen, die sich erst an die vollzogene Handlung und ihre Nachwirkungen geknüpft haben, als ihre »Ursachen« und »Motive« einzulegen; was aus ursprünglichen Impulsen ohne Überlegung heraus geschah und eine nützliche Wirkung hatte, geschah vermeintlich, weil diese nützliche Wirkung gewollt war^) die bekannte Täuschung aller intellektualistischen Vulgärpsychologie. Sodann neigen wir da, wo eine Handlung aus Motiven von verschiedenem Werte geschehen konnte, auch wo ;
^)
Siehe auch
W. Wundt's
Ethik, der diese Täuschung
die
der
»populären Reflexionspsychologie« zu nennen pflegt.
137
uns das geringwertige Motiv bewegt hat, das höherwertige anzunehmen.
—
Utihsmus meint Hche die
ist,
Nicht weil
—
wie der ethische
das Gute eigentUch das Nütz-
belegen wir Akte des Wollens und Handelns,
entweder aus Überlegung über den Nutzen her-
vorgehen
oder
Impulsen
die objektiv nützlich
ihr
Dasein verdanken,
wirken und deren Entstehung
und Erhaltung nur hieraus begriffen werden kann, mit Namen, die sittliches Lob ausdrücken; sondern weil es selbst nützlich
Motiven (vor scheine,
sich
wo man
ist,
daß
man
aus sittlichen
und anderen) gehandelt zu haben aus
dem Motive
der Nützlichkeit
tatsächlich gehandelt hat, wird die Auffassung des
Handelns gefälscht. Liebe anderes
als
B.
ist
sicher etwas ganz
»Interessensolidarität«,
meinen wir zu
lieben,
solidarität vorliegt.
sind
z.
wo
bloß
aber eine
oft
ver-
Interessen-
Nicht die sittlichen Handlungen
vom Nutzen und Schaden
irgendwie bestimmt,
sondern der Akt des sozialen Lobes und Tadels^). Die
politischen
Forderungen,
die
faktisch
durch
Gruppeninteressen diktiert sind, würden sich nicht immer als Forderung »für das allgemeine Beste« ausgeben, wenn nicht durch dieses Verstecken des Interessemotivs die Forderung nachhaltiger ^)
Teile
und
ihre
Eine genauere Begründung dieses Satzes habe ich im zweiten meines Buches »Der Formalismus und die materiale Wert-
ethik« gegeben. Eine Anwendung obigen Prinzipes habe ich in meinem Versuche der Deskription und Erklärung des englischen »Cant« gemacht. Siehe Anhang zu meinem Buche über den »Krieg«.
138
Erfüllung allen zugemutet würde.
Erklärung
sittlicher
Erscheinungen
Die utilistische ist
daher faktisch
eine Erklärung der sozialen Täuschungen über die sittlichen
Erscheinungen, wie
sie
im
und Tadel zum Ausdruck kommen. Es ist — so wurde schon bemerkt
sozialen
—
Lob
weiterhin
eine generelle Täuschungsquelle der inneren
Wahr-
nehmung, daß wir Tatsachen und Verhältnisse, die innerhalb der physischen Ursachen und Wirkungen seelischer
Tatsachen sich finden, in diese
selbst
hineintragen und dadurch den Tatbestand fälschen.
Höre ich einen anderen an, der mir etwas erzählt, so müssen natürlich die Schallwellen zuerst mein Ohr treffen und von den empfindlichen Elementen weiter ins Gehirn usw., geleitet werden.
Gilt aber
darum, daß auch im Bewußtsein zuerst bloß aku-
Komplexe, dann Gehörserinnerungen, dann Bedeutungen gegeben sein müssen? Faktisch ist es nicht so. Was ich hier an erster Stelle finde, ist vielmehr der Bedeutungsgehalt der Rede und nur stische
in
dem Maße,
drängen sich die der akustische
nung
wird,
ist
im Verstehen gehemmt akustischen Komplexe vor.
als ich
Komplex zur er
bin,
Wo
selbständigen Erschei-
meist nur in der unmittelbaren
Erinnerung gegeben, während seine Bedeutung schon
Wie irrig also, die Folge der physischen Ursachen in die Folge der Bewußtseinserscheinungen hineinzusehen! So muß
vorher erfaßt war.
139
objektiv
fremdes
ein
ich
soll
freilich,
Erlebnis
erfassen,
zuerst die Körpergeste oder der Sprach-
und mein Auge und Ohr reizen usw. Aber daß ich darum auch zuerst eine Körperbewegung oder überhaupt einen »fremden KörperGeiste«5
Ja, die
der
sie
durch den Be-
völkerungsrückgang bedingte Erschwerung der nationalen Konkurrenz
mit den
slavischen Völker-
Tendenz zur Abnahme der Bevölkerungsvermehrung nicht oder weniger unterliegen, könnte höchstens den kapitalistischen Geist noch gewaltig steigern. Eben da — wie Sombart treffend sagt — ein galizischer Jude mit demselben, oder noch größeremAufwand kapitalistischen Geistes, als ein Berliner Bankdirektor, der Tausende verdient, schaften,
die
jener
etwa 5 — 10 Mark täglich verdient, ist mit der Verkleinerung der Effekte der in diesem Geiste geführten Unternehmung dieser »Geist« selbst in nichts verringert.
Es kann daher nur
die
qualitative
Seite
des Bevölkerungsproblems, nicht seine quantitative, sein,
die für die
dauernde Aufrechterhaltung oder
den Untergang des Kapitalismus in Frage kann.
Und darum
ist die
Frage: Gibt
es in
kommen den fak-
tischen Tendenzen der qualitativen Bevölkerungs-
396
bewegung,
also in der Art ihrer jeweiligen
Neuzu-
sammensetzung aus der Fortpflanzungssumme der beiden biopsychischen Typen Gründe und Garantien, die ein Aussterben oder eine Zurückdrängung des Typus homo erwarten lassen, der Träger des kapitalistischen Geistes ist
Diese Frage
Denn
ist
?
unseres Erachtens zu bejahen.
es ist ein inneres
selbst,
daß eben
Gesetz des Bourgeoistypus
Grundeigenschaften, die ihn
die
innerhalb der kapitalistischen Ordnung als Unter-
nehmer, Händler usw. reüssieren lassen, im selben
Maße
vorhanden sind, auch seine verringerte Fortpflanzung und damit die Verringerung der Überals sie
tragung der charakterologischen
Erb werte,
die
Anlagen zum kapitalistischen Geist ausmachen, zur notwendigen Folge haben. Mit Recht haben J. Wolf und andere den eigenartigen Parallelismus von die
steigender Wohlhabenheit zahl,
und verringerter Kinder-
der durchaus keine universalhistorische Er-
scheinung
ist
(völlig
umgekehrt z. B. bei den Chibeim deutschen Adel usw. auf
nesen, nicht vorhanden
)
eine identische Ursache beider Erscheinungen zurück-
Rechenhaftigkeit der seelischen Grundeinstellung auf Welt und Leben überhaupt. Eben diese Rechenhaftigkeit hat gleichgeführt: auf die steigende
zeitig das wirtschaftliche
Emporkommen und den
vermindertenFortpflanzungswillen, resp. die sinkende
Kinderzahl der rechenhafteren Elemente zur Folge. 397
Die
Anlage
Zweifel
—
zu dieser Rechenhaftigkeit aber
—
nach früher Gesagtem
ist
selbst ein
ohne
Erb-
wert und gebunden an den geringerwertigen Vitaltypus. Auch diese »Anlage« wird also durch die geringere Fortpflanzung des rechenhaften Typus mehr und mehr ausgeschaltet — eben damit aber dieser Typus Mensch als Typus überhaupt. Diesem »angsthaften«, »rechenhaften« Typus steht der »gläubige«, der »vital vertrauensvolle« und »muthafte« Typus ;
Sage ich der »gläubige«, so denke ich
gegenüber. nicht
etwa an die
Kirchenglaubens. Vitaltypus, von ist,
mit
und der einer
Angehörigen
Es
dem
ist
eben ein bestimmter
ja
hier
meinschaft;
der
sich
realen
also
Formen der Gemeinschaft, schiedenem Maße,
Rede niemals decken kann
als
sich als solcher
bestimmten
orthodoxen
des
in
Einheit
die
historischen
Ge-
allen Arten und
freilich
in
sehr
findet. Freilich besteht die
ver-
unbe-
daß die religiös-gläubigen kathound protestantischen Volksschichten, und unter ihnen wieder die katholischen voran, nicht den gleichen Rückgang der Geburtenziffer aufweisen wie die ungläubigen; und es besteht die Tatsache, streitbare Tatsache,
lischen
daß eben diese Schichten Geistes sind.
relativ unkapitalistischen
Die sog. »Rückständigkeit der Katho-
liken« (»Rückständigkeit« natürlich
nur gemessen an
den Werten des kapitalistischen Ethos) beweist es deutlich genug. Aber diesen Vorrang verdanken 398
die kirchengläubigen Schichten
nicht
dies die kirchhchen Parteien gern pro
struieren
—
dem besonderen Inhalt
—
wie sich
domo kon-
ihres
Glaubens
oder der Zugkraft des Moralsatzes »Seid fruchtbar
und mehret gegen
vaters
usw.
—
,
dem Kampfe
euch«, oder
des Beicht-
empfängnisvorbeugenden Mittel
die
sondern umgekehrt
ist es die
Zugehörigkeit
der Kernschichten der orthodox Gläubigen zu
dem
Vitaltypus vorwiegend gläubiger, vertrauensvoller Lebenseinstellung, welche
zur Folge hat, daß
auch kirchlich-gläubig blieben und daß
sie
sie
eben diese
der Fortpflanzung günstige »Moral« besitzen. Andrerseits
hat dieser innere
daß auch
all
Zusammenhang zur
Folge,
jenen Weltanschauungsfaktoren, die
innerhalb der katholischen Kirche dein Kapitalismus
noch entgegenzuarbeiten vermögen, durch die lativ
re-
größere Vermehrung ihrer Träger steigender
Sipg verheißen
Für Typus
die
ist.
langsame Ausschaltung des bourgeoisen
gibt es gleichsam einen weithin sichtbaren
von Teilhaber kürzlich aufgewieseneTatsache des Aus Sterbens der deutschen Juden, und zwar in dem Maße, als sie innerhalb des Kapitalismus führende Stellungen gewannen und Index:
das
ist
die
gleichzeitig aus der geheimnisvollen Schutzsphäre der
jüdischen Familientradition heraustraten.
der tapfere und edle Zionismus ihm mit dem innersten Rechte der Erhaltungs-
jüdischen Typus stellt
An diesem
—
399
Würdigkeit des großen, begabten Volkes heute einen
anderen
schroff entgegen
und bedrängt ihn
bis tief
Ehre und in sein Gewissen hinein, blutig und doch gerecht — vollzieht sich zeitlich zuerst und im kleinen das tragische Geschick, was sich am bourgeoisen Typus überhaupt vollziehen wird: in seine oft
daß
er
mit
steigenden
all
seinen
Erbanlagen mitten in der
Gewinnung der
kapitalistischen Macht,
mitten im ökonomischen Siege zugrunde geht und der
steigenden Ausschaltung aus
der
Geschichte
verfällt.
Diese Tendenz auf Ausschaltung des Typus, der
den kapitalistischen Geist trägt, behält ihre führende Kraft auch trotz
aller
Komplikationen,
die durch
das Nachdrängen der sozialen Unterschichten auf
gewordenen Stellen der Stufenleiter von Besitz und Wohlhabenheit (resp. das Nachdrängen
die
leer
der slavischen Judenmassen), das Nachdrängen der slavischen
Arbeitskräfte
für
den
Bevölkerungs-
rückgang in der Industriearbeiterschaft zu Händen der Unternehmer, entstehen mögen.
Denn
alle diese
nachdrängenden Massen sind zugleich Träger eines immer vermindernden kapitalistischen Geistes. Nicht darin besteht ja die qualitative Grundtendenz der Bevölkerungsbewegung, daß nur führende kapisich
talistische Schichten mehr und mehr ausgeschaltet werden! Diese »Schichten« könnten ja beliebig ersetzt
400
werden.
Und
das hätte für den Fort-
bestand des »Kapitalismus« keine Bedeutung. Darin
daß schon die Erbwerte die »Anlagen« zu diesem Geiste bedeuten, und vielmehr besteht
sie,
damit der Typus, der Träger dieses Geistes stärker der Ausschaltung verfällt.
ist,
immer
Hierin allein sehen wir die letzte Garantie für die »Verzappelung des Riesen«.
Die ganze Fülle der
speziellen Erscheinungen, die gegenwärtig das Gleiche
anzeigen und einleiten, sind von dieser Tatsache abgeleitet.
Und
und
alle ethische
politische Sollens-
orientierung, die den Prozeß jener Verzappelung be-
schleunigen kann, kann nur innerhalb des
Rahmens
unserem bewußtem Willen entzogenen notwendigen Prozesses ihre Bedeutung besitzen. An solchen Erscheinungen ist das gegenwärtige Leben überreich. Nicht nur die innere Bureaukratisierung der Unternehmungen, auf die Sombart mit Recht hinweist, und die damit einhergehende Bildung dieses
neuen Klasse der »Privatangestellten«, sondern mehr noch die neue Selbstauffassung der Unternehmer als Leiter und Führer der nationalen
einer
wirtschaftlichen Arbeit, ich
möchte
fast sagen als
oberste Aufsichtsbeamte des Güterumlaufs
Güterproduktion,
sind
innerhalb des Wirtschafts-
lebens solche Erscheinungen.
Ekel
am
und der
Die Scham, ja der
bloßen Reichtum, zuerst erwachsen an
der Disproportionalität seiner Größe zu der möglichen
Genußfähigkeit, sogar der Familie bis in die fernsten IL
26
401
Glieder
—
von Enkel und Urenkel
das Gefühl des
Widerstandes gegen die allzufetten Kuchen
—
ver-
den führenden Schichten des Wirtschaftslebens mehr und mehr. Hierin dürfte den breitet sich unter
Stellungnahmen und Ideen Walter Rathenaus^) nicht bloß eine individuelle, sondern eine typische Be-
deutung zukommen.
Noch zukunftsverheißender aber die
erscheint
uns
Gesamtheit der heutigen Bewegungen, die sich
außerhalb die seine
des Wirtschaftslebens vollziehen
und
gesamte Bedeutung im Leben des Menschen
überhaupt
auf
das rechte
Maß zurückzudrängen
In ihnen erhebt an erster Stelle der neue Typus Mensch — noch schüchtern genug — sein Haupt, der Typus, der durch die kapitalistische Epoche verdrängt war. Zu allererst haben schon unsere tiefsten Sorgen streben.
heute
gegenüber jenen unserer Väter
eine
neue
haben sich vom sozialökonomischen Gegensatz arm und reich, der sich Richtung angenommen.
Sie
langsam, aber auf sicherem ginnt, die
immer
in physischer
die
Volks-
und
1)
als die
als ein
betreffen.
größeres Übel
noch vorhandene Armut.
Walter Rathenau »Zur Kritik der
des Geistes«, Berlin 1914.
402
Rassengesundheit
und psychischer Hinsicht
Die Tuberkulose beginnt uns zu erscheinen
auszugleichen be-
den Fragen zugewandt, welche
stärker
Vitalität,
Wege
Zeit«
Die
und »Die Mechanik
Wohnungsfrage und die Verlegung der Wohnstätten an die Peripherie der Städte, auch für den minderbemittelten Teil der Bevölkerung, gewinnt die Bedeutung, die
sie
nicht nur wieder
als
abhängige Funktion
ökonomischer Besitzunterschiede hat, die
selbständig natürlicheren
ihr vielmehr
Frage der Gesundheit und einer Lebensführung zukommt. In den
als
mannigfaltigen Arten von Jugendbewegungen,
vom
Wandervogel, den Pfadfindern bis in den deutschen
Jugendbund hinauf, in der neuen Liebe der Jugend zu Natur und Sport, in der steigenden Verachtung purer Kopfbildung und des Intellektualismus, in der schon in der äußeren Erscheinung sorgfältigeren und Haltung der Jugend, in der Zurückdrängung jener Art von Romantik und Phantastik, auf die bei ihren Vätern so rasch das äußerste Philisterium zu folgen pflegte, zugunsten einer
strafferen
mutigen,
realistischen
starken Vorwiegen
gegenüber
dem
Lebenseinstellung;
ihres
politischen
freieren,
den religiösen Fragen noch ein Haeckel oder Ostwald?
licher
Wandlung und
26*
liegen
— —
was wäre ,
ihr
nicht zuletzt
ihrer geschlechtlichen Liebesideale
gegenüber Tradition, Konvention, sonstiger Autorität
Gebundenere
—
Interesses
untersuchenden Ver-
hältnis zu
ins Freiere
dem
sozialökonomischen ihrer Väter, in
ihrem ernsteren und
in der
in
gegenüber
dem
Ansatzpunkte,
die
und
elter-
gleichzeitig ins
eigenen Gewissen, eine
starke
Um403
bildung des künftig zur Führung der öffentlichen
Angelegenheiten berufenen Typus erwarten lassen. Diese Charakterzüge der neuen Jugend sind nicht In Frankreich
auf Deutschland beschränkt.
berichten kundige Beobachter dieselbe
z.
B.
Umformung,
Studentenbewegung gegen die in gelehrten Positivismus eingetrocknete Sorbonne bereits kräftig Auch in der werdenden Weltzur Geltung kam. die in der
anschauung der Jugend sind die geistigen Ermüdungserscheinungen des Skeptizismus, des Rela-
Herumwühlens im eigenen Ich zurückgetreten und ist die Richtung
tivismus, des Historismus,
des
auf unmittelbaren Erlebniskontakt mit den selbst,
auf absolute Einsicht, die
Welt
in
kräftigem
Wandlungen
Fortschritt
begriffen.
Diese
darum hoffnungserweckend, bestimmte soziale Klassen oder
Parteien beschränkt ihrem
und
sind eben
weil sie nicht auf
mit
Tatkraft
expansive Hingabe an die
auf
Charakter stählt,
Sachen
neuen
sind,
Geist
sondern alle Klassen
durchdringen.
Handelt
Überwindung des Kapitalismus um die Verdrängung eines bestimmten Typus und seiner Ideale aus der Herrschaft, so ist ja auch nur von solchen Wandlungen und nicht vom Siege einer bestimmten »Klasse« oder »Partei« irgend etwas es sich bei der
Wesentliches zu erwarten.
Neben der Erscheinung der »neuen Jugend« äußert sich die antikapitalistische Bewegung an erster Stelle 404
in
dem neuen Ernste, mit dem Liebeswahl
geschlechtlichen
die
Fragen der
und der
geschlecht-
lichen Moral ergriffen werden.
des Kapitalismus
mischung des sei es
war
historisch die wahllose Ver-
vital edlen
aus Nützlichkeits-,
sinnlichen Reizes.
Wie
Eine der Wurzeln
Typus mit dem gemeinen, sei es
aus Interessen bloßen
stark der Luxusbedarf
und
-Geschmack des »Weibchens«, das sich parallel mit der Zurückdrängung der älteren »Standesehe« und der Entfaltung der Klassen- und Geldehe in allen möglichen sozialen Formen von der Kurtisane bis zur Straßendirne parasitär ausbreitete, die kapi-
talistische
Entfaltung noch außer
dem Blutverderb
und gefördert hat, hat Sombart in seinem »Luxus und Kapitalismus« dokumentarisch gezeigt. Wahllose Sinnlichkeit und Geschäftsgeist aber entsprechen sich und fördern sich gegenseitig; damit auch Geldehe und Dirnentum. Der »Bourgeois« ist als Typus Träger des Ethos, das beides immer neu erzeugt. Nur zu rascher punk-
jener Wahlarten beschleunigt
tueller Befriedigung seiner sinnlichen
ihm das »Geschäft« und Raffinement sollen ihm die zur
Liebe
läßt
der Treue ersetzen.
Bewegung
ist
Launen, nicht
Zeit.
Und Luxus
tieferen
Freuden
Die gegenwärtige europäische
darauf
gerichtet,
diesen
inneren,
eisernen Zusammenhang zu durchbrechen. Sie tut es, indem sie von beiden Seiten her, von oben und von unten gleichsam der Moral der Väter wider405
!
spricht.
Sie scheidet innerhalb der formell ehelosen
und ehelichen Beziehungen zwischen »schlechten« und »guten«, anständigen und unanständigen; sie gibt der Liebeswahl den Ernst und die Verantwortlichkeit und die von bürgerlicher Geschäftsund Spaßmoral (sei sie christlich oder atheistisch drapiert) unabhängige Freiheit zurück. Aber sie wendet sich auch (in ihrem tieferen Kerne) voll Ekel ab
gegen das
vielbedeutsame,
ganze Welt-
eine
anschauung symbolisierende Salon- oder Stammwenn die Rede auf »diesen Punkt« kommt; ja nicht einmal voll Ekel mehr,
tischlächeln der »Bürger«,
sondern voll Langeweile ab; »dieser Punkt«
ist
nicht
mehr
»dieser Punkt«, sondern eine ernste Sache, der
man
ins
Gesicht sieht und die
man
Von
prüft.
den Sprüngen und dem Singsang der kleinen Mädchen, die in der Phantasie der lieben Väter eine so große Rolle spielten, von Ehebruchskomödie und analogen »kleinen Scherzen« wendet
man
sich
ab
Die Behandlung der Faktoren, welche die qualitative
Zusammensetzung der künftigen
Generation
be-
stimmen, hat aufgehört entweder eine »Geschäftsfrage« oder ein kleiner »Scherz« zu sein.
Wie
sind
doch umgekehrt gegenüber diesen Fragen die gewichtigen Ernstfalten, mit deneu die lieben Väter am
Lendemain »kleinen
neue Transaktion behandelten, zu
Scherzen« herabgesunken
haupt und 406
«eine
in
ihrer
Sphäre,
—
nicht
über-
aber gegenüber der
unsfeheueren Frage, mit welchem Weibe ich mich
vermischen darf und
Das
soll!
—
Aufatmen vom Druck
des Kapitalismus
ist
minder deutlich zu spüren in der inneren Verhältnislage von geistiger Kulturtätigkeit zur
nicht
erwerbstreibenden Gesellschaft. die
Inhaltlich erklären
Führer der geistigen Bewegung dies Negative
übereinstimmend, daß Welt und Seele keine komplizierten Maschinen sind — sei es mit oder ohne rechnenden »Subjekten« — sondern daß
jedenfalls
,
die Weltbilder der neueren
Philosophie in ihrem
Kerne nur zweckmäßige Projektionen bürgerlicher Beschäftigungen waren — auf eine Welt, die in unendlicher Qualitätenfülle und Regsamkeit vor den jungen, staunenden Augen derer liegen darf, die
es
wagen, sich über die Nützlichkeitszwecke
der Bürger hinaus ihr
fromm und demütig
In soziologischer Hinsicht aber
geben.
hinzu-
werden
die
Dichter, die Künstler, die Forscher sich allmählich
unbewußten Form der Versklavung an den Bürgergeschmack bewußt, dem sie in
immer
klarer der
den Methoden des Denkens und der Beobachtung (sei es diesem Geschmack und dieser Einstellung des Bürgertypus folgend, oder zu ihm im bloßen WiderStoffwahl, in
Stil,
in Darstellungsform resp. in
spruch, eine nicht geringere Abhängigkeit) dadurch
unterworfen waren, daß
und
sich
sie in
seinem Kreise lebten
von ihm ernähren ließen
—
oder innerhalb 407
der staatlichen Kultur- Institutioiien, die der
Typ
Händen hält. Sie lernen demütig erkennen, daß kein Geist und kein Gewissen so stark und frei ist, daß sie sich nicht irgendwie (und doppelt schlimm,
in seinen
wenn
dem
es
heimlich und unbewußt geschieht!) unter
Geiste derer heimlich beugten, die seinen Leib
ernähren.
Und
die
Tapferen ziehen
daraus die
Axiom: So wenig ich als Produzierender irgend eines Werkes geistiger Kultur der ökonomischen Sozietät irgend etwas schulde, so wenig schuldet sie mir irgend etwas für das, was ich hervorbringe. II. Axiom: Da ich unabhängig von Konsequenzen:
I.
dieser meiner Produktion, aber Mitglied eben dieser
ökonomischen Sozietät bin, so habe ich auch die Pflicht, mich auf eine neben meiner Kulturtätigkeit einhergehende Weise auf ehrliche Art zu ernähren. Ich weiß sehr gut, daß die äußerst mannigfachen
Wege der technischen Durchführung dieser »Axiome« zum Teil noch wenig beschritten, zum Teil aber auch noch wenig geöffnet sind. Wir kommen auf diese technische Seite der Sache ein andermal zurück; daß aber diese Axiome wie Feuer in den Seelen der kulturtätigen Jugend glimmen und daß dieses Feuer sich
—
auch seinen Willen und seine Kraft schaffen wird, dies weiß ich! Nach dem erstaunlichen ethischen Vorbild einer inneren und letzten Unabhängigkeit vom Kapitalismus, das Stefan George und sein Kreis zuerst in einer Zeit 408
gaben,
da die öffent-
liehen
—
reden hier
nicht
sich
noch weit ungünstiger als diesem Kreise ferne stehen,
Verhältnisse
heute lagen
wir, die
von
seiner
Kunst
—
formieren
gegenwärtig eine ganze Reihe analoger, von
den geistigen Grundhaltungen starker Persönlichkeiten
zusammengefaßter
Gemeinschaftsbildungen
Kunst und Wissenschaft, in denen diese neue Kulturgesinnung still und lautlos sich heranbildet. Sie werden sich noch lange von den offiziellen und öffentlichen, der Pflege geistiger Kultur gewidmeten Instituten ferne halten müssen — so freundlich immer die Beziehungen zu Personen, die jenen angehören, sein mögen — bis sie auch diese mit ihrem Wesen und Geiste durchsäuern dürfen. Von parteilosen
in
Minoritäten solcher Art, welche schon die einteilen-
den
Kategorien
pöbels
plus
der
des als
heutigen
offiziellen
»Negativ«
Kultur-
notwendig
dazu-
gehörigen Massen- und Zeitungswelt strenge von sich zurückweisen, ist für eine
wahre Überwindung
mehr
des Kapitalismus als Kultursystem sehr viel
von allen den Kämpfen, die innerhalb der Formierungen irgendwelcher politischer Parteien und Interessengruppen stattfinden, die ja doch alle, vom Ethos des Kapitalismus umspannt, diese Tat-
zu erwarten
um
als
bemerken,
je
einander aufeinander schlagen!
—
sache
so weniger
Gehen wir nicht
fehl,
wilder
um
unter-
auch der
sog.
die Welt«, der
noch
so beginnt
»Siegeszug des Kapitalismus
sie
409
vor kurzem Außenseiter schon ließ, ja
zum Monde
schielen
zu einer Geste des »Umsehens« uns hinter die
Erdkugel führte,
—
ob
es
da noch irgend einen rein-
lichen Landfleck geben möchte,
noch nicht beschmutzte,
—
den der Bourgeois
seine innere
Grenze zu
finden. Mögen auch gewisse Schichten der Balkanstaaten, der Türkei, Ägyptens, Persiens, besonders aber Chinas und Japans sich heute eifrigst bemühen, sich die europäischen positivistischen Wissenschafts-
methoden, die zugehörigen Methoden der Fabrikation und des Handels anzueignen und scheint die Universalisierung der kapitalistischen Mechanistik in
nächster Nähe: Längst und schon
edleren Vertreter
seit
Jahren wissen
daß diese fälschlich sog. »Europäisierung« nur die äußerste Hautlichkeit der Seele und des Lebens treffen kann und daß die rassenmäßigen und aus der eigenen Geschichte
die
dieser Volkstümer,
jener Völker quellenden geistigen Grundeinstellungen in Religion, Ethos,
Sinne des Lebens bleiben, und nach
— ja in allem, was zum gehört, — dabei völlig unberührt Kunst
einiger
Vollendung jenes not-
wendigen Mechanisierungsprozesses und der durch ihn gewährleisteten äußeren zivilisatorischen Ver-
knüpfung der Völkerwelt der Erde neuen Aufgaben harren'). Und Länder wissen noch mehr: daß der ')
eigensten
die Besten dieser »Geist«, der
Vgl. das Kapitel über die »Solidarität Europas«
Buche über den Krieg.
410
ihrer
in
ihnen meinem
diese
Sendboten Westeuropas
als seine letzten
strahlungen zuschickt, an seiner Wurzel,
Zentrum Westeuropas sterben begriffen ist.
selbst,
d.
Aus-
h.
im
im langsamen Ab-
Jedes
dieser
Länder hat
seine Dostojewskys, seine Solovjeffs, seine Tolstoys, die
über die Europäisierungswut der heimischen
Bürgermassen ironisch lächeln, da jenes
»alte«
Europa,
das
zu
sie
ihnen
wissen, daß
kommt,
in
dem Augenblick zusammensinken und einem neuen edleren Europa Platz machen wird, da jene Massen ihrer Völker über den Sieg jauchzen werden, es in ihrer Zivilisation Europa gleichgetan zu haben. Und das w^ahrhaft »junge Europa« steht dabei auf ihrer Seite! Schon zurzeit glauben nur noch die »Gebildeten« der südamerikanischen Staaten, einige Rumänen, Bulgaren, Serben und Japaner, daß der Fortschritt der »modernen Wissenschaft«, daß z. B. Physiologie und Experimentalpsychologie ihnen Aufschluß über metaphysische Fragen geben werden;
über eben jene Fragen, auf die die landesüblichen Religionen antworten.
Diese »Gebildeten« glauben
was bei uns gegenwärtig noch die Masse glaubt, und was die Gebildeten unter unseren Vätern vor das,
zirka hundert Jahren glaubten. ferne,
wo
solche Dinge nur
Die Zeit
mehr
ist
nicht
die Australneger
glauben werden.
411
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der
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zwei
—
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wurde
unter
jungen Kunstwissenschaft der Vischer
am
mit
Bänden gebunden Mk.
30.
Jahren der Kongreß der Ästhetiker in
da
tagte,
,
Gedichte usw.
freudigsten
allen
Name und
Vorkämpfern der Friedrich Theodor
lautesten
genannt.
Vischer war nicht nur ein Gelehrter von umfassendem
Wissen, eine für er
war vor
allen
alles
Schöne begeisterte, feurige Natur,
Dingen eine Persönlichkeit, und seine
mannigfaltigen Schriften sind Bekenntnisse, die schon
im
darum
zugleich leidenschaftliche
unsterblich sind, weil
sie
Grunde
empfundene Erkenntnis, gefühlte Wissenschaft enthalten. Der Dichter Friedrich Theodor tiefsten
Vischer
ist
ja
niemals
dem
Gesichtskreis des deutschen
wenn er sich selber auch gern Masken und Namen versteckt hat. »Auch Einer« hat immer zu den klassischen Werken unserer Er-
Volkes ganz entschwunden, unter
allerlei
zählerkunst gehört.
Vischer war aber auch ein Klassiker
der Wissenschaft, ein Mann, von
dem
ein breiter, befruch-
tender Strom der Anregung ausging.
Die Besten unseres
Männer wie Gottfried Keller, Heinrich von Treitschke, Ludwig Speidel, haben ihn wiederholt in den Ausdrücken höchster Bewunderung anerkannt. Volkes,
Als der »Praeceptor Germaniae, als der große Repetent
deutscher Nation für alles Schöne und Gute, Rechte und
Wahre«,
Und
ist er
von Meister Gottfried
worden.
gefeiert
über Vischers Ästhetik schreibt Treitschke: »Vischer bin ich für sein herrliches, von Unzähligen heimlich
benutztes und nie genanntes
Werk
unendlich dankbar.«
Diesen Klassiker unserer Wissenschaft
großen
Kreis
des
deutschen
gilt
es
Lesepublikums
für
den
zurück-
mehr genannt als gekannt, Heute, wo der Kreis des Kunstschaffens wie des Kunstgenießens sich immer mehr
zuerobern.
mehr
Bisher wurde er
gepriesen als gelesen.
erweitert,
wird eine Orientierung auf
Schönen auch
für
dem
Gebiete des
den Laien zu gebieterischer Notwendig-
Die Schriften von Friedrich Theodor Vischer sind
keit.
Bausteine
am Fundament
der gesamten Ästhetik und als
solche Großtaten des deutschen Geistes. Vischer war einer
der ersten, die die Führung in dieser Wissenschaft
dem
deutschen Volke errangen.
L.
C.
WITTICH'SCHE HOFBUCHDRUCKEREI, DARMSTADT.
3 9097
00409046
1
Scheler, llax^^^^M^^h
B3329 SU83 A2 Bd.2
203862
I