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German Pages 142 [148] Year 1952
BERICHTE ÜBER DIE VERHANDLUNGEN DER SÄCHSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU LEIPZIG Philo
logisch-historische Band
98 • Heft
Klasse 6
WALTERBAETKE C H R I S T L I C H E S L E H N G U T IN D E R SAGARELIGION DAS S Y O L D R - P R O B L E M ZWEI B E I T R Ä G E ZUR
SAGAKRITIK
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AKADEMIE-VERLAG
BERLIN
BERICHTE ÜBER DIE VERHANDLUNGEN DER SÄCHSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU LEIPZIG Phil
alogisch-historische Band
98 • Hejt
WALTER
Klasse 6
BAETKE
CHRISTLICHES LEHNGUT IN DER SAGARELIGION DAS SVOLDR-PROBLEM ZWEI
BEITRÄGE
ZUR
SAGAKRITIK
195 1
AKADEMIE-VERLAG
BERLIN
Vorgelegt in der Sitzung v o m
11. Dez. 1950
Vorgetragen in der Sitzung v o m 12. Febr. 1951 Manuskript eingeliefert am 1. März 1951 Druckfertig erklärt am 22. November 1951
Erschienen im Akademie-Verlag GmbH., Berlin NW 7, Schiffbauerdamm 19 Lizenz-Nr. 202 . 100/36/51 Satz und Druck der Buehdruckerei F.Mitzlaff, Rudolstadt/Thür. V/H/7 — 459 Bestell- und Verlagsnummer 2026/98/6 Preis: DM 5.50 Printed in Germany
Inhalt Christliches Lehngut in der Sagareligion 1. Die Quellenfrage
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2. Weihen und Segnen
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3. Gebet und Opfer
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4. Kult und Magie
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5. Schuld und Strafe
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6. Christliche Thematik
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7. Schicksal und Glück
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8. Schluß
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Das Svoldr-Problem 1. Die Ortsfrage
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2. Die Vorgeschichte 3. Die Lage von Svoldr
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1. Die Quellenfrage Das Urteil über den geschichtlichen Gehalt der isländischen Sagas hat sich in den letzten Jahrzehnten stark gewandelt. Bis in den Anfang des 20. Jahrhunderts sah man in ihnen im allgemeinen wertvolle Quellen für die Geschichte Norwegens und Islands zur Wikingerzeit (9.—11. Jahrhundert), und die Historiker, die die Geschichte dieser Zeit schrieben, wie P. A. MÜNCH (Det Norske Folks Historie, Bd. I) oder Konrad MAURER (Die Bekehrung des norwegischen Stammes zum Christentum), wenn sie auch in einzelnen Fällen den Sagas Fehler nachwiesen, hatten doch einen so starken Glauben an die Zuverlässigkeit ihrer Berichte, daß sie sie im großen ganzen ihren eigenen Darstellungen zugrunde legten. Vereinzelte kritische Stimmen wie die des Dänen E. JESSEN 1 verhallten unbeachtet. Erst den scharfsinnigen Untersuchungen der beiden schwedischen Forscher Lauritz W E I B U L L 2 und Curt W E I BULL 3 gelang es in den ersten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts, die festgewurzelte Ansicht von dem Wert der Sagas als Geschichtsquellen zu erschüttern und die Bahn für eine Betrachtung dieser Werke nach modernen kritischen Grundsätzen frei zu machen. Eine Anzahl jüngerer skandinavischer und isländischer Forscher — Historiker und Philologen — sind ihnen auf diesem Wege gefolgt; in wertvollen Einzeluntersuchungen über Ereignisse der späteren Wikingerzeit haben sie gezeigt, daß die Berichte der Sagas über 1
Die Glaubwürdigkeit der Egilssaga und anderer Isländersagas, Hist. Zeitschr. 1872. 2 Kritiska undersökningar i Nordens historia omIrring är 1000, Kopenh. 1911, und: Historisk-kritisk Metod i Nordisk Medeltidsforskning, Lund 1913. 3 C. WEIBULL, Sverige och dess nordiska grannmakter, Lund 1921.
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diese Vorgänge so stark mit Sage, Legende und Dichtung durchsetzt sind, daß sie, sofern sie nicht durch andere Zeugnisse bestätigt werden, keinen Glauben verdienen, eine wissenschaftliche Darstellung jener Zeit sich auf sie allein also nicht stützen darf. Dadurch ist für die geschichtliche und kulturgeschichtliche Forschung in vieler Beziehung eine neue Situation gegeben. Naturgemäß richtete sich die Kritik zunächst vornehmlich auf die Königssagas und die übrigen historischen Werke; auf die Familiensagas, die Islendingasögur im engeren Sinne, nur, soweit sie, wie z. B. die Egilssaga, geschichtliche- Ereignisse behandeln. An der UnglaubWürdigkeit der Abenteuer- und Märchensagas, der sogen. Fornaldarsögur, haben kaum jemals gewichtige Zweifel bestanden. Die historischen Sagas behandeln die Geschichte Norwegens und Islands vom 9. bis ins 13. Jahrhundert; die Familien- oder Geschlechtersagas spielen zumeist in der sog. Sagazeit, die man von etwa 930 bis 1030 rechnet. Der Zeitraum, den beide Gruppen umfassen, reicht also z. T. noch in die heidnische Zeit hinein, und außerdem fällt in ihn der Übergang der beiden Länder zum Christentum, der sich um die Jahrtausend wende vollzog. Die Sagas enthalten daher eine Fülle von Angaben und Mitteilungen über das nordische Heidentum und die Auseinandersetzungen der heidnischen Religion mit dem siegreich vordringenden Christentum. Früher hat man ebenso wie die historischen Berichte auch diese Angaben im allgemeinen für bare Münze genommen. Konrad M A U B E B hat sich in dem genannten, das ganze nordische Prosaschrifttum ausschöpfenden Werke sowohl für die Darstellung der Religion wie für die Geschichte der Christianisierung in der Hauptsache auf sie gestützt; und noch im Jahre 1938 hat der schwedische Forscher Helge L J U N G B E B G in seinem Buche „Den nordiska religionen och kristendomen" geglaubt, einige Berichte aus Odds Olafssaga, Snorris Heimskringla und sogar der Großen Olafssaga Tryggvasonar als quellenmäßige Grundlage für die Interpretation der Bekehrungsvorgänge benutzen zu können.
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Es konnte aber nicht ausbleiben, daß die Zweifel an der geschichtlichen Glaubwürdigkeit der Sagas, die durch die kritische Geschichtsforschung erweckt waren, sich auch auf die religionsgeschichtlichen Angaben in ihnen übertrugen. Doch hat diese Kritik nicht nur verhältnismäßig spät eingesetzt, sie ist auch, wie mir scheint, auf halbem Wege stehengeblieben. Die letzten Konsequenzen hat man bisher nicht zu ziehen gewagt. Die erste gründliche kritische Untersuchung des religionsgeschichtlichen Gehaltes der Sagas findet sich in der 1936 erschienenen Göttinger Dissertation von Rudolf SCHOMERUS: „Die Religion der Nordgermanen im Spiegel christlicher Darstellung." Es ist für den Gang der Forschung bezeichnend, daß auch SCHOMERUS sein Hauptaugenmerk auf die historischen Sagas richtet; daneben zieht er allerdings sehr stark die Fornaldarsaga in die Untersuchung hinein. In diesen beiden Gruppen meinte er die nordische Religion in christlicher Widerspiegelung zu finden. Nun bieten weder die historischen Schriften — von Theodricus und Odd bis zur Großen Olafssaga Tryggvasonar — noch die Fornaldarsagas der religionsgeschichtlichen Forschung besondere Schwierigkeiten. Was die Konungasögur betrifft, so konnte eigentlich nie ein Zweifel darüber sein, daß sie von der heidnischen Religion der Nordgermanen nicht ein objektives geschichtliches Bild geben, sondern es nach einer bestimmten Schablone zeichnen. Die Verfasser waren fast alle Geistliche oder hatten doch eine geistliche Bildung genossen, und sie sahen die heidnische Religion im Lichte der katholischen Theologie. Mit den Kirchenvätern betrachtete auch die Kirche des Mittelalters das Heidentum entweder als eine törichte Verehrung toter Bilder aus Holz und Stein, oder sie erklärte die heidnischen Götter für Dämonen, Werkzeuge oder Verkörperungen des Satans, und den heidnischen Kult für gotteslästerliche Dämonenverehrung und Teufelsdienst. Diese Auffassungen finden sich in den Königssagas wieder. Die Geschichten, die in dieser Weise von den Göttern erzählen, tragen stark legendären Charakter und sind z. T. so phantastisch, daß ihnen schon
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deswegen jeder geschichtliche Zeugniswert abgeht. Außerdem wohnt ihnen eine bestimmte Tendenz inne. Wo die heidnische Religion in die Darstellung einbezogen wird, geht es immer um die Auseinandersetzung mit dem Christentum; und diese Geschichten dienen, so verschieden ihr Inhalt sein mag, immer demselben Zweck: nämlich die Vorzüge und die alles überwindende Macht des christlichen Glaubens vor Augen zu führen. Gleichwohl hat die den Sagas eigentümliche realistische Darstellung bewirkt, daß man diese Geschichten wenigstens z. T. für Wiedergaben wirklicher Vorgänge genommen und dementsprechend ausgewertet hat (man vergleiche z. B. das 4. bis 6. Kapitel des obengenannten Werkes von Helge L J U N G B E R G : Omvändelsens typer och personligheter und Omvändelsens psykologi och omvändelsemotiven, S. 98 ff.). Es ist das Verdienst von R. S C H O M E R U S , daß er in eingehender Untersuchung gezeigt hat, wie wenig zuverlässig die Angaben der Königssagas auch in solchen Fällen sind, wo sie sich den Anschein geschichtlicher Wirklichkeit zu geben wissen. Aber auch S C H O MERUS legt ihnen noch viel zu viel Wert bei. So schließt er z. B. aus den Geschichten, in denen Odin und Thor den Leuten in menschlicher Gestalt erscheinen, daß weder die Beteiligten noch die Verfasser irgendwie an dem wirklichen Vorhandensein der Götter zweifelten. „Die Götter leben ebenso wie vor der Bekehrung" (S. 78—80). Er verkennt, daß diese Geschichten —• die nur in den Königs- und Fornaldarsagas vorkommen — tendenziöse Machwerke der christlichen Verfasser sind und ihren Ursprung in der Legende haben — nicht, wie er meint, in der „Volkssage". Sie zielen darauf ab, die Bosheit der Götter und zugleich ihre Ohnmacht gegenüber dem Christengott und seinen Vertretern — insbesondere den Bekehrerkönigen — aufzuzeigen. Über den Glauben der „Beteiligten" können sie also gar nichts aussagen, und was die Verfasser betrifft, so glaubten diese an das Vorhandensein des Teufels, nicht der Götter. Diese Erzählungen sind nicht Zeugnisse für das Fortleben des Heidentums in christlicher Zeit, sondern höchstens dafür, daß man im 12. Jahrhundert nur noch sehr falsche
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Vorstellungen vom Heidentum hatte 1. Auch in der Geschichte von Eyvind Kinnrifa, den Olaf Tryggvason auf grausame Weise umbringt, da er sich weigert, Christ zu werden 2 , sieht SCHOMERUS einen im wesentlichen wahrheitsgetreuen Bericht. Aber hier —• ebenso wie in der Geschichte von Raud dem Starken 3 —• soll nicht der Tod eines „heidnischen Märtyrers" geschildert werden, der „aus Treue gegen seine Götter" den Tod erleidet, vielmehr soll gezeigt werden, daß verstockte Heiden, die sich hartnäckig den Vorzügen des besseren Glaubens verschließen, von einem bösen Geist besessen bzw. dem Satan verfallen sind 4 und daher mit Recht den Tod erleiden. Solche Erzählungen gehören schon in den Bereich des mittelalterlichen Hexenglaubens 6 . Für die in der Flateyjarbök erzählte Geschichte von Siöu-Halls Sohn Thidrandi und den Fylgjen, die ihm den Tod bringen, lehnt SCHOMERUS die (in ihr selbst enthaltene) religiöse Erklärung ab und deutet die Erscheinung der Disen als „Fieberphantasien eines Kranken". Aber auch hier wird nicht eine wirkliche Begebenheit berichtet, die man psychologisch erklären könnte, sondern wir haben es, wie Dag STRÖMBÄCK nachgewiesen h a t s , mit einer aus bekannten 1
Daß es die Vorstellung, daß die Götter auf der Erde unter den Menschen erschienen, schon im nordischen Heidentum gab, wie SCHOMERUS (S. 5 7 ) meint, trifft nicht zu. (Vgl. meine Abhandlung über die Götterlehre der Snorra-Edda, S. 24 f.) Die Verfasser der Sagas haben solche Geschichten nicht ins Christliche „umgedeutet"; sie stammen von ihnen. 2 Hkr., Ol. s. Tryggv. c. 76. 3 Hkr., Ol. s. Tryggv. c. 80. 4 Wie Erik ARUP ( D . Hist. Tidsskr., 8 . R . , 5 . Bd., S. 1 1 0 ff.) gezeigt hat, ist die Fassung der Gr. Olafssaga Tr. (Fms. II, 167; Fiat. I, 385), der zufolge Eyvinds Eltern das Kind dem Odin „gegeben" hatten, jünger. Odin nimmt hier wieder die Stelle des Teufels ein. 6 Ekkehard VESPER, Christen und Christentum in der Darstellung der isländischen Sagas (ungedruckte Dissertation, Leipzig 1950), bemerkt dazu: „Hier treffen sich der christliehe Gedanke der Prädestination, die mittelalterlichen Teufels- und Geistervorstellungen und die Tendenz der interpretatio christiana, die heidnische Religion als Teufelsdienst und Zauberei erscheinen zu lassen." 6 Dag STRÖMBÄCK, Thidrande och disema, Lund 1949.
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Motiven der mittelalterlichen Visionsliteratur und Visionsdiclitung geformten christlichen Erzählung zu t u n ; über ihren etwaigen geschichtlichen Kern können wir gar nichts aussagen; dagegen gehört die Erklärung des spämaör Thorhall, die SCHOMERUS zur Seite schiebt, durchaus zur Sache, ja in ihr liegt der Kern der Geschichte. Er deutet nämlich die Erscheinung so, daß bald „ein besserer Glaube" nach Island kommen und „der allwaltende Gott das Volk von der langen Knechtschaft des Satans erlösen werde". Auch hier handelt es sich also um ein Stück christlicher Propaganda. Es war nicht eigentlich die Absicht der Verfasser solcher Geschichten, die heidnische Religion herabzusetzen, sie s a h e n sie so, wie sie sie schilderten, aber sie sahen sie vom Standpunkt der Kirche aus. Anders, doch ähnlich liegt die Sache in den Fornaldarsögur. Hier werden die Götter zwar nicht wie in der geistlichen Betrachtungsweise mit dem Teufel in Verbindung gebracht; diese Sagas, die ja lediglich der Unterhaltung dienen, wollen den Anschein erwecken, als gäben sie ein Bild von der heidnischen Vorzeit, und erzählen von den heidnischen Göttern als wirklichen Wesen. Aber die Verfasser der Fornaldarsögur hatten von der Wirklichkeit der heidnischen Welt noch weniger Ahnung als die Geschichte schreibenden Mönche. Was sie geben, ist „naive Darstellung" höchstens im Sinne völliger wissenschaftlicher Unschuld und Unwissenheit. „Echte Sagenmotive" in dem Sinne, daß in ihnen Züge heidnischen Glaubens enthalten seien, gibt es in den Fornaldarsögur nicht. Sie lassen die Götter zwar Götter sein, aber als Menschen unter Menschen — als dei ex machina — auftreten und handeln. In der Regel geschieht das so, daß ein Gott — meist ist es Odin —• in das Schicksal eines Helden oder eines auserwählten Geschlechtes, sei es in der Rolle des Helfers und Beraters, sei es in der des Vernichters — zuweilen in beiden — eingreift. Die Götter sind also Mitspieler in der Handlung der Saga (was sie in den Konungasögur niemals sind!). Während sie dort verteufelt werden, werden sie hier soweit wie möglich vermenschlicht. Das heißt aber, sie sind hier völlig zu Sagengestalten geworden. Wie gesagt, gehört diese Ver-
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menschlichung der Götter und ihre Verwendung als handelnde Personen in der epischen Dichtung der nachheidnischen Zeit a n ; die Verfasser solcher Erzählungen hatten zu den Göttern kein religiöses Verhältnis mehr. Sie verfuhren mit ihnen so frei wie mit den übrigen Gestalten ihrer Dichtungen. Die Rollen, die sie sie spielen lassen, sind reine Schöpfungen der Phantasie. Diese Geschichten entsprangen der literarischen Mode einer Zeit, wo man es liebte, wie H E U S L E E sagt dem heroischen Realismus mythische Zierden aulzusetzen. Sie sind genau so zu beurteilen wie das Auftreten von Göttern in der Edda, ein Motiv, das nur die jüngeren Lieder kennen. Man folgt einem Irrlicht, wenn man meint, die Fornaldarsagas beruhten auf heidnischen Vorstellungen. Ihre Motive sind durchaus literarischen Ursprungs, keine „Volkssagen" aus heidnischer Zeit und auch nicht christliche Umbildungen von solchen. SCHOMERUS möchte die unheimlichen und unerfreulichen Züge im Odinsbilde der Sagas wenigstens teilweise auf seinen Charakter als Totengott zurückführen. Aber eine solche Verbindung ist hier gar nicht mehr vollziehbar. Auch die Vorstellung, daß Odin als Gegengabe für ein Menschenopfer dem Geber längeres Leben verleihe, stammt nicht, wie er meint, aus „dem Gedanken des stellvertretenden Opfers an den Totengott", sondern aus ganz anderer Quelle. Die Gestalt des tückischen Dämons, der verräterisch seine Lieblinge zu Fall bringt oder gebieterisch und grausam sein Opfer fordert, ist unter dem Einfluß der christlichen Teufelsvorstellung ausgebildet worden 2 . Wenn im Styrbjarnar E>ättr König Eirik sich um des Sieges willen Odin verschreibt (in zehn Jahren will er sterben), so ist hier die Annäherung an das Motiv des mittel1
Altnordische Dichtung und Prosa von Jung Sigurd, S.-B. d. Pr. Ak. d. Wiss. 1919, S. 192. 2 Wenn Odin in den Skaldenliedern als der gute, helfende Freundgott erscheint (abgesehen von Egils Sonatorrek), in den jüngeren Eddaliedern und den Fornaldarsögur dagegen als Unheilbringer, so ist das der Unterschied zwischen heidnischer und christlicher Auffassung.
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alterlichen Teufelspaktes schon fast vollkommen 1 . Auch in dem Haß, den der Held der Hrolfssaga Kraka auf den treulosen Gott wirft, haben wir es nicht mit einem Nachklang aus heidnischer Zeit zu tun, sondern mit der Einstellung des christlichen Verfassers, für den Odin nichts als ein „illr andi" (böser Geist), d. h. der Teufel, ist. Das zu vermutende Lied von Harald Hilditand —• dem wahrscheinlich ältesten Odinshelden — setzt HEUSLER in die Wende der heidnischen und christlichen Zeit und sieht in ihm eine Art religiöser Problemdichtung. Wahrscheinlich ist es jünger, und eine religiöse Problemdichtung ist es höchstens in dem Sinne, daß hier ein christlicher Dichter oder doch ein solcher, der der heidnischen Religion fern genug stand, um in Odin eine Sagenfigur zu sehen, ein solches Problem gestaltet hat an einem Vorgang, den er in die Heidenzeit verlegt. Keinesfalls darf man die Haraldsage — die wir als Ganzes nur aus Saxo kennen! — als Zeugnis nehmen, daß im Heidentum das Verhältnis zwischen Gott und Mensch als „feste religiöse Bindung" aufgefaßt wurde (SCHOMERUS, a. a. 0., S . 59). Hier, oder auch mit Bezug auf das Sögubrot, die Völsungasaga usw. von „sachlicher Darstellung" zu reden, heißt, Wesen und Absicht dieser Geschichten gröblich verkennen. Ganz allgemein kann gesagt werden, daß es vergeblich und grundsätzlich unzulässig ist, in den Fornaldarsögur nach Resten heidnischer Religion zu suchen. — Die dritte Gruppe der Sagas, der wir uns nun zuwenden, die settsögur, sind bisher auf ihren religionsgeschichtlichen Gehalt nur wenig durchleuchtet worden. Auch SCHOMERUS hat sie nur in einigen wenigen Fällen in seine kritische Untersuchung mit ein1
Daß auch Oddr Snorrason in dem Odin, mit dem Eirik den Pakt schließt, den Teufel sieht, zeigt seine Bemerkung über Eiriks Sieg: En sua segta menn at sua mikill
diofuls
craptr
fylgdi
at 2 luti hös hans fellbi
Emkr
konungr
meQ
fiolhyngi (so große Teufelskraft war dabei im Werke, daß König Eirik zwei Drittel des feindlichen Heeres durch Zauberei fällte; Ol. s. Tr., ed P. Groth, S. 51).
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bezogen. Dagegen hat er dieser Untersuchung einen Abschnitt mit dem Titel „ O b j e k t i v e R e l i g i o n " vorausgeschickt und in diesem ausschließlich solche Berichte besprochen, die in den Familiensagas (und der Landnämabök) vorkommen. In diesen Werken sieht er — und sehen andere — eine besondere Gruppe von Darstellungen, die sich von den anderen durch ihre Objektivität und Sachlichkeit unterscheide. • SCHOMERUS äußert sich darüber folgendermaßen (S. 152): „Die isländischen Familiensagas . . . schildern in vorbildlicher Objektivität die Bedeutung der Religion für das Leben der Menschen", und: „Was die Bemerkungen der Sagas so wertvoll macht, ist die unbedingt sachliche Schilderung . . ." (S. 4). Es ist das dieselbe Ansicht, die schon Eugen MOGK vertreten hat: „Durch sie (nämlich die isländischen Sagas) erfahren wir den Glauben des Volkes an seine Gottheiten und den Götter- und Totenkult und damit die wirkliche Religion des Volkes 1 ." Man kann wohl sagen, daß dieses Urteil bisher ziemlich allgemein geteilt wurde, nur Hermann S C H N E I D E R hat in seiner „Germanischen Altertumskunde" (Glaube, S. 289) leise Zweifel geäußert. Man meint, die Familiensagas enthielten im Unterschied zu den übrigen Gruppen zuverlässige Überlieferung und bildeten so ein zwar schmales, aber haltbares Fundament, auf dem sich eine —• wenn auch dürftige, so doch gültige Darstellung der nordischen Religion aufbauen lasse. Diese Ansicht hat, soweit ich sehe, einen dreifachen Grund: I. Man läßt sich beeinflussen durch die realistische Erzählweise der Isländersagas. Sie scheinen die Ereignisse ganz objektiv, sozusagen vom Standpunkt eines neutralen Beobachters, nüchtern und sachlich darzustellen. Dazu kommt eine hohe, auf feiner psychologischer Beobachtung beruhende Kunst der Menschendarstellung, der für jene Zeit so leicht nichts an die Seite zu stellen ist. Das alles ruft den Eindruck großer Wirklichkeitstreue hervor 1 Zur Bewertung der Snorra-Edda als religionsgeschichtliche und mythologische Quelle des nordgermanischen Heidentums, Berichte über d. Verhandl. d. Sachs. Ak. d. Wissenschaften, Phil.-hist. Kl., 84. Bd., 2. Heft, S. 5.
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und schafft ein günstiges Vorurteil für die Wahrheit der erzählten Vorgänge 1 . I I . Man stützt sich auf die von H E U S L E R SO genannte „Freiprosatheorie" (eine wenig glückliche Bezeichnung, da ja gerade nicht an eine freie, sondern eine geformte Überlieferung gedacht ist): nach ihr sind die settsögur im Anschluß an die Ereignisse, die sie schildern, geschaffen und danach in festgefügter Form von Geschlecht zu Geschlecht durch die Jahrhunderte weitergegeben worden, bis sie — in dieser gleichen Gestalt oder doch wenig verändert — aufgeschrieben wurden. Zu dieser Auffassung hat sich zuletzt noch wieder Helge L J U N G B E R G bekannt. Er drückt den Unterschied zwischen den Familien- und den übrigen Sagas so aus: während wir bei den Königssagas und den übrigen historischen Werken mit einem prinzipiell bewertenden und umwertenden Faktor, nämlich mit dem Verfasser zu rechnen haben, bieten die Geschlechtersagas eine mehr oder weniger geradlinige Projektion der ursprünglichen Sagatradition. Diese Sagas gleichen, wie er sagt, als religionsgeschichtliche Dokumente verblichenen und einfarbigen Kopien (a. a. 0., S. 48), d. h.: ihr Bild von der vorchristlichen Religion ist im großen und ganzen richtig, wenn auch etwas unvollständig und verschwommen.
Die Freiprosalehre läßt sich demnach in die beiden Thesen fassen: 1. Die Geschlechtersagas sind als festgefügte künstlerische Erzählungen bald nach den Begebenheiten, also meist noch zur heidnischen Zeit entstanden. 2. Sie sind in dieser Form von Generation zu Generation weitergesagt (gelernt) worden und so im wesentlichen unverändert bis in die Schreibezeit und aufs Pergament gelangt. III. Auch diejenigen Forscher, die den Glauben an solche mündlichen Sagas nicht teilen, rechnen doch in ihrer Mehrzahl sehr stark 1 Es ist hierfür bezeichnend, daß H. LJUNGBERG über die ganz tendenziöslegendäre Geschichte von der Bekehrung des Jarls Valgaut durch Olaf den Heiligen (Fms 5, 321 ff.) urteilt, im großen und ganzen „bürgten die guten psychologischen Züge in dem Bericht für seine Echtheit" (a. a. O., S. 113).
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mit einer f r e i e n mündlichen Tradition, die bewirkte, daß Tatsachen und Vorgänge der heidnischen Zeit Islands (9. und 10. Jahrh.) bis ins 13. Jahrhundert im Gedächtnis der Menschen bewahrt blieben und von den Sagaverfassern aus dem Volksmunde aufgenommen wurden. Die Anschauungen, die diesen Argumenten zugrunde liegen, lassen sich jedoch heute nicht mehr aufrechterhalten. Eine große Meisterschaft in der Kunst realistischer Darstellung ist der Saga gewiß nachzurühmen. Sie bildet einen besonderen Ruhmestitel der altnordischen Prosadichtung und weist ihr in der Literaturgeschichte — nicht nur des Mittelalters — einen hohen Rang an. Aber es ist ein merkwürdiger Fehlschluß, in dieser Kunst einen Garanten für die geschichtliche Wirklichkeit der in den Sagas erzählten Vorgänge zu sehen. Daran hätte schon der Blick auf die moderne realistische Romanliteratur irremachen sollen. Was die Freiprosalehre betrifft, so hat diese von jeher auf schwachen Füßen gestanden. Die von H E Ü S L E R und anderen beigebrachten Belege für die Existenz mündlicher Sagas im 10. und 11. Jahrhundert haben in Wirklichkeit keine Beweiskraft, da sie sich alle erst in Werken des 13. Jahrhunderts finden und über die Beschaffenheit jener Geschichten nichts a u s s a g e n D a r a u s , daß jemand auf einer Hochzeit oder bei einer anderen Gelegenheit zur Unterhaltung der Leute' einmal eine interessante Geschichte erzählte, folgt gar nichts für die Existenz einer mündlichen Sagakunst im Sinne der Freiprosalehre. Aber auch aus allgemeinen literar- und geistesgeschichtlichen Gründen war die innere Wahrscheinlichkeit dieser Theorie gering. Es ist durchaus unglaubhaft, daß künstlerisch geformte Erzählungen wie die Sagas, die eine oft recht bunte Handlung kunstvoll aufbauen, die Ereignisse wirkungsvoll verknüpfen und es lieben, sie in dramatischen Auftritten mit geschliffenem Dialog gipfeln zu lassen, in mündlicher Überlieferung ohne wesentliche Veränderungen jahrhundertelang bestanden haben sollten. Das wäre ein Vorgang, für den es in der 1
Vgl. Dag STRÖMBÄCK, Sejd, S. 15. Baetke, Christliches Lehngut
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Literaturgeschichte kaum eine Parallele gibt. Die Sagakunst als Literatur hat etwa ein halbes Jahrhundert geblüht —• wie andere klassische Literaturen auch — und ihr sollte eine mündliche Sagakunst von jahrhundertelanger Dauer voraufgegangen sein? Auch in damaliger Zeit hat sich der Geschmack gewandelt; was den Menschen des 10. Jahrhunderts recht gewesen war, war denen des 13. nicht mehr billig; zwischen ihnen lag eine Zeit, die durch die mit dem Christentum einströmenden Gedanken und Sitten tiefgreifende seelische Umwandlungen herbeigeführt hatte. Wenn die Menschen des 10. Jahrhunderts Sagas gehabt hätten, so hätten diese zweifellos anders ausgesehen als die uns bekannten. Auch ist eine so konservierende Überlieferung, wie sie die Freiprosalehre voraussetzt, gar nicht möglich. Wie die Untersuchungen Liestols 1 gezeigt haben, gelangt keine mündliche Erzählung unbeschadet von einer Generation zur anderen; jede macht ihre Zusätze und Änderungen. Man kann die Sagas nicht mit den Märchen auf eine Stufe stellen; diese spielen in einem Niemandsland, sie erzählen, was sich nie und nirgends begeben hat. Die Sagas bewegen sich auf geschichtlichem Boden unter bestimmten gesellschaftlichen Verhältnissen, die sich mit der Zeit verändern. Man muß aber auch, wie Dag Strömbäck mit Recht — auch gegen Liestol — betont hat, die hochstehende kunstvolle Geschlechtersaga des 13. Jahrhunderts von den zerstreuten Familien- und Siedlungsüberlieferungen aus dem 9. bis 11. Jahrhundert in Island und Norwegen unterscheiden 2 . Wie steht es aber mit der freien mündlichen Tradition? Ihr gestehen, wie gesagt, auch die Anhänger der Buchprosalehre gern einen erheblichen Einfluß auf die Entstehung und Entwicklung der Saga zu. Aber auch auf sie findet in gewissem Maße die Kritik Anwendung, die sich gegen die mündliche Saga richtet. Zu allen Zeiten hat es mündliche Überlieferungen gegeben; sie werden in den Familien, in den Ortschaften und Landschaften gepflegt. Sie knüpfen sich an die Vorfahren, an bekannte, hervor1
Upphavet til den islendske »ttesaga, Oslo 1929.
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ragende oder beliebte Persönlichkeiten, an außergewöhnliche Ereignisse und deren Schauplätze. Aber es ist außer den nackten Tatsachen meist nur wenig, was im Gedächtnis der Nachkommen bewahrt bleibt, vielleicht einmal ein frappanter Zug, ein treffender Ausspruch oder eine besonders eindrucksvolle Situation. Und auch das wenige hat keine lange Dauer, denn die mündliche Überlieferung hat ihre bestimmten Grenzen. Ob die Menschen in der schriftlosen Zeit im allgemeinen wirklich ein soviel besseres Gedächtnis besessen haben als wir, mag dahingestellt bleiben. (Die berufsmäßige Pflege der Überlieferung im Rechts- und Kultwesen steht auf einem besonderen Blatt.) Worum es sich hier aber handelt, ist nicht die Gedächtniskraft, sondern der Prozeß der Überlieferung von einer Generation zur anderen. Die Forschungen der Folkloristen zu dieser Frage haben ergeben, daß geschichtliche Überlieferungen, wenn ihnen keine Aufzeichnungen zur Seite stehen, selten die zweite, kaum je die dritte Generation überleben 1 . Und auch in dieser Frist bleiben sie nicht unbeschädigt, sondern erleiden die verschiedensten Modifikationen. In die Genealogien und Siedlungsberichte der Landnämabok finden wir eine Menge kleiner Angaben und Bemerkungen über die Personen der Landnehmer und ihrer Nachkommen eingestreut (wohl zu unterscheiden von den von W. H . V O G T SO genannten fräsagnir, kurzen anekdotenartigen Erzählstücken, die zumeist Volkssagen sind). Diese Mitteilungen sind wahrscheinlich von derselben Art wie die mannfrceöi, von denen Bischof Thorlak (in der Thorlakssaga) berichtet, daß er sie neben den settvisi (Geschlechtsregistern) von seiner Mutter gelernt habe. Sie gehörten zu dem Wissensschatz der froöir menn, von denen die Landnämabok mehrere anführt (Prior Brandr inn frööi, Kolskeggr inn froöi, t o r k e l l Gellisson 2 ). Diese Überlieferungen sind zusammen mit den annalistischen und genealogischen — und vielleicht einigen „fräsagnir" 1
Gaston P A B I S behauptete sogar, es gäbe kaum eine mündliche geschichtliche Überlieferung, die die Generation überlebe, der die Zeugen eines Vorganges angehören (Romania 24, 490). 2 Hauksbök, cc. 81, 94, 354. 2*
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— schon früh, bald nach 1100, zu Pergament gebracht worden; Niederschriften solcher Art gehörten zu den zeitigsten auf Island. Auch der Hauptstoff der Landnämabök ist wahrscheinlich im Anfang des 12. Jahrhunderts aufgezeichnet worden, ob nun von Ari, wie B. M. O l s e n und andere w o l l e n o d e r von einem anderen. Damals konnte man noch einigermaßen sichere Kunde aus der Landnahmezeit haben. Zwischen einem Aufzeichner um 1120, der um 1060 geboren wurde, und einem Isländer, der am Ende der Landnahmezeit, um 930, geboren wurde und um 1000 starb, brauchten nur zwei Traditionsträger zu stehen. (Aris erster Lehrer, Hall in Haukadal, der 996 geboren war, mochte seinerseits von Leuten gelernt haben, die von Söhnen der Landnehmer direkte Mitteilungen erhalten hatten.) Auf solche Weise konnte die Kluft zwischen Sagazeit und Schreibezeit einigermaßen überbrückt werden — wenn auch, wie Siguröur N o r d a l mit Recht bemerkt, sicher schon zu Beginn der Schreibezeit sich vieles in der Überlieferung verwischt und verschoben hatte, ohne daß man Mittel hatte, es zu berichtigen 2 . Jedenfalls war damit die äußerste Grenze der Leistungsfähigkeit mündlicher Tradition erreicht. Selbst wenn man annimmt, daß die Bedingungen für eine treue Überlieferung auf Island günstiger gewesen seien als anderswo, so darf man doch nicht so weit gehen, die Gesetze der Volkssage und epischen Überlieferung für dies Land ganz außer Kraft setzen zu wollen. Diese erlauben nicht, damit zu rechnen, wie es immer wieder geschieht, daß Dichter des 13. Jahrhunderts wahre Geschichten aus dem 9. und 10. Jahrhundert noch dem Volksmunde entnehmen konnten. Als einigermaßen verläßliche Quellen für die Sagaverfasser kommen vielmehr nur jene mannigfachen, für verschiedene isländische Landschaften bezeugten, aber größtenteils verlorenen Aufzeichnungen aus der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts in Frage, die wir oben charakterisiert haben. Aber was sie aus diesen ent1
Vgl. Jön Jöhanhesson, Ger5ir Landnämabökar, Reykjavik 1941, und Halldör Hep.mannsson, Ari £>orgilsson frööi, Skirnir, 122. Jahrg., 1948, S. 5 ff. 2 Hrafnkatla, Studia Islandica Bd. 7, Reykjavik u. Kopenhagen 1940, S. 8.
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nehmen konnten, war, wie gesagt, nicht viel, das über nüchterne Tatsachen hinausging, allenfalls einige kurze Charakteristiken, ein merkwürdiger Vorfall, eine denkwürdige Äußerung und dergleichen, jedenfalls keine zusammenhängenden Geschichten, geschweige Erörterungen, Dialoge, Prophezeiungen, Träume, nichts von dem, was den eigentlichen Inhalt der Sagas bildet. Alles, was ihnen etwa noch als mündliche Kunde zufloß, war Sage. Siguröur N O R D A L hat in einer meisterhaften Studie über die Hrafnkelssaga 1 den überzeugenden Nachweis geführt, daß die Handlung dieser Saga, zum mindesten in ihren Hauptpunkten, dichterische Erfindung ist, das Werk eines Verfassers, der am Ende des 13. Jahrhunderts schrieb. Gerade diese Saga hatte man bisher für eine der ältesten und glaubwürdigsten gehalten, für ein besonders glänzendes Beispiel für zuverlässige Überlieferung und eine hochentwickelte mündliche Sagakunst. N O R D A L S Untersuchung hat gelehrt, daß es ein Irrtum war, die Merkmale der „klassischen Saga", wie sie der Hrafnkatla in so hohem Maße eignen: kraftvoller Stil, lebendige und wirklichkeitsnahe Darstellung, geschickte Komposition, gute Charakteristik, als Kriterien für wahrheitsgetreue mündliche Überlieferung oder gar für vorliterarische Existenz anzusehen. Was hier für die Hrafnkelssaga einwandfrei erwiesen ist, gilt ohne Zweifel auch für andere Sagas. S. N O R D A L hat in seiner Schrift selbst das Eingeständnis gemacht, daß die Einleitungen zu den Fornrit-Ausgaben wegen des volkstümlichen Charakters der Sammlung mehr Rücksicht auf die herrschenden Anschauungen vom Wesen der Saga als auf die kritische Wissenschaft genommen haben. Das heißt, selbst diese Abhandlungen, die den fortgeschrittensten Standpunkt der Saga-Philologie vertreten, rechnen mehr als heute noch zulässig mit mündlicher Tradition. Gewiß lassen sich nicht alle Sagas über einen Kamm scheren. Aber wir können mit Sicherheit sagen, daß keine in dem Maße, wie man das bisher angenommen hat, auf mündlicher Über1
Vgl. S. 20, Arm. 2.
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lieferung beruht; der Umfang dessen, was unter dieser zu verstehen ist, muß auf das stärkste eingeschränkt werden. Es ist klar, daß sich von diesen Erkenntnissen aus ein ganz anderes Urteil über den Wert der Sagas als Überlieferer geschichtlichen Wissensstoffes ergibt. Die Freiprosalehre gründete ja ihre Meinung von ihrer Glaubwürdigkeit vor allem auf die vermeintliche Existenz einer schon in der vorliterarischen Zeit festgeformten Saga, die der geschichtlichen Überlieferung als schützendes Gefäß diente, das sie unbeschädigt durch die Jahrhunderte trug. Einer freien, ungeformten Überlieferung, von der wir wissen, welchen Veränderungen und Verfälschungen sie im Laufe der Zeit mit Notwendigkeit unterliegt, kann eine solche Funktion nicht zugetraut werden. Bedenkt man, daß zwischen der Landnahmezeit und dem Höhepunkt der klassischen Sagakunst wenigstens 300 Jahre liegen, dann kann von einer zuverlässigen Überlieferung überhaupt keine Rede sein. Dazu kommt, daß die Familiensagas gar nicht den Ehrgeiz hatten, Hüter historischer Wahrheit zu sein. Es kann heute nicht mehr zweifelhaft sein, daß die Buchprosatheorie recht hat, wenn sie in den Familiensagas Literaturwerke sieht, die in der Zeit vom Ende des 12. bis Ende des 13. Jahrhunderts von schreibenden Verfassern geschaffen wurden. Insofern fällt der grundsätzliche Unterschied zwischen historischen und Familiensagas fort. Beide sind Produkte der Schreibezeit. In vielem verfuhren auch die Verfasser der aettsögur nach denselben methodischen Prinzipien, wie sie bei der Abfassung der Königssagas befolgt wurden. Während aber die Verfasser der Königssagas im allgemeinen wenigstens den guten Willen hatten, Geschichte zu schreiben, wenn auch auf ihre Art, so lag dies Ziel den settsögur völlig fern. Sie verfolgten künstlerische, nicht wissenschaftliche Zwecke. Was sie wollten, war, unterhaltsame, wenn möglich spannende Erzählungen zu schreiben. Die Tradition, die ihnen über jene settvisi und mannfroeöi zufloß, diente ihnen lediglich als Rohstoff für ihre Arbeit; sie verwendeten sie nach ihren Absichten und mit ihren Mitteln, d. h. nach den Gesetzen des künst-
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lerischen Schaffens, völlig frei. Siguröur N O R D A L hat in jener Studie über die Hrafnkatla gezeigt, daß die Abweichungen der Saga von der Lnb. und anderen Quellen weder auf besserer Kenntnis noch auf verderbter Tradition beruhen, sondern auf bewußten Änderungen des Verfassers, der diese Quellen wahrscheinlich kannte, aber von ihnen abwich, weil ihm nichts an der historischen Wahrheit lag. Das gleiche gilt, wie ebenfalls N O R D A L (a. a. 0., S. 73, Anm. 1) bemerkt hat, auch für die genealogische Abweichung der HoensnaJ)6rissaga von der Landnämabok. Wir dürfen diese Einsicht mit gutem Recht verallgemeinern. Ob und wieweit die Vorgänge und die Personen ihrer Erzählungen zu der geschichtlichen Wirklichkeit stimmten, hat die Verfasser der Familiensagas kaum mehr bekümmert als einen modernen Romanschriftsteller. — Wenden wir uns nun der Frage nach der religiösen Überlieferung zu, so gilt es, sich vor allem zweierlei klarzumachen. 1. Wie in der mündlichen Tradition überhaupt, sind auch aus dem religiösen Bereich höchstens einzelne Tatsachen oder Vorgänge, also äußere Daten, überliefert worden, dagegen wenig oder gar nichts, was das religiöse Leben oder die religiösen Anschauungen der Menschen betrifft. 2. Die Traditionsträger waren zwei Jahrhunderte lang Christen. Nach wenigen Generationen schwand nicht nur die Kenntnis der heidnischen Religion dahin, sondern ebenso auch das Verständnis für sie. Und in demselben Maße wuchs die Gefahr, daß auch die überlieferten Tatsachen umgedeutet und umgestaltet wurden. Natürlich müssen wir — gerade auf diesem Gebiet — auch die frei gestaltende und umgestaltende Arbeit der Verfasser viel mehr in Rechnung stellen, wenn wir mit literarischen Schöpfungen des 12./13. Jahrhunderts statt mit mündlichen Sagas des 10. Jahrhunderts rechnen. Den Sagaverfasser der Schreibezeit trennte von den Ereignissen nicht nur eine weit größere Zeitspanne, er mußte der heidnischen Überlieferung auch persönlich ganz anders gegenüberstehen als der von der Freiprosatheorie gemeinte Erzähler der Sagazeit. Man läßt sich gewöhnlich von der Ansicht leiten, die Isländersaga sei einer romantischen Liebe oder einem historischen
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Interesse für die Vorzeit, die für Island die Landnahmezeit war, entsprungen. Aber wenn das auch zum Teil zutreffen mag, so ist es doch für die Beurteilung der Saga nicht wesentlich. Die Isländersaga ist, wie gesagt, eine literarische Schöpfung und verfolgt vornehmlich ästhetische — daneben z . T . erbauliche — Zwecke: sie will mit künstlerischen Mitteln auf das Gemüt und die Phantasie der Leser einwirken. Und sie ist in dem Sinne eine eminent epische Kunstform, als es ihr nur auf die Handlung ankommt, nie auf das ruhende Sein; die Umwelt, in der sich die Ereignisse abspielen, interessiert sie nur insoweit, als es sich um Umstände handelt, die die Handlung bedingen oder ermöglichen 1 . Das ist einer der Gründe, weshalb so (verhältnismäßig) wenig von religiösen Dingen in der Saga die Rede ist. Es hatte aber auch zur Folge, daß die Überlieferung überall da, wo es den künstlerischen Absichten entsprach, umgebogen und gefärbt wurde. Und weiter: die Verfasser der Sagas waren gelehrte, d . h . des Schreibens kundige und im Sinne der Zeit literarisch gebildete Leute. Sie standen — 200 Jahre und mehr nach der Einführung des Christentums — dem Heidentum fern und hatten nur unklare Vorstellungen von ihm. Mag die Überlieferung ihnen auch die eine oder andere Angabe über die heidnische Religion zugeführt haben, so besagte das wenig; im ganzen war ihre Auffassung von ihr bestimmt durch die religiösen Ideen ihrer eigenen Zeit. Sie sahen sie gewiß nicht alle durch das Klosterfenster, aber doch durch die Brille ihrer geistlich-gelehrten Bildung. Dabei konnte es nicht ausbleiben, daß man —• wie auf anderem so auch auf diesem Gebiet — die eigenen Anschauungen und Vorstellungen in die Vergangenheit übertrug, das heißt aber, d a ß m a n s i c h die h e i d n i s c h e R e l i g i o n nach dem Bilde der c h r i s t l i c h e n m a l t e . Manche Erscheinungen, die man im Glauben an die wahrheitsgetreue Überlieferung in den Sagas bisher für Eigentümlichkeiten der nordischen Religion gehalten hat, 1
Vgl. W. BAETKE, Zum Erzählstil der Isländersagas, Mitteilungen der Islandfreunde, 1930, S. 63 ff.
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erweisen sich im Lichte quellenkritischer Betrachtung zürn mindesten mit großer Wahrscheinlichkeit als literarische Analogiebildungen der christlichen Erzähler. 2. Weihen und Segnen Mit einer solchen Analogieschöpfung haben wir es wahrscheinlich bei der nordischen „Wasserweihe" zu tun. In einer ganzen Reihe von Fällen berichten die Sagas, daß man neugeborene Kinder bei der Namengebung mit Wasser besprengte (der terminus technicus dafür ist ,,ausa vatni" 1 ). Konrad M A U K E R hat in einer Abhandlung der bayrischen Akademie vom Jahre 1881 die sogen, germanische Wasserweihe untersucht und festgestellt, daß sich bei keinem südgermanischen Stamm für die heidnische Zeit der Gebrauch der Wasserweihe nachweisen läßt. Auch die ostnordischen Quellen wissen nichts von ihm. M A U R E R nahm auf Grund der Sagas an, daß die Nordwestgermanen infolge ihrer Berührungen mit christlichen Völkern bereits in ihrer heidnischen Zeit den Gebrauch der Wasserweihe in Verbindung mit der Namengebung angenommen hätten. Das ist eine Möglichkeit, die Sache zu erklären. Aber wenn man aufgehört hat, die Sagas als Geschichtsquellen zu betrachten, liegt die Annahme mindestens ebenso nahe, daß die Sagaverfasser die christliche Sitte einfach ins Heidentum übertragen haben. Keine der Stellen, wo die Wasserweihe erwähnt wird, hat den Wert einer Geschichtsquelle. Die Rigspula ist kaum vor 1200 entstanden (vgl. J A N D E VRIES, Altn. Lit. Gesch. I I , S. 64). Auch die Hävamälstrophe 158 2 kann nicht als alt und heidnisch gelten. Daß heidnische Germanen die Wasserweihe, wenn es eine solche gab, als Schutz gegen Verwundung und Tod im Kampf ansahen, ist nicht wohl anzunehmen. Einen solchen Glauben kann man eher einem mittelalterlichen Christen zutrauen. HEUSLERhält mehrere Strophendes Ljoöatal, 1
Eyrb. s. c. 11, Egilss. e. 31, Laxd. s. c. 25, Gisl. s. c. 18 u. ö. frat kann ik prettdnda. ef ek skal fiegn ungan verpa vatni d, munat kann falla, pöti kann i folk komt, hnigra sä halr fyr hiorom. (Einen 13. [Zauberspruch] kann ich: wenn ich einen jungen Degen mit Wasser begießen soll: er wird nicht fallen, kommt er ins Heervolk auch; nicht sinkt der Held vor den Schwertern dahin.) 2
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erweisen sich im Lichte quellenkritischer Betrachtung zürn mindesten mit großer Wahrscheinlichkeit als literarische Analogiebildungen der christlichen Erzähler. 2. Weihen und Segnen Mit einer solchen Analogieschöpfung haben wir es wahrscheinlich bei der nordischen „Wasserweihe" zu tun. In einer ganzen Reihe von Fällen berichten die Sagas, daß man neugeborene Kinder bei der Namengebung mit Wasser besprengte (der terminus technicus dafür ist ,,ausa vatni" 1 ). Konrad M A U K E R hat in einer Abhandlung der bayrischen Akademie vom Jahre 1881 die sogen, germanische Wasserweihe untersucht und festgestellt, daß sich bei keinem südgermanischen Stamm für die heidnische Zeit der Gebrauch der Wasserweihe nachweisen läßt. Auch die ostnordischen Quellen wissen nichts von ihm. M A U R E R nahm auf Grund der Sagas an, daß die Nordwestgermanen infolge ihrer Berührungen mit christlichen Völkern bereits in ihrer heidnischen Zeit den Gebrauch der Wasserweihe in Verbindung mit der Namengebung angenommen hätten. Das ist eine Möglichkeit, die Sache zu erklären. Aber wenn man aufgehört hat, die Sagas als Geschichtsquellen zu betrachten, liegt die Annahme mindestens ebenso nahe, daß die Sagaverfasser die christliche Sitte einfach ins Heidentum übertragen haben. Keine der Stellen, wo die Wasserweihe erwähnt wird, hat den Wert einer Geschichtsquelle. Die Rigspula ist kaum vor 1200 entstanden (vgl. J A N D E VRIES, Altn. Lit. Gesch. I I , S. 64). Auch die Hävamälstrophe 158 2 kann nicht als alt und heidnisch gelten. Daß heidnische Germanen die Wasserweihe, wenn es eine solche gab, als Schutz gegen Verwundung und Tod im Kampf ansahen, ist nicht wohl anzunehmen. Einen solchen Glauben kann man eher einem mittelalterlichen Christen zutrauen. HEUSLERhält mehrere Strophendes Ljoöatal, 1
Eyrb. s. c. 11, Egilss. e. 31, Laxd. s. c. 25, Gisl. s. c. 18 u. ö. frat kann ik prettdnda. ef ek skal fiegn ungan verpa vatni d, munat kann falla, pöti kann i folk komt, hnigra sä halr fyr hiorom. (Einen 13. [Zauberspruch] kann ich: wenn ich einen jungen Degen mit Wasser begießen soll: er wird nicht fallen, kommt er ins Heervolk auch; nicht sinkt der Held vor den Schwertern dahin.) 2
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besonders die auf 158 folgenden, für spätere Zutaten; 158 wird man, wie ich meine, auch dazu rechnen müssen. Wenn in einer Saga sogar die Vorstellung eine Rolle spielt, daß der Mann, der einen Knaben mit Wasser besprengt hat, also sozusagen der Pate, diesem nichts antun, z. B. ihn im Kampf nicht verletzen dürfe so ist hier die Parallele zur christlichen Taufe vollkommen. (Man vergleiche den Bericht Gregors von Tours, Historia Francorum III, c. 23: Theudebert lehnte es ab, seinen Vetter Sigivald zu töten, weil er ihn aus der heiligen Taufe gehoben hatte.) Das muß den Verdacht gegen die übrigen Zeugnisse verstärken. Die Eyrb. s. knüpft in zwei Fällen (aus derselben Familie) an die Namengebung die Mitteilung, daß die betreffenden Kinder dem Gotte Thor „gegeben" und nach ihm benannt wurden; es handelt sich um Thorstein Dorschbeißer und seinen Sohn Thorgrim (c. 7 und 11). Das hat seine Entsprechung in der Sitte des katholischen Mittelalters, unter gewissen Voraussetzungen ein Kind Gott zu weihen, indem man es zum Priester bestimmte oder in ein Kloster steckte. An der einen der beiden genannten Stellen wird der Mitteilung von der Wasserweihe sogar noch hinzugefügt: diesen Knaben gab Thorstein dem Thor und bestimmte ihn zum Tempelgoden. Bei der engen Verbindung des Kultamtes mit den politischen Funktionen im nordischen Heidentum ist eine Bestimmung oder Weihung solcher Art durchaus unglaubhaft. Sie widerspricht auch der Mitteilung der Landnämabök, daß auf Island die Männer, die zur Betreuung der Tempel, also als Goden eingesetzt wurden, nach ihrer Klugheit und Rechtschaffenheit ausgewählt wurden (Hauksb. c. 268). Es spricht viel dafür, daß der Verfasser der Saga, der ja auch bei der Schilderung des heidnischen Tempels in c. 4 sich von dem Bilde der christlichen Kirche hat beeinflussen lassen, diese Weihungen aus der Religion seiner Zeit entlehnt hat. Auch andere Weihungen, von denen die Sagas erzählen, unterliegen dem gleichen Verdacht. Angaben wie die, daß ein Land1 par stendr pü, özurr, quad Helgi, ok mun ek ekkt vid per siä,])vi at pü löst mik vatni (da stehst du, Özur, sagte Helgi, vor dir brauche ich mich nicht vorzusehen, denn du hast mich mit Wasser besprengt; Droplaugars. s. c. 10).
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nehmer einen Streifen Landes „zum Tempel legte" (Lnb. Hauksb. c. 305) oder daß ein heidnischer Priester seinem Lieblingsgotte (Frey) die Hälfte seiner Habe schenkte (Hrafnkelssaga c. 3), erinnern, um für wahr zu passieren, zu sehr an die Schenkungen, die man im Mittelalter Gott oder der Kirche zu machen pflegte. Ja, vielleicht wollte der Verfasser der Hrafnkelssaga jenen frommen Priester seinen christlichen Lesern als Vorbild hinstellen! Diese Vermutung ist nicht so abwegig, wie sie zuerst scheinen mag, nachdem sich herausgestellt hat, daß diese Saga das Werk eines Verfassers des späten 13. Jahrhunderts und auf einem christlichen Grundgedanken aufgebaut ist. (Siehe unten S. 42f.) Ähnlich liegt es bei einer Episode der Hallfredssaga. Wenn sie erzählt, Hallfred und seine Genossen hätten unterwegs auf die Nachricht hin, daß Olaf Tryggvason in Norwegen eine neue Religion einführe, gelobt, dem Frey reiches Gut zu schenken, wenn sie nach Schweden, dem Thor und Odin aber, wenn sie nach Island kämen, so ist das kein historischer Bericht, sondern eine Erfindung des Verfassers, die in diesem Falle eine klare christliche Tendenz h a t ; denn die Gelübde helfen nichts, Hallfred muß Norwegen anlaufen und — so ist es Gottes Wille — Christ werden. Hier sei auch noch die Angabe der Svarfdcelasaga (c. 7) erwähnt, wonach der Berserker Moldi einen Zweikampf in der Julzeit ablehnte, um „die heilige Götterzeit nicht zu entweihen". Eine solche Äußerung, noch dazu aus diesem Munde \ hat natürlich keinerlei Quellenwert, sondern projiziert nur die christliche Feiertagsheiligung ins Heidnische hinein 2 . Zweifellos um eine den Heiden nachträglich beigelegte Sitte handelt es sich bei der „Segnung" des Mahles. Die Meinung, man habe in heidnischer Zeit beim Opffermahl Speise und Trank mit dem Thorshammer geweiht, gründet sich vor allem auf Snorris 1
Kämpfe mit Berserkern sind in den Sagas ein beliebtes Motiv, haben aber nur den Wert von Räubergeschichten ohne geschichtlichen Hintergrund. 2 Auch Julgeschenke dürfte man sich in der heidnischen Zeit kaum gemacht haben, wie das einige Sagas vorauszusetzen scheinen (Egilssaga c. 67, 10, Nj&la c. 31 u. ö.).
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Heimskringla. In der Hak. s. goöa, c. 14, wird erzählt: es sei Sitte gewesen, beim Opfer den Becher und das Opferfleisch zu segnen oder zu weihen (signa), und a l s d e r christliche König Hakon über dem Becher das Kreuzeszeichen macht, erklärt der Jarl Sigurd (der seinen Becher selbst Odin „segnet"), um die Drontheimer Bauern zu beschwichtigen, das so, daß der König das Hammerzeichen gemacht und seinen Becher Thor geweiht habe. Aber auch diesen Bericht, so realistisch er anmutet, dürfen wir nicht als historische Quelle nehmen; er ist eine dichterische Meisterleistung Snorris, der es verstand, aus den kurzen Angaben seiner Vorgänger (vgl. Ägrip V, 17—19) eine ganze dramatische Szene aufzubauen. Eine eigenartige Rolle spielt das Segnen des Bechers in der Egilssaga bei dem „Disenopfer" auf Atley. Die Königin Gurinhild und Bard mischen einen Gifttrank für Egil, und ehe er diesem überreicht wird, „segnet" ihn B a r d 1 ; aber Egil ritzt Runen in das Trinkhorn und bestreicht sie mit seinem Blut, worauf das Horn zerspringt und das Bier auf die Erde fließt (c. 44). Dazu spricht er eine Strophe, in der das Bier, das Bard gesegnet hat, erwähnt wird 2 . Hier wird das Segnen des Bechers offenbar als eine magische Handlung, eine Art Schadenzauber aufgefaßt, der durch Egils Runenzauber unwirksam gemacht wird 3 . Natürlich ist dieser ganze Vorgang erfunden, und alle Wahrscheinlichkeit spricht dafür, daß auch die Strophe unecht ist. Sie kann für die heidnische Sitte nichts beweisen 4 . Auch Strophe 8 der Sigrdrifumäl läßt sich nicht 1
Wenn die Übersetzung Thüle Bd. 3, S. 116, hier hat: Bard weihte den Becher mit dem Zeichen von Thors Hammer, so geht sie über das Original hinaus; dort steht nur: signdi Barör fulht. 2 ol pats Barör signdi, Str. 9, nach der Zählung in der Ausgabe von Finnur JÖNs'soN, Saga-Bibl. Bd. 3, S. 125. 3 Um Zauberei handelt es sich auch bei dem „Segnen" von Renntierfellen, F i a t . I I I , 245 (hefir ek fia sua signada bita). 4
ok magnada
at emgann
peirra
mun
tarn
Über die Echtheit der in der Egilssaga Egil beigelegten lausavisur herrscht große Unsicherheit. Die Ansichten der Forscher gehen weit auseinander. Es gibt sehr wenige Strophen, über deren Echtheit sich alle einig sind. Unsere Strophe gehört nicht zu ihnen. Erik N O R E E N S Urteil (Upps. Univ. Arsskr. 1922, S. 32), daß man in den meisten Fällen kaum zu einem sicheren Ergebnis
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für sie ins Feld f ü h r e n S i e fällt schon durch ihren von den andern Runenstrophen abweichenden Anfang auf, verrät aber auch einen ganz andern Geist; auch H E U S L E E hielt sie darum für eine spätere Zutat (Thüle I, S. 167). kommen kann, gilt auch heute noch. Er selbst erklärt, bei 7 Strophen bestimmte Gründe f ü r die Echtheit anführen zu können •— darunter ist nicht die unsere. Natürlich ist das Urteil über die Echtheit sehr stark abhängig von der Ansicht, die m a n von der geschichtlichen Glaubwürdigkeit der Egilssaga hat. H ä l t m a n die in ihr erzählten Vorgänge f ü r wahr und die Persönlichkeit Egils, wie sie die Saga zeichnet, f ü r geschichtlich, so wird man geneigt sein, die Strophen, die damit übereinstimmen, f ü r echt zu halten. I m andern Falle bleibt die Entscheidung offen. So begründet Erik NORKEN die Echtheit der Str. 48 (38) u. a. damit, daß sitt innehäll överensstämmer med vad vi för övrigt veta om Egil — a t han var en stor runmästare. J a , das war er nach der Saga! Aber wenn erst der Verfasser derselben sich h a t angelegen sein lassen, ihn als solchen zu zeichnen? Dann findet weder Str. 48 noch Str. 9 in dieser Übereinstimmung eine Stütze. Eher ist das Gegenteil der Fall, da gerade die Partien, in denen Runenmagie eine Rolle spielt, den Eindruck der Erfindung machen. Zauberei ist j a in der ganzen Sagaliteratur eins der beliebtesten Erzählmotive (vgl. BLEY, Eiglastudien S. 83). Auch Siguröur NORDAL scheint einige Zweifel an der Echtheit von Str. 9 zu hegen. Wenigstens bemerkt er (Fornrit II, S. XI), es sei nicht unwahrscheinlich, daß die Strophen, die Egil angeblich auf dem Gastmahl zu Atley gedichtet hat, in besserer Muße verfaßt oder mindestens geglättet wurden. NORDAL denkt sich ja die Entstehung der Egilssaga so, daß sie großenteils auf Egils eigenen Berichten beruhe, dieser habe dabei nachträglich einige Strophen in seine Erzählung eingefügt. Das ist eine mir sehr unwahrscheinliche Hypothese. Die Egilssaga ist ebenso wie die Njäla und die Laxdcelasaga das Werk eines Dichters des 13. Jahrhunderts, dem nicht mehr Traditionsstoff zugrunde liegt als den andern Sagas auch. (Per WIESELGREN h a t sich vergeblich bemüht, das Gegenteil zu beweisen; seine Argumente sind nicht überzeugend; vgl. HOLLANDER, Journal of English and Germanic Philol. 32, S. 33 ff.) Geht man davon aus, so muß NORDALS berechtigter Zweifel daran, daß die Strophen in der von der Saga geschilderten Situation entstanden sein können, sich zu der Gewißheit verdichten, daß sie unecht sind. Sie stammen ebenso wie die übrigen unechten visur (deren Zahl die der echten gewiß übersteigt) von dem Verfasser der Saga. 1
Füll
skal
Signa
ok vtd
fdn
sid ok verpa
lauki
i log;
J>ä ek J>at veit,
at
per
verdr aldri meinblandmn miodr. (Den Becher soll man segnen und vor Unheil schützen, werfen Lauch in den Trunk. Dann weiß ich, daß der Met dir nie mit Bösem gemischt wird.)
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Für literarische Entlehnung des Segensbrauchs aus dem Christentum spricht einmal das Wort signa selbst, das ein christliches Lehnwort ist (der entsprechende heidnische Ausdruck scheint nach dem Zeugnis der Runeninschriften vigja gewesen zu sein1), vor allem aber die Unwahrscheinlichkeit einer mit der christlichen völlig identischen heidnischen Sitte. Wo das christliche Bekreuzen gemeint ist, wird derselbe Ausdruck gebraucht, z. B. Föstbr. s. c. 6: Butraldi signdi skamma stund; Eyrb. c. 51: signdu mat sinn. Gewiß nicht zufällig findet sich auch für die Egilsepisode ein Vorbild in der Legendenliteratur. Die Legende von St. Georg erzählt, ein heidnischer Zauberer habe unter Beschwörungen und Anrufungen der Götter Gift in einen Wein getan und ihn Georg zu trinken gegeben. Der aber machte das Kreuz über dem Becher und trank den Wein ohne Schaden 2 . Hier haben wir dieselbe magische Auffassung des Kreuzeszeichens wie dort." Das entsprach ja durchaus dem Glauben der katholischen Kirche des Mittelalters: das christliche Zeichen macht das Gift unwirksam. Das heidnische „Segnen" (weil Zauberei) dient im Gegenteil dazu, die tödliche Wirkung zu verstärken; dies dürfen wir als die Meinung des Verfassers der Egilssaga betrachten. Es ist die Meinung eines Christen. 3. Gebet und Opfer In der Sturlaschen Rezension der Lnb. (c. 15) wird erzählt, daß der christliche Landnehmer Örlyg, als er auf der Fahrt nach Island mit seinem Schiff verschlagen wird, zu seinem Schutzheiligen Patrek betet und bald darauf auch Land findet; Hauksbök fügt hinzu, daß Örlygs heidnischer Landsmann Koll, der ihn auf einem andern Schiff begleitet, in der gleichen Situation den Gott Thor anruft, danach von Örlyg getrennt wird und Schiffbruch erleidet. Natürlich ist letzteres eine spätere Erfindung — ihre Absicht liegt klar zutage; sie soll die Nutzlosigkeit des heidnischen Gebetes 1
Vgl. W. BAETKE, Das Heilige im Germanischen, S. 106 ff. Legenda aurea des Jacobus a Voragine, hgg. von Th. GBAESSE, Dresden und Leipzig 1846, S. 262. 2
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Für literarische Entlehnung des Segensbrauchs aus dem Christentum spricht einmal das Wort signa selbst, das ein christliches Lehnwort ist (der entsprechende heidnische Ausdruck scheint nach dem Zeugnis der Runeninschriften vigja gewesen zu sein1), vor allem aber die Unwahrscheinlichkeit einer mit der christlichen völlig identischen heidnischen Sitte. Wo das christliche Bekreuzen gemeint ist, wird derselbe Ausdruck gebraucht, z. B. Föstbr. s. c. 6: Butraldi signdi skamma stund; Eyrb. c. 51: signdu mat sinn. Gewiß nicht zufällig findet sich auch für die Egilsepisode ein Vorbild in der Legendenliteratur. Die Legende von St. Georg erzählt, ein heidnischer Zauberer habe unter Beschwörungen und Anrufungen der Götter Gift in einen Wein getan und ihn Georg zu trinken gegeben. Der aber machte das Kreuz über dem Becher und trank den Wein ohne Schaden 2 . Hier haben wir dieselbe magische Auffassung des Kreuzeszeichens wie dort." Das entsprach ja durchaus dem Glauben der katholischen Kirche des Mittelalters: das christliche Zeichen macht das Gift unwirksam. Das heidnische „Segnen" (weil Zauberei) dient im Gegenteil dazu, die tödliche Wirkung zu verstärken; dies dürfen wir als die Meinung des Verfassers der Egilssaga betrachten. Es ist die Meinung eines Christen. 3. Gebet und Opfer In der Sturlaschen Rezension der Lnb. (c. 15) wird erzählt, daß der christliche Landnehmer Örlyg, als er auf der Fahrt nach Island mit seinem Schiff verschlagen wird, zu seinem Schutzheiligen Patrek betet und bald darauf auch Land findet; Hauksbök fügt hinzu, daß Örlygs heidnischer Landsmann Koll, der ihn auf einem andern Schiff begleitet, in der gleichen Situation den Gott Thor anruft, danach von Örlyg getrennt wird und Schiffbruch erleidet. Natürlich ist letzteres eine spätere Erfindung — ihre Absicht liegt klar zutage; sie soll die Nutzlosigkeit des heidnischen Gebetes 1
Vgl. W. BAETKE, Das Heilige im Germanischen, S. 106 ff. Legenda aurea des Jacobus a Voragine, hgg. von Th. GBAESSE, Dresden und Leipzig 1846, S. 262. 2
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erweisen. Die gleiche Tendenz verfolgt die Erzählung von dem Heiden Thorhall in der Eirikssaga rauöa (E>orfinnssaga karlsefnis) c. 8; Thorhall ruft in seiner Hungersnot Thor, seinen „fulltrui", an, mit dem Erfolg, daß ein Walfisch an Land treibt; aber allen, die von dem Fleisch essen, wird übel, und als die Christen erfahren, daß Thor es gesandt habe, werfen sie es ins Meer; bald darauf wird ihr Gebet erhört und sie finden auf einem andern Wege Nahrung. Der Thor verehr er Thor hall aber kommt ums Leben. Es wäre vollkommen irrig, in dem Bericht einen Beleg für einen nordischen „Fulltruiglauben" oder überhaupt ein echtes religiöses Verhältnis zwischen einem Heiden und seifiem Gott zu sehen 1 . Was gezeigt werden soll, ist vielmehr das Verderbliche der heidnischen Religion 2 . Uns interessiert hier jedoch nicht so sehr die gegen' das Heidentum gerichtete Tendenz dieser Geschichten als vielmehr das Gebet, das sie den Heiden nach Analogie des christlichen Gebetes zuschreiben. Der legendäre Charakter dieser Berichte ist geeignet, uns an der Echtheit auch anderer Geschichten irrezumachen, in denen Heidenmenschen sich in Not und Gefahr oder sonst mit einem persönlichen Anliegen an einen heidnischen Gott um Rat oder Hilfe wenden. Es ist natürlich wieder mit der Möglichkeit zu rechnen, daß dort, wo Christen und Heiden zusammenwohnten, die christliche Sitte des Gebetes von den Heiden nachgeahmt wurde. Wahrscheinlich ist das nicht; jedenfalls lassen sich nicht alle in den Sagas berichteten Anrufungen auf diese Weise erklären. \ Noch weniger ist ein solches zu entnehmen aus der Geschichte von der Versuchung Thorgils' durch Thor in der Flöamannasaga oder aus der Erzählung von der Bekehrung Dala-Guöbrands in der Heimskringla (Ol. s. h. c. 1 1 2 / 1 3 ) ; beide sind ganz legendär und qhne historischen Wert, was LJUTSGBERG verkennt. Guöbrands starker Glaube an Thor und sein zähes Festhalten an der alten Religion sollen nur dazu dienen, den schließlichen Sieg des Christengottes über diesen verstockten Heiden um so eindrucksvoller erscheinen zu lassen; vgl. hierzu die Dissertation von Ekkehard V E S P E R . V E S P E R betrachtet die beiden Fälle (Koll und Thörhall) unter dem Gesichtspunkt" der Machtprobe. 2
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Ganz unglaubwürdig muten von vornherein vereinzelte Sagaberichte an, wonach heidnische Männer im Tempel vor dem Götterbild oder Altar im Gebet niedergekniet seien oder sich zur Erde geworfen hätten (Nj. c. 88; Harö. c. 38; Kjaln. c. 4 u.a.). Sie widersprechen allem, was wir sonst von der religiösen Haltung der Germanen wissen. Es ist auch kaum anzunehmen, daß ein heidnischer Isländer, wie die Gunnlaugssaga (c. 13) wissen will, vor einem Zweikampf zu Thor um Sieg rief; vielmehr soll mit diesem Zug nur der Schaden motiviert werden, den der Held der Saga, Gunnlaug, aus dem Kampf davonträgt. Einem gleichen Zweck dient in der Vigaglûmssaga die Erzählung von Thorkel dem Hohen, der dem Gotte Frey einen Ochsen opfert mit der Bitte, sein Gegner Glum möge aus seinem Besitztum vertrieben werden, was dann auch eintritt. In solchen Berichten macht sich eine auch sonst zu beobachtende Neigung der Sagaverfasser bemerkbar, gewisse, besonders unerwartete und befremdende Vorgänge religiös oder magisch zu motivieren; sie sind also ebenso zu beurteilen wie die Flüche oder Schadenzaubersprüche, die das Schicksal von Männern wie Gisli, Kormak, Grettir u. a. bestimmen. Zuweilen — wie in der Vigaglûmssaga — sind beide — Religion und Magie — als wirkende Faktoren miteinander verflochten. Die Sturla-Redaktion der Lnb. berichtet (c. 123), Hallstein, der Sohn Thorolf Mostrarskeggs, habe dem Gotte Thor dazu geopfert, daß er ihm Hochsitzsäulen für seinen Hausbau sende. Die Hauksbök (c. 95) fügt dem hinzu „ok gaf par til sun sinn" (und er gab dafür seinen Sohn), wobei „geben" wohl als opfern und nicht als bloße Weihe wie in der Eyrb. s. gemeint ist. Doch ist beides gleich unwahrscheinlich. Die Mitteilung erinnert an den Bericht der Jömsvikingasaga von der Schlacht in der Hjörungabucht (986); danach soll Jarl Hakon, nachdem er die Göttin Thorgerd Hölgabrud wiederholt vergeblich um den Sieg gebeten hatte, ihr schließlich seinen siebenjährigen Sohn Erling geopfert haben (Fiat. I, 191). In diesem Falle läßt sich nachweisen, daß dies eine spätere Zutat ist; die älteren Nachrichten über die Schlacht wissen nichts von einem Opfer 1
V g l . R . SCHOMERUS, a . a . O . , S . 1 1 4 f .
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Nach der Fagrsk. c. 19 und 20 nahm Erling als Führer eines Schiffes an der Schlacht teil. Und so ist auch die Angabe der Hauksbok über das Hallstein-Opfer zweifellos eine nachträgliche religiöse Verbrämung und hat nicht, wie Jon Johannesson (Geröir Landnämabokar, S. 183) vermutet, in der ursprünglichen Fassung der Lnb. gestanden. SCHOMERUS rechnet den Bericht der Jömsvikingasaga zu denen, in denen der heidnische Kult in tendenziöser Weise entstellt wird, um ihn herabzusetzen. Eine solche Absicht kann hier aber nicht vorliegen, da das Opfer —• wie dasjenige Hallsteins —• den gewünschten Erfolg h a t : die Göttin schickt ein Unwetter, das Hakon den Sieg verschafft. Vielmehr liegt es hier ganz wie in den übrigen Fällen. Die christlichen Verfasser suchen besondere Schicksale und außergewöhnliche Erfolge der Heiden damit zu erklären, d a ß diese sich betend und opfernd an die Götter gewandt haben. Nach der Lnb. (Sturlubök c. 5) fand einer der drei Entdecker Islands, Floki Vilgerdssohn, die Insel auf die Weise, daß er aus Norwegen drei Raben mit an Bord nahm; als er unterwegs den einen losließ, flog der zum Steven zurück; der zweite flog in die Luft empor und auch zum Schiff zurück; der dritte flog über den Steven voraus in der Richtung, in der sie dann das Land fanden. Dieser Bericht erinnert etwas an Noahs drei Tauben; schon die Dreizahl macht ihn verdächtig. Die Hauksbok (c. 5) erweitert ihn noch durch die Angabe, Floki habe vor der Ausfahrt ein großes Opfer veranstaltet (fekk at blöti miklu) und die drei Raben geweiht (blötadi rafna III), die ihm den Weg weisen sollten. Während Sturlubök nur mitteilt, daß er dort, wo es Flokiswarte heißt, aussegelte, sagt Hauksbok, sie hätten dort eine Warte errichtet, wo das Opfer stattgefunden hatte. Man wird nach allem auch dieses Opfer und die damit verbundene Weihung der Raben nicht als historisch betrachten können, sondern darin ein — von geistlicher Hand nachgetragenes — legendäres Motiv sehen müssen, das ebenfalls ein geschichtlich bedeutendes Ereignis religiös unterbauen soll 1 . 1 Es ist natürlich kein Zufall, daß die religiös charakterisierten Angaben über Koll, Hallstein und Floki sämtlich in der Sturlubök fehlen. Die sog.
Baetke, Christliches Lehngut
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WALTER BAETKE
Der gleichen Beurteilung unterliegt die Angabe der Eyrbyggja (c. 4), Thorolf Mostrarskegg habe vor seiner Ausfahrt ein großes mit einem Orakel verbundenes Opfer veranstaltet ( f e k k at bloti miklu); der Parallelbericht der Lnb. (Hauksbök c. 73, Sturlubok c. 85) weiß nichts davon (vgl. S. 35). Der Zweifel an der Echtheit dieser Berichte wird dadurch bestärkt, daß sie alle ein starkes persönliches Verhältnis zwischen Mensch und Gott voraussetzen, wie es dem Christentum eigentümlich ist, in der heidnischen Religion aber kaum vorausgesetzt werden kann. Im allgemeinen kann man sagen, die heidnische Religion ruht nicht auf dem persönlichen Glauben, sondern auf dem Kult, der eine res publica war wie das Recht und die Sitte, ja eigentlich unter diese subsumiert wurde, wie die altgermanische Terminologie lehrt (siör, ewa) 1 , und die Religion des einzelnen ging im allgemeinen in der Teilnahme an den Kultveranstaltungen auf. Schon aus diesem Grunde wird man den sog. „Fulltruigläuben" der nordischen Religion absprechen müssen. Man versteht darunter eine Art henotheistischen Verhältnisses: ein Bauer setzt sein Vertrauen auf e i n e n besonderen Gott, seinen „Schutzfreund", ihm bringt er besonders reiche Opfer dar, weiht ihm auch vielleicht Teile seines Besitzes und erwartet von ihm Schutz und Hilfe. Hierin einen Wesenszug germanischer Frömmigkeit zu sehen, verbietet sich schon deshalb, weil die Belege dafür sich nur in einigen wenigen isländischen Sagas —• und sonst nirgends — finden 2 . Helge LJUNGBERG hat festgestellt (Ark. f. n. F. 6 2 , S. 1 6 9 ) , daß das „jüngere" Melabök (AM 106 fol.) enthält sie; haben sie in der ursprünglichen Melabök gestanden (was nicht sicher ist, da AM 106 auch Hauksbök benutzt hat), so wird man sie Styrmir zuschreiben müssen. 1 W. BAETKE, Das Heilige im Germanischen, S. 218 f. (Anm. 2). 2 Es kommen vor allem in Betracht: Viga-Glümssaga c. 9 (Thorkel und Frey), Eyrb. s. c. 4 (Thorolf und Thor), Gisla c. 18 (Thorgrim und Frey), die Hrafnkelssaga (Hrafnkel und Frey), E>orleifs E>ättr jarlaskälds, Fiat. I, 213 (Thorgerd Hölgabrud und Jarl Hakon) und Eirikssaga rauöa c. 8 (Thorhall und Thor), doch wird das Wort fulltrüi in diesem Sinne nur in der Viga-Glümssaga, der Eirikssaga rauöa und"dem E>orleifs Pättr gebraucht, nicht auch, wie H. LJUNGBEBG angibt, in der Eyrb.
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Wort fulltrüi in der Poesie nicht vor 1100 vorkommt und dann nicht in religiöser Bedeutung, und daß die Belege in den Sagas sich auf Menschen, die Jungirau Maria oder Wesen wie Thorgerd Hölgabrud beziehen. LJUNGBERG meint, das Wort, auch wenn es wirklich älter sei, sei zu religiöser Verwendung erst zu der Zeit des Übergangs zum Christentum gelangt, d. h. es habe sich damals ein solches religiöses Verhältnis unter christlichem Einfluß herausgebildet. Aber auch in diesem Falle spricht die größere Wahrscheinlichkeit dafür, daß es sich u m eine Einbildung der Sagaverfasser handelt, denen keine Wirklichkeit entspricht. Die Gislasaga ist — wie wir wissen — mit christlichen Gedanken durchtränkt. Das gleiche gilt f ü r die Hrafnkelssaga, vgl. S. 42f. Was von dem Opferspruch Thorkels in der Glüma und dem „ G e b e t " Thorhalls in der Eirikssaga rauöa zu halten ist, haben wir gesehen (vgl. S. 31). Wenn die Eyrbyggjasaga von Thoroll' sagt, er habe seinen Lieblingsfreund (astvmr) Thor um Rat gefragt, ob er im Lande bleiben oder nach Island übersiedeln solle, so wird auch das eine christlich gefärbte Ausschmückung des Umstandes sein, daß er vor der Ausfahrt ein Orakel ser til heilla veranstaltete wie andere Auswanderer auch (vgl. z. B. Ingolf, Lnb. Hauksbok c. 7). Das Thor-Orakel Helgis des Mageren, der einen „gemischten Glaub e n " hatte, und überhaupt sein Verhältnis zu Thor, wenn wir es der Lnb. (Hauksbok c. 184) glauben dürfen, war gewiß durch das Christentum beeinflußt. Starke Zweifel sind endlich auch gegenüber der Anrufung der Götter in der vbn der Lnb. (Hauksbok c. 268) mitgeteilten Eidesf o r m e l b e r e c h t i g t : hialpi
mer sva Freyr ok Niordr
ok hmn
almatki
os (So helfe mir Frey und Njörd und der allmächtige Ase), da hier einerseits die Göttertrias stark an die christliche Trinität erinnert und andererseits der Begriff der Allmacht in der germanischen Religion bestimmt nicht heimisch war. Der Abschnitt über die Ulfljöts-Gesetze, in denen dieser Eid enthalten gewesen sein soll, fehlt wieder in der Sturlubok; über seine Herkunft und Geschichte läßt sich schwer etwas ausmachen. Ari erwähnt die religiösen Bestimmungen nicht. —• 3*
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WALTER
BAETKE
In allen bisher behandelten Fällen haben wir es also nicht mit Wesenszügen germanischer Religion zu tun, die uns die Sagas auf Grund zuverlässiger Überlieferung bewahrt hätten, sondern mit einer naiven Übertragung christlicher Frömmigkeit ins Heidentum. Man wollte den frommen Heiden zeichnen und zeichnete ihn mangels anderer Vorlagen nach dem Bilde des frommen Christen. Es ist das eine interessante Parallele zu der ungeschichtlichen Denkweise, die uns in den Vorstellungen der Aufklärung über heidnische Religion und Sittlichkeit entgegentritt. Hier wie dort verbindet sich mit der Naivität oft noch eine moralisierende Tendenz. Einen fernen Vorläufer hat diese Art der Geschichtsschreibung schon in Tacitus' Germania, wie ja überhaupt die interpretatio christiana, durch die die Darstellung der nordischen Religion in den Sagas charakterisiert ist, in gewissem Sinne als eine Nachfolgerin der interpretatio Romana zu betrachten ist. 4. Kult und Magie Die bei den Sagaverfassern herrschende Unkenntnis der wirklichen heidnischen Religion konnte sich aber noch in anderer Weise auswirken. Im Mittelalter warf man heidnische religiöse Vorstellungen und Bräuche (Orakel, Opferkult) mit Aberglaube und Zauberei in einen Topf. Und dasselbe tun die Sagas. Die Vatnsdoelasaga läßt Ingjald einen seid „nach heidnischer Sitte" veranstalten til fiess at menn leitaQi eptir forlogum sinum (daß die Leute nach ihrem zukünftigen Schicksal forschten, c. 10). Seidr ist der auch im Heidentum strafbare schwarze Zauber, leita eptir forlogum aber der Ausdruck für das religiöse Orakel. Vergleiche auch dieselbe Saga, c. 42: J)ä leggja fieir hluti i skaut, ok kom jafnan upp hlutr Süfra, fiviat kann var margkyndigr (Da legen sie Lose in den Schoß, und es kam immer das Los Silfris heraus, denn er war zauberkundig). Wenn in der Lnb. Önund ein Losorakel veranstaltet (felldi blötspdn), um die Absichten seines Gegners zu erkunden (Hauks.bök c. 166), so liegt auch darin zum mindesten eine christliche
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WALTER
BAETKE
In allen bisher behandelten Fällen haben wir es also nicht mit Wesenszügen germanischer Religion zu tun, die uns die Sagas auf Grund zuverlässiger Überlieferung bewahrt hätten, sondern mit einer naiven Übertragung christlicher Frömmigkeit ins Heidentum. Man wollte den frommen Heiden zeichnen und zeichnete ihn mangels anderer Vorlagen nach dem Bilde des frommen Christen. Es ist das eine interessante Parallele zu der ungeschichtlichen Denkweise, die uns in den Vorstellungen der Aufklärung über heidnische Religion und Sittlichkeit entgegentritt. Hier wie dort verbindet sich mit der Naivität oft noch eine moralisierende Tendenz. Einen fernen Vorläufer hat diese Art der Geschichtsschreibung schon in Tacitus' Germania, wie ja überhaupt die interpretatio christiana, durch die die Darstellung der nordischen Religion in den Sagas charakterisiert ist, in gewissem Sinne als eine Nachfolgerin der interpretatio Romana zu betrachten ist. 4. Kult und Magie Die bei den Sagaverfassern herrschende Unkenntnis der wirklichen heidnischen Religion konnte sich aber noch in anderer Weise auswirken. Im Mittelalter warf man heidnische religiöse Vorstellungen und Bräuche (Orakel, Opferkult) mit Aberglaube und Zauberei in einen Topf. Und dasselbe tun die Sagas. Die Vatnsdoelasaga läßt Ingjald einen seid „nach heidnischer Sitte" veranstalten til fiess at menn leitaQi eptir forlogum sinum (daß die Leute nach ihrem zukünftigen Schicksal forschten, c. 10). Seidr ist der auch im Heidentum strafbare schwarze Zauber, leita eptir forlogum aber der Ausdruck für das religiöse Orakel. Vergleiche auch dieselbe Saga, c. 42: J)ä leggja fieir hluti i skaut, ok kom jafnan upp hlutr Süfra, fiviat kann var margkyndigr (Da legen sie Lose in den Schoß, und es kam immer das Los Silfris heraus, denn er war zauberkundig). Wenn in der Lnb. Önund ein Losorakel veranstaltet (felldi blötspdn), um die Absichten seines Gegners zu erkunden (Hauks.bök c. 166), so liegt auch darin zum mindesten eine christliche
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Interpretation. Die Stelle ist nicht anders zu beurteilen als die Mitteilung in Odds Olafssaga Tryggvasonar (H. c. 1), die Königin Gunnhild (die in den Sagas als große Zauberin gilt) habe den Göttern geopfert (blötabi til gobanna), um eine Auskunft über eine Zusammenkunft ihrer Feinde zu erhalten. Bezeichnend für diese irrtümliche Verquickung von Kult und Zauber ist die sich häufig findende Wendung: kann var blötmabr mikill ok fjolkunnigrer war ein großer Opferer (was im allgemeinen besagen will: ein frommer Heide) und zauberkundig — eine dem Heidentum gewiß fernliegende Verbindung. Ihr kirchlicher Ursprung wird deutlich, wenn die Eyrb. (c. 61) der Mitteilung, daß Thrand, solange er Heide war, ,,eigi einhamr" war (d. h. die Gestalt wechseln konnte), die Bemerkung hinzufügt: aber die meisten verloren ihre Zauberkraft, wenn sie getauft waren. Darin steckt die Meinung, daß die Zauberer ihre Wunderkraft vom Teufel hatten (und Heidentum eben Teufelsdienst war). In der Fostbrceörasaga (c. 9) wird Zauberei ausdrücklich als Überrest des Heidentums bezeichnet 2 , ebenso Grettissaga c. 78. Dieselbe Auffassung liegt zugrunde, wenn in der Fostbr. s. (c. 23) die zauberkundige Grima einen Zauber bewirkt mittels eines Stuhles, in dessen Rückenlehne ein Thorsbild eingeschnitzt ist. Meist werden die Zauberer als üble oder gefährliche Männer oder Frauen gezeichnet 3 . Besonders kraß tritt diese kirchlich bestimmte Auffassung bei dem Verfasser der Vatnsdcelasaga hervor. Während die Helden der Geschichte, die Angehörigen der Vatnsdal-Sippe, gute und edle Menschen sind und einen Glauben haben, der dem christlichen zum Verwechseln ähnlich sieht, sind 1
Egilssaga c. 37, 7; Hkr., Ol. s. Tr. c. 178; Heiöarvigasaga c. 19 u. ö. pat toluöu menn at hon vcen fjolkunntg. Nü fyrtr pvi at knstm var ung ok vanger, pd syndist pat morgum monnurn atgervi, at madr vcen fjolkunnigr (Das sagten die Leute, daß sie zauberkundig war. Weil nun das Christentum noch jung und unvollkommen war, hielten die Leute eine Zauberin für etwas Besonderes). 3 z. B. F6stbr. c. 29 (Thordis), Lnb. Hauksbök c. 191 (Geirhild), Hauksbök c. 223 (Oddr), Heiöarvigasaga c. 19 (Algf), Vatnsd. c. 29 (Thorgrim skinnhüfa), Egilssaga c. 37 (Thorgeir). 2
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ihr Gegner Hrolleif und seine Mutter schlechte Menschen und Zauberer. Wenn von einer andern Gestalt dieser Saga, Thorolf Teufelsbart, der als Dieb und Räuber bei den Leuten verhaßt war, gesagt wird, daß er im Verdacht stand, Tiere und sogar Menschen zu opfern, so ist das weder ein Zeugnis f ü r nordische Menschenopfer in der Wikingerzeit noch, wie SCHOMEKUS meint, f ü r die Abneigung heidnischer Isländer gegen das Menschenopfer, sondern nur f ü r die Meinung des christlichen Sagaschreibers, daß Opfern mit böser Gesinnung zusammengehöre. Opfer, und besonders Menschenopfer, sind in seinen Augen Teufelswerk, Zauberei. Als die Ingimundssöhne Hrolleif umbringen wollen, rät einer von ihnen, das schnell zu tun, ehe seine Mutter Ljot „das Opfer f ü r den Somm e r " gebracht habe, sonst werde die Rache nicht gelingen 1 . Dieselbe Auffassung liegt einer Mitteilung der Lnb. zugrunde: der Landnehmer Vebjörn veranstaltet ein Opfer, weil er glaubt, der ihm feindlich gesinnte Jarl Hakon opfere gleichzeitig zu seinem Verderben. Aber er wird beim Opferakt gestört, führt ihn nicht zu Ende und erleidet am selben Tage Schiffbruch; das Opfer des Jarls war also wirksam (Hauksbok c. 120). Jarl Hakon Sigurdssohn war der letzte große Vertreter der alten Religion in Norwegen, stand also bei der Kirche nicht in gutem Ansehen; wir hörten von seinem Sohnesopfer (S. 32). Im gleichen Lichte erscheint nun hier sein Großvater; sein Opfer wird als Schadenzauber aufgefaßt; man würde sehr irren, wenn man aus solchen Stellen etwas über heidnische Opferbräuche entnehmen wollte. Sichtbar ist die Verschiebung noch in dem Bericht der Njälssaga über den Zauberer Hedin (Galdra-Heöinn, c. 101). Die Kristnisaga (c. 8) berichtet, die Heiden hätten Hedin „ e r k a u f t " , u m den Missionar Thangbrand ums Leben zu bringen. Die Njälssaga fügt dem hinzu: kann for 1 Bei der offenbaren Unwissenheit des Verfassers der Vatnsdcela in Sachen der heidnischen Religion sind auch seine Angaben über Opferhaus, (rotes) Opferkleid (c. 26), Opfergruben (blötgrafir c. 30) u. a. wertlos. Auch diese Dinge gehörten nach Meinung der Sagaverfasser in den Bereich der Zauberei. Wenn die Svarfdcelasaga (c. 16) die Zauberin Geirrid „aus ihrem Götterhause" kommen läßt, so kann man auch auf diese Mitteilung nichts geben.
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upp d Arnarstakksheibi ok efldi jjar blot mikit (und begab sich auf die Arnarstakksheide und verrichtete dort ein großes Opfer), und läßt ihn danach den Zauber vollbringen; c. 101 1 . Zum Schluß sei bemerkt, daß natürlich auch die Berichte über allerhand Magie (Liebeszauber, Waffenzauber, Wetterzauber), über Zauberer und Hexen, von denen die Sagas voll sind, über Omina, Amulette und dergleichen nicht ohne weiteres als Quellen für nordisch-heidnischen Volksglauben zu verwerten sind; das alles war im christlichen Mittelalter gang und gäbe und den Sagaverfassern aus ihrer eigenen Umwelt bekannt. Ob es das so, wie es die Sagas schildern, auch im Island der vorchristlichen Zeit gegeben hat, ist eine Frage, die man aus den Sagas jedenfalls nicht ohne weiteres beantworten kann. Nicht alle magischen Volksbräuche des Mittelalters und der Neuzeit stammen ja aus dem germanischen Altertum; manches ist erst mit der Kirche aus der Mittelmeerwelt heraufgekommen. Art und Herkunft dieser Bräuche bedürfen in jedem Falle spezieller Untersuchung. 5. Schuld und Strafe Ging man schon in den Vorstellungen über religiöse Sitten und Vorgänge des Kultwesens in die Irre, so war es noch viel schwerer, sich von den religiösen Anschauungen der Heiden ein richtiges Bild zu machen. Was man der Tradition entnehmen konnte, waren — wie gesagt —• allenfalls Mitteilungen über äußere Dinge; über die religiöse Gedankenwelt der heidnischen Menschen verlautete nichts mehr. Hier war daher für die freie Konstruktion auf Grund von Analogieschlüssen ein besonders weites Feld gegeben. Man setzte in naiver Weise bei den Heiden ähnliche Gesinnungen und Verhaltensweisen wie bei den Christen voraus. 1
Es sei in diesem Zusammenhang erwähnt, daß auch das Menschenopfer, das nach der Kristnisaga auf dem Allthing des Jahres 1000 die Heiden zur Rettung ihrer Religion den Göttern geloben, ebenso wie das angebliche Gelübde der Christen nichts als eine Legende ist, die die größere Macht des christlichen Gelübdes demonstrieren soll; denn das Christentum siegt (vgl. E . VESPER, a . a . O . ) .
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upp d Arnarstakksheibi ok efldi jjar blot mikit (und begab sich auf die Arnarstakksheide und verrichtete dort ein großes Opfer), und läßt ihn danach den Zauber vollbringen; c. 101 1 . Zum Schluß sei bemerkt, daß natürlich auch die Berichte über allerhand Magie (Liebeszauber, Waffenzauber, Wetterzauber), über Zauberer und Hexen, von denen die Sagas voll sind, über Omina, Amulette und dergleichen nicht ohne weiteres als Quellen für nordisch-heidnischen Volksglauben zu verwerten sind; das alles war im christlichen Mittelalter gang und gäbe und den Sagaverfassern aus ihrer eigenen Umwelt bekannt. Ob es das so, wie es die Sagas schildern, auch im Island der vorchristlichen Zeit gegeben hat, ist eine Frage, die man aus den Sagas jedenfalls nicht ohne weiteres beantworten kann. Nicht alle magischen Volksbräuche des Mittelalters und der Neuzeit stammen ja aus dem germanischen Altertum; manches ist erst mit der Kirche aus der Mittelmeerwelt heraufgekommen. Art und Herkunft dieser Bräuche bedürfen in jedem Falle spezieller Untersuchung. 5. Schuld und Strafe Ging man schon in den Vorstellungen über religiöse Sitten und Vorgänge des Kultwesens in die Irre, so war es noch viel schwerer, sich von den religiösen Anschauungen der Heiden ein richtiges Bild zu machen. Was man der Tradition entnehmen konnte, waren — wie gesagt —• allenfalls Mitteilungen über äußere Dinge; über die religiöse Gedankenwelt der heidnischen Menschen verlautete nichts mehr. Hier war daher für die freie Konstruktion auf Grund von Analogieschlüssen ein besonders weites Feld gegeben. Man setzte in naiver Weise bei den Heiden ähnliche Gesinnungen und Verhaltensweisen wie bei den Christen voraus. 1
Es sei in diesem Zusammenhang erwähnt, daß auch das Menschenopfer, das nach der Kristnisaga auf dem Allthing des Jahres 1000 die Heiden zur Rettung ihrer Religion den Göttern geloben, ebenso wie das angebliche Gelübde der Christen nichts als eine Legende ist, die die größere Macht des christlichen Gelübdes demonstrieren soll; denn das Christentum siegt (vgl. E . VESPER, a . a . O . ) .
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Große Bedeutung kommt für das mittelalterliche Glaubensleben dem Gedanken zu, daß Gott das Gute belohnt und das Böse bestraft. Er fließt aus dem Glauben an Gottes Gerechtigkeit, seine absolute sittliche Vollkommenheit und sein Richteramt. Diese Prädikate legte der Heide seinen Göttern nicht bei. Wo wir solche Vorstellungen in den Sagas finden, können wir mit ziemlicher Sicherheit eine christliche Konzeption annehmen. Die Lnb. sagt von zwei Brüdern, daß der eine, Ingolf, ein großer Opferer war, der andere, Hjörleif, dagegen nie opfern wollte. Nachdem Hjörleif von irischen Knechten ermordet worden war, soll Ingolf ausgerufen haben: „Ein klägliches Ende für einen so wackeren Mann, durch Sklaven umzukommen; aber so sehe ich es jedem ergehen, der nicht opfern will" (Hauksbok c. 8). Der Tod als Strafe für Gottlosigkeit, das ist eine aus der Bibel und der christlichen Literatur wohlbekannte, dem Heidentum aber sicher fremde Vorstellung. Ganz klar liegt der Fall in der Njälssaga (c. 88), wo der Jarl Hakon angesichts eines verbrannten Tempels mit Bezug auf den Täter den Ausspruch tut: „Die Götter rächen nicht alles gleich; der Mann, der das getan hat, wird aus Walhall fortgejagt werden oder nie dorthin kommen." Hier ist also sogar von einer Vergeltung im Jenseits die Rede — eine besonders aufschlußreiche interpretatio christiana. Sie wird noch übertrumpft von der (allerdings ironisch gemeinten) Äußerung Olaf Tryggvasons (Fms. II, 41), die Götter würden ihre Anhänger für treue Dienste mit der ewigen Seligkeit belohnen. Das Übernatürliche spielt auch in das Schicksal des Thorstein gullknappr in der Haröarsaga hinein. Vergeblich betet er zu dem Stein im Tempel zu Thyrill; er wird von Indridi erschlagen für die Treulosigkeit, die er an Hörd begangen hat. Daß sein Tod als Strafe der Götter gemeint ist, geht aus den Worten hervor, die aus dem Stein als Antwort auf sein Gebet ertönen: „ßer mun rett,
ddr robull
skini,
hardr
Indridi
heiftir
gjalda"
(Dir wird mit
Recht, ehe die Sonne scheint, der harte Indridi Haß vergelten; c. 38). Der christliche Sinn des Verfassers (oder Bearbeiters) verrät sich auch in seinem Bemühen, die gute Gesinnung seines Helden heraus-
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Christliches Lehngut in der Sagareligion
zustreichen. Er r ü h m t von ihm, daß er den Wanderer gastfrei aufnahm (öl kann gest ganganda) und mit niemand Streit suchte (c. 20). Hörd distanziert sich auch von den Untaten seiner Kumpane (c. 30) und erklärt, edel wie Karl Moor, er könne nicht bei ihnen bleiben, wenn sie stehlen wollten (c. 22). Auch daß jemand vom Glück verlassen sei „um seiner Schandtaten" willen ist ein christlicher Gedanke. Als gerechte Strafe ist auch Havards Rache in der Havarössaga Isfiröings gemeint. Dem alten Havard war es wie dem Bauern Thorbjörn in der Hrafnkelssaga gegangen; der gewalttätige Gode Thorbjörn h a t t e ihm seinen Sohn erschlagen. Auch ihm gelingt es, Vergeltung zu üben — allerdings erst, nachdem er Christus angerufen und gelobt hat, im Falle des Gelingens sich taufen zu lassen! Die Meinung des Verfassers verrät sich u. a. in den Äußerungen Gests (c. 7). Zu Thorbjörn sagt er: „Engurn manni ertu llkr at illmensku
ok ¿jafnadi,
kann ek ok eigi at sjä a manni,
ef eigi
ibrast }m ßessa nökkurt sinn" (keiner kommt dir gleich an Bosheit und Ungerechtigkeit; ich müßte mich auch nicht auf Menschen verstehen, wenn du dies nicht nochmal b e r e u s t ) , und ein andermal über denselben:
,,at
svd
muni
kann
annarra
skamma
verri
biba ok ser maklegri" (er wird noch einmal schlimmere Schande erleben, die er auch v e r d i e n t hat). Die Vatnsdcela läßt Jökul sein Räuberleben mit der Selbstanklage beschließen: „denn mein Leben ist häßlich gewesen, aber jetzt ist es nach Verdienst vergolten, und so geht es den meisten Ü b e l t ä t e r n ! " (enda er nü goldit atverbugu, tismonnum;
ok ferr svd flestum
ranglcB-
c. 3 ) 2 .
Auch in der Hcensna-i>6rissaga gewinnt die Tötung des Bösewichtes Thorir den Charakter einer Strafe 3 . Die heidnische Rache 1
smna 2
Torfz . . . sagdi (c. 34).
lihligt
at ßeir
mundt
gcefulausir
vera
. .
saktr
illgerda
Schon die Allgemeinbegriffe „Missetäter", „Missetat" und auch die Ausdrücke dafür (besonders illgorbamabr, illmenska u. a.) dürften christliche Bildungen sein. 3 Wenn Thorvald Oddsson, der mit dem Hühner-Thorir zusammen den Mordbrand an Blundketil verübt hat, nach derselben Saga am Ende in Schott-
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WALTER BAETKE
erscheint in solchen Fällen gleichsam als Werkzeug im Dienst der göttlichen Gerechtigkeit; so wird sie dem christlichen Leser annehmbar gemacht 6. Christliche Thematik I s t der Christ gewohnt, in den Schicksalen der Menschen überall die Hand Gottes zu sehen, so dürfen wir uns nicht wundern, wenn isländische Autoren des nordischen Frühmittelalters auch die Erlebnisse der Heiden zu dem Walten der Götter in Beziehung setzen und sie so in religiöse Beleuchtung rücken. Von da aus ist kein weiter Schritt zu dem Vornehmen, das Gesamtschicksal eines Menschen der Sagazeit unter diesem Gesichtspunkt darzustellen. Ein solcher literarischer Versuch liegt z. B. in der schon erwähnten Hrafnkelssaga vor. Der Gode Hrafnkel, ein zwar frommer, dem Gott Frey besonders ergebener, aber gewalttätiger und gegen seine Mitmenschen rücksichtsloser Mann, begeht an einem armen Bauern ein schweres Unrecht. Mit dem Beistand mächtiger Männer gelingt es diesem, den Goden zu stürzen; Hrafnkel muß seinen Besitz mit Schimpf und Schande aufgeben und wird aus seinem Bezirk verbannt. An seinem neuen Wohnsitz wird er ein anderer Mensch. Er gibt den Glauben an Frey auf, wird freundlich und umgänglich und bringt es bald wieder zu Macht und Ansehen, ja schließlich gelingt es ihm, seinen alten Hof zurückzugewinnen. Sicher war es, wie schon Jan DE V R I E S gesehen hat 2 , die Absicht des Verfassers, dem Leser eine Mahnung zum moralischen Lebenswandel zu geben. Das in der Saga behandelte Thema läßt sich auf die Formel bringen: Ungerechtigkeit führt zum Fall, aber der Friedfertige wird gesegnet — offenbar ein christlicher, land in Gefangenschaft und Sklaverei gerät, so ist auch das wohl als göttliche Vergeltung gemeint. 1 Darauf hat E . VESPER hingewiesen und noch eine Reihe weiterer Beispiele angeführt. a Altnordische Literaturgeschichte Bd. II, S. 414.
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WALTER BAETKE
erscheint in solchen Fällen gleichsam als Werkzeug im Dienst der göttlichen Gerechtigkeit; so wird sie dem christlichen Leser annehmbar gemacht 6. Christliche Thematik I s t der Christ gewohnt, in den Schicksalen der Menschen überall die Hand Gottes zu sehen, so dürfen wir uns nicht wundern, wenn isländische Autoren des nordischen Frühmittelalters auch die Erlebnisse der Heiden zu dem Walten der Götter in Beziehung setzen und sie so in religiöse Beleuchtung rücken. Von da aus ist kein weiter Schritt zu dem Vornehmen, das Gesamtschicksal eines Menschen der Sagazeit unter diesem Gesichtspunkt darzustellen. Ein solcher literarischer Versuch liegt z. B. in der schon erwähnten Hrafnkelssaga vor. Der Gode Hrafnkel, ein zwar frommer, dem Gott Frey besonders ergebener, aber gewalttätiger und gegen seine Mitmenschen rücksichtsloser Mann, begeht an einem armen Bauern ein schweres Unrecht. Mit dem Beistand mächtiger Männer gelingt es diesem, den Goden zu stürzen; Hrafnkel muß seinen Besitz mit Schimpf und Schande aufgeben und wird aus seinem Bezirk verbannt. An seinem neuen Wohnsitz wird er ein anderer Mensch. Er gibt den Glauben an Frey auf, wird freundlich und umgänglich und bringt es bald wieder zu Macht und Ansehen, ja schließlich gelingt es ihm, seinen alten Hof zurückzugewinnen. Sicher war es, wie schon Jan DE V R I E S gesehen hat 2 , die Absicht des Verfassers, dem Leser eine Mahnung zum moralischen Lebenswandel zu geben. Das in der Saga behandelte Thema läßt sich auf die Formel bringen: Ungerechtigkeit führt zum Fall, aber der Friedfertige wird gesegnet — offenbar ein christlicher, land in Gefangenschaft und Sklaverei gerät, so ist auch das wohl als göttliche Vergeltung gemeint. 1 Darauf hat E . VESPER hingewiesen und noch eine Reihe weiterer Beispiele angeführt. a Altnordische Literaturgeschichte Bd. II, S. 414.
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ganz und gar nicht heidnischer Gedanke 1 . Daß der Verfasser ein christliches Beispiel statuieren wollte, wird dadurch bestätigt, daß er den Helden der Saga an seinem Gotte, nachdem dieser ihn im Stich gelassen hatte, irre werden läßt. Hrafnkel erkennt, daß es Torheit ist, an Götter zu glauben, und opfert fortan nicht mehr. Hochmut und heidnischer Glaube — das ist die Meinung — gehören zusammen, beide führen ins Verderben. Daß man diese christliche Tendenz nicht erkannte, hat früher zu einer irrigen Interpretation der Saga geführt; man sah wohl, daß es dem Verfasser um ein religiöses Problem ging, faßte es aber —• immer im Glauben an eine zugrunde liegende wahre Überlieferung aus der Heidenzeit — so auf, daß sich darin die religiöse Krise des Heidentums zur Wikingerzeit spiegele (Fulltrui- und Machtglaube brechen unter der Erkenntnis der Ohnmacht der Götter zusammen). Die Saga ist aber kein religiöses Dokument in diesem Sinne, sondern ein literarisches Werk des 13. Jahrhunderts mit christlicher Tendenz. Sie will Hrafnkels eifrigen Freyskult als schädlichen Götzendienst bloßstellen. Über ihre Einstellung zum Heidentum läßt sie eigentlich keinen Zweifel. Als Thorgeir im Begriff ist, das Pferd Freyfaxi, das Hrafnkel seinem Gott Frey geweiht hatte, zu töten, sagt er: „Es ist billig, daß der ihn bekommt, dem er gehört", womit natürlich der Teufel gemeint ist (nicht Frey, an den Jon JOHANNESSON, Fornrit XI, S. 123, denkt). Thorgeir und sein Bruder Thorkel, der sieben Jahre im Ausland war und im Dienste des oströmischen Kaisers gestanden hat, sind wohl als Christen gedacht. Siguröur NORDAL (Hrafnkatla S. 33) hat darauf hingewiesen, daß die Art und Weise, wie die Thjostarssöhne mit dem Tempel Hrafnkels und den Götterbildern umgehen, an das Verfahren Hrapps in der Njäls- und Buis in der Kjalnesingasaga erinnere. Näher noch liegt ein anderer Vergleich. Thorgeirs Äußerung, Freyfaxi solle nicht mehr Totschläge verursachen, als schon geschehen seien, hat 1
Auch die religiöse Begründung des — im übrigen ganz unmotivierten und unwahrscheinlichen — Totschlags an Einar (mit dem „Glauben", daß der nichts Gutes zu erwarten habe, der sein Gelübde breche) ist kein echt heidnisches Gewächs.
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ihr genaues Gegenstück in der Haröarsaga c. 19, wo Grimkel die Götter verbrennt mit der Bemerkung, sie sollten ihm nicht noch einmal Unglück verkünden. Hinter all diesen Berichten steht die christliche Dämonenlehre. Die Verfasser dieser Sagas dachten über die heidnischen Götter nicht anders als der Mönch Oddr Snorrason x . Die Hrafnkelssaga ist nicht die einzige, deren Thema im christlichen Sinne verstanden sein will. Die realistische Darstellungskunst der Saga, die den Schein objektiver Wiedergabe der Wirklichkeit erweckt, erschwert es zwar oft, die wahre Meinung der Verfasser zu erkennen; es fehlt auch noch an Einzeluntersuchungen. Aber schon die oben (S. 40 f.) erwähnten Sagas — oder doch Teile von ihnen — gehören in diese Reihe. Von besonderem Interesse ist die Thematik in der Viga-Glumssaga. Das Schicksal ihres Helden weist eine merkwürdige Ähnlichkeit mit dem Hrafnkels auf. Beiden Männern wird ein Totschlag zum Verhängnis, beide werden gedemütigt und gezwungen, ihren Hof abzutreten 2 . Wie Hrafnkel setzt auch Glum sein Vertrauen zunächst auf den Gott Frey und fällt, nachdem ihm dieser im Unglück seine Hilfe versagt hat, von ihm ab. Die Gründe für den Zorn des Gottes sind wohl darin zu suchen, daß Glum einem Geächteten auf seinem Grundstück, auf dem ein Tempel Freys steht, Asyl gewährt und daß er im Tempel des Gottes einen zweideutigen Eid geleistet hat. Auch der Verfasser dieser Saga sucht also das Schicksal des Menschen mit göttlichem Eingreifen zu erklären, bedient sich aber dabei christlicher Motive. Ehe Glum seinen Hof verlassen muß, träumt er, daß seine verstorbenen Verwandten sich bei dem Gotte Frey für ihn verwenden, der Gott aber zornig ihre Bitte abschlägt, eingedenk des Ochsenopfers, das ihm Thorkel, Glums Gegner, gebracht hat. Als Glum erwacht, äußert er, er habe fortan mit Frey nichts mehr im Sinne. Hier läßt sich die literarische Mache erkennen: daß 1
Vgl. W . B A E T K E , Die Götterlehre der Snorra-Edda, 1 9 5 0 , S. 1 3 f. Auch die Marterung, der man Hrafnkel unterwirft (Aufhängen am Wäschebalken), hat in der Viga-Glümssaga eine Entsprechung (c. 26). Glum beabsichtigt, die Leute seines Gegners Einar ebenso zu behandeln, um diesem eine ,.Neidstange" zu errichten. 2
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die Gottheit dem Menschen ihren Willen im Traum offenbart, ist eine biblische Vorstellung und für die germanische Welt sonst nicht bezeugt (vgl. H E N Z E N , Über die Träume in der altnordischen Sagaliteratur, S. 55 f.). Das Verhältnis Glums zu seinem Gott hat übrigens wieder in der Haröarsaga eine Entsprechung. Als Grimkel zum Tempel der Göttin Thorgerd Hölgabrud kommt, um zu beten, findet er die Götter in großer Bewegung und im Aufbruch von ihren Altären 1 . Thorgerd erklärt ihm, sie würden Hörd kein Heil bringen, da er ihren Bruder Soti, einen (toten) Wiking, beschimpft und beraubt habe. Im Lichte dieser phantastischen Erzählung 2 muß die VigaGlümssaga betrachtet werden, wenn man sie richtig verstehen will. Sie weiß sich zwar einen realistischeren Anstrich zu geben, indem sie den Bescheid des Gottes in den Traum verlegt, sie ist aber ein Kind desselben Geistes wie die Haröarsaga und steht der heidnischen Religion genau so fern wie jene. Eine „Tradition von altem Glauben und Kult" —• die Anne HOLTSMAKK in ihr finden wollte (Vitazgjafi, Maal og Minne, 1912) —• liegt in ihr nicht vor. A. HOLTSMARK hat in ihrem vielbeachteten Aufsatz dieser Saga den Gedanken untergeschoben, Glum, durch seine Erlebnisse in eine religiöse Krise geführt, sei vom Freyskult zum Odinsglauben hinübergewechselt. Abgesehen davon, daß HOLTSMARKS Beweisführung recht gekünstelt anmutet, auch ein solcher Konfessionswechsel innerhalb der heidnischen Religion etwas sehr Unwahrscheinliches hat 3 , wird mit dieser Interpretation die Absicht des Saga Verfassers i 1
Daß sich Götter bewegen und sogar reden können, ist ein auch sonst in den (jüngeren) Sagas vorkommendes Motiv. Es stammt aus der Legendenliteratur, vgl. BOLTE-POLIVKA, Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Gebrüder Grimm, Bd. III, S. 127. 2 Ich halte auch die Thorgerd Hölgabrud, angeblich die Schutzgöttin der Jarle von Ladir, für ein Fabelwesen; die Stellen, in denen sie vorkommt, sind alle spät und entweder ganz phantastisch oder doch höchst zweifelhaften Charakters. (Fsereyingasaga c. 23, E>6rsteinsl>ättr jarlaskälds c. 6, Jömsvikingasaga c. 34, Flateyjarbök I, S. 407 f.) 3 A. HOLTSMARK begründet diese Ansicht u. a. mit den drei Gaben, die Vigfus seinem Enkel Glum schenkt: Mantel, Speer, Schwert; sie sollen auf
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völlig verfehlt. Er dachte als Christ und deutete das Schicksal Glums mit Hilfe christlicher Vorstellungen. Glums Absage an Frey ist als Abfall vom Heidentum überhaupt gemeint (ebenso wie Hrafnkels Äußerung) und bereitet auf die Mitteilung am Schluß der Saga vor, daß Glum, als das Christentum nach Island kam, sich taufen ließ. In andern Sagas zeigt sich der christliche Sinn darin, daß Fehde und Rache verurteilt bzw. verschmäht und der Weg der Versöhnung als der bessere hingestellt wird. Das geschieht zuweilen ausdrücklich, ist aber oft nur aus der Handlung selbst zu entnehmen. In der Vapnfrröingasaga bereut Bjarni, nachdem er seinen Oheim Geitir erschlagen hat, nicht nur sofort seine Tat, sondern jagt auch seine Stiefmutter Thorgerd, die ihn zur Rache aufgehetzt hatte, aus dem Hause und bietet Geitirs Sohn Thorkel Versöhnung und Selbsturteil an. Nachdem es dann doch zu einer blutigen Auseinandersetzung gekommen ist, läßt er dem verwundeten Thorkel ärztliche Hilfe zuteil werden und ladet ihn zu sich ein, was dann zu völliger Versöhnung führt. Der Fluch des Ächters Svart (c. 2) erfüllt sich zwar an den Vätern, wird aber durch den bei Bjarni durchbrechenden Geist der Vergebung gebrochen. In der Svarfdcelasaga erhält die Geschichte von der Zähmung der widerspenstigen Yngvild ihren ethischen Gehalt ebenfalls durch die Verurteilung des Rachegedankens. Yngvild hatte Skidi bei seiner Werbung die Bedingung gestellt, an Karl für eine ihm zugefügte Odin hinweisen. Dafür spricht jedoch nichts. Talismane, an die das Glück des Helden geknüpft ist, sind ein bekanntes, wahrscheinlich aus dem Orient stammendes internationales Sagen- und Märchenmotiv. Geschenke dieser Art kommen auch in andern Sagas vor: Hörd wählt sich aus Sotis Hügel Schwert, Ring und Helm (Harö. s. c. 15); Askel schenkt dem Eyjolf Mantel, Schwert und Goldring (Reykd. c. 12), Olaf Pfau dem Gunnar Mantel und Goldring (Njäla c. 70). Thord Kolbeinsson erhält von König Olaf dem Heiligen Pelzrock, Schwert und Goldring, Hallfred von Olaf Tryggvason Mantel, Helm und Ring, usw. — Meist spielen diese Dinge in der Handlung eine Rolle. Olaf Pfau vermacht seinem Sohn Goldring und Schwert „ok par meß giptu sina ok ßetra frtznda" (zusammen mit seinem und seiner Vorfahren Glück; Laxd. c. 26).
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Mißhandlung Rache zu nehmen. Einen Versöhnungsversuch vereitelt sie, weswegen sie von Skidi heftig getadelt wird. Skidi tötet Karl; dessen gleichnamiger Sohn verkauft Yngvild mehrmals in die Sklaverei, bis ihr Stolz vollkommen gebrochen ist, und bringt sie dann zu Skidi zurück. Dieser aber verstößt sie mit den Worten: „Ich habe nie eine schlimmere Tat getan als die, zu der sie mich trieb: daß ich deinen Vater erschlug." Die Männer versöhnen sich, Yngvild nimmt ein elendes Ende. Der Gode Askell in der Reykdcelasaga ist als Muster wahrhaft christlicher Versöhnlichkeit, Friedfertigkeit und Hilfsbereitschaft gezeichnet. Auch durch die Valla-Ljotssaga zieht sich wie ein roter Faden der Gedanke der Vergebung und Versöhnung. Thorgrim läßt seinem Feind Bödvar Gastfreundschaft angedeihen. Ljot, der Hauptträger der Versöhnlichkeitsidee, lobt ihn deswegen; er sucht andere von Blutrache abzuhalten, erhebt selbst gegen Gudmund, der einen Anschlag auf sein Leben macht, keine Klage und versöhnt sich mit ihm. Und der Verfasser versichert nicht ohne Absicht am Schluß, daß Ljot als der bedeutendste Häuptling galt. In der Viga-Styrs-Saga gibt Gest ein Beispiel versöhnlicher Gesinnung, indem er seinem Todfeind Thorstein, Styrs Sohn, der dreimal einen Anschlag auf ihn macht, nicht nur vergibt, sondern dreimal das Leben rettet. Die Beispiele ließen sich leicht vermehren. Alle diese Geschichten, auch soweit sie in heidnischer Zeit spielen, haben nicht die heidnische, sondern die christliche Moral und Lebensanschauung zum Thema. Durch den realistischen Erzählstil wird ihre erbauliche Tendenz gebändigt und gemildert, sie muß aber gesehen werden, will man den Absichten der Verfasser gerecht werden. 7. Schicksal und Glück Man hat immer schon gesehen, eine wie große Rolle der sogen. Schicksalsglaube in den Sagas spielt, und hat daraus weitgehende religionsgeschichtliche Schlußfolgerungen gezogen 1 . Eine Prüfung 1
Vgl. Walter GEHL, Germaniseher Schicksalsglaube, Berlin 1939.
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Mißhandlung Rache zu nehmen. Einen Versöhnungsversuch vereitelt sie, weswegen sie von Skidi heftig getadelt wird. Skidi tötet Karl; dessen gleichnamiger Sohn verkauft Yngvild mehrmals in die Sklaverei, bis ihr Stolz vollkommen gebrochen ist, und bringt sie dann zu Skidi zurück. Dieser aber verstößt sie mit den Worten: „Ich habe nie eine schlimmere Tat getan als die, zu der sie mich trieb: daß ich deinen Vater erschlug." Die Männer versöhnen sich, Yngvild nimmt ein elendes Ende. Der Gode Askell in der Reykdcelasaga ist als Muster wahrhaft christlicher Versöhnlichkeit, Friedfertigkeit und Hilfsbereitschaft gezeichnet. Auch durch die Valla-Ljotssaga zieht sich wie ein roter Faden der Gedanke der Vergebung und Versöhnung. Thorgrim läßt seinem Feind Bödvar Gastfreundschaft angedeihen. Ljot, der Hauptträger der Versöhnlichkeitsidee, lobt ihn deswegen; er sucht andere von Blutrache abzuhalten, erhebt selbst gegen Gudmund, der einen Anschlag auf sein Leben macht, keine Klage und versöhnt sich mit ihm. Und der Verfasser versichert nicht ohne Absicht am Schluß, daß Ljot als der bedeutendste Häuptling galt. In der Viga-Styrs-Saga gibt Gest ein Beispiel versöhnlicher Gesinnung, indem er seinem Todfeind Thorstein, Styrs Sohn, der dreimal einen Anschlag auf ihn macht, nicht nur vergibt, sondern dreimal das Leben rettet. Die Beispiele ließen sich leicht vermehren. Alle diese Geschichten, auch soweit sie in heidnischer Zeit spielen, haben nicht die heidnische, sondern die christliche Moral und Lebensanschauung zum Thema. Durch den realistischen Erzählstil wird ihre erbauliche Tendenz gebändigt und gemildert, sie muß aber gesehen werden, will man den Absichten der Verfasser gerecht werden. 7. Schicksal und Glück Man hat immer schon gesehen, eine wie große Rolle der sogen. Schicksalsglaube in den Sagas spielt, und hat daraus weitgehende religionsgeschichtliche Schlußfolgerungen gezogen 1 . Eine Prüfung 1
Vgl. Walter GEHL, Germaniseher Schicksalsglaube, Berlin 1939.
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des Materials zeigt jedoch, daß die Hauptquellen für den Schicksalsglauben der Wikingerzeit späte Sagas von ausgeprägt christlicher Grundhaltung sind, wie die Vatnsdoela-, die Njals-, die Gislasaga. Erwägt man —• im Lichte der Kritik, die wir oben an der angeblichen Tradition geübt haben —, daß die meisten schicksalsgläubigen Äußerungen den Personen von den Verfassern in den Mund gelegt werden, so ist klar, daß man diese Stellen nicht als Zeugnisse für einen Schicksalsglauben der vorchristlichen Zeit gebrauchen kann, ebensowenig natürlich die Bemerkungen der christlichen Verfasser selbst. Wie es im übrigen um den nordischen Schicksalsglauben steht, ist eine Frage, die uns hier nicht beschäftigen kann. Tatsache ist, daß die Skaldendichtung, unsere sicherste Quelle, von keinem Schicksalsglauben weiß; es sind die Götter, die der menschlichen Geschicke walten. Unter den übrigen Quellenzeugnissen, die man beibringen kann, sind keine, die für die vorchristliche Zeit etwas beweisen. Das Buch von Walter G E H L hat zwar das Material sehr sorgfältig zusammengetragen, aber es steht den Quellen unkritisch gegenüber und hat sie in methodisch unzulänglicher Weise interpretiert; und so sind die Schlußfolgerungen, die er aus ihnen für die germanische „Weltanschauung" zieht, unhaltbar. Die Sagas können höchstens einen Schicksalsglauben für das 12. und 13. Jahrhundert bezeugen, und soweit dies der Fall ist, bleibt zu untersuchen, wie weit es sich nicht einfach um den christlichen Vorsehungs- oder Prädestinationsglauben handelt. (Auch der mittelhochdeutschen Dichtung ist ja der Schicksalsglaube nicht fremd.) Aber vor allem muß man sehen, daß der Schicksalsglaube in den Sagas ein literarisches Motiv ist, das künstlerischen Zwecken dient, ebenso wie die vielen Träume und Prophezeiungen zukunftskundiger Leute. Mit diesen steht er in engem Zusammenhang. Der Fall ist häufig, daß jemand vor einer drohenden Gefahr gewarnt wird, entweder auf Grund eines Traumes, den er gehabt hat und den ihm eine andere Person deutet, oder weil diese Person selbst zukunftskundig ist. Man gibt ihm den Rat, eine beabsichtigte Reise oder ein anderes Unternehmen zu unterlassen, aber er schlägt die Warnung in den Wind, und dabei wird dann öfter der Meinung Ausdruck
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gegeben: „es kommt doch so, wie es bestimmt ist; niemand kann seinem Geschick entgehen", und ähnlich (vgl. Njälssaga c. 62, 68, 134, 144; Svarfd. s. c. 4, 26 u. ö.). Die Träume haben hier also den Zweck, den Gewarnten Gelegenheit zu heldischer Haltung zu geben, im übrigen sollen sie auf kommende Ereignisse hinweisen und Stimmung erzeugen. Man versteht sie falsch, wenn man darin die Widerspiegelung einer fatalistischen Weltanschauung sieht. Ihr rein literarischer Charakter zeigt sich schon darin, daß ihr Inhalt bzw. die Deutungen und die nachfolgenden Ereignisse sich bis auf die kleinsten Einzelheiten decken. Es handelt sich um ein in der antiken und mittelalterlichen Literatur sehr beliebtes und verbreitetes Motiv. Sofus L A R S E N („Antik og nordisk Dremmetro", Aarboger f. nord. Oldk. 1917) hat gezeigt, daß die Träume in den Sagas ebenso wie die Visionen und Prophezeiungen ihren Ursprung in den erbaulichen Schriften, Heiligenviten und Legenden haben 1 . „Der Glaube an Warnungsträume und Visionen als Mitteilungsmittel an die Menschen war damals in allen Gesellschaltsschichten fest eingewurzelt; er breitete sich von der kirchlichen in die profane Literatur aus" (a. a. 0 . S. 50). In den Träumen und Prophezeiungen spiegeln sich also nicht Zustände, die den Menschen der Sagazeit eigentümlich gewesen wären, sie haben überhaupt keine geschichtliche, sondern nur literarische Bedeutung. Und für die schicksalsgläubigen Äußerungen gilt im wesentlichen dasselbe. Auch mit ihnen sollen bestimmte künstlerische Wirkungen erzielt werden. Sie dienen einmal zur Charakteristik der Personen, besonders der heldisch gezeichneten Gestalten wie Gunnar, Skarphedin (vgl. Njäla c. 124), Gisli oder Kjartan; andererseits schaffen sie eine düstere, schicksalsträchtige Stimmung, die den Eindruck der tragischen Ereignisse in Sagas wie der Njala oder der Gislasaga erhöht. Aber noch ein dritter Zweck läßt sich beobachten. In manchen Sagas wird das Schicksal berufen, um gewisse Taten, die zur christlichen Sittlichkeit in Widerspruch stehen, gleichsam zu entschuldigen. So sucht 1 Das wird nicht dadurch eingeschränkt, daß besonders die Tierträume oft auf die Fylgjen feindlicher Personen gedeutet werden. Die Fylgjen sind nur nordische Ausschmückung.
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der Verfasser der Haröarsaga seinen Helden zu entlasten, indem er die Schuld an seinen Untaten einmal auf seine Genossen schiebt, zum anderen aber darauf, daß man seinem Schicksal nicht entgehen könne (eigi ma sköpnum renna, H a r ö . s. c. 36). Ähnlich sind, worauf E. V E S P E R aufmerksam gemacht hat, auch die Worte gemeint, die der Verfasser der Heiöarvigasaga Olaf dem Heiligen in den Mund legt (c. 39); sie stellen Bardis Totschläge als Folgen schicksalhafter Zusammenhänge hin Der Schicksalsglaube steht in manchen Sagas in enger Verbindung mit dem „Glück", d. h. einer magischen Glückskraft, die manchen Sagahelden zugeschrieben wird. Die Ausdrücke für Glück s i n d gcefa u n d gipta
(gipt),
d a n e b e n hamingja
und
aubna.
Ein
Mann, der „Glück" hat, ist gcefumabr oder hamingjuma.br. GEHL (a. a. 0., S. 64) sieht darin eine „manaistische" Vorstellung; gcefa, gipta sei ein bestimmtes angeborenes megin („Mana") einer Person. Aber auch hier läßt sich wieder beobachten, d a ß die meisten Belege f ü r Glück sich in den von christlichem Geist erfüllten Sagas, z. B. der Gisla-, der Haröar- und besonders der Vatnsdcelasaga finden. Die ältere nordische Dichtung bis auf Einar skalaglamm bringt keine Belege für Glück (GEHL, a. a. 0 . , S. 78). Im übrigen verteilen sich die Belege auf Skaldik (1), Edda (2), Saga (3) folgendermaßen: gafa 2 : 0 : 1 3 5 , gipta 6 : 1 : 6 7 , hamingja 0 : 0 : 8 9 , aubna 0 : 0 : 20 2 . Die skaldischen Vorkommen finden sich sämtlich bei Dichtern des 11.—13. Jahrhunderts 3 , manche in ausgesprochen christlichem Gebrauch. 1
Bemerkenswert ist, daß als Entschuldigungsgrund auch Bardis heidnische Religion angeführt wird (ef nökkut verdr vvbbland.it forneskpt); diese ist nach Meinung des Verfassers ein zureichender Grund böser Taten. 2 Nach W. GEHL, Germanischer Schicksalsglaube, S. 64. GEHL gibt allerdings für gcefa 6, für gipta 2 Skaldenstellen an. 3
Armöör, Björn hitdcelakappi, Sigvatr, Einarr Skulason, Eilifr Snorrason u. a. Auch Hallfreds lausavisa 6 (skipt er d gumna giptu) kann nicht als Beispiel für heidnischen Gebrauch angeführt werden, wenn man bedenkt, daß der Inhalt der Strophe sich auf den Übertritt des Skalden zum Christentum bezieht.
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Das alles spricht, wenn wir die Sagas für Schöpfungen des 12. bis 13. Jahrhunderts halten, für den christlichen Ursprung dieser Vorstellung. Eine besondere Betrachtung verdient das „Königsglück" oder „Königsheil". Man hat darin bekanntlich einen charakteristischen Zug der altgermanischen Religion sehen wollen, indem man es mit dem für einige germanische Stämme bezeugten Brauch in Verbindung brachte, den König für fruchtbare Ernte und Kriegsglück verantwortlich zu machen und gegebenenfalls abzusetzen oder zu töten 1 . Dieser Brauch setzt den sakralen Charakter des Königtums voraus; der König ist der Mittler zwischen der Kult- (Thing-) gemeinde und der Gottheit. Aber es ist sehr fraglich, ob das Königsglück der Sagas mit diesem alten Glauben etwas zu tun hat. Man hat zu wenig beachtet, daß die weitaus meisten Stellen, die von ihm reden, sich auf die christlichen Könige Olaf Haraldsson (den Heiligen) und Olaf Tryggvason beziehen. Sie sind am zahlreichsten in d e n Sagas und E>aettir, in denen diese Könige eine Rolle spielen; vor allem also in den Olafssagas, ferner in der Laxdoola-, der Hallfreöar-, der Föstbrceörasaga, im Torvalds M t t r tasalda (Fms. II, 147) 2 , E>orsteins E>ättr bcejarmagns (Fms. III, 187) 3 u . a . Wir wissen, daß die Grundlage der Olafssaga helga in ihren verschiedenen Formen eine Heiligenlegende war, und die ersten Sagas von Olaf Tryggvason haben gleichfalls stark hagiographischen Charakter. Es kann nicht gut die Absicht der Mönche, die diese Viten verfaßt haben, gewesen sein, den ganz oder halb heiligen Bekehrerkönigen eine magische Kraft heidnischer Provenienz beizulegen. Mit dem „Glück", das sie dem heiligen Olaf zuschreiben, kann nur das christliche Charisma gemeint sein, das seine Heiligkeit bedingte, 1 Ammianus Marcellinus XXVIII, 5, 14; Yngl. s. c. 15 und 43. Zum „Königsheil" vgl. V. GRÖNBECH, Kultur und Religion der Germanen, Bd. I, 'S. 128 f. 2 Thorvald sagt zu König Olaf: „ßviat gipt ydur ok hammgja, herra! md oss meira enn menn nökkunr" (denn Euer Glück und Heil, Herr, hilft uns mehr als einige Männer). 3 Konungs gceja mun siyrkja oss (des Königs Glück wird uns stärken). 4*
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dieselbe Kraft also, aus der auch seine Wundertaten flössen; in Wendungen wie „mit der Hilfe Gottes und dem Glück König Olafs" t r i t t das deutlich zutage. Von ihm hat man das dann auch auf andere Könige übertragen, vor allem auf Olaf Tryggvason, dann aber auch z. B. auf den heidnischen Harald härfagri (Vatnsd. c. 16, Egilss. c. 19); letzteres ist ebenso als Anachronismus zu bewerten wie der Glaube an den „Schöpfergott", den eine Handschrift der Fagrsk. demselben König zuschreibt (Ausgabe von Finnur JONSSON, 1903, Tillteg, I I I S. 386). Wie eng in den Sagas, z. B. der Hallfreöarsaga, das Königsglück mit dem Christentum verknüpft ist, liegt offen zutage. Schon der Wortsinn von gcefa und gipt („Gabe") weist mehr nach der Seite des christlichen als des heidnischen Glaubens. Er entspricht dem des as. gifebe, das wohl auch erst eine christliche Bildung ist ( J E N T E , Anglist. Forschungen 56, S. 223). Entscheidend ins Gewicht fällt auch hier das Zeugnis der Skaldendichtung. Auch in älteren Preisliedern findet sich der Zug, daß das Heil des Fürsten, seine Erfolge in Krieg und Frieden auf übernatürliche Weise erklärt werden, aber nicht, indem man ihm eine magische Glückskraft zuschreibt, sondern indem dem Glauben Ausdruck gegeben wird, die Götter oder göttlichen Mächte (go5, bond, regin) hätten ihn gelenkt oder geleitet. So rühmt Glum Geirason von Harald gräfeld: fieim styrbu gob (ihn lenkten die Götter); Einar skälaglamm fragt in der Vellekla (Str. 32), ob es zweifelhaft sein könne, daß den von ihm gepriesenen Jarl Hakon die Götter lenkten, und fügt als seine Ansicht hinzu, daß die gewaltig starken Mächte die Herrschaft Hakons stärken (rammaukm rogn magna riki Hpkonar). Tind Hallkelsson erklärt desselben Fürsten Großtaten damit, daß die bgind wollten, daß er die anderen Fürsten überträfe. Wenn Egil seinen Freund Arinbjörn ,,gobum dvarbr" = „von den Göttern geschützt" nennt und Eyjolf däöaskäld von Jarl Eirik rühmt, er herrsche über ein von den Göttern beschütztes Land, so steckt auch darin derselbe Glaube. Das ist eine echt religiöse Schicksalsdeutung, die sich von der anderen, magischen, wesentlich unterscheidet. Diese finden wir bezeichnenderweise nur in jüngeren Drapas christlichen Inhalts. Es
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kommen vor allem 5 Strophen isländischer Dichter in Betracht, die das Glück der Könige preisen: aus i> o r 1 e i f j a r l a s k ä l d s Drapa auf Svein Tjuskegg (Skj. B I, 132): oft meb cerna giptu oblings himins robla Jota gramr enn itri Englandi raub branda (Sinn: oft kämpfte der Fürst der Jüten in England mit ihm vom Himmelskönig reichlich verliehenen Glück); aus E i n a r S k u l a s o n s Geisli, der Drapa auf Olaf den Heiligen, Str. 57 (Skj. B I, 441): ler hjaldrfromum hfrar heims l&knir gram peima giptu (der Heiland der Welt verleiht dem kampfstarken Fürsten hohes Glück); E> o r b j ö r n d i s a r s k ä l d (Skj. B I , 135): Hvüakrists sas hce'sta hoddsviptir fekk giptu (der Fürst oder Mann, der das höchste Glück des weißen Krist empfing); K o l l i s Ingadräpa, Str. 2 (Skj. B I, 476): an Magnüsi per feksl holfu h