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German Pages [397] Year 2022
Rainer Bendel / Robert Pech (Hg.)
Christen und totalitäre Herrschaft in den Ländern Ostmittel- und Südosteuropas von 1945 bis in die 1960er Jahre
FORSCHUNGEN UND QUELLEN Z U R K I R C H E N - U N D K U LT U R G E S C H I C H T E DER DEUTSCHEN IN OSTMITTELU N D S Ü D O S T E U R O PA IM AUFTRAG DES INSTITUTS FÜR KIRCHEN- UND KULTURGESCHICHTE DER DEUTSCHEN IN OSTMITTEL- UND SÜDOSTEUROPA HERAUSGEGEBEN VON RAINER BENDEL Band 53
CH R ISTEN U N D TOTA LITÄ R E HER RSCH A FT I N DEN LÄ N DER N OSTMITTEL- U N D SÜ DOSTEU ROPAS VON 1945 BIS I N DIE 1960ER JA H R E
Herausgegeben von
Rainer Bendel und Robert Pech
BÖHLAU VERLAG WIEN KÖLN
Die Vorbereitung der Publikation wurde unterstützt durch Mittel aus dem AMK-Fonds der Deutschen Bischofskonferenz.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2023 Böhlau, Lindenstraße 14, D-50674 Köln, ein Imprint der Brill-Gruppe (Koninklijke Brill NV, Leiden, Niederlande; Brill USA Inc., Boston MA, USA; Brill Asia Pte Ltd, Singapore; Brill Deutschland GmbH, Paderborn, Deutschland; Brill Österreich GmbH, Wien, Österreich) Koninklijke Brill NV umfasst die Imprints Brill, Brill Nijhoff, Brill Hotei, Brill Schöningh, Brill Fink, Brill mentis, Vandenhoeck & Ruprecht, Böhlau, V&R unipress und Wageningen Academic. Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Umschlagabbildung: Dikobraz [Das Stachelschwein] Nr. 49, 2. Dezember 1947. Einbandgestaltung: Michael Haderer, Wien
Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISBN 978-3-412-52750-1
INHALT RAINER BENDEL / ROBERT PECH Zur Einführung.............................................................................................................. 9 KLAUS BUCHENAU Christen und Kommunisten – wirklich nur eine Konfliktgeschichte? ........................ 25
OSTDEUTSCHLAND JOSEF PILVOUSEK „Leichter Gegenwind im Sturm des Sozialismus“. Zum Leben der Christen in der DDR und ihren kirchlichen Möglichkeiten ....................................................... 39 JÖRG SEILER Der Berliner Bischof Julius Döpfner im Visier der Staatssicherheit........................... 53
POLEN ANDRZEJ KOPICZKO Die Situation der Ukrainer in Ermland und Masuren nach ihrer Umsiedlung in dieses Gebiet im Jahre 1947.................................................................................... 83 GRZEGORZ BĘBNIK Im Visier der Geheimdienste. Evangelische Kirche in (Volks-)Polen, unter besonderer Berücksichtigung von Oberschlesien ..................................................... 101 BERNARD LINEK Der Konflikt zwischen dem kommunistischen Staat und der katholischen Kirche in Oberschlesien ........................................................................................................ 125
TSCHECHOSLOWAKEI OTFRID PUSTEJOVSKY Katholische Kirche in der CSR – ČSSR ................................................................... 139 JAROSLAV ŠEBEK Veränderungen des kirchlichen Lebens in der tschechischen Nachkriegsgesellschaft und nach dem kommunistischen Machtantritt. Bilder von Verfolgung und Anpassung..................................................................... 149 IVAN A. PETRANSKY Staatliche Repressionen gegen die christlichen Amtskirchen in der Slowakei ......... 165
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Inhalt
SOWJETUNION/UKRAINE OLGA LITZENBERGER Unerfüllte Hoffnungen auf Legalität: Deutsche Katholische Kirche in der UdSSR ............................................................................................................ 181 KATRIN BOECKH Drei Tage, die die Ukraine veränderten: Die Pseudo-Synode von Lemberg vom 8. bis 10. März 1946 und die „Liquidierung“ der Griechisch-Katholischen Kirche in Galizien ..................................................................................................... 193 OLEH TURIJ / SVITLANA HURKINA Hierarchie und Geistlichkeit der Ukrainischen Griechisch-Katholischen Kirche im Untergrund ........................................................................................................... 211 ANDRIY MYKHALEYKO Das Leben und Wirken der Ukrainischen Griechisch-Katholischen Kirche im Untergrund ........................................................................................................... 229
UNGARN ESZTER CÚTHNÉ GYÓNI In the Shadow of the Communist Power. A History of the Catholic Church in Hungary from the Conclusion of World War II until the Trials known as the „Black Ravens” series ..................................................................................... 245 ÉVA PETRÁS Jehovah’s Witnesses in Hungary as scapegoats. Communist enemy seeking among small religious entities ................................................................................... 261 ESZTER CÚTHNÉ GYÓNI A History of the Cistercian Abbey of Zirc. Restrictions, legal actions, retaliations and the modus of survival ...................................................................... 273
RUMÄNIEN LUCIAN N. LEUȘTEAN Die rumänisch-orthodoxe Kirche und das kommunistische Regime ........................ 293 CRISTIAN VASILE Romanian Greek Catholic Church and the State: an Underground Existence during the Communist Regime ................................................................................. 311 GÁBOR BÁNKUTI Die Jesuiten in Ungarn und Rumänien in der Zeit der kommunistischen Diktatur – ein Vergleich .......................................................................................................... 321
Inhalt
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JUGOSLAWIEN BOGDAN KOLAR The Catholic Community in Slovenia after World War II – Between Conformity and Conflict ............................................................................................................... 341 ALEKSANDAR JAKIR Politik und Vorgehen der jugoslawischen Kommunisten gegenüber der katholischen Kirche in Kroatien nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges.............. 357
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ZUR EINFÜHRUNG
„Man muss Abschied nehmen von der Illusion, wir hätten längst den Überblick und wir hätten diese ganze Geschichte schon auf den Begriff gebracht.“1 Der Osteuropahistoriker Karl Schlögel forderte einen europäischen Diskursraum, um sich die vielfach bereits verschwundenen Geschichten von Vertreibung, Vertreibern und Vertriebenen grenzüberschreitend und interdisziplinär wieder anzueignen und damit die europäische Öffentlichkeit an zentrale europäische Identitätstopoi heranzuführen. Der Appell und die Argumentation gelten ebenso für die Situation christlichen Lebens in den früheren Staaten des sogenannten Ostblocks. Der ungarische Theologe András Máté-Tóth spricht von verwundeten Gesellschaften in den postkommunistischen Staaten: „Diese Gesellschaften sind unsichere Gesellschaften. Die Bürger sind sehr unsichere Menschen. Es ist nicht ein Zufall, dass es gerade hier […] die größte Zahl an Selbstmorden gibt, die größte Zahl an Herzinfarkten usw. Es sind tief verwundete Gesellschaften mit einem hohen Grad an Hektik, Nervosität, Instabilität, Sensitivität.“2 Das Institut für ostdeutsche Kirchen- und Kulturgeschichte, seit 2015 Institut für Kirchen- und Kulturgeschichte der Deutschen in Ostmittel- und Südosteuropa,3 wurde 1958 in Königstein im Kontext eines groß gedachten und geplanten Projekts einer Ostakademie gegründet.4 Die Entstehung der Idee im Kontext Königsteins formulierte von Anfang an auch die Beschäftigung mit der Situation der Kirchen in den Ländern hinter dem Eisernen Vorhang, Pflege von Kontakten und, wenn möglich, Hilfe für die verfolgte Kirche. 1
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Schlögel, Karl: Nach der Rechthaberei. Umsiedlung und Vertreibung als europäisches Problem, in: Dieter Bingen, Włodzimierz Borodziej, Stefan Troebst (Hg.), Vertreibung europäisch erinnern? Historische Erfahrungen – Vergangenheitspolitik – Zukunftskonzeptionen, Wiesbaden 2003, 11-38, hier 13. Zitiert nach Prömpers, Klaus: Staatstreu oder papsttreu? Katholische Kirche in Osteuropa, in: https://www.deutschlandfunk.de/katholische-kirche-in-osteuropa-staatstreu-oder-papsttreu.2540.de.html?dram:article_id=359225 (27. April 2021). Vgl. zur Umbenennung und Zielsetzung des Instituts bei Bauer, Markus: Ostdeutsche Kirchenund Kulturgeschichte ist gemeinsame Geschichte. Das 1958 gegründete Institut richtet sich neu aus / Prof. Dr. Rainer Bendel nun Vorsitzender, in: Archiv für schlesische Kirchengeschichte 73 (2015), 373-376. Vgl. weiterführend zur Gründungsgeschichte des Instituts Mai, Paul: Institut für ostdeutsche Kirchen- und Kulturgeschichte e.V. 1988–2010, Köln-Weimar-Wien 2011, 32f.
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Das Institut hat vor über 20 Jahren – wenige Jahre nach der politischen Wende – die Thematik „Katholische Kirche unter nationalsozialistischer und kommunistischer Diktatur“ in Kooperation mit polnischen Wissenschaftlern aufgegriffen.5 Im Zentrum der damaligen Diskussionen standen der Vergleich von Diktaturen (Nationalsozialismus und Kommunismus) in den beiden Nachbarländern Polen und Deutschland sowie die politischen Rahmenbedingungen für kirchliches Handeln. Fokussiert waren die einzelnen Referate auf die Situation in den ehemaligen deutschen Ostgebieten bzw. nach 1945 polnischen Westgebieten. Bereits damals wurde darauf hingewiesen, dass es sich bei den totalitären Systemen nicht um „unveränderliche Größen“ handelte, Entwicklungen also auch in der Diachronizität zu differenzieren sind – und Heterogenität auch in den kommunistischen Parteien diagnostiziert werden können. Mit den beiden Tagungen in Bad Kissingen (2016) und Ulm (2017), deren Beiträge und Erträge hier vorgelegt werden, soll der zeitliche Rahmen eingeengt und auf die Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs bis ca. 1960 – den Endpunkt bestimmen jeweils länderspezifische Entwicklungen – geschärft werden. Zugleich wird das Untersuchungsfeld geographisch erweitert um das gesamte Territorium des polnischen Staates, um die Tschechoslowakei und die Ukraine sowie im Südosten um Ungarn, Rumänien und das ehemalige Jugoslawien. Damit wird die Perspektive auch auf andere Konfessionen gerichtet. Alltags- und mentalitätsgeschichtliche Aspekte werden eingebunden, wenn die Fragestellung auf die Situation einzelner Gruppen oder auf Einzelpersonen abgestellt ist. Historiker können beim Blick auf die Menschen und deren Handeln sowie Erfahrungen in totalitären Systemen den institutionellen Rahmen nicht ausblenden; das Verhältnis von Staat/Staatspartei und Kirche resp. Kirchenleitung, Ideologie der Herrschaft und theologische Reflexion in den Kirchen werden Gegenstand der Untersuchungen sein, insofern diese Bedingung sind für die alltägliche Situation, in der christliche Existenz sich vollzieht. Wo Theorien an die Quellen herangetragen werden, ist eine kritische Prüfung der Theorien nötig. Das gilt für die verschiedenen Totalitarismustheorien ebenso wie für die Rede von „der“ Kirche. Die grundsätzliche Reflexion des Selbstverständnisses der Agenten muss parallel geführt werden. Die Geschichte des 20. Jahrhunderts ist in Europa von zwei gegenläufigen Prozessen gekennzeichnet. Auf der einen Seite sind Demokratisierung und Liberalisierung insbesondere der westlichen Gesellschaften weiter vorangeschritten. Maßgeblich dafür sind die Erfolge liberaler demokratischer Politik, aber auch gesellschaftliche Veränderungen wie etwa der Wertewandel in der westlichen Welt oder Prozesse der Individualisierung. Die Menschen werden immer stärker herausgelöst aus traditionellen 5
Die internationale Konferenz fand vom 28.–31. Juli 1997 in Bad Saarow statt und wurde veranstaltet vom Institut für ostdeutsche Kirchen- und Kulturgeschichte (damals Regensburg) sowie dem Herder-Institut (Marburg). Der Titel des Tagungsbandes lautet: Hans-Jürgen Karp, Joachim Köhler (Hg.): Katholische Kirche unter nationalsozialistischer und kommunistischer Diktatur. Deutschland und Polen 1939–1989, Köln-Weimar-Wien 2001.
Zur Einführung
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Bindungen wie Familie, Religion, Interessenvertretungen und zunehmend auf sich selbst und ihre Entscheidungen verwiesen. Beide, Wertewandel und (säkulare) Individualisierung, haben den langfristigen Prozess der Demokratisierung in der westlichen Welt wesentlich vorangetrieben. Antagonistische Bewegungen werden in Begriffen wie Oligarchie, Autoritarismus und Totalitarismus gefasst.6 Sie entwickeln eine beharrliche und bedrohliche Dynamik gegen Liberalismus und Demokratie. Eine antagonistische Form zu einem demokratischen Verfassungsstaat war im 20. Jahrhundert der Nationalsozialismus. In der Forschung wurden zahlreiche Fragestellungen, die das Leben und die Positionierung der Kirchen betreffen, im Kontext „Kirchen und/im Nationalsozialismus“ entwickelt und an Fallbeispielen exemplifiziert.7 Für die hiesigen Überlegungen bedeutsame Fragen sind die nach der Intention von christlicher Opposition, der totalitären Weltanschauung mit Verweigerung bzw. Dissens entgegenzutreten, nach dem Einbeziehen welcher Personen bzw. Gruppen, nach der Reichweite des Eintretens lediglich im Rahmen das eigenen Milieus oder grundsätzlich im Sinne der Freiheit und Würde eines jeden Menschen. Zugleich stellt sich binnenkirchlich die Frage, woraus sich Formen christlichen Widerstands speisen. Beispielsweise gab es in der Catholica die bekennenden Theologen, die in der ersten Hälfte des Jahres 1933 den Verlockungen und Erfolgen der sogenannten Bewegung nicht erlagen. Ein markantes Beispiel ist Joseph Bernhart (1881–1969).8 Er war zeit seines Lebens ein kritischer Begleiter der zeitgeschichtlichen Ereignisse, der gesellschaftlichen Entwicklungen. Er warnte bereits im März 1933 vor der Vergottung einer Nation und der Minderwertigsetzung der anderen, da sie alle gleich seien vor dem Throne Gottes. Mit Entschiedenheit richtete er sich gegen die „Selbstvergötzung der Nationen anstelle der abgedankten und in politische Schutzhaft erklärten Gottheit“. Bernhart wählte deutliche Formulierungen gegen den Ungeist der Zeit und auch gegen
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Zur Herkunft des Begriffs Totalitarismus als Bezeichnung für den italienischen Faschismus bzw. Kommunismus in der Sowjetunion vgl. Jesse, Eckhard: Die Totalitarismusforschung im Streit der Meinungen, in: Ders. (Hg.), Totalitarismus im 20. Jahrhundert. Eine Bilanz der internationalen Forschung, Baden-Baden 21999, 9-40, hier 12f.; Kailitz, Steffen: Der Streit um den Totalitarismusbegriff. Ein Spiegelbild der politischen Entwicklung, in: Ders., Eckhard Jesse (Hg.), Prägekräfte des 20. Jahrhunderts. Demokratie, Extremismus, Totalitarismus, Baden-Baden 1997, 219250, hier 221f. Hummel, Karl-Joseph/Kißener, Michael (Hg.): Die Katholiken und das Dritte Reich. Kontroversen und Debatten, Paderborn 2009; Blaschke, Olaf: Die Kirchen und der Nationalsozialismus, Stuttgart 2014; Kösters, Christoph/Ruff, Mark Edward (Hg.): Die katholische Kirche im Dritten Reich. Eine Einführung, Freiburg 22018. Ein Fallbeispiele liefern Bendel, Rainer/Karp, Hans-Jürgen: Bischof Maximilian Kaller 1880–1947. Seelsorger in den Herausforderungen des 20. Jahrhunderts, Münster 2017; Dies.: „Jetzt wird das Reich neu gezimmert“. Maximilian Kaller (1880–1947) – Bischof von Ermland 1930–1947, in: Maria Anna Zumholz, Michael Hirschfeld (Hg.), Zwischen Seelsorge und Politik. Katholische Bischöfe in der NS-Zeit, Münster 2018, 107-130. Weiterführend bei Bendel, Rainer: Lebensbild Joseph Bernhart, in: Jahrbuch des Vereins für Augsburger Diözesangeschichte 39 (2005), 507-525.
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eine metaphysische Überhöhung fragwürdiger Werte.9 Für ihn war jeder Augenblick der Geschichte insofern Krisis, also entscheidend, als dieser vor dem Gericht des ewigen Nun steht, eine Zeitsicht, die Bernhart bereits in dem Buch „Sinn der Geschichte“ als eine Frucht seiner intensiven Auseinandersetzung mit der Mystik entwickelt hatte. Stehe es aber in jedem Augenblick der geschöpflichen Geschichte so kritisch, dann sei auch der ganze Einsatz des ganzen Menschen für das Reich Gottes erforderlich. Bernhart klagte damit die Mitläufer im Christentum an und wies mit Nachdruck auf die basale Bedeutung der ethischen Dimension in der Realisierung christlicher Botschaft durch die Menschen hin.10 Mit dem Fokus auf die Bedeutung der Gewissensentscheidung, orientiert an der Bergpredigt, weist die Argumentation deutliche Parallelen zu Positionen der Vertreter der liberalen Demokratie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts auf und markiert eine Triebfeder für den Widerspruch, für die Verwahrung gegen Vereinnahmung, weniger in dogmatischer Lehre als vielmehr in der Grundoption christlicher Existenz. Die verschiedenen Konzepte zur Charakterisierung totalitärer Herrschaft erlebten nach dem Untergang der kommunistischen Systeme eine Renaissance11 und wurden erst jüngst wieder für die Analyse der DDR fruchtbar gemacht.12 Als Eingangsbasis sei zunächst ein Blick geworfen auf übereinstimmende Feststellungen in den politikwissenschaftlichen Diskussionen um den Begriff. Totalitarismus bezeichne im Allgemeinen „eine politische Herrschaft, die die uneingeschränkte Verfügung über die Beherrschten 9
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Abgedruckt in Bernhart, Joseph/Groll, Thomas/Weitlauff, Manfred (Hg.): Zeit-Deutungen. Schriften, Beiträge und bislang unveröffentlichte Vorträge zu Problemen der Politik und Kultur aus den Jahren 1918–1962, Weißenhorn 2007, 65-79, hier 69. „Das heißt nun auch, dass Gottes Reich, also der Sinn der Geschichte, dem Verständnis erst durch den Schlüssel erschließbar ist, der uns im Wort von Gottes Offenbarung gereicht wird. Gegenüber allen anderen Anschauungen des Geschichtsgeschehens und ihren Folgen für das politische Handeln gilt dem Christen auch in diesem Betracht die Warnung: ‚Sehet zu, dass da keiner euch verführt durch die Weltanschauung (philosophia) und hohlen Trug nach menschlich herkommender Lehrmeinung, nach den elementischen Wesenheiten und nicht nach Christus‘ (Kol 2, 8).“ Bernhart führte das Gerede von der Rasse ad absurdum, indem er den Begriff auf eine andere, auf die theologische Ebene hob und mit Bernhard von Clairvaux (um 1090–1153) von der „generatio quaerentium faciem dei“ sprach, das Gottesvolk, das aus allen Völkern gesammelt wird und die Prägung der acht Seligkeiten und des „Vaterunser“ annimmt. Bendel, Rainer/Bendel-Maidl, Lydia/Goldschmidt, Andreas: Dämonisierung des Nationalsozialismus. Vergangenheitsbewältigung in theologischen Schriften Joseph Bernharts, Romano Guardinis und Alois Winklhofers, in: Kirchliche Zeitgeschichte 13 (2000), 138-177. Jesse, Die Totalitarismusforschung, 9-11; Kailitz, Der Streit, 228-231. Zur Kritik am Begriff im Zuge der Entspannungspolitik sowie zu dem Vorwurf, Totalitarismus sei eine „normativ-wertende“ Konzeption mit „Typenbegriffen ohne Aussagewert“ vgl. ebd., 228-240 bzw. die Beiträge im Sammelband Totalitarismus im 20. Jahrhundert. Kielmansegg, Peter Graf: Hilft uns die Totalitarismustheorie, die DDR zu verstehen?, in: Tilman Mayer (Hg.), Im „Wartesaal der Geschichte“. Der 17. Juni als Wegmarke der Freiheit und Einheit, Baden-Baden 2014, 125-145; Gräßler, Florian: War die DDR totalitär? Eine vergleichende Untersuchung des Herrschaftssystems der DDR anhand der Totalitarismuskonzepte von Friedrich, Linz, Bracher und Kielmansegg, Baden-Baden 2014. Siehe dort auch den Forschungsstand über Totalitarismus und DDR.
Zur Einführung
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und ihre völlige Unterwerfung unter ein (diktatorisch vorgegebenes) politisches Ziel verlangt. Totalitäre Herrschaft, erzwungene Gleichschaltung und unerbittliche Härte werden oft mit existenzbedrohenden (inneren oder äußeren) Gefahren begründet, wie sie zunächst vom Faschismus und vom Nationalsozialismus, nicht zuletzt auch im Sowjetkommunismus Stalins von den Herrschenden behauptet wurden. Insofern stellt der Totalitarismus das krasse Gegenteil des modernen freiheitlichen Verfassungsstaates und des Prinzips einer offenen, pluralen Gesellschaft dar.“13 Totalitarismus wird definiert als politischer Extremismus, der zur Herrschaftspraxis wird; es handelt sich um eine repressive Machtausübung, wobei diese in komplexeren Mustern gedacht werden muss als eine einfache, von oben nach unten verlaufende Struktur. Totalitarismus wird getragen und geprägt von sich ab- wie ausschließenden Weltanschauungen, Ideologien, die rationaler Kritik nicht zugänglich sind. Er fordert Verehrung ein, blinden Gehorsam, Gefolgschaft. Wo das nicht freiwillig geleistet wird, wird Gewalt eingesetzt, staatliche Gewaltherrschaft, die unterdrückt. Mit Christopher Clark kann von einer „Hyperkonzentration“ der Macht gesprochen werden – gemäß Benito Mussolini existiere „nichts Menschliches oder Geistiges“ außerhalb des Staates, so zumindest der Anspruch.14 Eine Ideologie wird als Weltanschauung eingesetzt, deren Lehrsätze werden nicht diskutiert und selbstkritisch überprüft, Kritik an ihnen gilt als abweichendes und sanktionswürdiges Verhalten. Ein quasi-religiöser, besser pseudo-religiöser Charakter entsteht durch den Glauben, der für die unveränderlichen Wahrheiten eingefordert wird. Ideologie dient als Instrument, um die Massen zu fesseln. Kommunikation und ihre Mittel und Wege werden in ihrer Bedeutung für die Macht ausgenützt und total unter Kontrolle und in die Dienstbarkeit der totalitären Herrschaft gestellt. Am Anfang totalitärer Systeme stehen in der Regel von einer Ideologie geformte „Bewegungen“. Diese Bewegungen brechen die Ideologie auf die Alltagswelt herunter, grenzen sie und sich dadurch auch ab und machen sich damit unverwechselbar. Sie arbeiten suggestiv und aggressiv in allen Bereichen des Lebens, der Wissenschaft, der Politik etc. Totalitäre Begriffe beanspruchen das Absolute und Nicht-Hintergehbare, sie sind einer kritischen Reflexion und Infragestellung entzogen. Typisch sind anti-aufklärerische Positionen und eine absolutistische Legitimationsbasis; rationale Auseinandersetzung, Reflexion und Kompromisssuche werden strikt abgelehnt. Charakteristisch ist ein Führerkult. Der „Führer“ wird angehimmelt, seine Verehrung trägt pseudoreligiöse Züge, nicht zuletzt, indem Erlösungshoffnungen auf den Führer projiziert werden. Nach dem Tod setzt eine Art Heiligenverehrung ein. Totalitäre Ideologien sind geprägt von Dualismus. Sie denken im Freund-FeindSchema; simplifizierend gibt es nur Richtig oder Falsch, Gut oder Böse. Eine differenzierende Argumentation, die ihrer eigenen Grenzen bewusst ist, ist nicht erlaubt. Grauzonen werden nicht toleriert. Eine eigene Welt wird geschaffen, in der alles übersichtlich geordnet und schlicht erklärbar gehalten ist. Mit hoher Gewaltbereitschaft werden diese Anschauungen durchgesetzt und verteidigt. 13 14
Schubert, Klaus/Klein, Martina: Das Politiklexikon, Bonn 42006, 289. Clark, Christopher: Gefangene der Zeit. Geschichte und Zeitlichkeit von Nebukadnezar bis Donald Trump, München 2020, 41-47, hier bes. 41f.
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Totalitäre Organisationen setzen zur Durchsetzung ihrer Ziele Gewalt ein. Sie wähnen sich rasch von Feinden bedroht, die sie nur mit Gewaltanwendung abwehren können. Im Binnenbereich ist Gewalt ebenso ein selbstverständliches Mittel der Auseinandersetzung. Mit repressiven Maßnahmen wird die Herrschaft durchgesetzt und werden Organisationen sowie soziale Gruppen ausgeschaltet und gesellschaftliche Unterschiede zumindest scheinbar nivelliert. Konsequent folgt daraus, dass Demokratie verächtlich abgelehnt und als feindlich bekämpft wird, gegebenenfalls auch mittels Gewalt. Freiheit und unveräußerliche staatsbürgerliche Rechte sind keine schützenswerten Grundwerte. Höheren Stellenwert haben die Rechte der Bewegung, des Kollektivs. Zentral in unserem Kontext ist die Positionierung der Kirchen. Die Diskussion um die Arten von Opposition, von Verweigerung, von Widerstand der Kirchen oder kirchlicher Gruppierungen und Organisationen ist breit und komplex. Heinz Hürten (1928– 2018) hat die theoretischen Überlegungen zu den Totalitarismen aufgegriffen und in den Auswirkungen auf die Situation der bzw. in den Kirchen sowie die Kirchengeschichtsschreibung beleuchtet. Gemäß seiner ersten zentralen These durchbreche die Kirche „kraft ihrer unangepaßten Existenz die scheinbare Totalität des politischen und sozialen Systems“, sofern sie diesem nicht zurechenbar sei und eine „mögliche Gegenwelt“ darstelle. Daraus resultieren freilich Konflikte, die sie mit dem totalitären Regime auszutragen habe.15 Dabei bleibt allerdings offen, ob und wie weit sie sich, auch wenn sie ihre Existenz nicht dem Regime verdankt, in den Sog der Ideologie einbinden lässt oder nolens volens erdrückt wird. Empirisch betrachtet gab es nicht nur ein Gegenoder Nebeneinander, sondern auch ein – oft partielles – Miteinander. Eine derartige Existenzform des Arrangements brachte der erste Vorsitzende des „Bunds der Evangelischen Kirchen in der DDR“, der in Schlesien geborene Theologe Albrecht Schönherr (1911–2009), in der Formel „Kirche im Sozialismus“ zum Ausdruck. Dieser Modus Vivendi war ab den 1970er Jahren charakteristisch in der DDR für das Verhältnis der „kirchenleitenden Kräfte“ zur Herrschaft.16 Die davon abgeleitete Frage ist, inwieweit Kirche dann als Gegenwelt taugte – oder als Nische, in der christliches Leben in der Diktion Vaclav Havels (1936–2011) als „Leben in der Wahrheit“ möglich war. Hürten fährt weiter fort: „Der russisch-orthodoxe Priester Sergej Scheludkow hat in seinem offenen Brief an Solschenizyn das Dilemma der Kirche geschildert, entweder in einen nicht vorhandenen und nicht denkbaren Untergrund abzutauchen oder sich dem System einzufügen und lediglich im Rahmen des Erlaubten und Geduldeten zu handeln. Seine Meinung, daß es zum tatsächlichen Verhalten der Kirche innerhalb des Systems keine Alternative gebe, ist nicht unbestritten geblieben. Das Gegenargument lautete, es sei der Kirche aufgegeben, ihre Rechte zu verteidigen, das ihr zugefügte Unrecht nicht
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Hürten, Heinz: Das Totalitarismusmodell als kirchenhistorisches Erklärungsmuster, in: Katholische Kirche unter nationalsozialistischer und kommunistischer Diktatur, 35-40, hier 38. Goeckel, Robert F.: Der Weg der Kirchen in der DDR, in: Günther Heydemann, Lothar Kettenacker (Hg.), Kirchen in der Diktatur. Drittes Reich und SED-Staat. Fünfzehn Beiträge, Göttingen 1993, 155-181; Gräßler, War die DDR totalitär, 197f.
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klaglos hinzunehmen.“17 Das Verteidigen der Rechte und damit der Aufbau einer Form von paralleler Struktur können nicht Selbstzweck sein. Weiterhin zu reflektieren bleibt, ob Kirche ihrem Auftrag gerecht wird, wenn sie nur Nischen bildet, nicht aber ihre Stimme erhebt für die Menschwerdung der Menschen in Freiheit, wenn sie nicht ihre Verantwortung für das Ganze wahrnimmt. Eine zweite zentrale These Hürtens spricht der Kirche implizit den Entwurf einer „zweiten Gesellschaft“ durch ihre religiöse Sprache zu. Diese kreiere eine Gegenwelt, „die vom bestehenden politisch-sozialen System unabhängig war“. Freilich war die Sprache einmal in Gefahr, von der Staatsideologie übernommen und in einen anderen Bedeutungshorizont gezogen zu werden; zum anderen einer „atmosphärischen Gleichschaltung“ zu unterliegen, die „den Verlust der eigenen Sprache, den Verlust oder doch die Verminderung der Möglichkeit, ‚zweite Gesellschaft‘ zu werden“, bedeute.18 Auch an erstaunlich bereitwillige intrinsische Anpassungen an die Erfordernisse der totalitären Regime sei erinnert, wie es beispielsweise bei den Deutschen Christen vorzufinden war. Eine dritte These schließlich, die die Existenz von parallelen Strukturen unterstreicht, weist auf Organisationen und Gruppierungen hin, etwa die Jugendorganisationen in den Kirchen, Friedensgruppen etc. Wenn dabei primäre kirchliche Aufgabe überschritten wurden, wenn „öffentliche Aufgaben von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung in offener Distanz zu den etablierten Organisationen der sozialistischen Gesellschaft in kirchlicher Obhut wahrgenommen wurden“, dann zeige sich hierin die „mögliche Funktion der Kirche als Ausgangspunkt einer ‚zweiten Gesellschaft‘ besonders deutlich“.19 Im gleichen Atemzug müsste freilich die Frage gestellt werden, wie weit solche Gruppen von der Kirchenleitung unterstützt wurden oder unter Anpassungs- und Gleichschaltungsdruck der Regime geraten waren. Mit Carl Schmitt (1888–1985) könnte – gemäß seiner Theorie der Vereinigung von Staat, Gesellschaft, Kultur und Religion – von einer totalitären Vereinheitlichung von Staat und Gesellschaft zumindest als Zielgestalt gesprochen werden. Dabei würde eine Utopie beschrieben, denn in den Räumen, in denen sich die beiden Tagungsthemen bewegen, befinden sich trotz der Intensität der Maßnahmen der nach Totalität strebenden Herrschaft immer wieder auch – mehr oder weniger stark ausgeprägt – Nischen und Gegenwelten. Mit der Ausweitung der Frage auf die Nischen und Gegenwelten wird die Engführung in der Fokussierung auf die Widerständigkeit im Totalitarismus aufgebrochen. Christliches Leben in totalitären Herrschaften lässt sich so differenzierter in einer größeren Bandbreite wahrnehmen und nachvollziehen, und das auch in dem Zeitraum des Übergangs der Diktaturen. Damit stellt sich die Frage nach herrschaftsnäheren und herrschaftsferneren Gruppen bzw. der Konfessionen im Vergleich: Welche Faktoren bestimmten deren Identität? Gab es formale, strukturelle, gar auch inhaltliche Parallelen zwischen der Herrschaftsideologie und religiösen Aussagen, fungierte Ideologie als 17 18 19
Hürten, Das Totalitarismusmodell, 38. Ebd., 40. Ebd.
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Ersatzreligion? Wie sah die Reaktion auf Repression im alltäglichen Leben, in der Theologie aus, welche Formen von Verweigerung, von Widerstand gab es, welche Phasen der Anpassung, vielleicht auch der Resignation bis hin zu einer möglichen Kollaboration? Wer war aus welchen Gründen und mit welchen Intentionen dazu bereit? Bestimmte primär die Sorge um einen Freiraum für „kirchliche Interessen“ das Verhalten oder die Sorge um die Freiheit der Menschen? Und zuletzt eine Frage, die ganz am Anfang gestellt und beantwortet werden sollte: Waren überhaupt alle Staaten, die hier zur Verhandlung stehen, totalitär? Antworten auf diese Fragestellungen liefern die im vorliegenden Band vereinigten Beiträge. Sie sind geographisch – beginnend mit der DDR und Polen und endend im Südosten – sowie thematisch – vom Überblick zu Fallbeispielen – gegliedert. Einleitend kontrastiert Klaus Buchenau (Regensburg) die Beziehungsgeschichte von Christen und Kommunisten, indem er diese nicht als ausschließliche Konfliktgeschichte darstellt. Die essentialistische Religionsdefinition betone den unvermeidlichen Konflikt von angreifendem Staat und sich verteidigender Kirche. Ein funktionalistischer Ansatz hingegen weise der Religion eine soziale Funktion zu. Wird dieser Blickwinkel eingenommen, so ist gerade für die frühe sowjetische Kultur eine starke Betonung ihres religiösen Charakters kennzeichnend, in ihrer Formsprache waren die Kommunisten bewusst nicht weit weg von christlicher Symbolik. Dementsprechend prozessionsartig fielen die sozialistischen Massenfeste bzw. Umzüge in den 1920er Jahren aus. Freilich fand zugleich eine brutale Verfolgung der Kirchenhäupter statt, dieser militante Atheismus wurde erst im Zuge des Zweiten Weltkriegs durch eine gemäßigtere Kirchenpolitik ersetzt und mündete Anfang der 1950er Jahre in einen wissenschaftlichen Atheismus. Religion war von da an „falsches Denken“, das nicht mehr per se schädlich war, sondern durch die Modernisierung der Gesellschaft samt deren Verwissenschaftlichung schlicht überflüssig werden sollte. Was blieb, war eine vor allem bürokratische Gängelung der Amtskirche; die nunmehr wissenschaftliche Religionskritik konnte aber in die Satellitenstaaten exportiert und die Russisch-Orthodoxe Kirche als Instrument der Außenpolitik installiert werden. In den Volksrepubliken Südosteuropas wurde gegen die Konfessionen im Rahmen der Auseinandersetzung mit politischen Gegnern angearbeitet, beispielsweise in Jugoslawien gegen amtskirchliche Akteure, denen politische Kollaboration mit dem Faschismus vorgeworfen wurde. Auch sind für Südosteuropa starke, geradezu sakrale Personenkulte auszumachen, in Rumänien um Nicolae Ceaușescu (1918–1989), in Albanien um Enver Hoxha (1908– 1985). Personenkulte haben in Südosteuropa in den Staaten bestanden, die im Blocksystem eine halbwegs freie Position von Moskau einnahmen und ihre jeweiligen Staatsführer als selbstständige Persönlichkeiten dargestellt werden sollten. Von einer ontologischen Feindschaft von Christentum und Kommunismus könne jedenfalls keine Rede sein. Mit Josef Pilvousek (Erfurt) beginnt der erste Abschnitt Ostdeutschland. Ob die katholische Kirche den richtigen Weg im Umgang mit dem SED-Staat beschritten habe, könne nicht monokausal beantwortet werden, der Grat verlaufe zwischen Anpassung und Verweigerung. Zwei Aspekte kirchlich-christlichen Handelns werden im Beitrag
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hervorgehoben: Erstens die Benachteiligungs- und Repressionsmechanismen des Regimes, die bis heute vielfach von den Zeitzeugen betont werden. Allerdings waren die Maßnahmen des Regimes weder zeitlich konstant noch wurden sie auf jeden Christen gleichermaßen angewandt. Die DDR hat den weltanschaulichen Kampf gegen die Kirchen nicht selten dem Ringen um außenpolitische Anerkennung untergeordnet. Vermied sie daher eine offene Auseinandersetzung mit den Kirchen und ihren Amtsträgern, verfuhr sie gleichwohl nach dem Motto „Die Kirchen schonen, die Schafe zerstreuen und unterdrücken“. Die Frage nach einem etwaigen Widerstand der katholischen Kirche gegen das Regime ist ambivalent: Für einzelne Gemeindemitglieder könne oppositionelles wie widerständiges Verhalten festgestellt werden. Für die gesamte Kirchenleitung sei aber Resistenz der passendere Begriff. Jörg Seiler (Erfurt) widmet sich einem Fallbeispiel. Der im Frühjahr 1957 auf den Berliner Bischofsstuhl berufene Julius Döpfner (1913–1976) sei im Machtbereich der SED nach Jahren der Mäßigung auf eine zunehmend repressive staatliche Kirchenpolitik getroffen. Das umfasste auch verstärkte Aktivitäten des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) gegenüber den Kirchen. Döpfner eckte als entschiedener Antikommunist sogleich an und geriet in das Visier des MfS. Im Mittelpunkt der nachrichtendienstlichen Einschätzung stand Döpfners Tätigkeit für die Vertriebenenseelsorge – er war formal von 1953 bis 1957 katholischer „Vertriebenenbischof“ gewesen –, seine damit einhergehende „revanchistische Tätigkeit“ sowie seine Unterstützung der Bonner Politik. Darüber hinaus protokollierte das Ministerium vermeintliche menschliche Schwächen. Seit Mai 1958 mit einem Einreiseverbot für die DDR belegt, habe das merkliche Informationsdefizit des MfS aus Döpfners Westberliner Wohn- und Residenzort resultiert. Mit Andrzej Kopiczko (Olsztyn/Allenstein) beginnt der Abschnitt über die Republik Polen, seit 1952 Volksrepublik. Unter dem Decknamen „Weichsel“ fand in der ersten Hälfte des Jahres 1947 die Umsiedlung der ukrainischen Bevölkerung aus dem südostpolnischen Raum nach Masuren und Ermland statt, insgesamt betraf das über 55.000 Personen. Die Motivation für diese planmäßig angelegte staatliche Zwangsmaßnahme lag in der seit dem Ersten Weltkrieg praktizierten Vorstellung eines ethnisch homogenen Staates als Basis für politische Ordnung. Und gerade in Wolhynien und Ostgalizien hatte es im Zweiten Weltkrieg ethnische Konflikte zwischen Polen und Ukrainern gegeben, die nicht in einem alleinigen Kausalzusammenhang mit der Aktion „Weichsel“ standen, aber einen erheblichen Anteil daran besaßen. Die Umsiedlung selbst verlief nach festgelegten Regeln, so sollte die Zahl der Umgesiedelten höchstens zehn Prozent der Bevölkerung eines Dorfes entsprechen, was sich in der Praxis nicht durchführen ließ. Überdies fand eine Seelsorge der Griechisch-Katholischen nur im Rahmen des römisch-katholischen Ritus statt, die soziale Isolation in der neuen Heimat sorgte für weitere Probleme. Erst 1952 erlaubten es die staatlichen Behörden, Andachten und Messen nach griechisch-katholischem Ritus abzuhalten. Die Rückkehr zu einer eigenständigen seelsorgerlichen Tätigkeit sei schließlich erst mit dem einsetzenden „Oktobertauwetter“ ab 1956 möglich gewesen.
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Grzegorz Bębnik (Katowice/Kattowitz) thematisiert die evangelischen Gläubigen in Oberschlesien. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden diese seitens der kommunistischen Machthaber als „deutsch“ identifiziert und zur Räumung ihrer Wohnorte gezwungen, was ihre Zahl stark dezimierte und die evangelische Kirche in Polen zu einer Diasporakirche werden ließ. An einer Vielfalt der lutherischen Kirchen sei man von staatlicher Seite nicht interessiert gewesen, weshalb am 4. Juli 1947 die Gläubigen aller evangelischen Kirchen in die Obhut der evangelisch-augsburgischen Kirche in Warschau übergeben wurden. Einzig in Teschener Schlesien wurde der Protestantismus als „polnisch“ angesehen, ebendort galt der Katholizismus als „deutsch“. Für das kommunistische Regime hingegen war die evangelisch-augsburgische Kirche von strategischer Bedeutung: Bei der Re-Polonisierung in Masuren und Schlesien sollte sie aktiv Unterstützung leisten. Die Kirchenpolitik des kommunistischen Staates war in ihren operativen Maßnahmen vor allem gegen die bei weitem größere katholische Kirche gerichtet. Die Sicherheitsdienste waren gleichwohl ob der guten Kontakte der evangelischen Kirchenleitung in den Westen – vor allem in die Bundesrepublik – beunruhigt. Hochrangige Würdenträger wurden daher für eine Zusammenarbeit angeworben, unter ihnen auch der Senior der Kattowitzer Diözese. Die Kooperation der evangelischen Pastoren mit dem kommunistischen Staat hatte ihre Gründe in dem Minderheitscharakter der Kirche, die sich selbst als schwach empfand, und in dem Obrigkeitsverständnis der protestantischen Lehre, die Obrigkeit als von Gott angeordnet sah. Auch weltliche Motive spielten eine Rolle: die Erlangung von Privilegien wie Reisefreiheit, den Erhalt von Luxusgütern oder die Hoffnung auf Karriere durch die Schwächung von Konkurrenten. Bernard Linek (Opole/Oppeln) beleuchtet die katholische Kirche in Oberschlesien. In einer ersten Periode in den Jahren 1945/46 habe es eine gewisse Zusammenarbeit zwischen den Kommunisten und der polnischen katholischen Kirche gegeben, so zum Beispiel bei der Rückgabe des konfiszierten kirchlichen Vermögens. Deutschsprachige Messen wurden hingegen mit dem Verweis auf NS-Kollaboration der Priester verboten, die Priesterschaft sowie die Liturgie und die religiösen Bräuche unterlagen alsbald einer Polonisierung. Mit dem Jahreswechsel 1946/47 und der Machtübernahme durch die Kommunisten erfolgte die Auseinandersetzung des Staates mit der Kirche in mehreren Etappen. Die Intention des kommunistischen Regimes war, die katholische Kirche in Oberschlesien von innen zu zerstören und von außen zu beherrschen. Die Behinderung bis zum Verbot kirchlicher Tätigkeiten – Verbannung des Religionsunterrichtes sowie der Kruzifixe aus den Klassenräumen der staatlichen Schulen, Schauprozesse etc. – und die Anwerbung von Informanten unter den Geistlichen galten als Mittel der Wahl. Im Rahmen des kommunistischen Veteranenverbandes wurden 1949 die sogenannten Patrioten-Priester aufgestellt, die sich willfährig für den kommunistischen Staat engagierten. Die folgenden Wahlen von 1952 und 1954, aber auch die Kollektivierung unterstützten sie tatkräftig. Selbst das „schlesische Tauwetter“ im Zuge einer allgemeinen Entspannung um das 1956 sei nicht von langer Dauer gewesen, die Beziehungen zwischen katholischer Kirche und Staat blieben in der Folgezeit angespannt. Otfrid Pustejovsky (Waakirchen), mit dem der Abschnitt über die Tschechoslowakei beginnt, filtriert drei Phasen in der Beziehung von Staat und Kirche heraus,
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determiniert von dem etappenweisen Vorgehen der Kommunistische Partei der Tschechoslowakei gegen die Kirche. Sei die erste Phase von 1945 bis 1949 noch geprägt gewesen von der – gemäß Artikel XIII des Potsdamer Abkommens – „Überführung“ der deutschsprachigen Bevölkerung nach Deutschland und der damit einhergehenden Schwächung kirchlicher Institutionen, war die zweite Etappe bis 1953/1956 von stalinistischen Inhalten und Formen der Kirchenverfolgung geprägt, was gesetzliche und formelle Bestimmungen im Verbund mit der Anwendung von Gewalt durch die Staatssicherheit bedeutete. Die dritte Phase von 1956 bis zur Niederschlagung des „Prager Frühlings“ 1968 habe eine gewisse Lockerung, gar einen zeitweiligen Neuanfang aufgewiesen. Offen wurde vergangenes Unrecht durch Petitionen angezeigt, worauf Rehabilitierungen ganzer Gruppen erfolgten. Jaroslav Šebek (Praha/Prag) blickt auf das kirchliche Leben in der tschechischen Nachkriegsgesellschaft vor und nach dem Februarumsturz 1948. Zum einen habe es eine breite Unterstützung für die kommunistische Partei in der Bevölkerung gegeben, die einen grundlegenden gesellschaftlichen Wandel propagierte, um vor allem soziale Missstände der Ersten Tschechoslowakischen Republik zu korrigieren. Zum anderen seien die Folgen des Münchner Abkommens von 1938 noch existent gewesen, als sich breitere Gesellschaftsteile vom Westen ab- und der Sowjetunion als vermeintlichen Garanten nationalstaatlicher Integrität zuwandten. Die Vertreibung der Deutschen veränderte zudem die konfessionelle Landkarte von Böhmen, Mähren und Schlesien drastisch. Dadurch befand sich die katholische Kirche in einer Diaspora-Lage, umgeben von einer starken atheistischen Mehrheit. Mit dem Machtantritt des kommunistischen Regimes 1948 sei die Neugestaltung der Staat-Kirche-Beziehung virulent geworden. Die unterschiedliche Haltung der Bischöfe zwischen Unnachgiebigkeit und Verständigung habe ab Frühjahr 1949 in eine kirchenfeindliche Strategie des Staatsapparats gemündet mit dem Ziel, eine Nationalkirche zu schaffen. Die Ablehnung zahlreicher Bischöfe sei mit Internierungen beantwortet worden. Eine ab 1951 weiter forcierte Zusammenarbeit des Regimes mit der Priesterschaft sei an deren Loyalität gegenüber dem Vatikan gescheitert. Das aufblühende religiöse Leben im Zuge der Entstalinisierung ab 1956 offenbarte das Scheitern des kommunistischen Regimes, die katholische Kirche in eine staatsnahe Nationalkirche bzw. einen papsttreuen Teil zu spalten. Die Parteiführung reagierte darauf mit einem Strategiewechsel: Nunmehr konzentrierte sie sich auf die Schaffung einer mehrheitlich atheistischen Gesellschaft. Ivan A. Petranský (Trnava/Tyrnau) betont mit Blick auf den slowakischen Landesteil die unterschiedlichen Rollen der Kirchen in den Gesellschaften, die unterschiedlichen historischen Entwicklungen wie die differenten religiösen Strukturen. So seien die repressiven Maßnahmen gegen die Amtskirchen in den Jahren 1944/45 bis 1948 deutlich schärfer ausgefallen als im tschechisch-mährischen Landesteil. Kirchliche Schulen wurden verstaatlicht, katholische sowie lutherische Zeitschriften aufgelöst, katholische Bischöfe verfolgt und inhaftiert. Im Zeitraum bis 1953 wurden weitere grundlegende Maßnahmen gegen die Kirchen durchgeführt. Die griechisch-katholische Kirche wurde gewaltsam mit der orthodoxen verschmolzen und streng vom Staat kontrolliert, Orden wurden verboten, Schauprozesse fanden statt. Zugleich bildeten sich parallele katholische Strukturen im Verborgenen. Nach Josef Stalins Tod 1953 und einer kurzfristigen
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Entspannung verschärfte sich die antikirchliche Politik des Regimes mit dem Jahre 1957 wieder, gefolgt von einer abermaligen „Linderung“ bis 1968. Der Teil Sowjetunion/Ukraine beginnt mit Olga Litzenberger (Nürnberg) und den deutschsprachigen Katholiken in der Sowjetunion. Nach dem Sieg der Bolschewiki im Jahr 1917 begann eine antikirchliche Politik des Regimes, die auch die Diözese Tiraspol und deren deutschsprachige Gläubige betraf. Bis 1939 wurden alle katholischen Kirchen geschlossen, Amtsträger verhaftet, Kirchenbesitz konfisziert. Diese Kirchenpolitik blieb auch nach dem Zweiten Weltkrieg vor dem Hintergrund absoluten Machtanspruchs kommunistischer Ideologie existent. Außer in den baltischen Staaten, wo kirchliche Strukturen zunächst erhalten blieben, wurden die Kirchen anderenorts unterdrückt. Für die deutsche Minderheit, die in „Sondersiedlungen“ unter Aufsicht des NKWD in Sibirien und Kasachstan zu leben hatte, bedeutete das bezüglich der Religiosität ein Rückzug ins Private. Ohne jeden Priester fiel älteren Frauen, die Betkreise organisierten, Kinder tauften etc. die Bewahrung des Glaubens zu. Damit war eine Untergrundkirche geschaffen. Nach Aufhebung der Sondersiedlungen im Dezember 1955 blieb die antireligiöse Politik freilich erhalten. Freigelassene Geistliche konnten nur für kurze Zeit ihre Arbeit wiederaufnehmen, bevor sie neuerlich verhaftet wurden. Ebenso entfiel eine Legalisierung der Gemeinden, Gottesdienste fanden weiterhin in verhängten Privatwohnungen statt. Erst in den ausgehenden 1960er Jahren wurden staatlicherseits katholische Gemeinden zugelassen. Katrin Boeckh (Regensburg) thematisiert die Pseudo-Synode von Lemberg (ukr. Lwiw) von März 1946 zur „Liquidierung“ der griechisch-katholischen Kirche in Galizien. Gemäß ihren Thesen war die Ausschaltung der unierten Kirche als Teilprogramm einer Sowjetisierung der Westukraine ein erfolgreiches kirchenpolitisches sowie gesellschaftspolitisches Ereignis. Die griechisch-katholische Kirche sei seit den frühen 1920er Jahren im Visier sowjetischer Politik gewesen. Ab 1939 habe es Pläne gegeben, die griechisch-katholische Kirche durch Eingliederung in die russisch-orthodoxe zu beseitigen. Mit der Okkupation der Westukraine 1944 folgte ein sofortiges Vorgehen gegen die Kirchenhierarchie. Ein Teil der orthodoxen Geistlichkeit billigte die Auflösung und die Annäherung an die östliche Orthodoxie, was in die Gründung einer sogenannten Initiativgruppe um Havryil Kostel’nyk (1886–1948) mündete. Die in der Folge vom NKWD initiierten und infrastrukturell unterstützen Aktionen der Initiativgruppe sollten nach außen den Anschein erwecken, als gingen diese von der kirchlichen Institution selbst aus. Das Herzstück der inneren Liquidierung war die Pseudosynode von Lemberg im März 1946. Die Folgen seien einerseits der Aufbau einer umfassenden Katakombenkirche gewesen, andererseits habe diese Art der „Ausschaltung“ der griechisch-katholischen Kirche in der Ukraine als Blaupause für deren Liquidierung in der Tschechoslowakei im Jahr 1950 gedient. Der Neuorganisation der Ukrainischen Griechisch-Katholischen Kirche nach ihrer Zerschlagung widmet sich der Beitrag von Oleh Turij/Svitlana Hurkina (L‘viv/Lemberg). Nach Verhaftung und Verbannung von Hierarchie und Klerus in die stalinistischen Lager war es Metropolit Josyf Slipyj (1892–1984), der die Gläubigen außerhalb moralisch aufrichtete und innerhalb des Lagers Priester auf ihre Arbeit im Untergrund
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vorbereitete. Nach Stalins Tod verblieb Slipyi zwar in Gefangenschaft; andere Bischöfe, Priester, Nonnen und Mönche kamen aber frei und nahmen vakante Ämter in der Untergrundkirche ein. Um den Mangel an Priestern für die Seelsorge zu bewältigen, wurde u. a. ein illegales theologisches Seminar eingerichtet. Auch Rückkonversionen wurden vollzogen. Die seit Ende 1958 laufende Politik Nikita Chruschtschows (1894– 1971) gegen die Russisch-Orthodoxe Kirche habe gerade auf dem Land die Stellung der Ukrainischen Griechisch-Katholischen Kirche als Untergrundkirche gefestigt und einige orthodoxe Priester zum Übertritt ermutigt. Andriy Mykhaleyko (Eichstätt) analysiert die Meso- und Mikroebene. Trotz anderslautender Beteuerungen von politischer Seite bestand die griechisch-katholische Kirche nach der Auflösung der Union als Untergrundkirche weiter. Heimlich vollzogene Bischofsweihen an zum Teil unkonventionellen Orten sicherten das Fortbestehen der Hierarchie. Um die Seelsorge kontinuierlich zu gewährleisten, mussten Priester ausgewählt und ausgebildet werden. Vor allem aktive Laien und die Söhne der Priester wurden hierfür herangezogen; die Ausbildung übernahmen ehemalige Professoren aus Lemberg sowie erfahrene Priester. Die Formen der Seelsorge hingen von den örtlichen Gegebenheiten und der Art der Überwachung durch die Obrigkeit ab. Es habe keine systematische Organisation der seelsorgerischen Tätigkeit im Untergrund gegeben, vielmehr handelten die Priester nach eigener Verantwortung und kontaktierten die Bischöfe nur in seltenen Fällen. Die Gottesdienste fanden zumeist nachts in den privaten Wohnungen der Gläubigen oder Priester statt, besucht wurden zudem auch römischkatholische Gottesdienste. In seltenen Fällen durfte die Beichte von griechisch-katholischen Priestern in den römisch-katholischen Gotteshäusern abgenommen werden. Vielfältig zeigte sich das Engagement der Laien, die einen erheblichen Anteil an dem Fortbestehen der griechisch-katholischen Kirche hatten. Dem Teil Ungarn steht einleitend Eszter Cúthné Gyóni (Budapest) voran, die die unterschiedlichen Phasen des katholischen Lebens im kommunistischen Ungarn herausarbeitet. Die unmittelbare Nachkriegszeit bis 1949 war politisch davon geprägt, als Teil der sowjetischen Einflusssphäre ein kommunistisches Ein-Parteien-System in Ungarn zu schaffen, in welchem christliche Religion wie Amtskirche als ideologische Feinde betrachtet wurden. Gegen den Klerus wurden folglich Gerichtsprozesse eingeleitet, darunter auch gegen die Symbolfigur des christlichen Widerstands, Kardinal József Mindszenty (1892–1975). Während der stalinistisch geprägten Zeit unter Mátyás Rákosi (1892–1971) nahmen die Repressionen vor allem gegen die katholischen Orden nochmals zu. Nach einer kurzen Entspannung verschärfte die Regierung ab 1957 nicht nur die antiklerikalen Maßnahmen, die in einer Serie von Gerichtsprozessen (1961/62) gipfelten, sondern sollte die Gesellschaft auch zusehends in ein passives Verhältnis zur Kirche treten, um die staatliche Kirchenpolitik ohne gesellschaftliche Vibrationen umsetzen zu können. Éva Petrás (Budapest) nimmt sich in ihrem Beitrag der Glaubensgemeinschaft Zeugen Jehovas in Ungarn an. Sie legt dar, wie die Religionsgemeinschaft während des Zweiten Weltkriegs der Verbreitung kommunistischer Ideen angeklagt wurde, nach 1945 aber unter dem Verdacht stand, Sympathisanten kapitalistischer, vor allem US-
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amerikanischer Ideen zu sein. Die Zeugen Jehovas wurden – auch während der „Lockerungszeit“ in den 1960er Jahren – bis 1989 nicht legalisiert. Es fanden Schauprozesse statt, zahlreiche Mitglieder wurden verhaftet. Trotz dieser „Sündenbock-Politik“ des Staates blieben die Zeugen Jehovas beharrlich bei ihrem Bekenntnis und fanden Strategien für ihren Fortbestand. Eszter Cúthné Gyónis (Budapest) zweiter Beitrag in diesem Band befasst sich schließlich mit den Zisterziensern und deren Ordenszentrum Zirc. Diese älteste und größte Religionsgemeinschaft in Ungarn musste in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg bis zur Auflösung religiöser Orden eine Strategie entwickeln, um trotz anhaltender staatlicher Maßnahmen – Verhaftungen, Bodenreform, Verstaatlichung der Schulen – weiterwirken zu können. Besonders der Verlust der Schulen habe aber das Hauptbetätigungsfeld des Ordens zerstört. Übrig blieben die Pfarrseelsorge und die Kontaktpflege zu ihren ehemaligen Schülern. Das klösterliche Leben der Zisterzienser ging jedoch weiter zurück, je stärker der Staat den Druck auf die Kirchen erhöhte. Allerdings engagierten sich Ordensangehörige auch bei den „Friedenpriestern“. Ab 1950 bereitete der Staat die Auflösung der Orden vor, die nach der Verstaatlichung des Bildungssystems nurmehr als unnütze Mitglieder der Gesellschaft, als „irreguläre Truppen“ und „Agitatoren des Vatikans“ angesehen wurden. In mehreren Wellen wurden Ordensleute interniert, angeklagt und zu Gefängnisstrafen verurteilt. Der Themenschwerpunkt Rumänien beginnt mit Lucian N. Leuştean (Birmingham). Er verdeutlicht den im Vergleich speziellen Umgang der rumänischen Politik mit der Religion: Religiöse Gemeinschaften wurden vom Staat kontrolliert, während auf der Mikroebene Religiosität und nationale Identität miteinander verbunden wurden. Die Rumänisch-Orthodoxe Kirche hingegen arbeitete mit dem kommunistischen Regime zusammen und war keiner breiteren Verfolgung ausgesetzt. Habe die Kirchenhierarchie in den ersten Monaten nach der Gründung der Volksrepublik auch eine ambivalente Position gegenüber dem neuen Regime eingenommen, so schlug der im Mai 1948 von Patriarch Justinian (1901–1977) veröffentlichte erste Band einer Sammlung von Reden eine Zusammenarbeit zwischen Amtskirche und Staat vor. Die Kirche sollte zur „Dienerkirche des Volkes“ werden. Diese Mischung aus kommunistischer Terminologie und religiösen Lehren blieb die Norm im Verlauf des Kalten Krieges. Die katholische Kirche wurde als große Bedrohung für den Aufbau des Kommunismus in Rumänien empfunden. Daher kündigte der rumänische Staat das Konkordat mit dem Vatikan, zudem wurde die Zahl der römisch-katholischen Stühle von sechs auf zwei reduziert. Das zweitgrößte religiöse Bekenntnis in Rumänien, die griechisch-katholische Kirche, wurde von der Regierung mit der Rumänisch-Orthodoxen Kirche zwangsvereinigt, was die kommunistische Propaganda als Endpunkt einer „Volksbewegung“ ansah. Die Abschaffung wäre dem Wunsch des Volkes nachgekommen, sich mit „ihrer Mutterkirche“ zu vereinen, was nur durch den Kommunismus überhaupt erst möglich geworden wäre. Auf die griechisch-katholische Kirche in Rumänien geht der Beitrag von Cristian Vasile (București/Bukarest) näher ein. Im ausgehenden 17. Jahrhundert in Siebenbürgen konstituiert, verlor sie 1941 ihren Metropoliten durch dessen Ableben. Die kommunistische Führung sah bei der Wahl eines Nachfolgers im Jahr 1946 die Möglichkeit,
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einen genehmen Kandidaten durchzubringen. Scheiterte dieses Vorhaben auch, so blieb dem neu gewählten Kirchenleiter schlicht die staatliche Anerkennung versagt. Zwei Gründe führten letztlich zur Liquidierung der Kirche: Einmal seien die kommunistischen Machthaber inspiriert gewesen von den Sowjets, die die Ukrainische GriechischKatholische Kirche in Galizien bereits im März 1946 aufgelöst hatten. Zweitens liege ein weiterer Grund in der orthodoxen Kirche selbst. Die Russisch-Orthodoxe Kirche habe einen konstanten Druck auf den Patriarchen Nicodim (1864–1948) und die orthodoxe Hierarchie ausgeübt, der Plan eines orthodoxen „Commonwealth“ unter russischer Führung habe im Raum gestanden. Die Art der Liquidierung erfolgte nach sowjetischem Muster: staatliche Betonung der Kommunistenfeindlichkeit der Kirche sowie Kontaktaufnahme zu reunionswilligen Bischöfen. Nach der offiziellen Vereinigung mit der Rumänisch-Orthodoxen Kirche blieb eine Untergrundkirche zurück, auf die der Staat mit verschiedensten Maßnahmen reagierte und die erst nach 1989 ihr Existenzrecht zurückbekam. Einer der personell am stärksten besetzten Orden in Ungarn war die Societas Jesu. Wie Gábor Bánkuti (Pécs/Fünfkirchen) in seinem Vergleich zeigt, waren die Jahre zwischen 1949 und 1953 eine Hochphase der Verhaftungen jesuitischer Geistlicher, die gar unter den Betroffenen der Kirchenverfolgung überrepräsentiert waren. Nach weiteren Verhaftungen änderte der Orden in den 1950er Jahren seine Strategie: Nunmehr sollte ein Dialog mit dem Unterdrückungsapparat eingegangen werden. Wenn auch in den 1960er Jahren zahlreiche Ordensleute aus Ungarn emigrierten, bewahrten die Jesuiten doch ihre organisatorische Zusammengehörigkeit. In Rumänien war die Situation eine andere. Der Orden wurde im 20. Jahrhundert durch die geopolitischen und missionarischen Intentionen des Heiligen Stuhls etabliert. Nach dem Zweiten Weltkrieg bestimmte der kirchenfeindliche Kurs der kommunistischen Diktatur den Fortgang des Ordens. Dieser war zwar nur indirekt von staatlichen Verordnungen betroffen, wohl aber von der Vorgehensweise gegen die Griechisch-Katholischen. Die Jesuiten konzentrierten ihre Tätigkeit demnach auf zwei Felder: Sie organisierten die seelsorgerliche Betreuung der griechisch-katholischen Gläubigen im Geheimen und leisteten zusammen mit den Franziskanern Widerstand gegen die Kirchenführung und Friedenspfarrer. Den letzten Abschnitt Jugoslawien eröffnet Bogdan Kolar (Ljubljana/Laibach) mit der Situation der slowenischen Katholiken in Jugoslawien, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg zwischen Konflikt und Konformität bewegt habe. Zunächst befanden sich unter den Opfern der kommunistischen Konstituierung im Sommer 1945 eine Vielzahl an Priestern und Ordensleuten, zudem flüchteten zahlreiche Würdenträger nach Italien und Österreich und von dort weiter nach Argentinien. Das Verhältnis von Staat und Kirche war von nun an geprägt durch den Vorwurf, die Partisanenbewegung abgelehnt und zugleich mit den Faschisten kollaboriert zu haben. Die auch in anderen „Volksdemokratien“ angewandten staatlichen Drangsalierungen waren die Folge: Schauprozesse, Konfiskationen, vielfältige Isolation, Schließung religiöser Schulen, Zerstörungen von Denkmälern und Gebäuden etc. Auf der anderen Seite wurde im September 1949 auf Initiative der jugoslawischen Geheimpolizei der Priesterverein „Cyrill und Method“ gegründet mit dem Ziel, „herrschaftsnäheren“ katholischen Priestern ein
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geistliches Leben zu ermöglichen und gleichzeitig an das Regime zu binden. Bis 1953 blieb der Apostolische Nuntius in Belgrad der einzige Verbindungsknoten nach Rom; erst nach 1960 entspannte sich die Situation für den Klerus, die Laien hingegen sahen sich nun vermehrt staatlichem Druck ausgesetzt. Aleksandar Jakir (Split) beschließt den Band mit seinem Blick auf die Religionspolitik in Kroatien und dem Verhältnis von Staat und katholischer Kirche. Die historischen Grundzüge starker Religiosität in Südosteuropa seien gemäß wissenschaftlichem Konsens das Ergebnis einer „verspäteten Säkularisierung“, Verzögerung bei der Urbanisierung und Alphabetisierung sowie im Falle Kroatiens aus einem verwurzelten Volkskatholizismus resultierend. Umso radikaler und tiefer sei die Zäsur von 1945 einzuschätzen, wobei bereits der Zweite Weltkrieg ein vielschichtiger, von ideologischen Linien geprägter Krieg gewesen sei. Die siegreichen Kommunisten strebten eine Umgestaltung der Gesellschaft nach zunächst stalinistischem Vorbild an. Das beinhaltete eine „Abrechnung“ mit den „Volksfeinden“, zu denen auch die katholische Kirche gezählt wurde, die der Kollaboration mit dem faschistischen Ustascha-Staat bezichtigt wurde. Allerdings sei die Rolle der katholischen Kirche im Unabhängigen Staat Kroatien (kroat. Nezavisna Država Hrvatska) nach neuester Forschung differenzierter zu sehen, pauschal lasse sich der Vorwurf einer Kollaboration des Klerus mit dem Ustascha-Regime nicht halten, gleichwohl Antikommunismus und Unterstützung für einen kroatischen Nationalstaat in diesem Milieu vorherrschend war und an die Gläubigen verschiedentlich kommuniziert wurde. Allerdings unterstützten katholische Priester auch die „Volksbefreiungsbewegung“ unter Führung der Kommunistischen Partei, weitere starben als Mitglieder des antifaschistischen Widerstands, einige Geistliche brachten sich auch nach Kriegsende aktiv in die Volksfront ein. Generell ließ die Kommunistische Partei an ihrem antiklerikalen Kurs aber keinen Zweifel, was sich an der belegbaren Zahl an Priestermorden auch ablesen lasse. Zu sehr wurde eine Konkurrenzinstitution befürchtet, die den Kristallisationspunkt einer möglichen Opposition hätte bilden können. Noch 1953 kam es zu tätlichen Angriffen gegen zahlreiche Bischöfe im Land, Gerichtsprozesse wurden noch bis in die 1960er Jahre hinein geführt.
Klaus Buchenau
CHRISTENTUN UND KOMMUNISMUS – WIRKLICH NUR EINE KONFLIKTGESCHICHTE?
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Grundsätzliches
„Christen unter totalitärer Herrschaft in Südosteuropa von 1945 bis ca. 1960“ – der Titel dieser Tagung sagt es eigentlich schon: Die Herrschaft der Kommunisten war, zumindest im genannten Zeitraum, ‚totalitär‘, also überwältigend, unerbittlich und bis in die letzte Pore der Gesellschaft dringend. Da der Kommunismus im Christentum ein ‚Opium für das Volk‘ sah, ein schädliches Rauschmittel also, welches die Menschen daran hindert, sich über ihr eigenes Ausgebeutetsein klar zu werden und ihr Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen, erscheint auch das Schicksal der Christen in dieser Ordnung bereits festgelegt – wir können eigentlich nichts anderes erwarten als Leid und Martyrium. Und tatsächlich war das auch ein prägender Zug. Kommunistische Schikanen, Einschüchterung, willkürliche Verhaftungen, Schauprozesse, Todesurteile, teils sogar Massaker standen am Beginn kommunistischer Herrschaft in Südosteuropa.1 Sie haben sich tief in das kollektive Gedächtnis der Kirchen eingegraben, die Erinnerung daran wird durch Heilig- und Seligsprechungen, durch Denkmäler, Gottesdienste, Ikonen, Publikationen und anderes mehr aufrechterhalten.2 Die persönlichen Netzwerke, die in Zeiten des Kalten Krieges die Systemgrenze überwanden, wurden zum Teil zusammengehalten durch das Bewusstsein über diese kommunistische Grausamkeiten. Nach 1989 haben sich die Kräfteverhältnisse allerdings deutlich verschoben – während ehemalige kommunistische Kader oft sehr erfolgreich darin waren, auch im neuen, mehr oder weniger demokratischen System ganz oben mitzuspielen, verblasste die Erinnerung an kommunistische Verbrechen ab der Jahrtausendwende doch deutlich – teils, weil ein Übermaß an moralischer Empörung dem politischen und gesellschaftlichen Alltag im Wege gestanden hätte, insbesondere aber auch, weil die brutalsten Verbrechen gegenüber Andersdenkende vor allem in die Frühphase kommunistischer Herrschaft fielen und der ‚reifere‘ Realsozialismus sich durchaus bemüht hatte, mehr
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Bartosek, Karel: Mittel- und Südosteuropa, in: Stephane Courtois et al. (Hg.), Schwarzbuch des Kommunismus. Unterdrückung, Verbrechen und Terror, München 31998, 430-509. Vgl. Ivanišević, Alojz (Hg.): Re-Sakralisierung des öffentlichen Raums in Südosteuropa nach der Wende 1989?, Frankfurt a.M. 2012.
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Klaus Buchenau
auf freiwillige Akzeptanz als auf Zwang und Gewalt zu setzen.3 Für die westliche Außenpolitik spielte es nach 1989 ohnehin nur selten eine Rolle, auf welcher Seite ihr politisches Gegenüber in kommunistischen Zeiten gestanden hatte; viel wichtiger war, wer in der Lage war, demokratisch legitimiert verwestlichende Reformen durchzuführen. Anders als in kommunistischen Zeiten war es seit den 1990ern zwar wieder möglich, frei über kommunistische Gewalt zu sprechen und zu forschen, dennoch rückten in der tonangebenden westlichen Welt Opfer kommunistischer Gewalt wirklich nicht ins Zentrum politischer Diskurse.4 In den Kirchen des östlichen Europas waren die Reaktionen darauf unterschiedlich – eher frustriert bei denen, die sich vor 1989 unter persönlichem Risiko gegen die Regime engagiert hatten, gleichgültig bei den Jüngeren und pragmatisch Veranlagten, stillschweigend wohlwollend bei jenen Kirchenleuten, die selbst in kommunistischer Zeit Kompromisse mit den Mächtigen eingegangen waren, die jetzt, nach der Wende, den eigenen Ruf zu beschädigen drohten. So ist die Anerkennung von Leid, das Andersdenkenden unter kommunistischer Herrschaft zugefügt wurde, wohl immer noch ein Stolperstein im Ost-West-Gespräch. Vielleicht wäre dieses Thema noch mehr untergegangen, hätten nicht rechtspopulistische Regierungen in Ostmitteleuropa westliche Öffentlichkeiten geradezu gezwungen, sich mit spezifischen postkommunistischen Befindlichkeiten zu beschäftigen. Ich nehme in diesem Beitrag das Leiden der ersten 15 Nachkriegsjahre sehr ernst, weil ich glaube, dass ohne eine Anerkenntnis der Ost-West-Dialog nicht weiterkommt. Auch hilft es wenig, sich von Opfern kommunistischer Gewalt mit dem Hinweis abzuwenden, sie hätten eben politisch auf der falschen Seite gestanden – das christliche Verständnis vom Tod zeichnet sich gerade dadurch aus, dass politischer Zwist und ideologische Ablehnung zurückstehen müssen, wenn es sich um Menschen handelt, die mit oder ohne Schauprozess von der Siegerseite getötet wurden. Dies gilt auch für Kleriker, Laien, aber auch Kombattanten unterlegener Streitkräfte, die seit 1945 kommunistischen Maßnahmen zum Opfer fielen.5 Verständnis zu haben bedeutet aber nicht, den Kopf abzuschalten. Vielmehr muss dieser sehr wach bleiben in einer Welt, in der Opferdiskurse instrumentalisiert werden, um Ziele zu erreichen, die über die schiere Anerkennung eigener Opfer doch deutlich hinausgehen. Wer historisch in Archiven forscht, um dem Verhältnis von Christentum und Kommunismus auf den Grund zu gehen, trifft zweifellos und regelmäßig auf kommunistische Gewalt gegenüber Andersdenkenden; er/sie findet aber auch Beispiele für 3
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Brunnbauer, Ulf: Staat und Gesellschaft im Realsozialismus. Legitimitätsstrategien kommunistischer Herrschaft in Südosteuropa, in: Mihai-D. Grigore et al. (Hg.), Herrschaft in Südosteuropa. Kultur- und sozialwissenschaftliche Perspektiven, Göttingen 2012, 21-54. Siehe etwa die kritische Aufnahme, welche das oben zitierte „Schwarzbuch des Kommunismus“ im Feuilleton der Bundesrepublik Deutschland fand. Die deutschsprachige Forschungslandschaft zur kommunistischen Epoche erscheint heute zweigeteilt – während die DDR-Forschung in Deutschland sich stark auf die repressive Seite kommunistischen Herrschaft bezieht, stellt die Forschung zu anderen Ländern des östlichen Europas den „reifen“ Sozialismus mit seinen internationalen Verflechtungen, seiner Konsumkultur und Alltagsgeschichte im Vordergrund. Siehe dazu mein Interview mit der Deutschen Welle über die Opfer des Massakers von Bleiburg https://www.dw.com/de/das-potenzial-der-religion-zur-vers%C3%B6hnung-ist-bisher-nichtumgesetzt/a-53511127 (20.5.2020).
Christen und Kommunisten – wirklich nur eine Konfliktgeschichte?
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kommunistisch-christliche Kompromisse und Koalitionen. Sich an diese öffentlich zu erinnern, vor allem an sie erinnert zu werden, kann in christlich-nationalen Milieus heute durchaus rufschädigend sein.6 Ich möchte in diesem Beitrag versuchen, eine Brücke zu schlagen zwischen jenen, die verbittert von einer Nicht-Anerkennung christlichen Leids unter kommunistischer Herrschaft sprechen, und jenen, die heute eher der Linken nahestehen und mehr Verständnis für kommunistische Positionen haben. Dabei sollen abstraktes, modellhaftes Denken, aber auch ein diachroner, vergleichender Blick über die gesamte kommunistische Epoche helfen. Zunächst einmal ist festzuhalten, dass das grundsätzliche Verhältnis von Religion und Kommunismus nicht ideologisch fest vorgegeben ist, sondern erheblichen historischen Schwankungen unterlag. Der Marxismus des 19. Jahrhunderts war ursprünglich ein Gedankengebäude, welches sich als ‚naturgesetzlich‘ verstand. Die kommunistische Revolution ergab sich darin aus den inhärenten Widersprüchen zwischen Arbeit und Kapital, wobei sich erstere, bei zwangsläufig zunehmenden sozialen Gegensätzen, schließlich gegen letzteres durchsetzen würde. Für Marx und Engels zählte die Religion zwar zu den Elementen, welche durch ihre Erziehung zur Leidensfähigkeit und zur Jenseitshoffnung die Menschen daran hinderten, die eigene Lage und den Weg zur Selbstbefreiung zu erkennen. Dennoch ging es nicht darum, primär die Religion zu attackieren, um so den Weg zur Revolution freizumachen – sondern umgekehrt sollte sich die Arbeiterschaft, die sich oft auch ohne marxistisches Zutun von der Religion entfremdete, an eine Veränderung der gesellschaftlichen Machtverhältnisse machen. Die Revolution, vom selbstbewussten Proletariat herbeigeführt, würde dann Verhältnisse ohne Leid und Ausbeutung schaffen. Damit hätte die Religion ihren Daseinsgrund verloren – eine Gesellschaft ohne Kümmernisse braucht keine Gebete. Es lässt sich also durchaus von einer negativen Haltung des Marxismus zur Religion und auch von einer starken christlich-marxistischen Konkurrenz in der Weltdeutung sprechen. Diese musste aber keineswegs per se dazu führen, dass marxistischer Atheismus auch gewalttätig wird.7 Die Wahrscheinlichkeit von Gewalt vergrößerte sich aber, als der Marxismus in das östliche Europa wanderte, vor allem in das Russische Reich, wo eine konspirativ lebende revolutionäre Intelligencija hungrig nach Programmen war, die politische Aktion anleiten konnten. Dass der Kommunismus seine entscheidenden Karrierestufen gerade hier absolvierte, hängt auch mit Prognosefehlern in der marxistischen Theorie selbst zusammen. Sie sah den Kommunismus dort kommen, wo Urbanisierung und Industrialisierung bereits weit fortgeschritten waren. Sie übersah dabei, dass entwickelte Länder auch Strategien entwickeln konnten, um ihre sozialen Spannungen unter Kontrolle zu bringen – sei es durch Verlagerung der krassesten Formen von Ausbeutung in die Kolonien oder durch den Aufbau sozialer Sicherungsnetze. Russland verfügte über diese Möglichkeiten nicht. Hier war die industrielle Entwicklung und die damit 6 7
Beljakova, Nadezhda/Bremer, Thomas/Kunter, Katharina: „Es gibt keinen Gott!“. Kirchen und Kommunismus. Eine Konfliktgeschichte, Freiburg 2016, 217-223. Boer, Roland: Criticism of Earth. On Marx, Engels and Theology, Boston, 140-142; Gabel, Paul: And God created Lenin. Marxism vs. Religion in Russia, 1917–1929, Amherst 2005, 73-75.
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verbundene Wertschöpfung ausgesprochen insulär, einigen wenigen industriellen Zentren stand ein ärmlicher und kaum entwickelter ländlicher Raum gegenüber, in dem die Mehrheit der Bevölkerung lebte. An einen funktionierenden Sozialstaat war nicht zu denken, weil allein die Beherrschung und Durchdringung, die Grenzsicherung des riesigen Territoriums so große Ressourcen verschlang, dass die Leistungsfähigkeit des Staates in anderen Bereichen bescheiden bleiben musste. Russland war zwar ein Imperium, aber eines mit zusammenhängender Landmasse, welches nicht einfach Probleme nach Übersee auslagern konnte; die Distanz zwischen Herrschern und Beherrschten, die rassistischen Rechtfertigungen dafür waren deutlich schwächer ausgeprägt als in den westeuropäischen Imperien.8 In Russland erzeugte die insuläre Verstädterung und Industrialisierung lokale ‚Labore‘, in denen Gedanken und Strategien erprobt wurden, welche auf dem flachen Land weder passend waren noch verstanden wurden. Die marxistischen Revolutionäre waren entweder dazu verdammt, auf ungewisse Zeit abzuwarten, bis ein entsprechender Entwicklungsstand auch über die wenigen Industriestädte hinaus erreicht war, oder sie konnten beschließen, die Wirklichkeiten, deren Ausdruck bei Marx dann die Revolution war, überhaupt erst zu erzeugen. Diesen Weg ging die russische Sozialdemokratie unter Lenin, für den die Analyse von Gesellschaft weniger wichtig war als die Erprobung von Machttechniken, mit denen man schließlich das Ruder im Land übernehmen würde. Nach der Oktoberrevolution sahen sich die Bolschewiki denn auch einer Gesellschaft gegenüber, der marxistische Vorstellungen größtenteils fremd waren. Die Folgen waren zwiespältig. Wollten sich die Bolschewiki flächendeckend an der Macht etablieren, so mussten sie, gestützt auf die revolutionär gesinnten Teile von Arbeiterschaft und Armee, den Rest des Landes überrennen und mit Gewalt zur Annahme des bolschewistischen Rahmens zwingen. Weil aber Gewalt alleine wohl nicht gereicht hätte, war auch kulturelle Übersetzungsarbeit notwendig, durch welche die bäuerlichen Massen dafür gewonnen werden sollten, sich freiwillig der Revolution anzuschließen.9 Für die Beziehung von Kommunismus und Religion war die russische Konstellation folgenreich. In Russland entwickelte sich der Marxismus zu einer Ersatzreligion des politischen Aktivismus – ohne Jenseits- und Gottesvorstellungen zwar, aber doch durchdrungen von Eschatologie und religiöser Inbrunst. Diese war gewalttätig gegen resiliente alte Strukturen, und hier besonders gegen die orthodoxe Kirche, in welcher sie (nicht zu Unrecht) ein Stütze des alten Regimes erblickte.10 Gleichzeitig integrierte sie Teile des bäuerlichen Symbolkosmos, pflegte wie die orthodoxe Kirche eine intensive Bildkultur, präsentierte Revolutionsführer als Heilsbringer, entwickelte allerlei sozialistische Ersatzriten.11 Mit anderen Worten – während sich die Bolschewiki mit äußerster Gewalt gegen widerstrebende Priester, Mönche, Nonnen, Gläubige durch8 9
10 11
Kappeler, Andreas: Russland als Vielvölkerreich. Entstehung, Geschichte, Zerfall, München 1992. Figes, Orlando: A People’s Tragedy. The Russian Revolution, 1891–1924, London 1996, 84-102; Šanin, Teodor: Revoljucija kak moment istiny. Rossija 1905–1907 --> 1917–1922 gg. Moskau 1997, 200-226. Hildermeier, Manfred: Geschichte der Sowjetunion 1917–1991. Entstehung und Niedergang des ersten sozialistischen Staats, München 1998, 328-333, 580-585. Rolf, Malte: Das sowjetische Massenfest, Hamburg 2006, 68-69, 80, 241.
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setzten, machten sie sich selbst einen religiösen Duktus zu eigen und öffneten ihre Symbolwelt für ehemals christliche ‚Konvertiten‘, wodurch eine Art Synkretismus entstand, der den sowjetischen Alltag bis zuletzt prägen sollte. Wer als Westler die späte Sowjetunion bereiste, fragte sich verwundert, wie es in einem atheistischen Land so viel ‚Aberglauben‘ geben könne, weshalb viele an unsichtbare Kräfte wie etwa den ‚bösen Blick‘ zu glauben schienen. Diese Haltungen waren nicht unvereinbar mit einer Parteimitgliedschaft, wenn auch die ideologischen Eliten sie immer wieder geißelten. Dass der Kommunismus nicht nur im Konflikt mit der Religion war, ergibt sich auch aus noch viel grundsätzlicheren Umständen. Zwar beherbergte das Europa des 19. Jahrhunderts unzählige konservative Kleriker, die von der Kanzel säkulares Denken sowie das Auseinanderklaffen von Religion und Politik als Niedergang des Abendlandes geißelten. Die marxistische Ideologie war für sie dabei ein primäres Feindbild. Es gab aber auch jene christlichen Denker, die sich, getrieben von den marxistischen Thesen, auf christlicher Basis Gedanken machten, wie der Kapitalismus gezügelt werden könnte. Eine Art Komplizenschaft in der Frage der sozialen Gerechtigkeit deutet sich schon hier an, und sie setzt sich im 20. Jahrhundert fort. Weil die Christen sich nicht einig waren, ob die marxistische Gesellschaftslehre eher als tödliche Gefahr oder aber als Ansporn zu sehen sei, deutete sich sogar eine ideologische Spaltung des Christentums an, die sowohl den Katholizismus als auch Protestantismus und Orthodoxie erfasste. 12 Vor allem für die katholische Weltkirche wurde daraus im Laufe der Zeit eine schwere Zerreißprobe. Am unversöhnlichen Gegensatz zwischen Christentum und Kommunismus kommen noch mehr Zweifel auf, wenn man die unterschiedlichen Definitionen von Religion ins Spiel bringt. Die Definitionsgeschichte von Religion ist lang und hat bislang zu keinem Konsens geführt – sondern eher zu Resignation und Verzicht auf nähere begriffliche Bestimmung, womit sich dann meistens ein alltagssprachliches Verständnis in die Forschung einschleicht. Doch Definitionen sind in diesem Fall wichtig. Grundsätzlich ist ein essentialistisches (was ist Religion?) zu unterscheiden von einem funktionalistischen Religionsverständnis (was leistet Religion?).13 Alltagssprachlich stehen wir meistens dem Essentialismus näher, im Falle der monotheistischen Religionen wären dann ein Gottes- und Jenseitsglaube zentrale Kriterien. Wer Religion essentialistisch versteht, und das tun in aller Regel auch die Kirchen und ihre Gläubigen, wird natürlich schnell bei der Einschätzung landen, dass zwischen Kommunismus und Christentum nur Konflikt möglich war. Schließlich gibt es für die allermeisten überzeugten Kommunisten weder einen Gott noch ein Jenseits, und sie sind auch regelrecht stolz darauf, dass ihr Denken ohne diesen letzten Trost auskommen muss. Wer nur ein Diesseits kennt, muss sich besonders um dessen Gestaltung kümmern, denn er oder sie kann eine trübe irdische Existenz nicht mit der Aussicht auf das Himmelreich ‚verrechnen‘. Umgekehrt wirbt das Christentum für sich mit dem ‚Halt‘, den Gottes- und Jenseitsvorstellungen dem Menschen geben, gerade auch in Zeiten, in denen das Leben im 12 13
Beliakova et al., „Es gibt keinen Gott!“. Pollack, Detlef: Was ist Religion? Probleme der Definition, in: Zeitschrift für Religionswissenschaft 3 (1995), 163-190; Law, Alex: Key Concepts in Classical Social Theory, Los Angeles 2011, 166, 169.
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Diesseits schwierig ist. Eine Brücke zwischen diesen beiden Weltbildern zu schaffen, ist zwar nicht unmöglich, denn schließlich sind auch Christen an Verbesserungen des Diesseits interessiert. Eine wirkliche Harmonie zwischen beiden Anschauungen kann es aber nur schwer geben, so dass zwischen essentialistisch definierter Religion und dem Kommunismus eine Konfliktgeschichte durchaus wahrscheinlich ist. Für Menschen, die aus (religions-)wissenschaftlicher Perspektive auf das Problem schauen, war allerdings der Funktionalismus immer schon attraktiv. Zeigt nicht ein Vergleich der Weltreligionen, dass sie in ihren Grundstrukturen zu verschieden sind, um für sie eine gemeinsame essentialistische Definition zu finden? Muss man Götter haben, um eine Religion zu besitzen? Dann etwa hätte Ostasien keine traditionelle Religion, was kontraintuitiv ist. Auch fragt sich die Wissenschaft, was eigentlich aus Religion wird, wenn religiöse Institutionen oder traditionelle Glaubensvorstellungen verschwinden. Ist dann gar keine Religion mehr da, gibt es dann nichts mehr zu suchen? Auch das erscheint schwer glaubhaft, sehen wir doch etwa im Westdeutschland ab den 1970er Jahren einen Trend weg von den Volkskirchen und hin zu esoterischen Systemen, zu ‚selbstgebastelten‘ Patchwork-Religionen, die ähnlich wie die traditionelle Religion auch eine Orientierungsfunktion haben können – wenn schon nicht für die Gesellschaft als solche, so doch für das Individuum. Zu solchen Übergängen können eigentlich nur Funktionalisten etwas sagen, denn sie wissen: In der Moderne mögen religiöse Institutionen und Lehrsysteme kommen oder auch wieder gehen, bestimmte menschliche Bedürfnisse aber bleiben und suchen sich neue Wege der Befriedigung. Die am häufigsten genannten Funktionen von Religion sind gesellschaftliche Integration (eine auf Émile Durkheim zurückgehende, inzwischen zu unspezifisch klingende Vorstellung) und Kontingenzbewältigung. Unter Kontingenz verstand der Soziologe Niklas Luhmann die Unwägbarkeiten, Zufälle, ‚Schicksale‘ des Lebens, jenen existentielle Unsicherheit also, die uns zu schaffen macht und die wir in irgendeiner Weise bändigen müssen, um handlungsfähig zu bleiben. Für Luhmann war Religion ein gesellschaftliches Subsystem, dass Ungewissheit in Gewissheit überführt. Kontingenz, so viel ist klar, gibt es immer – auch in einer kommunistisch beherrschten Gesellschaft stoßen Menschen an Phänomene der Unsicherheit wie Zukunftsangst, Krankheit, Tod. Um damit zurechtzukommen, konnten sie kommunistische oder eben auch andere Quellen der Weisheit anzapfen. Für Funktionalisten verschwindet Religion nie wirklich, weil die Funktionen bleiben – sie haben eine Art anthropologischen Urgrund.14 Aus dieser Perspektive verändert sich auch die Einschätzung, ob es zwischen Christentum und Kommunismus nur Konflikt geben könne. In der frühen Sowjetunion bemühte sich ein neues, politisch hegemonial gewordenes System, auch die Kontingenzfrage mit zu beantworten, stieß allerdings durch seinen reinen Diesseitsbezug an Grenzen. Der funktionalistische Blick macht dabei klar, wie einerseits die Eliten durchaus versuchten, einen Wunsch etwa nach Unsterblichkeit auch in einer kommunistischen Gesellschaft zu befriedigen, etwa durch die Einbalsamierung Lenins oder durch Denkmäler, auf denen „ewige Erinnerung“ (večnaja pamjat‘) gelobt wird. Und wie andererseits ‚von unten‘ einiges an Kreativität aufgebracht wurde, um Ungewissheit unter 14
Pollack, Detlef: Probleme der funktionalen Religionstheorie Niklas Luhmanns in: Soziale Systeme 7 (2001) 1, 5-22.
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Kontrolle zu bekommen – etwa, indem man heimlich eben doch mal betete, das eigene Kind taufen ließ, Wahrsagerinnen aufsuchte, um dann anderentags als braves, aufgeklärtes Parteimitglied zu erscheinen.15 Das alles wurde auf Parteiversammlungen natürlich immer wieder kritisiert, und dennoch gehörte es zur ganz realen emotionalen Ökonomie kommunistischer Systeme.
2.
Historische Varianten des Verhältnisses von Kommunismus und Religion
Die ‚Mauer‘ zwischen Christentum und Kommunismus zeigt sich, das ist bis hierher klar geworden, an einigen Stellen als durchaus porös – und je älter der Realsozialismus wurde, desto mehr bröckelte dieses Mauerwerk. Einen ersten Schritt tat Stalin, als er im Zweiten Weltkrieg die Bevölkerung hinter sich bringen musste und zu diesem Zweck auch Kirchen wieder eröffnete, die orthodoxe Kirche Spenden für die Kriegsanstrengungen sammeln ließ und schließlich 1943 die Neubesetzung des Moskauer Patriarchenstuhls erlaubte. Diese Zugeständnisse waren ohne Zweifel nur taktisch gemeint und reflektierten keinen tiefen Sinneswandel in der Kremlführung – aber sie veränderten eben doch die Realität. Das religiöse Leben vitalisierte sich etwas, und nach außen, gegenüber den westlichen Verbündeten, aber auch gegenüber den großenteils russophil orientierten Gesellschaften Südosteuropas, präsentierte sich die Sowjetunion als Land, das die Glaubensfreiheit achtete. Die Zeit systematischer und gezielter Brutalität (Lager, Erschießungen) gegen Klerus und Gläubige war damit vorbei, stattdessen verlegte sich der sowjetische Staat auf Erziehung, Propaganda und „administrative Maßnahmen“, um den gesellschaftlichen Einfluss der Religion zu kontrollieren und auf niedrigem Niveau zu halten.16 Es war dieses Modell, welches schließlich ab 1944 in den neuen sowjetischen Machtbereich in Ostmittel- und Südosteuropa exportiert wurde. Die Sowjetunion verlangte von ihren Satellitenstaaten keineswegs, den eigenen antireligiösen Furor der 1920er und 30er Jahre zu wiederholen. Stattdessen ermunterte sie die verbündeten kommunistischen Parteien zu dem, was sie inzwischen selbst vorlebte – zu gezielten Maßnahmen gegen widerspenstige Kleriker und zur Kooptation der Kirchenhierarchien. Die stalinistischen Führungen Südosteuropas hielten sich im Wesentlichen an diese Linie, allerdings gab es auch bedeutende Ausnahmen. Wo im Zweiten Weltkrieg Partisanenbewegungen stark gewesen waren und Kommunisten auch ohne Hilfe Moskaus an die Macht gekommen waren – wie in Jugoslawien und Albanien – waren sie auch selbstbewusst genug, um eigenen Rachegelüsten freien Lauf zu lassen und Kleriker auf bloßen Generalverdacht der ‚Zusammenarbeit mit dem Feind‘ hin zum Tode zu verurteilen.17 Jugoslawien stoppte diese Militanz Ende der 1940er Jahre, in Albanien 15 16 17
Lane, Christel: The Rites of Rulers. Ritual in Industrial Society – the Soviet Case, Cambridge 1981, 68-86, 231-233. Beljakova et al., „Es gibt keinen Gott!“, 109-169. Brunnbauer, Ulf/Buchenau, Klaus: Geschichte Südosteuropas, Stuttgart 2018, 365-370.
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aber hielt sie sich, wobei selbst Enver Hoxha der Auffassung war, dass allzu unkontrollierte Gewalt gegen ideologisch unzuverlässige Elemente, wie sie der chinesische Verbündete in den späten 1960er Jahren vorlebte, für Albanien ein unbedingt zu vermeidender Fehler sei.18 Wie sich die reale Beziehung zwischen Christentum und Kommunismus gestaltete, hing in Südosteuropa von jeweiligen Konjunkturen des Kommunismus ab, der sich allgemein nach dem Tod Stalins liberalisierte, um dann in den 1970er Jahren wieder rigider zu werden. Bestimmend war aber auch die jeweils in einem Land vorherrschende Konfession. In der marxistischen Theorie gab es an sich keinen Unterschied zwischen schlechten und weniger schlechten Religionen, in der politischen Praxis aber doch. Als problematisch galten solche, die gesellschaftlich vital, gut organisiert, widerständig und eloquent genug waren, um den Kommunismus öffentlich herauszufordern. Als schwierig galt auch, wenn eine Religion ihr Zentrum nicht im eigenen Land hatte und deshalb schwer kontrollierbar war; oder, wenn eine Religion größere Ressourcen aus dem Ausland bezog und sich auf diese Weise gegen kommunistischen Druck unempfindlich machte.19 War eine in diesem Sinne ‚negative‘ Kirche dann auch noch historisch mit einer als problematisch empfundenen ethnischen (Minderheits-)Gruppe verbunden, so bestanden ‚beste‘ Voraussetzungen, dass sich das Konfliktpotential zwischen Kommunismus und Christentum voll verwirklichte. Kamen hingegen aus kommunistischer Sicht ‚positive‘ Grundmerkmale einer Konfession dem Status einer nationalen Mehrheitskirche zusammen, so standen die Zeichen eher auf Entspannung.20 Dass ein großer Unterschied zwischen dem orthodoxen und dem katholischen Christentum bestand, war bereits Stalin klar gewesen. Während er die Orthodoxie seit dem Zweiten Weltkrieg als traditionell russisch und patriotisch kooptierte, unternahm er gegenüber der als oft „imperialistisch“, „klerofaschistisch“, aber auch „polnisch“ etikettierten katholischen Kirche derartige Versuche nicht.21 Ähnlich war es nach 1945 auch in Jugoslawien, wo die Serbische Orthodoxe Kirche relativ einfach auf Linie gebracht wurde, während sich die katholische Kirche der neuen Ordnung teilweise explizit verweigerte – vor allem dann, wenn hinter ihr auch noch der kroatische Nationalismus als Triebfeder stand. Die Instrumente, die gegenüber beiden Kirchen in den 1950er Jahren hauptsächlich angewendet wurden, unterschieden sich sehr stark. Katholische Priester wurden von ihren Bischöfen, aber auch durch den Vatikan zu Standhaftigkeit aufgefordert und gingen dafür reihenweise in Haft; der orthodoxen Kirche wurde dagegen im Austausch gegen politische Anpassung bald finanzielle Unterstützung angeboten, die sie dann auch annahm. Während der wichtigste Hierarch der katholischen Kirche, der Zagreber Erzbischof Alojzije Stepinac, in 18 19 20
21
Rief, Arne: Konfliktlinien im chinesisch-albanischen Bündnis. Masterarbeit an der Universität Regensburg 2018, 16-43. Beliakova et al., „Es gibt keinen Gott!“, 132-169. Vgl. dazu auch das interessante theoretische Modell bei Spohn, Willfried: Nationalismus und Religion. Ein historisch-soziologischer Vergleich West- und Osteuropas, in: Politische Vierteljahresschrift 2002, Sonderheft 33, 323-346. Fertacz, Sylwester: Von Brüdern und Schwestern. Das Allslawische Komitee in Moskau 1941– 1947, in: Osteuropa 12 (2009), 139-152.
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einem Schauprozess zu 16 Jahren Zuchthaus verurteilt wurde und der Vatikan den Häftling provokanterweise zum Kardinal beförderte, galt die Serbische Orthodoxe Kirche zunächst als zusätzliches Band in die Sowjetunion. Neu eingesetzte orthodoxe Bischöfe oder auch der Patriarch waren häufig (aber nicht immer) Wunschkandidaten des Staates; ihre Aufsichtsfunktion über Klerus und Gläubige erfüllten sie auch mit Hinblick auf das, was der Staat von ihnen wünschte bzw. ihnen als Grenze auferlegte.22 Dieses Muster gab es nicht nur in Jugoslawien, sondern in der ganzen Region. Unabhängig von der konkreten Ausgestaltung der Religionspolitik wurden orthodoxe Hierarchien kooptiert, wogegen gegenüber den katholischen Bischöfen großes Misstrauen und Reserve dominierte. Dabei machten sich die Kommunisten auch die jahrhundertealte Angst der orthodoxen Kirche vor „katholischem Proselytismus“ zu eigen, d.h. sie profilierten sich als Beschützer der orthodoxen Kirche. Beschränkungen etwa gegen katholische Mission, katholisches Schul- und Pressewesen wurden als Eindämmung „imperialistischer Propaganda“ oder der Proselytenmacherei verkauft und fanden teilweise die Zustimmung der Orthodoxie. Die Serbische Orthodoxe Kirche dachte (auch vor dem Hintergrund der leidvollen Erfahrungen im faschistischen, sich katholisch gebenden Ustascha-Staat) nicht daran, gemeinsam mit der katholischen Kirche kirchliche Rechte gegen den säkularistischen Staat zu verteidigen, sondern wählte den umgekehrten Weg: Um sich selbst vor staatlichen Attacken und religiöser Konkurrenz zu schützen, verzichtete sie lieber auf eigene Religionsfreiheit.23 In den 1960er Jahren änderte sich das Muster etwas. Das Zweite Vatikanische Konzil leitete eine Öffnung der katholischen Kirche gegenüber der säkularen Moderne wie auch gegenüber anderen Religionen ein. Kommunistische Regierungen sahen darin eine Chance, die katholische Kirche zu spalten, d.h. die Kirche auf eine einseitige ‚prokommunistische‘ Auslegung der Konzilsdokumente festzulegen und dann diejenigen Kleriker anzuzählen, die sich dieser Lesart verweigerten.24 In Jugoslawien, wo das Konzil sich am intensivsten auswirkte, scheiterte diese Strategie aber. Denn hier liberalisierte sich auch die kommunistische Partei, so dass Konzilstheologen zunehmend auf Reformkommunisten trafen und christlich-marxistische Dialogforen entstanden, in welchen regelmäßig die gemeinsame Sorge um die Menschen im Diesseits betont wurde. Die Serbische Orthodoxe Kirche verfolgte auch diese Entwicklung mit Argwohn, aus Angst um ihre eigene Stellung.25 So konkurrierten letztlich im Jugoslawien der 60er Jahre zwei kommunistisch-christliche Brückenangebote miteinander: einer kommunistisch-katholischen Brücke, fixiert auf soziale Gerechtigkeit, Menschenrechte und Jugoslawiens Sonderstellung in der Welt, stand eine kommunistisch-orthodoxe gegenüber, aufgebaut auf serbischem Nationalismus und traditioneller orthodoxer Staats22 23 24 25
Buchenau, Klaus: Orthodoxie und Katholizismus in Jugoslawien, 1945–1991. Ein serbisch-kroatischer Vergleich, Wiesbaden 2004, 91-272. Vgl. die Fallstudien in Leustean, Lucian (Hg.): Eastern Christianity and the Cold War, 1945– 1991, London 2010. Stehle, Hansjakob: Geheimdiplomatie im Vatikan. Die Päpste und die Kommunisten, Zürich 1993, 297-348. Buchenau, Orthodoxie und Katholizismus, 309-342.
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nähe. In den 70ern aber bröckelten beide Brücken schon wieder – die kommunistischkatholische fiel weitgehend der dogmatischen Erstarrung im Bund der Kommunisten zum Opfer, die kommunistisch-orthodoxe wurde von der Föderalisierung des Landes erschüttert, welche den Nichtserben immer mehr Autonomie gab und schließlich zum Vorwurf der orthodoxen Kirche führte, der Bund der Kommunisten habe das Serbentum verraten.26 Stabiler, weil nicht von nationalen Fragen erschüttert, war das orthodox-kommunistische Verhältnis in Bulgarien und Rumänien. Hier konnten Kommunisten beliebig die Karte der nationalen Mehrheit spielen und taten dies auch eifrig, um sich zusätzliche Legitimität zu verschaffen. Bei den orthodoxen Kirchen, die sich stark mit der bulgarischen bzw. rumänischen Titularnation identifizierten, verfing dies durchaus. In Bulgarien war die Staatsnähe der Kirche auch durch deren besondere Verwundbarkeit bedingt – erst der kommunistische Staat verschaffte der Bulgarischen Orthodoxen Kirche die seit dem 19. Jahrhundert ersehnte Autokephalie. Auch weil sich die Kirche nach außen nur mit Unterstützung des Moskauer Patriarchats (und damit der Sowjetregierung) etablieren konnte, war sie nach innen nicht in der Lage, dem Säkularismus des einheimischen Kommunismus etwas entgegenzusetzen.27 In Rumänien, wo Religiosität und kirchliches Leben in osmanischer Zeit weit weniger gelitten hatten als südlich der Donau, stellten sich die Kommunisten bald auf die religiöse Vitalität ein und ließen der orthodoxen Kirche bedeutende Freiräume. Die Orthodoxie wurde hier besonders tief in den rumänischen ‚Nationalkommunismus‘ integriert. Sie profitierte davon, dass sich Rumänien unter Nicolae Ceauşescu schrittweise von Moskau absetzte und dabei immer stärker auf die rumänische nationale Tradition bezog. Die Zusammenarbeit von Orthodoxie und kommunistischem Staat erreichte auch im Bereich der Werte eine besondere Qualität, weil der rumänische Patriarch Justinian in einem vielbändigen „Apostolat social“ kommunistisches und religiöses Vokabular vermengte und eine dienende Kirche im rumänischen Sozialismus beschwor. Was in Jugoslawien, Bulgarien oder gar Albanien undenkbar war – nämlich Fernsehbilder von hochrangigen Kommunisten bei kirchlichen Zeremonien – war in Rumänien möglich. Als 1972 der Vater des conducător (Führer) starb, ließ sich Ceauşescu bei dem kirchlichen Begräbnis vom Staatsfernsehen filmen. Ihr symbolisches Gewicht im rumänischen Nationalkommunismus half der Rumänischen Orthodoxen Kirche, ein florierendes Pressewesen und vergleichsweise vitale Ausbildungseinrichtungen aufrechtzuerhalten; der Staat co-finanzierte Kirchenbauten und sorgte dafür, dass orthodoxe Priester nicht weniger als andere rumänische Werktätige verdienten. 28 Dass diese Politik aber nicht einer liberalen, sondern einer nationalistischen Grundhaltung des Regimes entsprang, zeigt sich vor allem am Schicksal der unierten
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Buchenau, Klaus: What went wrong? Church-State Relations in Socialist Yugoslavia, in: Nationalities Papers 33 (2005) 4, 547-567. Kalkandjieva, Daniela: The Bulgarian Orthodox Church, in: Leustean (Hg.), Eastern Christianity, 79-98. Leustean, Lucian: The Romanian Orthodox Church, in: Ders. (Hg.), Eastern Christianity, 40-59; Pope, Earl: The Orthodox Church in Romania, in: Ostkirchliche Studien 32 (1982), 297-310, hier 300.
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(griechisch-katholischen) Kirche, welche ähnlich wie in der Sowjetunion oder der Tschechoslowakei mit der Orthodoxie zwangsvereinigt wurde.29 Der Kommunismus in Albanien war dem rumänischen in Nationalismus und Gewaltbereitschaft ähnlich, verfolgte aber gegenüber den Glaubensgemeinschaften einen deutlich anderen Kurs. Weil die Spaltung in Muslime, Orthodoxe und Katholiken der albanischen Nationalbewegung schon im 19. Jahrhundert als Problem aufgestoßen war und Religion als problematische, weil trennende Hinterlassenschaft verschiedener ausländischer Hegemonen galt, konnte sich militanter Atheismus hier besonders gut entfalten. Staats- und Parteichef Enver Hoxha neigte dazu, überall Gefahren für die albanische Souveränität zu sehen – zunächst im Dominanzgehabe Titos, dann in der Bevormundung durch die Sowjetunion und schließlich durch China. Schritt für Schritt schottete er sein Land ab, wobei die Religionen als unmarxistisch, unalbanisch und als Einfallstor ausländischen Einflusses verdächtigt wurden. 1967 verbot Albanien alle religiösen Organisationen, 1976 gar die religiösen Praktiken. Innerhalb des Kommunismus beschritt Albanien damit einen besonders religionsfeindlichen Sonderweg. Während die anderen Regime ihre antikirchlichen Maßnahmen juristisch ‚bürgerlich‘ begründeten, etwa als Trennung von Kirche und Staat, brüstete sich Albanien damit, der „erste atheistische Staat“ der Welt zu sein, wogegen alle anderen kommunistischen Führungen gegenüber der Religion kapituliert hätten. Doch selbst hier gab es je nach Konfession unterschiedlich intensive Konfliktgeschichten. Katholische Priester scheinen sich etwas widerständiger gezeigt zu haben als ihre orthodoxen Kollegen oder muslimische Imame, und bezahlten dafür mit langen Gefängniskarrieren.30
3.
Abschließendes
Die grundsätzliche Gegnerschaft zwischen Kommunismus und essentialistisch definierter Religion unterlag, soviel sei als Zwischenfazit angemerkt, einer historischen Entwicklung und einer national und konfessionell bedingten Verzweigung. Damit ist allerdings noch längst nicht gesamte Komplexität des Phänomens wiedergegeben. Ab 1945 traf kommunistischer Atheismus in Europa auf sehr unterschiedliche Gesellschaften – einige waren bereits stark urbanisiert und industrialisiert, aber andere, wie meist in Südosteuropa, noch zutiefst agrarisch. Die Ausgangsposition auf dem Balkan zeigte damit manche Ähnlichkeiten zur Sowjetunion, weshalb auch nicht verwundert, dass hier wie dort brückenbauende Zeichen zwischen Religion und Kommunismus eine große Rolle spielten. Es fällt schon auf, dass in Südosteuropa alle Länder bis auf Bulgarien einen enormen Personenkult entwickelten, der gleichzeitig ein teils auf religiösen 29
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Bucur, Ioan-Marius: The Romanian Greek-Catholic Church between Co-Optation and Suppression, 1945–1948, in: Hans-Christian Maner, Norbert Spannenberger (Hg), Konfessionelle Identität und Nationsbildung. Die griechisch-katholischen Kirchen in Ostmittel- und Südosteuropa im 19. und 20. Jahrhundert, Stuttgart 2007, 187-198. Peters, Markus W.E.: Geschichte der Katholischen Kirche in Albanien, 1919–1993, Wiesbaden 2003; Pano, Nicholas: The Albanian Orthodox Church, in: Leustean (Hg.): Eastern Christianity, 144-155.
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Vorbildern aufbauender Bildkult war. Nicolae und Elena Ceauşescu als Vater- und Mutterfigur des rumänischen Volkes, Enver Hoxha als Lichtgestalt, die anderen kommunistischen Führern die Leviten liest, Tito als genialer, omnipräsenter Feldherr – die Bildsprache blieb hier deutlich sakral, der südosteuropäische Kommunismus war durchaus ein Religionsersatz im funktionalistischen Sinne. In Mitteleuropa passte sich der Kommunismus dagegen anders ein, denn hier traf er auf eine deutlich andere Gesellschaft: Säkularisierungsprozesse hatten in Regionen wie Böhmen oder Preußen bereits im 19. Jahrhundert eingesetzt, sie wurden durch die kommunistische Herrschaft lediglich beschleunigt. Der Kampf der tschechoslowakischen Kommunisten etwa konnte direkt auf die starke Katholizismuskritik des tschechischen Nationalismus im 19. Jahrhundert aufbauen31; in Serbien oder Bulgarien gab es, trotz oder gerade wegen traditionell laxer Kirchlichkeit im postosmanischen Balkan, keine vergleichbare Tradition der ‚Orthodoxiekritik‘. In der DDR traf kommunistischer Atheismus auf einen Protestantismus, der seinen Einfluss auf Teile der Gesellschaft bereits eingebüßt und – wichtiger noch – einen längeren Prozess innerer Säkularisierung durchlaufen hatte.32 Die Opposition zwischen einem Leben mit oder ohne transzendentale Kräfte war hier also schon abgeschwächt, bevor die Kommunisten nach der Macht griffen. Im östlichen Teil Deutschlands war dies eine Voraussetzung, dass die Kirche sich als vermittelnde Kraft zwischen dem mehr und dem weniger kommunistischen Teil der Gesellschaft einbringen konnte.33 Heute, im Postkommunismus, sind die Nachwirkungen dieser unterschiedlichen Pfade immer noch zu spüren. Weder in der DDR noch in Tschechien hat sich das herausgebildet, was in den orthodoxen Ländern auffällt, nämlich einerseits eine ‚religiöskommunistische‘ Sicht auf die Vergangenheit, welche auf den Brückenphänomenen des Nationalkommunismus aufbaut und als zentrales Gegenüber den westlichen Liberalismus ausmacht; schwächer sind in Tschechien oder der ehemaligen DDR aber auch die auch die harten Leidenserzählungen, welche die kommunistischen Repressionen im Sinne eines klassischen christlichen Martyriums deuten.34 Ein weiterer Punkt sind konkrete historische Erfahrungen bzw. Wahrnehmungen, welche den kommunistisch-christlichen Grundkonflikt stark beeinflussen können, durchaus auch unabhängig von abstrakten Kategorien wie ‚Konfession‘ oder ‚Ideologie‘. Hierzu zählt etwa die Frage, wen die kommunistische Partei in einem bestimmten Land als Feind wahrnimmt und wie das Verhältnis der institutionalisierten Religion zu diesem Feind war oder ist.35 So wie sich die antiorthodoxe Politik der frühen Bolschewiki aus der Auffassung speiste, hiermit auch eine Säule des Zarismus zu bekämpfen, 31 32 33 34 35
Marek, Pavel: Církevní krize na počátku první Československé republiky (1918–1924). Brünn 2005. Wehler, Hans-Ulrich: Deutsche Gesellschaftsgeschichte. Dritter Band: Von der „Deutschen Doppelrevolution“ bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges 1849–1914, München 2008, 379-384. Heinecke, Herbert: Konfession und Politik in der DDR. Das Wechselverhältnis von Kirche und Staat im Vergleich zwischen evangelischer und katholischer Kirche, Leipzig 2002. Stellvertretend für die martyrologischen Erzählungen in Serbien siehe die dreibändige Darstellung von Džomić, Velibor: Stradanje Srbske Crkve od komunista, Cetinje 2003. Ramet, Petra Sabrina: Adaptation and Transformation of Religious Policy in Communist and Post-Communist Systems, in: Dies. (Hg.), Adaptation and Transformation in Communist and Post-Communist Systems, San Francisco 1992, 141-183.
Christen und Kommunisten – wirklich nur eine Konfliktgeschichte?
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so waren nach 1945 verschiedene kommunistische Parteien Europas überzeugt, in der katholischen Kirche eine Verbündete des verhassten Faschismus vor sich zu haben. Diese Konstellation war etwa prägend für die Slowakei und Kroatien, wo faschistische Regime sich die Autorität des Katholizismus zunutze gemacht hatten. Umgekehrt konnten Kirchen von dem Ruf profitieren, mit historisch positiven Kräften zusammengearbeitet zu haben – dies etwa galt für die Orthodoxie im Balkanraum, die als Faktor der nationalen Befreiung im 19. Jahrhundert geschätzt wurde. Unter Umständen konnten historische Kräftekonstellationen den Grundkonflikt sogar komplett neutralisieren. Das geschah allerdings weniger in Europa, wo die Assoziationskette, Kirche – Ancien Regime – Opium für das Volk‘ doch stark präsent blieb. Ein Gegenbeispiel bieten lateinamerikanische Revolutionen. Die kubanische Revolution übernahm zwar noch weitgehend die religionsfeindliche Haltung des sowjetischen Verbündeten, allerdings passte dieses Bild nicht mehr recht zu einem teils postkolonial eingestellten katholischen Klerus, der es satt hatte, als Teil der alten Feudalordnung wahrgenommen zu werden. Unter den kubanischen Revolutionären waren daher auch katholische Priester, und schon in den 1970er Jahren setzte sich Fidel Castro von der Vorstellung einer ontologischen Gegnerschaft zwischen Kommunismus und Christentum ab.36 Als er dann sah, wie katholische Befreiungstheologen in der nicaraguanischen Revolution 1978–79 eine führende Rolle übernahmen, revidierte er die kommunistische Religionskritik komplett und erklärte Marx‘ Diktum von der Religion als Opium für das Volk für veraltet. Dem befreundeten Dominikanermönch Frei Betto erklärte er 1980: „Unter strikt politischen Gesichtspunkten – und ich glaube, etwas von Politik zu verstehen –, denke ich sogar, dass man Marxist sein kann, ohne aufzuhören Christ zu sein, und gemeinsam mit dem marxistischen Kommunisten an der Transformation der Welt zu arbeiten.“37 Im Kontext des bislang Gesagten ist die Haltung Fidel Castros ein weiterer, wenn auch besonders radikaler Beleg dafür, dass von einer ontologischen Feindschaft zwischen Kommunismus und Christentum nicht die Rede sein kann. Weil das so ist, erscheint auch die Zukunft dieser Beziehung offen. Eine schlichte Neuauflage des Realsozialismus steht nicht zu erwarten, und es sieht glücklicherweise auch nicht danach aus, dass sich die Gewalt kommunistischer Regime gegen die Glaubensgemeinschaften wiederholt – zumindest nicht in Europa.38 In der Nachfolgeschaft des Kommunismus steht heute, wenn auch nur indirekt, eine kosmopolitische Linke, die aber mehr an Identitätspolitik (Gendergerechtigkeit, Antirassismus) als an einem radikalen Umbau sozioökonomischer Strukturen interessiert scheint und mit diesem Programm durchaus auch Verbündete in den Kirchen findet. Das gilt etwa für Teile des deutschen Protestantismus. Andererseits formiert sich, vor allem im östlichen Europa, ein Amalgam aus Kommunismusnostalgie und Nationalismus, befeuert von einem Bedürfnis nach einer homogeneren Gesellschaft und nach einem Halt gebenden, moralisch konservativen Rahmen. Auch zu diesem Teil der ‚postkommunistischen‘ Bewegung haben Kirchen 36 37 38
Muder, Winfried: Zur Herausbildung und zum Stand des Verhältnisses von Kirche und Staat in Cuba, Frankfurt a.M. 1992. Betto, Frei: Fidel y la religión. Conversaciones con Frei Betto, La Habana 1985, 333. In Nordkorea oder China dagegen ist die Gefahr durchaus noch real, vor allem, wenn es sich um als fremd wahrgenommene Religionen handelt.
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Klaus Buchenau
eine intensive Beziehung. Während die nationalistischen und die kosmopolitischen Kommunismusnachfolger sich überhaupt nicht mehr als Frucht aus derselben Wurzel verstehen und sich stattdessen heftig bekämpfen, ist die Präsenz der christlichen Kirchen in beiden Lagern bislang noch ein wenig diskutiertes Thema – oder besser: ein Riss, der aus ökumenischen Rücksichten lange übersehen worden ist.39 Gerade hier werden wir in den nächsten Jahren wohl noch einige Überraschungen erleben.
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Wasmuth, Jennifer/Zeeb, Frank: Neue ökumenische Unübersichtlichkeit als Herausforderung, in: Religion & Gesellschaft in Ost und West 50 (2022) 6, 6-8.
Josef Pilvousek
„LEICHTER GEGENWIND IM STURM DES SOZIALISMUS“. ZUM LEBEN DER CHRISTEN IN DER DDR UND IHREN KIRCHLICHEN MÖGLICHKEITEN
1.
Einleitung
Wie sich Katholische Kirche und Christen in einem politischen System verhielten, das als „totalitär” oder „autoritär” bezeichnet wird1, und in dem jede Form von Religion auf dem „Müllhaufen der Geschichte“ enden sollte, wird Gegenstand der Darstellung sein. Waren es nur Elemente des Überlebens von Kirche, die sich allmählich herausbildeten und in einem Getto ihr Dasein fristeten, oder hatte diese kleine Katholische Kirche in der DDR einen Modus gefunden, Kirche für die Menschen zu sein? Auch die Frage, ob es Christenverfolgungen gegeben hat oder schwere Benachteiligungen für Christen und wenn, ob man dann diese unter die Kategorie „religiöse Verfolgungen“ einordnen muss, ist klärend anzugehen. Zunächst bieten sich für eine solche Darstellung kritische, von der Führungsebene der katholischen Kirche geleitete Rückblicke auf die historisch abgeschlossene Epoche an. Der letzte Vorsitzende der Berliner Bischofskonferenz, der spätere Kardinal Georg Sterzinsky, erklärte wenige Monate nach dem Fall der Mauer: „Sie (die katholische Kirche) hat sich selber sehr geschützt, wenn auch begrenzt auf die zwei Bereiche, Kult und Katechese […]. Wir werden noch viel überlegen müssen, worin eigentlich unser Versagen auf katholischer Seite bestanden hat. Die Erkenntnis ist noch nicht gereift. Das Bekenntnis ist noch nicht ausgesprochen.”2 In seinem Hirtenbrief zur österlichen Bußzeit 1990 formulierte der Erfurter Bischof Dr. Joachim Wanke, Erfurt: „Ja, auch wir (katholische) Christen haben Buße nötig. Jeder von uns wird bedenken müssen, wo er – mit oder gegen seinen Willen – in die allgemeine Unwahrhaftigkeit dieses Landes mitverstrickt war. Ich frage mich, ob ich als Bischof nicht noch deutlicher Unrecht und Lüge hätte beim Namen nennen müssen. Hatten wir vielleicht zu wenig Mut, besonders 1 2
Linz, Juan José: Totalitäre und autoritäre Regime, Berlin 2000. Tiefensee, Eberhard: „Religiös unmusikalisch”? – Ostdeutsche Mentalität zwischen Agnostizismus und flottierender Religiosität, in: Joachim Wanke (Hg.), Wiedervereinigte Seelsorge. Die Herausforderung der katholischen Kirche in Deutschland, Leipzig 2000, 53. In einem Beitrag in der katholischen Akademie Berlin am 6. 11. 1999 erklärte Sterzinsky „Fehleinschätzungen” damit, daß die katholische Kirche den Grundsatz der politischen Abstinenz verinnerlicht habe und deshalb sehr zurückhaltend gewesen sei. Wunder der deutschen Einheit: Katholische Kirchenzeitung Berlin (14. 11. 1999).
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in den letzten Jahren, uns in die Gesellschaft einzumischen, um sie zu verändern? Haben wir Gott zu wenig zugetraut und uns zu sehr um uns selbst gesorgt? Mancher von uns wird sagen müssen: Ich habe den Weg des geringsten Widerstandes gewählt. Ja, wir haben Buße und Umkehr nötig und müssen Gott um Vergebung bitten, dass unser Glaube nicht mutiger und unser Zeugnis nicht eindeutiger war.“3 Kardinal Joachim Meisner resümierte im Rückblick, dass zu den „wenigen substanziellen Täuschungen” seines Lebens die Überzeugung gehörte, er werde den „Untergang des Kommunismus” nicht mehr erleben.4 Die exemplarischen Aussagen lassen erkennen, welche Versäumnisse und Defizite man rückblickend ausmachte: Selbstbewahrung (Selbstschutz der Kirche), zu große Zurückhaltung, Verstrickung, Mutlosigkeit und Versagen der Kirche sowie (Selbst-) Täuschung der Amtsträger. Gerade im Hinblick auf die „Wende” wird diese „Mutlosigkeit” im Vergleich mit den evangelischen Schwesterkirchen thematisiert; ausdrücklich dankte Sterzinsky „den evangelischen Christen und Gemeinden für ihren Mut und Einsatz bei den Ereignissen des vergangenen Herbstes”.5 Neuere Forschungen bestätigen zwar diese Aussagen grundsätzlich, zeigen aber auch, dass die Rolle der katholischen Kirche bei der friedlichen Revolution keineswegs so gering war, dass sie vernachlässigt werden sollte. Vor allem da, wo eine Ökumene in politicis praktiziert wurde, ist kein Unterschied zwischen evangelischen und katholischen Akteuren auszumachen.6 Die dem Thema inhärente Frage, ob die katholische Kirche den richtigen Weg beim Umgang mit dem Staat beschritten hatte, ist nicht monokausal zu beantworten. Immer wieder ist aus dem Inhalt innerkirchlichen Quellen zu schlussfolgern, dass der Weg der Kirche einer Gratwanderung zwischen Anpassung und Verweigerung glich. Deutlich tritt dies in der „Stellungnahme der ostdeutschen Bischöfe zur Stasi-Aufarbeitung, ‘Fehlverhalten hat Schaden angerichtet und Misstrauen gesät‘”7, zutage. Hinsichtlich eines Konformismus wurde formuliert: „Es gab Priester und Laien, die auf Gesprächsangebote eingingen, aus unterschiedlicher Motivation heraus einen Weg der Annäherung suchten, begrenzte Zugeständnisse machten oder sogar aktiv mit dem MfS zusammenarbeiteten. Es ist deutlich geworden, dass es auch in unserer Kirche menschliches Versagen und 3 4
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Wanke, Joachim: Zur Diskussion um den Umgang mit der DDR-Vergangenheit, in: Lebendiges Zeugnis 3 (1992), 208. Meisner, Joachim Kardinal: Mit dem Herzen sehen. Chancen und Auftrag der Kirche zu Beginn des dritten Jahrtausends. Ein Gespräch mit Stephan Rehder, Aachen 2000, 48. Ein Meisner zugeschriebenes „Bekenntnis“, „Wenn ich gewußt hätte, daß der Laden nur noch zwei Jahre hält, wäre ich frecher gewesen.”, vgl. Tag des Herrn (TdH) (10. Dezember 2000), 4, lässt ebenfalls die Überzeugung durchscheinen, nicht mit einem so schnellen Untergang des Systems gerechnet zu haben. So gesehen ist die immer wieder geäußerte Vermutung, die Kirche in der DDR habe eine Taktik des „Überwinterns” gewählt, mehr als fraglich. Wer überwintert, glaubt an einen baldigen „kirchlichen” Frühling. Das war offensichtlich nicht der Fall. Maser, Peter: Kirchen und Religionsgemeinschaften in der DDR. Ein Rückblick auf vierzig Jahre in Daten Fakten und Meinungen, Konstanz 1992, 218. Pilvousek, Josef: Kirche in der DDR: Rückschau auf die Erfahrungen, in: Katholische Akademie in Berlin e.V. (Hg.): 20 Jahre Mauerfall. Katholische Kirche und Friedliche Revolution. Lernschritte und Bewährungsproben. Eine Dokumentation, o.O. 2010, 4-17, hier 12-13. KNA Dokumentation 18 (12.2.1998).
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Schuld im Umgang mit der SED-Diktatur gegeben hat.”8 Das grundsätzlich resistente Verhalten der katholischen Kirche wird dagegen so dargestellt: „Das entschiedene ‚Nein' der Kirche zum Marxismus/Leninismus, der die geistige Grundlage des von der SED geführten und kontrollierten Staates war, stand bis zum Ende der DDR nie außer Frage und hat das Verhältnis Staat – katholische Kirche bestimmt.”9 Folgende untersuchende Darbietung möchte zwei Aspekte unterschiedlicher Phasen kirchlichen, christlichen Handelns gegenüber dem Staat, ihre Voraussetzungen und Motive sowie widerständiges oder konformes Verhalten in den Blick nehmen. Dennoch wird es, siebenundzwanzig Jahre nach dem gesellschaftlichen und politischen Umbruch, keine vollständige und in allen Bereichen reflektierte Darstellung dieser Thematik geben können. Zunächst müssen die unter der Thematik subsumierten Benachteiligungs- und Repressionsmechanismen des Regimes dargestellt werden. Dazu bieten sich Dokumente, zumeist Briefe unterschiedlicher Intention und Charakters, an, die von Gläubigen innerhalb des letzten Jahres rückblickend auf die DDR-Zeit verfasst wurden. In einem zweiten Schritt soll der geläufige, wenn auch nicht immer eindeutig definierte Begriff Widerstand im Hinblick auf die Situation der katholischen Kirche in der DDR traktiert und kommentiert werden.
2.
Christentumsfeindlichkeit oder Christenverfolgung
Die entscheidende Frage, wie der Staatsapparat und die kirchenfeindliche SED, samt ihrer Repressionsinstitutionen mit Christen umgingen, bedarf einiger klärender Erläuterungen. Oder anders formuliert: Was machte kirchlichen Widerstand oder Resistenz nötig? Am 28. Januar 2016 hatten der pensionierte katholische Pfarrer Gerhard Sammet und der evangelische Diplom-Mathematiker Pedro Hertel, beide aus Ilmenau, einen offenen Brief an die Vorsitzenden der Thüringer Regierungskoalition, die Parteivorsitzende der Linkspartei, den Vorsitzenden der SPD, die Landessprecher der Grünen und die Abgeordneten der Regierungskoalition in Thüringen geschrieben.10 Einer der Kernsätze lautete: „Noch nie hat Bodo Ramelow in der Öffentlichkeit ein Wort darüber verloren oder sich zu dem Unrecht bekannt, welches seine Vorgängerpartei den Christen und ihren Familien in der DDR-Zeit angetan hat.“ Sammet und Hertel fordern in ihrem Schreiben die Adressaten dazu auf, Stellung zu beziehen zum Thema der Christenverfolgung in der DDR und sie öffentlich wahrnehmbar zu thematisieren. Sie fragen nach „Entschuldigungen für vielfach begangenes Unrecht, auch an Christen. Nichts davon spürt man. Bisher ist von wenigen Einzelschicksalen abgesehen, kein einziges Wort über die 44 Jahre Christenfeindlichkeit in der SBZ/DDR gesagt worden“. Weiter heißt es im Blick auf Ramelow: „Man hört, dass Mitgenossen untereinander lästern:
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Ebd. Ebd. Zum Folgenden vgl. „Unrecht gegen Christen in der DDR / Offener Brief fordert Aufarbeitung“, http://www.tag-des-herrn.de/offener-brief, letzter Zugriff 2. 8. 2016.
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‚Von uns aus kann er auch noch der katholischen Kirche beitreten – Hauptsache, wir gewinnen dadurch wieder Wahlen‘. Wie makaber.“ Die Unterzeichner kritisieren zudem, dass von den 28 Mitgliedern der Landtagsfraktion Die Linke „mindestens 16 schon bis 1989 im Unterdrückungsapparat der SED auf Kreis- oder Bezirksebene beteiligt waren. Weiter dokumentieren sie, wie Christen in der DDR unterdrückt wurden. So sagte Bischof Otto Spülbeck – Bistum Dresden– Meißen – 1956 auf dem Katholikentag in Köln zusammenfassend: „‚Wir Christen leben in der DDR in einem Haus, das wir nicht gebaut haben. Wir halten auch die Fundamente dieses Hauses für falsch. Wir dürfen in diesem Haus nur die Treppen säubern.‘ Die Machthaber konterten: ‚Der Sozialismus ist für alle da.‘“ Angesprochen werden weiter die Repressalien, denen Christen bei der Berufswahl ausgesetzt waren. Sammet und Hertel sprechen von Berufsverboten. Zwei Jahre vor der „Wende“ wurde zudem ein Bund der Freidenker gegründet. „Der Vorsitzende dieses Bundes in unserem Kreis Ilmenau sagte im persönlichen Gespräch: ,Dieser Bund wird die letzten Christen ausrotten. Die marxistisch-leninistische Weltanschauung ist allmächtig, weil sie wahr ist. Also Christen macht Platz. Eine gefährliche Drohung – aber nur bis zum Herbst 1989 gültig.‘“ Der offene Brief ist in seinem Inhalt, was historische Details angeht, durchaus ambivalent zu beurteilen. So ist etwa die „Spülbeck Aussage“ auf dem Kölner Katholikentag keinesfalls als Abgrenzung gedacht, sondern als Definition, wie Kirche in diesem System ihre Aufgabe sehen könnte.11 Auch die Nennung verschiedener, repressiver und benachteiligender Maßnahmen des Staates gegenüber Christen ist nicht für alle und jeden sowie permanent zutreffend. Die jeweiligen staatlichen Organe und vor allem ihre Leiter wendeten Repressionsmaßnahmen in bestimmten Zeiten unterschiedlich scharf an. Die ständig um internationale Anerkennung bedachte DDR hat zu manchen Zeiten sogar den weltanschaulichen Kampf diesem außenpolitischen Ziel untergeordnet. Die von den Hertel und Sammet gestellten Fragen: „Wo gab es einen Polizisten, der Christ war? Wo gab es einen Schuldirektor, der Christ war? Wo gab es Jurastudenten, die Christen waren?“ könnten durchaus, wenn auch als Einzelfälle, positiv beantwortet werden: es hat sie gegeben. Grundsätzlich gilt aber: Trotz schulischer Bestleistungen wurden Kinder von der Erlangung des Abiturs ausgeschlossen. Manchmal gab es zwar einen Stellvertreter aus einer Blockpartei, der aber „nichts zu sagen hatte“, der als Alibifunktion an diesem Platz war. Weitgehend wurden kirchliche Institutionen und 11
Das korrekte Zitat lautet: „Wir haben daher in den weltanschaulichen Beziehungen nichts miteinander gemein. Es gibt keine Brücke von ihnen zu uns. Wir sind völlig getrennte Leute. Aber wir leben in einem Haus, dessen Grundfesten wir nicht gebaut haben, dessen tragende Fundamente wir sogar für falsch halten. Und wenn wir jetzt in diesem Haus miteinander leben, so kann unser Gespräch nur bedeuten – verzeihen Sie mir die Banalität, aber ich habe es so gesagt – wer macht in diesem Haus die Treppe sauber‘. Damit soll keine Abwertung des ernsten Gespräches zwischen Staat und Kirche gemeint sein, sondern es soll nur handgreiflich ausgedrückt werden, daß grundsätzliche Gespräche zwischen den beiden Partnern nicht möglich sind. Wir tragen gerne dazu bei, daß wir selbst in diesem Haus noch menschenwürdig und als Christen leben können, aber wir können kein neues Stockwerk draufsetzen, da wir das Fundament für fehlerhaft halten.“ Höllen, Martin: Loyale Distanz? Katholizismus und Kirchenpolitik in SBZ und DDR. Ein historischer Überblick in Dokumenten. Bd. 2: 1956 bis 1965, Berlin 1997, 23-24.
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Amtsträger geschont (Ein offizieller Kirchenkampf wäre für die DDR-Außenpolitik nicht förderlich gewesen!), aber nach dem Motto: „Die Hirten schonen, die Schafe zerstreuen und unterdrücken“ wurden ostdeutsche Christen in ihren Aktivitäten auf das Äußerste eingeschränkt. Der Brief provozierte Reaktionen, die wohl niemand erwartet hatte. Im März 2016 war über das Schreiben der beiden Ilmenauer in der Kirchenzeitung „Tag des Herrn“12 berichtet und damit ein Forum geschaffen worden, in dem in den folgenden Wochen und Monaten unter der Rubrik Leserbriefe immer wieder Stellung zu dem Brief bezogen wurde, zuletzt in der Ausgabe vom 18. Dezember 201613. Zum eigentlichen Auslöser für kontroverse Diskussionen wurde aber der Leserbrief des engagierten Görlitzer Katholiken und Mediziners Professors Dr. Peter Stosiek unter dem Titel: „Es gab Benachteiligung, aber keine Verfolgung.“14 Die z.T. disparaten Aussagen des offenen Briefes hatten offensichtlich so gereizt, dass Stosiek klar zwischen Christentumsfeindlichkeit sowie Benachteiligung und Christenverfolgung unterscheiden wollte. Er formulierte äußerst provokant: „Wer behauptet, in der DDR hätte es Christenverfolgungen gegeben, der lügt. Religiöse Verfolgung ist aktuell und präzise vom Europäischen Gerichtshof definiert worden als ‚schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte, des religiösen Existenzminimums und der Freiheit, seinen Glauben öffentlich zu leben‘.“ Stosiek zitierte Aussagen des Europäischen Gerichtshofes vom 29. April 2004 (Richtlinie 2004/83/EG 29. April 2004), in denen der Begriff der „religiösen Verfolgung“ rechtsverbindlich für alle Mitgliedsstaaten der EU definiert wurde.15 Als Verfolgung im Sinne des Artikels 1A der Genfer Flüchtlingskonvention gelten Handlungen, die 1. aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen oder 2. in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen. Ganz eindeutig greift dieser Rekurs des Schreibers auf den Artikel des Gerichtshofes nicht, wie noch gezeigt werden wird. Nimmt man nämlich den Begriff der Christenverfolgung, wie er aus der Alten Kirche bekannt ist oder den heutigen, der eine systematische gesellschaftliche oder staatliche Benachteiligung und existenzielle, physische Bedrohung von Christen aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit meint,16 dann kann man Stosiek zustimmen, dass davon in der DDR keine Rede sein konnte. Er fährt fort: „Ich habe die DDR von Anfang bis Ende erlebt, als Ministrant, Oberschüler, Student und Arzt. Ich war aus religiösen Gründen in keiner Organisation/Partei, bei keiner Wahl und habe den Fahneneid verweigert. In zahlreichen Schreiben und Vorträgen habe ich das 12 13
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TdH 12 (20. März 2016), 11, „Also Christen, macht Platz.“ Unrecht gegen Christen in der DDR / Offener Brief fordert Aufarbeitung. TdH 51 (18. Dezember 2016), 14; TdH 31 (31. Juli 2016), 15: Christenfeindlichkeit weiter aufarbeiten. Die Verfasserin Dr. Ute Sturm fordert nicht nur eine Aufarbeitung des Themas anhand von Einzelschicksalen, sondern eine Stellungnahme der Linkspartei zu ihrer christenfeindlichen Vergangenheit. TdH 15 (10. April 2016), 14. Vgl. Religiöse Verfolgung, https://de.wikipedia.org/wiki/Religi%C3%B6se_Verfolgung, letzter Zugriff 1.8.2016. Vgl. Christenverfolgung, https://de.wikipedia.org/wiki/Christenverfolgung, letzter Zugriff 3.8. 2016.
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Josef Pilvousek
Regime offen kritisiert („Unbeantwortete Briefe“ KOMZI 1994). Trotzdem hat mir niemand das Existenzminimum als Christ genommen, nicht in der katholischen Studentengemeinde, dem Aktionskreis Halle oder anderen oppositionellen Gruppen. Ich habe in meinem ganzen DDR-Leben niemanden getroffen, der schwerwiegende Verletzungen grundlegender Menschenrechte wegen seines Glaubens hinnehmen musste. Wir hatten einen ungestörten kirchlichen Innenraum mit Gottesdiensten, Religionsunterricht und Prozessionen im Freien. Sogar eine christliche Partei gab es, in die sich Lehrer und Juristen flüchten konnten. Der inzwischen emeritierte Ordinarius für Kirchengeschichte an der Katholischen Hochschule und heutigen Fakultät in Erfurt, Josef Pilvousek, hat das Wort Christenverfolgung in der DDR nie in den Mund genommen. Nachteile und Schikanen hat es gegeben, jawohl, aber das war keine Verfolgung. Das war leichter Gegenwind. Und der war vielleicht gesünder als der jetzige Rückenwind. Diese Vermutung stammt im Übrigen von einem alten Freund aus DDR Zeiten, dem inzwischen verstorbenen Görlitzer Bischof Bernhard Huhn.“ Der für eine DDR-Biografie relativ „schnörkellose Lebenslauf“ von Peter Stosiek und das Diktum vom „leichten Gegenwind“, waren äußerst spannungsgeladen. Was würden alle diejenigen sagen, die selbst oder bei ihren Kindern Benachteiligungen wegen ihres Christseins erfahren hatten? Die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten. Die ersten Leserbriefe erschienen am 24. April 2016. Dr. Johannes Trabert aus Manebach erinnerte daran, dass sein Vater zwar noch studieren konnte, aber trotz Bestnoten nicht promovieren durfte, und dass seine vier Geschwister und er hätten wahrscheinlich gar kein Abitur machen können, wenn die SED-Machthaber geblieben wären.17 Stosieks Einwand hält er für völlig unrealistisch. In der gleichen Ausgabe wundert sich Peter Schowtka aus Wittichenau über den von ihm ansonsten geschätzten Prof Dr. Peter Stosiek, der nach seiner Meinung eine Reinwaschung der untergegangenen DDR vornimmt, und Schowtka fragt, warum er das tut und so die Opfer des DDR-Systems verhöhnt.18 In der Ausgabe des „Tag des Herrn“19 vom 1. Mai 2016 wurden gleich vier Leserbriefe auszugsweise abgedruckt. Ein evangelischer Jugendlicher ging direkt auf den Brief ein und postulierte: „Sowohl christliche Gruppen in unseren Gemeinden wie auch Gespräche mit Nichtchristen müssen den Inhalt des Briefs aufgreifen. Stoff für die Schulen ist er in jedem Fall. Erst wenn wir die Gründe für den Hass auf Christen durch die SED verstehen, können wir Ansätze für einen Neuanfang 2016 erhoffen.“20 Der heutige Bürgermeister von Nordhausen Dr. Klaus Zeh berichtete – schon indirekt auf Dr. Stosiek eingehend – über die Schikanen wegen Verweigerung der Jugendweihe zum Abitur zugelassen zu werden und seine 1985 begonnene Promotion wegen der Ablehnung des Wehrdienstes mit der Waffe erst 1990 abschließen zu dürfen.21 17 18 19 20 21
Trabert, Johannes: Manebach, Es wurde immer schlimmer, in: TdH 17 (24. April 2016), 14. Schowtka, Peter: Wittichenau, Leichter Gegenwind verhöhnt die Opfer, in: TdH 17 (24. April 2016), 14. TdH 18 (1. Mai 2016), 11. Steitz, Mathias: per E-Mail, Ansätze für einen Neuanfang, in: TdH 18 (1. Mai 2016), 11. Zeh, Dr. Klaus: Nordhausen, Keine Jugendweihe – nicht selten kein Abitur, in: TdH 18 (1. Mai 2016), 11.
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Eine Familie aus Heiligenstadt berichtete vom Familienvater, den man durch das Abitur fallen ließ, weil er nicht in die FDJ eintrat und der Tochter, die kein Abitur machen durfte, weil sie nicht an der Jugendweihe teilnahm. Der Leserbrief beginnt mit der provozierenden Frage:“ Unsere Familie würde es sehr interessieren, wie Professor Stosiek es geschafft hat, ohne jede politische Teilnahme zur Erweiterten Oberschule (EOS) zu kommen, einen Studienplatz zu erhalten und auch noch Medizin zu studieren?“22 Der letzte Leserbrief dieser Ausgabe richtete sich direkt an Peter Stosiek: „Sehr geehrter Professor Stosiek, Ihre Meinung geht mir an die Substanz. Sie sagen: Christenverfolgung hätte es in der DDR nicht gegeben und führen Ihren eigenen Lebensweg als Christ zum Beweis an. Machtmissbrauch und Bildungsentzug für Kinder und Jugendliche, Schikanen und Ausbeutung am Arbeitsplatz ist keine Verfolgung? Ich habe das selbst erlebt. Es gab auch willkürliche Verhaftungen und Verurteilungen während der ganzen DDR-Zeit. Das ist auch keine Verfolgung? Und die Lager, die – schon weit fortgeschritten – geplant waren? Ihre Inbetriebnahme wurde um wenige Tage verfehlt, das heißt, von den Aktiven 1989 verhindert. Recht haben Sie: Christenverfolgung als Ermordungsterror gab es nicht. Außer Selbst-Ermordung vielleicht. Kennen Sie den Fall Oskar Brüsewitz? Es war nicht der Einzige. Von diesen Tatsachen müssen Sie auch weit im Osten der DDR etwas gehört haben. Ich war bekennender katholischer Christ in der DDR von 1956–90.“23 Nochmals wird in der Ausgabe vom 8. Mai auf den Offenen Brief rekurriert und ein Beispiel aus Erfurt aus dem Jahre 1958 erzählt. Frau Sturm, die in die damalige Erweiterten Oberschule Dr. Theodor Neubauer ging, berichtete von vier katholischen Schülern, die damals in einem Erfurter Konvikt lebten und der Schule verwiesen wurden.24 Diese Entscheidung, kreisfremde Schüler, wie sie genannt wurden, aus den Schulen zu entfernen, geschah in der gesamten DDR und intendierte, sogenannte Knabenkonvikte mit ihrer Option auf Priesteramt hin, auszutrocknen. Auffallend ist bei diesen Leserbriefen, dass weniger die Forderung nach Aufarbeitung des Unrechts an Christen in der DDR – wie im Offenen Brief eigentlich gefordert – im Vordergrund stand, sondern Beispiele von Benachteiligung, Repression und Diskriminierung. Vor allem der Einwand von Stosiek, es habe keine Christenverfolgung gegeben, erregte die Leser der Kirchenzeitung. Die evangelische Kirchenzeitung für Mitteldeutschland „Glaube und Heimat“ ging in ihrer Ausgabe vom 12. Juni 2016 primär auf den Inhalt des Offenen Briefes und die bisherige Reaktion der Thüringer Landesregierung ein.25 Christen im Osten Deutschlands, die die DDR noch erlebt haben, können von Diskriminierung auf vielen Ebenen des Lebens berichten, heißt es. Der Landesbeauftragte des Freistaates Thüringen für die Aufarbeitung der SED – Diktatur Christian Dietrich pflichtet dem bei und betont, dass die Christenfeindlichkeit des Regimes zu wenig thematisiert worden sei, und kritisiert 22 23 24 25
Familie Schäfer, Heiligenstadt, Christen wurde die Zukunft durchkreuzt, in: TdH 18 (1. Mai 2016), 11. Weibrecht, Matthias: Gera, War das keine Christenverfolgung? in: TdH 18 (1. Mai 2016), 11. Sturm, Dr. med. Ute: Ilmenau, „Christenfeindlich“ ist moderat ausgedrückt, in: TdH 19 (8. Mai 2016), 15. Diana Steinbauer, Christen bislang kein Thema, in: Glaube und Heimat 24 (12. Juni 2016).
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zugleich auch die Kirchen wegen ihres Konformismus. Viele Opfer scheuten sich an die Öffentlichkeit zu gehen, weil sie möglicherweise gezwungen würden, sich wiederum mit den Erniedrigungen und den Tätern auseinanderzusetzen, ergänzte Dietrich. Die derzeitige Kulturstaatssekretärin in Thüringen Babette Winter (SPD) erläuterte, dass sich zwar viele Menschen bezüglich des DDR-Unrechts an sie gewendet hätten, darunter aber keine einzige Anfrage zur Christenfeindlichkeit gewesen sei, sodass bisher keine Projekte in diese Richtung angedacht seien.26 Nochmals, am 31. Juli 2016, meldete sich Dr. Ute Sturm im „Tag des Herrn“ zu Wort und fordert nicht nur eine Aufarbeitung des Themas anhand von Einzelschicksalen, sondern eine Stellungnahme der Linkspartei zu ihrer christenfeindlichen Vergangenheit.27 Und schließlich griff Anfang Oktober 2016 der frühere Ministerpräsident Thüringens Dieter Althaus in die Diskussion ein und forderte ausdrücklich eine systematisch geführte Aufarbeitung. „Zum einen um den vielen christlichen Benachteiligten und Opfern der DDR endlich Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Zum anderen, um aktuell die Frage zu beantworten, wie DIE LINKE in diesem Zusammenhang ihr eigenes DDRErbe bewertet und wie sie jetzt ihr Verhältnis zum Glauben konkret definiert.“28 Im Dezember 2016 nahm sich die gesamte Thüringer CDU des Themas an und forderte eine Aufarbeitung: „Ehrlich und vollumfänglich“.29 Aus der Thüringer Staatskanzlei verlautete, dass sich am 20. Dezember 2016 eine gemeinsame Arbeitsgruppe aus Landesregierung und Kirchen konstituieren werde. Einen Tag vorher werde sich die interministerielle Arbeitsgruppe treffen, die seit März 2015 zur Aufarbeitung der SED-Diktatur in Thüringen gegründet worden war.30 Tatsächlich gibt es in Thüringen seit Dezember 2016 im Auftrag von Thüringer Landesregierung und der Kirchen eine Arbeitsgruppe „Christen, Kirchen und andere christliche Religionsgemeinschaften im DDR-Unrechtsstaat“. Ziel ist es, Art und Umfang der Möglichkeiten einer weiteren Aufarbeitung und wissenschaftlichen Erforschung der DDR-Diktatur unter dem Aspekt religionsbedingter Diskriminierung und Benachteiligung in Thüringen festzustellen und daraus mögliche Handlungsempfehlungen für die Bereiche Forschung und gesellschaftlicher Dialog abzuleiten. Dazu wurden Exposés von Wissenschaftlern erstellt, auf deren Grundlage ein Forschungsauftrag erarbeitet wurde. Unter der Leitung von Professoren der Universität Erfurt wird in den kommenden Jahren wissenschaftlich untersucht werden, inwieweit die
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Ebd.: „Bei allen Vorgängen, die dem Ministerpräsidenten und mir zum Thema DDR-Unrecht bekannt sind, wissen wir von sieben Fällen, in denen die Aktivität in der Kirche zu einem Eingriff seitens des Staates in die Lebensbiografie geführt hat. Diese sieben Personen erhalten Entschädigung für gesundheitliche Schäden, für die Verfolgungsmaßnahmen ursächlich waren.“. Sturm, Dr. med. Ute: Ilmenau, Christenfeindlichkeit weiter aufarbeiten, in: TdH 31 (31. Juli 2016), 15. Althaus, Dieter: Christen in der DDR – wichtiger Anstoß, in: TdH 40 (2. Oktober 2016), 17. Aufarbeitung: „Ehrlich und vollumfänglich“. Thüringer CDU zu Christen in der DDR, in: TdH 51 (18. Dezember 2016), 14. Neue Arbeitsgruppe gegründet. Thüringen: Umgang mit Christen in der DDR, in: TdH 51 (18. Dezember 2016), 14.
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Christen unter anderem in der Bildung benachteiligt worden sind und dies bis heute fortwirkt. Auch mithilfe der „Forschungsstelle für kirchliche Zeitgeschichte“ am Lehrstuhl für Kirchengeschichte des Mittelalters und der Neuzeit an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt sollen eine qualifizierte Zeitzeugenbefragung, eine archivalische Erschließung repräsentativer Konfliktfelder (Diskriminierung im Bildungsbereich, Behinderung der Seelsorge, Repressalien um den Wehrdienst) sowie eine Schärfung der Terminologie thematisiert werden. Man darf gespannt sein, welche Ergebnisse generiert werden und wie der bisherige Widerspruch zwischen dem, was bekennende Christen an Benachteiligungen erfuhren und dem, was alltäglichen Repressionen ausmachte, in Einklang zu bringen sind. Das disparate, weit verstreute Aktenmaterial über „Christenverfolgung“ in der DDR sowie kaum vorhandene mündliche und schriftliche Zeugnisse über Diskriminierungen sind Probleme, die im Vorfeld eigentlicher Reflexionen und Bewertungen geklärt werden müssten, um im Sinne der Initiatoren erfolgreich sein zu können.
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Die „Unterscheidung von bloßem Hinnehmen zum aktiven Mitmachen” oder die „Methode des ‚Darunterbleibens’”31
Zunächst sind einige Begriffe zu klären, um eine adäquate Handhabung zu ermöglichen. Das heute fast umgangssprachlich benutzte Wort „Widerstand“ hat im Deutschen eine Vorgeschichte. Salopp formuliert: zu der Zeit, als es Widerstand gab – zur Zeit des Nationalsozialismus also – wurde der Begriff kaum verwendet.32 Erst allmählich entwickelten sich unterschiedliche Definitionen und Metaphern, die das Phänomen zu erklären und beschreiben suchten. Festzuhalten ist, dass die Begrifflichkeit und ihre Beschreibungsversuche zunächst der Zeit von 1933 bis 1945 galten. Die gegenwärtige Forschungslage lässt sich hinsichtlich der Vergleichbarkeit der beiden totalitären Systeme nicht harmonisieren und ist auch nicht Gegenstand der Darstellung. Klammert man die Frage der Vergleichbarkeit der Systeme aus und nimmt Phänomene, die als Widerstand, Resistenz, Opposition, Verweigerung, Dissidenz, Distanz oder Anpassung, Loyalität, Konformismus, Mitmachen begrifflich gefasst werden, so könnte zunächst der Rahmen der zu behandelnden Thematik abgesteckt werden. Die derzeitigen wissenschaftlichen Diskussionen um Opposition und Widerstand sollen an dieser Stelle nicht referiert werden.33 Dennoch bedarf es begrifflicher Klärungen,
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Aussagen des Berliner Bischofs Alfred Bengsch von 1962; Höllen, Loyale Distanz?, 322-324. Hürten, Heinz: Verfolgung, Widerstand und Zeugnis. Kirche im Nationalsozialismus. Fragen eines Historikers, Mainz 1987, 56. Günther Heydemann, Lothar Kettenacker (Hg.): Kirchen in der Diktatur. Drittes Reich und SEDStaat, Göttingen 1993; Pollack, Detlef: Politischer Protest. Politisch alternative Gruppen in der DDR, Opladen 2000, 57-61.
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um Orientierungshilfen zu erleichtern.34 Wenn man Opposition als relativ offene, wenigstens zeitweilig und teilweise legal handelnde Gegnerschaft zum SED-Regime versteht, Widerstand dagegen als ausschließlich illegales und konspiratives Handeln, so kann widerständiges Verhalten der katholischen Kirche mit keinem der Begriffe deckungsgleich gebracht werden. Weltanschauliche Dissidenz, mehr oder weniger verdeckte mündliche Regimekritik, passiver Widerstand, Verweigerung, nonkonformes Verhalten waren in der gesamten DDR-Geschichte auch in der Kirche weit verbreitet. Das begrifflich nicht klar zu fassende Phänomen lässt nur die Möglichkeit, unterschiedliche Begriffe alternativ zu verwenden. Plakativ formuliert kann man vereinzelt für Mitglieder der katholischen Kirche in der DDR sowohl oppositionelles als auch widerständiges Verhalten konstatieren,35 wenn auch die Motivationen nicht immer und ausschließlich auf das Christsein und die Kirchenzugehörigkeit zurückgeführt werden können. Für die katholische Kirche insgesamt und für ihre Kirchenleitung könnte noch am ehesten der Begriff Resistenz zutreffen, also eine Abwehr, Begrenzung, Eindämmung des umfassenden Anspruchs des Regimes36 bzw. eine in der Kirchenzugehörigkeit wurzelnde Widerstandsfähigkeit, Resistenz, gegenüber der marxistischen Ideologie. Weltanschauliche Resistenz hat es in der katholischen Kirche stets gegeben, widerständiges Verhalten einzelner zeitweise, oppositionelle Gegnerschaft von Fall zu Fall. Das bedeutete, wenn man beispielsweise gegen Menschenrechtsverletzungen des Regimes protestierte, das dies dann auf einer vermuteten „legalen” Basis geschah. Es geschah relativ offen, d.h. eine weitere oder begrenztere Öffentlichkeit war darüber informiert (Informationen an Pfarrer, Dekane, Hirtenbriefe etc.) und es geschah zeitweilig, also immer dann, wenn Handlungsbedarf auf Grund staatlicher Übergriffe beispielsweise in Pastoral und Caritas ein solches Vorgehen postulierten. Als Beispiel solcher „legalen”, offenen und aktuellen Äußerungen sei das Thema Schwangerschaftsabbruch genannt.37 Analoges gilt für die staatlich verordnete materialistische bzw. atheistische Erziehung. Auch wenn Partei und Staat von Anfang an offiziell die Vereinbarkeit von Christentum und Marxismus betonten38 und um die Mitarbeit der Christen beim Aufbau des
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Ammer, Thomas: Opposition und Widerstand von den Anfängen bis zum Mauerbau, in: HansJoachim Veen, Peter Eisenfeld, Hans Michael Kloth, Hubertus Knabe, Peter Maser, Ehrhard Neubert, Manfred Wilke (Hg.), Lexikon Opposition und Widerstand in der SED-Diktatur, Berlin 2000, 20. Schäfer, Bernd: Art. Katholische Kirche, in: Hans-Joachim Veen, Peter Eisenfeld, Hans Michael Kloth, Hubertus Knabe, Peter Maser, Ehrhard Neubert, Manfred Wilke (Hg.), Lexikon Opposition und Widerstand in der SED-Diktatur, Berlin 2000, 207. Broszat, Martin: Resistenz und Widerstand. Eine Zwischenbilanz des Forschungsprojektes, in: Martin Broszat (Hg.), Bayern in der NS-Zeit Bd. IV: Herrschaft und Gesellschaft im Konflikt, München 1981, 697. Katholisch-Theologische Fakultät Erfurt, Forschungsstelle für kirchliche Zeitgeschichte, Beschlüsse der BOK/BBK (P), Zwischen 1972 und 1990 thematisierten die Bischöfe sechsmal die Abtreibung: 1972 mit einer Erklärung der BOK, 1987 mit einer gemeinsamen Erklärung von evangelischer und katholischer Kirche und zwei Hirtenbriefen, 1990 mit einer Erklärung der BBK und im gleichen Jahr mit einer Erklärung zur Schwangerschaftsberatung. Meier, Otto: Partei und Kirche, Berlin 1947.
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Sozialismus warben,39 traute man den Kirchen insgesamt doch nur eine mehr oder weniger starke, der eigenen Position widersprechende „oppositionelle Rolle” zu. Nicht nur die Überwachungsmechanismen der Staatssicherheit zeigen dies deutlich. Bis zum Jahre 1989 sollte sich die Einstellung zu den Kirchen grundsätzlich nicht ändern: „Die Kirchen sind und bleiben Institutionen, die bürgerliche, idealistische Weltanschauung verbreiten und der marxistisch-leninistischen Theorie, Weltanschauung und Moral entgegenwirken.”40 Klarer konnte man die in den Kirchen vermutete „Opposition” nicht definieren. Die in SBZ/DDR zu beobachtenden unterschiedlichen Phasen staatlicher Kirchenpolitik fanden zwar unterschiedliche Antworten seitens der katholischen Kirche, ein „Grundmuster” aber lässt sich unschwer erkennen: Konfliktvermeidung bei gleichzeitigem nonkonformen Verhalten. Das war der kleinste gemeinsame Nenner der offiziellen katholischen Kirche in der DDR im Umgang mit Staat und Partei.41 Kardinal Alfred Bengsch, der wie kein anderer Bischof der katholischen Kirche in der DDR diese kleine Kirche bis zu seinem Tod 1979 und darüber hinaus prägte, hatte dies immer wieder in folgender einprägsamer Metapher ausgedrückt: „Der Christ sitzt in der Löwengrube. Er wird den Löwen aber weder streicheln noch am Schwanz ziehen.”42 Ziel eines solchen Weges zwischen „Widerstand und Konformismus” war im weitesten Sinne die Ermöglichung von Seelsorge unter Vermeidung einer „Märtyrerkirche”43. Es gibt keine stringente Erklärung für die Beschreitung eines solchen Weges. Der von Anfang an in SBZ und DDR propagierte Weg eines atheistischen Sozialismus war und blieb der Grunddissens zwischen Kirche und sozialistischem/kommunistischem Staat.44 Zu den Motivbündeln, die eine offene Konfrontation nicht angeraten erscheinen 39
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Stolzenbach, Friedel: Die Katholiken in der DDR, Berlin 1957; Vgl. auch BStU, ZA, HA XX/4, Information über interne Meinungsäußerungen zum Verlauf der katholischen „Berliner Bischofskonferenz“ (BBK) am 3./4. März 1986. Referat des für Sicherheit und damit auch für Kirchenfragen zuständigen Politbüro-Mitglieds Paul Verner vom 22. 7. 1976, in: Höllen, Martin, Loyale Distanz? Katholizismus und Kirchenpolitik in SBZ und DDR. Ein historischer Überblick in Dokumenten, Bd. 3/1: 1966 bis 1976, Berlin 1998, 389-393. Meisner, Mit dem Herzen sehen, 42: „Und der Weg der Konfrontation, den wir eingeschlagen haben und der darin bestand, daß wir in diesem Staat nicht mitgemacht haben, hat von allen alles gefordert. Wir haben uns nur dort nicht verweigert, wo es um das Gemeinwohl, das bonum commune, nicht um die ‚rote Ideologie’ ging.”. Pilvousek, Josef: Katholische Kirche in der DDR. Kirche für die Gesellschaft?, in: Wolfgang Schluchter (Hg.), Kolloquien des Max Weber-Kollegs VI- XIV (1999–2000), Erfurt 2000, 102. Die Gefahr, eine Märtyrerkirche zu schaffen, war eine Warnung, die sich die Bischöfe immer wieder ins Gedächtnis riefen, wenn eine eingeschlagene kirchenpolitische Gangart gegenüber dem Staat die Gläubigen in Situationen führen könnte, die nur durch das Martyrium zu bewältigen wären. „Als Bischöfe in der DDR mußten wir natürlich auch immer Rücksicht auf die Glaubenskraft unserer Gläubigen nehmen.”... „Wir haben immer für uns als Richtschnur gehabt: Das Verhältnis von Staat und Kirche ist so gut oder so schlecht, wie es der einzelne Christ an der Basis erfährt.”; Meisner, Mit dem Herzen sehen, 44. Eine kleine, vor allem von der CDU gesteuerte, jedoch stets einflusslose Gruppe, der Katholiken angehörten, propagierte die Vereinbarkeit von Christentum und Marxismus und versuchte so, die Kirche für Staatsziele zu gebrauchen; ähnliche Tendenzen gab es in den protestantischen Kirchen mit der vielfach missverstandenen Formel von der „Kirche im Sozialismus“.
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ließen, gehörten vor allem in den 50er Jahren die Verhaftung von Laien und Priestern, Hausdurchsuchungen sowie Verbote oder Einschränkungen kirchlicher Veranstaltungen; die Machtfrage in der DDR war zu diesem Zeitpunkt bereits entschieden. Kardinal Julius Döpfner etwa, von 1957–61 Bischof von Berlin, war der scharfen Konfrontation nicht ausgewichen und musste notgedrungen in Kauf nehmen, dass er seit 1958 nicht mehr nach Ostberlin und in die DDR einreisen durfte. Das „Sprachrohr” der katholischen Kirche in die „Öffentlichkeit hinein waren die Bischöfe”,45 denen weithin Klerus und Laien in ihren kirchenpolitischen Leitlinien folgten, und diese Leitlinien waren eindeutig auf Konfliktvermeidung mit dem Staat angelegt. Erst seit Mitte der 60er Jahre gab es einige wenige kirchliche Gruppen, die sich der offiziellen, von der Berliner Ordinarienkonferenz vorgegebenen kirchenpolitischen und z.T. theologischen Linie widersetzten, ohne jedoch kirchenfern, geschweige denn kirchenfeindlich zu werden. Der Staat nahm dies sehr wohl zur Kenntnis: „Es gibt, wie der Verlauf der Pastoralsynode46 bewies, auch eine zahlenmäßig kleinere, aber aktive Gruppe von Priestern, die im Unterschied teils auch im Gegensatz zur Linie von Kardinal Bengsch die Auffassung vertreten, dass sich die Glaubensfestigkeit nicht durch Verinnerlichung und politische Zurückhaltung, sondern durch ‚gesellschaftspolitische Relevanz der Verkündigung’ erreichen lässt.”47 Unterhalb der offiziellen kirchenpolitischen Linie muss an dieser Stelle zumindest an den alltäglichen, z.T. auch loyalen Umgang einiger Katholiken mit dem Partei- und Staatsapparat erinnert werden. Die sich erst allmählich aus einer „Flüchtlingskirche” zu einer „katholischen Kirche in der DDR”48 wandelnde katholische Kirche hatte durch die Integration unterschiedlichster Landsmannschaften und deren historische Erfahrungen auch diese Mentalitäten aufgenommen, die sich wiederum in größerer oder geringerer Loyalität gegenüber dem Staat ausdrückten. Zu denken ist an die Regionen, die durch historische Vorgegebenheiten wie etwa den Josephinismus geprägt waren und deren Bewohner die permanente „Abhängigkeit” der Kirche vom Staat nicht nur nicht, als solche empfanden, sondern als konstitutiv erachteten. Die Minderheiten- und Diasporasituation der Katholiken in der DDR sollte bei allen „Widersetzlichkeiten”49 stets im Blick bleiben und war sicher auch ein Motiv für unspektakuläres Handeln. Im Vergleich zu den größeren evangelischen Schwesterkirchen 45 46
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Nowak, Leo: Kirche vor, während und nach der Wende, in: Hubertus Knobloch (Hg.), Begegnung und Dialog. Die Chance einer armseligen Kirche, Leipzig 2000, 20-27, hier 21. Gemeinsame Synode der Jurisdiktionsbezirke auf dem Gebiet der DDR 1973-75. Pilvousek, Josef: Die Pastoralsynode der katholischen Kirche in der DDR (1973–1975), in: Pastoraltheologische Informationen 31 (2011/1). 40 Jahre Gemeinsame Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland (1971–1975), https://www.uni-muenster.de/Ejournals/index.php/pthi/article/ viewFile/1164/1112, 1-248, hier 39-52. Bundesarchiv Berlin, DO-4, 465, 1977. Pilvousek, Josef: Von der „Flüchtlingskirche“ zur katholischen Kirche in der DDR. Historische Anmerkungen zur Entstehung eines mitteldeutschen Katholizismus, in: Johanna Rahner, Mirjam Schambeck (Hg.), Zwischen Integration und Ausgrenzung. Migration, religiöse Identität(en) und Bildung – theologisch reflektiert, Berlin 2011, 21-43. van Norden, Ger: Widersetzlichkeit von Kirchen und Christen, in: Wolfgang Benz, Walther H. Pehle (Hg.), Lexikon des deutschen Widerstandes, Frankfurt/Main 1994, 68-82.
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soll ausdrücklich betont werden, dass sie einerseits, auch bedingt durch ihre Struktur und größere Vielfalt, viel stärker in der Öffentlichkeit Kritik am herrschenden System übten, andererseits aber auch mehr Gläubige in ihren Reihen hatten, die in politischen Organisationen des Staates mitarbeiteten. Natürlich gibt es auch Versuche, den Katholizismus in der DDR einfach und griffig zu beschreiben. Dabei setzte man auf den Begriff der Parallelgesellschaft. Dieser Begriff beschreibt die Selbstorganisation einer gesellschaftlichen Minderheit, die Regeln und Moralvorstellungen der Mehrheitsgesellschaft ablehnt. Der Begriff überschneidet sich in seinem Bedeutungsinhalt mit Gegenkultur und Subkultur bzw. Subgesellschaft. Seine Anwendung auf die katholische Kirche in der DDR führt dann zu Interpretationen, wonach Katholiken Regeln und Moralvorstellungen der Mehrheitsgesellschaft strikt abgelehnt, als Minderheit gelebt und sich deshalb von gesellschaftlichen Aktivitäten wie Protesten, Demonstrationen etc. ferngehalten hätten. Die von den Bischöfen geforderte Zurückhaltung und politische Abstinenz sei daher letztlich die Konsequenz kirchlichen Lebens in der Parallelgesellschaft gewesen. Ob diese Beschreibung historisch zutreffend ist, scheint zweifelhaft, theologisch ist sie falsch. Die Absurdität eines solchen Erklärungsmodells wird dann offenkundig, wenn man die damit verbundenen theologischen Konsequenzen bedenkt: eine isolierte Kirche, die sich von den Menschen fernhält und deren Sorgen ihr letztendlich egal sind. Wenn es so gewesen wäre, dass die Kirche sich von Regeln und Moralvorstellungen der Mehrheitsgesellschaft strikt abgekehrt hätte, dann hätte sie tatsächlich nichts mehr mit der „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst „ der Menschen in der DDR zu tun gehabt. Sie hätte sich damit von ihrem Grundauftrag entfernt und, um es noch deutlicher zu sagen, sie wäre nicht mehr Kirche gewesen.
4.
Resümee
Ein vorläufiges Resümee muss folgende Faktoren festhalten: 1. Eine gezielte, umfassende sowie detaillierte wissenschaftliche Untersuchung über die Christenfeindlichkeit des DDR-Regimes und ihre praktischen Folgen stehen aus. 2. Ob man von Christentumsfeindlichkeit oder Christenverfolgung sprechen kann, liegt u. a. an der Definition dieser Phänomene. Mir scheint, dass man von einer generellen Christenverfolgung zum Zweck der physischen Vernichtung von Christen nicht sprechen kann. 3. Benachteiligungen, Diskriminierungen, Berufsverbote und Ausschluss von Karrieren hat es für Christen zu jeder Zeit gegeben. 4. Es ist geradezu ein Merkmal totalitärer Regime, dass es bei allen Repressionen immer auch Ausnahmen gab, die Alibicharakter trugen oder Täuschungen beabsichtigten. Am kirchen- und christenfeindlichen Charakter des Marxismus-Leninismus und dem SED -Regime bestanden, nach eigener Auskunft, nie Zweifel. 5. Die katholische Kirche in der DDR war keine oppositionelle Institution und kein Bollwerk des Widerstandes und wollte es nicht sein. Zur Strategie des Überlebens in
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der totalitären Diktatur gehörte es, resistent gegenüber der staatstragenden Ideologie sein zu wollen. Dem Gewissen zu folgen und keine faulen Kompromisse auf dem Glaubensweg einzugehen, sah man als vorrangig an. 6. Um dies zu erreichen, bediente man sich einer „Taktik”, die Konflikte mit dem Staat und der staatstragenden Partei weitestgehend vermied, andererseits aber auch keine positive Stellungnahme zuließ, um einer Vereinnahmung zu entgehen. 7. Kann die katholische Kirche in der DDR nicht im strengen Sinn als „oppositionell” bezeichnet werden, so gilt aber auch, dass sie nicht generell konformistisch handelte. Manche kirchenpolitisch motivierte Handlung erscheinen zwar wenig mutig, konformistisch müssen sie deshalb aber nicht gewesen sein. 8. Trotz Christenfeindlichkeit, Repression und Benachteiligung in dieser säkularen und ideologischen Diaspora ist ein Glaubenszeugnis der Kirchenmitglieder zu registrieren, „das sich sehen lassen kann“50. 9. Für Thüringen ist anzumerken, dass sich die Thüringer Landesregierung zu deren Koalition auch DIE LINKE gehört, in ihrem Koalitionsvertrag zur Aufarbeitung des DDR-Unrechts bekannt hat. Die bisherigen Ergebnisse sind eher marginal, jedenfalls in der Öffentlichkeit kaum oder nicht wahrnehmbar.
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Ullrich, Lothar: Kirche in ideologischer und säkularer Diaspora. Das Zeugnis der Katholischen Kirche in der DDR (1949–1990), in: Veritas et Communicatio (FS Ulrich Kühn), Göttingen 1992, 230.
Jörg Seiler
DER BERLINER BISCHOF JULIUS DÖPFNER IM VISIER DER STAATSSICHERHEIT1
1.
Einleitung: Döpfners Westberliner Konfrontationskurs und seine Folgen
Von allen Berliner Bischöfen kann der im Frühjahr 1957 in das geteilte Berlin als Bischof berufene Würzburger Bischof Julius Döpfner2 – er war damals erst 43 Jahre alt – als der kämpferischste angesehen werden.3 Sein Vorgänger, Wilhelm Weskamm 1 2
3
Nachfolgender Beitrag stellt einen Nachdruck meines gleichlautenden Beitrags in 'Beiträge zur altbayerischen Kirchengeschichte 60 (2020), 203-232' dar. Julius Döpfner: *28.08.1913 Hausen bei Bad Kissingen, 1933 Priesterseminar Würzburg, 1933 Studium am Germanicum in Rom, 29.10.1939 Priesterweihe, 1941 Dr. theol., 1941 Kaplan Großwallstadt, 1942 Kaplan Schweinfurt, 1944 Präfekt Bischöfliches Knabenseminar Kilianeum/Würzburg, 1945 Assistent im Priesterseminar Würzburg, 1946 Subregens Priesterseminar Würzburg, 11.08.1948 Bischof von Würzburg (14.10.1948 Weihe), 1953 Beauftragung für die Seelsorge an den Heimatvertriebenen, 15.01.1957 Bischof Berlin (25.03.1957 Inthronisation) und Vorsitzender der Berliner Ordinarienkonferenz, 15.12.1958 Kardinal, 03.07.1961 Erzbischof von München und Freising (30.09.1961 Inthronisation), Mitglied der vorbereitenden Zentralkommission und (Dezember 1962) Koordinierungskommission des 2. Vatikanums, September 1963 Moderator desKonzils, Dezember 1965 Vorsitzender der Fuldaer Bischofskonferenz, † 24.07.1976; Landerdorfer, Anton: Döpfner, Julius (August) (1913–1976), in: Erwin Gatz (Hg.), Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder 1945–2001. Ein biographisches Lexikon, Berlin 2002, 386–394. Der Beitrag wird wortgleich auch abgedruckt in einem von Rainer Bendel herausgegebenen Sammelband zur Tagung „Christen unter totalitärer Herrschaft von 1945 bis ca. 1960 – SBZ/DDR, Polen, Tschechoslowakei, Ukraine“, die 2016 vom Institut für Kirchen- und Kulturgeschichte der Deutschen in Ostmittel- und Südosteuropa e.V. ausgerichtet wurde. Zu ihm: Wittstadt, Klaus: Julius Kardinal Döpfner (1913–1976). Anwalt Gottes und Anwalt der Menschen, München 2001; Mokry, Stephan: Kardinal Julius Döpfner und das Zweite Vatikanum. Ein Beitrag zu Biografie und Konzilsgeschichte, Stuttgart 2016 (MKSt NF 3). – Die relevanten Quelleneditionen zur Berliner Zeit sind: Schulte–Umberg, Thomas: Akten deutscher Bischöfe seit 1945. DDR 1957–1961, Paderborn 2006 (VKZG.A 49); Hürten, Heinz: Akten deutscher Bischöfe seit 1945. Bundesrepublik Deutschland 1956–1960, Paderborn 2012 (VKZG.A 57); Höllen, Martin: Loyale Distanz? Katholizismus und Kirchenpolitik in SBZ und DDR. Ein historischer Überblick in Dokumenten, Bd. 2 (1956 bis 1965), Berlin 1997, 47-269; Lange, Gerhard/Pruss, Ursula: An der Nahtstelle der Systeme. Dokumente und Texte aus dem Bistum Berlin 1945–1990. 1. Halbband: 1945–1961, Leipzig 1996, 235-433; Lange, Gerhard/Pruss, Ursula/Schrader, Franz/Seifert, Siegfried (Hg.): Katholische Kirche – Sozialistischer Staat. Dokumente und öffentliche Äußerungen 1945–1990, Leipzig 21993, 108-186. – Für die Berliner Jahre sei zudem
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Jörg Seiler
(1891–1956; Bischof von Berlin: Juni 1951 bis August 1956) war bereits durch seine Tätigkeit als Kommissar bzw. Weihbischof von Paderborn mit Sitz in Magdeburg mit den kirchenpolitischen Rahmenbedingungen in der SBZ/DDR vertraut und zog hieraus auch für seine Berliner Tätigkeit pastorale Schlüsse. Er schuf für die Kirche die Voraussetzungen, „um im totalitären Staat ohne Konfrontation, aber auch ohne Konformismus wirken zu können“.4 Weskamms Leistung besteht darin, der Kirche in der DDR eine funktionierende Organisationsform gegeben und über alle heftigen politischen Konflikte hinweg einen Modus vivendi geschaffen zu haben, bei dem die katholischen Kirchenvertreter bei Bedarf zwar gegen „Einschränkungen kirchlicher Freiheiten nachdrücklich protestierten, aber zu einer öffentlichen Anwaltschaft zugunsten allgemeiner Grund- und Menschenrechte wie zum Beispiel der Religionsfreiheit nicht vordrangen. Darin unterschied sich Weskamm grundlegend von seinem Vorgänger Preysing und seinem Nachfolger Döpfner, die – gepaart mit einem kompromisslosen Antikommunismus – einen solchen Kurs im Sinne eines politischen Wächteramtes verfolgten“.5 Seit Alfred Bengsch (1921–1979; Bischof von Berlin: August 1961 bis Dezember 1979), Döpfners Nachfolger, residierten die Berliner Bischöfe im Ostteil der Stadt. Inmitten des totalitären Staates lebend vermieden sie den offenen Konflikt mit dem Regime. Grundsätzlich war für die (Berliner) Bischöfe politische Abstinenz angesagt, was sich in entsprechenden Verordnungen niederschlug.6 Man suchte binnenkirchlich und pastoraltheologisch die Gläubigen zu stärken und – in späterer Zeit – diese gegenüber innerkatholischen Reformaufbrüchen7 immun zu halten. Die staatliche Kirchenpolitik wurde, nach einer leichten Entspannung um die Mitte der 1950er Jahre,8 nach der 30. Tagung des ZK der SED Anfang 1957 und im Kontext
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verwiesen auf: Schäfer, Bernd: Staat und katholische Kirche in der DDR, Köln 21999 (Schriften des Hannah–Arendt–Instituts für Totalitarismusforschung 8, 117-170; Brechenmacher, Thomas: Bischof im Brennpunkt des Systemkonflikts. Julius Döpfner im geteilten Berlin, 1957–1961, in: Thomas Brechenmacher (Hg.), In dieser Stunde der Kirche. Zum 100. Geburtstag von Julius Kardinal Döpfner , Würzburg 2013 (Bad Kissinger Archiv–Schriften 2), 57-83; Hartl, Christian: Wir aber predigen Christus, den Gekreuzigten. Spuren der Kreuzesspiritualität Julius Kardinal Döpfners in seinem Leben und in seiner Verkündigung, Würzburg 2001 (SThPS 46), 96-113 (Lit.). Pilvousek, Josef: Weskamm, Wilhelm (1891–1956), in: Erwin Gatz (Hg.), Bischöfe Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder 1945–2001. Ein biographisches Lexikon, Berlin 2002, 92-94, hier: 93. Kösters, Christoph: Akten deutscher Bischöfe seit 1945. DDR 1951–1957, Paderborn 2012 (VKZG.A 58), 24. – Thomas Thorak spricht von der „Kirche als Anwalt der Menschen“, die, so das „Credo Weskamms“, nicht in politische Entscheidungen eingreifen sollte; Thorak, Thomas: Wilhelm Weskamm. Diasporaseelsorger in der SBR/DDR. Würzburg 2009 (EThSt 96), 352. Für die Gesprächskontakte zwischen dem Klerus und staatlichen Stellen liegen seit Ende 1947 („Preysing–Erlass“) klare Richtlinien vor, die jedoch nicht immer und überall so eingehalten wurden. Vgl. zu diesen Richtlinien: Grande, Dieter/Schäfer, Bernd: Interne Richtlinien und Bewertungsmaßstäbe zu kirchlichen Kontakten mit dem MfS, in: Clemens Vollnhals (Hg.), Die Kirchenpolitik von SED und Staatssicherheit. Eine Zwischenbilanz, Berlin 21997, 388-404, hier: 388395; Thorak, Weskamm, 281-291. Vgl. etwa Holzbrecher, Sebastian: Der Aktionskreis Halle. Postkonziliare Konflikte im Katholizismus der DDR, Würzburg 2014 (22015) (EThSt 106). Bernd Schäfer beschreibt die Situation folgendermaßen: „Die Strategie kirchlicher Konfliktvermeidung durch Verhandlungen in Einzelfragen wurde staatlicherseits permanent durch eine
Der Berliner Bischof Julius Döpfner im Visier der Staatssicherheit
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des V. Parteitags der SED im Juli 1958 wieder wesentlich repressiver. Die Berlinkrise (seit November 1958) und das Scheitern der Pariser Gipfelkonferenz (Mai 1960) taten ein Übriges.9 Die Versetzung Döpfners von Würzburg nach Berlin stellte von daher ein Politikum dar, da auch für die Zeitgenossen zu erwarten war, dass der neue Bischof von Berlin kirchenpolitisch schärfer agieren würde. Möglicherweise war es dann der mit dem Pontifikatswechsel von 1958 verbundene neue Kurs der vatikanischen Ostpolitik, der dazu führte, dass Döpfner nach wenigen Jahren ein weiteres Mal seinen Bischofssitz wechseln musste. Zwar ist noch immer letztlich unklar, welche Gründe für seine Ernennung zum Erzbischof von München und Freising (1960) ausschlaggebend waren. Sollte es vornehmlich darum gegangen sein, so die plausibelste Interpretation, in Berlin einen ruhigeren kirchenpolitischen Kurs zu fahren, so würde dies eine Analyse des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) für das 1960 bestätigen. Das Scheitern in Paris, so glaubte man dort, habe eine „Änderung in der offenen und provokatorischen Haltung der kath. Bischöfe in der DDR“ eintreten lassen. Diese wurde etwa daran festgemacht, dass trotz der schwierigen Verhandlungen über die Teilnahme von Katholiken aus der DDR am Eucharistischen Weltkongress in München (1960) und trotz der Einreiseverweigerung für Nuntius Corrado Bafile (1903–2005; 1960–1975 Nuntius in der Bundesrepublik) nach Ost–Berlin „Zurückhaltung“ an den Tag gelegt und kein offizieller Protest erhoben worden sei. Auch hätte die Kirche „gegen die sozialistische Umgestaltung der Landwirtschaft“ – gemeint ist die Zwangskollektivierung 1960 – „keine besonderen Maßnahmen“ ergriffen außer einem Protestschreiben an die Regierung. Entsprechende Weisungen zur Zurückhaltung seien vom Vatikan an die „Hierarchie der katholischen Kirche im sozialistischen Lager“ ergangen. „Ziel dieser Politik soll sein, eine Sammlung ihrer [i.e. der katholischen Kirche] Kräfte vorzunehmen und entsprechend den Möglichkeiten durch geschickte Methoden und durch eine elastischere Politik zu versuchen, Positionen in gesellschaftlichen Organisationen, besonders durch Laienkräfte, zu erringen, die dann später für die Ziele der katholischen Kirche ausgenutzt werden können. Diese Umgruppierung der Kräfte
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Politik der Zurückdrängung durch Nadelstiche begleitet“; Schäfer, Staat, 105. Vgl. Raabe, Thomas: SED–Staat und katholische Kirche. Politische Beziehungen 1949–1961, Paderborn 1995 (VKZG.B 70). Zur Pariser Gipfelkonferenz hatte Döpfner ein Kanzelwort für den 15. Mai 1960 verfasst: Lange, Pruss, Nahtstelle, Nr. 165, 382. – Über den Inhalt dieser Verlautbarung war das MfS bereits am 10. Mai 1960 informiert, wie eine an diesem Tag datierte Information festhielt. Die entsprechende Anweisung von Generalvikar Maximilian Prange (1893–1965) liegt den Akten in Abschrift bei. Zugleich hält die Information fest, dass Döpfner für einige Zeit nach „Westdeutschland“ reisen würde: „Infolge der verstärkten Angriffe Döpfner’s gegen unseren Staat kann damit gerechnet werden, daß Döpfner und andere Kirchenfürsten in Westdeutschland eine Zusammenkunft hinsichtlich der Gipfelkonferenz durchführen und damit mit weiteren Angriffen der Kirche gegen die DDR zu rechnen ist“; „Information Nr. …/60. Betr. Hirtenbrief der Katholischen Kirche zur bevorstehenden Gipfelkonferenz“, 10.05.1960; BStU, MfS, AP Nr. 22533/92, 191f., hier: 191. Adenauer informierte Döpfner, dass er de Gaulle gebeten habe, „sich bei Chruschtschow für eine Abstellung der Unterdrückungsmaßnahmen [im voranstehenden Wortlaut Adenauers: „in der Zone“] einzusetzen. Ich habe gesagt, daß auch Sie [i.e. Döpfner] den Wunsch hätten, daß ich Herrn de Gaulle bäte, hierüber mit Chruschtschow zu sprechen“; Adenauer an Döpfner, Bonn, 16.05.1960; Schulte–Umberg, Akten, Nr. 286, 752.
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der katholischen Kirche soll dabei in einer gewissen ‚Stille‘ vollzogen werden und erfolgt im wesentlichen unter Wahrung des religiösen Deckmantels, um zu vermeiden, daß die tiefen politischen Absichten augenscheinlich hervortreten“.10 Kirchenpolitisch stellte sich der SED–Staat durch die Ende 1957 vollzogene Entmachtung von Paul Wandel (1905–1995)11, damals Sekretär für Kultur und Erziehung im Zentralkomitee der SED, und von Otto Nuschke (1883–1957), der als Stellvertretender Vorsitzender des Ministerrats auch die „Hauptabteilung Verbindung zu den Kirchen“ leitete, neu auf. Formal war dadurch die Stellung der Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen (gegründet März 1957)12 gestärkt, wenn auch diese im Vergleich zur „Arbeitsgruppe Kirchenfragen beim Zentralkomitee der SED“ und der kirchenpolitischen Abteilung beim Ministerium für Staatssicherheit (HA V/4; später: HA XX/4) drittrangig war und blieb. Zusammen mit einer nun intensivierten Tätigkeit des MfS unter Erich Mielke (1907–2000) wurde die Überwachung der Kirchen zunehmend effektiver.13 In diesem Kontext ist die Stasi-Akte zu Julius Döpfner zu situieren, die meinen Ausführungen zugrunde liegt und bislang in der Forschung nicht ausgewertet wurde. Dass in der angespannten Situation Ende der 1950er Jahre Döpfner als ein entschiedener Antikommunist aus der Bundesrepublik Berliner Bischof wurde, trug nicht zur Deeskalation der Situation bei. Hierfür war jedoch nicht nur Döpfner, dem man schon damals strategisches Geschick zutraute14, verantwortlich. Maßgeblich waren zudem auch seine beiden wichtigsten Berater, Generalvikar Maximilian Prange (1893–1965)15 und Domkapitular Walter Adolph (1902–1975)16 aus dem Westberliner Ordinariat, die bezeichnenderweise unter Weskamm entmachtet worden waren. Sie waren vermutlich gemeint, als Bundeskanzler Konrad Adenauer (1876–1967) Döpfner bei dessen Antrittsbesuch im April 1957 ermahnt hatte, es gäbe in „Ihrem Kapitel Kräfte, 10 11
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„Einschätzung der Tätigkeit der kath. Kirche im Gebiet der DDR im Verlauf des Jahres 1960“; BStU, BV Karl–Marx–Stadt, KD Schwarzenberg, Sb–55 Teil 2, 47-84, hier: 54-56. Vermutlich hing der Sturz Wandels damit zusammen, dass er nach Protesten der Kirchen eigenmächtig verfügt hatte, ein Vorwort von Walter Ulbricht in dem Buch, das bei der Jugendweihe überreicht werden sollte, zu streichen; Schiller, Dieter: Schluß mit der Seelsorge oder: Warum Paul Wandel gehen musste. Zur Literaturpolitik der SED im Jahre 1957, in: Evemarie Badstübner (Hg.), Befremdlich anders. Leben in der DDR. Berlin 2000 (32004), 513-538, hier: 534f. Boyens, Armin: Das Staatssekretariat für Kirchenfragen, in: Vollnhals (Hg.), Kirchenpolitik, 120-138. Schäfer, Staat, 129, 132-140. – Als Überblickswerke zur Geschichte der Stasi vgl. Gieseke, Jens: Die Stasi 1945–1990, München 32011 (12001); Kowalczuk, Ilko-Sascha: Stasi konkret. Überwachung und Repression in der DDR, München 2013. Döpfner war einstimmig vom Berliner Domkapitel gewählt worden. – Heinrich Krone (1895– 1989), ein enger Vertrauter Adenauers, hielt in seinen Tagebüchern fest, dass man Döpfner „Gewandtheit“ nachsage und für Berlin einen Bischof brauche, „der auch der politischen Aufgabe dieser Stadt gewachsen ist, Berlin verlangt klare Sicht und Festigkeit“; Höllen, Loyale Distanz? Bd. 2, Nr. 302 (Eintrag zum 18.12.1956), 43. Pius X. hatte wohl Erich Klausener bevorzugt; ebd., Nr. 302a (Eintrag zum 05.03.1957), 43 Anm. 103. – Dem strategischen Geschick steht nicht Döpfners Temperament entgegen. Bei aller Diszipliniertheit und Kontrolle wird ihm auch eine „impulsive Art“ nachgesagt, die zu „heftigen Wutausbrüchen“ führen konnte; vgl. Mokry, Kardinal Julius Döpfner, 281. Pilvousek, Josef: Prange, Maximilian (1893–1965), in: Gatz (Hg.), Bischöfe, 99f. von Hehl, Ulrich: Walter Adolph (1902–1975), in: Jürgen Aretz, Rudolf Morsey, Anton Rauscher (Hg.), Zeitgeschichte in Lebensbildern, Münster 1999, 168-181.
Der Berliner Bischof Julius Döpfner im Visier der Staatssicherheit
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die Sie für den Westen festlegen wollen. Aber [Sie sind] für die Katholiken der Zone besonders da“.17 Selbstverständlich wusste das MfS von Döpfners gutem Kontakt zu Adenauer. In der Stasi–Akte zu Döpfner findet sich eine namentlich nicht gezeichnete „Information über ein Gespräch mit Kardinal Döpfner am 15. Juni 1960“, in der es u. a. heißt: „Döpfner gab dann seiner Bewunderung und Hochachtung vor Adenauer Ausdruck und sagte, es sei bewundernswert, zu erkennen, wie Adenauer jetzt schon die Weichen stelle für den kommenden Bundestagswahlkampf. Man könne nur hoffen, daß trotz der ungünstigen Ausgänge der Lokalwahlen, vor allen Dingen in Bayern, sich doch bei der nächsten Bundestagswahl die eindeutige Regierungsmehrheit ergäbe“.18 Zudem gelangte bereits 1958 über eine Kontaktperson aus dem Umfeld des CDU– Bundestagsabgeordneten Peter Nellen (1912–1969) die Information an das MfS, dass Döpfner den Bundeskanzler „regelmäßig mit konkretem Material über die Lage der kath. Kirche in der DDR versorgt“.19 Die Konfrontation zwischen katholischer Kirche und Staat begann direkt nach der Amtsübernahme von Döpfner im April 1957. Im Mai 1958 waren die Fronten so verhärtet, dass staatlicherseits dem Berliner Bischof die Einreise in die DDR verweigert wurde. Von nun an konnte Döpfner nur noch seine Diözese in beiden Teilen Berlins persönlich aufsuchen; in das Gebiet der DDR einzureisen, war ihm verwehrt.20 Fortan richtet er auch über den Rundfunk seine Botschaften an die Katholiken seiner Diözese in der DDR. Der Staatssekretär für Kirchenfragen, Werner Eggerath (1900–1977), begründete das Einreiseverbot damit, dass sich Döpfner wiederholt in die inneren Angelegenheiten der DDR eingemischt habe und dem „Mißbrauch von Kirchen und kirchlichen Einrichtungen für verfassungswidrige und parteipolitische Zwecke sowie der Unterstützung des kalten Krieges gegen den Arbeiter- und Bauernstaat“ Vorschub leiste.21 Bereits nach seiner Predigt anlässlich der Elisabethwallfahrt in Erfurt am 22. 17
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Aufzeichnungen Döpfners, o.O., 11.04.1957, in: Schulte–Umberg, Akten, Nr. 17, 75f., hier: 75. Wenn man das Bild von Mokry teilt, der von einer „gallionsfigurartige[n] Regimegegnerschaft“ spricht (Mokry, Kardinal Julius Döpfner, 281), dann könnten es Prange und Adolph gewesen sein, die diese „Galionsfigur“ aufgebaut hätten. „Information über ein Gespräch mit Kardinal Döpfner am 15. Juni 1960“, o. O. 27.06.1960; BStU, MfS, AP Nr. 22533/92, 229-238, hier: 233. „Information von einer westdeutschen Kontaktperson“, o. O. 20.11.1958; BStU, MfS, AP Nr. 22533/92, 124: „D[öpfner] habe in dieser Unterredung Nellen wissen lassen, daß er Adenauer regelmäßig mit konkretem Material über die Lage der kath. Kirche in der DDR versorgt. D[öpfner] soll sich in diesem Zusammenhang befriedigt darüber geäußert haben, daß der Bundeskanzler dieses Material regelmäßig in seinen Versammlungen verwende. Nellen äußerte dazu, daß die Angaben, die Adenauer in seiner letzten Rede in Würzburg über die Lage der Kirche in der DDR gemacht hat, ebenfalls von Döpfner stammen“. Schäfer, Staat, 149f. So Eggeraths Reaktion auf die Proteste von Johannes Zinke; Schäfer, Staat, 149f. – Johannes Zinke (1903–1968) war seit 1958 (bis zu seinem Tod 1968) der Beauftragte des Berliner Bischofs für die nicht–offiziellen Gespräche mit dem MfS. Bis 1959 war er zudem der Verbindungsmann zum Staatssekretär für Kirchenfragen. Als Leiter der Hauptvertretung des Deutschen Caritasverbandes in Berlin (bzw. der Zentralstelle Ost des Deutschen Caritasverbandes in Ost–Berlin; 1946– 1968), als Geschäftsträger des Kommissariats der Fuldaer Bischofskonferenz (seit 1951) und als
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September 1957 hatte der Rat des Bezirks Erfurt überlegt, Döpfner den Passierschein für Großveranstaltungen zu verweigern.22 Die Einreiseverweigerung blieb auch für die Bischofsweihe des zum Titularbischof ernannten Kapitelsvikars Ferdinand Piontek (1878–1963) am 24. Juni 1959 in Görlitz bestehen. Eigentlich sollte Döpfner auf eigenen Wunsch hin diese Weihe vornehmen, um so wieder einmal die Möglichkeit zu haben, in die DDR einzureisen. Doch auch hier machten die staatlichen Behörden keine Ausnahme.23 Die Konsekration Pionteks nahm schließlich der Meißener Bischof Otto Spülbeck (1904–1970) vor. Auch als Münchener Erzbischof konnte Döpfner nicht ohne weiteres in die DDR einreisen. Hiervon zeugen zwei „Fahndungsaufträge“ vom Januar und April 1965.24 Im 1972 wurde die Einreisesperre auf Vorschlag der Abteilung Kirchenfragen des ZK der SED „bis auf Widerruf“ bestätigt. Denn Döpfner sei als Vorsitzender der Fuldaer Bischofskonferenz dafür mitverantwortlich, „daß die katholischen Bistumsgrenzen nicht den veränderten und staatsrechtlich zwischen der DDR und der BRD vertraglich geregelten Grenzen zwischen beiden Staaten angepaßt wurden“.25 Auch bei der 200–Jahrfeier der Berliner Hedwigskathedrale (November 1973) blieb Döpfner, der gerne den Feierlichkeiten beigewohnt hätte, persona non grata. Folgende Gründe für die Einreiseverweigerung wurden dem Berliner Ordinariat übermittelt: (1) Der Papst habe Döpfner „wegen seiner politischen Haltung“ nach München versetzt; (2) Döpfner habe „einen Brief an den Gen. Breshnew geschrieben wegen der angeblichen Bedrängnis der Intellektuellen in der Sowjetunion“; (3) er habe bis heute die Einrichtung von Apostolischen Administraturen in der DDR verhindert; (4) „Döpfner würde durch seine
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Sekretär der Berliner Ordinarienkonferenz (seit 1950) war er einer der wichtigsten Personen für die katholische Kirche in der DDR. Zu ihm vgl.: Thiel, Heinz Dietrich: Johannes Zinke. Brückenbauer zwischen Ost und West, in: Caritas–Jahrbuch 2000 (1999), 382-393. Zu den Kontakten zum MfS vgl. Haese, Ute: MfS–Kontakte auf offizieller Ebene, in: Vollnhals, Kirchenpolitik, 371-387 und Buss, Gregor: Katholische Priester und Staatssicherheit. Historischer Hintergrund und ethische Reflexion, Münster 2017, 53-68 (bes. 54). Pilvousek, Josef: Zur Geschichte der Elisabethwallfahrt 1957, in: Ders., Die katholische Kirche in der DDR. Beiträge zur Kirchengeschichte Mitteldeutschlands. Münster 2014, 209-224, hier: 224. „Information Nr. 41. Betr. Reise des Kardinal Döpfner nach Rom“, Berlin, 10.06.1959; BStU, MfS, AP Nr. 22533/92, 166f., hier: 167, und Johannes Zinke an Hauptabteilung Deutsche Volkspolizei, Hauptabteilung Paß- und Meldewesen, Berlin, 27.05.1959; ebd., 208 (Bitte um Erteilung eines Passierscheines). BStU, MfS, AP Nr. 22533/92, 64-67 (29.01.1965), 68-71 (29.04.1965). – Im ersten Fahndungsauftrag wird als Grund angegeben: „Kardinal Döpfner ist als Vertreter der westdeutschen Militärkirche auf dem Territorium der DDR nicht erwünscht” (hier: 67). Im zweiten Dokument heißt es: „Kardinal Döpfner ist ein typischer Vertreter des politischen Klerikalismus und unterstützt unter Ausnutzung seiner hohen kirchlichen Funktionen die militaristischen und revanchistischen Pläne der Bonner Regierung. Er ist ein Feind des Sozialismus. Aus diesen Gründen ist Döpfner in der Hauptstadt der DDR nicht erwünscht. Er ist beim Betreten einer Grenzübergangsstelle zurückzuweisen“ (hier: 71). Major Wegener, Hauptabteilung XX/4, „Sperre der Einreise“, Berlin, 16.11.1972; BStU, MfS, AP Nr. 22533/92, 11.
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ständige antisozialistische Haltung gegenüber der DDR auffallen“.26 Im Berliner Ordinariat entspann sich aufgrund der Begründungen eine heftige Diskussion. Man beschloss, Döpfner nicht die angeführten Gründe für die Ablehnung zu schreiben, sondern ihm lediglich mitzuteilen, staatlicherseits sei argumentiert worden, „daß er mehrfach gegen die Interessen der DDR aufgetreten sei“. Doch nun ging das Domkapitel in die Offensive. Man sah nämlich in der Ablehnung die Gelegenheit als gekommen an, dass Döpfner bei der Bundesregierung eine Anfrage wegen der Einhaltung der mit der DDR geschlossenen Verträge (Grundlagenvertrag 1972/73) richten könne.27 Offensichtlich hat der Münchner Erzbischof dies getan. Denn bei einem Treffen zwischen dem MfS und IMF (Inoffizieller Mitarbeiter der inneren Abwehr mit Feindverbindung zum Operationsgebiet) „Otto“ (i.e. der Berliner Ordinariatsrat Otto Groß [1917–1974]) am 8. Februar 1974 teilte dieser mit, dass das Berliner Ordinariat informiert worden sei, dass nach Protesten der Bundesregierung einer zukünftigen Einreise von Döpfner in die DDR nichts mehr im Wege stehe.28 Die Staatssicherheit tat nun, was sie eben immer tat: Sie bespitzelte Döpfner bei einem Aufenthalt in Berlin am 31. März 1976 – hiervon zeugt das jüngste Dokument aus der Akte zu Döpfner.29 Am grundsätzlichen Konfrontationskurs änderte auch eine leichte Entspannung seit Mitte 1960 nichts mehr. Mit dem Tod des Münchner Erzbischofs Joseph Wendel (1901–1960) bot sich für den Vatikan die Transferierung Döpfners in dieses ebenfalls, wenn auch aus anderen Gründen, strategisch wichtige Bistum an. Gewiss stand im Hintergrund dieses Wechsels vom Sommer 1961, dass sich der Heilige Stuhl angesichts einer sich verändernden vatikanischen Ostpolitik30 Handlungsspielräume offenhalten wollte. Es sollte jedoch nicht übersehen werden, dass Johannes XXIII. (1881–1963; Papst seit 28.10.1958) den uneingeschränkten Einsatz von Döpfner im Vorfeld und bei der Durchführung des 2. Vatikanischen Konzils benötigte. Das beharrliche Widerstreben des Berliner Kardinals, nach München zu wechseln, blieb erfolglos.31 Mit dem neuen Oberhirten, Alfred Bengsch, seit Juni 1959 bereits Weihbischof mit Sitz in Ostberlin, kam die Berliner Kirchenpolitik wieder in etwas ruhigeres Fahrwasser.32 26
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„Information Nr. [hs. Nachtrag: 150]/73. Sitzung des Ordinariats der Katholischen Kirche des Bistums Berlin am 25. Oktober 1973“, Berlin, 26.10.1973; BStU, MfS, AP Nr. 22533/92, 8-10, hier: 8. Diese Information findet sich mit leichten Textvarianten auch in BStU, MfS, ZAIG Nr. 2254, 2-5. So die Information im weiteren Verlauf; BStU, MfS, AP Nr. 22533/92, 9. „Treffbericht“ (IMF „Otto“, Berlin,08.02.1974), Berlin, 12.02.1974; BStU, MfS, AP Nr. 22533/92, 4-7, hier: 4; vgl. BStU, MfS, ZA, AIM Nr. 2716/75–II,2, 181. – Zur IM-Tätigkeit von Otto Groß vgl. Seiler, Jörg: Otto Groß (1917–1974) und seine Zusammenarbeit mit der Stasi. Anmerkungen zur Einordnung der IM–Akte „Otto“, in: ThG 59 (2016), 252-267. Oberstleutnant Schubert/Major Salewski, „Beobachtungsbericht“, Berlin, 31.03.1976 (für die Zeit vom 31.03.1976, 10.44–15.00 Uhr); BStU, MfS, AP Nr. 22533/92, 1-3. Vgl. Cerny-Werner, Roland: Vatikanische Ostpolitik und die DDR, Göttingen 2011; noch immer wichtig: Stehle, Hansjakob: Geheimdiplomatie im Vatikan. Die Päpste und die Kommunisten, Zürich 1993. Vgl. Mokry, Kardinal Julius Döpfner, 276-282. Zum Blick der Stasi auf Alfred Bensch vgl. neben Schäfer, Staat, passim, auch: Fischer, Martin: Alfred Bengsch im Spiegel der Aktenüberlieferung des Ministeriums für Staatssicherheit, in: ThG 59 (2016), 242-251.
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2.
Vorbemerkung zu den Quellen
Im Wesentlichen basieren die folgenden Ausführungen auf jenem Material, das das MfS über Döpfner in einer Aktenkategorie innerhalb des Archivbestandes 1 (Operative Hauptablage) im Berliner Zentralarchiv des MfS mit dem Titel Allgemeine Personenablage (AP) zusammengetragen hat. Es handelt sich hierbei um so genanntes nicht– registriertes Material, das über eine Personenkartei (F 16) den Mitarbeitern des MfS zur Verfügung stand.33 Die entsprechende Akte ist ein Mischbestand aus Berichten von Geheimen Informatoren/Mitarbeitern („GI“, „GM“, [später ab 1968:] „IM“) und von verschiedenen MfS–Bezirksverwaltungen, von internen „Informationen“ und Einschätzungen, von Zusammenfassungen über Döpfners Predigten34 und Ansprachen, von Personalbögen zu Döpfner und von einigen wenigen Quellen aus der Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen35. Originale Blattnummerierungen belegen, dass die einzelnen Dokumente ursprünglich teilweise in einem anderen Zusammenhang 33
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Allgemeine Personenablage wurde als Fachbegriff erst seit 1981 festgeschrieben (Dienstanweisung 2/81). Ursprünglich sprach man von „Material zu ehemals in Sicherungsvorgängen erfassten Personen bzw. anderes allgemeines Material über Personen“ („Allgemeines Material über Personen“); vgl. Buczek, Sławomir/Lucht, Roland: Allgemeines Material über Personen (Allg. P., AP), in: Roland Lucht (Hg.), Das Archiv der Stasi. Begriffe (Archiv der DDR–Staatssicherheit 11), Göttingen 2015, 35. Neben den im Folgenden erwähnten Predigten sind zu nennen: Jahresabschlusspredigt in der Corpus–Christi–Kirche Ostberlin: „Auch sonst enthielt er sich jeder Polemik. […] Die Predigt verfiel zeitweilig in Gartenlaubenstil und wäre als Probepredigt in einem Seminar sicher in Grund und Boden kritisiert worden. Die Verwendung von ‚Ihr‘ und ‚Euch‘ ist in Wien z.B. verboten“; „Betrifft: Jahresabschlusspredigt in Corpus Christikirche Thornerstr“, Berlin, 2.1.1959; BStU, MfS, AP Nr. 22533/92, 148. NN. Bronder, „Bericht über den Bekenntnistag der katholischen Jugend am 24.5.1959 in der Waldbühne“, Berlin 28.05.1959; BStU, MfS, AP Nr. 22533/92, 160f. Vgl. etwa BStU, MfS, AP Nr. 22533/92, 99–102: Ausschnitte aus: Staatssekretär für Kirchenfragen an Döpfner, 4.6.1957 (Edition bei: Schulte–Umberg, Akten, Nr. 35, 114–118). Oder ebd., 201: Aktenvermerk (maschinenschriftliche Abschrift; gez. Eggerath) zum Besuch von Weihbischof Bengsch bei Eggerath, 16.9.1960 (Thema: Einreiseverbot für Nuntius Corrado Bafile); vgl. Höllen, Loyale Distanz? Bd. 2 , Nr. 436, 236f. Hierüber gab es auch eine telefonische Rücksprache von Johannes Zinke beim MfS: Hauptmann Schulz, „Betr.: Telefonische Mitteilung von Prälat Zinke am 16.9.60“, Berlin, 16.9.1960; BStU, MfS, AP Nr. 22533/92, 198f. Zinke telefonierte an diesem Tag zwei Mal mit Hauptmann Schulz. Die Einreise des Nuntius war im ersten Telefonat (14.10 Uhr) nur eines von mehreren Themen. Beim zweiten Telefonat verständigte Zinke das MfS, dass im mittlerweile stattgefundenen Gespräch zwischen Bengsch und Eggerath (15.15 Uhr) das Einreiseverbot für den Nuntius ausgesprochen worden sei. Im MfS gab man sich überrascht: „Zinke führte aus, daß sie [i.e. katholische Kirche] über diese Handlungsweise äußerst überrascht wären und das als eine sehr unfreundliche Haltung gegenüber der Katholischen Kirche betrachten. Ob denn in dieser Frage eine Änderung nicht mehr möglich sei. Prälat Zinke wurde erklärt, daß das [sic!] erste wäre, was mir zu Ohren kommt und daß ich selbst davon keine Ahnung hatte, und auf die Frage, was denn nun werden solle, erklärte Prälat Zinke, das könne er auch nicht sagen, man müsse die neue Situation erst beraten. Die Beratung würde am Sonnabendvormittag in Westberlin stattfinden. Er erklärte sich bereit, am 17.9.60 gegen 11.30 Uhr anzurufen, um uns von der Situation zu verständigen“. – Weitere Korrespondenz zum geplanten Bafile–Besuch (Terminabsprache mit Joseph Freusberg/Erfurt; Anwesenheit von Ferdinand Piontek/Görlitz): BStU, MfS, AP Nr. 22533/92, 200-207.
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entstanden und abgelegt worden waren.36 Im Vergleich mit den AP–Akten zum Meißener Bischof (Koadjutor seit 1955; Bischof 1958–1970) Otto Spülbeck (1904–1970) oder mit jener zu Alfred Bengsch ist die Akte zu Döpfner (238 Seiten) wesentlich dünner, was jedoch mit der kurzen, viereinhalbjährigen Amtszeit Döpfners zusammenhängen mag.37 Die Akte beginnt chronologisch – nicht im heutigen Aufbau – mit einigen wenigen Schriftstücken aus den Bezirksverwaltungen Suhl und Gera, die Amtshandlungen Döpfners als Würzburger Bischof im thüringischen Teil seines Bistums zum Thema haben. Döpfners Antikommunismus38 und der Zulauf bei Firm- und Weihegottesdiensten werden hier hervorgehoben. Den zeitlichen Abschluss der AP–Akte bilden Dokumente, die das weiterhin bestehende Einreiseverbot für Kardinal Döpfner in seiner Zeit als Münchener Erzbischof betreffen. Darüber hinaus finden sich natürlich in weiteren Beständen des MfS Hinweise zur Person Döpfners und zu kirchenpolitischen Problemen während seiner Berliner Amtszeit, die hier jedoch nur am Rande behandelt werden. Dass man mit entsprechenden Funden rechnen kann, zeigt die IM–Akte des Berliner Priesters Maximilian Loboda (1909–1980), auf den unten zurückzukommen sein wird.39
3.
Beobachtungen der Stasi über Döpfners pastorale Tätigkeit als Bischof von Würzburg in den thüringischen Bistumsanteilen
Die ältesten Quellen in den Stasi–Akten über Döpfner stammen, wie erwähnt, aus seiner Zeit als Würzburger Bischof. Als solcher war er für die südthüringischen Anteile seiner Diözese – das Kommissariat Meiningen (bis 1973; mit den Dekanaten Meiningen und Saalfeld) – als Oberhirte zuständig und musste sie, vornehmlich im Kontext 36
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BStU, MfS, AP Nr. 22533/92. – Die Schriftstücke im vorderen Teil der Akte (S. 1-20; 1966– 1976) tragen wiederholt die handschriftliche Nummer „538“. Die Seiten 73-128 (1954–1958) tragen die handschriftliche Zählung 1-69. Die Seite 223 hat die handschriftliche Zählung „41“ (26.10.1953). – Spätestens 1959 wurde in der für die katholische Kirche zuständigen Hauptabteilung 5/4/II eine „Handakte Döpfner“ geführt; vgl. die Verteilerangabe der „Operativen Information Nr. 79/59“; Berlin, 13.7.1959: „Verteiler: 1. Ref II; 2. HA [= Handakte] Jentsch; 3. HA Spülbeck; 4. HA Döpfner; 5. Geldschleusung“; ebd., 217. Die hochinteressante „Information über ein Gespräch mit Kardinal Döpfner am 15. Juni 1960“ vom 27.06.1960 trägt den handschriftlichen Vermerk: „Ablage Döpfner“; ebd., 229. Etwa für Spülbeck: BStU, MfS, HA XX, AP 20180/92, 20181/92, 20200/92–20204/92 (die Quellenmenge hängt auch mit Abhörmaßnahmen im Dienstzimmer Spülbecks in Bautzen zusammen; vgl. Schäfer, Staat, 134). Ähnlich umfangreich wie bei Döpfner ist die Akte zum Apostolischen Administrator von Schwerin, Heinrich Theissing (1970/73–1987): BStU, MfS, AP 11657/92. Im Umfang noch geringer ist jene zum Görlitzer Apostolischen Administrator Bernhard Huhn (1972– 1994): BStU, MfS, AP 10280/92. In Döpfners Bibliothek befanden sich 101 Bücher unter der Bezeichnung „Kommunismus“. Hiervon stammen über 80 Prozent aus den Jahren vor 1960, also wohl im Wesentlichen vor den Berliner Jahren; Mokry, Stephan: Julius Döpfner und der Kommunismus. Einblicke in seine Nachlassbibliothek, in: JMKOG 11 (2015), 241-253, hier: 250. BStU, MfS, BV Potsdam Nr. 2687/80.
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von Weihen und Firmungen, aufsuchen (können). Die Firm- und Visitationsreise Döpfners vom 9. bis 18. September 1953 wird in einem Situationsbericht der Bezirksverwaltung Suhl kurz beschrieben und kommentiert. Es waren vor allem die Ansprachen und Gespräche mit Kindern und Jugendlichen, über die durch die Volkspolizei berichtet wurde und die Rückfrage bei der – aufgrund der Ereignisse des 17. Juni 1953 auf den Rang eines Staatssekretariats zurückgestuften – Staatssicherheit motivierten, ob „besondere Maßnahmen eingeleitet werden“ sollten. Laut Auskunft dieses kurzen Berichtes soll sich Döpfner in Wasungen folgendermaßen mit Kindern unterhalten haben: „Wo ist es besser, in der DDR oder in Westdeutschland? Worauf die Kinder auf diese suggestive Frage antworteten: In Westdeutschland!“. In seiner dortigen Predigt, ebenso wie in Hildburghausen, Meiningen und Sachsenbrunn habe der Bischof die Gläubigen zur Treue gegenüber der Kirche und zum Zusammenhalt „noch mehr als bisher“ aufgefordert. Diese Ermahnung steht im Kontext des seit Mai 1953 forcierten Auf- und Ausbaus der Jugendweihe.40 In Meiningen habe er die Jugend ermahnt, „sich nicht von den täglichen Verführungen beeinflussen [zu] lassen. Er [i.e. Döpfner] habe eine bestürzende Sorge um die Jugend. Sie bekomme in der DDR das Gift nicht nur eingetröpfelt, sondern eingespritzt. Wir bitten sie uns mitzuteilen, ob von ihrer Seite aufgrund der angeführten Beispiele besondere Maßnahmen eingeleitet werden sollen“.41 Anfang 1956 berichtete Unterleutnant Bohlig aus Suhl über eine Predigt, die Döpfner zum Jahreswechsel in der Würzburger Neumünsterkirche gehalten hatte und worüber er über die „Seelsorgsbeilage Nr. 1 vom 15.1.1956“ Kenntnis erlangte, die auch in die südthüringischen Pfarreien verschickt worden waren. Döpfner habe von einer „Zeit der Vernebelung in den Ländern des Kommunismus“ gesprochen. Angesichts der „Unsicherheit und Katastrophen der jüngsten Vergangenheit“ hätten die Menschen ein erhöhtes Ruhebedürfnis. Döpfners Ansprache wird folgendermaßen zusammengefasst: „Dieses [Ruhebedürfnis der Menschen] wird ausgenützt, um bestimmte Ziele zu erreichen. Mit welcher Raffiniertheit haben damit die Kommunisten im vergangenen Jahr gearbeitet. Man sprach lächelnd vom Frieden und friedlicher Koexistenz und bereitete hinter dieser Nebelwand die nächste Phase der Weltrevolution vor. Wo die Kirche einmal klare Entscheidungen fordert, wird sie allzu leicht als lästige Friedensstörerin hingestellt“. 40
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Zur Jugendweihe in der DDR vgl. Anhalt, Markus: Die Macht der Kirchen brechen. Die Mitwirkung der Staatssicherheit bei der Durchsetzung der Jugendweihe in der DDR, Göttingen 2016; Hartelt, Konrad: Die Teilnahme an der ‚Jugendweihe‘ – ein Delikt gegen den Glauben? Anmerkungen zu den Strafsanktionen der katholischen Ordinarien in der DDR, in: Karl-Theodor Geringer (Hg.), Communio in Ecclesiae Mysterio, St. Ottilien 2001, 175-197; Georg M. Diederich/Bernd Schäfer/Jörg Ohlemacher (Hg.): Jugendweihe in der DDR. Geschichte und politische Bedeutung aus christlicher Sicht, Schwerin 1998. – Zum sozialistischen Erziehungsmodell in der DDR vgl. Droit, Emmanuel: Vorwärts zum neuen Menschen? Die sozialistische Erziehung in der DDR (1949–1989), Köln 2014 (frz. Original Rennes 2009). „Auszug aus einem Situationsbericht der Bez[irks]Verw[altung] Suhl“, 26.10.1953; BStU, MfS, AP Nr. 22533/92, 223. – Zum Bischöflichen Kommissariat Meiningen vgl. Schwarz, Katrin: Seelsorgliche Strukturen im Bischöflichen Kommissariat Meinigen nach 1945, in: Würzburger Diözesangeschichtsblätter 73 (2011), 171-181; Wittstadt, Julius Kardinal Döpfner, 103-109.
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Weiter soll Döpfner gegen einen permanenten Radio- und Fernsehkonsum gesprochen und folgende „Gegenmaßnahmen“ eingefordert haben: Neben dem Ausbau von Pfarrbüchereien, die in direkte Konkurrenz zu (öffentlichen) „Leihbibliotheken“ gebracht wurden, sei eine „Entschlossenheit zur Tat“ wichtig, und die Gläubigen sollten sich mit dem Materialismus auseinandersetzen, wobei Döpfner „von einer christlichen Überwindung des Materialismus spricht. Er spricht von einem bolschewistischen [sic!] Kommunismus, daß dieser heute eindrittel der Menschheit und einviertel der Erdoberfläche beherrscht, Ziel aber ist, [sic!] die Beherrschung der ganzen Welt und es ist bekannt, dass das 1955 für den Kommunismus ein erfolgreiches Jahr war“.42 Dieser an sich relativ unbedeutende Bericht gewinnt dadurch an Bedeutung, weil er angesichts der Kardinalserhebung Döpfners in eine „Charakterisierung negativer Personen, die von uns operativ bearbeitet werden“, vom 12. Oktober 1959 einging, auf den ich im folgenden Abschnitt zurückkommen werde.43 Offensichtlich suchte man in der Stasi alle nur denkbaren Informationen zusammen, um sie bei Bedarf zu einer allgemeinen Einschätzung zu verdichten bzw. sie als Grundlage zur förmlichen Durchführung eines „Operativen Vorgangs“ zu machen. Unter diesem Aspekt sei auch auf einen gleichermaßen relativ unbedeutenden Vorgang verwiesen, nämlich auf die Beobachtung anlässlich einer Firmreise und einer Priesterweihe, die Döpfner im Mai 1956 durchführte. Ein telegrafischer Vermerk zu der „inoffiziell“ erhobenen Information, hielt fest, dass Döpfner erneut in Südthüringen unterwegs sei, um „die gleiche religioese handlung“ – gemeint ist die Firmung – durchzuführen.44 Im Anschluss sei Döpfner, ohne gültige Aufenthaltsgenehmigung, die jedoch die Kreisverwaltung im Nachhinein gab, nach Pößneck in den Bezirk Gera gefahren, um am 9. Mai eine Priesterweihe zu spenden. Diese wurde, so der Bericht der Kreisverwaltung, mit großer Bewunderung und Begeisterung aufgenommen: „Dies brachten selbst aussenstehende Personen, welche nicht der kath. Kirche angehören, zum Ausdruck“.45 Die nach der Erhebung zum Berliner Bischof verfassten Berichte und Einschätzungen über Döpfner konnten also auf Material aufbauen, das bereits zu dessen
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43 44 45
Unterleutnant Bohlig, „Information: Betr.: Kath. Kirche (Bistum Würzburg)“, Suhl, 3.1.1956; BStU, MfS, AP Nr. 22533/92, 80f. – Noch Mitte Dezember 1955 hatte Döpfner das Dekanat Meiningen besucht; vgl. die Auszüge aus Döpfners Situationsbericht bei Mokry, Kardinal Julius Döpfner, 165 Anm. 544. Der Kampf gegen die moderne Populärkultur ist typisch für bischöfliche Ermahnungen in den 1950er und 1960er Jahren. Vgl. hierzu auch Döpfners Silvesterpredigt 1949; Mokry, Stephan: Dreimal Diaspora? Kardinal Julius Döpfners Sicht auf seine bischöflichen Wirkungsstätten Würzburg, Berlin und München in den Jahren 1948–1976 anhand von Predigten und Hirtenbriefen, in: Wichmann–Jahrbuch N.F. 13 (2014/15), 220-233; hier: 225. Die Predigt ging auf ein Konzept von Oskar Neisinger (1919–1985), dem Medien-Berater Döpfners, zurück; Mokry, Kardinal Julius Döpfner, 173f. „Bericht. Betr.: Charakteristik negativer Personen, die von uns operativ bearbeitet werden“, Berlin, 12.10.1959; BStU, MfS, AP Nr. 22533/92, 173f. (Telegramm der Bezirksverwaltung Suhl?), 11.05.1956; BStU, MfS, AP Nr. 22533/92,73. Kreisverwaltung Pößneck, „Bericht über den Besuch des Bischof [sic!] von Würzburg“, Pössneck, 14.5.1956; BStU, MfS, AP Nr. 22533/92, 84f., hier: 85.
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Würzburger Bischofszeit zusammengetragen worden war. Auch in der Anfangszeit der Berliner Jahre spielten die Firmreisen eine Rolle.46
4.
Allgemeine Einschätzungen über Döpfner
Die ersten zusammenfassenden kirchenpolitischen Einschätzungen und charakterlichen Beschreibungen zu Döpfner liegen im Kontext seiner Ernennung zum Berliner Bischof im Januar 1957 vor. Von nun an bot es sich an, über jenen Bischof, den man bereits über die thüringischen Anteile seines bisherigen Bistums Würzburg kannte, systematisch zusammenzutragen, was man über ihn wusste.47 Der wohl Anfang Januar im MfS entstandene Bericht über Döpfners Werdegang von Erhard Gärtner, dem Leiter der Abteilung für die katholische Kirche in der HA V/4, diente vermutlich als Vorlage für eine erste Einschätzung der „Arbeitsgruppe Kirchenfragen beim ZK der SED“ vom 28. März 1957.48 Im Vordergrund dieses Berichtes steht zunächst Döpfners Tätigkeit für die „Vertriebenenseelsorge“, näherhin in der Ostpriesterhilfe. Ziel dieser Ostpriesterhilfe49 sei es, „die Menschen in den sozialistischen Ländern zur revisionistischen 46
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48
49
In der Stasi-Akte befindet sich ein Bericht über die vermutlich letzte Reise Döpfners in die DDR vor Bekanntgabe des Einreiseverbots. Es handelt sich um die Firmreise in den Bezirk Neustrelitz, die Döpfner vom 2. bis zum 7. Mai 1958 durchführte – Döpfner firmte also nicht nur im eigenen Diözesangebiet (Neustrelitz gehörte zum Bischöflichen Kommissariat Schwerin des Bistums Osnabrück; der zuständige Kommissar Bernhard Schräder [1900–1971] wurde erst 1959 Weihbischof). Leutnant Meyrich spricht in seinem Bericht von einem großen Zulauf, wobei auch „einige Genossen“ an den Firmfeierlichkeiten teilgenommen hätten. Neben Döpfners Kritik am staatlichen Erziehungswesen wird auch seine Aufforderung erwähnt, die Gläubigen sollten an ihrem Arbeitsplatz eine gute Arbeit leisten, „damit man keine Repressalien gegen sie in Anwendung bringen könne“. Im Ergebnis trifft Meyrich folgende Einschätzung: „Gesamteinschätzend ist zu sagen, daß die Kirche einen immer stärkeren Kampf bei der Verbreitung ihres Glaubens führt und mit allen Mitteln versucht, unsere Menschen für sich zu gewinnen“; Leutnant Meyrich, „Bericht. Betr. Kath. Bischof Döpfner, Berlin“, Neustrelitz, 16.05.1958; BStU, MfS, AP Nr. 22533/92, 114–117, hier: 116f. Der Bericht gibt einige Namen falsch wieder, etwa: „Töpfner“ statt „Döpfner“ oder „Kleinadam“ statt „Kleineidam“. Als eine der kleinen Informationsquellen sei aus einem Aktenvermerk Ende Januar 1957 zitiert: „Eine zuverlässige Quelle führte ein Gespräch mit dem Prokuristen der Firma […], wohnhaft Westberlin. [Er] brachte zum Ausdruck, daß der neue Bischof in Westberlin der Regirung der DDR noch manche harte Nuß zu knacken gebe. Im gleichen Sinne äußerte sich ein Pfarrer aus Erkner“; „Bericht Nr.: 11“, Berlin, 31.01.1957; BStU, MfS, AP Nr. 22533/92, 96. Hauptmann Gärtner, „Betr.: Bischof Dr. Döpfner, Julius“ (Abschrift), Januar 1957; BStU, MfS, AP Nr. 22533/92, 74-78; hieraus auch die folgenden Zitate. Vgl. die „Kirchenpolitische Information“ (4.3.1957) aus dem ZK der SED bei Höllen, Loyale Distanz? Bd. 2 , Nr. 306, 48. – Zur AG Kirchenfragen vgl. Goerner, Martin Georg: Die Arbeitsgruppe Kirchenfragen im ZK–Apparat der SED, in: Vollnhals (Hg.), Kirchenpolitik, 59-78. Zur Ostpriesterhilfe vgl. Bendel, Rainer: Hochschule und Priesterseminar Königstein. Ein Beitrag zur Vertriebenenseelsorge der katholischen Kirche, Köln 2014 (Forschungen und Quellen zur Kirchen- und Kulturgeschichte Ostdeutschlands 46), 623-569. – Tatsächlich war Döpfner zwischen 1953 und 1957 Beauftragter der Fuldaer Bischofskonferenz für die Heimatvertriebenen;
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Tätigkeit anzuhalten. Bei den Vorkommnissen in Ungarn spielte diese Organisation eine wichtige Rolle“. Die von ihm in dieser Funktion betreuten Geistlichen seien in den verschiedenen Landsmannschaften federführend und beeinflussten „die Menschen chauvinistisch“, sie führten „Hetzkampagnen durch in dem [sic!] sie Umsiedlerzeitungen und Hetzmaterial in die DDR und nach den Volksdemokratien schicken“. Wenn Döpfner Berliner Bischof werde50, demonstriere die katholische Kirche, „daß sie ihre revisionistische Tätigkeit weiter nach den Osten verlegt“. Döpfner stehe der Politik Adenauers „beschützend zur Seite“. Gärtner konkretisierte seine Beurteilungen an einigen Beispielen aus Ansprachen Döpfners – er erwähnt u. a. auch die Silvesterpredigt von 1955 – und mit Verweis auf die Tätigkeit für den Echter–Verlag, der Schriften herausbringe, „die sich gegen den Aufbau des Sozialismus in der DDR und das sozialistische Lager“ richteten. Zudem kommen die bereits erwähnten Firmreisen zur Sprache. Hier wird ersichtlich, dass man im MfS auch auf jedes verfügbare Material zurückgriff und zu dieser Einschätzung zusammenführte. So wird etwa ein Kontrollvorgang „Schlange“ erwähnt, bei dem u. a. der Pfarrer von Römhild, Ignatz Friedrich, observiert wurde, denn: „Friedrich wird wegen Hetze gegen die DDR, schmunkeln [sic!] an der Demarkationslinie und Verdacht der Spionage operativ von uns bearbeitet“. Auch von außen wurden Informationen über Döpfner an das MfS herangetragen: Ein nicht identifizierbarer Informant, „Busch“, der 1948 ein erstes Mal mit Döpfner in Niederaltaich zusammen gekommen sein will, verfasste noch vor der offiziellen Ernennung Döpfners zum Berliner Bischof (17.1.1957) zwei Berichte. Beide Berichte sind voller Rechtschreib- und gravierender Sachfehler. Von daher muss ihr Inhalt kritisch beurteilt werden. Ob es sich um Fälschungen oder reine Verleumdungen handelt, muss offen bleiben. Obgleich der Wahrheitsgehalt also anzuzweifeln ist: Beim bzw. im MfS sollte ein Bild entstehen, dass Döpfners Integrität massiv beschädigte. Im ersten „Bericht“ geht es v.a. um eine Maßregelung gegen einen Pfarrer in „Heroldsbach bei Würzburg“, den Döpfner nach dessen Predigt am vermeintlichen Marienerscheinungsort für über ein Jahr in eine „kirchliche Geistesgestörten Anstalt“ gebracht haben soll. „Busch“ schreibt von sich, er sei Mariavit und Altkatholik. Als solcher sei es ihm unverständlich, daß man einen Mann wie Döpfner als Bischof in die DDR sendet[,] nachdem er als einer der größten Gegner eines sozialistischen Staates gehalten werden dürfte“.51 Der
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51
vgl. ebd., 142-144. Ihm folgte nach dem Wechsel auf den Berliner Bischofsstuhl der neu ernannte Hildesheimer Bischof Heinrich Maria Janssen (1907–1988). Döpfners Vorgänger, Wilhelm Weskamm, war am 21. August 1956 in Berlin verstorben. Die Wahl Döpfners durch das Domkapitel fand am 26. November 1956 statt. Am 15. Dezember 1956 richtete das Domkapitel eine förmliche Konkordatsanfrage an die DDR–Regierung, ob gegen die Person des Gewählten Bedenken allgemein politischer Art bestünden. Ministerpräsident Grotewohl antwortete – nach einem zweiten Brief des Domkapitels (10.1.1957), in welchem auf das Verstreichen der vorgesehenen Fristen für eine (negative) Antwort der Regierung verwiesen wurde - am 14. Januar 1957 und brachte den Wunsch zum Ausdruck, „daß die Amtsausübung durch Herrn Bischof Dr. Julius Döpfner zu einer ersprießlichen Zusammenarbeit zwischen Staat und Kirche beitragen möge“; alle Quellen bei: Höllen, Loyale Distanz? Bd. 2 , 42. „gez. Busch“, „Betr.: Bischof Dr. Döpfner“, Berlin, 4.1.1956 [das Datum müsste korrekt lauten: 4.1.1957, da der Kölner Katholikentag vom 29.8. bis 2.9.1956 erwähnt wird, bei dem „Busch“ zum letzten Mal mit Döpfner gesprochen haben will]; BStU, MfS, AP Nr. 22533/92, 86f.
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zweite „Bericht“ beginnt damit, dass Döpfner im Juli 1952 „unsittliche Handlungen“ des Rektors des „Konfikt[es] in Neuen Dettelsau Nähe Würzburg [alles: sic!]“ gedeckt habe und gesagt haben soll, „daß selbst dann, wenn ein katholischer Geistlicher oder Student dererlei Dinge, Verfehlungen sehen und kennenlernen würde, er zu strengstem Stillschweigen verurteilt sei“. Der Brief bietet dann seitenweise Ausführungen über Personen und Zusammentreffen im Kontext der Ostpriesterhilfe.52 Es ist möglich, dass die Ausführungen Gärtners zur Ostpriesterhilfe (auch) durch diese Denunziationen von „Busch“ beeinflusst waren. Wenigstens in der charakterlichen Beschreibung53 liegen die Einschätzungen, die der GM (Geheime Mitarbeiter) „Hehn“ aus der Kreisdienststelle Köpenick im Januar 1958 anlässlich einer Feier bei Caritasdirektor Bernhard Machnik über Döpfner erfuhr und weitergab, näher am Temperament des Bischofs als die Ausführungen von „Busch“: Döpfner sei ein „ausgesprochener Verfechter des Expressionismus“ und befürworte „schräge“ Musik. Er trinke gerne Schnaps und Bier, „wobei er keine Grenzen kennt. […] Döpfner ist sehr jähzornig und selbstherrlich. So soll es schon passiert sein, daß er während eines Zeltlagers plötzlich den Bischofshut und den Bischofsring aufsetzt und verlangte, daß alle Teilnehmer des Zeltlagers den Bischofsring küssen und Verbeugungen machen. Wer sich dagegen sträubt[,] erlebt eine fürchterliche Szene, wobei er nicht vor Gewalttätigkeiten und anderen Maßnahmen zurück schreckt“. Da Döpfner „angeblich die Linie der DDR nicht kenn[e]“ und von daher große Fehler begehen müsse, sei Machnik „stark gegen Döpfner eingestellt“.54 Döpfner wird hier mit der ihm eigenen Modernität auf dem Gebiet der Künste korrekt gezeichnet. Auch wissen wir aus anderen Quellen, dass es Vorbehalte im ostdeutschen Klerus gegenüber einem Bischof aus der Bundesrepublik gab. Im Kontext der Kardinalserhebung (15. Dezember 1958) verfasste der Leiter der AG Kirchenfragen des ZK der SED, Willi Barth (1899–1977), am 21. November 1958 „Kirchenpolitische Informationen“ zu Döpfner, die sich in der AP–Akte befinden.55 Anhand von Reaktionen der westdeutschen Presse auf die Berufung ins Kardinalskollegium und anhand eines kritischen Überblicks über Döpfners bisherige Tätigkeit als Bischof von Berlin verweisen diese „Kirchenpolitischen Informationen“ auf „einige ausgesprochen politische Aspekte“ der Kardinalsernennung. Als Vorsitzender der Berliner Ordinarienkonferenz übe Döpfner einen „gegen die DDR gerichteten Einfluß auf die ihm unterstellten Bischöfe und Geistlichen aus. Unter anderem gab er scharfe Anweisungen an alle Pröpste, Dechanten, 52 53
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„gez. Busch“, „Betr.: Bischof Dr. Döpfner“, Berlin, 4.1.1957 [korrigiertes Datum; s. Anm. 49]; BStU, MfS, AP Nr. 22533/92, 88–94. Mokry spricht von einer Art „Döpfner-Paradoxon“: „Einerseits galt er als äußerst diszipliniert und kontrolliert […], andererseits war er zeitlebens auch wieder für seine impulsive Art und heftigen Wutausbrüche bekannt“; Mokry, Kardinal Julius Döpfner, 281. „Auszug aus einem Bericht des GM ‚Hehn‘ von der KD Köpenick“, 22.1.1958; BStU, MfS, AP Nr. 22533/92, 104. (Willi Barth), „Kirchenpolitische Informationen“ (Abschrift), (21.11.1958), BStU, MfS, AP Nr. 22533/92, 145–147. Hieraus die folgenden Zitate. Datierung und Autorenschaft wurden dem Teilabdruck bei Höllen, Loyale Distanz? Bd. 2 , Nr. 306a, 48 Anm. 116 entnommen.
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Geistliche und andere kirchliche Amtsträger, den Verkehr mit staatlichen Organen in der DDR zu unterlassen bzw. auf ein Minimum zu beschränken. […] Seine Hetzreden, die von ihm veranlaßten Memoranden an die Regierung der DDR, Artikel in katholischen Zeitungen, Hirtenbriefe und die Nichteinhaltung gesetzlicher Bestimmungen besonders während seiner Reisen in die DDR zur Firmung von Kindern führten dazu, daß dem Bischof ab Juni [sic!] 1958 die Einreise in die DDR verweigert wurde“. Die Memoranden an die Regierung der DDR und entsprechende Kanzelabkündigungen dienten als „Material für die Hetze gegen die Arbeiter-und-Bauern-Macht“. Barth führte ausdrücklich das Memorandum „Zur Situation des religiös-kirchlichen Lebens in der DDR“ (4. Dezember 1957)56, den Hirtenbrief vom 14./15. April 195857 und das am 17. bzw. 20. Oktober 1958 bei Ministerpräsident Otto Grotewohl (1894–1964) eingegangene Memorandum vom 8. Oktober mit einem begleitenden kurzen Hirtenwort vom 19. Oktober an.58 Kritisch kommentierte Barth die Präsenz der Landsmannschaften und das Auftreten des Hildesheimer Bischofs Heinrich Maria Janssen (1907– 1988) auf dem 78. Katholikentag in Berlin (13. bis 17. August 1958), der „unter dem Protektorat von Döpfner“ gestanden habe. Er beendete seine Ausführungen mit einem aktuellen Bezug: „Gleichzeitig muß darauf hingewiesen werden, daß gerade auch Bischof Döpfner die vor Weihnachten wegen Spionage–Tätigkeit und Anwerbung erfolgte Verurteilung von einigen Jesuiten–Patres in Frankfurt a. Oder zu einem Faktor des psychologischen Krieges gegen unsere Republik macht. Das ist umso verantwortungsloser, als einflußreiche Persönlichkeiten der katholischen Kirche in Berlin der Parteileitung gegenüber zum Ausdruck gebracht haben, daß die Kirche von der Schuld der Priester überzeugt sei“.59 Einen Tag zuvor, am 20. November 1958, hatte man im MfS anlässlich der Bekanntgabe der anstehenden Kardinalsernennung ein Dokument mit den zehn wichtigsten Schreiben, Hirtenbriefe und Anweisungen und mit Auszügen aus sieben Predigten Döpfners, sowie mit einer „Einschätzung Döpfner“ angelegt, das möglicherweise für Willi Barth verfasst worden war.60 Es gibt den Wissensstand der staatlichen Stellen zum öffentlichen Auftreten des Berliner Bischofs wieder. Im Oktober 1959 wollte man im „Referat für die Katholische Kirche“ des MfS (damals noch: HA V/4/II) den wahren Grund für Döpfners Kardinalerhebung erkannt haben. In einer „Charakteristik negativer Personen, die von uns operativ bearbeitet werden“, heißt es nach der Darstellung seines Lebenslaufs über Döpfner:
56 57 58 59
60
Höllen, Loyale Distanz? Bd. 2 , Nr. 333, 78-81. Lange, Pruss, Schrader, Seifert (Hg.), Katholische Kirche, 121-125. Schulte–Umberg, Akten, Nr. 173f., 428-433. – Die Datierung des Hirtenwortes ist in den „Kirchenpolitischen Informationen“ fälschlich mit „19. November 1958“ angegeben. Vgl. zum Biesdorfer Jesuiten–Prozess: Brodkorb, Clemens: Der Biesdorfer Jesuitenprozess 1958, in: JMKOG 7 (2011), 125-170. – Das Landgericht Frankfurt/Oder hat am 30. Januar 2013 den Prozess für rechtsstaatswidrig erklärt und die vier verurteilten Jesuiten – drei davon posthum – rehabilitiert. „Tätigkeit des Bischofs Döpfner in der Deutschen Demokratischen Republik“, Berlin, 20.11.1968; BStU, MfS, AP Nr. 22533/92, 126–128. – Die dort erwähnten Anlagen liegen allerdings nicht in der AP–Akte.
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„Döpfner’s Ernennung zum Kardinal erfolgte mit dem Ziel, ihm die gesamte ostkirchliche Arbeit zu übertragen. 1959 wurde er zum Mitglied des Kollegiums der Kongregation für die Ostkirche im Vatikan ernannt. Ihm obliegt die Aufgabe, die Verbindung zu den kath. Kirchen in den Volksdemokratien aufrechtzuerhalten. Döpfner ist Vorsitzender der Ordinarien (Bischöfe u. bischöfl. Kommissare in der DDR)[.] In dieser Funktion ist er maßgeblich beteiligt an der feindlichen Tätigkeit der kath. Kirche gegen die DDR und betreibt eine intensive ideologische Diversion gegen das sozialistische Lager. Döpfner wird durch die HA V/4 operativ bearbeitet“.61 Diesem „Bericht“ ging ein handschriftlicher Entwurf („Personalbogen“) voraus, in dem jedoch die zitierte abschließende Wertung fehlt. Stattdessen listet dieser „Personalbogen“ im weiteren Verlauf „Beispiele der antikommunistischen Einstellung Döpfners“ auf, wobei man auf das bereits 1957 Formulierte zurückgriff. Als zeitlich letztes Beispiel wird die „Anweisung“ vom 26. November 195762 erwähnt – also der sogenannte „Döpfner–Erlass“ –, die die Regelungen im Umgang mit staatlichen Stellen vom 1. Mai 1957 erneut einschärfte.63 Anfang 1966 stellte das MfS sein Wissen über Döpfner in einer knappen, chronologisch geordneten Übersicht erneut zusammen.64 Vom gleichen Jahr stammen noch eine „Information“ über die dreiwöchige USA–Reise im Oktober und eine kleine Sammlung von drei Presseartikeln (1961, 1963 und 1966), die belegen soll, dass Döpfner „bei jeder Gelegenheit gegen die DDR“ hetze.65 Trotz des Wissens um diese grundsätzliche Gegnerschaft wurde die „Akte Döpfner“ nach 1961 nur ganz sporadisch weitergeführt. Als Münchner Erzbischof begegnet Döpfner in den Akten des MfS v. a. in allgemeinen Lageberichten bzw. dann, wenn Döpfner in Fragen, die für die DDR eine Rolle spielten (etwa Kontakte nach Osteuropa; Verselbständigung der Jurisdiktionsbezirke), tätig geworden war. Über seine Versetzung 61 62 63
64
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„Bericht. Betr.: Charakteristik negativer Personen, die von uns operativ bearbeitet werden”, Berlin, 12.10.1959; BStU, MfS, AP Nr. 22533/92, 173f. Schulte–Umberg, Akten, Nr. 87, 204f. (26.11.1957); Nr. 22, 83. – Die AP-Akte datiert fälschlicherweise auf „27.11.57“. „Personalbogen. Döpfner, Julius, Dr. der Theologie“, o.O. o.D. (handschriftlich); BStU, MfS, AP Nr. 22533/92, 209-211. Im Unterschied zum „Personalbogen“ sind in der „Charakteristik negativer Personen“ einige Ortsnamen falsch geschrieben. „Auskunftsbericht über Julius Kardinal Döpfner, Erzbischof von München–Freising“, Berlin, 09.01.1966; BStU, MfS, AP Nr. 22533/92, 13-20. – Der Bericht legt den Fokus auf politische Aspekte, in denen der Antikommunismus Döpfners zum Ausdruck kommt. Lediglich an einer Stelle (nach der Erwähnung der Inthronisationspredigt in München 1961) folgt eine kommentierende Interpretation: „In der Zukunft benutzte D. jede sich bietende Gelegenheit, den Katholiken in der DDR ‚Mut zuzusprechen‘ und die DDR anzugreifen“ (ebd., 16). „Information“, Berlin, 20.10.1966; MfS, AP Nr. 22533/92, 62 (USA–Reise). – Dokumentiert wird ein Zitat zum Verhältnis zwischen Deutschen und Polen und ein Zitat zur Situation der katholischen Kirche in der DDR. Döpfner soll sich folgendermaßen geäußert haben: „… es gäbe zwar keine Kirchenverfolgung, aber auch keine Religionsfreiheit, sondern nur ‚Kultfreiheit‘. Doch sei bei den kommunistischen Machthabern in der Zone und in Osteuropa eine taktische Nachgiebigkeit den Kirchen gegenüber zu verzeichnen, ohne grundsätzliche Änderung der Haltung“. – Das letzte Zitat begegnet auch in einer Zusammenstellung der drei Pressetexte; ebd., 12 (Zitate aus der FAZ 20.03.1961; Die Welt 02.10.1961; kna 02.01.1963, Pressekonferenz anlässlich der USA–Reise).
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nach München wurde zeitnah durch die Bezirksverwaltung Groß–Berlin am 6. Juli 1961 „aus zuverlässiger Quelle“ aus einer Unterhaltung von Ordinariatsmitgliedern informiert. Auch die Reaktion der Ordinariatsangehörigen wurde festgehalten: „Über diese Maßnahme herrscht unter den Angestellten des Ordinariats große Aufregung. Über die Neubesetzung des Bischofstuhls in Berlin ist bisher nichts verlautet. Es wird jedoch nicht mit einem Einsatz des bisherigen Weihbischofs Bengsch gerechnet. Ein Einsatz von Spülbeck aus Meißen, ruft unter den Angestellten einen bestimmten Mißmut hervor“.66 Die dortige Aufregung war unnötig – denn bei der Nachfolgespekulation hatte man sich offensichtlich verrechnet. Am 16. August 1961 wurde Alfred Bengsch zum Berliner Bischof ernannt.
5.
Die Berichte der Inoffiziellen Mitarbeiter des MfS über Döpfner
Im Bistum Berlin waren während Döpfners Amtsjahre mindestens drei Priester für das MfS tätig: GI „Willi“ (i.e. Werner Jahr), GM „Paul“ und GM Mayerbeer (i.e. Maximilian Loboda).67 Vier Berichte von Werner Jahr (1903–1978), der als GI (= Geheimer Informator) „Willi“68 geführt wurde, sind zwischen Januar 1958 und Juni 1959 in der AP–Akte zu Döpfner überliefert. Werner Jahr kann wohl zu jenen (relativ wenigen) Pfarrern gezählt werden, die aus Überzeugung mit der Staatssicherheit kooperierten. Von ihm liegt eine schriftliche Einverständniserklärung vor, was für Priester außergewöhnlich ist. Seine Tätigkeit als IM währte über zwei Jahrzehnte, wobei er vor sich selber sein Tun damit rechtfertigte, dass er als Pfarrer einer kleinen Pfarrei doch eigentlich nicht viel zu berichten habe. Dennoch erzählte er nach Auskunft seiner IM–Akte recht ausführlich auch über die Schwächen einiger seiner Mitbrüder.69 Bezogen auf Döpfner äußerte er sich im Januar 1958 dahingehend, dass dieser unter den Pfarrern 66 67
68
69
„Information“, Berlin 06.07.1961; BStU, MfS, AP Nr. 22533/92, 212. Vgl. zu zwei Informanten: Schäfer, Staat, 138. Hier über Informationsweitergabe zur Pfarrerkonferenz am 03.03.1960 in Prenzlau und zur Pastoralkonferenz in Westberlin am 24.11.1960. – Zu den bis 1998 bekannt gewordenen 40 Priestern aus dem Bistum Berlin, die als Inoffizielle Mitarbeiter registriert waren, vgl. Grande, Dieter/Schäfer, Bernd: Kirche im Visier. SED, Staatssicherheit und katholische Kirche in der DDR, Leipzig 1998, 42-60. Einen neueren statistischen Überblick bietet Buss, Priester; 84-113. Werner Jahr, *18.07.1903, 1935 Priesterweihe, Kaplan Brandenburg (Havel), 1936 Kreisvikar und Landjahrseelsorger Stargard, 1936 Kreisvikar Stralsund, 1938 Kaplan Bernau, 1938 Kaplan Demmin, 1939 Kurator Pollnow, 1946 Administrator Schwedt, 1947 Titl. Pfarrer Schwedt, September 1949 bisJanuar 1962 Pfarrer Schwedt, † 23.10.1978; Schematismusfür dasBistum Berlin 1977 (Berlin 1977), 165 und dass. 1980 (Berlin 1980), 188. – In BStU, MfS, AP Nr. 22533/92 liegen vier Berichte vor: 10.01.1958 (ebd., 105f.; in der vorliegenden Akte beginnt der Treffbericht im letzten Drittel von S. 4 [Hinweis am Ende des Blattes auf die folgende „S. „ –5–“]; S. 13 fehlen), 18.10.1958 (ebd., 118-123), 14.05.1959 (ebd., 151-157) und 16.06.1959 (ebd., 169; lediglich erstes Blatt des Treffens vom 11.06.1959). Jahr hatte seit 1958 freiwillig Kontakte zum MfS unterhalten; Schäfer, Staat, 138 Anm. 86f. Vgl. Buss, Priester, 82, 108, 120, 162f.
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„nicht besonders beliebt“ sei. Er poche auf seine Autorität als „Exzellenz“, sei bei seinen Besuchen gegenüber Pfarrern unterkühlt und würde „sehr diktatorisch verfahren“. Allerdings sei der Umgangston bei Weskamm „noch schlechter gewesen“. Jahr erklärte gegenüber dem Mitarbeiter des MfS, „Döpfner würde der DDR in der Zukunft noch viel Ärger bereiten. Auf die Frage warum, erwiderte er, Döpfner sei Süddeutscher und war im Bistum Würzburg als ein Mensch bekannt, der gegen alles marxistische [sic!] aufgetreten sei. Er wäre der jüngste Bischof Deutschlands und wäre nicht umsonst nach Berlin versetzt worden. Ausserdem hätte er ja auch Perspektive und Aussicht Kardinal zu werden, und dessen müsse man sich ja würdig erweisen. Döpfner würde viele neue Dinge einführen und für diesen neuen Kurs sei er [i.e. Jahr] nicht zu haben. Man konnte seinen Darlegungen entnehmen, dass er auf Döpfner nicht gut zu sprechen ist“.70 Dass Döpfner im Vergleich zu seinem Vorgänger insgesamt etwas weniger autoritär wahrgenommen wurde, teilte auch die Potsdamer Bezirksverwaltung des MfS im Oktober 1957 nach Berlin mit: „Über den neuen Bischof wurde ferner bekannt, dass dieser kein Diktator sei, wie der alte Bischof. Er würde den Pfarrern eigenen Spielraum lassen“.71 Beim Treffen im Oktober 1958 berichtete Werner Jahr über eine Besprechung mit den Erzpriestern des Bistums in West-Berlin (8. bis 9. Oktober 1958), bei der Döpfner über die Verschärfung der Lage nach dem V. Parteitag der SED geklagt72, vor der Einführung einer neuen, atheistischen Moral gewarnt und die Eskalation um die Jugendweihe beklagt habe. Die von Döpfner in Aussicht gestellte etwas moderatere Haltung der Bischöfe im Umgang von Jugendlichen, die an der Jugendweihe teilgenommen haben (3–monatiger Ausschluss von den Sakramenten), – hierzu werde es in Kürze eine neue Anweisung geben – kommentierte Jahr folgendermaßen: „Der GI erklärte, dass die [i.e. die mündliche Anweisung Döpfners] sehr harmlos formuliert sein wird, pflaumenweich – wie immer[,] was von der kath. Kirche kommt – und die Ausführungsbestimmungen dazu würden mündlich gegeben, um nach aussen hin durch die schriftliche Anweisung nicht irgendwie sich zu kompromittieren“. Döpfners Perspektive sei es, sich „auf die Gewinnung und Heranbildung einer Elite [zu] konzentrieren“, wobei er auf den „Magdeburger Ring“ (um Hugo Aufderbeck73) 70
71
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„Bericht des GI ‚Willi’ v. 10.1.1958“; BStU, MfS, AP Nr. 22533/92, 105f. – Zur Diskussion, warum Döpfner in den Kardinalsrang erhoben wurde vgl. Mokry, Kardinal Julius Döpfner, 204f. Mokry macht plausibel, dass die Ernennung dem antikommunistischen Kurs Döpfners geschuldet war und bereits von Pius XII. in Aussicht genommen worden war. Unterleutnant Drabner, MfS Bezirksverwaltung Potsdam, an MfS Abteilung Information Berlin, 18.10.1957; BStU, MfS, AP Nr. 22533/92, 107f., hier: 108. – In diesem Schreiben wird zudem ein angespanntes Verhältnis zum evangelischen Bischof von Berlin–Brandenburg, Otto Dibelius, festgestellt. Der Bericht wurde im Anschluss an einen Treffbericht zwischen dem MfS (Unterleutnant Käske) und Maximilian Loboda (GI [sic!] „Mayerbeer“), von dem die Informationen stammen, verfasst; „Bericht“ (GI „Mayerbeer“), Potsdam, 10.10.1957; BStU, MfS, BV Potsdam Nr. 2687/80 Teil 2, 43-46. Die verschärfte Lage wurde auf der Berliner Ordinarienkonferenz am 07./08.10.1958 analysiert und führte zu einer Beschwerde bei Ministerpräsident Grotewohl (8.10.1958), vgl. Anm. 57. Hugo Aufderbeck, *23.03.1909 in Hellefeld, Gymnasium in Arnsberg und Paderborn, Theologiestudium in Paderborn, Wien und München, 28.03.1936 Priesterweihe, Religionslehrer Gelsenkirchen, 1937/38 Studium in Münster, 1938 Vikar und Studentenseelsorger Halle, 1948 Seelsorge-
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und das „Neuzeller Gebetsapostolat“ verwiesen habe. Unter den Pfarrern, so Jahrs Informationen über die Dekanatskonferenz am 15. Oktober 1958 in Eberswalde weiter, sei angesichts der religiösen Perspektivlosigkeit „eine allgemeine Hoffnungslosigkeit festzustellen“. Aufgrund des Einreiseverbots für seine Person und der Erkrankung von Weihbischof Paul Tkotsch (1895–1963) trüge sich der Bischof mit dem Gedanken, den Pfarrer von Demmin, Heinrich Wessels (1906–1994)74, der „als Gegner der DDR und als Scharfmacher gegen den atheistischen Staat bekannt“ sei, zum neuen Weihbischof „zu benennen“. Am Schluss erlaubte sich Jahr einen taktischen Ratschlag: „Der GI schlägt vor, dass es taktisch vielleicht ratsam wäre[,] für eine gewisse Zeit Bischof Döpfner die Einreiseerlaubnis wieder zu geben, denn dadurch würde die Notwendigkeit der Benennung eines neuen Weihbischofs wegfallen, bzw. die Benennung eines neuen Weihbischofs herausgeschoben. Auf Grund der Einschätzungen, die Bischof Döpfner über eine angebliche Verschärfung des Kirchenkampfes in der DDR gegeben habe, wäre es nicht unklug, wie der GI meinte, eine gewisse Erleichterung zu schaffen und damit gegenüber den Geistlichen die Prognose Döpfners zu entkräften“.75 Ein gutes halbes Jahr später berichtete Werner Jahr über die grundsätzlichen Erwägungen zum Staat-Kirche-Verhältnis, die Döpfner auf einer Priesterkonferenz am 13. Mai 1959 im St.-Hedwigskrankenhaus in Ostberlin für die Geistlichen der Dekanate Pasewalk und Eberswalde gegeben habe. Sie zeigen einen abwägenden Oberhirten, der selbst den sozialistischen Staat nicht prinzipiell ablehnte und für Christen eine Mitarbeit in diesem für möglich ansah, sofern sie nicht grundsätzlich dessen Positionen unterstützten. Döpfners Ausführungen werden wie folgt zusammengefasst: „Die Kath. Kirche sei nie gegen den Staat gewesen und auch nicht gegen den sozialistischen Staat. Aber was versteht der Staat unter Gewissensfreiheit? Und was wir als Kirche? Die Kirche fordert alle 3 Punkte [i.e. Glaubensfreiheit, Religionsfreiheit, Kultfreiheit]. Die Verfassung der DDR würde das garantieren, wenn sie nicht anders ausgelegt werden würde. Der Kirche wurde jede Möglichkeit nach einem modernem [sic!] Denken genommen. Das Verhältnis zur Kirche müßte in einer eigenen Verfassung geregelt werden. […] Zum Abschluß dieser Ausführungen erklärte Kardinal Döpfner, daß die sozialistische Moral unmöglich sei und nach den Ansichten der Kirche nicht
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amtsleiter Magdeburg, 1962 Fuldaer Weihbischof mit Sitz in Erfurt, 1964 Generalvikar für die thüringischen Diözesananteile des Bistums Fulda, 1973 Apostolischer Administrator, † 17.01.1981; Brodkorb, Clemens: Aufderbeck, Hugo (1909–1981), in: Gatz (Hg.), Bischöfe,176-180. – Zu Aufderbecks pastoraltheologischem Programm vgl. Brodkorb, Clemens: Bruder und Gefährte in der Bedrängnis, Hugo Aufderbeck als Seelsorgeamtsleiter in Magdeburg. Zur pastoralen Grundlegung einer „Kirche in der SBZ/DDR“ (Veröffentlichungen zur Geschichte der Mitteldeutschen Kirchenprovinz 18). Paderborn 2002. Heinrich Wessels, *27.02.1906 Gelsenkirchen, 1939 Priesterweihe, Kaplan Demmin, 1951 Administrator Demmin, 1952 Pfarrer Demmin, Geistlicher Rat 1959, 1960 nichtresidierender Domherr, 1963 Erzpriester Stralsund, 1969–1972 Dekan Stralsund, 1986 Ruhestand, † 09.05.1994; Schematismus für das Bistum Berlin 1993 (Berlin 1993) und dass. 1995 (Berlin 1995), 342. „Treffbericht“ (GI „Willi“, 17.10.1958), Berlin, 18.10.1958; BStU, MfS, AP Nr. 22533/92, 118123. – Die „zunehmende Müdigkeit des Klerus“ hielt 1959/60 auch ein Stimmungsbericht eines Geistlichen fest, der sich im Nachlass von Domkapitular Adolph befand; Höllen, Loyale Distanz? Bd. 2 , Nr. 410, 189.
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vertretbar wäre. Im Zusammenhang mit diesen Darlegungen ging er darauf ein, daß die Kirche nur die Freiheit bekäme am Sozialismus mitzuarbeiten, niemals Kritik üben dürfe oder ein eigenen [sic!] kirchliches Leben fordern dürfe. Döpfner habe dann Gruppen von Christen beschrieben, die im sozialistischen Staat eigene Strategien des Überlebens entwickelt hätten: (1) Solche, die „zwar äußerlich am gesellschaftlichen Leben mitmachen“, innerlich aber den Staat nicht anerkennen bzw. ihn „sogar verachten“. Diese leisteten „noch einen geringen Widerstand“. (2) Christen, die unter den gegebenen Verhältnissen litten und die Gesetze als verbindlich anerkennen, „denen sie sich unterwerfen müssten“. Diese entwickelten kein „selbständiges Denken“. (3) Eine Minderheit schließlich anerkenne alles, „was der Staat durchführt, da ja auch Friede und Fortschritt sein soll“. Diese Kategorie sei unbedingt abzulehnen. „Da der Christ im sozialistischen Staat großen Schaden an der Seele nehmen könne, darf man sich im einzelnen nicht unterwerfen[,] solange es geht. Das System ist verächtlich und es besteht eine große Gefahr der Korporation [sic!] z.B. wenn Christen in führenden Stellungen des Staates arbeiten. Dort dürfe kein Christ sein. Es gibt gewisse Grenzen und man kann nicht alles mitmachen. Der Christ könne solange in führender Stellung bleiben, solange er es vom christlichen Standpunkt aus vernünftig macht. Man soll daher eine Mitarbeit von Christen nicht grundsätzlich ablehnen, denn wenn er es nicht macht, dann macht es ein anderer. Unterstützt aber ein Christ in Positionen des Staates den Staat grundsätzlich, dann handelt er unchristlich und das sei zu verurteilen“. Die nachfolgenden Ausführungen bezogen sich dann auf die seelsorglichen Perspektiven Döpfners. Gott gegenüber sei man zum Gehorsam verpflichtet, „bedingt“ müsse man auch dem Staat gegenüber gehorsam sein, „soweit es mit dem christlichen Glauben vertretbar ist“. Die Christen seien zur Anerkennung „aller Warenautorität [sic; gemeint ist: „wahren Autorität“], Gott, Priester, Eltern“ verpflichtet. Doch habe auch der Staat seine „positiven Seiten […], so z.B. sein Eintreten für den Frieden und allgemein menschliche Gesetze, die zur Besserung der sozialen Lage der Menschen beitragen. Das soll man in Zukunft stärker betonen als bisher“. Döpfner kritisierte dann, dass der Sozialismus „wie eine neue Religion mit eigenen Rithen [sic!]“ sei. „Daher sei es notwendig, daß im kirchlichen Sektor die religiösen Kulthandlungen sehr eindrucksvoll gestaltet werden, um einen Einbruch der atheistischen Propaganda in die Kirche zu verhindern“. Nach Ausführungen über die Männerseelsorge fand eine Aussprache statt. In dieser seien „negierende Tendenzen gegenüber dem sozialistischen Staat“ formuliert worden. Schließlich gab Döpfner bekannt, dass der neue Weihbischof (Alfred Bengsch) vom Vatikan bestätigt worden sei. Da Bengsch als Priester bislang in der DDR tätig gewesen sei, konnte Döpfner darauf verweisen, dass „niemand den Vorwurf erheben“ könne, „daß es sich um einen westlichen Bischof handeln würde“. Die abreisenden Priester warnte er davor, bei möglichen Verhören auf der Rückreise etwas über die Konferenz zu sagen: „Auf keinen Fall solle man etwas über diese Tagung erzählen. Es passiert euch nichts, nur darüber sprechen dürft ihr nicht“.76 Etwa zeitgleich arbeitete
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„Treffbericht“ (GI „Willi“ o.D.), Berlin, 14.05.1959; BStU, MfS, AP Nr. 22533/92, 151-157. – Im Hintergrund standen die Auseinandersetzung um die Rede Grotewohls vom 23.03.1959 (Auszug in: Höllen, Loyale Distanz? Bd. 2 2, Nr. 389, 158f.) und das zwischen der evangelischen
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Döpfner an seinem Votum für das Zweite Vatikanische Konzil. In diesem entwickelte er seine Vorstellungen auch von der konkreten Diasporasituation in Berlin her. Zwei Vorstellungen, die auch in den Stasi-Akten als Anschauungen Döpfners referiert werden, sind hier ebenfalls benannt: zum einen die Notwendigkeit „apostolische Eliten“ zu bilden, „die um des Glaubens willen große Nachteile auf sich zu nehmen bereit“ sind; zum anderen eine „würdige Feier des Gottesvolkes mit optimaler participatio actuosa“ zu vollziehen, auch als Gegenentwurf zu „pseudoreligiösen Feiern“.77 Werner Jahr hielt sich nicht an die Mahnung zur Diskretion gegenüber den staatlichen Stellen, sondern berichtete bereits einen Tag nach der Priesterkonferenz bei einem knapp dreistündigen Gespräch in aller Ausführlichkeit über diese Priesterkonferenz, wobei er auch einen schriftlichen Bericht abgab. Der Vertrauensverrat ist in diesem Fall gravierend, denn über Werner Jahr konnte das MfS recht differenzierte Äußerungen Döpfners über das Staat–Kirche–Verhältnis erfahren, die nicht nur dessen Konfrontationspolitik, sondern auch seine Analysen über die Verhaltensstrategien der Gläubigen und über den dem Staat geschuldeten Gehorsam dokumentierten. Die von Döpfner vorgenommenen Differenzierungen waren komplexer als jene Aussagen, die zwei Tage später, am Pfingstsonntag 1959, als gemeinsame Predigt der Bischöfe und Bischöflichen Kommissare in der DDR zum Staat–Kirche–Verhältnis verlesen wurden. Döpfner hielt diese Predigt in St. Georg, Berlin–Pankow, wie das MfS durch einen Katholiken, Georg Kusin, umgehend erfuhr.78 Ende November äußerte sich Döpfner erneut zum Themenkomplex auf einer vom MfS so bezeichneten „Jahresversammlung der kath. Geistlichen des Bistums Berlin“. Er beschrieb die staatlichen Repressalien und weltanschaulichen Divergenzen, schärfte erneut die Bestimmungen zu den Gesprächen mit staatlichen Vertretern ein und kommentierte scharf das Kommuniqué und erwähnte kritisch Zeitpunkt und Darstellungsweise der Obrigkeitsbroschüre von Otto Dibelius (1880–1867). Dann ging Döpfner ein weiteres Mal auf die von Röm 13 her entwickelte Staatslehre der Kirche ein, der zufolge „jeder Staat von Gott geschaffen sei, auch der ‚entartete‘ Staat“. Da dieser Staat jedoch seine Befugnisse überschreite, müsse der Christ „dieser Bedrängnis“ widerstehen. Die Arbeit im sozialistischen Staat sei eine „schwere Last und Buße“ und nicht als „Lebenssinn“ zu betrachten. „Die Aufgabe des Christen besteht darin, in seiner Verantwortung vor der Kirche und vor den anderen
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Kirche und der Regierung der DDR abgeschlossene „Kommuniqué“ vom 21.07.1958 (vgl. Besier, Gerhard: Der SED-Staat und die Kirche. Der Weg in die Anpassung, München 1993, 279f.). Vgl. Votum Döpfners zum ökumenischen Konzil, (Berlin, vor 6. November 1959); Treffler, Guido: Julius Kardinal Döpfner. Konzilstagebücher, Briefe und Notizen zum Zweiten Vatikanischen Konzil, Regensburg 2006 (Schriften des Archivs des Erzbistums München und Freising 9), Nr. 11, 73-81, hier: 77, 81. Kusin, Georg: „Betr. Pontifikalamt mit Predigt Sr. Eminenz Julius Döpfners, Bischof von Berlin“, Berlin, 18.05.1959; BStU, MfS, AP Nr. 22533/92, 158f. Über die Resonanz schreibt Kusin: „Der Ort zur Abgabe dieser grundsätzlichen Erklärung der katholischen Geistlichkeit war natürlich mit Pankow ganz gut gewählt, eine direkte Resonanz war bei den anwesenden Gläubigen leider nicht zu verspüren. Vielleicht mußten sie erst wieder zu sich kommen von dieser Pracht der übermodernen Pontifikalgewänder unseres hochverehrten Herrn Kardinals“. – Edition der Predigt: Predigt der Bischöfe und Bischöflichen Kommissare in der DDR, (vor 17. Mai 1959); Schulte–Umberg, Akten, Nr. 230, 560-564.
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Menschen, daß er hier bleibt und nicht republikflüchtig wird“. Daher sollten die Priester bei Republikflucht nicht helfen. Im „Hineingleiten in die sozialistische Ideologie“ bestehe die eigentliche Gefahr für Christen in der jetzigen Zeit. „Darum besteht die Aufgabe in der Verbreiterung des Widerstandes durch alle, Laien, Priester, Ordensgeistliche, und sollte der Kampf noch so hart werden“. Der Widerstandsgeist müsse in jedem einzelnen geweckt werden. „Nicht im politischen Sinne, sondern vom religiösen Glauben her ist der Widerstand zu wecken“.79 Der letzte Bericht Jahrs in der AP–Akte betraf u. a. Döpfners Romreise vom 29. Mai bis 4. Juni 1959, bei der der Berliner Oberhirte nicht nur ausführlich den religionspolitischen Kurs der DDR–Regierung kritisch erläuterte, sondern auch Vorschläge für strukturelle Veränderungen machte, sollte der kirchenpolitische Kurs weiter verschärft werden. Konkret überlegte Döpfner, ob er den Bischofssitz in den Ostteil der Stadt verlegen solle, um dadurch freien Zutritt zu den Katholiken in der DDR zu haben und die Amtsgeschäfte als Vorsitzender der Berliner Ordinarienkonferenz sinnvoll erledigen zu können. Zudem regte er an, „für die Zukunft die Ernennung von Apostolischen Administratoren ins Auge zu fassen […], um die ordentliche Verwaltung der bisherigen Diözesan–Anteile in der DDR zu sichern. Freilich bin ich der Meinung, daß eine solche Maßnahme so lange als möglich hinausgeschoben werden sollte“.80 Im Hintergrund dieser Überlegungen, die in dieser kirchenrechtlichen Form erst 1973 umgesetzt wurden, stand die Tatsache, dass die Regierung der DDR seit Mai 1958 die Einreise jener Diözesanbischöfe erschwerte bzw. verunmöglichte, deren Diözese sich über die innerdeutsche Grenze hinweg erstreckte. Werner Jahr berichtete bei seinem konspirativen Treffen mit dem MfS – Führungsoffizier war Oberleutnant Schulz – am Tag der Konsekration von Alfred Bengsch (11. Juni 1959), dass dieser in Ostberlin residieren werde „und besonders in der Seelsorge im Bistum Berlin DDR Anteil wirken wird“. Diese Information hatte Jahr bei einem Gespräch mit dem Leiter des Seelsorgereferats, Hans Gerhard Müller (1910–1995), erhalten. Über Döpfners Romreise wusste Müller nichts Substanzielles zu berichten bzw. er wahrte hierüber Diskretion. Von daher waren es Mutmaßungen, wenn Jahr ausführte, Döpfner würde in Rom „Besprechungen über das weitere Vorgehen gegen die DDR“ führen und sich seinen bisherigen Kurs genehmigen lassen.
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„Information Nr. 197/59“, Berlin, 27.11.1959; BStU, MfS, AP Nr. 22533/92, 175-181. – Die Obrigkeitsbroschüre von Otto Dibelius (Obrigkeit? Eine Frage an den 60jährigen Landesbischof, Berlin 1959) hatte schon zeitgenössisch zu heftigen Reaktionen geführt. Sie veranlasste Dibelius 1963 zu einer Neufassung (Otto DIBELIUS, Obrigkeit, Stuttgart 1963). Vgl. hierzu: Aide-mémoire Döpfners zur kirchenpolitischen Lage in der Deutschen Demokratischen Republik, (Berlin,) 26.05.1959; Schulte-Umberg, Akten, Nr. 234, 569-576, hier: 574. – Ende April hatte Döpfner in Bad Godesberg den Apostolischen Nuntius, Alois Muench (1889– 1962), über entsprechende Überlegungen informiert; Aufzeichnungen Döpfners, Berlin, 30.04.1959; ebd., Nr. 223, 548-550. Die abwartende Antwort von Kardinalstaatssekretär Domenico Tardini, was die Verlegung des Bischofssitzes angeht, vom 28.06.1959 ist ediert in: ebd., Nr. 237, 579f. – Bereits im Oktober 1957 soll Döpfner bedauert haben, den Bischofssitz nicht in Ostberlin zu haben; Unterleutnant Drabner, MfS Bezirksverwaltung Potsdam, an MfS Abteilung Information Berlin, Potsdam, 18.10.1957; BStU, MfS, AP Nr. 22533/92, 107.
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aus dem Jahr 1960 vor, in denen er – im Unterschied zu Werner Jahr – recht ausführlich Personenauskünfte gab.84 Einige Beispiele: Ende Januar 1960 berichtete GM „Paul“ über das Priestertreffen mit Döpfner am 13. Januar. Beim nachmittäglichen Kaffee kam die Sprache auf einen Kaplan, der von Döpfner versetzt worden sei, da er zu viel „poussiert“ habe. Neben anderem Tratsch mutmaßte „Paul“ dann über einen möglichen Suizid eines Mitbruders, der seit einigen Monaten aus seiner Pfarrei verschwunden sei. Allerdings stimmte auch diese Mutmaßung nicht, da der fragliche Pfarrer bis lange nach 1989 lebte. Und auch dies erfuhr „Paul“ von Döpfner selbst: Der Bischof habe „die Nase voll“, müsse „mal ausspannen“ und werde daher 14 Tage in Skiurlaub fahren.85 Bei den beiden folgenden Treffen dieses Jahres berichtete „Paul“ u. a. über Auseinandersetzungen zwischen Döpfner und dem Pfarrer von Kaulsdorf wegen der Versetzung eines Kaplans. Auch erfuhr das MfS, dass der Pfarrer von Hohenschönhausen „‚böse und verschnuppt‘ [sei], weil man ihm den Kaplan [i.e. Paul Dissemond] als Kuratus in die Pfarrei gesetzt“ habe. Für „Paul“ ist nachweisbar, dass er Dokumente dem MfS aushändigte, etwa den Hirtenbrief an die Gemeinden im Ostteil des Bistums, denen die Teilnahme am Eucharistischen Weltkongress in München verwehrt war86 – „Paul“ hatte durch den Fahrer von Weihbischof Bengsch über den Hirtenbrief erfahren –, oder die „Pastoralanweisung“ im Gefolge des Hirtenbriefs „Der Christ in atheistischer Umwelt“ von 1960.87
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BStU, MfS, AP Nr. 22533/92, 187 (03.03.1960), 188f. (27.01.1960), 190 (12.7.1960). „Treffbericht“ (GM „Paul“, 26.01.1960), Berlin, 27.01.1960; BStU, MfS, AP Nr. 22533/92, 188f. Julius Kardinal Döpfner, Hirtenbrief zum Eucharistischen Weltkongreß, 17.07.1960; Lange/ Pruss, Nahtstelle, 385f. – Zum Eucharistischen Weltkongress liegt in der AP-Akte eine undatierte „Information zum Eucharistischen Weltkongreß (EWK)“. Die Informationen stammten von einem „noch nicht überprüften Gewährsmann“. Als abschließende „Einschätzung“ hielt man bei der Staatssicherheit fest: „Jedoch muß an Hand der Erfahrungen über frühere Eucharistische Weltkongresse, z.B. dem in Budapest im Jahre 1938, die Schlußfolgerung gezogen werden, daß in erster Linie mit dem Kongreß eine große antikommunistische Demonstration im internationalen Ausmaß erfolgt wird [sic]“; BStU, MfS, AP Nr. 22533/92, 215. „Treffbericht“ (GM „Paul”, 01.03.1960), Berlin, 03.03.1960 und „Treffbericht“ (GM „Paul”, 12.07.1960), Berlin, 12.07.1960; BStU, MfS, AP Nr. 22533/92, 187, 190. – Möglicherweise handelt es sich auch um den Fastenhirtenbrief Döpfners vom 27.02.1960; Lange/Pruss, Nahtstelle, Nr. 162, 366-371. Allerdings folgte diesem keine Pastoralanweisung. Eine solche liegt für den Hirtenbrief vom 20.02.1960 („Der Christ in atheistischer Umwelt“) vor; Schulte–Umberg, Akten, Nr. 271f., 698-715. Die Unklarheit ergibt sich aus der Beschreibung von GM „Paul“, deren Datierung keinen Sinn macht: „Die Anweisung ist eine Fortsetzung des Hirtenbrief [sic!] vom 21.2.60. (Siehe Anlage)“; BStU, MfS, AP Nr. 22533/92, 187. – Ein mit heftigen Angriffen gespickter Brief als Reaktion auf „Der Christ in atheistischer Umwelt“ wurde vermutlich vom MfS abgefangen – so würde sich die Überlieferungssituation (Original in der AP–Akte) erklären: „Orakulus“ an Julius Kardinal Döpfner, Berlin 22.02.1960; BStU, MfS, AP Nr. 22533/92, 183-186. Es heißt hier etwa über das Zitat aus Mt 16,26 im Hirtenbrief: „Ihr verdammten Pharisäer, wenn Ihr dieses kostbare Gotteswort doch zunächst einmal zum Prüfstein Eures eigenen Verhaltens in Theorie und Praxis machen wolltet! […] obzwar das göttliche Strafgericht zur Vernichtung der Staaten ‚dieser Welt‘, mit der Ihr verruchten Ehebrecher Euch aufs engste versippt und solidarisiert habt, schon 1914 begonnen hat und jetzt der dritten Runde zueilt!“.
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Lediglich ein Bericht vom März 1958 liegt von Maximilian Loboda, der als GM „Mayerbeer“ geführt wurde, in der AP–Akte zu Döpfner.88 Dass er wesentlich länger und intensiver mit dem MfS zusammenarbeitete und bei den Treffberichten zwischen 1957 und 1961 immer wieder auch auf Döpfner zu sprechen kam, findet also keinen direkten Niederschlag in diesem Überlieferungszweig. Das Treffen vom 26. März 1958 ist in beiden Aktenüberlieferungen dokumentiert, wobei beide Ausfertigungen identische handschriftliche Korrekturen im Text vornehmen. Teile der Pfarrerschaft, so Loboda, seien gegenüber Döpfner, der sich in der Person des unbeliebten Domkapitulars Walter Adolph und auch Otto Spülbecks falsch beraten lasse, kritisch eingestellt gewesen. Adolphs Situationsberichte entsprächen nicht den Tatsachen, da er die DDR nicht (ausreichend) kenne. „Aus diesem Grund“, so die Bewertung Lobodas, „wird auch die Beratung des Bischof [sic!] negativ angesehen“. Über den bevorstehenden Katholikentag in Berlin wusste Loboda nichts zu berichten, da „noch keine weiteren Anweisungen herausgegeben“ worden seien. Im weiteren Verlauf des Gespräches berichtete Loboda auf Nachfrage über die „Landsmannschaft der Brandenburger“, also von Pfarrern des Bistums Berlin, die in Breslau studiert hatten. Er nutzte dann das Treffen, um eigene Anliegen zugunsten von Mitbürgern seines Kreises und eines Mitbruders anzubringen. Von seinem Führungsoffizier, Unterleutnant Wagener, erhielt er u.a. den Auftrag, „die Restskizze vom Ordinariat zu fertigen“.89 Tatsächlich befindet sich eine Skizze des Ordinariats in der IM–Akte Lobodas.90 In dieser Akte sind auch die Treffberichte des GI „Mayerbeer“ überliefert. Nach dem Tod Weskamms berichtete Loboda dem MfS, dass neben Spülbeck auch Döpfner als zukünftiger Bischof in Frage kommen könnte. In den Berichten vom Oktober und November 1956 blieb die Bischofswahl Thema der Treffberichte. Hinzu kamen aber auch Interna über Konflikte der Mitbrüder.91 Diese wurden auch weiterhin thematisiert. Während des Maitreffens 1957 äußerte Loboda die Vermutung, dass Döpfner bald Kardinal werden könne und erläuterte hierbei auf Nachfrage seinem Gesprächspartner, Unterleutnant Käske,
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Maximilian Loboda, *22.07.1909 Hohenberg Krs. Wirsitz, 1935 Priesterweihe, Kaplan Berlin St. Marien, 1935 Kaplan Swinemünde, 1938 Kaplan Brandenburg, 1940 Kaplan Eberswalde, 1941 Kaplan Bergen, 1942 Administrator Bergen, 1942 Kaplan Frankfurt/Oder, 1947 Titularpfarrer und Administrator Kyritz, 1948 Kurator Kyritz, † 29.12.1980; Schematismusfür dasBistum Berlin 1980 (Berlin 1980), 146 und dass. 1981 (Berlin 1981), 187. „Treffbericht“ (GM „Mayerbeer“, 26.03.1958), Potsdam, 27.03.1958; BStU, MfS, AP Nr. 22533/92, 110–112 bzw. BStU, MfS, BV Potsdam Nr. 2687/80 Teil 2, 51–53. BStU, MfS, BV Potsdam Nr. 2687/80 Teil 2, 36f. – Beim Treffen vom 15. Mai 1957 wurden Lobodas diesbezügliche Bedenken ausgeräumt: „Der GI hatte Gelegenheit, eine Skizze vom Erdgeschoss und vom 1. Stock des Ordinariats West zu fertigen. Er befragte uns, ehe er uns die Zeichnung übergab, ob ihm das nicht als Spionage ausgelegt werden kann. Diese Gedanken wurden bei ihm zerstreut. Es wurde ihm erklärt, was wir unter Spionage verstehen. Ohne Bedenken gab er uns die Zeichnung. Die Skizze über den 2. Stock bekommen wir noch“; „Bericht“ (GI Mayerbeer“, 15.05.1957), Potsdam, 16.05.1957; BStU, MfS, BV Potsdam Nr. 2687/80 Teil 2, 32– 35, hier: 32. „Bericht“ (GI „Mayerbeer“, o.D.), Potsdam, 13.09.1956; BStU, MfS, BV Potsdam Nr. 2687/80 Teil 2, 11f., hier: 11; „Bericht“ (GI „Mayerbeer“, o.D.), Potsdam, 05.10.1956; ebd., 16–18; „Bericht“ (GI „Mayerbeer“, 07.11.1956), Potsdam, 08.11.1956; ebd., 13–15.
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Aufgaben und Funktion des Kardinalsamtes.92 GI „Mayerbeer“ zeigt sich in all seinen Berichten als äußerst gesprächsbereit. Er erfüllte, soweit es ihm möglich war, auch die Aufträge, die ihm von seinem Führungsoffizier angetragen wurden – dies betraf auch Informationen über Mitbrüder, über die politische Stimmung und über die wirtschaftliche Lage. Dies wird auch in der formalen Gestaltung der „Treffberichte“ sichtbar. Als Beispiel sei das Treffen am 3. Dezember 1958 erwähnt, bei dem der Treffbericht, ebenso wie bei nachfolgenden Treffberichten, die Auftragserfüllung in Form der Durchnummerierung der Gesprächsthemen (hier: 1.–4.) dokumentiert. Diese beständigen Kontrollen der Erfüllung der Aufträge und vor allem, dass diese Aufträge überhaupt durchgeführt wurden, ist für die Tätigkeit von Klerikern als Inoffizielle Mitarbeiter in diesem Maße außergewöhnlich. Loboda kommt bei seinen Treffen auch immer wieder ausführlich auf Döpfner zu sprechen. Dieser habe seinen Klerus auf „dunkle Punkte“ hin angefragt, die derzeit verstärkt von staatlichen Stellen gesucht würden, um Druck auf einzelne Kleriker aufzubauen. Man könne sich stets vertrauensvoll in allen Themen der eigenen Biographie an ihn als Bischof wenden. Weiter wurde das MfS informiert, dass Döpfner einen zweiten Weihbischof für die Ostteile des Bistums vom Papst erbitten wolle. Doch sei man unsicher, ob Johannes XXIII. dies genehmige, „weil das eine Spaltung des Bistums in Ost und West bedeuten würde“. Mit sämtlichen von Loboda durchgespielten Kandidaten für diesen Posten lag der Informant jedoch falsch. Im Klerus würde die Erhebung Döpfners zum Kardinal so verstanden, dass der Papst die Bedeutung des Berliner Bistums hervorheben wolle. Otto Spülbeck, der gehofft habe, Kardinal zu werden, sei hingegen „besonders enttäuscht“.93 Es herrschte denn auch nach Mitteilung „Mayerbeers“ Überraschung im Ordinariat über die Ernennung von Alfred Bengsch. Loboda berichtete auch über Spannungen innerhalb des Berliner Ordinariats: „Der Generalvikar ist amtsmüde geworden […] Im Ordinariat ist die Situation eingetreten, dass die jungen Bischöfe sich junge Mitarbeiter suchen. Man kann nicht von direkten Differenzen zwischen den alten und den jungen Pfarrern sprechen, aber bestimmte Spannungen sind vorhanden“.94 Auch wenn diese Informationen harmlos erscheinen – für die Stasi waren genau solche Hinweise der Ausgangspunkt, um weitere „Differenzierungsmaßnahmen“ durchzuführen. Immer wieder berichtete Loboda auch über die Ordensgemeinschaften oder etwa über die Schönstatt–Bewegung. 92 93
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„Bericht“ (GI „Mayerbeer“, 15.05.1957), Potsdam, 16.05.1957; BStU, MfS, BV Potsdam Nr. 2687/80 Teil 2, 32–35, hier: 30. „Treffbericht“ (GM „Mayerbeer“, 03.12.1958), Potsdam, 05.12.1958; BStU, MfS, BV Potsdam Nr. 2687/80 Teil 2, 63-65, hier: 64. – Beim Treffen im Februar 1959 äußerte sich Loboda dahingehend, „daß keine neuen Weihbischöfe eingesetzt werden. Seine Meinung hierzu ist, und andeutungsweise wurde ihm das auch gesagt, daß man damit rechnet, daß der Bischof wieder die Genehmigung erhält, in der DDR die Firmung durchzuführen“; „Bericht“ (GM „Mayerbeer“, 18.02.1059), Potsdam, 20.02.1959; ebd., 70-72, hier: 71. Doch hier lagen Loboda und seine Gesprächspartner im Ordinariat falsch. Im Mai 1959 erhielt das Bistum mit Alfred Bengsch einen zweiten Weihbischof. „Treffbericht“ (GM „Mayerbeer“, 13.05.1959), Potsdam, 20.05.1959; BStU, MfS, BV Potsdam Nr. 2687/80 Teil 2, 75-78, hier: 76.
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Der GI „Oberhaus“ (Rudolf König) war ehrenamtlich in der KSG und in der Männerarbeit in Leipzig engagiert.95 Von ihm liegen in der AP-Akte Döpfners zwei Berichte vor. Im ersten Bericht vom Juni 1959 berichtete König über einen Kinobesuch in Westberlin, wo der Film „Berliner Predigt“ gezeigt worden war. Döpfner habe hier über die Not und Bedrängnis der Katholiken in der DDR, v. a. in Bezug auf die Jugendweihe, gesprochen. „Dann wurden verwahrloste Kirchen und Kirchenruinen aus der DDR mit entsprechenden Kommentaren gezeigt. Der GI konnte erkennen, daß die Szenen, die in der DDR handelten, von einer Schmalfilmkamera gedreht wurden, weil der Film deutlich Merkmale einer Kopie von einem Schmalfilm aufwies“.96 Bei einem weiteren Treffen im November 1959 übergab GI „Oberhaus“ einen Bericht über das Treffen katholischer Männer am 5. November 1959 in Berlin, das an dessen Todestag dem Gedenken an Bernhard Lichtenberg (1875–1943) gewidmet war. Döpfner habe auf diesem Männertreffen Folgendes gesagt: „Darum freut es die Kirche, daß eine Entspannung der tiefen Klüfte, die aufgerissen wurden, sich anbahnt. Die Kirche kann aber nicht an die Ehrlichkeit und reinen Absichten glauben, solange die Staatsgewalten die Menschenwürde antasten. Die Machthaber der DDR setzen schon lange Jahre, vor allem aber seit zwei Jahren, die Gläubigen unter Druck. Sie machen immer wieder Schwierigkeiten beim Bau von Kirchen. Sie setzen die Gläubigen in Gewissensnot durch die Jugendweihe und atheistische Erziehung in den Schulen. Die Kirche wird mit einer Wucht von Broschieren [sic!] in Millionenauflage beschimpft und diffamiert ohne die Möglichkeit einer publizistischen Verteidigung zu haben. In anderem Zusammenhang sprach der Kardinal von unserer Propaganda über die westdeutsche–klerikal–militaristische Diktatur, was eine bewußte Lüge wäre“.97 Auch GI „Eduard“, das Kolpingmitglied Wilhelm Göring, der über 30 Jahre für das MfS tätig war98, berichtete über die Männerandacht, bei der Döpfner „in einer bisher nicht bekannten Art gegen die DDR“ gesprochen habe. Auch heute würden, wie zu Lichtenbergs Zeiten – er starb auf dem Weg in das KZ Dachau –, Gläubige verfolgt, „nur weil sie standhaft zur Kirche und zu ihrem Gott ständen“. Daher habe Döpfner die 95 96
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Schäfer, Staat, 211. Unterleutnant Bartosch, „Betr.: Auszug aus dem Treffbericht mit GI ‚Oberhaus‘ vom 6.6.59“, Berlin, 16.06.1959; BStU, MfS, AP Nr. 22533/92, 168. – Der Film „Berliner Predigt“ ist ein dokumentarischer Kurzfilm (12 min) der IFM-Filmproduktion, Frankfurt/Main; Regie: Otto Erich Kress (1926–2015) und Dieter Schiller; vgl. www.filmportal.de (Zugriff: 20.07.2018). Er lief auch während der 8. Mannheimer Kultur- und Dokumentarfilmwoche (25.–30.05.1959); www.iffmh.de/portfolio/geschichte-1959 (Zugriff: 20.07.2018). „Treffbericht“ (GI „Oberhaus“, 06.11.1969), Berlin, 06.11.1959; BStU, MfS, AP Nr. 22533/92, 170. – Döpfners Predigt ist gedruckt bei: Lange/ Pruss, Nahtstelle, Nr. 159, 349–352. In der Predigt spricht Döpfner die im Treffbericht zusammengefassten Themen an, wobei es keine bedeutenden sprachlichen bzw. begrifflichen Unterschiede gibt. Lediglich „westdeutsche“ wurde in Königs Fassung bzw. in der Wiedergabe durch Unterleutnant Bartosch hinzugefügt. In der Predigt heißt es: „Ihr hört oft das Wort vom Politischen Katholizismus, von klerikal–militaristischer Diktatur. Das sind bewußte Verleumdungen […]“; ebd., 351. Schäfer, Staat, 136 Anm. 77. – Göring war mit zwei weiteren Inoffiziellen Mitarbeitern in das „Katholische Sozialsekretariat e.V.“ in Westberlin eingeschleust worden.
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Jörg Seiler
katholischen Männer aufgerufen, „in den schweren Zeiten noch fester zusammenzuhalten als bisher, sich nicht beeinflussen zu lassen, von welcher Seite es auch kommen mag“. GI „Eduard“ beschrieb auch die Reaktionen der versammelten Männer: „Beim Auszug des Kardinals aus der Kirche wurde er mit Ovationen empfangen, wie Hurra-Rufen und Rufen: [„]Lang lebe unser Kardinal“. Die Rede Kardinal Döpfners wurde von einem grossen Teil der Männer mit Erstaunen aufgenommen, da er es wagte, in solch harten Worten die Regierung der DDR anzugreifen und das wird von den Männern als eine Aufmunterung zur Standhaftigkeit im Glauben aufgefaßt“. Über den Verlauf des Treffens vermerkte der zuständige Führungsoffizier, Leutnant Stephan: „Der GI brachte zum Ausdruck, daß er jetzt immer mehr erkenne, daß von seiten des höheren Klerus eine systematische Hetze gegen die DDR betrieben wird und es notwendig ist, die hinterhältige Politik der Kirche zu entlarven“.99 Ein weiterer Bericht Görings fasste die Predigt Döpfners in St. Joseph/Westberlin vor den Maikundgebungen des Jahres 1960 zusammen, die unter das Motto „Freiheit“ gestellt war. „Er [Döpfner] führte an, dass das Bistum Berlin in Ost und West geteilt sei und nur im kl. Teil des Bistums (Westberlin) eine Freiheit für die Gläubigen und alle anderen Menschen sei. Im östlichen Teil des Bistums werde der Glaube und die Freiheit durch die Atheistische [sic!] Weltanschauung unterdrückt und Gläubige, die Verbindung nach Westberlin unterhalten, um sich dort neue Kraft im Glauben holen wollen, werden verfolgt“. Die Gläubigen sollten sich nicht an den Maikundgebungen beteiligen. Weiter habe Döpfner gesagt: „Die sozialen Bedürfnisse der Arbeiter im Westen seien voll und ganz befriedigt, alles[,] was sie brauchen[,] haben sie im Überfluss, ob Radio, Fernsehen, Kühlschrank, Auto usw., was sich die Arbeiter in anderen Ländern nicht leisten könnten. Das höchste Gut, was die Arbeiter im Westen noch besitzen, sei ihre persönliche Freiheit und diese hätten sie zu verteidigen, denn in den östlichen Ländern, wo der Atheismus herrscht, seien die Menschen nicht mehr frei“.100
99 100
„Treffbericht” (GI „Eduard”, 06.11.1959), Berlin, 07.11.1959; BStU, MfS, AP Nr. 22533/92, 171f. „Bericht“ (GI „Eduard“, [30.04.1960]), Berlin, 30.04.1960; BStU, MfS, AP Nr. 22533/92, 194. – Die Predigt ist gedruckt bei: Lange/ Pruss, Nahtstelle, Nr. 164, 377-381. Allerdings lassen sich in diesem Falle nicht ohne weiteres die Zitate des Treffberichts mit der gedruckten Fassung der Predigt sprachlich in Einklang bringen. Allerdings könnten die Abweichungen der Tatsache geschuldet sein, dass Döpfner vom Manuskript in freier Rede abgewichen ist. – Über diese Predigt wurde auch durch GI „Vöglein“ berichtet, der bislang nicht identifiziert werden konnte. Der Berliner Bischof wird in dessen knappem Bericht „Töpfner“ genannt; Aktennotiz Leutnant Bronder, „GI ‚Vöglein‘ berichtet von der Predigt des Kardinals Döpfner am 30.4.1960, 19.30 Uhr in St. Joseph, Müllerstr. Wedding“, Berlin 05.05.1060; BStU, MfS, AP Nr. 22533/92, 196. In dieser Betreffzeile wurde das ursprüngliche „Töpfner“ handschriftlich in „Döpfner“ geändert.
Der Berliner Bischof Julius Döpfner im Visier der Staatssicherheit
6.
81
Bewertung
Inhaltlich ist die AP–Akte zu Döpfner relativ mager. Das MfS legte hier Informationen ab, die ihm zufällig durch eine relativ geringe Zahl an Informanten zugetragen wurde, oder die es zu öffentlichen Auftritten Döpfners (Predigten, Ansprachen) ermitteln konnte. Über Eingaben bei der Regierung erfahren wir an dieser Stelle nahezu nichts. Das bedeutet nicht, dass keine weiteren Quellen in den Aktenbeständen des MfS zu Döpfner vorhanden wären. Hier stehen noch weitere Forschungen aus. Möglicherweise war in dieser Professionalisierungsphase der kirchenpolitischen Arbeit des MfS während der Berliner Amtszeit Döpfners die Verzahnung zu Staats- und Parteiorganen erst rudimentär ausgeprägt. Offensichtlich besaß das MfS keinen direkten Zugang in das unmittelbare Umfeld von Döpfner hinein, über das es regelmäßig zu Interna aus dem Ordinariat oder der Berliner Ordinarienkonferenz hätte unterrichtet werden können. In Ausnahmefällen liegen entsprechende Berichte vor. Dies wirft ein neues Licht auf die Tätigkeit von Johannes Zinke (1903–1968), der unter Döpfner mit Gesprächskontakten zum MfS offiziell, wenn auch vertraulich, beauftragt worden war.101 Ihn konnte das MfS nahezu nicht zu internen Diskussionsprozessen im Berliner Ordinariat anzapfen. Denn sonst wären vermutlich entsprechende Dokumente in die AP-Akte von Döpfner hinein gelangt. Dies sollte unter Bengsch und Otto Groß anders werden. Maßgeblich für diese nicht funktionierende Differenzierungspolitik und das relative Informationsdefizit des MfS war, dass Döpfner in Westberlin lebte und als Bischof dort residierte. Mit ihrer Einreiseverweigerung für Döpfner beraubte sich das SED–Regime auch der Möglichkeit, auf diesen widerspenstigen Kritiker der weltanschaulichen Grundlagen der DDR Einfluss zu nehmen. In der strategischen Beurteilung Döpfners gab es keine Entwicklung. Von daher vermochte das MfS auch nicht, die aus pastoraler (Für-)Sorge erwachsenen und der katholischen Staatslehre verhafteten positiven Äußerungen Döpfners zur Existenz auch eines atheistischen Staates in seinem operativen Geschäft für eigene Zwecke zu funktionalisieren, obgleich es darüber Kenntnis erlangte. Bedrückend ist, dass im Berliner Klerus tatsächlich Priester zu einer sehr weitgehenden Zusammenarbeit mit dem MfS bereit waren. Innerkirchlich werden in der AP–Akte Erschöpfungserscheinungen im Klerus um das Jahr 1960er herum sichtbar. Dies müsste – vor allem unter Berücksichtigung einer Sozialgeschichte des Klerus und der Frage nach einem Generationenwechsel – weiter untersucht werden. Weder Weskamm noch Döpfner waren für den Klerus einfache Oberhirten. Auch von hier aus ist die pastoraltheologisch fundierte und gesuchte Neuaufstellung unter der „Ära Bengsch“ zu verstehen.
101
Vgl. Grande/ Schäfer, Interne Richtlinien, 395-398.
Andrzej Kopiczko
DIE SITUATION DER UKRAINER IN ERMLAND UND MASUREN NACH IHRER UMSIEDLUNG IN DIESES GEBIET IM JAHRE 1947
Nach dem Zweiten Weltkrieg fand auf dem Gebiet des ehemaligen Ostpreußens ein nahezu vollständiger Bevölkerungsaustausch statt. Anstelle der hier ansässigen Ermländer und Masuren siedelten sich Polen aus Zentralpolen und aus den östlichen Grenzländern an. In konfessioneller Hinsicht wurde die in Masuren vor 1945 dominierende evangelische Gemeinschaft durch Katholiken und in nur einem geringen Prozentsatz durch orthodoxe Gläubige ersetzt. Die Situation änderte sich, als in der ersten Hälfte des Jahres 1947 die Aktion „Weichsel”, die zum Ziel hatte, die ukrainische Bevölkerung aus Südostpolen in die West- und Nordgebiete Polens umzusiedeln, startete. Dies hatte zur Folge, dass die Ukrainer und Lemken zu einer völlig neuen Bevölkerungsund Glaubensgruppe wurden. Sie begannen auch unter den nationalen und ethnischen Minderheiten zu dominieren und diese Situation hält bis heute an. Welches waren die Hintergründe dieser Aussiedlung? In vielen bisherigen Publikationen wurde dargestellt, dass sie eine Reaktion auf die Partisanenaktionen ukrainischer Gruppierungen wie etwa der Ukrainischen Aufständischen Armee war. In Wirklichkeit ging es um einen bewussten Versuch der kommunistischen Regierung in Polen mit der Unterstützung der Sowjetunion – die Ukrainer durch Umsiedlung und Verteilung in der polnischen Bevölkerung aufgehen zu lassen, sodass sie keine zusammenlebende und zusammenhaltende Gruppe blieben letztlich also um die Zerstörung der ukrainischen Kultur und Identität der in Polen nach dem Zweiten Weltkrieg gebliebenen ukrainischen Bevölkerung.
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Andrzej Kopiczko
Im Rahmen der Aktion „Weichsel” wurden 55 448 Menschen1 nach Ermland und Masuren umgesiedelt. Der erste Transport kam in Olsztyn am 4. Mai 19472 an, also eine Woche nach dem Beginn der Operation. Anfangs kamen je zwei Transporte täglich mit etwas mehr als 700 Menschen an, aber dann stieg ihre Zahl bis auf fünf Transporte mit mehr als 2700 Personen täglich. Auf den Monat Mai fielen 60 Transporte mit 22 551 Ukrainern, die 38,6% aller Umsiedler ausmachten. Im Juni und Juli gab es in der Regel je 3 Transporte pro Tag, wobei aber im ersten dieser Monate in 50 Transporten insgesamt 18 044 Personen (30,9% aller Umsiedler) und im Juli in 55 Transporten 17 772 Personen (30,5%) ankamen. Der letzte Zug mit ukrainischer Bevölkerung im Rahmen der Aktion „Weichsel” kam am 27. Juli 19473 an. In der Tat war jedoch die Aufnahmefähigkeit von Siedlern in der Woiwodschaft Olsztyn bereits am 15. Juni 1947 ausgeschöpft worden. Nur noch geringe Reserven 1
2
3
In Bezug auf die Zahlen gibt es Abweichungen. Die Gesamtzahl der in das Gebiet der Woiwodschaft Olsztyn umgesiedelten Menschen wird auf 55 448 bis 58 367 geschätzt. Der Unterschied ergibt sich aus dem Mangel an präzisen Archivüberlieferungen sowie aus dem Chaos, das in den ersten Wochen der Umsiedlung herrschte. Nach Ankunft des Transports R/311 in Olsztyn im Mai 1947 stellte sich beispielsweise heraus, dass in den Dokumenten 297 Personen erfasst waren, während bei der Kontrolle 543 Menschen gezählt wurden, wobei jeder eine Umsiedlungskarte hatte. Darüber hinaus werden von einigen Forschern auch diejenigen berücksichtigt, die nach dem Abschluss der Aktion „Weichsel” angesiedelt wurden. – Lukaszewicz, Bohdan: Życiorysy. Ukraińcy z operacji „Wisła” represjonowani na Warmii i Mazurach w latach 1947–1956. Materiały biograficzne [Lebensläufe. Ukrainer aus der Operation „Weichsel”, die in Ermland und Masuren in Jahren 1947–1956 unterdrückt wurden. Biographische Materialien], Olsztyn 2009, 14-15; Polska i Ukraina w latach trzydziestych–czterdziestych XX wieku. Nieznane dokumenty z archiwów służb specjalnych [Polen und Ukraine in den 1930. und 1940. Jahren. Unbekannte Dokumente aus den Archiven der Geheimdienste], Bd. 5: Akcja „Wisła“ [Aktion „Weichsel”], Warszawa-Kijów 2006. Sakson, Andrzej: Od Kłajpedy do Olsztyna. Współcześni mieszkańcy byłych Prus Wschodnich: Kraj Kłajpedzki, Obwód Kaliningradzki, Warmia i Mazury [Von Memel bis Allenstein. Die heutigen Bewohner des ehemaligen Ostpreußens: Memelland, Kaliningrader Gebiet, Ermland und Masuren], Poznań 2011, 250 – gibt vermutlich nach Drozd, Roman (Zasady rozmieszczenia ludności ukraińskiej na Ziemiach Odzyskanych w ramach akcji „Wisła” [Richtlinien zur Verteilung der ukrainischen Bevölkerung in den wiedergewonnenen Gebieten im Rahmen der Aktion „Weichsel”]), Słupskie Studia Historyczne, 1993, 111, Nr. 3) an, dass die ersten Transporte von Aussiedlern bereits am 3. Mai in Olsztyn ankamen. Łukaszewicz, Życiorysy, 14. Im Schreiben des Olsztyner Woiwoden an das Ministerium für wiedergewonnene Gebiete vom 25. September 1947 taucht das Datum 24. Juli auf. – KorzeniewskaLasota, Anna: Ukraińcy na Warmii i Mazurach w latach 1947–1970 [Ukrainer in Ermland und Masuren in den Jahren 1947–1970], Olsztyn 2007, 53-54. Im Verzeichnis der Transporte und ukrainischen Familien, die von 2. Mai bis 24. August 1947 umgesiedelt wurden, ist vermerkt worden, dass in der Woiwodschaft Olsztyn 13 621 Familien, d.h. 55 518 Menschen ukrainischer Nationalität verteilt wurden. Im August kamen bis zum Abschluss der Aktion noch 2500 Umsiedler in die Woiwodschaft, im September 1000 und im Dezember 213 Personen. Dies erfolgte unter anderem im Rahmen der sogenannten Nachsiedlung von denjenigen, die aus dem Arbeitslager in Jaworzno entlassen wurden. – Ebenda, 55; Drozd: Zasady rozmieszczania, 106. Am 29. Juli 1947 wurde die Operative Gruppe „Weichsel” aufgelöst, was aber kein Ende der Aussiedlung von Ukrainern bedeutete. –Hałagida, Igor: Ukraińcy na zachodnich i północnych ziemiach Polski 1947–1957 [Die Ukrainer in den westlichen und nördlichen Gebieten Polens 1947–1957], Warschau 2003, 37.
Die Situation der Ukrainer in Ermland und Masuren im Jahre 1947
85
hatten die Kreise Braunsberg (für 400 Familien) und Rössel (100 Familien).4 Dennoch kamen weitere Transporte an und aus den von Mieczysław Winnicki veröffentlichten Daten geht hervor, dass die meisten Menschen in den Kreisen: Węgorzewo [Angerburg] (7427), Braniewo [Braunsberg] (6605), Pasłęk [Preussisch Holland] (5893) und Kętrzyn [Rastenburg] (5100), die wenigsten hingegen in den Kreisen Pisz [Johannesburg] (568), Olsztyn [Allenstein] (610) und Mrągowo [Sensburg] (650) untergebracht wurden. Vergleicht man jedoch die Anzahl der Ukrainer mit der Zahl der restlichen Bevölkerung in dem einschlägigen Kreis, machten die Ukrainer in den Kreisen Górowo [Landsberg] 42,5%, Węgorzewo [Angerburg] 36.8% und Braniewo [Braunsberg] 27,5% der Gesamtbevölkerungszahl aus, während in den Kreisen Olsztyn [Allenstein] (1,7%), Mrągowo [Sensburg] (1,8%), Węgorzewo [Angerburg] (2,3%) und Szczytno [Ortelsburg] (2,7 %) deren niedrigster Anteil an der Gesamtbevölkerungszahl verzeichnet wurde. Ein besonders hoher Anteil der Ukrainer zeigte sich in den Gemeinden Banie Mazurskie (Kreis Węgorzewo [Angerburg]) – 71% der Gesamtbevölkerung, in Kuty – 64%, in Budry [Buddern] – 50% und in Węgorzewo (Stadt) – 45%. Es gab auch Ortschaften, wo die Ukrainer die einzigen Bewohner waren, u.a. Asuny [Assaunen], Gębałki [Gembalken] bzw. Ziemiany [Ziemianen].5 Ähnlich stellte sich die Situation in Ostre Bardo, Stopki und Trosiny dar.6 Zum Ende des Jahres 1947 machte die ukrainische Bevölkerung 9,6% der Gesamtbevölkerung der damaligen Woiwodschaft Olsztyn aus.7 (Siehe Tabelle auf der folgenden Seite.) Für eine reibungslose Umsiedlung der Bevölkerung wurden in der Woiwodschaft ein Verteilungspunkt in Olsztyn und Ausladepunkte in den Kreisstädten Bartoszyce [Bartenstein], Biskupiec [Bischofsburg], Braniewo [Braunsberg], Giżycko [Lötzen], Górowo Iławeckie [Landsberg], Kętrzyn [Rastenburg], Lidzbark Warmiński [Heilsberg], Morąg [Mohrungen], Mrągowo [Sensburg], Pasłęk [Preussich Holland], Susz [Rosenberg] und Węgorzewo [Angerburg] eingerichtet.8 Selbst die Beförderung von Menschen mit dem Inventar, das die Vorschriften erlaubten, lief nicht problemlos ab. Die in Eile vorbereiteten Richtlinien zur Ansiedlung der ukrainischen Bevölkerung entsprachen oft nicht der Realität und konnten in der Tat nicht angewendet werden. Nicht immer hat man über den ankommenden Transport informiert.9
4 5 6 7
8 9
Korzeniewska-Lasota, Ukraińcy na Warmii i Mazurach w latach 1947–1970, 53. Sakson, Od Kłajpedy do Olsztyna, 251; Drozd, Roman: Politik der Behörden, 79. Korzeniewska-Lasota, Ukraińcy na Warmii i Mazurach w latach 1947–1970, 56. Lukaszewicz, Życiorysy, 9. In der Woiwodschaft Olsztyn hat sich der größte Teil der ukrainischen Bevölkerung angesiedelt. Auf den nächsten Positionen platzierten sich die Woiwodschaften Szczecin (Stettin) mit 48 465 (um 6624 weniger), Wrocław (Breslau) mit 21 235 (um 33 854 weniger), Poznań (Posen) mit 8042 (um 47 047 weniger), Gdańsk (Danzig) mit 6838 (um 48 251 weniger) und Białystok mit nur 991 Menschen. – ebd. Korzeniewska-Lasota, Ukraińcy na Warmii i Mazurach w latach 1947–1970, 41. Ebd., 40.
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Andrzej Kopiczko
Ukrainische Bevölkerung in der Woiwodschaft Olsztyn (Stand zum 31. Dezember 1947)10 Nr.
1 2 3 4 5 6
Kreis
Bartenstein Bischofsburg (Rößel) Braunsberg Lötzen Landsberg Deutsch Eylau (Rosenberg) 7 Rastenburg 8 Heilsberg 9 Mohrungen 10 Sensburg 11 Neidenburg 12 Allenstein 13 Osterode 14 Preussich Holland 15 Johannesburg 16 Ortelsburg 17 Angeburg 18 Allenstein – Stadt Zusammen
Ukrainische Bevölkerung Familien Personen
792 677 1744 863 1202 827
2951 2851 6605 3615 4878 3326
Anteil der ukrainischen Bevölkerung an: Landbevölkerung Land- und Stadtgesamt (100% = bevölkerung ge363908 Personen) samt (100% = 517.559 Personen) 30,3 21,5 13,3 9,6 37,2 27,5 15,5 10,4 48,2 42,5 15,2 10,0
1228 772 973 154 277 142 445 1392 162 211 1760 13 621
5102 3464 4175 650 940 610 1598 5893 568 797 7427 55 448
22,9 14,4 15,4 2,3 6,5 1,8 5,2 31,7 3,8 2,9 41,5 15,2
16,1 11,1 13,0 1,8 5,2 1,7 3,7 26,5 2,7 2,3 36,8 10,7
Ein Betroffener jener Ereignisse, der damals ein 12-jähriger Junge war, erinnert sich daran, wie sie zunächst mit dem Zug in Szczytno [Ortelsburg] ankamen und dann nach Olsztyn und weiter nach Bartoszyce [Bartenstein] geschickt wurden. „Hier wurden sie auf dem Platz untergebracht. Am nächsten Tag machten sie sich auf den Weg zu ihrem Bestimmungsort. Dieser befand sich im Kreis Górowo [Landsberg] – im Dorf Bukowiec [Buchholz]. Doch auf Bitten der Mutter wurde die Einweisung geändert und sie wurden nach Kandyty [Kanditten] geschickt. Zunächst wurden sie in einem Haus untergebracht, das in einem recht guten Zustand war, aber nicht für lange, denn bald hat man sie aus dem Haus rausgeschmissen. Letztendlich wurden sie nach Asuny [Assaunen] 10
Quelle: Winnicki, Mieczysław: Osadnictwo ludności ukraińskiej w województwie olsztyńskim [Ansiedlung der ukrainischen Bevölkerung in der Woiwodschaft Olsztyn], Olsztyn 1965, 14; Kopiczko, Andrzej: Kościół warmiński a polityka wyznaniowa po II wojnie światowej [Die Kirche des Ermlandes und die Konfessionspolitik nach dem 2. Weltkrieg], Olsztyn 1996, 83; Sakson, Andrzej: Od Kłajpedy do Olsztyna. Współcześni mieszkańcy byłych Prus Wschodnich: Kraj Kłajpedzki, Obwód Kaliningradzki, Warmia i Mazury [Von Memel bis Allenstein. Die heutigen Bewohner des ehemaligen Ostpreußens: Memelland, Kaliningrader Gebiet, Ermland und Masuren], Poznań 2011, 251.
Die Situation der Ukrainer in Ermland und Masuren im Jahre 1947
87
verlegt“. Als sie dort ankamen, war es schon Mitte Mai. Die gesamte Reise dauerte somit fast zwei Wochen lang.11 Während der Ansiedlung in den neuen Gebieten galten verschiedene Regeln, u.a., dass die jeweiligen Familien aus einem Transport in verschiedene Dörfer einzuweisen seien, wobei insgesamt nicht mehr als drei bis fünf umgesiedelte ukrainische Familien in einem Dorf untergebracht werden sollten.12 Die Ansiedlungsabteilung des Woiwodschaftsamtes in Olsztyn postulierte anfangs auch, dass die vorwiegend von der ermländischen bzw. masurischen Bevölkerung bewohnten Kreise, nämlich Nidzica, Olsztyn, Ostróda, Pisz und Szczytno von der Besiedlung vollständig ausgeschlossen würden, während im Kreis Mrągowo nur 50 Familien in staatlichen Landwirtschaften angesiedelt werden sollten.13 Gemäß den festgelegten Richtlinien sollte die ukrainische Bevölkerung gleichmäßig über das Kreisgebiet verteilt werden, damit deren Zahl in jedem betroffenen Ort nicht mehr als 10 Prozent der Einwohner des Dorfes betrüge. Darüber hinaus durften nur zur „A”- oder „B”-Gruppe zählende Familien14 einzeln angesiedelt werden. Von der Besiedlungsmöglichkeit wurden Gebiete ausgeschlossen, die in einer Entfernung von weniger als 30 km von den Woiwodschaftsstädten, 30 km von der Meeresgrenze und 50 km von den Landesgrenzen gelegen waren. Jedoch hatten die Eile oder die mangelnde Koordination der Tätigkeit der jeweiligen Institutionen sowie eine unzureichende Zahl der freien Betriebe zur Folge, dass diese Regeln in einigen Kreisen nicht eingehalten wurden. Daher ordnete das Ministerium für Öffentliche Sicherheit an, die so genannten Verlegungen, d. h. die erneute Umsiedlung der ukrainischen Bevölkerung innerhalb einer bestimmten Woiwodschaft aus den Ortschaften durchzuführen, in denen der Anteil von Aussiedlern 40% überschritt, was jedoch das gewünschte Ergebnis auch nicht erbrachte. Wie der Tabelle 1 zu entnehmen ist, gab es die größten Ansammlungen der Ukrainer in den Kreisen, die im Norden der Woiwodschaft lagen.15 Dadurch wurde das Verbot der Ansiedlung von ukrainischen Familien in den Grenzstreifen, d.h. in den Kreisen Bartoszyce, Braniewo, Górowo Iławeckie und Węgorzewo16 verletzt. Die im März 1948 gesammelten Informationen bestätigten, dass es allein im Kreis Braniewo eine sehr hohe Aussiedlerdichte an der polnisch-sowjetischen Grenze gab. Daher hielt man es für notwendig, die dort ansässigen 164 Familien (497 11 12 13 14
15
16
Ebd., 47. Hałagida, Igor: Między Moskwą, Warszawą i Watykanem [Zwischen Moskau, Warschau und Vatikan], Warszawa 2013, 190–191. Sakson, Od Kłajpedy do Olsztyna, 250. Die ausgesiedelte ukrainische Bevölkerung wurde je nach ihrer Haltung zur Volksgewalt in drei Gruppen eingeteilt: „A” – verzeichnet von der Sicherheitsbehörde; „B” – verzeichnet durch Erkundung und Militärgeheimdienst; „C” – mit Vorbehalten, die durch den Kommandanten der auszusiedelnden Unterabteilung oder durch die unter den Ukrainern rekrutierten Informanten gemeldet wurden. – Drozd, Zasady rozmieszczania, 104, 105; Korzeniewska-Lasota, Ukraińcy na Warmii i Mazurach w latach 1947–1970, 44. Hałagida, Ukraińcy na zachodnich i północnych ziemiach Polski 1947–1957, 36; Aktion „Weichsel”. Dokumente, 65; Sakson, Od Kłajpedy do Olsztyna, 251. Es sollte hinzugefügt werden, dass am 29. März 1947 in einer Sitzung des Politbüros des Zentralkomitees der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei (KC PZPR) erklärt wurde, dass die Ukrainer in einer Mindestentfernung von 100 km von der Grenze umgesiedelt werden sollten]. – Drozd, Zasady rozmieszczania, 102. Drozd, Zasady rozmieszczania, 109.
88
Andrzej Kopiczko
Personen), nach außerhalb der Kreisgrenzen umzusiedeln, denn – wie festgestellt wurde – begann sich in zwei Gemeinden Bażyny und Pieniężno, eine ukrainische Untergrundbewegung zu bilden.17 Im Kreis Węgorzewo, das ebenfalls an die Sowjetunion grenzte, lebten hingegen im Juli 1947 7798 Menschen, darunter 1100 Deutsche, wobei zusätzlich 7500 Ukrainer angesiedelt wurden, was dazu führte, dass die polnische Bevölkerung sich bereits in der Minderheit befand.18 Wichtig erscheint die Frage, ob die Umsiedler irgendeine Chance hatten, in ihre Heimat zurückzukehren. Natürlich war das im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften nicht möglich.19 Solche Fälle wurden jedoch verzeichnet. Manchmal halfen dabei sogar die örtlichen Beamten, wofür sie aber schwer bestraft wurden. Dies geschah mit dem Landrat von Górowo Iławeckie, der seines Amtes dafür enthoben wurde, dass er einem der Bittsteller die Ausreise ermöglichte.20 Da die Ukrainer die letzte so zahlreiche Gruppe waren, die in die Woiwodschaft Olsztyn gekommen war, mussten sie von Anfang an gegen viele, insbesondere finanzielle Schwierigkeiten ankämpfen. Obwohl sie 16 822 Kühe, 9765 Pferde und 24 072 Stücke Kleinvieh21 mitgebracht und sich damit zunächst ihren Lebensunterhalt sichern konnten, war die Mehrheit der landwirtschaftlichen Betriebe, die in einem besseren Zustand waren, bereits besetzt. Es blieben nur noch stark verwüstete, beraubte und bestohlene Landwirtschaften übrig. Darüber informierten sogar lokale Behörden. Der Landrat von Lötzen schrieb: „Die Ansiedler von der Aktion wurden auf den Gütern vorwiegend gemeinsam angesiedelt. Diese waren weitgehend zerstört (ohne Fenster, Fensterscheiben, Öfen etc.)”22 Von 14.000 freien landwirtschaftlichen Betrieben in der Woiwodschaft Olsztyn bedurften etwa 10.000 einer Renovierung.23 Viele Familien hungerten. Große Sorgen erweckte der kommende Winter. Kein Wunder also, dass die Landräte von Braniewo, Giżycko, Górowo, Lidzbarsk und Reszel auf die schwierige Situation hinwiesen. Obwohl die Lebensmittelkarten „Rol” eingeführt wurden und wohltätige Hilfe geleistet wurde, war es nicht möglich, die Situation angemessen zu bewältigen.24 Der polnische Staat versuchte, für einige dieser Schwierigkeiten Abhilfe zu schaffen, indem der ukrainischen Bevölkerung Investitionskredite für die Renovierungen gewährt wurden. Eine Familie konnte bis zu 20.000 Zloty erhalten, die dann innerhalb von drei Jahren nebst 5% Jahreszinsen zurückgezahlt werden mussten. Allerdings war das Interesse für diese Hilfe eher gering, was höchstwahrscheinlich auf die neue soziale 17 18 19 20 21
22 23 24
Korzeniewska-Lasota, Ukraińcy na Warmii i Mazurach w latach 1947–1970, 56. Ebd., 57. Hałagida, Między Moskwą, Warszawą i Watykanem, 192. Korzeniewska-Lasota, Ukraińcy na Warmii i Mazurach w latach 1947–1970, 85. Łukaszewicz, Życiorysy, 15; Winnicki, Mieczysław: Osadnictwo ludności ukraińskiej w województwie olsztyńskim [Ansiedlung der ukrainischen Bevölkerung in der Woiwodschaft Olsztyn], Olsztyn 1965, 24. Hałagida, Ukraińcy na zachodnich i północnych ziemiach Polski 1947–1957, 42; Sakson, Od Kłajpedy do Olsztyna, 252. Korzeniewska-Lasota, Ukraińcy na Warmii i Mazurach w latach 1947–1970, 62. Sakson, Od Kłajpedy do Olsztyna, 252. Korzeniewska-Lasota, Ukraińcy na Warmii i Mazurach w latach 1947–1970, 63.
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Situation und den Umsiedlungsschock zurückzuführen war. Am 15. September 1947 wurden diese Investitionskredite durch staatliche Kredite ersetzt, so dass der Wojewodschaft Olsztyn 153 Mio. Zloty für dieses Ziel eingeräumt wurden, was hingegen nahezu doppelt so viel war, als die Woiwodschaft Szczecin (93 Mio. Zloty) erhielt. Nach vier Tagen erhielt die Woiwodschaft Olsztyn nachträglich weitere 160 Mio. Zloty. In der beigefügten Anweisung wurde empfohlen, dass die Bezuschussung für eine Familie den Betrag von 30 000 Zl. nicht überschritt und für den Kauf von Baustoffen sowie die Durchführung von Reparaturen bestimmt wurde. Wie Igor Hałagida schreibt, könnten diese Geldsummen beträchtlich erscheinen, jedoch haben in der Praxis nicht alle Familien eine solche Unterstützung erhalten, wobei es auch Fälle gab, dass dieses Geld von den lokalen Behörden für andere Zwecke bestimmt wurde.25 In dem neuen Aufenthaltsort wurden die Möglichkeiten der sozialen und kulturellen Aktivität eingeschränkt. Außer dem Entzug der Seelsorge im eigenen Ritus (mehr dazu später), sollte auf das Phänomen der sozialen Isolation hingewiesen werden. An dem neuen Ort pflegten die Ukrainer, zumindest in der Anfangszeit, keine nachbarschaftlichen bzw. sozialen Kontakte zu den anderen Bevölkerungsgruppen. Einerseits lag dies an der Trennung der einheimischen Bevölkerung von den Ukrainern, andererseits aber an deren Selbstisolierung, d.h. dem Unwillen der Ukrainer selbst, jedwelche Kontakte zu knüpfen.26 Besser gestalteten sich die Beziehungen mit den Deutschen und den verbliebenen Autochthonen. Diese Gemeinschaften behandelten die Ukrainer ohne jegliche Feindseligkeit und suchten oft nach Kontaktmöglichkeiten. In ihrer Lage sahen sie ja die „Schicksalsgemeinschaft”. Der Landrat von Górowo schrieb: „Diese beiden Gruppen, als wären sie mit irgendeiner Verwandtschaft verbunden, sind einander näher gekommen und finden einfacher eine gemeinsame Sprache, die umso unverständlicher für die erste Gruppe, d.h. die Polen ist.”27 Besonders feindlich gegenüber den Ukrainern verhielten sich die Aussiedler von jenseits des Flusses Bug, die sich noch an die polnisch-ukrainischen Kämpfe erinnerten.28 Das Hauptziel der Umsiedlung wurde in der Anweisung des Ministeriums für die wiedergewonnenen Gebiete vom 10. November 1947 neu definiert und besagte, dass dies die „Assimilation in der neuen polnischen Umgebung ist. Man sollte sich alle Mühe geben, damit dieses Ziel erreicht wird. Gegenüber diesen Ansiedlern sollte man keine Bezeichnung ‚Ukrainer‘ verwenden. Sollte unter die Ansiedler in die wiedergewonnenen Gebiete ein Intelligenz-Element gelangen, so ist dieses unbedingt getrennt und weit weg von den Gemeinden unterzubringen, in denen die Ansiedler von der
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Hałagida, Ukraińcy na zachodnich i północnych ziemiach Polski 1947–1957, 43. Sakson, Od Kłajpedy do Olsztyna, 252-253. Sakson, Andrzej: Stosunki narodowościowe na Warmii i Mazurach 1945–1997 [Nationalitätenverhältnisse in Ermland und Masuren 1945–1997], Poznań 1998, 184; Korzeniewska-Lasota, Ukraińcy na Warmii i Mazurach w latach 1947–1970, 78. Korzeniewska-Lasota, Ukraińcy na Warmii i Mazurach w latach 1947–1970, 78.
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Aktion ‚W‘ leben.”29 Eingeschränkt wurde ebenfalls die „Bewegungsfreiheit”30. Den Moment der Begegnung mit neuen Menschen in neuem Gebiet hat einer der Aussiedler wie folgt beschrieben: „Nach Preußen bin ich am 7. Juli 1947 im Rahmen der Zwangsaussiedlung, d.h. der Aktion Weichsel gekommen. Nach mehreren Reisetagen erblickte ich das Tageslicht. Man erlaubte mir, mich meiner Schwester und meinem Schwager anzuschließen und polnische Dokumente ausstellen zu lassen […]. Nach einer langen Reise gelangten wir schließlich nach Młynary im Kreis Pasłęk. Die erste Person, die uns begrüßte, war der Gemeindevorsteher. Er fragte alle nach der Ausbildung, dem Beruf und den Fähigkeiten aus […] er begrüßte uns ganz normal, obwohl man es nicht weiß, was er über die Ukrainer wirklich dachte […]. Man konnte es bemerken, dass die Polen die Ukrainer nicht gerne hatten, aber mit der Zeit gewöhnten sie sich an uns. Die Menschen hatten Angst, ihre Muttersprache zu verwenden, jedoch war ihre Angstschnell vorbei. Wir besuchten Feste und Veranstaltungen, bei denen wir in der ukrainischen Sprache sangen.”31 Die Ukrainer mussten einen hohen Preis für die Verbrechen des Völkermords zahlen, die 1943 an der polnischen Bevölkerung in Wolhynien und Ostgalizien durch die ukrainische Aufstandsarmee sowie ukrainische Zivilpersonen (sg. czerń)32 begangen wurden. In den neuen Gebieten trugen die Ukrainer eine gemeinschaftliche Verantwortung für die Wolhynier Vergehen. Und obwohl die Aktion „Weichsel” in keinem Kausalzusammenhang mit ihnen stand, haben sich die damaligen Ereignisse ohne Zweifel auf die im Allgemeinen negative oder sogar feindliche Einstellung der polnischen Gesellschaft in den wiedergewonnenen Gebieten gegenüber den Aussiedlern der Aktion „Weichsel” ausgewirkt.33 Nur wenige Berichte der Landräte enthielten Informationen über korrekte Beziehungen zwischen Ukrainern und den anderen Bewohnern von Ermland und Masuren. Im zweiten Quartal 1949 schrieb der Landrat von Pasłęk, dass keine Streitigkeiten zwischen dieser Bevölkerung und den Einheimischen verzeichnet wurden. Der Landrat von Węgorzewo schrieb hingegen, die umgesiedelte Bevölkerung wiese zwar das größte Anderssein unter allen Bevölkerungsgruppen auf, aber die zwischenmenschlichen Beziehungen seien korrekt, obwohl die Koexistenz eines Repatrianten aus dem Osten mit dem Ansiedler aus der Aktion „Weichsel” innerhalb derselben 29
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Im Original: „Asymilacja w nowym środowisku polskim. Dołożyć należy wszelkich wysiłków, aby cel ten był osiągnięty. Nie używać w stosunku do tych osadników określenia ‚Ukrainiec‘. W wypadku przedostania się z osadnikami na Ziemie Odzyskane elementu inteligenckiego, należy taki bezwzględnie umieszczać osobno i z dala od gromad, gdzie zamieszkują osadnicy z akcji ‚W‘.” Drozd, Zasady rozmieszczania, 111. Sakson, Od Kłajpedy do Olsztyna, 249. Einen Schatten auf die gegenseitigen Beziehungen warfen auch die polnisch-ukrainischen Beziehungen aus der Zwischenkriegszeit, vor allem der Konflikt um Ostgalizien. – Karpus, Zbigniew: Stosunki polsko-ukraińskie w okresie kształtowania się polskiej granicy wschodniej w latach 1918–1921 [Polnisch-ukrainische Beziehungen in der Zeit der Bildung der polnischen Ostgrenze in den Jahren 1918–1921], 2009 (Toruńskie Studia Międzynarodowe, Nr. 1), 5-18. Łukaszewicz, Życiorysy, 16; Domagała, Bożena: Rozważania o stereotypie Ukraińca w Polsce [Überlegungen zum Stereotyp des Ukrainers in Polen], in: Marek Melnyk (Hg.) W cieniu akcji „Wisła”. Ukraińcy we współczesnej Polsce [Im Schatten der Aktion „Weichsel”. Ukrainer im heutigen Polen], Olsztyn 2008, 49-61.
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Landwirtschaft sehr stark beeinträchtigend sei.34 Man kann also feststellen, dass die Propaganda unmittelbar nach der Umsiedlung einen starken Einfluss auf die gegenseitigen Beziehungen hatte und ein negatives Ukrainerbild schaffte. Nicht zu vergessen ist auch, dass die neue Gemeinschaft sich von den „Einheimischen” durch Bräuche, Sprache, den julianischen Kalender bzw. den religiösen Ritus unterschied. Daher wurden die eigenen Traditionen eher zu Hause als im öffentlichen Leben gepflegt.35 Selbst „Christowo Rizdwo” (Weihnachten) – wie die älteren erwähnten – wurde bei verhängten Fenstern gefeiert, wobei die Weihnachtslieder mit gedämpfter Stimme gesungen wurden. Es entwickelten sich „national-kulturelle Aktivitäten im Untergrund”36. Unter sich feierte man orthodoxe Festtage, bestickte Handtücher und Hemden und verwendete Motive der einheimischen Volkskunst. Dies änderte sich erst in den fünfziger Jahren, als es den Ukrainern erlaubt wurde, an ihrer eigenen Liturgie teilzunehmen, Volksmusikgruppen und sogar Unterrichtsstellen für die ukrainischen Sprache zu gründen.37 Bemerkenswert sind auch die Beziehungen zu den lokalen Behörden. Die Einstellung der Ukrainer zu den Beamten wurde in der Regel als korrekt beurteilt. Der Landrat von Węgorzewo schrieb auch über die „Untertänigkeit der ukrainischen Bevölkerung gegenüber den Behörden”, fügte aber hinzu, dass „diese Haltung mit einer Art von Angst verbunden ist”38. In den ersten Jahren nach der Umsiedlung verzeichnete man gar keine politische Aktivität. Nach dem Motto, man „sollte sich eine Generation neuer Bürger großziehen und die alten abschaffen“, wurden von den Ukrainern auch keine Ämter angetreten.39 Einer völligen Verdrängung der ukrainischen Frage aus dem öffentlichen Leben sollte die Ersetzung des Begriffs „Ukrainer” durch den Euphemismus „Ansiedler aus der Aktion ‚W‘ dienen. Die Bezeichnung der Nationalität bekam nunmehr eine abwertende Bedeutung. Es wurde sogar ein Fall verzeichnet, dass ein römisch-katholischer Pfarrer, der im Religionsunterricht die Kinder aus den umgesiedelten Familien Ukrainer nannte, der Einführung von Antagonismen beschuldigt wurde und sich „nach der Unterrichtung” von der Kanzel aus bei allen Kirchgängern entschuldigen musste.40 Doch im Verzeichnis von Schultheißen und Gemeindevorstehern, das durch das Kreiskomitee der Polnischen Arbeiterpartei (PPR) in Górowo Iławeckie bereits 1947 angefertigt wurde, finden wir zwei Personen aus der Aktion „Weichsel”, die das Schultheißamt in der Gemeinde Kandyty bekleidet haben – Tadeusz Ukarmo und Dymitr Doszyn.41 34 35 36 37
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Korzeniewska-Lasota, Ukraińcy na Warmii i Mazurach w latach 1947–1970, 77. Ebd., 76; Domagała, Bożena: Ukraińcy na Warmii i Mazurach. Studium procesów asymilacji [Ukrainer in Ermland und Masuren. Studie über die Assimilationsprozesse], Olsztyn 2009, 119-121. Racki, Andrzej: Kościół greckokatolicki na Warmii i Mazurach [Griechisch-katholische Kirche in Ermland und Masuren], Warmia i Mazury, 1988, Nr. 22, 48. Beba, Bożena: Kierunek przemian tożsamości kulturowej Ukraińców na Warmii i Mazurach [Die Richtung der Veränderungen der kulturellen Identität der Ukrainer in der Woiwodschaft Ermland und Masuren], in: Bożena Domagała, Andrzej Sakson (Hg.), Tożsamość kulturowa społeczeństwa Warmii i Mazur [Kulturelle Identität der Bevölkerung von Ermland und Masuren], Olsztyn 1998, 101. Korzeniewska-Lasota, Ukraińcy na Warmii i Mazurach w latach 1947–1970, 82-83. Ebd., 91. Hałagida, Ukraińcy na zachodnich i północnych ziemiach Polski 1947–1957, 53. Korzeniewska-Lasota, Ukraińcy na Warmii i Mazurach w latach 1947–1970, 91.
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Nach der Umsiedlung befanden sich die Ukrainer ebenfalls unter einer ständigen Aufsicht des Amtes für Sicherheit und der Bürgermiliz. In der Anweisung vom 25. April 1947 wurde empfohlen, dass die Kreisämter für Sicherheit die Umsiedler ab dem Zeitpunkt ihrer Ankunft ausspionieren sowie Informationen über die UPA-Banden [Ukrainische Aufständische Armee] und die politische Organisation der Ukrainer sammeln sollten.42 Wiederholt wurde sie am 5. Mai 1947. In der Tat wurde diese Angelegenheit sehr weitreichend betrachtet, so dass sich die operative Tätigkeit auf alle Umsiedler erstreckte. Bereits 1947 kam es zu den ersten Festnahmen und Inhaftierungen sowie Prozessen vor dem Militärkreisgericht in Allenstein. 1948 wurden schon Massenfestnahmen und Inhaftierungen durchgeführt, von denen hunderte oft unschuldige Menschen betroffen waren. Laut Materialien des Amtes für Sicherheit wurden im ersten Vierteljahr 1948 243 Menschen festgenommen, davon nur im Januar 97 (die meisten in den Kreisen Mrągowo – 35 und Górowo Iławeckie – 27), im Februar 52 und im März 93 Personen.43 Es wurden Ermittlungsverfahren auf der Grundlage von Anzeigen eingeleitet, die nicht unbedingt von geheimen Mitarbeitern gemacht wurden. Es fanden etliche fingierte Prozesse statt.44 Die neuen Behörden der Volksrepublik Polen dachten zunächst, dass das Problem der griechisch-katholischen Kirche durch den Austausch der Bevölkerung auf der Grundlage des Vertrages vom 9. September 1944 sowie die Aussiedlung oder Inhaftierung von griechisch-katholischen Bischöfen und Priestern gelöst würde. Tatsächlich hat dies einen organisatorischen Zusammenbruch der religiösen Gemeinschaft verursacht. Eine noch wichtigere Rolle, wenn auch nicht unmittelbar auf polnischem Boden, spielte die Synode von Lemberg vom März 1946, als der Zusammenschluss der griechischkatholischen mit der orthodoxen Kirche erzwungen wurde.45 In der Praxis bedeutete es das Verbot ersterer in allen Ländern, die der Sowjetunion untergeordnet waren. Aus diesem Grunde erteilte Papst Pius XII. dem polnischen Primas August Hlond und dem Erzbischof von Krakau Adam Sapieha bereits am 25. Oktober 1946 Sonderbefugnisse in Bezug auf den griechisch-katholischen Ritus und ernannte am 10. Dezember desselben Jahres den Primas zum besonderen Delegierten für die östlichen Riten.46 42 43 44
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Hałagida, Między Moskwą, Warszawą i Watykanem, 190-191. Łukaszewicz, Życiorysy, 17, Fußnote 35; Sakson, Stosunki narodowościowe na Warmii i Mazurach 1945–1997, 186–187. Hrywna, Igor: Życie społeczno-kulturalne Ukraińców na Warmii i Mazurach [Das soziale und kulturelle Leben der Ukrainer in Ermland und Masuren], in: Bożena Domagała, Andrzej Sakson (Hg.), Tożsamość kulturowa społeczeństwa Warmii i Mazur [Kulturelle Identität der Bevölkerung von Ermland und Masuren], 109; Sakson, Stosunki narodowościowe na Warmii i Mazurach 1945–1997, 186-187. Vgl. Łukaszewicz, Bohdan: Wojskowy Sąd Rejonowy w Olsztynie [Das Militärkreisgericht in Allenstein] 1946–1955, Olsztyn 2000, 118-119, 131-139, 184-186. Moskałyk, Jarosław: Sobór zdrady z 1946 roku [Das Konzil des Verrates von 1946], in: M. Melnyk, Kościół greckokatolicki na Warmii i Mazurach. Wobec doświadczeń przeszłości i przemian społeczno-politycznych w Polsce [Griechisch-katholische Kirche in Ermland und Masuren. Angesichts der Vergangenheitserfahrungen und sozialpolitischen Veränderungen in Polen], Olsztyn 2006, 31-45. Hałagida, Między Moskwą, Warszawą i Watykanem, 171. Danach übte diese Funktion Primas Stefan Wyszyński aus.
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Am 31. März 1947 ernannte der Primas Hlond den griechisch-katholischen Pfarrer Bazyli Hrynyk zum Generalvikar des in Polen bestehen gebliebenen Teils der Griechisch-Katholischen Diözese Przemyśl. In der Praxis war jedoch die Betrauung mit dieser Funktion – angesichts der ein paar Wochen später begonnenen Umsiedlung der ukrainischen Bevölkerung – eher von symbolischer Bedeutung.47 Die Aktion „Weichsel” war für die griechisch-katholische Kirche eine ausgesprochene Tragödie, von der auch die Priester dieses Ritus betroffen wurden. Von den 90 bis 120 Geistlichen, die in Polen noch verblieben, wurden 62 in die wiedergewonnenen Gebiete umgesiedelt, 7 verhaftet und 22 in einem Lager in Jaworzno eingesperrt. In der Praxis verbot man jedoch diesen Priestern die Sakralfunktionen in den neuen Gebieten auszuüben und versuchte, sie von den Gläubigen dieses Ritus zu trennen. Man glaubte nämlich, dass sie unter anderem für die Aufrechterhaltung des ukrainischen Nationalismus verantwortlich waren. In der Diözese Ermland haben sich damals etliche griechisch-katholische Priester niedergelassen: bereits im Mai 1947 kamen Piotr Hardybała48, Mirosław Ripecki49 und Eugeniusz Uscki50 und – etwas später – Włodzimierz Boziuk51 an. Der erste ließ sich in Nidzica nieder, der zweite in Chrzanowo bei Ełk, der dritte in Orneta, und der vierte in Biskupiec Reszelski. Warum gerade in diesen Orten ist nicht bekannt und war bestimmt nicht durch die Anzahl der Anhänger dieser Kirche bedingt. Ein noch größeres Rätsel stellt die Ansiedlung von Mirosław Ripecki in einem kleinen Dorf Chrzanowo in der Nähe von Ełk dar, denn als die übrigen Priester sich bemühten, unter den Fittichen der römisch-katholischen Kirche Zuflucht zu finden und meinten, dass es ihnen mit der Zeit gelingt, zum eigenen Ritus zurückzukommen, gründete er – als einziger – sofort eine griechisch-katholische Seelsorgeeinrichtung. Damit sei ihm also etwas mehr Aufmerksamkeit gewidmet. Er war der Sohn eines griechisch-katholischen Priesters und hatte ein griechisch-katholisches Priesterseminar in Lemberg absolviert. 1913 heiratete er Eugenia geb. Smułka und am 20. März desselben Jahres erhielt er die Priesterweihen. Während des 1. Weltkrieges war er Militärseelsorger an der Front und im Jahre 1919 wurde er Kaplan der Ukrainischen Halytschen Armee. Er arbeitete auch in den griechisch-katholischen Pfarreien, u.a. in Liski im Grubeschower Land. Zu Beginn des 2. Weltkrieges wurde er wegen des Verdachts der Förderung der Organisation Ukrainischer Nationalisten verhaftet; er wurde in Lemberg gefangen gehalten, aber nach 3 Wochen wieder freigelassen. Im Rahmen der Aktion „Weichsel” wurde er in das 47
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Ebd., 173; Storonjak, Roman: Działalność społeczno-duszpasterska ks. mitrata Bazylego Hrynyka [Soziale und selsorgerische Tätigkeit des Mitrats Bazyli Hrynyk], in: Melnyk (Hg.), W cieniu akcji „Wisła”, 131-153; Kryk, Bohdan: Życie i działalność ks. mitrata Mirosława Ripeckiego [Das Leben und die Tätigkeit des Mitrats Mirosław Ripecki (1889–1974), Lublin 2008, 67; Hałagida, Igor: „Szpieg Watykanu”. Kapłan greckokatolicki ks. Bazyli Hrynyk (1896–1977) [Der Spion des Vatikan. Der griechisch-katholische Priester Bazyli Hrynyk (1896–1977], Warszawa 2008. Archiwum Akt Nowych Archidiecezji Warmińskiej w Olsztynie [Archiv Neuer Akten der Erzdiözese Ermland in Allenstein] (dalej: AAWO-N) [im Weiteren: AAWO-N], Teczka personalna ks. Piotra Hardybały [Personalakten von Piotr Hardybała]. AAWO-N, Teczka personalna ks. Mirosława Ripeckiego [Personalakten von Mirosław Ripecki]. AAWO-N, Teczka personalna ks. Eugeniusza Usckiego [Personalakten von Eugeniusz Uscki]. AAWO-N, Teczka personalna ks. Włodzimierza Boziuka [Personalakten von Włodzimierz Boziuk].
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Gebiet der Woiwodschaft Olsztyn ausgesiedelt und ließ sich in Chrzanowo [Chrzanowen / Kalkofen] bei Ełk nieder, wo er bis zu seinem Tod geblieben ist.52 Seine Tätigkeit ist uns auch gut bekannt dank der Magisterarbeit von Bohdan Kryk mit dem Titel „Das Leben und die Tätigkeit des Mitra tragenden Priesters Mirosław Ripecki (1889–1974)”53. Es stellt sich heraus, dass Ripecki während der Aussiedlung ebenfalls festgenommen wurde und in das Lager in Jaworzno gebracht werden sollte. Dies verhinderte jedoch ein bekannter Oberst der sowjetischen Truppen. Zu dem Verteilungspunkt in Ełk gelangte er am 3. Juli 1947. Dort sollte er einem Mitarbeiter des Kreisamtes für Repatriierung verkündet haben, dass er zusammen mit seinen Pfarrkindern angekommen sei und einen entsprechenden Ansiedlungsort brauche, an dem er eine orthodoxe Kirche für seine Gläubigen errichten könne. Natürlich wurde diesem Gesuch nicht stattgegeben und man teilte ihm zunächst ein Gebäude im Dorf Gorzykały zu, das ca. 30 km von Ełk entfernt war. Diesen Standort nahm er jedoch nicht an und erst nach einiger Zeit wurde ihm das Schulgebäude in Chrzanowo zur Verfügung gestellt; er ließ sich dort mit seiner Ehefrau und mit der Familie von Julian Dylaba54 nieder. Ein großes Zimmer bestimmte er sofort für die Einrichtung einer Kapelle, der er den Namen der Jungfrau Maria gab, und bereits am 7. Juli feierte er den ersten griechisch-katholischen Gottesdienst.55 Kurz danach war Chrzanowo zu einem wahren religiösen Zentrum der Ukrainer in Ermland und Masuren geworden. Zu den Gottesdiensten, insbesondere anlässlich der größeren Feiertage, kamen sogar bis zu 300 Personen aus verschiedenen Regionen Polens. Die erste Genehmigung für die Abhaltung der Liturgie sollte er vom Landrat von Ełk eingeholt haben und am 16. August 1947 erhielt er von der Bischofskurie in Olsztyn die Berechtigung zur Ausübung der heiligen Sakramente. Fast zur gleichen Zeit wandte er sich an den Kreisschulinspektor mit dem Antrag, ihm eine Stelle des Religionslehrers in den Schulen in Ełk anzubieten und am 19. September beantragte er andererseits bei der Kurie in Olsztyn die Erteilung der kanonischen Mission. Allerdings erhielt er diese Stelle nicht, weil es – wie zumindest offiziell angegeben wurde – in den Schulen an freien Unterrichtsstunden mangelte.56 52
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AAWO-N, Teczka personalna ks. Mirosława Ripeckiego [Personalakten von Mirosław Ripecki]; Hałagida, Igor: Ripecki Mirosław, in: Leksykon duchowieństwa represjonowanego w PRL w latach 1945–1989 [Lexikon des in der Volksrepublik Polen verfolgten Klerus in den Jahren 1945–1989], Bd. 2, Warszawa 2003, bearb. von J. Myszor, 241-242; Łesiów, Michal: Duszpasterska i kulturalnooświatowa działalność ks. Mirosława Ripeckiego po 1947 roku na Mazurach w świetle jego korespondencji [Seelsorgerische, kulturelle und Bildungstätigkeit von Mirosław Ripecki im Lichte seiner Korrespondenz], in: W cieniu akcji „Wisła” [Im Schatten der Aktion „Weichsel”], 123-130. Verfasst an der Katholischen Universität in Lublin unter der Leitung von Dr. Stanisław Tylus, Lublin 2008. Kryk, Życie i działalność ks. mitrata Mirosława Ripeckiego, 69-70. Hałagida, Igor: Ks. Mirosław Ripecki i jego placówka duszpasterska w Chrzanowie 1947–1974. Przyczynek do roli domu duchownego w dziejach ukraińskich grekokatolików na Warmii i Mazurach [Priester Mirosław Ripecki und seine Seelsorge-Einrichtung in Chrzanowo 1947–1974. Beitrag zur Rolle des Hauses von Geistlichen in der Geschichte der ukrainischen griechisch-Katholischen in Ermland und Masuren], Nowa Ukraina, 2007, Nr. 1-2, 151. Kryk, Życie i działalność ks. mitrata Mirosława Ripeckiego, 71.
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Von den ersten Tagen nach der Umsiedlung an führte Mirosław Ripecki Briefwechsel mit seinen Pfarrkindern, die in Gebiete der Woiwodschaft Olsztyn, aber auch der Woiwodschaften Danzig und Stettin umgesiedelt wurden. Am 13. Oktober 1947 wies ihn die Kurie der Diözese Ermland an, er möge bei dem polnischen Primas einen Indult beantragen, die hl. Messe nach römischem Ritus zu halten und die Sakramente zu spenden. Diese Anweisung befolgte er jedoch nicht, wobei er bereits am 20. Oktober eine solche Genehmigung beantragte, die sich jedoch auf die Feier der Liturgie nach griechisch-katholischem Ritus bezog. In seinem Antrag betonte er: „Ich reiste aus als ein Seelsorger von Aussiedlern des griechisch-katholischen Ritus und deshalb habe ich vor, weiterhin zu dienen und ihnen die selige Unterstützung nach dem griechisch-katholischen Ritus zu leisten, an den sie stark gewöhnt sind. Bereits 5 Monate lang halte ich die hl. Messe in der Kapelle in Chrzanowo nach dem griechisch-katholischen Ritus und die weltlichen Behörden erheben keine Einsprüche gegen meine seelsorgerische Arbeit”. Der Primas August Hlond antwortete ihm am 30. November und erteilte einen Indult, der sich aber auf das Abhalten der Messe und Spenden von Sakramenten nach dem römischen Ritus bezog. Die Frage des doppelten Ritus leitete er hingegen zur Untersuchung durch den Heiligen Stuhl weiter.57 Trotz der fehlenden offiziellen Erlaubnis spendete Ripecki noch im Jahr 1947 sechs Taufen und Konfirmationen, während es im nächsten Jahr 15, 1949 14 und 1950 59 waren, und danach stieg diese Zahl immer wieder. Bis 1956 spendete er insgesamt 569 Taufen und Konfirmationen (nach der östlichen Tradition wird das Sakrament der Konfirmation unmittelbar nach der Taufe verliehen).58 Wie sich herausstellte, gab es auf dem Gebiet der Diözese Ermland – außer Ripecki – bereits zwei andere griechisch-katholische Priester: Piotr Hardybała und Eugeniusz Uscki. Diese zwei versuchten von Anfang an, unter den Fittichen der römisch-katholischen Kirche Zuflucht zu finden, natürlich in der Hoffnung – wie schon weiter oben erwähnt –, dass es ihnen mit der Zeit gelingt, zum eigenen Ritus zurückzukehren. Bereits am 17. Juni 1947 erhielt Hardybała die Erlaubnis vom polnischen Primas August Hlond, die Liturgie nach dem römischen Ritus abzuhalten und am 19. November desselben Jahres wurde er Vikar an der Kirche in Nidzica. Uscki, der sich am 14. Mai 1947 in Orneta ansässig machte, erhielt hingegen eine solche Genehmigung am 1. August desselben Jahres. Im Schreiben von Primas Hlond tauchte eine zusätzliche Anmerkung auf, dass das Gesuch am 29. Juli durch den Ordinarius von Ermland befürwortet wurde. Zum damaligen Zeitpunkt unterrichtete Uscki römisch-katholische Religion an den öffentlichen Schulen der Diözese Ermland. Ein anderer griechisch-katholischer Priester, Włodzimierz Boziuk, wurde in das zentrale Arbeitslager in Jaworzno gebracht, aus dem er jedoch nach vier Monaten entlassen wurde und kam Ende September 1947 in der Diözese Ermland an. Am 20. jenes Monats richtete er ein Schreiben an die Bischofskurie in Olsztyn mit der Bitte, ihm „einen Indult zum Abhalten der Messe nach römisch-katholischem Ritus für den Zeitraum von zwei Jahren” zu erteilen. Bei dieser Gelegenheit wies er darauf hin, dass er ähnliche Pflichten bereits in den Jahren 1946–1947 in der Pfarrei Wołkowyja im Dekanat Lesko erfüllte. Am 13. Oktober schrieb er schon aus Biskupiec Reszelski auf dem 57 58
Ebd., 69-70. 72-74; Domagała, Ukraińcy na Warmii i Mazurach, 122-123. Hałagida, Ukraińcy na zachodnich i północnych ziemiach Polski 1947–1957, 56.
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Gebiet der Diözese Ermland: „Da ich bald mit dem römischen Ritus insofern gut vertraut bin, dass ich die (lateinische) hl. Messe feiern kann und diese aus verschiedenen Gründen gerne zelebrieren möchte, solange ich noch in Biskupiec bleibe, so bitte ich (Sie) höflichst, mein Gesuch um den Indult, das durch entsprechenden Antrag seitens der herrlichen Bischofskurie der Diözese Ermland unterstützt wird, zu Händen seiner Eminenz des (Herrn) Kardinals-Primas zu übergeben”.59 Und in der Tat übersandte das Bischöfliche Ordinariat in Olsztyn am nächsten Tag, d.h. am 14. Oktober einen Brief mit der Zusicherung, dass Boziuk in der Diözese Ermland angestellt würde, an das Sekretariat des polnischen Primas, von dem am 19. Tag desselben Monats eine positive Antwort geschickt wurde. So wurde Boziuk bald darauf zum Hilfsgeistlichen in Osterode ernannt. Die verzeichnete Korrespondenz ist auch noch aus einem anderen Grund für unsere Erkenntnisse wichtig. Es tauchte nämlich darin der Ort Biskupiec Reszelski [Bischofsburg] auf. Es ist anderwärtig bekannt, dass sich eben dort, unter der Leitung von zwei Priestern der römisch-katholischen Kirche, dem Pfarrer Wacław Hipsz60 und Józef Wierzbicki61, die ersten Geistlichen des östlichen Ritus (darunter gerade Boziuk) mit der Liturgie nach römisch-katholischem Ritus vertraut gemacht haben, was eine Voraussetzung für die Erteilung des Indults des doppelten Ritus durch den polnischen 59 60
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AAWO-N, Personalakten von Włodzimierz Boziuk. Geb. 1903 in Warschau. Er absolvierte das Gymnasium des Polnischen Hauses in Moskau. Im Jahre 1919 kehrte er nach Polen zurück, ließ sein Abiturzeugnis nostrifizieren und 1921 trat er in das Metropolitane Priesterseminar in Warschau ein. Nach Abschluss des Philosophiestudiums zog er zum Priesterseminar in Lutsk, Region Wolhynien, um. Dort erhielt er am 4.07.1926 die Priesterweihe aus der Hand des Bischofs Adolf Szelążek (Diözese Luck). Er arbeitete als Katechet in Dubno, und wurde dann Präfekt der Oberschulen in Wolodymyr-Wolynskyj (Wladimir Wolinsk). Aus Angst vor Verhaftung gelangte er in die Diözese Siedlce; In den Jahren 1941–1943 gab er dort geheimen Religionsunterricht und half bei der Seelsorgearbeit in Sobienie-Jeziory, in den Jahren 1943–1944 in Parysów und 1944–1945 in Kłoczew. In der ersten Hälfte des Jahres 1945 gelangte er in die Diözese Włoclawek, wo er zum Administrator der Pfarreien Borysłowice und Bierzwienna wurde, im Jahre 1946 wurde er in die Pfarrei Kruszyn versetzt und gleichzeitig zum Präfekten des Gymnasiums in Konin ernannt, aber bereits am 30. Oktober desselben Jahres erhielt er eine Ernennungsurkunde zum Vikar in der Herz-Jesu-Pfarrei und zum Präfekten der Grund- und Oberschulen in Olsztyn. Am 20. Dezember desselben Jahres wurde er zum Pfarradministrator in Biskupiec Reszelski ernannt. Am 1.1.1948 übernahm er die Verwaltung der Nikolaus-Pfarrei in Elbląg und am 12. Juli 1952 die Verwaltung in der Pfarrei Ostróda. Dort verstarb er am 4. März 1992. Geb. 1887 in St. Petersburg. Dort absolvierte er das Priesterseminar und die Theologische Akademie. Die Priesterweihe erhielt er 1911 aus den Händen des Bischofs Jan Cieplak. Während des 1. Weltkrieges betreute er Kriegsgefangene und vertriebene Katholiken. In den Jahren 1917–1921 arbeitete er in Moskau als Präfekt und Administrator der Ludwigskirche (für Franzosen). Nach der Rückkehr nach Polen ließ er sich in Łomża nieder (daher wird er als Priester der Diözese Vilnius erwähnt), wo er die Stelle des geistlichen Vaters und Lehrers am örtlichen Priesterseminar übernahm (1922–1927). Seit 1927 übte er die gleichen Funktionen am Institut für Mission in Lublin aus. Im Jahre 1932 kehrte er nach Łomża zurück und übernahm die gleichen Stellen. 1937 machte er sich in Świder bei Warschau für Erholungszwecke ansässig. Während des 2. Weltkrieges führte er das heimliche Priesterseminar für die Diözese Łomża und Luck. Die zwei ersten Nachkriegsjahre verbrachte er in der Diözese Włocławek als Pfarrer in Bierzwienna und Brdów. In die Diözese Ermland kam er im Jahre 1947; als Resident verweilte er in Biskupiec Reszelski und seit Dezember 1947 in Elbląg. Dort verstarb er am 29. Dezember 1955 und ist am 20. Dezember desselben Jahres in Łomża beigesetzt worden.
Die Situation der Ukrainer in Ermland und Masuren im Jahre 1947
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Primas und die Einweisung in die Seelsorgearbeit in den römisch-katholischen Pfarreien war.62 In den folgenden Jahren kamen weitere griechisch-katholische Priester an, die zum Lager in Jaworzno verurteilt und daraufhin entlassen wurden. 1948 schlossen sich vier weitere an: Józef Przepiórski, Jan Seneta, Jan Bułat und Jerzy Męciński.63 Bis 1956 waren es bereits dreizehn, aber schon ab 1952 änderte sich die sozialpolitische Situation und es wurde ihnen erlaubt, die Messe und die Andachten nach griechisch-katholischem Ritus abzuhalten. Alle waren aber bei römisch-katholischen Pfarreien beschäftigt und verfügten über Indulte zur Zelebrierung nach römisch-katholischem Ritus.64 Einige mussten noch mit einem weiteren Problem ringen, weil sie über keine einschlägigen Unterlagen verfügten, um den geistlichen Stand vor den Verwaltern der römischkatholischen Diözesen zu bestätigen. Jan Seneta, der 1948 in der Diözese Ermland angekommen war, schrieb wie folgt: „Meine Dokumente sind 1944 in Folge der Kriegshandlungen zusammen mit dem Pfarrhaus in Solinka unmittelbar an der ungarischen Grenze verbrannt worden. Seit Herbst 1946 hatte ich keinen Kontakt mehr zu dem Bischöflichen Ordinariat gehabt. Wo sich derzeit unsere Kurie befindet, weiß ich nicht. Ich kenne nur einige der Priester und an sie wende ich mich gleichzeitig, mir maßgebende Bescheinigungen zukommen zu lassen, aus denen hervorgeht, dass ich ein Priester bin und die Priestertätigkeit bis dahin ausübte”.65 Es sollte jedoch festgehalten werden, dass obwohl 1947 mehrere griechisch-katholische Priester in Ermland und Masuren anwesend waren, es nur Mirosław Ripecki gelang, seinen eigenen Ritus aufrechtzuerhalten. Manche Historiker fragen sich, wie dies überhaupt möglich war, finden aber keine Antwort darauf. Ein hervorragender Kenner dieser Problematik, Igor Hałagida, schreibt, man sollte unter den entstandenen Hypothesen die Möglichkeit berücksichtigen, dass die Chrzanwer Einrichtung zum Ziel hatte, den Stimmungen der griechisch-katholischen Ukrainer „Luft zu machen“ oder aber, dass man den Konflikt zwischen Ripecki und dem örtlichen römisch-katholischen Bischöflichen Ordinariat nutzte. Es ist auch nicht auszuschließen, dass der vertrauensselige Geistliche, der unter anderem auch mit einigen Geistlichen aus der UdSSR im Briefwechsel stand, – ganz unbewusst – als Informationsquelle für die sowjetischen (Geheim)dienste genutzt werden konnte. Die von Ripecki manchmal vorgebrachten Argumente über die „Freundlichkeit” bei dem Ełker Amt für Sicherheit oder der Partei sind
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Die Kosten dieser einige Wochen lang dauernden Schulung wurden von der Diözese Ermland getragen. – AAWO-N, Teczka: Kościół greckokatolicki [Akten: Griechisch-katholische Kirche]. Hałagida, Igor: Duchowni greckokatoliccy i prawosławni w Centralnym Obozie Pracy w Jaworznie (1947–1949). Dokumenty i materiały [Griechisch-katholische und orthodoxe Geistliche im Zentralen Arbeitslager in Jaworzno (1947–1949). Die Dokumente und Materialien], Warszawa 2012, 34, 225-226, 246, 244-245. Kopiczko, Andrzej: Duchowieństwo greckokatolickie w diecezji warmińskiej 1947–1960 – między akomodacją a odrębnością [Griechisch-katholische Geistlichkeit in der Diözese Ermland 1947–1960 – zwischen Akkommodation und Anderssein], in: Melnyk, Kościół greckokatolicki na Warmii i Mazurach, 54-57. Hałagida, Między Moskwą, Warszawą i Watykanem, 196; Schreiben von Jan Seneta an das Bischöfliche Ordinariat in Olsztyn, 22.05.1947.
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Andrzej Kopiczko
wenig überzeugend.66 Mirosław Ripecki selbst erklärte dies durch die Haltung des Kommandanten des Ełker Amtes für Sicherheit, der angeblich ukrainischer Abstammung sein sollte.67 Wahrscheinlich ist die Hypothese von Stanisław Stępień, dass man versuchte, den griechisch-katholischen Priester auszunutzen, um einen Konflikt mit der örtlichen römischkatholischen Geistlichkeit zu verursachen, indem man ihn in Ruhe ließ.68 Es ist jedoch bekannt, dass die Behörden sich alle Mühe gaben, um den Kontakt der Aussiedler mit dem Klerus des griechisch-katholischen Ritus zu verhindern. Dies ist u.a. aus dem Dokument ersichtlich, das durch das Amt für Sicherheit in Olsztyn erstellt wurde. Darin steht folgendes: „Da man den Wiederaufbau der ukrainischen Bewegung nicht zulassen wollte, hat [das Amt] die Bildung der griechisch-katholischen Pfarreien verhindert und die Geistlichen unter Beobachtung des Woiwodschaftsamtes für Öffentliche Sicherheit gestellt”.69 Man bemühte sich auch, die religiöse Spaltung unter den umgesiedelten Ukrainern auszunutzen. Im Allgemeinen gilt, dass etwa zwei Drittel der im Rahmen der Aktion „Weichsel” umgesiedelten Ukrainer der griechisch-katholischen Kirche angehörten und ein Drittel die Gläubigen der orthodoxen Kirche ausmachten. Einzelne Familien oder Personen gehörten der römisch-katholischen Kirche oder kleinen religiösen Gruppen (Baptisten, Zeugen Jehovas) an.70 In Ermland und Masuren gab es jedoch ebenfalls kein Netz von orthodoxen Seelsorgeeinrichtungen. Man begann sie erst kurz vor der Aktion „Weichsel“ zu schaffen.71 Als erste wurde – vermutlich am 10. Juli 1946 – eine orthodoxe Einrichtung in Osterode geschaffen. Ihre Aufgabe war es, die orthodoxe Bevölkerung in der Stadt und in der Umgebung zu betreuen. Als Seelsorger wurde Mikołaj Batalin delegiert (in den Jahren 1949–1951 Pfarrer in Pasłęk). Am 18. Oktober 1946 wurde er zum stellvertretenden Pfarrer der neu gegründeten Pfarrgemeinde in Olsztyn ernannt. Die orthodoxen Gläubigen selbst behaupten jedoch, dass ihre Pfarrgemeinde in Olsztyn am 14. Oktober 1947, also erst nach der Aktion „Weichsel”, gegründet wurde.72 Wahrscheinlich zur gleichen Zeit wurde eine Seelsorgeeinrichtung in Lötzen geschaffen, worüber die Sozial-Politische Abteilung am 6. November 1947 informierte.73 In Orneta hielt sich vor August 1947 der 27-jährige Aleksy Nestorowicz auf.74 Noch im Herbst 1947 erschien in der 66 67 68 69 70 71 72
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Hałagida, Między Moskwą, Warszawą i Watykanem, 203. Hrywna, Igor: Rok pierwszy [Erstes Jahr], Borussia 1999, 36. Hałagida, Ukraińcy na zachodnich i północnych ziemiach Polski 1947–1957, 57. Ebd., 55. Ebd., 53. Hałagida, Między Moskwą, Warszawą i Watykanem, 193. Prawosławny jubileusz [Das orthodoxe Jubiläum], Gazeta Olsztyńska, 14.10.1997; Kopiczko, Andrzej: Panorama wyznaniowa województwa olsztyńskiego po II wojnie światowej [Das Konfessions-Panorama der Woiwodschaft Olsztyn nach dem 2. Weltkrieg], in: Bożena Domagała, Andrzej Sakson (Hg.), Tożsamość kulturowa społeczeństwa Warmii i Mazur [Kulturelle Identität der Bevölkerung von Ermland und Masuren], 46. Kopiczko, Andrzej: Kościół warmiński a polityka wyznaniowa po II wojnie światowej [Die ermländische Kirche und die Konfessionspolitik nach dem 2. Weltkrieg], Olsztyn 1996, 191. Der erste örtliche Seelsorger war Priester Anatoli Bondar. Matreńczyk, Ałła: Droga przez Jaworzno [Der Weg durch Jaworzno], Przegląd Prawosławny, in: http://www.przegladprawoslawny.pl/articles.php?id_n=3085&id=8 (abgerufen am 10.06.2016.); Hałagida, Duchowni greckokatoliccy i prawosławni, 245.
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(Woiwodschaft) Olsztyn Eugeniusz Naumow, der die Organisierung der orthodoxen Pfarrgemeinden in Angriff nahm.75 Darüber hinaus wurde bereits am 24. Juli 1947 das Orthodoxe Metropolitane Komitee für die Hilfeleistung an die Umsiedler in die Wiedergewonnenen Gebiete ins Leben gerufen. Zum Jahresende wurde es in das Orthodoxe Metropolitane Komitee für die Gestaltung des Orthodoxen Lebens in den Wiedergewonnenen Gebieten umgewandelt.76 Es ist jedoch zu beachten, dass der orthodoxe Klerus ebenfalls von den Repressionen betroffen wurde. Eine negative Beurteilung wurde zum Beispiel Mikołaj Kostyszyn77 ausgestellt, der „unter den Gläubigen, vor allem aus der Aktion „W”, den ukrainischen Nationalismus schürt, indem er u.a. die Predigten in der ukrainischen Sprache hält. Davon ist diese Bevölkerung sehr erbaut.” Dieser Geistliche (der während der Aktion „Weichsel” in Braniewo ansässig geworden ist) wurde am 5. August 1947 durch das Woiwodschaftsamt für Öffentliche Sicherheit in Olsztyn verhaftet – dies zusammen mit Józef Kundeus78, der im Dorf Radomin im Kreis Nidzica lebte und Aleksy Nestorowicz, der hingegen in Orneta ansässig war. Nach einer Woche Haft in Olsztyn wurden sie in das Lager in Jaworzno gebracht, aus dem sie erst Anfang 1949 entlassen wurden. Nach dem Verlassen des Lagers kehrten einige von ihnen nach Ermland und Masuren zurück. Nestorowicz wurde Vikar in Orneta, Damian Towstiuk79 nahm eine Arbeit bei der Genossenschaft in Prabuty auf, wo auch seine Familie lebte (die seelsorgerische Tätigkeit begann er im Jahre 1953), Kostyszyn übernahm hingegen erneut die Leitung der Pfarrei in Braniewo.80 Unmittelbar nach der Umsiedlung, als sie ihre geistigen Bedürfnisse zu befriedigen versuchten, standen die Ukrainer der griechisch-katholischen Konfession vor der Wahl, entweder die römisch-katholische Kirche unter Preisgabe des traditionellen Ritus zu besuchen, oder zu Gottesdiensten in die orthodoxen Kirchen zu gehen und an der Liturgie nach dem heimischen Ritus teilzunehmen, jedoch gleichzeitig den Kontakt mit dem Katholizismus zu verlieren. Es fällt allerdings schwer, aus den Lebenserinnerungen bzw. den erhalten gebliebenen Dokumenten zu schlussfolgern, welche von den beiden Optionen überwog. Der Bericht aus dem Kreis Ostróda von 1952 besagte jedoch, dass: „die Familien aus der Aktion „Weichsel“ über keine eigenen Einrichtungen verfügen, weil sie über den gesamten Kreis verstreut sind und in kleinen Gemeinschaften leben. Die überwiegende Mehrheit machen die Gläubigen griechisch-katholischen Bekenntnisses aus, die die naheliegenden römisch-katholischen Kirchen besuchen”81.
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Sakson, Stosunki narodowościowe na Warmii i Mazurach 1945–1997, 186; Hałagida, Ukraińcy na zachodnich i północnych ziemiach Polski 1947–1957, 60; Urban, Kazimierz: z Dziejów Kościoła prawosławnego na Dolnym Śląsku 1946–1956 [Aus der Geschichte der orthodoxen Kirche in Niederschlesien 1946–1956], Białystok 1998, 22-25. Hałagida, Duchowni greckokatoliccy i prawosławni, 237. Ebd, 240-241. Ebd, 248-249. Hałagida, Ukraińcy na zachodnich i północnych ziemiach Polski 1947–1957, 62; Hałagida, Duchowni greckokatoliccy i prawosławni, 237; Dudra, Stefan: Kościół prawosławny na ziemiach północnych i zachodnich Polski po II wojnie światowej [Orthodoxe Kirche in den nördlichen und westlichen Gebieten Polens nach dem 2. Weltkrieg], Zielona Góra 2004. Hałagida, Ukraińcy na zachodnich i północnych ziemiach Polski 1947–1957, 58.
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Andrzej Kopiczko
Natürlich gab es auch Schwierigkeiten und Konflikte mit römisch-katholischen Priestern, die der Auffassung waren, dass die Ukrainer sich an dem religiösen Leben nach römischem Ritus beteiligen sollten. Aber etwas ganz Normales waren auch andere Situationen. Wie es Igor Hałagida beschreibt, haben griechisch-katholische Ukrainer ein großes Maß an Hilfsbereitschaft, Freundlichkeit und Mitgefühl seitens des römischkatholischen Klerus erfahren […] manchmal aus Angst vor orthodoxen (Geistlichen).82 Es soll auch betont werden, dass die damalige Situation der römisch-katholischen Kirche insbesondere in den westlichen und nördlichen Gebieten äußerst kompliziert war. Seit Herbst 1947 war der Kampf mit der Kirche zu einer der wichtigsten Aufgaben der Sicherheitsorgane geworden und zwei Jahre später, am 24. Februar 1949 fasste das Politbüro des Zentralkomitees der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei (KC PZPR) einen Beschluss mit der Anweisung, „die aktivsten Elemente des Klerus auszuspionieren, um alle möglichen Druckmittel gegenüber den einen und Neutralisierungsmittel gegenüber den anderen effektiv einzusetzen”83. Die schwierige Situation der Ukrainer in Bezug auf das Praktizieren ihres eigenen katholischen Ritus kann man in der ersten Phase als einen Anpassungsversuch und daraufhin als eine Hervorhebung der eigenen Identität gegenüber der römisch-katholischen Kirche beschreiben. Im Jahre 1947 hatte man fast ausschließlich mit dem ersten Phänomen zu tun. Zum damaligen Zeitpunkt konnte nämlich die seelsorgerische Tätigkeit ausschließlich im Rahmen des römischen Ritus fortgesetzt werden. Aus diesem Grunde haben alle Priester, ausgenommen Mirosław Ripecki, die Arbeit als Vikare in römisch-katholischen Pfarreien aufgenommen, was sie die schwierigste Periode in der Nachkriegszeit überleben ließ. Diese Anpassung bedeutete jedoch nicht den vollständigen Verzicht auf den Dienst nach byzantinisch-ukrainischem Ritus. Trotz der Verbote reisten einige von ihnen nach Chrzanowo bei Ełk, um dort Mirosław Ripecki bei der Osterbeichte und bei größeren Festen zu helfen. Wahrscheinlich ermutigten sie auch heimlich ihre Gläubigen, ihre eigenen Traditionen, Sitten, Gebete und Lieder aufrechtzuerhalten und zu pflegen. Innerlich fühlten sie sich jedoch zerrissen zwischen dem Gefühl der Zugehörigkeit zur griechisch-katholischen Kirche und der tatsächlichen Teilnahme am Leben der römisch-katholischen Kirche. Deshalb begannen sie unmittelbar nach dem Oktobertauwetter im Jahr 1956, ihre eigene Seelsorgetätigkeit zu reaktivieren, so dass die Beziehungen zu den Gemeinschaften des römischen Ritus von nun an immer lockerer wurden. So hat das Gefühl des Andersseins die pragmatische Akkommodation überwältigt. In der Geschichte der nach Ermland und Masuren im Rahmen der Aktion „Weichsel” umgesiedelten Ukrainer war das Jahr 1947 somit – aus offensichtlichen Gründen – am härtesten. In den nächsten drei Jahren veränderte sich die Situation ebenfalls nicht wesentlich. Erst seit 1952 wurde die Politik gegenüber dieser Gemeinschaft liberalisiert. Das kulturelle und religiöse Leben begann wiederaufzuleben. Es wurde endlich auch erlaubt, die eigenen Traditionen zu pflegen und am religiösen Leben nach dem griechisch-katholischen Ritus aktiv teilzunehmen. 82 83
Ebd., 59. Ebd., 59-60; Hałagida, Między Moskwą, Warszawą i Watykanem, 204.
Grzegorz Bębnik
IM VISIER DER GEHEIMDIENSTE. EVANGELISCHE KIRCHE IN (VOLKS-)POLEN, UNTER BESONDERER BERÜCKSICHTIGUNG VON OBERSCHLESIEN
1.
Forschungsstand
Die Frage nach der Haltung der evangelischen Kirche (in diesem Beitrag wird lediglich die lutherische Kirche – in Polen Evangelisch-Augsburgische Kirche genannt besprochen; die kleine reformierte Kirche mit ihrer Eigentümlichkeit bleibt eine ganz andere Geschichte) in Polen dem seit spätestens 1947 vorherrschenden kommunistischen System gegenüber, und umgekehrt, die Frage nach der Einstellung der kommunistischen Machthaber den Evangelischen und ihrer Kirche gegenüber, ist so kompliziert, dass sie bisher nur fragmentarisch dargestellt worden ist.1 Man kann diese Fragen auch nicht einfach auf die Frage nach dem Grad der Infiltration dieser Kirchen durch verschiedene Verkörperungen polnisch-kommunistischer Sicherheitsorgane reduzieren. Das auf diese Weise gestellte Problem lässt die offizielle, wie auch die halboffizielle Seite dieser Beziehungen außer Acht, die sich jedoch – zumindest teilweise – rekonstruieren 1
Siehe: Bębnik, Grzegorz: Od „Górala” do „Gustawa” – zwierzchnicy Kościoła ewangelicko-augsburskiego na Górnym Śląsku wobec aparatu bezpieczeństwa w świetle dokumentów z archiwów Instytutu Pamięci Narodowej (szkic problemu), „Aparat Represji w Polsce Ludowej 1944–1989” [Von "Highlander" bis "Gustav". – Obere der Evangelisch-Augsburgischen Kirche in Oberschlesien gegenüber dem Sicherheitsapparat im Lichte von Dokumenten aus dem Archiv des Instituts für Nationales Gedenken (Problemskizze), „Der Repressionsapparat in Volkspolen 1944-1989“], Nr. 1/6/2008, 43-77; Ders., Duchowni diecezji katowickiej i cieszyńskiej Kościoła EwangelickoAugsburskiego jako obiekt działań operacyjnych służb bezpieczeństwa Polski Ludowej [Geistliche der Diözese Katowice und Cieszyn der Evangelisch-Augsburgischen Kirche als Zielscheibe operativer Aktivitäten der Sicherheitsdienste der Volksrepublik Polen], in: Jarosław Kłaczkow (Hg.), Polski protestantyzm w czasach nazizmu i komunizmu. Zbiór studiów [Der polnische Protestantismus im Nationalsozialismus und Kommunismus. Eine Sammlung von Studien], Toruń 2009, 308-333; Ders., Opór, współpraca, symbioza. Dylematy zwierzchników kościołów protestanckich w Polsce południowej wobec władz komunistycznych [Widerstand, Zusammenarbeit, Symbiose. Das Dilemma der Leiter der protestantischen Kirchen in Südpolen gegenüber den kommunistischen Behörden], in: Tadeusz J. Zielińsk (Hg.), Władze Polski Ludowej a mniejszościowe związki wyznaniowe [Die Behörden der Volksrepublik Polen und die religiösen Minderheitenverbände], Warszawa-Katowice 2010, 59-83. Notgedrungen werden bei diesem Beitrag die früher in vom Verfasser gemachten Feststellungen ausgenutzt.
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Grzegorz Bębnik
ließ, und zwar anhand der allgemein zugänglichen Unterlagen, die auch größtenteils schon ausgewertet und veröffentlicht wurden, vor allem von Ryszard Michalak und Jarosław Kłaczkow.2 Vor einigen Jahren schien es sogar, dass sich die Geschichte der Evangelischen auch in dieser eher geheimen Hinsicht bald klären wird, als inmitten der Kirche beschlossen wurde, eine Kommission zur Aufklärung der Frage der – damals – mutmaßlichen Zusammenarbeit zumindest einiger Pastoren mit kommunistischen Geheimdiensten einzurichten. Deren Ergebnisse wurden leider nicht veröffentlicht, abgesehen von einigen Aufsätzen, die von einigen Mitgliedern dieser Kommission quasi privat verfasst wurden.3 Ein Postulat nach einer vollständigen Bearbeitung des Problems bleibt also nach wie vor offen. Zu berücksichtigen sind dabei nicht nur geistliche Personen, sondern auch Laien, die – als Effekt der weit fortgeschrittenen Demokratisierung der kirchlichen Strukturen – ihren Platz mit der dazugehörigen Wahlstimme in verschiedenen kirchlichen Gremien innehatten. Diese bleiben bisher außer Acht der Forscher. Auch im hiesigen Aufsatz wurde dieses heikle Thema vor allem durch das Prisma mehrerer „Würdeträger“ in den Reihen der Kirche, also Senioren (was dem heutigen Diözesanbischof entspricht) und Konsenioren (d.h. Bischofsstellvertreter) beleuchtet. Im vorliegenden Aufsatz ist der Fokus auf die evangelische Diözese Kattowitz (poln. Katowice) gerichtet; von 1945 bis 1989 gab es drei Senioren und sechs Konsenioren (einer von diesen wurde später selbst zum Senioren), insgesamt also acht Personen. Unter ihnen sind sechs als registrierte Inoffizielle Mitarbeiter (IM) der verschiedenen Verkörperungen der polnisch-kommunistischen Sicherheitsorganen zu bezeichnen, also glatt drei Viertel. Lediglich einer hatte den Mut, die ihm lästig gewordene Mitarbeit zu brechen; er hatte sowieso im Wesentlichen keine seine Glaubensbrüder belastende Meldungen gemacht. Die geheimen Unterlagen von einem anderen sind nach 1989 komplett verschwunden; allem Anschein nach wurden sie einfach vernichtet oder auch versteckt, vielleicht, um einen wertvollen, langjährigen Mitarbeiter zu schützten. In der Nachbardiözese Teschen (poln. Cieszyn) dagegen gab es zu dieser Zeiten fünf Senioren und sechs Konsenioren (zwei von diesen wurden auch zu Senioren), insgesamt also 2
3
Siehe: Michalak, Ryszard: Kościoły protestanckie i władze partyjno-państwowe w Polsce (1945– 1956) [Evangelische Kirchen und die parteistaatlichen Behörden in Polen (1945-1956)], Warszawa 2002; Kłaczkow, Jarosław: Kościół Ewangelicko-Augsburski w Polsce w latach 1945–1975 [Die Evangelisch-Augsburgische Kirche in Polen 1945-1975], Toruń 2010, 283-344. Bei dieser letzten Veröffentlichung wurden auch die Unterlagen der ehemaligen kommunistischen Geheimdienste ausgewertet; auf die Tätigkeit und die Identität der inmitten der Kirche tätigen „geheimen Mitarbeiter“ wurde aber geradezu kein Wert gelegt. Zu beachten ist vor allem: Szturc, Jan: Duchowni Kościoła Ewangelicko-Augsburskiego w PRL wobec Służby Bezpieczeństwa (1956–1989) [Die Evangelisch-Augsburgische Kirche in der Volksrepublik Polen im Verhältnis zum Sicherheitsdienst (1956-1989)], in: Kłaczkow (Hg.), Polski protestantyzm w czasach nazizmu i komunizmu, 276-307. Siehe dazu auch: Michalak, Ryszard: Środowiska protestanckie wobec kwestii współpracy duchownych ze Służbą Bezpieczeństwa PRL [Evangelische Kreise zur Frage der Zusammenarbeit des Klerus mit dem Sicherheitsdienst der Volksrepublik Polen], in: Stefan Dudra, Olgierd Kiec (Hg.), Kościoły, polityka, historia. Ze studiów nad problemami mniejszości wyznaniowych w Polsce w XX i XXI w. [Kirchen, Politik, Geschichte. Aus Studien über die Probleme religiöser Minderheiten in Polen im 20. und 21. Jahrhundert], Warszawa 2009, 161-175.
Evangelische Kirche in (Volks)Polen
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neun Personen. Unter den Senioren gab es zwei IM (alle nach 1957), unter Konsenioren – drei (alle nach 1969). Insgesamt also vier IM, weil einer, wie gesagt, wurde später zum Senioren gewählt. Allein diese Tatsachen spiegeln das Ausmaß der Unterwanderung der Kirche durch kommunistische Sicherheitsdienste wider. Es ist auch hervorzuheben, dass im hiesigen Aufsatz vor allem Pastoren aus der großen evangelischen Diözese Kattowitz, die das ganze ehemals „preußische“ Oberschlesien in seinen historischen Grenzen (also Kattowitz, Oppeln, Kreuzburg oder Konstadt), aber auch die heutige Wojewodschaft Małopolska (etwa West-Galizien, mit Krakau, Tarnów und Wieliczka) umfasst, berücksichtigt wurden. Es werden aber auch einige Beispiele aus der Nachbardiözese Teschen (aus historischer Sicht gehört das sog. Teschener Schlesien auch zu Oberschlesien) benutzt, und zwar dann, wenn sie dem Verfasser exemplarisch für beschriebene Tatsachen erscheinen. Wenn es um die in den Unterlagen präsente „Fachsprache“ der Geheimdienste und ihre Übersetzung ins Deutsche geht, so beschloss ich, keine eigene Terminologie zu schaffen (das heißt, die polnische Linqua securitatis ins Deutsche zu übersetzen), sondern einfach diese von den Stasi-Aktivitäten zu benutzen; deshalb z.B. „Inoffizielle Mitarbeiter“ (IM) statt in Polen üblicher „Geheime Mitarbeiter“.
2.
Evangelische Unierte Kirche in Polnisch-Oberschlesien
Der polnische Protestantismus in der Zwischenkriegszeit stellte eine bunte Mischung aus verschiedensten Denominationen und Splittergruppierungen dar. Es gab damals z.B. sieben evangelischen Kirchen, darunter zwei reformierte (kalvinistische). Weitere fünf wurden meistens als lutherische Kirchen betrachtet; eine derartige Qualifizierung konnte jedoch trügerisch sein, was gerade die Lage der Protestanten in der schlesischen Wojewodschaft (1922–1939) beweist. Auf dem in unserem Aufsatz fokussierten Gebiet, also im ehemals preußischen Teil der schlesischen Wojewodschaft fungierten damals zwei von diesen Denominationen, die für uns vom Interesse sind, also Evangelisch-Augsburgische Kirche in der Polnischen Republik (poln. Kościół EwangelickoAugsburski w Rzeczypospolitej Polskiej), die der Warschauer Synode mit dem Superintendenten Juliusz Bursche an der Spitze unterstand, und die Evangelisch-Unierte Kirche in Oberschlesien. Die erste von diesen war am stärksten in der unmittelbaren Nachbarschaft vertreten, also im Teschener Schlesien; erst in den 30er wurde sie nach und nach auch im ehemals preußischen Teil der Wojewodschaft präsent. In dieser Region gehörte die Vorherrschaft einer anderen Kirche, die ihre eigene Geschichte und Spezifik hatte – der unierten Kirche. Diese Kirche wurde 1817, zum 300. Jahrestag der Publikation der Thesen Luthers ins Leben gerufen, kraft des Ediktes des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III. Die Idee dieser sog. „altpreußischen Union“ war, eine Situation zu überwinden, bei der die kalvinistische Hohenzollern-Dynastie eine vorwiegend lutherische Bevölkerung regierte. An der Spitze der Kirche sollte der jeweilige preußische König stehen; im Laufe
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der Zeit gewannen aber immer mehr andere Gremien an Macht, wie Synode oder Konsistorium. Es fällt schwer, die neu entstandene Kirche eindeutig als eine lutherische oder reformierte zu definieren. Zweifellos war sie, insbesondere in Oberschlesien, dieser ersten Strömung näher, denn in der Region war der reformierte Glaube schwach vertreten; die einzige geschlossene, dazu aber auch nicht zahlreiche Anhängergruppe lebte in Anhalt (poln Hołdunów) im Kreis Pless (poln. Pszczyna). Als 1922 der östliche Teil der ehemals preußischen Provinz Oberschlesien zu polnischen Wojewodschaft Schlesien wurde, befanden sich auf ihrem Gebiet insgesamt 19 unierte Gemeinden mit etwa 40 000 Gläubigen; sie unterstanden dem Superintendenten in Pless. Die unierte Kirche in der Wojewodschaft strebte danach, ihre Eigentümlichkeit als eine ausgesprochen deutsche Gemeinschaft zu pflegen, indem sie den Eintritt von aus dem Teschener Schlesien zugezogenen Evangelischen in die Kirche erheblich erschwerte, wenn nicht sogar verweigerte. Nach außen wurde es mit der Tatsache begründet, im Effekt der „altpreußischen Union“ sei auch in theologischer Hinsicht eine ganz neue Kirche, d.h. weder lutherisch noch reformiert, entstanden. Dieser Standpunkt war aber gegen Kritik schwer zu verteidigen, denn parallel wurde bei den Unierten die unbeschränkte Aufnahme nicht nur von Gläubigen, sondern auch Pastoren aus Westund Ost-Galizien, aus den dort existierenden Siedlungen der deutschen Protestanten praktiziert.4 Die Situation der unierten Kirche selbst wurde nach und nach schwieriger. Ausreisen der deutschen Gemeindemitglieder nach Deutschland nahmen zu. Andererseits wuchs die Zahl der aus dem Teschener Schlesien Zugezogenen ständig; auch inmitten der Kirche bildete sich allmählich eine Gruppe von Gläubigen, die begann, sich offen als Polen zu bekennen. Noch 1924 wurde in der Wojewodschaft der „Verein der Polnischen Evangelischen“ (poln. Towarzystwo Polaków Ewangelików) ins Leben gerufen mit anfänglich zwei Filialen, in Kattowitz und Königshütte (poln. Królewska Huta, bzw. Chorzów). Es ist offensichtlich, dass dies seitens der Wojewodschaftsverwaltung mehr als enthusiastisch begrüßt wurde. Diese Sachlage veränderte sich wesentlich erst 1937, als am 15. Juli die Gültigkeit der „oberschlesischen“ Genfer Konvention über Schutz der Minderheiten ablief. Der damalige, wegen seiner Polonisierungsversuche bekanntgewordene Wojewode Michał Grażyński entschied sich für eine radikale und aus juristischer Sicht zumindest zweifelhafte Lösung, indem er einen sog. Interimsrat für die Evangelische Unierte Kirche in Oberschlesien gründete, die seitdem für Kirchenangelegenheiten verantwortlich sein sollte. Dieser unmittelbar dem Wojewoden unterstellte Rat bestand natürlich vorwiegend aus Männern, die dem Grażyński gegenüber unbedingt treu blieben. Und weil diese 4
Siehe dazu: Czembor, Henryk: Ewangelicki Kościół Unijny na Polskim Górnym Śląsku (1922– 1939) [Evangelische Unionskirche im polnischen Oberschlesien (1922-1939)], Katowice 1993. Auch: Kłaczkow, Jarosław: Ewangelickie Kościoły Unijne w Drugiej Rzeczypospolitej w latach 1920–1939 [Evangelische Unionskirchen in der Zweiten Polnischen Republik 1920-1939], in: Jarosław Kłaczkow (Hg.), Kościoły luterańskie na ziemiach polskich (XVI–XX w.). W ramach Rzeczypospolitej, państw ościennych i na emigracji [Lutherische Kirchen in den polnischen Ländern (16.-20. Jahrhundert). Innerhalb der Republik Polen, in den Nachbarländern und im Exil], Toruń 2012, 50-71.
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(es waren vor allem Evangelische aus Teschener Schlesien) über die bloße numerische Mehrheit einerseits, über die volle Unterstützung des polnischen Staates andererseits verfügten, war es für sie ein leichtes Spiel, in den ersten zehn Regierungstagen etwa ein Drittel der bisherigen deutschen Pastoren durch polnische Geistliche zu ersetzen.5 Konflikte waren dabei unvermeidlich. Die Position der bisherigen Kirchenobrigkeit wurde zusätzlich durch den plötzlichen Tod des Superintendenten Voss im Mai 1938 geschwächt, der bei der deutschen Volksgruppe (nicht nur unter den Evangelischen) in Polnisch-Oberschlesien unbestritten Ansehen genoss und zugleich zu den erbittertsten Gegnern des Interimsrates zählte. An seine Stelle kam, von Grażyński ernannt, Pastor Hans Harflinger (aus Rawa Ruska/Ost-Galizien gebürtig, also kein Oberschlesier), übrigens der einzige unierte Pastor, der sich in diesem „Kirchenstreit“ für den Wojewoden erklärte.
3.
Nach dem Krieg
Der Krieg, wie auch seine Beendigung brachten tiefe Veränderungen in der Situation der evangelischen Bevölkerung in Oberschlesien mit sich. Nach wie vor galten sie als Deutsche. Ein großer Teil wurde gezwungen seine Heimat zu verlassen. Die neuen Machthaber hatten kein Interesse, eine Vielzahl der evangelischen Kirchen zu dulden. Mit dem Gesetz vom 4. Juli 19476 wurden die bis dato in Polen existierenden lutherischen Kirchen abgeschafft, mit Ausnahme der Lutherisch-Augsburgischen Kirche in der Republik Polen (seit dem Kirchentreffen in Częstochowa im Januar 1945 bezeichnete sie sich inoffiziell als „Polnische Evangelische Kirche“); sie wurde also zur einzigen lutherischen Kirche Polens. Dementsprechend wurde sie seitdem mit der seelsorgerlichen Betreuung aller lutherischen Gläubige betraut. 1948 fand eine neue Gliederung in Diözesen statt, wobei sich Oberschlesien in seinen historischen Grenzen in zweien von diesen vorfand: Teschener und Kattowitzer. Im April 1950 ist die erste Senioren- und Konseniorenwahl nach dem Krieg zu verzeichnen. In der Teschener Diözese waren es Paweł Nikodem aus Ustroń (in diesem Fall wurde einfach die noch zur Vorkriegszeit vorgenommene Wahl anerkannt) und Oskar Michejda aus Teschen, in
5
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Siehe dazu: Szturc, Jan: Tymczasowa Rada Kościelna Ewangelickiego Kościoła Unijnego na Górnym Śląsku 1937--1939) [Vorläufiger Kirchenrat der Evangelischen Unionskirche in Oberschlesien 1937-1939)], Katowice 2003. Auch: Musialik, Wanda: Stosunek władz województwa śląskiego do Ewangelickiego Kościoła Unijnego na Górnym Śląsku [Die Haltung der Behörden der Woiwodschaft Schlesien gegenüber der Evangelischen Unionskirche in Oberschlesien], in: Kłaczkow (Hg.), Polski protestantyzm w czasach nazizmu i komunizmu, 67-84. Gesetz vom 4. Juli 1947 zur Änderung des Dekrets des Präsidenten der Republik Polen vom 25. November 1936 über das Verhältnis zwischen dem Staat und der Evangelisch-Augsburgischen Kirche in der Republik Polen („Dziennik Ustaw Rzeczypospolitej Polskiej“ [dt. Gesetzblatt der Republik Polen] Dz. U. Nr. 52, Pos. 272).
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der Kattowitzer Alfred Hauptmann aus Hindenburg (Zabrze) und Karol Klus aus Kreuzburg (Kluczbork).7 Die Kattowitzer Diözese wurde nach dem Krieg vor verschiedene Probleme gestellt. Infolge der massiven Ausreisen nach Deutschland sank die Zahl der Gläubigen rapide. Nach den Angaben von 1954 sollten sich in insgesamt 65 Gemeinden beinahe 32 000 Mitglieder befinden, die von 19 Pastoren betreut wurden. Statistisch gesehen hatte ein Geistlicher drei Gemeinden und ca. 1700 Gläubige. Ihre Ordination hatten diese Pastoren samt und sonders noch zur Vorkriegszeit in der der Warschauer Synode unterstellten Evangelisch-Lutherischen Kirche bekommen; Priester der ehemaligen unierten Kirche, soweit sie überhaupt nicht nach Deutschland auswanderten, wurden zur Betreuung der bisher bestehenden, trotzdem vehement zusammenschrumpfenden Gruppen der deutschen Bevölkerung in Niederschlesien oder Hinterpommern bestimmt.8 Die nach 1945 von den Evangelischen eifrig betriebene Hervorhebung der Bindungen an das Polentum und – parallel dazu – die Unterstreichung des völligen Bruchs mit der Tradition und dem Erbe der „deutschen“ Unierten Kirche erwies sich als weitaus unzureichend, um das stereotype Bild eines „katholischen Polen“ zu beeinflussen. In dieser Hinsicht war die Situation in Teschener Schlesien weitaus günstiger, denn der hiesige Evangelismus galt schon seit jeher ganz eindeutig als „der polnische Glaube“. Dagegen wurde der Protestantismus, und insbesondere der unierte Protestantismus, im ehemals preußischen Teil der Region, als Hort des Deutschtums angesehen. Nur auf diesem Hintergrund lässt sich der überraschende Eifer verstehen, mit dem sich die Evangelischen von allem, was lediglich die Spur von dem offiziell verfemten „deutschen Geiste“ aufweisen konnte, distanzierten. Der Erfolg war bescheiden; schon in den ersten Tagen nach dem Rückzug der deutschen Truppen wurde die größte und stattlichste evangelische Kirche in Kattowitz, die Heiliger-Erlöser-Kirche bei der Warszawska Straße von dem damaligen stellv. Schlesischen Wojewoden Jerzy Ziętek den Katholiken zur Nutzung übergeben. Rein theoretisch war es als eine nur vorübergehende Maßnahme bedacht, bis zur Beendigung der Renovierung der bei den Kriegshandlungen beschädigten, in der direkten Nachbarschaft gelegenen Marienkirche. Die katholische Seite strebte aber danach, dieser Ausnahmesituation alle Merkmale der Stabilität zu verleihen, indem sie behauptete, die Heiliger-Erlöser-Kirche sei ein Hort „nicht des Protestantismus, sondern eher des Deutschtums“9. Die Kirche wurde konsekriert und dem Hl. Andreas Bobola als Schutzpatron unterstellt. Erst der offene Druck seitens der Wojewodschaftsverwaltung zwang den Kattowitzer Diözesanbischof Stanisław Adamski, in dieser Angelegenheit nachzugeben. Im Juni 1947 erklangen bei der Warszawska Straße wiederum lutherische Hymnen.
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Siehe: Michalak, Kościoły protestanckie, 61-62. Früher war Pastor Robert Fiszkal aus Königshütte (poln. Królewska Huta, bzw. Chorzów) mit den Aufgaben des Senioren betraut; sein Stellvertreter war Pastor Adam Hławiczka aus Kattowitz. Z.B. Pastor Herbert Friedrich Rutz, der vor dem Krieg als Pfarrer der unierten Gemeinde in Nikolai (poln. Mikołów) tätig war, fungierte nachher als evangelischer Geistlicher in Schweidnitz (poln. Świdnica), wo er auch bei der dortigen Friedenskirche begraben wurde. Zit. nach: Michalak, Ryszard, Środowiska protestanckie, op. cit., 153.
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4.
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Situation der Diaspora
Die Geschichte der Evangelischen in Nachkriegspolen ist eine Geschichte der Gemeinschaft, die sich stetig verringerte und in der katholischen Umgebung auflöste. Ein Effekt der nach 1945 stattfindenden Bevölkerungsverschiebungen war die weitgehende Vereinheitlichung der nationalen, aber auch konfessionellen Gegebenheiten; selbst in den Regionen, wo bisher Protestanten in der Mehrheit waren (z.B. in an Polen übergebenen Teilen von Ostpreußen, in Niederschlesien und Hinterpommern) wurde jetzt die katholische (und zugleich polnische) Mehrheit etabliert. Die Evangelischen im Nachkriegspolen wurden zu einer typischen Diaspora-Kirche. Einige noch in den ersten Nachkriegsjahren existierende geschlossene Inseln dieser Konfession, insbesondere in Masuren und in einigen Gegenden Schlesiens wurden in den folgenden Jahrzehnten immer kleiner; oft verschwanden sie auch völlig.10 Ohne größere Irritationen existierte nur die evangelische Insel bei Teschen, ganz nach dem alten oberschlesischen Sprichwort: „Beharren wie der lutherische Glaube bei Teschen“ (obschl. „Trzimać sie choby lutersko wiara pod Cieszynym.”). Alte Klischees und Stereotypen, durch welche polnische Protestanten noch vor dem Kriegsausbruch gesehen worden waren, wurden nach dem Krieg, infolge sowohl von den Deutschen begangenen Grausamkeiten, wie auch der Propaganda zusätzlich verstärkt; nach wie vor bedeutete der evangelische Glaube „den deutschen Glauben“, und ein Protestant – einen Deutschen. Ein solcher Standpunkt wurde gewissermaßen durch einige Umstände gerechtfertigt, wie z.B. deutsch klingelnde Vor- und Familiennamen der einzelnen Pastoren oder Gläubigen, aber auch manche Schicksale während des Krieges. Die Tatsache, dass nach 1945 fast alle in der Unierten Kirche ordinierten Geistlichen Polen verließen, änderte diese Meinung wenig bis gar nicht. An ihre Stelle kamen zwar Ankömmlinge entweder aus dem Teschener Schlesien oder auch aus Mittelpolen, trotzdem wurden auch diese nach wie vor scharf und misstrauisch beobachtet. Als Gegenwehr wurden von den Evangelischen Beispiele der in deutschen Gefängnissen und KZ-Lagern gemarterten polnischen Pastoren in Erinnerung gebracht, die ihre Treue der polnischen Nation gegenüber oft mit ihrem Leben bezahlt hatten; das wohl krasseste Beispiel war Superintendent (und ab 1937 Bischof) Juliusz Bursche selbst, der 1942 als Häftling der Gestapo in Moabit verstarb. Solche Schicksale dienten den polnischen Evangelischen oft als eine Art Legitimation. Bei Ryszard Michalak heißt es dazu: „Bewusstsein betreffs der Geschichte der Evangelischen im Vorkriegspolen und während des Krieges wurde lediglich einigen höchsten Beamten der Konfessions10
Exemplarisch dafür ist das Schicksal der kleinen protestantischen Gemeinde in Steuberwitz (poln. Ściborzyce Wielkie) im Kreise Leobschütz (poln. Głubczyce), die noch im 17. Jahrhundert, im Zeitalter des Dreißigjährigen Krieges von Flüchtlingen aus Böhmen gegründet worden ist. Dank der unbestrittenen slawischen Abstammung wurden sie nach 1945 in überwiegender Mehrheit als Polen anerkannt und konnten deshalb in ihrer Heimat bleiben. In den 1960er und 70er Jahren reisten jedoch fast alle nach Deutschland aus, insbesondere in die BRD. Die dortige Gemeinde umfasst heute etwa 30 Personen, davon leben in Steuberwitz lediglich noch zwei Familien. Siehe: Bębnik, Od „Górala“ do „Gustawa“, 48. Auch. Kłaczkow, Kościół Ewangelicko-Augsburski w Polsce, 187-196.
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verwaltung zuteil. Beamte und Angestellte niederen Grades unterordneten sich (zumindest bis eine entsprechende Belehrung aus Warschau eintraf) dem allgemein verbreiteten Stereotyp ‚Deutscher-Evangelischer‘, was zu Grunde vieler Tragödien unter der polnischen Evangelischen lag. Trotzdem betrachtete der polnische Staatsapparat die Evangelisch-Augsburgische Kirche, in Anlehnung an die Jahre 1918–1945 als die einzige, die – aus seinem Standpunkt – unter der Vielzahl der protestantischen Kirchen eine positive Rolle spielen könnte. Das Ziel des Staates war aber nicht etwaige Unterstützung der Kirche als eine solche, sondern ihre möglichst größte Ausnutzung, bis zum erwarteten Schwinden der Religion mit dem Anbruch des Sozialismus und dann Kommunismus.“11
5.
Eine kleine Kirche und eine große Herausforderung. Mitarbeit...
Der Hauptschlag der sich nach der „Lenkung der Seelen“ sehnenden kommunistischen Machthaber galt vor allem der katholischen Kirche, was ja kein Wunder ist. Bei Adam Dziurok heißt es dazu: „Anderen Kirchen und Glaubensgemeinschaften schenkte man deutlich weniger Aufmerksamkeit. Außer der Periode der größten Repressalien 1950– 1956 hatten die kommunistischen Sicherheitsdienste die Beschattung ihrer Aktivitäten zur Aufgabe, und zwar ohne offensives Vorgehen, das so charakteristisch in Bezug auf die katholische Kirche war.“12 In Bezug auf die evangelische Kirche in Oberschlesien erwies sich die Anwendung der raffinierten „operativen Mitteln“ als überflüssig, denn sowohl wegen der verhältnismäßig geringen Zahl der Kirchenmitglieder, wie auch bei der von der Mehrheit der Gläubigen und Pastoren angenommenen Mimikry-Taktik erschien es als nicht erforderlich. Man kann sogar die Feststellung wagen, dass die Kirche am absoluten Rande des Interesses der Sicherheitsorgane blieb. Erst als im Zuge der zunehmenden Totalitarisierung allmählich alle Gebiete des sozialen Lebens unter Kontrolle der kommunistischen Partei gestellt worden waren, erinnerte man sich auch an die Evangelischen. Auch in dieser Gemeinschaft versuchte man jetzt das geeignete Agenten-Netz aufzubauen.
11
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Siehe: Michalak, op. cit., 47. Siehe hier auch ein interessanter Beitrag von Paweł A. Leszczyński, wo synthetisch die Brennpunkte in der Beziehung zwischen den Evangelischen und dem kommunistischen Staat besprochen werden: Leszczyński, Paweł A.: Między czerwonym bratem a czarną siostrą: zarys wybranych zagadnień polityki wyznaniowej państwa wobec Kościoła EwangelickoAugsburskiego w latach 1945–1989 [Zwischen rotem Bruder und schwarzer Schwester: ein Abriss ausgewählter Themen der staatlichen Konfessionspolitik gegenüber der Evangelischen Kirche Augsburgischen Bekenntnisses 1945-1989], in: Ryszard Michalak (Hg.), Polityka jako wyraz lub następstwo religijności [Politik als Ausdruck oder Folge von Religiosität], Zielona Góra 2015, 389-400. Zu beachten ist der Titel des Beitrages selbst, wörtlich: „Zwischen dem roten Bruder und der schwarzen Schwester“, wobei mit „Schwester“ die katholische Kirche gemeint ist. Siehe dazu: Dziurok, Adam: Metody pracy operacyjnej aparatu bezpieczeństwa wobec kościołów i związków wyznaniowych 1945–1989 [Methoden der operativen Arbeit des Sicherheitsapparates gegen Kirchen und religiöse Vereinigungen 1945-1989], Warszawa 2004, 73-74.
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Nach den Unterlagen der polnischen Sicherheitsorgane lag der geheimen Zusammenarbeit eines Teils der evangelischen Pastoren keineswegs der pure Zwang zu Grunde. In fast allen analysierten Fällen wurden die Mitarbeiter freiwillig angeworben („auf der Basis der Freiwilligkeit“, um eine umgangssprachliche Redewendung aus dem Wortschatz der Sicherheitsorgane zu benutzen).13 Daraus kann man auch die Folgerung ziehen, es wurde vor allem das Loyalitätsgefühl dem Staate und seinen Funktionären gegenüber ausgenutzt. Nicht selten waren Vorbereitungen zur Anwerbung des Kandidaten langwierig, was aber keineswegs aus der Umständlichkeit des Anliegens resultierte; vielmehr war es darauf zurückzuführen, dass der künftige IM (wie erwähnt, im Vokabular der Sicherheitsorgane der Polnischen Volksrepublik als „Geheimer Mitarbeiter“ bezeichnet) schon als sog. Bürgerlicher Kontakt (etwa mit dem „Gesellschaftlichen Mitarbeiter für Sicherheit, d.h. GMS in der DDR gleichzusetzten) blendend mitarbeitete. Deshalb beeilte man sich nicht damit, den Interessierten als IM einzustufen; die Veranlassung dazu bildeten oft erst konkrete Nachfrage, z.B. nach einer „operativen Sicherung“ einer gewissen „religiösen Veranstaltung“. Die Notwendigkeit einer Anwerbung wurde, genauso wie im Falle der katholischen Kirche, damit begründet, dass es Gebot der Stunde sei, einen Informationszufluss betreffs der inneren und äußeren Aktivität der Kirche „sicherzustellen“. Insbesondere diese zweite weckte die Berufswachsamkeit von Beamten aller Erscheinungsformen der IV. Abteilung: die lutherische Kirche pflegte wie wohl keine andere lebhafte Kontakte zum Westen, von wo sie finanzielle und materielle Unterstützung erhielt. In spezifischen oberschlesischen Belangen wurden diese Hilfsmittel überwiegend aus der BRD gewährt, nicht selten von den dort verbliebenen ehemaligen Gemeindemitgliedern oder Pastoren der unierten Gemeinden. Nicht ohne Bedeutung waren auch rein familiäre Bindungen, denn unter den Evangelischen gab es sicher ganz wenige, die in Deutschland (ganz gleich, im Westen oder im Osten) keine Verwandtschaft besaßen. Auch die Vergangenheit der vielen Gläubigen sorgte für Aufmerksamkeit der Sicherheitsorgane; verwickelte oberschlesische Schicksale resultierten in Lebensgeschichten, die für Ankömmlinge recht exotisch erscheinen konnten. Der Umfang der potentiellen „Kompromaten“ schien dort unermesslich: Mitgliedschaft bei vielen deutschen Organisationen und Verbänden, Deutsche Volksliste, Wehrdienst bei der Wehrmacht oder auch SS… Eine andere Sache war, wie schon erwähnt, eine in Deutschland sesshafte Familie, zusätzlich noch zu ihr gepflegte Kontakte.14
13
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„Der Kandidat wird auf der Basis der Freiwilligkeit zur Mitarbeit angeworben werden”, heißt es 1971 in den Unterlagen von IM „Wiktor”. Archiv des Instituts des Nationalen Gedenkens in Katowice [weiter: AIPN Ka], WUSW Bielsko-Biała, Ka 0025/3255, Personalfragebogen von IM „Wiktor”, 23 X 1971, Bl. 7. Es ist ein Beispiel aus der benachbarten Diözese Teschen; obige Formulierung ist jedoch für solche Fälle geradezu musterhaft. IM „Wiktor“, also Pastor Tadeusz Terlik aus Golleschau (poln. Goleszów) in Teschener Schlesien war 1969–1979 der Konsenior der Teschener Diözese. Z.B. der aus dem Dorf Komorniki bei Wieluń (heutige Wojewodschaft Łódź) stammende Pastor Robert Fiszkal konnte schon von Anfang an als „verdächtig“ gelten, und zwar wegen der in seinem Personalfragebogen angegebenen Familienverhältnisse: 1968 lebten drei von seinen Familienangehörigen in der DDR (seine Mutter, sein Bruder und seine Schwester) und drei in der BRD (ein Bruder
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Als gutes Beispiel ist hier das Schicksal von Andrzej Wantuła, der 1959–1975 die Würde des Kirchenbischofs trug, zu nennen. Dieser aus Ustroń im Teschener Schlesien kommende Geistliche, der im Dezember 1939 im Zuge der von den deutschen Besatzern angeordneten sog. „Einwohnererfassung“ seine Volkszugehörigkeit als „schlonsakisch“ angegeben hatte, wurde nachher in die Deutsche Volksliste eingetragen und kämpfte als Wehrmachtssoldat an der Westfront. Nach der Gefangennahme trat er sofort der Polnischen Armee im Westen bei, wobei er als evangelischer Feldgeistlicher zum Oberstleutnant befördert wurde. Dieser war also, je nach Bedarf, als „Sanator“ (Anhänger des politischen Systems der Vorkriegspolens), „schlesischer Separatist“, „Wehrmachtsangehöriger“, „Volksdeutscher“, „Soldat von Anders“ (poln. andersowiec, also ein Soldat des polnischen 2. Korps im Westen, an dessen Spitze der von Kommunisten besonders verhasste General Władysław Anders stand) oder auch, last but not least, als ein „Klerikaler“ einzustufen.15
6.
...oder vielleicht Zurückziehen...
Es scheint, im Falle der evangelischen Kirche hielten es die kommunistischen Machthaber nicht für notwendig, diese mithilfe der für die Auseinandersetzung mit der katholischen Kirche üblichen Repressionsmitteln zu „pazifizieren“; es gibt hier kein Äquivalent zu berüchtigten Prozessen, wie etwa der Krakauer Kurie 1952–53 oder des Diözesanbischofs Czesław Kaczmarek 1953. Das entsprang nicht nur den starken Unterschiedlichkeiten in der Struktur der beiden Kirchen, aber auch in ihrer Situation, unter besonderer Berücksichtigung des Nationalitätsfaktors. Die Pastorenschaft wurde von den aus dem Teschener Schlesien und – im weitaus geringeren Masse – aus Mittelpolen kommenden Geistlichen dominiert, zu deren Vorbild, wenn es um das Verhältnis zu den Machthabern geht, der Kirchenbischof Juliusz Bursche wurde. Ein Mann, der zur Zeit der zweiten Polnischen Republik eifrig mit den polnischen Behörden kooperiert hatte, um das Antlitz der Kirche zu polonisieren, jedoch schon beim Beginn der deutschen Besatzung eine heroische Haltung zeigte, indem er alle Vorschläge
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und zwei Schwestern). In Polen lebte außer ihm kein einziges Familienmitglied. AIPN Ka, WUSW Bielsko-Biała, 0025/492, Bd 1, Personalfragebogen des IMs „Góral”, 22 II 1968, Bl. 9. Als Kirchenbischof wurde Wantuła wegen seiner bedingungslosen Treue den Machthabern gegenüber bekannt. Unter seiner Aufsicht wurde z.B. 1974 der feierliche – und auf schockierende Weise unterwürfige – Aufruf an die evangelische Bevölkerung anlässlich des 30jährigen Bestehens der Volksrepublik Polen verfasst. Der Kirchenbischof selbst fügte noch seine Überlegungen hinzu: „Die Bildung der Volksrepublik Polen bedeutet eine richtige Wende in der tausendjährigen Geschichte unserer Nation. […] die alte Ordnung ist vorbei, die neue [Ordnung] begann. Ihre Bestandteile kann man kurz und knapp in Worte fassen: Gleichheit, Gerechtigkeit, Frieden. […] Der neue Volksstaat begann, uns nach unserer bürgerlichen Haltung zu beurteilen und die Evangelischen gewannen allmählich die Überzeugung, dass die neue Staatsform bereit sei, ehrliche Religionsüberzeugungen und Gewissensfreiheit zu achten...“ Zit. nach: Kłaczkow, Kościół Ewangelicko-Augsburski w Polsce, 341. Seitens der katholischen Würdenträger waren solche Äußerungen – voll des Lobes über ein atheistisches Machtsystem – einfach unmöglich. Diese Eigentümlichkeit wird im weiteren etwas näher besprochen.
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und Forderungen ablehnte, sich für einen Deutschen auszugeben und dementsprechend die lutherische Kirche als Hort des Deutschtums zu gestalten.16 Zu berücksichtigen ist dabei auch der – insbesondere in Polen – nicht immer wahrnehmbare Aspekt der lutherischen Doktrin, das vom „Junker Jörg“ mehrfach und ausdrücklich hervorgehobene Gebot der Loyalität den Herrschenden gegenüber, was später von seinen Nachfolgern auf die Institution des Staates selbst übertragen wurde. Schließlich ein rein polnisches Moment; hiesige Anhänger des Luthertums, die praktisch in der Diaspora, von allen Seiten von den Katholiken umgegeben lebten, brauchten dringend einen Stützpunkt, ein Bollwerk gegen das Element, das von ihnen als unfreundlich, wenn nicht sogar feindlich empfunden wurde. Zur Zwischenkriegszeit war es für die Teschener Evangelischen der polnische Staat, der ihnen eine derartige Stütze bot und damit auch ihre patriotische, propolnische Einstellung belohnte. Dieses Erbe wurde auch, zweifellos absichtlich, von Animateuren des protestantischen Lebens im Nachkriegspolen, einschließlich Oberschlesien, übernommen. Parallel zur Distanzierung zum Deutschtum und der unierten Kirche wurde die Loyalität dem polnischen Staate gegenüber hervorgehoben; immer öfter wurde auch die neue, „demokratische“ Wirklichkeit gepriesen. Inwieweit es eine Taktik, um die Gunst der neuen Machthaber zu gewinnen (sei es, um ein gängiges, stereotypes Bild „Pole-Katholik“ zu neutralisieren), oder Ausdruck einer wahren Überzeugung war, lässt sich nicht mit genügender Sicherheit feststellen. Es steht aber fest, dass aus einigen Anzeigen der einzelnen IM, insbesondere in den ersten Jahren der kommunistischen Herrschaft in Polen, etwaige der kommunistischen Regierung und Regierenden unfreundliche Äußerungen der evangelischen Geistlichen zu entnehmen sind. So wurde z. B. Robert Fiszkal, der erste in der Nachkriegszeit amtierende Senior der Kattowitzer Diözese 1955 wie folgt charakterisiert: „Seine Einstellung Volkspolen und der Sowjetunion gegenüber ist feindlich, was sein Auftreten bei den in Beuthen-Miechowitz im Mai 1955 stattfindenden Besinnungstagen bewiesen hatte. Laut Anzeigen des IMs unter dem Decknamen ‚Olbromski‘ sollte ‚F[iszkal]‘ mehrfach das Wort ergriffen haben und sagte damals u.a.: ‚Die Propaganda zerquetscht heute alles, insbesondere das, was mit der Jugend zu tun hat. Unsere Aufgabe heißt aber, zu predigen, dass soziale Veränderungen von keiner Bedeutung sind. Der Sechsjährige Plan, aber Gottes Wort. Unsere Feinde bedienen sich des Wortes bis zum Überdruss.‘ Ein anderes Mal sollte er sagen: ‚Bei den Besinnungstagen soll man nicht polemisieren, damit uns diese zweite Seite [d.h. die Regierung – Anm. des Verf.] nicht irgendwelcher Unternehmen beschuldigte, sondern dort, wo ihre Schulbücher unsere Stellungen angreifen, einfach die wichtigsten Informationen angeben. Es ist halb so schlimm, denn ihre Lehrer glauben selbst nicht daran, was in ihren Schulbüchern steht‘“.17 Der Pfarrer der kleinen lutherischen Gemeinde in Krakau, Karol Bronisław Kubisz wurde als ein „feindliches Element“ eingestuft, als dem Krakauer Sicherheitsamt bekannt wurde, dass er bei einem Treffen der evangelischen Geistlichen der Kattowitzer Diözese sich für ein so gestaltetes Religionsunterrichtsprogramm 16
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Siehe dazu u.a.: Szilling, Jan: Martyrologia polskiego duchowieństwa ewangelickiego w latach 1939–1945 [Das Martyrium der polnischen evangelischen Geistlichen 1939-1945], in: Kłaczkow (Hg.), Polski protestantyzm w czasach nazizmu i komunizmu, 99-109. AIPN Ka, WUSW Bielsko-Biała, 0025/492, Bd. 1, Charakteristik, 4 II 1955, Bl. 15-16.
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aussprach, das geeignet wäre, sich den Atheisierungsversuchen seitens des Staates in den Weg zu stellen.18 Andererseits wurden solche Haltungen durch spektakuläre Gesten zu Gunsten der neuen Machthaber abgeschwächt; z.B. erklärte Alfred Hauptmann, Pfarrer in Hindenburg (poln. Zabrze), der im August 1949 ins Rathaus eingeladen wurde, um sich mit dem Regierungsdekret über Schutz der Gewissens- und Religionsfreiheit bekannt zu machen19, dass er „das ihm vorgelegte Dekret mit beiden Händen unterschreibe“, denn dieses Dekret sei „ein Ausdruck völliger Toleranz“20. In den folgenden Jahren dagegen, als der vom Staat gelenkte Atheisierungszwang allmählich nachließ, wurden Kontakte mit Vertretern der Sicherheitsorgane von vielen Pastoren als ein Mittel zu anderen Zielen betrachtet, etwa zum Erlangen der in „Volkspolen“ mit seiner Mangelwirtschaft fehlenden Waren, aber auch solchen „Privilegien“ wie ein Reisepass, eine Auslandsreisegenehmigung, eine wohlwollende Einstellung seitens der Zoll- oder Grenzschutzorgane (was z.B. beim Einführen vom „Westen“ etwa Kraftwagen, Baustoffe oder Elemente der inneren Einrichtung der Kirchen von erheblicher Bedeutung war) oder auch seitens der Verwaltungsorgane, z.B. bei den Vermögensstreitigkeiten (nicht selten mit der katholischen Kirche). Insbesondere dieser letzte Aspekt schien diese seltsame Symbiose zu festigen. Nicht ohne Bedeutung war auch die von mehreren Pastoren gepflegte Überzeugung, dass häufige und „fruchtbare“ Kontakte zu Sicherheitsorganen bei der Kirchenkarriere behilflich sein oder zumindest das Absägen eines unbeliebten Kandidaten bewirken konnten. Es ist daraus ersichtlich, dass diese Beweggründe von denen, die in ähnlicher Situation katholischen Geistlichen zuteil wurden, praktisch nicht zu unterscheiden sind.21 Der Unterschied liegt in der unter den Evangelischen verbreiteten Meinung über die Notwendigkeit eines strikten Kooperierens mit dem Staat, die katholischen Priestern eher fremd erschien. Zwar kann man bei den noch in der Vorkriegszeit ordinierten bzw. ausgebildeten Pastoren, zumindest anfänglich, einen starken Kritizismus der neuen Wirklichkeit gegenüber erkennen, im Laufe der Jahrzehnte verschwinden jedoch solch kontestatorische Haltungen fast völlig. Es ist zu vermuten, dass das mit zwei Faktoren zu verbinden ist: Es gab so was wie, erstens, ein Hineinwachsen in eine neue, wenn auch unbeliebte 18
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„…Als nächste ergriff das Wort Pastor [Karol] Kubisz aus Krakau, der sich so äußerte: ‚Man muss unsere Kinder gegen heutige Ideologie erziehen. [Man muss] unter Berücksichtigung dieser Probleme ein Programm des Religionsunterrichts ausarbeiten.‘” Archiv des Instituts des Nationalen Gedenkens in Kraków [weiter: AIPN Kr], WUSW w Krakowie, 004/2306, Bl. 3, Auszug aus der Meldung der Agenturquelle „Olbromski”, 26 III 1953, Bl. 75. Dekret vom 5. August 1949 über Schutz der Gewissens- und Religionsfreiheit („Dziennik Ustaw Rzeczypospolitej Polskiej“ [dt. Gesetzblatt der Republik Polen] Dz. U. Nr. 45, Pos. 334). AIPN Ka, WUSW Katowice, 001/713, Bd. 1, Protokoll von der Konferenz vom 8. August 1949, 8 VIII 1949, Bl. 23. Hauptmans Worte wurden später mehrere Male bei anderen Gelegenheiten zitiert, als Beweis für seine positive Einstellung der kommunistischen Macht gegenüber. Der Unterschied lag aber wesentlich im Ausmaß und – wie es scheint – auch in der Qualität der Mitarbeit. Die „Sättigung” der evangelischen Kirche mit der Agentur war nämlich so groß, dass es oft dazu kam, dass sich zwei IM gegenseitig denunzierten, ohne über die Mitarbeit des anderen Kenntnis zu haben. Z.B. äußerte IM „Janek” sich ausgesprochen kritisch über einen anderen IM, namens „Wiktor”. „Janek” selbst wurde dagegen von den IM „Polański” und „Grażyna” in ihren Meldungen angegriffen.
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Situation und zweitens ein Heranwachsen einer jungen, in der Wirklichkeit des „volkseigenen Vaterlands“ (poln. ludowa ojczyzna) erzogenen Generation von Pastoren, die einfach keine Alternative zu der damals existierenden Staatsform kannten. Daraus folgt, dass sie die Volksrepublik Polen als „ihren“ Staat wahrnahmen und sich auch bereit zeigten, von diesem Staat aufgezwungene Spielregeln zu akzeptieren.
7.
...oder „Nein“ sagen?
Lediglich in einem einzigen von allen bearbeiteten Fällen ist die Anwerbung mithilfe „Kompromaten“ festzustellen. Gerade auf diese Weise wurde 1953 der oben erwähnte Pfarrer der Krakauer Gemeinde K.B. Kubisz „bearbeitet“. Tatsachen, die ihn zu einer Mitarbeit mit Sicherheitsorganen überzeugen (oder besser – zwingen) sollten, waren aber von der ausgesprochen miesen Qualität22; sicher aus diesem Grund wurde entschieden, der Anwerbung ein geradezu abenteuerliches, wie aus einem Gangsterfilm entlehntes Gesicht zu geben. Als der Pastor, am 27. März von Gesprächen im Krakauer Amt für Religiöse Angelegenheiten (poln. Urząd do Spraw Wyznań) nach Hause zurückging, wurde er in aller Öffentlichkeit auf der Straße von „unbekannten“ Tätern in ein Zivilauto geschleppt und „entführt“; im nächsten Polizeiposten wurde ihm die Liste der gegen ihn gerichteten „Vorwürfe“ vorgelegt. Offensichtlich wurde das alles für ausreichend gehalten; bei den Vorbereitungen zur Anwerbung wurde nämlich mit einer spürbaren Satisfaktion hervorgehoben, dass es sich hier um einen „ängstlichen Menschen“ handele.23 Diese Annahme erwies sich freilich bald als völlig falsch.
8.
Mitarbeiter
In der ersten Phase, d.h. bis etwa 1956 wurden auch neu angeworbene Agenten veranlasst, sich schriftlich zur Mitarbeit zu verpflichten. Später wurde es nicht als conditio sine qua non, d.h. eine obligatorische Voraussetzung für die Mitarbeit betrachtet. Oft wurde einfach in einem Agenten-Personalbogen vermerkt, eine entsprechende Verpflichtung sollte erst später, nach der Festigung der Bindungen zu den Sicherheitsorganen entgegengenommen werden. War es aber wirklich so? Die in einzelnen Akten erhaltenen Umschläge, in denen sich solche Verpflichtungen befinden sollten, sind heute in den meisten Fällen leer. Das grelle Licht auf dieses Problem wirft eine vom 22 23
AIPN Kr, WUSW Kraków, 004/2306, Bl. 1, Bericht über Billigung des Kandidaten für IM in Angelegenheiten der Evangelisch-Augsburgischen Kirche, 27 III 1953, Bl. 12. „Der oben Genannte wird zur Ausarbeitung des feindlichen Elements inmitten der Gemeinschaft der evangelischen Gläubigen angeworben werden. Bis jetzt wurde diese Gemeinschaft von der Abteilung XI überhaupt nicht unterwandert; nicht darum, dass etwaige feindliche Aktivität festgestellt wurde, sondern nur wegen des Mangels der Agentur. Es wurde zwar bisher keine feindliche Arbeit dieser Gemeinschaft festgestellt, jedoch Äußerungen des Kandidaten beweisen die Feindschaft gegenüber Volkspolens.“ Ebd., 10-11.
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Oberleutnant Stanisław Lichota aus der Sicherheitsdienststelle in Bielitz eigenhändig geschriebene Notiz in den Akten eines Mitarbeiters „Wiktor“ (Deckname von Pastor Tadeusz Terlik), die die Gründe eingehend erörtert: „Es wird die Taktik angenommen, den Mitarbeiter anzuwerben ohne von ihm eine schriftliche Verpflichtung entgegenzunehmen. Der Kandidat ist ein Geistlicher, gewissermaßen für religiöse Ziele vorgesehen, und deshalb könnte es für die künftige Zusammenarbeit von Nachteil sein, ihm die Unterzeichnung einer Verpflichtung vorzuschlagen. Aus der bisherigen Erfahrung ist ersichtlich, dass solche Personen auf derartige Vorschläge sehr kritisch reagieren; sie lehnen dann jegliche Kontakte mit dem Sicherheitsdienst ab, weil sie überzeugt sind, sie werden als Spitzel angeworben. Darüber hinaus werden mit ihm Gespräche [wörtlich: rozmowy przekonujące, etwa: Überzeugungsgespräche – Anm. des Verf.] geführt werden mit dem Ziel, ihn mehr an unseren Apparat näher zu binden“.24 Es ist auch anzunehmen, dass manchmal selbst ein mehr oder weniger formelles Einvernehmen des Mitarbeiters von Sicherheitsdienstoffizieren als überflüssig angesehen wurde. Das geschah, wenn der Kandidat nach ein paar „Einführungsgesprächen“ einen „guten“ Eindruck machte, d.h. wenn er gesprächig und positiv zu Sicherheitsorganen eingestellt war, und weitere Treffen nicht mied. In solchen Fällen wurde auch seitens der Sicherheitsorgane auf eine formelle Zustimmung verzichtet. Ein gutes Beispiel dafür ist der Fall von Pastor Tadeusz Szurman, der 1982 noch als Vikar bei der Parochie in Schwientochlowitz (poln. Świętochłowice) nach ein paar für den Sicherheitsdienst erfreulichen Treffen als ein IM „Gustaw“ registriert wurde.25 Sehr rar, oder sogar einzigartig sind auch eigenhändig von Vertretern dieser IMGruppe verfasste Berichte; es ist offensichtlich, dass sie ausgesprochen unwillig waren, solche Spuren zu hinterlassen (z.B. bezüglich eines IMs unterm Decknamen „Janek“ wurde geäußert: „Aus seinen [d.h. von IM „Janek“ – Anm. des Verf.] Worten wurde ersichtlich, dass er sich davor fürchtete, seine Meldungen schriftlich zu verfassen.“).26 Im Prinzip waren es SB-Offiziere, die für solche Notizen Verantwortung trugen; bei der Gelegenheit fügten sie darin auch ihre eigenen Bemerkungen ein. Auf diesem Hintergrund fällt insbesondere der „Arbeitsstil“ von IM „Organizator“, also Pastor Jan Karpecki aus Nikolai (poln. Mikołów) auf. Dieser Geistliche, der zusätzlich von 1957 bis 1973 als Konsenior der Kattowitzer Diözese tätig war, pflegte noch als ein „Bürgerlicher Kontakt“, seine Bemerkungen u.a. aus den zahlreichen Auslandsreisen mittels seiner eigenen Schreibmaschine zu verfassen. Dem Führungsoffizier blieb also nichts übrig, als auf so einem Bericht eine Überschrift mit seinem eigenen Dienstgrad und Namen, wie auch dem IM-Decknamen und dem Datum zu setzen; auf diese Weise
24 25
26
AIPN Ka, WUSW Bielsko-Biała, 0025/3255, Personalfragebogen des IMs „Wiktor”, 23 X 1971, Bl. 7. AIPN Ka, WUSW Katowice, 00233/768, Dienstnotiz zum Gespräch mit dem Kandidaten für einen IM „Sz. T.”, 2 XII 1982, Bl. 7. Als Deckname wurde schlicht der Vorname des Vaters von Pastor Szurman verwendet. AIPN Ka, WUSW Bielsko-Biała, 00233/10. Bl. 1, Notatka z przeprowadzonej rozmowy służbowej z kandydatem na werbunek, 8 VII 1966, Bl. 16-17.
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wurde ihm die manchmal mühselige Arbeit mit der Bearbeitung von IM-Äußerungen erspart.27 Es ist aber zugleich zu betonen, dass es ein absoluter Ausnahmefall ist. Treffen fanden mit verschiedener Häufigkeit statt, je nach der dem IM zugeschriebenen Bedeutung. Normalerweise traf man sich einmal pro Monat, weitaus seltener einmal pro zwei Monate (solche Häufigkeit zeugte eher von der marginalen Bedeutung des einzelnen IMs). Es konnte zusätzliche, außerplanmäßige Treffen geben, z.B. nach der Rückkehr des IM von einer aus der Sicht der Sicherheitsorgane interessanten Auslandsreise. Als Treffpunkt wurden vor allem Räume der einzelnen IM benutzt, oder besser – jeweils in Pfarrhäusern untergebrachte Parochie-Kanzleien. Viel seltener traf man sich in Cafés (als ein beliebtestes Lokal ist das Café beim Kattowitzer PoloniaHotel zu nennen, weiter auch im Monopol-Hotel oder Kryształowa-Café in der Warszawska-Straße) oder auch in privaten Autos der IM. Als reine Seltenheit muss man dagegen ein Treffen in einem von den Sicherheitsorganen benutzten „Kontaktraum“ (zu vergleichen mit dem „Inoffizieller Mitarbeiter zur Sicherung der Konspiration und des Verbindungswesens“, der für eine konspirative Wohnung verantwortlich war – IMK/KW) bezeichnen. Diese Treffen hatten also einen geradezu halboffiziellen Charakter und als solche wurden sie auch zweifellos von den meisten IM angesehen.
9.
Belohnung
Nicht weniger interessant scheint die Frage der Belohnung der IM für ihre Denunziationsleistungen. In den bisher bearbeiteten Unterlagen wurde kein Pastor gefunden, der eine Mitarbeit ausschließlich aus materiellen Gründen, also wegen Geldzahlungen aufnahm. Die Entlohnung konnte auch auf eine andere, weitaus subtilere Weise realisiert werden, z.B. mit einer Auslandsreisegenehmigung. Diese Methode wurde aber auch gewissermaßen pauschal benutzt; wenn man einem Kandidaten einen ersehnten Reisepass gewährte, zählte man auch in der nahen Zukunft auf seine messbare Dankbarkeit. So sah es z.B. bei der Anwerbung eines IMs unterm Decknamen „Wiktor” aus.28 Ein weiterer Ausdruck der Anerkennung wurden verschiedene Souvenirs, die bei verschiedenen Gelegenheiten (sei es Geburtstag des IM, sei es auch der Jahrestag des Beginns der Mitarbeit) an einzelne IM ausgehändigt wurden. Jedes Geschenk wurde sorgfältig verzeichnet, egal, ob Blumenstrauß, eine Flasche Schnaps oder Cognac, eventuell auch die Reproduktion eines Kunstwerkes – je nach Geschmack.29 Als ein besonders krasses 27
28 29
AIPN Ka, WUSW Katowice, 005/929, Bl. 1, Meldung: Internationale Konferenz zur Christlichen Erziehung, Belfast 9-27 VII 1962, 3 IX 1962, Bl. 25-26. Auch: Ebd., Meldung von der Dienstreise nach Österreich, Italien und in die Schweiz, 16 VI 1962, Bl. 39-40. Es ist charakteristisch, dass zu den einschlägigen Akten auch – in einem gesonderten Umschlag – eine Schriftprobe von der sich im Besitz des IMs befindenden Schreibmaschine beigelegt wurde. AIPN Ka, WUSW Bielsko-Biała, 0025/3255, Personalfragebogen des IMs „Wiktor”, 23 X 1971, Bl. 7. Aus den Akten von IM „Janek“ erfahren wir, dass Anfang April sein Führungsoffizier, Leutnant Zygmunt Sworzeń seinen Vorgesetzten bat, „dem IM ‚Janek‘ anlässlich seines Geburtstags, der auf den 25. April [19]79 fällt, ein Erinnerungsgeschenk zu machen. ‚Janek‘ ist ein evangelischer Geistlicher, der 1976 zur Zusammenarbeit mit dem Sicherheitsdienst rekrutiert wurde. Er erhält
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Beispiel muss hier der Fall eines unterm Decknamen „Polański“ bekannten IMs, d.h. Pastor Alfred Hauptmann aus Hindenburg (poln. Zabrze) genannt werden. Während der langen, 31 Jahre dauernden Mitarbeit wurde er insgesamt 93mal für seine Denunziationsleistungen belohnt, und zwar verschiedenartig: sowohl in der Form eines Geldbetrages (entweder als eine Prämie für besonders wertvolle Meldungen oder als Aufwandsentschädigung), wie auch verschiedener Geschenke. So bekam er im Februar 1978 „ein Geschenk anlässlich des 45. Hochzeitstages – für gute Mitarbeit“ in Gestalt von „einem Sachpreis im Wert von 1.304 Zloty“30, und ein danach „ein Geschenk im Wert von 1.000 Zloty anlässlich des 70. Geburtstages und 25 Jahre Mitarbeit“31. Im Februar 1982 begab sich der Führungsoffizier vom IM „Polański“, ein Major namens Teodor Sołtysiak, betraut mit einer Sondermission nach Hindenburg – er händigte damals dem IM, wie er es sorgfältig niederschrieb, eine Kristallvase im Wert von 2.800 Zloty „anlässlich der Pensionierung in der Kaplantätigkeit“ aus.32 Dieses Verhalten war eher typisch für ein eifriges Gemeindemitglied als für den Führungsoffizier. Es fand seinen Höhepunkt bei dem Begräbnis des IMs im November 1985: der Genosse Major tauchte damals auf dem Friedhof mit einem aus den „operativen Mitteln“ gekauften Trauerstrauß auf; ein in den einschlägigen Akten erhaltener Kassenbon lässt uns sogar feststellen, dass es sich um 15 Gerbera mit dem dazugehörigen Asparagus handelte, im Gesamtwert von 1 577 Zloty.33 Zu erwähnen ist auch ein von Krakauer Sicherheitsorganen unternommener Versuch, offensichtlich lockere Bindungen des IMs „Szczery“ (poln. Ehrlicher), also Pastor Karol B. Kubisz zu SB wesentlich zu festigen. Dem Pastor wurde ein Geschenk in der Form einer Ledermappe, Wein und Schokolade ausgehändigt. Diese eigenartige, dazu auch verzweifelt erscheinende emotionale Erpressung machte aber auf den Beschenkten keinen Eindruck; scheiterte also völlig.34
10. Interessengebiet Das Spektrum von Fragen und Problemen, die für Sicherheitsorgane von Interesse waren, blieb auch in Bezug auf polnische Evangelische ausgesprochen breit. Es umfasste sowohl innerkirchliche Angelegenheiten (Seelsorge, einzelne Pastoren, Beschlüsse der
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keine Vergütung für die Informationen, die er weitergibt, daher halte ich die Überreichung eines Geschenks und Blumenstraußes anlässlich seines Geburtstags für angemessen.“ AIPN Ka, WUSW Bielsko-Biała, 00233/10, Bd. 1, An den Leiter der Abteilung IV KWMO in BielskoBiała, 4. April 1979, S. 53. Am 9. November 1981 erhielt ‚Janek‘ wiederum „für den Zeitraum von fünf Jahren der Zusammenarbeit mit den SB-Behörden“ aus den Händen desselben Beamten „eine Reproduktion eines Gemäldes im Wert von 1721 Zloty“. Ebd., Bl. 70. AIPN Ka, WUSW Katowice, 001/713, Bd. 1, Verzeichnis der Bezahlungen und Leistungen für IM Evidenznummer 10569, Bl. 122. Ebd., Bl. 122. Ebd. Bl. 123. Ebd. Quittung der Bezahlung für IM „Polański”, Bl. 125/27. AIPN Kr, WUSW Kraków, 004/2306, Bd. 1, Meldung, 14 XII 1953, Bl. 17.
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kirchlichen Gremien aller Art), wie auch besonders jegliche Aktivität der Kirche nach außen, insbesondere deren ausländische Kontakte und Bindungen. In dieser Hinsicht kann natürlich nur die Rede von Westeuropa sein; egal, ob es die vom Westen strömende caritative Hilfe, internationale Treffen und Tagungen oder private Auslandsreisen waren, alles konnte zum Gegenstand der Interessen von den Sicherheitsdienst werden. Die Ziele der Anwerbung jedoch, wie es klar aus den einschlägigen Unterlagen hervorgeht, betrafen meistens allgemeine Probleme; vor allem handelte es dabei darum, den Zustrom von Informationen aller Art zu sichern. Erst später, als „operative Möglichkeiten“ der einzelnen IM schon bekannt waren, erhielten diese ihre spezifischen Aufträge. Die auf ein strikt definiertes Problem orientierten Anwerbungen stellen eher eine Seltenheit dar; zu nennen ist dabei der mehrmals erwähnte Pastor Karpecki aus Nikolai (IM „Organizator“), der zum „völligen“ Mitarbeiter erst im Zusammenhang mit „operativer Sicherstellung einer im Mai 1967 in Kattowitz stattfindenden Beratung des Polnischen Ökumenischen Rates“ wurde (Komischerweise wurde als Thema dieses Treffens die Frage der Jugenderziehung angegeben.). Major Apolinary Kowalik, Leiter der für Angelegenheiten der Evangelischen zuständigen Gruppe III der Abteilung IV schrieb dazu: „Die Eigenartigkeit dieses Treffens macht die Teilnahme der etwaigen aktiven IM unmöglich, denn sie wurden dazu einfach nicht eingeladen.“ 35 Der Kandidat selbst sollte dabei über viele Vorzüge verfügen, was Major Kowalik nicht zu betonen versäumte: erstens, sei dieser „positiv zu unserem Apparat eingestellt, dazu legte er schon in der Vergangenheit, und zwar schriftlich, Meldungen über seine Auslandsreisen“ vor, und letztens sei er auch „fast völlig bearbeitet“.36 Wie bekanntlich, bereitete Pastor Karpecki (seitdem IM „Organizator“) hier keine Enttäuschung. Der „Auslandsabschnitt“ und die damit verbundenen Probleme wurden zur Hauptaufgabe des unbestritten erfolgreichsten IMs aus protestantischen Kreisen, der in den Unterlagen der Kattowitzer SB überhaupt zu finden ist, also IM „Polański“ (Pastor Alfred Hauptmann). Zwar wurde er (im Februar 1954) mit dem Ziel angeworben, über innere Angelegenheiten seiner Gemeinde und der Kattowitzer Diözese zu berichten (insbesondere unter Bezug auf den sog. deutschen Revisionismus), schon ein halbes Jahr später jedoch begann er auch für das Departement XI des damaligen Ministeriums für Öffentliche Sicherheit zu arbeiten.37 Vorübergehend wurde die Mitarbeit im Dezember 1956, angesichts einer vom IM selbst verschuldeten Dekonspirierung eingestellt.38 Das von der SB zum IM „Polański“ gehegte Vertrauen brachte es aber offensichtlich nicht ins Wanken, denn schon im März 1957 wurde er wieder aktiv, diesmal im Zusammenhang mit seiner Reise zu einem Kirchenkongress nach Minneapolis.39 In einer im Februar 1958 anfertigten Charakterisierung heißt es über ihn: „IM ‚Polański‘ ist zur Mitarbeit bereit und bemüht sich, die ihm anvertrauten Aufgaben nach Möglichkeit zu erfüllen. Treffen lässt er im Prinzip nicht platzen. Bisher sicherte er angesichts seiner beschränkten 35 36 37 38 39
AIPN Ka, WUSW Katowice, 005/929, Bd. 1, Dienstnotiz, 13 IV 1967, Bl. 18. Ebd., Bl. 18-19. AIPN Ka, WUSW Katowice, 001/713, Bd. 2, Schreiben vom Departement XI MBP an die Abteilung XI WUBP in Stalinogród (Katowice), 13 VIII 1954, Bl. 315. AIPN Ka, WUSW Katowice, 001/713, Bd. 1, Verfügung über Personalakte, 20 XII 1956, Bl. 130. Ebd., Schreiben des Hauptmanns Pikuła zu den Unterlagen von IM „Polański”, 11 III 1957, Bl. 131.
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Möglichkeiten lediglich den Zufluss von allgemeinen Informationen. Letztens wurden aber dem IM Möglichkeiten eröffnet, Bindungen zum Kirchendienst Ost in der BRD aufzunehmen, wobei er im Oktober d.J. beim Aufenthalt in der BRD die genannte Stelle aufsuchte und mit deren Leiter persönliche Kontakte anknüpfte. Darüber hinaus nahm er ein paar Kontakte zu dortigen polnisch-evangelischen Gruppen auf, als er im September und Oktober die USA und England besuchte. Er beabsichtigt, diese Kontakte zu pflegen.“40
11. Doppelleben des Hindenburger Seniors Die in fünf dicken Bänden gesammelten Spitzelleistungen von „Polański“ verdienen zweifellos eine nähere Beschreibung, denn selbst in den Realien der stark von IM infiltrierten evangelischen Kirche in Polen ist seine Person als eine Sondererscheinung anzusehen. Die Entwicklung seiner Denunziationsleidenschaft lässt sich leicht anhand der nachfolgenden Beurteilungen verfolgen: Nach der erwähnten Beurteilung vom Februar 1958 kamen andere, die konstant immer enthusiastischer wurden. Hauptmann Kisiel schrieb z.B. 1960: „Im Zuge der weiteren Mitarbeit hat man vor, den IM ‚Polański‘ sowohl bei Entlarvung der feindlichen Aktivitäten inmitten des evangelischen Klerus wie auch beim Sondieren der Absichten der Kirchengruppen in der BRD, die auf dem Gebiet des Revisionismus tätig sind, einzusetzen.”41 Als im Dezember 1962 geplant wurde, dem IM eine Sonderprämie zu verleihen, wurde ein Ausdruck der Anerkennung auf folgende Weise begründet: „Das Individuum [IM Polański“ – Anm. des Verf.] ist als eine mit unseren Organen verbundene Person zu bezeichnen […]. Wegen seiner Funktion in der evang[elisch]-augsb[urgischen] Kirche verfügt er über bestimmte Möglichkeiten weiterer Mitarbeit.“42 Danach wurde es immer besser – im „Arbeitsplan“ für 1965 heißt es: „Im Zuge der bisherigen Zusammenarbeit verstand es IM ‚Polański‘, viele wertvolle Meldungen zu überbringen. Seine Haltung zur Mitarbeit, seine Aufrichtigkeit und Bereitwilligkeit, die ihm erteilten Aufgaben zu realisieren geben Anlass zur Feststellung, er sei das geprüfte, mit dem Apparat auf der ideologischen Basis verbundene Individuum, das bereit ist, jede ihm anvertraute Aufgabe zu erfüllen (soweit es in seinen Möglichkeiten steht).”43 Der oben erwähnte Leiter der Gruppe III, Major Kowalik schrieb im Februar 1966: „Der IM ist als eine wertvolle Person zu bezeichnen, die durch ihre Aufrichtigkeit, Objektivität, richtige Verbundenheit mit dem Apparat, den guten Willen, mit uns weiter und noch besser zusammenzuarbeiten gekennzeichnet ist. Er ist als völlig bewährt zu bezeichnen.“ 44 Diese Beurteilung wurde auch im Mai d.J. aufrechterhalten, als Kowalik den IM mit folgenden Worten pries: „Wegen seiner Stellung [in der Kirche] ist er im Abschnitt des 40 41 42 43 44
Ebd., Charakteristik vom IM „Polański”, 17 II 1958, Bl. 144. Ebd., Charakteristik vom IM „Polański”, 23 XI 1960, Bl. 153. Ebd., Bericht an den Leiter der Abteilung III, 11 XII 1962, Bl. 168. Ebd., Arbeitsplan für IM „Polański”, 9 VI 1965, Bl. 177. Ebd., Analyse der Tätigkeit und Verwendung vom IM „Polański” für das Jahr 1965, 1 II 1966, Bl. 199.
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evangelischen und teilweise auch römisch-katholischen Klerus tätig. Seine Meldungen sind ausführlich und vom operativen Wert, sie entsprechen immer der Wahrheit. In den Jahren 1957–1960 und 1965 verblieb er mehrere Male im Ausland. Jedes Mal führte er die ihm gestellten Aufgaben insbesondere in der BRD, in Bezug auf Vorhaben vom ‚Evangelische[s] Hilfswerk‘ und ‚Kirchendienst Ost‘, der Lutherischen Föderation [so im Original; poln. Federacja Luterańska] in der Schweiz und etlichen Personen in Österreich auf. Jedes Mal erfüllte er diese Aufgaben tadellos – seine Meldungen waren wertvoll und objektiv.“ 45 Der letzte Führungsoffizier „Polanskis“, der damalige Hauptmann Sołtysik schrieb noch 1979 im für alle Sicherheitsdienste typischen Jargon: „Der IM ‚Polański‘ besitzt wegen seiner kirchlichen Funktion die objektiven Möglichkeiten, solche operativen Interessen [unsererseits] zu sichern, aber auch richtige Bedingungen, um unerwünschte, vom Kattowitzer [katholischen] Diözesanbischof [Herbert Bednorz] initiierte Erscheinungen auf dem Gebiet der Ökumene zu verhindern. Die ihm in dieser Hinsicht gestellten Aufgaben realisierte der IM ‚Polański‘ richtig, hielt uns auch auf dem Laufenden über die Ergebnisse seiner Erkundungen und Effekte der vorbeugenden Maßnahmen. In der Öffentlichkeit zeigt er ein vorbildliches Verhalten, auf die richtige Weise realisiert er die aus der Bekenntnispolitik des Staates resultierenden Prinzipien. Er ist ein Mitglied von ZBoWiD [„Bund der Kämpfer für Freiheit und Demokratie“- Anm. des Verf.]; ihm wurde das Kavalierskreuz des Ordens der Wiedergeburt von Polen und die Goldene Auszeichnung für die Verdienste um die Wojewodschaft Kattowitz verliehen.”46 Solche Loblieder erscheinen begründet, wenn man „Polanskis“ Leistungen verfolgt.47 Es handelt sich dabei nicht ausschließlich um die nach den für einen Volkspolen-Durchschnittsbürger unerschwinglichen Weltreisen gemachten Meldungen, sondern auch um Errungenschaften auf dem „inneren“ Feld, wo er ohne jegliche Hemmnisse seine eigenen Glaubensbrüder (darunter auch andere Pastoren) denunzierte. Wie es aus den erhaltenen Unterlagen hervorgeht, spielte er bei der „Bearbeitung“ mehrerer IM-Kandidaten eine Schlüsselrolle; zumindest in zwei Fällen (IM „Organizator“ und IM „Janek“) mit gutem Erfolg, denn in Kürze wurden diese Personen als IM angeworben.48 Gewissermaßen „amtlich“ wurde er auch bei der Verifizierung von Meldungen der anderen inmitten der evangelischen Kirche tätigen IM eingesetzt. Er versäumte es auch nicht, 45 46 47
48
Ebd., Charakteristik vom IM „Polański”, 27 VI 1966, Bl. 207. Ebd., Charakteristik vom IM „Polański”, 30 I 1979, Bl. 281. Siehe: Dok. Nr. 77: 1964 September 19, Katowice – Plan zadań dla tajnego współpracownika o pseudonimie „Polański”, pastora Kościoła Ewangelicko-Augsburskiego w związku z jego wyjazdem do Norwegii, Szwecji, Danii i RFN, sporządzony w Wydziale III Komendy Wojewódzkiej Milicji Obywatelskiej w Katowicach [1964, 19. September, Katowice – Einsatzplan für den geheimen Kollaborateur alias „Polański”, Pastor der Evangelisch-Augsburgischen Kirche, im Zusammenhang mit seiner Reise nach Norwegen, Schweden, Dänemark und Westdeutschland, erstellt in der Abteilung III der Woiwodschaftszentrale der Bürgerwehr in Katowice]; hg. von Marek, Łucja, in: Dziurok, op. cit., 371-375. Neben „Polański” wurde bei der „Bearbeitung” von „Organizator” auch ein damals unter den Evangelischen außerordentlich aktiver Mitarbeiter „A-1” (höchstwahrscheinlich Pastor Artur Gerwin aus Teschen), AIPN Ka, WUSW Katowice, 005/929, Bd. 1, Antrag für Bearbeitung des Kandidaten für einen IM, 14 IV 1966, Bl. 3. Was „Janek” betrifft: AIPN Ka, WUSW BielskoBiała, 00233/10, Bd. 1, Dienstnotiz, 18 V 1966, Bl. 9-10. Bei einem der nächsten Überprüfungen nahmen auch IM „Wacław“, „Ryszard“ und „A-1“ teil. Ebd., Dienstnotiz, 7 VII 1966, Bl. 13.
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seine hervorragenden Beziehungen zu SB bei den rein persönlichen Auseinandersetzungen zu nutzen, insbesondere dort, wo er absichtliche Verletzungen seines Prestiges oder Geringschätzung seiner Ämter und Würde vermutete.49
12. Beendigung der Mitarbeit Interessant sind Gründe, die von SB-Offizieren für die Sistierung der Zusammenarbeit angeführt wurden. Zweifelsohne einer der komischsten (obwohl es in diesem Zusammenhang kein zutreffendes Wort ist) Begründungen bleibt beispielsweise die Rechtfertigung in Bezug auf den IM „Organizator“, nämlich das hohe Alter und fortschreitende Taubheit.50 Es ist zu betonen, dass diese Ausschaltung aus dem Spitzelnetz gegen den Willen des IMs geschah. Ein Hauptmann namens Cichoń, der über das Abschiedstreffen mit dem IM berichtete, schrieb nicht ohne einen leichten Hauch von innerer Rührung: „Aus unserem Gespräch zog ich den Schluss, er sei mit unserem SB-Apparat verbunden gewesen. Er erklärte, trotz des hohen Alter ständig bereit zu sein, den Sicherheitsorganen Hilfe zu leisten.“ 51 Für viele IM brachte erst der Tod die endgültige Beendigung der Zusammenarbeit, wie z.B. im Falle von IM „Góral“; unter diesem Decknamen firmierte Pastor Robert Fiszkal, der langjährige Pastor in Weichsel (poln. Wisła) im Teschener Schlesien und in den Jahren 1946–1950 der geschäftsführende Senior der Kattowitzer Diözese52. Viele brachen ihre Zusammenarbeit erst nach der Wende 1989 oder 1990 ab, für einige kam sie erst mit der Umgestaltung der SB in seinen Nachfolger, also des Amts für Staatsschutz (poln. Urząd Ochrony Państwa, UOP), als die damals abgebrochenen Kontakte nicht wieder aufgenommen wurden, wie es allem Anschein nach bei Pastor Tadeusz Szurman (also IM „Gustaw“) lief, der noch im September 1989 über gedrückte Stimmung in der Gesellschaft angesichts der von Mazowieckis Regierung eingeleiteten Wirtschaftsreformen melden sollte53. 49
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Als Musterbeispiel für so ein Verhalten von „Polański” ist hier seine Anzeige gegen den damaligen Pfarrer in Kattowitz, Pastor Adam Hławiczka zu nennen. „Der TW meldete auch”, heisst es, „dass zu diesem Anlass [ein Kirchentreffen – Anm. des Verf.] nach Kattowitz Gläubige aus Bielitz und Teschen, aber auch aus der Tschechoslowakei mit dem Bus kommen. Pastor Hławiczka wurde also gebeten, eine Gruppe von etwa 50 Personen in einem Saal in Kattowitz bei der Warszawska-Straße zu übernachten, weil diese befürchten, sie würden nicht imstande sein nach dem Treffen rechtzeitig nach Hause zu kommen. Pastor Hławiczka gab dazu eigenwillig seine Zustimmung, ohne mit den Senioren der Diözese oder mit der Abteilung für Bekenntnisse beim Wojewodschaftsamt in Verbindung getreten zu sein” AIPN Ka, WUSW Katowice, 02/260, Bl. 2, Auszug aus der Meldung von IM „Polański”, 13 X 1978, Bl. 23. Siehe: Bębnik, Od „Górala” do „Gustawa”, Dok. Nr. 3: 1974 Dezember 18, Katowice – Charakterystyka TW „Organizatora”, duchownego Kościoła ewangelicko-augsburskiego, sporządzona przez kpt. Jerzego Cichonia z Wydziału IV KW MO w Katowicach [Kattowitz - Merkmale des TW „Organisators“, eines Geistlichen der Evangelisch-Augsburgischen Kirche, erstellt von Hauptmann Jerzy Cichoń von der Abteilung IV der Bürgerwehr in Kattowitz], 71. AIPN Ka, WUSW Katowice, 005/929, Bd. 1, Dienstnotiz, 7 VIII 1975, Bl. 136. AIPN Ka, WUSW Bielsko-Biała, 0025/492, Bd. 1, Dienstnotiz, 20 VI 1980, Bl. 23. AIPN Ka, WUSW Katowice, 00233/768, Bd. 2, Dienstnotiz, 26 IX 1989, Bl. 41-42.
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In den einschlägigen Unterlagen wurde lediglich ein Fall entdeckt, bei dem die Mitarbeit vor 1989/90 abgebrochen wurde. Im Juni 1955 verweigerte der IM „Szczery“, also Pastor Karol B. Kubisz aus Krakau die weitere Kooperation mit den Sicherheitsorganen; Ausmaß und Resultate dieser Zusammenarbeit waren für die Sicherheitsoffiziere keineswegs zufriedenstellend gewesen. Die Umstände dieses recht ungewöhnlichen Ereignisses wurden mit einer spürbaren Irritierung von einem gewissen Oberleutnant Mikołaj Swołdek vom Krakauer Wojewodschaftsamt für Öffentliche Sicherheit beschrieben. Zumindest einige Fragmente dieses Textes verdienen, wörtlich zitiert zu werden: „Im Zuge des Gespräches mit ihm [Pastor Kubisz – Anm. des Verf.] stellte ich Fragen zu einigen Personen, die durch ihre feindliche Einstellung [dem Kommunismus gegenüber] bekannt sind, wie Michejda [wahrscheinlich ein Pastor dieses Namens, mit Vornamen Oskar – Anm. des Verf.], [Pastor Wiktor] Niemczyk und andere, d.h. was er über diese sagen konnte und wie er ihre Einstellung der Volksherrschaft gegenüber beurteilt – als Antwort bekam ich seinerseits die Versicherung, diese sei ausgesprochen positiv. Über ihre Kontakte, ihre frühere Tätigkeit wollte er nicht reden. Weiter erklärte er, er will von mir nicht mehr überfallen werden, er will seine Ruhe haben und hat keine Lust, Sicherheitsorgane mit Nachrichten zu versorgen. Er betonte dabei, er habe das Recht auf eine Mitarbeit zu verzichten. Bei diesem Gespräch gewann ich die Überzeugung, er sei ein eingeschworener Feind der Polnischen Volksrepublik – er versäumt alle Verabredungen. Auf die Frage, warum er auch bei der letzten Verabredung nicht auftauchte, bekam ich die Antwort, er habe sein eigenes Leben und wolle nicht einen Spitzel spielen.“ 54 Nach einer derartigen Feststellung wurde die Mitarbeit beendet, und zwar mit sofortiger Wirkung; Pastor Kubisch wurde im Rahmen eines geheimen Vorgehens unter dem Decknamen „Bronek“ unter Beobachtung gestellt. Dieses wurde erst 1959 wegen „Fehlen der Beweise für seine feindliche Tätigkeit gegen die Polnische Volksrepublik“ eingestellt. 55 Zu bemerken ist auch der Fall IM „Janek“; unter diesem Decknamen versteckte sich Pastor Jan Gross, einer der wertvollsten Mitarbeiter der kommunistischen Sicherheits54 55
AIPN Kr, WUSW Kraków, 004/2306, Bl. 2, Bericht über ein Treffen mit dem IM „Szczery”, 29 VI 1955, Bl. 14. Ebd., Bd. 3, Beschluss über Beendigung des geheimen Vorgehens „Bronek“, 5 XII 1959, Bl. 18. Es muss nochmals der Mut des Krakauer Pastoren hervorgehoben werden; wie erwähnt, von den Sicherheitsoffizieren in Krakau wurde er als „ein ängstlicher Mensch” eingestuft. Sein Entschluss, die Mitarbeit auf diese Weise abzubrechen musste also unter seinen „Schutzherren“ reine Verwunderung hervorrufen. Man kann wohl mit Recht vermuten, dass dem Pastor diese Entscheidung nicht allzu leicht fiel; in der im Rahmen des Vorgehens „Bronek” kopierten Privatkorrespondenz von Kubisz schrieb dieser an den damaligen Kirchenbischof Karol Kotula über sich selbst etwa so: „Ich kenne keinen Kampfinstinkt; der Kampf war mir immer hässlich als etwas Menschenunwürdiges. Ich liebe dagegen von ganzer Seele den Frieden und alles, was damit verbunden ist.” Ebd., Brief vom Pastor Kubisz an den Bischof Kotula, ohne Zeitangabe, Bl. 203. Ein anderer Brief an denselben Empfänger lässt keinen Zweifel über die Kubisz‘ Einstellung dem kommunistischen Regime gegenüber aufkommen; als er 1957 für den Pastor Gustaw Broda aus Skotschau [poln. Skoczów] eintrat, schrieb er u.a.: „Alle Augen sind heute auf Dich gerichtet [im Original unterstrichen – Anm. des Verf.] – beweise jetzt, dass Du diesen zur Seite stehst, die alleine mit dieser heutzutage entsetzlich bösen Welt ringen, die in diesem Kampf manchmal Verwundungen erleiden, das Leben büßen.“ Ebd., Brief vom Pastor Kubisz an den Bischof Kotula, 5 VII 1957 r., Bl. 211.
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organe unter der evangelischen Geistlichkeit. „Janek“ wurde nicht nur im Auftrag der Kattowitzer Abteilung II im Ausland eingesetzt, sondern war auch von SB-Offizieren für höhere Würden inmitten der Kirche vorgesehen.56 Wie aus seinen Unterlagen hervorgeht, unterbrach er im November 1983 nach einer Periode der – im wahrsten Sinne des Wortes – blühenden Zusammenarbeit ganz unerwartet seine Tätigkeit. Als offizieller Grund wurde IMs Krebskrankheit genannt, was für einen Führungsoffizier (es war ein Oberleutnant namens Zygmunt Sworzeń) verwunderlich schien, denn „der IM beklagte sich nie über solche Leiden (außer Herzneurose).”57 Trotz intensiver Bemühungen waren SB-Offiziere nicht im Stande, die abgebrochenen Kontakte aufs Neue aufzunehmen; alle Versuche wurden von „Janek“ mit Verweis auf seinen Gesundheitszustand abgewiesen. Welche Ursachen konnten hier zu Grunde liegen? Es ist nicht auszuschließen, dass es sich um verletzten Stolz und Eigenliebe handelte; 1981 verlor Janek die Wahl zum Senior der Kattowitzer Diözese gegen Pastor Rudolf Pastucha aus Beuthen-Miechowitz (poln. Bytom-Miechowice), der „Janek“, wie es aus seinen Meldungen hervorgeht, alles andere als lieb war.58 Die Mehrheit war hauchdünn, denn Pastucha erhielt damals eine einzige Stimme mehr als „Janek“. 1983 bewarb sich „Janek“ um einen Sitz im Konsistorialrat. Auch hier scheiterten seine Bemühungen, obwohl er die volle Anerkennung und Unterstützung seitens der Sicherheitsorgane und der Staatsverwaltung genoss59. Der IM begann möglicherweise damals an der Omnipotenz seiner bisherigen
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AIPN Ka, WUSW Bielsko-Biała, Charakteristik des IMs „Janek“, 2 XI 1983, Bl. 103. AIPN Ka, WUSW Bielsko-Biała, 00233/10, Bd. 1, Dienstnotiz, 14 XI 1983, Bl. 104. In einer nach dem Treffen verfassten Meldung heißt es: „Nach der feierlichen Kirchenweihung [in Warschowitz, am 20. IX. 1981] fand im Gemeindehaus ein Treffen von Mitgliedern des Diözeserates und Geistlichen der Teschener Diözese mit Bischof [Janusz] Narzyński statt. Nach einer kurzen Ansprache des Bischofs ergriff der Senior der Kattowitzer Diözese Pastor [Rudolf] Pastucha das Wort; er griff Pastor Gross wegen seiner Rede anlässlich der Kirchenweihung scharf an und warf ihm vor, ‚er wisse nicht, was er sagt‘, wenn er über den Patriotismus des schlesischen Volkes spreche. Pastor Pastucha sagte anschließend, dieses ‚patriotische‘ schlesische Volk reise heutzutage massenweise in die BRD aus und verzichte auf die Rückreise in die Heimat. Die Äußerung Pastuchas verursachte eine scharfe Reaktion seitens des Bischofs Narzyński, der nach diesem Treffen mit Pastucha ein Gespräch unter vier Augen suchte. Nach seiner gegen Pastor Gross gerichteten Hetzrede griff Pastucha in einer plumpen Ausdruckweise den auch anwesenden Pastor Rudolf Baron [aus der BRD] an, indem er ihn fragte: ‚Kam Baran [ein Wortspiel; „Baron“ und „Baran“ sind beinahe gleichlautend, dieses zweites Wort bedeutet jedoch ‚einen Schafbock‘, was in Polen eine stark abwertende, ja beleidigende Personenbezeichnung ist – Anm. des Verf.], um neue Schafe zu werben?‘ – es war eine Anspielung auf die Ausreisewelle der [Ober]Schlesier in die BRD. […] Pastor Baron, der nach Pastuchas Rede das Wort ergriff, bemerkte, es sei schwierig, Pastor Pastucha und seine Anspielung zu verstehen, denn er selbst wurde ja in Polen geboren, ging barfuß zur Schule und kennt diese Zeiten ein bisschen.” AIPN Ka, WUSW Bielsko-Biała, 00233/10, Bd. 2, Notiz vom Gespräch mit dem IM „Janek”, 16 X 1981, Bl. 87. Bei der Besprechung der Lage in der Kirche, insbesondere als es um einen Nachfolger des Pastors Edward Romański in seinem Amt als Konsistoriumsmitglied ging, schrieb der Leiter des Abteilung IV in Bielsko-Biała, Oberstleutnant Stanisław Kałat an seine Vorgesetzten in Warschau u.a.: „Nach allgemeiner Meinung hat der Pastor Jan Gross größte Chancen, diese Stelle anzutreten. Die hiesige Abteilung IV ist an der Übernahme dieser Stelle durch Pastor Jan Gross interessiert. Im Zusammenhang damit bitte ich, die Realisierung unserer Idee zu erwägen.“ AIPN Ka, WUSW
Evangelische Kirche in (Volks)Polen
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Schutzherren zu zweifeln und beschloss, solch unfähigen Mäzenen den Rücken zukehren. Es dauerte aber nicht lange, denn „Janek“ war zu wichtig, um ihn einfach aus den Händen lassen. Der sowieso vielversprechende Mitarbeiter wurde direkt vom Warschauer Departement IV des Ministeriums des Inneren übernommen. Seitdem wurde „Janek“ von der SB-Zentralle in Warschau geführt; sein Unrechtsgefühl versuchte er schon beim ersten Gespräch mit seinem neuen Führungsoffizier zu kompensieren60.
13. Falsche Hoffnungen Die Hoffnung auf eine Beförderung und rasche Karriere in kirchlichen Strukturen, die ohne Zweifel zu einem der Hauptgründe für eine Anknüpfung und Aufrechterhaltung von Kontakten zu Sicherheitsorganen wurde, entlarvte sich nicht nur in diesem Falle als Trugbild. Der oben erwähnte IM „Góral“ wurde 1976 von SB für das Amt des Senioren der Teschener Diözese vorgesehen; er wurde damals als „ein energischer Mann, der sowohl bei den Geistlichen wie auch bei der hohen Hierarchie von diesem [evangelischen] Bekenntnis Ansehen genießt. Seine ethische und moralische Haltung bleibt tadellos [sic! – Anm. des Verf.].“ 61 Er sollte damals den siechen Senior Piotr Adam Wegert ersetzen, der als IM „Wacław“ registriert war62. Pastor Wegert verzichtete jedoch auf sein Amt erst 1980, als die Kandidatur von „Góral“, aus rein natürlichen Gründen nicht mehr in Frage kam (Pastor Fiszkal verstarb im April d.J.).
14. Schlussfolgerungen Die vorliegende Darstellung dient lediglich dazu, dem Leser Orientierung in der sehr komplizierten Materie des Verhältnisses des kommunistischen Staates, insbesondere aber seines „geheimen Armes“, also der kommunistischen Sicherheitsdienste zur evangelischen Kirche in Volkspolen und deren Obrigkeit zu verschaffen, und zwar am Beispiel der oberschlesischen Region. Das Problem selbst bleibt nach wie vor noch offen und wartet auf eine vollständige Bearbeitung, sine ira et studio. Eins bleibt dabei sicher – es ist unmöglich, ohne vollständige Kenntnisse über Ausmaß und Intensität der Unterwanderung der Kirche durch die Agentur der Geheimdienste das Schicksal dieser Kirche in der polnischen Zeitgeschichte zu verstehen.
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Bielsko-Biała, 00233/10, Bd. 1, Schreiben an den Leiter der Abteilung III, Departement IV Ministeriums des Innern, 5 X 1983, Bl. 99. AIPN Ka, WUSW Katowice, 0040/1042, Bericht über ein Treffen mit dem IM „Janek”, 21 V 1984, Bl. 13-15. AIPN Ka, WUSW Bielsko-Biała, 04/860, Schreiben an den Leiter der Abteilung III Departement IV des Ministeriums des Innern, 4 X 1976, ohne Seitenzahlen. AIPN, WUSW Katowice, 001/1102, Bd. 1, Arbeitsakten des IMs „Wacław”.
Bernard Linek
DER KONFLIKT ZWISCHEN DEM KOMMUNISTISCHEN STAAT UND DER KATHOLISCHEN KIRCHE IN OBERSCHLESIEN
1.
Thema und Ziele
Die ersten 15 Nachkriegsjahre, insbesondere aber das erste Nachkriegsjahrzehnt, stellten in der Geschichte der katholischen Kirche in Oberschlesien eines der schwierigsten Kapitel überhaupt dar.1 Es war eine Zeit unterschiedlichster Prüfungen für die Hierarchen, Priester und Gläubigen. Im 1945 hatten die Herausforderungen zunächst einen existenziellen Charakter und waren gekennzeichnet durch die Erschießung von ca. 30 Priestern durch Rotarmisten, die sich nicht selten schützend vor ihre Gemeindemitglieder stellten. Dies war auch die Zeit der Vergewaltigungen und Morde an hunderten Ordensschwestern durch die sowjetische Soldateska.2 Im Anschluss an diese qualvolle Periode kam die schmerzhafte Zeit der Polonisierung der geteilten Erzdiözese Breslau, während derer ein Teil der als Deutsche betrachteten Priester ausgesiedelt und auf einer ähnlichen Grundlage auch Ordensmitglieder ausgetauscht wurden. Der kurze Zeitraum der Zusammenarbeit zwischen den staatlichen polnischen Behörden und den Kirchenbehörden, als letztere noch die Eigenständigkeit bewahrten, weil die kommunistischen Behörden anfangs gar um ihre Gunst warben, endete bereits mit der vollen Erlangung der politischen Macht durch die Kommunisten zum Jahreswechsel 1946/47. Es folgten zwei Phasen der Auseinandersetzung des kommunistischen Staates mit der Kirche, als man versuchte, diese von innen heraus zu zerstören und von außen zu beherrschen. Bis zur Dekadenwende dominierten geheime und mittelbare Aktivitäten 1
2
Im Artikel berufe ich mich vor allem auf die Materialien und Argumentationen aus der Arbeit: Linek, Bernard: Polityka antyniemiecka na Górnym Śląsku w latach 1945–1950 [Die antideutsche Politik in Oberschlesien in den Jahren 1945–1950], Oppeln 22014. Zu den neusten Versuchen einen Überblick zu bieten siehe auch: Dziurok, Adam: Kruchtoizacja. Polityka władz partyjno-państwowych wobec Kościoła katolickiego w latach 1945–1956 w województwie śląskim/katowickim [Vorhallenpolitik der parteistaatlichen Behörden in Bezug auf die katholische Kirche in der Wojewodschaft Schlesien/Kattowitz in den Jahren 1945/1956], Kattowitz 2012; Żurek, Robert: Kościół rzymskokatolicki w Polsce wobec Ziem Zachodnich i Północnych 1945–1948 [Die katholische Kirche Polens und die West- und Nordgebiete 1945–1948], Stettin-Warschau-Breslau 2015. Sitek, Alojzy: Organizacja i kierunki działalności kurii Administracji Apostolskiej Śląska Opolskiego w latach 1945–1956 [Die Organisation und Richtungen der Aktivitäten der Apostolischen Administratur des Oppelner Schlesiens in den Jahren 1945–1956], Breslau 1986, 57-58.
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Bernard Linek
wie das Behindern der kirchlichen Tätigkeit und die Beseitigung der Kirche aus dem öffentlichen Raum. Mit diesem Handeln ging die Anwerbung von Spitzeln unter der Priesterschaft und den Kirchenleuten einher. Nach den Ausweisungen von Pfarrer Bolesław Kominek aus Oppeln 1951 und der Bischöfe Stanisław Adamski und Juliusz Bieniek aus Kattowitz 1952 geriet die katholische Kirche – unter Beibehaltung der alten Methoden – unter unmittelbare Leitung von Kirchenführern, die dem Sicherheitsamt ergeben waren und es kam zu dem Versuch, sie in das kommunistische System einzupassen.3 Der vorliegende Aufsatz widmet sich diesen drei Phasen unter besonderer Berücksichtigung des deutschen Kontextes der getroffenen Maßnahmen.
2.
Die Periode der Zusammenarbeit (1945 bis 1946)
In den ersten Monaten der Nachkriegszeit kündigte sich dieses vereinfacht dargestellte Schema der gegenseitigen Beziehungen zwischen dem kommunistischen Staat und der Katholischen Kirche keineswegs bereits an. Beide Kattowitzer Bischöfe kehrten Anfang Februar 1945 ohne Hindernisse aus ihrer ersten, nationalsozialistischen Verbannung nach Kattowitz zurück und beteiligten sich von Beginn an aktiv am politischen und gesellschaftlichen Leben der Region. Die Kurie nahm ihre Arbeit nahezu in gleicher Besetzung auf wie zuvor und erwirkte dank staatlicher Behörden die problemlose Rückgabe ihres beschlagnahmten Vermögens. Hohe Kirchenvertreter nahmen an staatlichen Feierlichkeiten teil, und die kommunistische Tageszeitung „Trybuna Robotnicza“ (Arbeitertribüne, TR) veröffentlichte noch im Mai 1945 eine detaillierte und wohlwollende Besprechung des Hirtenbriefes von Bischof Adamski an die Gläubigen.4 Vertreter des Klerus gehörten sogar quasi-repräsentativen Organen an (de facto wurden ihre Vertreter ernannt), die von der Polnischen Arbeiterpartei auf Kreis- und Wojewodschaftsebene aufgestellt worden waren. So nahm u.a. Rudolf Adamczyk5, Pfarrer der Christkönigskathedrale in Kattowitz, mit Erlaubnis des Bischofs ein Mandat zum Wojewodschaftsnationalrat, dem höchsten Selbstverwaltungsorgan, an. 3
4 5
Ausser den genannten Büchern siehe auch verschiedene Arbeiten von Andrzej Hanich (Zum Beispiel: Hanich, Andrzej: Czas przełomu. Kościół katolicki na Śląsku Opolskim w latach 1945– 1946 [Die Umbruchszeit. Die Katholische Kirche im Oppelner Schlesien in den Jahren 1945– 1946], Oppeln 2008) und von Zbigniew Bereszyński. Besonders: Bereszyński, Zbigniew: Aparat bezpieczeństwa Polski Ludowej wobec Kościoła katolickiego na przykładzie Śląska Opolskiego i sąsiednich terenów dolnośląskich w latach 1945–1950 [Der Sicherheitsapparat Volkspolens und die katholische Kirche im Oppelner Schlesien und in den benachbarten Gebieten Niederschlesiens im Zeitraum 1945–1950], Oppeln 2018 (Studia Śląskie 82), 17-42; Ebd., Aparat bezpieczeństwa Polski Ludowej wobec Kościoła katolickiego na przykładzie województwa opolskiego w latach 1950–1956 [Der Sicherheitsapparat Volkspolens gegenüber der katholischen Kirche am Beispiel des Oppelner Schlesiens und der mit dieser Region verbundenen niederschlesischen Gebiete im Zeitraum 1950–1956], Oppeln 2019 (Studia Śląskie 84), 151-180. TR 1945, Nr. 80 von 15 V. Über Pfr. R. Adamczyk: Adamczyk Rudolf – Encyklopedia, Historia Kościoła na Śląsku (https://silesia.edu.pl/index.php/Adamczyk_Rudolf) [16.05.2021].
Der Konflikt zwischen Staat und Kirche in Oberschlesien
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Allerdings ließen sich bereits in den ersten Monaten des Jahres 1945 Signale vernehmen, dass das Oppelner Schlesien, also die formell immer noch unter Leitung von Kardinal Adolf Bertram stehende Diözese Breslau, zu einem Versuchsgelände der Beziehungen zwischen Staat und Kirche werden würde. Nachdem der schlesische Wojewode General Aleksander Zawadzki im März die erste Gruppe von Verwaltungsfunktionären der Regierung dorthin entsendete, führte er eine recht eindeutige Bewertung der katholischen Priesterschaft im Oppelner Schlesien durch. Er stellte fest: „Einer überwältigend großen Zahl der Gemeinden stehen deutsche Pfarrer vor, die sich dem nationalsozialistischen System bedingungslos unterworfen hatten.“6 Er wies die Landräte an, das Verbot deutschsprachiger Messen durchzusetzen. Bei der Verwirklichung dieser Anordnungen gegenüber den Priestern sollte eine zweistufige Taktik Anwendung finden. Zunächst sollte ein „entschiedenes Zureden“ erfolgen, blieb dies ohne Erfolg – die Einweisung in ein Haftlager. Alle Priester sollten von Überwachungsmaßnahmen erfasst und bei jedweder Art prodeutscher Aktivität festgenommen werden. Die einzelnen Landräte bemühten sich, den Anordnungen der Wojewodschaftsbehörden so gut wie möglich nachzukommen, und informierten detailliert über tadelnswertes Verhalten von Geistlichen und Gläubigen. Nicht nur prodeutsche Einstellungen, zu denen bereits deutschsprachige Messen oder das Verlassen der Kirche beim Anstimmen nationaler polnischer Lieder (z.B. „Rota“ oder „Boże coś Polskę”) durch die neu angekommenen polnischen Siedler zählten, wurden als solche aufgefasst, sondern auch anationale Einstellungen, die z.B. dann vorlagen, wenn Priester sich als „Hiesige“ oder „Einheimische“ deklarierten.7 Trotz der wichtigen Rolle, die Bischof S. Adamski bei der Polonisierung der kirchlichen Strukturen in den neuen Gebieten spielte, kam dies gar nicht so selten vor. Gemeint sind hier seine zwei auf Anregung der staatlichen Behörden (und ganz bestimmt mit ihrer Erlaubnis) durchgeführten Reisen nach Breslau im Mai und Juni 1945, die Ausgangspunkt der Übernahme der bislang deutschen Diözesen durch die polnische katholische Kirche wurden.8 Während seiner ersten Reise nach Breslau erhielt er von Generalvikar Pfarrer Josef Kramer, der im oberschlesischen Teil der Diözese Kardinal Bertram vertrat, die Erlaubnis zur Übernahme der Fürsorge für die dortige Priesterschaft. Er sollte den Priestern bei Behördenkontakten mit Rat und Tat zur Seite stehen. Es wurde festgelegt, die in den einzelnen Dekanaten ankommenden polnischen Priester in den Gemeinden einzusetzen. Genannte Vollmachten sollen den Schwierigkeiten beim Aufrechterhalten der Verbindung des oberschlesischen Teils der Erzdiözese mit Breslau entsprungen sein. Schon damals informierte Bischof Adamski das Kapitel darüber, dass sich die polnischen Machthaber dazu entschlossen hatten, aus den neuen Gebieten, d.h. aus den Territorien bis zur Oder und Lausitzer Neiße, alle nationalen Minderheiten zu entfernen. Es sei daran erinnert, dass in jenem Monat in Warschau mehrere Treffen der Polnischen Arbeiterpartei und der Regierung auf höchster Ebene stattfanden, auf denen die
6 7 8
Linek, Polityka antyniemiecka, 115. Ebd. 118-119. Detailliert: Żurek, Kościół rzymskokatolicki w Polsce, 116-150.
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Bernard Linek
Entscheidung über eine möglichst schnelle Beseitigung der deutschen Bevölkerung aus den neuen polnischen Gebieten oder ihre Zuweisung in Arbeitslager fiel.9 Auch bei der Nominierung der apostolischen Administratoren durch Kardinal August Hlond spielte Bischof Adamski eine nicht unerhebliche Rolle. Der Primas traf am 3. August in Kattowitz ein, wo eine Konferenz beim Ordinarius stattfand. In deren Verlauf kam es zu einem Treffen mit Pfarrer Bolesław Kominek10, den er darüber informierte, dass er für die Übernahme des Postens des Apostolischen Administrators des Oppelner Schlesiens vorgesehen war. Parallel dazu traf sich der Primas zudem mit dem Wojewoden Zawadzki und informierte ihn über seine Pläne. Am 15. August ernannte der Primas drei apostolische Administratoren für die geteilte Erzdiözese Breslau mit den Befugnissen eines residierenden Bischofs. Am 1. September übernahm Pfarrer B. Kominek die Apostolische Administration im Oppelner Schlesien. Damit wurde die Diözese Breslau de facto geteilt, und zwei oberschlesische Hierarchen nahmen die Mühen des Wiederaufbaus und der Organisation des religiösen Lebens auf sich. Diese großen Persönlichkeiten unterschieden sich in vielerlei Hinsicht. Bischof Adamski stammte aus Großpolen, wo er nicht nur den politischen deutschpolnischen Konflikt an der Wende zum 20. Jahrhundert erlebt, sondern auch die Koexistenz verschiedener nationaler Gruppen innerhalb der Kirche, die er in den dreißiger Jahren erfolgreich auf die Diözese Kattowitz übertragen hatte.11 Bereits in jenem Jahrzehnt war er zum standhaften Verteidiger des Rechts der Kirche auf die religiöse Erziehung der Kinder geworden. Bis zu seinem Lebensende zeichnete er sich durch diese kompromisslose Lebenseinstellung aus. Pfarrer Kominek war einer der herausragenden Repräsentanten der katholischen Kirche in Oberschlesien. Er gehörte zur bereits in einem unabhängigen Polen aufgewachsenen Generation, deren Denken sich einerseits in nationalen Kategorien vollzog, andererseits von einer positiven Einstellung gegenüber modernen Ideen geprägt war. Wichtiger in diesem Kontext ist aber, dass sein Handlungsspielraum in den Beziehungen zu den Behörden wesentlich geringer war und er viel öfter Kompromisse eingehen musste. In der Realität der Kirche im kommunistischen Polen stand er dem neuen Primas Stefan Wyszyński näher, als den unerschütterlichen Hierarchen, wie etwa dem Krakauer Metropoliten Adam Sapieha oder dem erwähnten Adamski. Man muss allerdings unterstreichen, dass sich weder Kominek noch Wyszyński gegenüber den kommunistischen Machthabern nachgiebig zeigten und zu deren Werkzeugen wurden, obwohl es unter den Kirchenoberen, auch in Schlesien, an solchen Haltungen nicht fehlte.
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Borodziej, Włodzimierz/Lemberg, Hans (Hg.): Die Deutschen östlich von Oder und Neiße 1945– 1950, Bd. 1, Marburg 2000. Über Pfr. Kominek: Hanich, Andrzej: Ksiądz infułat Bolesław Kominek: pierwszy administrator apostolski Śląska Opolskiego (1945–1951) [Apostolischer Protonotar Bolesław Kominek, der erste Apostolische Administrator des Oppelner Schlesiens (1945–1951)], Bd. 1, Oppeln 22015. Grajewski, Andrzej: Wygnanie [Die Ausweisung], Kattowitz 1995.
Der Konflikt zwischen Staat und Kirche in Oberschlesien
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Am 9. September traf Pfarrer Kominek mit einem vom Wojewoden Zawadzki geschenkten Auto, das zuvor in polnischen Nationalfarben geschmückt worden war, zur Amtsübernahme in Oppeln ein, was sicherlich charakteristisch war.12 Trotz dieser Geste nahmen die Staatsbehörden die Entscheidung zur Ernennung der Administratoren im September 1945 nicht zur Kenntnis, was später große rechtliche Schwierigkeiten brachte, und verlangten die Einsetzung polnischer Bischöfe in den neuen Gebieten. In der Propaganda der Kommunisten kam das Argument der Grenze an Oder und Neiße vielfach zum Vorschein. Zugleich kündigten sie jedoch an, sich nicht in die kirchliche Arbeit einzumischen.13 Diesem ersten ernsthaften gesamtpolnischen Streit waren bereits weitreichendere Konflikte zwischen den staatlichen Behörden und Bischof Adamski in Oberschlesien vorausgegangen. Letzterer bemühte sich im Rahmen des Möglichen, sein Wort vom Mai zu halten und sich um die deutschen Katholiken im ehemaligen Regierungsbezirk Oppeln zu kümmern. Damit in Zusammenhang stand sein Brief vom 27. Juli 1945 an Władysław Kiernik, Minister für Öffentliche Verwaltung, in dem er gegen die Art und Weise der Aussiedlungen der deutschen Bevölkerung im Vorfeld des Potsdamer Abkommens scharf protestierte und die angewandten Methoden „grauenvoll und kompromittierend“ nannte. Dies war eine der wenigen Proteststimmen in dieser Sache.14 Ein wesentlich größeres Durcheinander in Oberschlesien rief eine Rede von Pfarrer Adamczyk auf einer Sitzung des Wojewodschaftsnationalrates am 31. Juli des Jahres hervor.15 Darin unterzog er die bisherige polnische Nationalitätenpolitik in der Region einer grundlegenden Kritik, was sich ganz besonders auf die sog. nationale Rehabilitierung der zuvor in die Volksliste aufgenommenen polnischen Staatsbürger bezog. Dies betraf den Kattowitzer Teil der Region, aber der Pfarrer der Kattowitzer Kathedrale beschrieb dabei auch die ersten Auswirkungen der polnischen Nationalitätenpolitik im Oppelner Schlesien überaus treffend: „Die bereits angerichteten Schäden […] sind nicht wiedergutzumachen, und man kann nur Gott danken, dass es im Oppelner Schlesien kein Plebiszit mehr geben wird, weil in einem solchen Fall die polnische Sache auf diesem Gebiet verloren wäre […].“ Seine Ausführungen trafen auf der Sitzung des Wojewodschaftsnationalrates, über die in der Kattowitzer Tagespresse laufend informiert wurde, auf äußerst scharfen Widerspruch. In der Presse wurde über die Ansichten von Pfarrer Adamczyk kurz oder nicht berichtet. Das war bezeichnend für den Platz der katholischen Kirche in der Öffentlichkeit in den späteren Jahrzehnten. Bereits im Oktober 1945 lässt sich schon das in den kommunistischen Medien später vielfach angewendete Schema eines propagandistischen Angriffs im „Dziennik Zachodni“ [Westliche Tageszeitung, DZ], der damals größten und nur formell unabhängigen Zeitung entdecken, die über eine Situation in Mikultschütz berichtet, wo der 12 13 14 15
Dziurok, Kruchtoizacja, 33. Linek, Polityka antyniemiecka, 137. Ebd., 123. Lesiuk, Wiesław (Bearb.): Przemówienie ks. dra Rudolfa Adamczyka wygłoszone na posiedzeniu Wojewódzkiej Rady Narodowej w Katowicach w dniu 31 lipca 1945 r. [Die Rede Pfr. Dr. Rudolf Adamczyks gehalten auf der Sitzung des Wojewodschaftsnationalrats am 31 Juli 1945], Oppeln 1993 (Śląsk Opolski Nr. 1).
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örtliche Dekan, ein Deutscher, Priestern aus Ostpolen, die gerade mit den sog. Repatriierten angekommen waren, keine Übernachtungsmöglichkeit gab, obwohl er über eine Villa verfügte.16 Ebenfalls im Oktober 1945 kam es im Parteiorgan „Trybuna Robotnicza“ zu einem ersten persönlichen Angriff auf Pfarrer Kominek. Ihm wurde vorgeworfen, der Germanisierung Schlesiens mit dem Ausspruch „Schlesien gehört den Schlesiern! Es gibt hier keine deutschen Pfarrer, sondern nur Pfarrer oberschlesischer Abstammung“ Vorschub zu leisten. Bezeichnend für die spätere Politik des Staates war auch die Tatsache, dass ein repatriierter Pfarrer diesen Vorwurf in einem anonymen Brief erhoben haben soll.17 Als symptomatisch erwies sich zudem die Tatsache, dass der als Reaktion darauf eingegangene Protestbrief des Administrators von der Redaktion nicht veröffentlicht wurde.18 Auf dem Gebiet der Verwaltung gehörte die Frage der Beibehaltung einer größtmöglichen Anzahl von Priestern, die in ihren Gemeinden bereits in der Vorkriegszeit eingesetzt worden waren, zweifellos zu den Prioritäten der von Pfarrer Kominek betriebenen Politik. Es bestand eine ernsthafte Gefahr, dass infolge der in dieser Zeit durchgeführten nationalen Segregation der Bewohner der Region die verbliebene schlesische Bevölkerung ohne Seelsorger dastehen konnte. Man wagte auch nicht darauf zu zählen, dass aus den Reihen der infolge der Besatzungszeit dezimierten polnischen Geistlichkeit Priester in benötigter Zahl nach Oberschlesien kommen würden. Zu einem ähnlichen Ergebnis hätte auch die Verwirklichung der Idee führen können, schlesische Priester in polnische Gemeinden zu versetzen, damit sie dort den „polnischen Geist“ aufnehmen konnten, und sie durch polnische Geistliche zu ersetzen. Dank der entschiedenen Haltung des Administrators schon im 1946 übten etwa 600 alte und neue Priester im Oppelner Schlesien die Seelsorge aus, was etwa 90% der Zahl aus der Vorkriegszeit entsprach. Darunter befanden sich 350 einheimische Geistliche.19 Weitere Angelegenheiten von hoher Priorität waren für Pfarrer Kominek die Polonisierung der Liturgie und der religiösen Bräuche sowie die Maßnahmen zum Zusammenschluss aller Bevölkerungsgruppen im Rahmen der polnischen nationalen Ideologie. Dabei bediente er sich zumindest aus heutiger Sicht kontroverser Mittel. So ordnete er 1946 unter der Losung der Beseitigung „fremden Plunders und fremder Asche“ die Polonisierung der Inschriften in den Kirchen und an den Wegkreuzen an, was die staatlichen Behörden automatisch zu entsprechenden Maßnahmen in Bezug auf den zweitgenannten Punkt verleitete.20 In seinen an die Priester gerichteten Briefen warnte er diese entschieden vor jedweder Art prodeutscher politischer Betätigung. Hinsichtlich der Zurschaustellung ihrer Verbundenheit mit der Region mahnte er dagegen zurückhaltender. Im Lichte dieser 16 17 18
19 20
DZ 1945, Nr. 242 z 16 X. TR 1945, Nr. 245 z 28 X. Archiwum Państwowe w Opolu [Staatsarchiv in Oppeln, AP Op.], Starostwo Powiatowe w Oleśnie, Sign. 32, Schreiben Pfr. B. Kominek an die Redaktion von „Trybuna Robotnicza” vom 6. XI. 1945. Sitek, Organizacja i kierunki działalności kurii Administracji Apostolskiej, 57-58. Linek, Polityka antyniemiecka, 129.
Der Konflikt zwischen Staat und Kirche in Oberschlesien
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Haltung verwundern die bereits zu diesem Zeitpunkt gegen ihn erhobenen Vorwürfe der Unterstützung von Deutschen und des sog. „Schlesiertums“. In einem aus den fünfziger Jahren stammenden Schreiben Pfarrer Komineks, das er an Primas Wyszyński richtete, gestand er nur den Vorwurf ein, kirchliche Stellen mit Schlesiern besetzt zu haben, aber seiner Meinung nach sei die Polonisierung Schlesiens mit schlesischen Händen der richtige Weg zur Integration der Region mit Polen gewesen.21 Es ist schwer, eine eindeutige Antwort auf einen der zentralen Vorwürfe zu finden – der Administrator habe die deutsche Sprache bei Beichten toleriert. Wie es scheint, war Pfarrer Kominek in dieser Frage Gegner radikaler Schritte, wenngleich er sich selbstverständlich für eine möglichst umfängliche Einführung des Polnischen im Leben der Kurie und der Gläubigen aussprach. Das hier angeschnittene Problem der Seelsorge in deutscher Sprache 1945 und in den folgenden Jahren gehört ebenfalls zu den kontroversen Angelegenheiten. Zur Erinnerung: Bereits im März hatten die Wojewodschaftsbehörden die Kurie angewiesen, jedwede Art von Messen in deutscher Sprache im Oppelner Schlesien zu verbieten. Das Versprechen, sich um die deutschen Gläubigen zu kümmern, machte Bischof Adamski im Mai. Eine ähnliche Empfehlung fand sich in den praktischen Normen wieder, die der Primas in der zweiten Jahreshälfte 1945 vorbereitete22. Hinter den Kulissen übte auch Pfarrer Kominek erfolgreich Druck auf die staatlichen Behörden aus. Im Oktober 1945 erhielt er die Erlaubnis, für die in den Lagern inhaftierten Gläubigen heilige Messen an Sonn- und Feiertagen zu halten, dabei musste aber auf Predigten verzichtet werden. Das war allerdings zu einer Zeit, als Lager dieser Art von den Kreisbehörden nach und nach aufgelöst wurden. Es existieren in den Quellen überdies Spuren, die darauf hinweisen, dass es ihm gelungen war, die Seelsorge für deutsche Katholiken in den Kreisen Neisse, Grottkau und Falkenberg zu organisieren, jedoch ohne dabei spezielle Gemeinden für sie zu einzurichten. In den darauffolgenden Jahren gab es nur in den Aussiedlungslagern eine seelsorgerische Betreuung in deutscher Sprache. Wenn man sich die entschiedene Haltung der Staatsbehörden in Erinnerung ruft, darf man berechtigte Zweifel hegen, ob es damals überhaupt eine Möglichkeit vonseiten der polnischen katholischen Kirche gab, der auszusiedelnden Bevölkerung eine breitere Seelsorge angedeihen zu lassen.23 Bei dieser Gelegenheit sollte angemerkt werden, dass Pfarrer Kominek im März 1946 ein Schreiben an den Wojewoden Zawadzki richtete, in dem sich folgender prophetischer Passus findet: „[…] in dem gegenwärtig als Lager für Deutsche genutzten Komplex in Łambinowice [Lamsdorf] […] kam es zu Dingen, die uns früher oder später im Ausland kompromittieren […] und uns in eine Reihe mit dem nationalsozialistischen Regime stellen könnten.“24 Auch in dieser Aussage dominiert die Taktik des Staatsmannes, nicht die christliche Sorge eines Geistlichen. Im Anschluss an die unorganisierten Angriffe 1945/46 kam es zu einer weiteren Initiative der Wojewodschaftsbehörden, die sich gegen einheimische schlesische 21 22 23 24
Archiwum Diecezji Opolskiej, Sprawy polsko-niemieckie. Linek, Polityka antyniemiecka, 135. Siehe Anm. 18. Linek, Polityka antyniemiecka, 175.
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Bernard Linek
Priester richtete. Im Dezember 1945 wurden ausführliche Fragebögen an die Landräte versandt, in denen nach Staatsangehörigkeit, Nationalität und Volkslistengruppe der Priester gefragt wurde sowie nach ihrem Verhalten während der Besatzungszeit und ihrer Haltung gegenüber dem polnischen Staat und Volk.25 Dies war eine weitere, deutliche Anordnung, diese Personengruppe unter Aufsicht zu stellen und ein Signal dazu, Informationen über sie zu sammeln, um diese im Fall eines künftigen Konflikts mit der katholischen Kirche nutzen zu können. Sowohl die Presse als auch die Wojewodschaftsbehörden holten in dieser Zeit die These von der nationalen Diskriminierung unter den Priestern wieder hervor. Einer der Vorwürfe lautete wie folgt: „Die reichen Gemeinden befinden sich nach wie vor in den Händen deutscher Priester, während zahlreiche repatriierte Priester keinen Gemeinden zugeteilt wurden und das Leben obdachloser Irrfahrer führen.“26 Der klassen-nationale Gegensatz „deutsche Geistliche – obdachlose-Priester“ wurde zu einem der beliebtesten Wendungen des Wojewoden Zawadzki, womit auch deutlich wurde, auf welche Gruppe die kommunistischen Behörden ihren Kampf gegen die Kirche stützen wollten.
3.
Der Aufbau von Bindungen (1947 bis 1951/52)
Nach der Volksabstimmung vom 30. Juni 1946 und der unter schwachem Protest aus dem Ausland erfolgten zügigen Zerschlagung der politischen Opposition wurde mehr und mehr deutlich, dass die Auseinandersetzung zwischen Staat und Kirche um die Anwesenheit einzelner Priester in der Region bereits voll im Gange war. Nun übernahm die politische Polizei den Kampf gegen die Katholische Kirche, und die Funktionäre der Sicherheitsbehörden wurden dazu verpflichtet, unter den Geistlichen Spitzel zu rekrutieren. Diese Aufgabe sollten die besten Funktionäre übernehmen und dazu das Einsatzbudget nutzen. In der zweiten Jahreshälfte 1946 kam es zu spektakulären Aussiedlungen herausragender oberschlesischer Priester sowohl aus der Diözese Kattowitz, als auch aus Apostolischen Administratur durch die Wojewodschaftsbehörden. Aus der benannten Diözese wurde u.a. Pfarrer Franciszek Woźnica (vgl. Franz Wosnitza) ausgesiedelt, der während der Kriegszeit den Bischof-Ordinarius vertreten hatte und bekannten Historiker der Geschichte Oberschlesiens, Pfarrer Josef Knossalla. Aus dem Oppelner Schlesien wurde Bischof Josef Nathan in die Tschechoslowakei ausgewiesen.27 Allgemein war die Einstellung der Hierarchen immer noch zurückhaltend. Noch im Vorfeld der Wahlen vom 19. Januar 1947 veröffentlichte Bischof Adamski ein Rundschreiben, in dem er darum bat, keine politische Agitation zu betreiben. Pfarrer 25 26 27
Ap Op., Starostwo Powiatowe w Opolu, Sign. 332, Schreiben der Wojewodschaftsbehörden an den Starosten vom 18. XII. 1945. Mehr darüber: Linek, Polityka antyniemiecka, 138-139. Dziurok, Adam: Wysiedlenia i wyjazdy księży z diecezji katowickiej [Aussiedlungen und Ausreisen Pfarrern aus der Diözese Kattowitz], in: Bernard Linek, Adam Dziurok (Hg.), Górny Śląsk w Polsce Ludowej [Oberschlesien in Volkspolen], Bd. 3, Wysiedlenia – emigracje – przyjazdy [Aussiedlungen – Auswanderungen – Einwanderungen], Kattowitz-Oppeln 2021, 230-249.
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Kominek machte seine Wahlentscheidung für die Liste Nr. 3 des prokommunistischen Blocks der Demokratischen Parteien öffentlich. Allerdings nahm sogar er eine immer passivere Haltung gegenüber den verschiedenen Forderungen der Wojewodschaftsbehörden ein. Die Gemeindegeistlichen wiederum leisteten entschiedenen Widerstand gegen antideutsche Maßnahmen, und ein Pfarrer im Kreis Neisse fragte Personen, die die deutschen Inschriften auf dem Friedhof beseitigen wollten, ob man denn so etwas auch in Lemberg mache.28 Die nationalen Fragen spielten in der Politik des Staates inzwischen keine wesentliche Rolle mehr, sie dienten – wenn überhaupt – nur noch als Vorwand zur Repression und Anwerbung. Im zweiten Fall betraf es sowohl einheimische als auch zugewanderte Priester, an deren Patriotismus man appellierte. Der Kurie waren die Methoden bekannt. In einem Rundschreiben ordnete Bischof Bieniek an, sich in einem solchen Fall auf die Unvereinbarkeit dieser Funktion und der katholischen Lehre zu berufen. Kam es dagegen zu hartnäckigen Anwerbungsversuchen, sollten die betroffenen Priester die Funktionäre an die Kurie verweisen.29 Allerdings wurden gegenüber Priestern vor allem sanfte Methoden angewandt, sie wurden langsam in die Enge getrieben und in das politische System eingesaugt. Anfangs handelte es sich beispielsweise um Bitten, die Kirchenglocken an staatlichen Feiertagen erklingen zu lassen, die Messen aus ähnlichen Gründen zu verlegen oder staatliche Aktionen von der Kanzel herab zu unterstützen. Ab 1948 wurden aus den Bitten mehr und mehr Forderungen und aus den Gesprächen Vorladungen in die Behörden. Als eine der ersten Regionen im Land verbannte im September 1948 Oberschlesien den Religionsunterricht aus den Schulen, wobei man sich hier ebenfalls des Argumentes bediente, die Katecheten und Priester sympathisierten mit dem Deutschtum. In den folgenden Monaten wurden in Oberschlesien Kruzifixe aus den Klassenräumen entfernt und durch Porträts des Präsidenten Bolesław Bierut ersetzt. Überdies begannen die Wojewodschaftsbehörden im gleichen Jahr mit der Beseitigung von Kreuzen und anderen religiösen Symbolen aus Arbeitsbetrieben.30 Pilgerfahrten nach Deutsch Piekar oder zum Annaberg wurden infolge repressiver administrativer Maßnahmen erschwert. Selbiges betraf die traditionell zu Fronleichnam durchgeführten Prozessionen. Auch hierbei war die Methode von Zuckerbrot und Peitsche erkennbar. Zur selben Zeit wurden Betriebsausflüge, Feste oder Sportveranstaltungen organisiert, und die Schuljugend nahm verpflichtend an Schulveranstaltungen teil. Wozu der Sicherheitsapparat fähig war, zeigte ein Ereignis aus Antonienhütte, wo einer Gruppe junger Mitglieder der Marienbruderschaft die Zerstörung von BierutPorträts und das Aufhängen von Kruzifixen, wahrscheinlich infolge einer Provokation, vorgeworfen wurde. Man verhaftete sie und machte ihnen nach einem brutalen Ermittlungsverfahren einen Schauprozess. In dessen Verlauf widerriefen sie alle Aussagen 28 29
30
Linek, Polityka antyniemiecka, 360. Dziurok, Adam: Ksiądz Juliusz Bieniek: biskup protestu [Pfarrer Juliusz Bieniek: Bischof des Protests], in: Adam Dziurok, Bernard Linek (Hg.), Górny Śląsk w Polsce Ludowej [Oberschlesien in Volkspolen], Bd. 2, Przywódcy – bohaterowie – wrogowie [Führer – Helden – Feinde], Kattowitz-Oppeln 2017, 220-234. Über den ganzen Zeitraum: Dziurok, Kruchtoizacja, 261-339.
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Bernard Linek
und erklärten, diese seien zuvor durch Schläge und Misshandlungen erpresst worden, was zu einem Skandal und der Verurteilung eines Funktionärs des Sicherheitsapparates führte.31 In Anlehnung an diese Ereignisse richtete sich Bischof Adamski in einem Hirtenbrief an die Gläubigen und beschrieb die Methoden des Kampfes gegen die Religion. Die Staatsbehörden unternahmen eine umfangreiche Aktion, bei der sie die Pfarrer aufsuchten und eine Erklärung von ihnen verlangten, dass sie den Hirtenbrief nicht öffentlich bekannt gaben. Nichtsdestotrotz wurde der Hirtenbrief in 110 von 205 Gemeinden der Diözese verlesen; in 40 weiteren wurden Fragmente verlesen oder die Pfarrer informierten die Gläubigen darüber, dass sie ihn aufgrund eines Verbotes der Behörden nicht verlesen durften. Als Reaktion darauf wurden die sechs aktivsten Priester verhaftet.32 Zu dieser Zeit hatte der Sicherheitsapparat bereits von jedem Priester in der Diözese und der Apostolischen Administration eine Kartei angelegt, in der sich Informationen über die Einstellung und die Nützlichkeit der Priester fanden. Jeder den Machthabern gegenüber wohlgesonnene oder als solcher angesehene Geistliche hatte überdies einen Betreuer aus der Partei sowie einen in der Regel mit dem Sicherheitsapparat zusammenarbeitenden „katholischen Funktionär“, der den Geistlichen jeweils „formte“.
4.
Die gefesselte Kirche (1951/52 bis 1956)
Wenngleich die unmittelbare Einflussnahme auf die Apostolische Administration und die Kattowitzer Diözese durch Personen, die dem Sicherheitsamt unterstanden, in die fünfziger Jahre fällt, so war bereits 1949 erkennbar, dass der Handlungsspielraum für die Kirchenoberen sehr gering war. Nachdem das neue Vereinsgesetz in Kraft getreten war, in dem sich die Anordnung der Übergabe von Mitgliederlisten an die Behörden fand, wurden christliche Vereine aufgelöst. Ein Jahr darauf wurde die Caritas verstaatlicht und in die Hände „fortschrittlicher“ Priester und katholischer Aktivisten gegeben. Im Dezember 1949 wurde damit begonnen, die Bewegung der „Patrioten-Priester“ im Rahmen des kommunistischen Veteranenverbandes aufzustellen, die sich mit der Rolle eines „Transmissionsriemens“ des kommunistischen Staates arrangierten (etwa 10%) und alle politischen Aktionen, z.B. die Wahlen von 1952 und 1954, und sozialen Tätigkeiten wie „Kampf um den Frieden“, aber auch die Kollektivierung tatkräftig unterstützten.33 31 32
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Den Fall beschreibt Dziurok, Kruchtoizacja, 590-593. Dziurok, Adam: Władze komunistyczne wobec Kościoła katolickiego w diecezji katowickiej w latach 1948–1956 (zarys problematyki) [Die kommunistischen Behörden gegenüber der katholischen Kirche in Diözese Kattowitz in den Jahren 1948–1956 (Abriss der Problematik)], in: Adam Dziurok, Bernard Linek, Krzysztof Tarka (Hg.), Stalinizm i rok 1956 na Górnym Śląsku [Stalinismus und das Jahr 1956 in Oberschlesien], Kattowitz-Oppeln-Krakau 2007, 125-144. Ausser Dziurok und Sitek siehe auch: Dawid, Adriana: Niepolskie Opolskie. Władze polityczne i administracyjne wobec proniemieckich postaw mieszkańców województwa opolskiego (1950– 1956) [Nichtpolnische Wojewodschaft Oppeln. Politische und administrative Staatsgewalt und
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Unter dem Vorwand, er habe nicht die Aufstellung vollständiger Diözesen aus der apostolischen Administration gefordert, wurde Pfarrer Kominek, der eine immer negativere Haltung gegenüber den Staatsbehörden einnahm, im Jahr 1951 mitsamt den übrigen Administratoren seines Amtes enthoben. Im selben Jahr wurden beide Kattowitzer Bischöfe unter dem Vorwurf der illegalen Entgegennahme fremder Währungen verhört. Ein Jahr darauf wurde Pfarrer Adamczyk verhaftet und im berüchtigten Gefängnis Mokotów in Warschau inhaftiert, wo er sich nach einem abscheulichen Ermittlungsverfahren dazu bekannte, mit dem ein Jahr später in einem Schauprozess verurteilten Bischof von Kielce, Kaczmarek, zusammengearbeitet zu haben.34 Diese Aktionen führten jedoch mitnichten zur Änderung der Einstellung vonseiten der Kattowitzer Bischöfe. Als der Religionsunterricht im September 1952 offiziell aus den Schulen verbannt wurde, begannen sie Unterschriften für eine Protestpetition zu sammeln. Innerhalb kürzester Zeit kamen 72.000 Unterschriften zusammen. Als Reaktion darauf wurden beide unter dem Vorwurf provozierender Aktivitäten erneut nach Krakau verbannt.35 In Kattowitz übernahm zunächst Generalvikar Pfarrer Filip Bednorz die Leitung, nach seinem Tod folgte Pfarrer Jan Piskorz. Beide entfernten gehorsam trotzige Priester aus den Gemeinden. In Oppeln wurde auf Anweisung des Sicherheitsamtes Pfarrer Emil Kobierzycki zum Apostolischen Administrator ernannt.36 Zwei traurige Ereignisse aus dem Jahr 1954 belasten vor allem das Gewissen von Ordinarius Kobierzycki und seines Generalvikars Michał Banach. Zunächst wurden im Juli 1954 zwanzig einheimische Priester unter dem Vorwurf revisionistischer Tätigkeit kraft kirchlicher Dekrete ausgesiedelt. Ihre prodeutsche Tätigkeit soll darin bestanden haben, die Beichte in deutscher Sprache abgenommen bzw. Korrespondenzen mit Gemeindemitgliedern oder den eigenen Familien aus Deutschland in dieser Sprache geführt zu haben. Im darauffolgenden Monat wurden ebenfalls auf kirchliche Weisung massenhaft Repressionen gegen Schwesternorden durchgeführt – am 3. August 1954 wurde unter Beteiligung des Sicherheitsamtes eine Aktion unter dem Decknamen „X2“ durchgeführt, in deren Rahmen etwa 1.300 Ordensschwestern (die Mehrzahl von ihnen aus dem Gebiet der Apostolischen Administration des Oppelner Schlesiens) ausgesiedelt und zum Teil in Arbeitslager gebracht wurden. In diesem Fall führte man ebenso den Vorwurf revisionistischer Tätigkeit an, obgleich auf derselben Grundlage auch Schwestern ausgesiedelt wurden, die zuvor aus den polnischen Ostgebieten gekommen waren.37
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37
der Sicherheitsapparat gegenüber der prodeutschen Haltung der Bevölkerung der Wojewodschaft Oppeln (1950–1956)], Oppeln 2000, 522-543. Dziurok, Kruchtoizacja, 587-588. Dziurok, Ksiądz Juliusz Bieniek, 225. Über Kobierzycki: Bereszyński, Zbigniew/Linek, Bernard: Ksiądz Emil Kobierzycki (1892– 1963): komunistyczny ordynariusz? [Pfarrer Emil Kobierzycki. Kommunistischer Ordinarius?], in: Dziurok, Linek (Hg.), Górny Śląsk w Polsce Ludowej Bd. 2, 154-172. Hanich, Andrzej/Sitek, Alojzy: Wysiedlenie śląskich księży i sióstr zakonnych ze Śląska Opolskiego przez władze komunistyczne w 1954 roku [Aussiedlung der schlesischen Priestern und Ordensschwestern aus Oppelner Schlesien im Jahr 1954], in: Dziurok, Linek, Tarka (Hg.), Stalinizm, 145-207.
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Bernard Linek
5.
Ausblick (1956–1960)
Das alles ist schon in der so genannten Zeit der „Tauwetter“ im Ostblock geschehen. Bereits im Sommer 1956 hängten Bergleute und andere Arbeiter wieder Kruzifixe in den Bergwerken und Arbeitsbetrieben auf. Im August übersandten sie eine Petition mit der Bitte um Wiedereinsetzung der ausgesiedelten Bischöfe an den Staatsrat in Warschau. Sie sind im September auf eigene Faust zurückgekehrt.38 Im Dezember 1956 übernahm Bischof Franciszek Jop die Leitung der Apostolischen Administration.39 Die Katholische Kirche erlangte ihre Eigenständigkeit zurück. Eine der ersten Entscheidungen von Bischof Jop war die Annullierung der Aussiedlungsdekrete. Allerdings kehrten nur wenige Priester wieder in ihre alten Gemeinden zurück. Ähnliches traf auch auf die Ordensschwestern zu. Man erlangte nur ein Drittel der Ordenshäuser wieder. Das „schlesische Tauwetter“ war nicht von langer Dauer. Die Beziehungen zwischen der Kirche und dem Staat blieben auch in den folgenden Jahren angespannt. Darauf hatten u.a. die Entfernung von Kruzifixen aus Schulsälen, die Verbannung des Religionsunterrichtes aus den Schulen oder der Priester aus den Krankenhäusern sowie Hindernisse bei der Errichtung sakraler Bauten Einfluss. Jegliche Proteste wurden zügig im Keim erstickt, wie beispielsweise im Juni 1960 in Gleiwitz, als etwa 1.000 gegen die Entfernung eines in der Nähe einer Kirche aufgestellten Kreuzes protestierende Personen von einer Kattowitzer Einheit der Motorisierten Reserven der Bürgermiliz auseinandergetrieben wurden.40 Auch wenn der Kampf gegen die Kirche nicht mehr so drastische Formen aufwies und seither die bereits angesprochenen sanften und mittelbaren Methoden dominierten, kam es immer noch zu spektakulären Konflikten.
6.
Fazit
Eine Frage, die sich nur schwer eindeutig beantworten lässt, ist die Bewertung der damaligen Politik einzelner führender Vertreter der katholischen Kirche gegenüber dem kommunistischen Staat und des allgemeinen Ergebnisses des Konflikts zwischen dem kommunistischen Staat und der Kirche. Es scheint, dass die Kirche in Oberschlesien in diesem ersten Nachkriegsjahrzehnt zweimal in ihrer Existenz bedroht war. Das erste Mal war 1945, als einige polnische Kommunisten davon träumten, dass es in den nachdeutschen Gebieten keinen Klerus geben würde. Angesichts dieser Bedrohung unternahm die katholische Hierarchie – allen voran Primas Hlond und Bischof Adamski – in Zusammenarbeit mit den polnischen Behörden Schritte zur Eingliederung deutscher Diözesen in die Strukturen der katholischen Kirche in Polen. Diese Schritte lösten über Jahrzehnte hinweg berechtigte formale Kontroversen innerhalb der katholischen Kirche in Deutschland aus. Wir sollten 38 39 40
Dziurok, Ksiądz Juliusz Bieniek, 226-227. Mikołajec, Józef: Pasterz. Działalność biskupa Franciszka Jopa w diecezji opolskiej 1956–1976 [Der Hirt. Tätigkeit des Bischofs Franciszek Jop in der Oppelner Diözese 1956–1972), Oppeln 1992. Tracz, Bogusław: Gliwice. Biografia miasta [Gleiwitz. Biografie der Stadt], Gleiwitz 2019, 370-371.
Der Konflikt zwischen Staat und Kirche in Oberschlesien
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uns jedoch in Erinnerung rufen und so deutlich wie möglich betonen, dass die Alternative damals nicht die deutschen oder polnischen Diözesen waren, sondern die kirchlichen Strukturen in den neuen Gebieten oder das Fehlen derselben. In der ersten Hälfte der 1950er Jahre war die Existenz der Kirche in Oberschlesien zum zweiten Mal bedroht. Der kommunistische Staat versuchte mit Hilfe der politischen Polizei und eines weit verbreiteten Terrors, die Kirche von innen heraus zu zerschlagen. Wie in der Zeit des Kulturkampfes zeigte die Kirche erneut ihre Stärke als Gemeinschaft der Gläubigen unter der Leitung von Priestern. Es war diese Gemeinschaft, die trotz der schweren Verluste der Elite (Aussiedlung von Priestern und Schwestern) ihre Strukturen und vor allem ihre Werte verteidigte. Seit der triumphalen Rückkehr der Kattowitzer Bischöfe und dem Einzug von Bischof Jop war es offensichtlich, dass die Kirche nicht nur ihre Strukturen verteidigte, sondern sich im Konflikt zwischen dem kommunistischen Staat und der Kirche durchzusetzen begann. Trotz des scheinbaren Sieges gelang es in Oberschlesien nie wieder, eine Situation zu schaffen, in der katholische Pfarreien, die von zahlreichen Priestern geleitet und von Frauenorden unterstützt wurden, die Grundzelle des gesellschaftlichen Lebens bildeten. Die Abwanderung oberschlesischer Priester nach Deutschland, oft unter Missachtung ihrer Bischöfe, erwies sich auch als Dauerphänomen.
Otfrid Pustejovsky
KATHOLISCHE KIRCHE IN DER CSR – ČSSR
Eine neue Gesamtdarstellung der Kirchen- und Religionsgeschichte der Böhmischen Länder und der Slowakei in westlichen Sprachen (nach 1990) gibt es bis 2016 nicht – trotz des großangelegten Versuchs von Ferdinand Seibts „Bohemia Sacra“1 und des manche Lücke aufweisenden „Handbuchs der Religions- und Kirchengeschichte“2. Auch hier sind daher zwei kurze Vorbemerkungen notwendig: 1. Da an keiner einzigen Theologischen Fakultät in der Bundesrepublik Deutschland Kirchengeschichte der Böhmischen Länder und der Slowakei – weitere ostmitteleuropäische, osteuropäische und südosteuropäische Länder klammere ich hier aus – als Fach etabliert ist und damit keine systematische Erforschung erfolgt, kann hier nur eine Darstellung geboten werden, deren Lückenhaftigkeit mir durchaus bewusst ist. Die von mir vorgenommene Chronologisierung und Systematisierung stellt folglich lediglich einen Versuch dar, den Rahmen für spätere systematische Forschungsarbeiten in Deutschland und Österreich zu schaffen. Diese werden in der Tschechischen Republik seit etwa eineinhalb Jahrzehnten bereits mit immer steigender Intensität vorangetrieben, sind aber aus sprachlichen Gründen westlichen Lesern nur eingeschränkt zugänglich. Schwerpunkt der Religions- und Kirchengeschichtsforschung ist Brünn und hier die Masaryk-Universität und parallel dazu das „Zentrum für Demokratie- und Kultur-Studium“3 2. Im Weiteren ist zu berücksichtigen, dass durch die Vertreibung der deutschen Bevölkerung aus der Tschechoslowakei 1945–1947 und die Neubesiedlung der Randgebiete des Staates eine Lage entstand, die beispiellos in der Gesamtgeschichte der Böhmischen Länder und der Slowakei war und die bis dahin bestehende Religions„Landkarte“ beseitigte. Die Zeit zwischen dem Kriegsende 1945 und dem Beginn der kommunistisch-totalitären Herrschaft am 25. Februar 1948 bildet in dieser Hinsicht bis heute geradezu ein „schwarzes Loch“ geschichtlicher Wahrnehmung und Erkenntnis. Im politischen
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Seibt, Ferdinand: Bohemia Sacra. Das Christentum in Böhmen 973-1973, Düsseldorf, 1974. Schulze Wessel, Martin/Zückert Martin: Handbuch der Religions- und Kirchengeschichte der böhmischen Länder und Tschechiens im 20. Jahrhundert. XXXIV, Oldenbourg 2009. Centrum pro studium demokracie a kultury. – Ein wissenschaftliches Publikations-Institut mit weitem, internationalem Spektrum.
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Otfrid Pustejovsky
Leben der seit 1993 als souveräner Staat existierenden Tschechischen Republik wird dies durch die Ambivalenz der sozialen Strukturen und das Wahlverhalten manifest. 3. Die tschechische und slowakische Religions- und Kirchengeschichts-Forschung geht grundsätzlich von der Vergleichbarkeit nationalsozialistischer und kommunistischer ideologischer Prämissen in Bezug auf Glaube, Kirchen und Mensch aus und kann sich hier auf ein außerordentlich umfangreiches Material aus dem Archiv des seinerzeitigen Geheimdienstes StB = Státní bezpečnost (Staatssicherheit) stützen. So ist also grundsätzlich festzuhalten: Die Katholische Kirche ist, wie alle religiösen Gemeinschaften bzw. Gruppierungen und wie alle sogenannten „gesellschaftlichen Vereinigungen“ innerhalb der Tschechoslowakei nur im Kontext der allgemeinen politischen Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg in Ostmitteleuropa und des besonderen, eines ‚parlamentarischen‘ Wegs dieses Staates zum Kommunismus zu sehen. Für die Entwicklung kann man für unseren Zeitraum drei verschiedene Etappen unterscheiden: 1. Phase: 1945–1949 vom Kriegsende bis zur kommunistischen Kirchengesetzgebung; 2. Phase: 1949–1953/1956 stalinistische Inhalte, Formen und Maßnahmen der Kirchenverfolgung; 3. Phase: 1956–1968 Lockerung und zeitweiliger Neuanfang bis zum Ende des „Prager Frühlings“ Diese einzelnen Etappen möchte ich im Folgenden in Bezug auf ihre wesentlichen Erscheinungsinhalte und -formen darstellen: „Die Kommunistische Partei der Tschechoslowakei setzte entsprechend den Intentionen“ marxistischer Ideologie „auf die vollständige Liquidierung der Kirchen und religiösen Gemeinschaften sowie die Beseitigung der Religion als solcher“4. Dies ist die zusammenfassende Meinungsbildung im Jahre 2015–2016 – und der entsprechende „Beleg“ dafür aus dem Jahre 1950: So schrieb der Sekretär für Kirchenangelegenheiten der KPTsch des Regierungsbezirks5 Iglau in einem Zustandsbericht im Juni 1950 folgendes: „Vor allem muß erwogen werden, daß wir hier die Kirche als ein Gebilde vor uns haben, welches sich bisher nicht aus den mittelalterlichen Vorstellungen zur Erhaltung jeglicher Macht und zwar nicht nur der geistlichen, sondern auch der weltlichen befreit hat […].“6 Daher verfolgte die KPTsch die Durch- und Umsetzung ihrer Maßnahmen etappenweise auf verschiedenen Ebenen: 4
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Pronásledováni katolické církve v Československu [Die Verfolgung der Katholischen Kirche in der Tschechoslowakei], verfügbar unter: https://cs.wikipedia.org/wiki/Pron%C3%A1sledov%C3%A1n%C3%AD_katolick%C3%A9_c%C3%ADrkve_v_%C4%8Ceskoslovensku. Download 30.06.2016. Ich verwende hier die deutsche Übersetzung des tschechischen Verwaltungsbegriffs, ohne jedoch auf die grundlegenden Unterschiede der Verwaltungspraxis einzugehen. Hier zitiert nach Herbrych, Bc Josef: Perzekuce kněží na vysočině po únoru 1948 na příkladu básníka a kněže Jana Dokulila.diplomova práce.Masarykova Univerzita – Pedagogická fakultakatedra historie [Priesterverfolgung im böhmisch-mährischen Gebiet nach dem Februar 1948 am Beispiel des Dichters und Priesters Jan Dokulil], Brünn 2013, 5.
Katholische Kirche in der CSR – ČSSR
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„1. durch Gesetze, welche die formale Grundlage für alle Maßnahmen antikirchlicher Art bildeten; 2. durch administrative Maßnahmen, die eine vollständige bürokratische Kontrolle ermöglichten; 3. durch die Medien als Instrumente kommunistischer Propaganda und Ideologie sowie durch die am 1.September 1953 in Prag gegründete Politische Hochschule des ZK der KPTsch“.7 Ein führender Wissenschaftler dieses Instituts, Karel Kaplan, floh später nach München – unter bis heute nicht geklärter Mitnahme geheimer Dokumente; sie dienten ihm als Grundlage für zahlreiche Publikationen im Münchner Forschungsinstitut „Collegium Carolinum, so über die Politischen Prozesse, die Kirchenverfolgung, die komplexen ČSSR- und UdSSR – Nachkriegsbindungen usw.; 4. durch personelle Entscheidungen, Diskriminierungen, Einschüchterungen bis zu unbegründeten Verhaftungen und Inhaftierungen sowie Massen- Zwangsarbeitslagereinweisungen – insbesondere in den Uranerz-Bergwerken.
1.
Erste Phase: Kriegsende 1945–1949 bis zur kommunistischen Kirchengesetzgebung
Das Kriegsende mit der dann folgenden sogenannten „wilden Vertreibung“ deutscher Bevölkerung zwischen Mai und Juli/August 1945 bis Ende Juni 1945 waren dies bereits ca. 450.000 Menschen8 – und der durch die Potsdamer Siegerbeschlüsse sanktionierten ‚ordnungsgemäßen Aussiedlung‘ 1946–1947 veränderte zwar nicht die bestehenden bzw. wieder funktionierenden kirchlichen Strukturen, jedoch durch eine Neubesiedlung der staatlichen Randgebiete sämtliche Bedingungen und Realitäten kirchlichen Lebens – zum Beispiel der zur Verfügung stehenden Pfarrgeistlichen und das ‚Pfarrleben‘ bestimmenden Bevölkerung. Da die Kommunistische Partei – auch durch die strikten politisch-bürokratischen Vorgaben des kommunistischen Innenministers Václav Nosek und seines direkten Vertrauten, des Stabskapitäns Bedřich Pokorný9 – das gesamte politische Leben dominierte und nach den Wahlen von 1946 auch durchsetzte10, konnte sie nach dem sogenannten
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Kuhn, Heinrich: Handbuch der Tschechoslowakei. München 1966–67, 476. Dazu Archiv-Belege bei Pustejovsky, Otfrid: Die Konferenz von Potsdam und das Massaker von Aussig am 13. Juli 1945. Untersuchung und Dokumentation. München 2001, v.a. Dokumente Nr. 39, 52 und 59. Zu diesem „Hintergrund“-Funktionär der kommunistischen Tschechoslowakei siehe: Pustejovsky, Otfrid: Major Bedrich Pokorný (1904–1968). Von der Gestapo zum kommunistischen Geheimdienst, in: Sudetenland.Europäische Kulturzeitschrift 57/3 (2015), 313-315. Dazu ebd. Dokumente Nr. 57, 1-6 (Biographischer Abriß Stabshauptmann Bedrich Pokorný); weiterführende Erkenntnisse vgl. Anm.26.
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Otfrid Pustejovsky
‚Tag des Sieges‘ vom 25. Februar 194811 innerhalb kurzer Zeit Kirchengesetze und damit verbundene Verordnungen formal beschließen. Im Wesentlichen handelte es sich dabei um zwei Gesetze: 1. das Gesetz Nr. 217 vom 1. Oktober 1949 über die Errichtung eines Staatsamtes für Kirchenangelegenheiten und 2. das Gesetz Nr. 218 vom 14. Oktober 1949 bezüglich der staatlichen Besoldung der Geistlichen und des damit verbundenen Einzugs allen kirchlichen Vermögens. Auf dieser formal-rechtlichen Basis erfolgten dann innerhalb zweier Jahre zahlreiche wiederholte Interpretationen und Detail-Verordnungen sowohl direkt durch die KPTsch als auch durch die Regierung, sodann einzelner Ministerien und der nachgeordneten ‚Nationalausschüsse‘ von der Regierungsbezirksebene bis zu Kreisen, Städten und Ortschaften.12 Der legale Rahmen für alle Möglichkeiten und Arten der theoretischen und praktischen Einengung kirchlicher und kirchennaher Tätigkeit war damit gegeben; „Verfolgungsmaßnahmen“ aller Art und Inhalte waren – auch nach sowjetisch vorgegebenem Legalismus-Verständnis – somit „rechtens“. Die unmittelbar folgenden Jahre etwa bis zum Tod Stalins 1953 werden heute (2015/2016) in tschechischen Publikationen so umschrieben: „Die tschechoslowakische Kirchenverfolgung der Katholischen Kirche wird gemeinhin als die grausamste im Rahmen desjenigen Teils des Nachkriegsbereichs Europas bezeichnet, die zwar nicht unmittelbar dem eigentlichen UdSSR-Gebiet inkorporiert war. aber eine diskutable Feststellung darstellt (eine Spitzenposition nehmen dabei auch Jugoslawien und Albanien ein)“.13 Die Annahme ist berechtigt, dass der „Kirchenkampf“ von Klement Gottwald bereits zwischen 1938 und 1943 im Moskauer Exil vorbereitet wurde und daher entsprechend rasch durchgesetzt werden konnte, denn bereits kurz nach der legalistischen Machterringung vom 25. Februar 1948 „verkündete er auf dem Plenum des ZK der KPTsch am 9. Juni 1948: ‚Fort von Rom und in Richtung auf eine nationale Kirche hin
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Bis 1990 Teil der KPTsch-offiziellen Nomenklatur zur Machterringung. Dazu bereits 1962 Pustejovsky, Otfrid: Parlamentarische Demokratie und die Politik der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei in den Jahren zwischen 1945 und 1948. Versuch einer Analyse des Aufsatzes Jan Kozáks: „Die Möglichkeit der Revolutionären Ausnützung des Parlaments beim Übergang zum Sozialismus und die Aufgaben der Volksmassen“, in: Bohemia-Jahrbuch des Collegium Carolinum 3 (1962), 468-497. Zur Rechtsterminologie: der „Regierungsbezirk“ war der tschechische (und slowakische) „kraj“, ein „Kreis“ fand seine Entsprechung im „okres“, dann folgten Städte (město/města) und Ortschaften (obec/obce). Malý, Radomír: Nejhorší byla naše republika. Studie o komunistickém teroru v Československu [Am Schlimmsten war es in unserer Republik. Eine Studie über den kommunistischen Terror in der Tschechoslowakei], in: Řád 3 (1999) und: Kratochvíl, Antonín: Žaluji 3. Cesta k Sionu [Ich klage an 3. Der Zions-Weg]. Prag 1990 – beide zitiert nach Pronásledování, katolické církve v Československu [Die Verfolgung der Katholischen Kirche in der Tschechoslowakei], verfügbar unter: https://cs.wikipedia.org/wiki/Pron%C3%A1sledov%C3%A1n%C3%AD_katolick%C3% A9_ c%C3%ADrkve_v_%C4%8Ceskoslovensku. Download 30.06.2016, 1, 7.
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[…] Die Kirche muß neutralisiert werden, und wir müssen sie in unsere Hände kriegen, damit sie dem Regime zu Diensten steht‘“14. Die Maßnahmen innerhalb des ersten Jahres kommunistischer Herrschaft 1948 – 1949 wurden schnell durch sogenannte ‚Aktionsausschüsse‘ bei den nach dem Mai 1945 errichteten neuen Verwaltungsstrukturen, den ‚Nationalausschüssen‘, umgesetzt: Führende Positionen in Betrieben, im Schulwesen, in wissenschaftlichen Institutionen wurden von sogenannten ‚unzuverlässigen Mitarbeitern gesäubert‘, Lehrer entlassen, Studenten am Weiterstudium gehindert. Katholische bzw. christliche Publikationen wurden eingestellt; die Formalbegründung: „Papiermangel“. Kirchennahe Redaktionen sollten fortan staatlicher Besetzung und Kontrolle unterliegen. Im März 1948 wurden kirchennahe Sportgemeinschaften in die neugegründete gesamtstaatliche ‚Sokol‘-Organisation zwangsweise eingeordnet, Jugendverbände 1949 dem zentralen Einheitsverband SČM = Svaz české mládeže (Tschechischer Jugendverband – später umgewandelt in ČSM – Československý svaz mládeže/Tschechoslowakischer Jugendverband) ebenfalls zwangsweise eingegliedert.15 Nach außen hin wurde seitens der KPTsch und der Staatsorgane zunächst vermieden, im Ausland den Eindruck spektakulär-märtyrerhaft bestimmter Verfolgungsmaßnahmen zu erwecken – eher wurden alle Kirchen und Religionsgemeinschaften durch legalistische, bürokratische, formalistische Maßnahmen bis auf Familienebene hinab in ihrem gesamten Wirken eingeengt und abgewürgt und alles jeweils formalistisch begründet. So mussten alle Kirchen entsprechend einem Erlass des Innenministeriums vom 4. Mai 1949 sämtliche „öffentlichen Zusammenkünfte sowie Sammlungen“ vom zuständigen Nationalausschuss genehmigen lassen, und ein Erlass des Informationsministeriums vom 27. April desselben Jahres hatte bereits die „Verbreitung von Druckschriften“ von einer Genehmigung abhängig gemacht.16 Parallel dazu berief die Kirchenabteilung der „Nationalen Front“ zum 28. April eine „Beratung sogenannter fortschriftlicher Geistlicher“ ein, um die „‚politische Bewegung‘“ in der und in den Kirchen in Gang zu setzen. Fünf Geistliche waren anwesend.17 Die Bewegung sollte als „Katholische Aktion (KA)“ bezeichnet werden; die Gründungskonferenz wurde schließlich am 10. Juni 1949 in Prag veranstaltet, und 283 Teilnehmer waren anwesend, davon 68 Geistliche. Doch bereits am 15. Juni verurteilte die Bischofskonferenz in Übereinstimmung mit dem Vatikan einstimmig diese Organisation. Dramatisch überstürzten sich dabei die Ereignisse: Die ‚Staatssicherheit‘ (StB) drang gewaltsam ins Konsistorium ein, fand jedoch nicht mehr alle Bischöfe vor, denn diese hatten zuvor mit einem Sonderkurier Rom über den Text ihres Pastoralschreibens informiert. 14 15
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Hier zitiert nach: Pronásledování, 3. – Das Zitat ist wahrscheinlich der 10bändigen (kommunistischen) Gottwald-Werkausgabe entnommen. Die Angabe in Pronásledování, 3 ist hier in Bezug auf SČM und ČSM unrichtig. Vgl. dazu Pustejovsky, Otfrid: Tschechoslowakischer Jugendverband, in: Kuhn, Handbuch der Tschechoslowakei, 200-203. Kaplan, Karel: Stát a církev v Československu 1948–1953 [Staat und Kirche in der Tschechoslowakei 1948–1953], in: Petr Vaníček, Čepičkovi otroci v paměti národa [Die Sklaven Čepičkas im Gedächtnis der Nation], Prag 2006, 246-250, hier 246, Nr. 22. Ebd., 247.
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Otfrid Pustejovsky
Čepička, damals Justizminister – und Schwiegersohn Klement Gottwalds18 – formulierte: „‚[…] damit verfolgen wir ein einziges Ziel: wir wollen ihnen alles nehmen, was sie bisher besitzen‘“19. Doch die KA versandete sehr schnell; die Androhung der Exkommunikation führte bereits 1950 zu ihrer abschnittsweisen Auflösung, so dass die zusammenfassende Meinung heutiger tschechischer Forschung in folgendem Statement ausgedrückt wird: „Das Schicksal der Katholischen Aktion war einer der wenigen Konflikte mit der Kirche, den die kommunistische Staatsmacht verloren hat“20. Rudolf Slánský hatte auf einer Bezirksversammlung der KPTsch-Bezirkssekretäre am 15.September 1949 bereits die neuen Parolen ausgegeben: „‚Nunmehr ist es erforderlich, weiterhin geduldig die politische Massentätigkeit fortzuführen, sie (d.h. Priester und Bischöfe – Anm. O.P.) als Agenten des Auslands zu enttarnen, als Feinde unserer Republik‘“. Davor hatte er bereits bemerkt: „‚Wir haben der Kirche ihren gesamten Druckbestand genommen. In sämtliche Konsistorien haben wir unsere Kommissare eingesetzt. Wir haben die kirchlichen Schulen geschlossen […]. Nun kommen der Reihe nach die Klöster dran. Wir sperren die Priester ein. Hätten wir vor einem halben Jahr einen Pfarrer zu acht Jahren Kerker verurteilt, was hätte dies für ein Echo hervorgerufen. Heute wird dies mit Verständnis aufgenommen. Der Großteil der Katholiken versteht unsere Politik‘“21. Dass Slánsky selbst 1952 als „Haupt eines ‚staatsfeindlichen Spionagezentrums‘“ im Rahmen der stalinistischen ‚Säuberungen‘ zum Tode verurteilt und hingerichtet wurde, sei hier zumindest erwähnt.22 Nach dem Oktober 1949 mussten sämtliche Pastoralpublikationen, Instruktionen, Rundschreiben, Flugblätter, Bilder, Druckschriften jeglicher Art oder Nachrichtenverteiler an Priester, Gemeinden oder wen auch immer zuvor den entsprechenden Nationalausschüssen zur Genehmigung vorgelegt werden. Nichtbefolgen wurde als Straftat gewertet. Der Schwerpunkt der Kirchenverfolgung lag auch diesmal – wie zur Zeit der NSVerfolgungsmaßnahmen 1939–1945, auf Prag – um nur ein Beispiel anzuführen – , als nach den Beisetzungsfeierlichkeiten des verstorbenen Prager Erzbischofs, Kardinal Karel Kašpars, am 24. April 1941, die Kirchenabteilung der Prager Gestapo-Leitstelle unter ihrem Chef Oberhauser das gesamte Metropolitankapitel ins Visier nahm: Die zwölf Kanoniker – acht Tschechen und vier Deutsche – wurden in diverse KZs verbracht.23 „Das Jahr der Jahrhunderthälfte, der erste gnädige Nachkriegssommer, wurde zum entscheidenden Bruch; danach blieb von der einst einflussreichen und von ausgedehnter Tätigkeit bestimmten Kirche eine eher gelähmte und zum Schweigen gebrachte 18 19 20
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23
Kuhn, Heinrich/Böss, Otto: Biographisches Handbuch der Tschechoslowakei, München 1961 (Veröffentlichungen des Collegium Carolinum, Forschungsstelle für die Böhmischen Länder), 175. Zitiert nach Kaplan, Stát a církev, 247. Vaňáč, Martin: Ekumenické styky v období let 1918–1960 [Ökumenische Beziehungen in den Jahren 1918–1960], 33, verfügbar unter http://www.gethsemany.cz/node/301. Download 07.07.2016, Anmerkung 75. Zitiert nach Kaplan, Stát a církev, 249. Tomes, Josef u. a.: Ceský biografický slovník. Svazek III: XX. století [Tschechisches biographisches Wörterbuch Band III: XX. Jahrhundert – Anm. O.P.: eigentlich „Lexikon“], Paseka-Prag 1999, 144. Vaňáč, Ekumenické styky, 9.
Katholische Kirche in der CSR – ČSSR
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Ruine übrig. Zu Beginn dieses Jahres 1950 wurde die neue Familien-Gesetzgebung geltendes Recht“24 – so beschreiben die beiden Brünner Historiker Balík und Hanuš die Gesamtlage und einen neuen Zeitabschnitt der kirchlichen Nachkriegsentwicklung. Diese zweite Etappe war vom „Kampf gegen die Gläubigen und vom Feldzug gegen die Religion als Weltanschauung“25 bestimmt.
2.
Zweite Phase: 1949–1953/56: Stalinistische Inhalte, Formen und Maßnahmen der Kirchenverfolgung
Und wiederum bestimmten einerseits gesetzliche und formell-formale Bestimmungen den besonderen Charakter tschechoslowakischer Kirchenverfolgung – andererseits aber auch alle Methoden brutaler Gewaltanwendung entsprechend NKWD-Vorgaben durch die Staatssicherheit – Státní bezpecnost (Stb). Das Ziel sollte eine „zerschlagene“, ja eine in jeder Hinsicht „zerstörte Kirche“ sein26. Im Wesentlichen umfassten die formalen Maßgaben in kurzer Zusammenfassung folgende Tatbestände: 1. die obligatorische Zivilehe vor jeglicher sakralen Eheschließung; Zuwiderhandeln bedeutete für den Geistlichen Strafverfolgung, für die Eheschließenden zumeist die Bedrohung beruflicher Grundlage; 2. ab dem 1.Januar 1950 wurde allen Kirchen die eigene Matrikelführung verboten; 3. die Griechisch-Katholische Kirche wurde faktisch verboten; 4. alle männlichen Klöster wurden aufgelöst und durch ‚Monsterprozesse‘27 Ordensobere verurteilt; 5. die meisten weiblichen Orden und Klöster wurden aufgelöst; 6. Gründung des ‚Velehrader Ausschusses der katholischen Geistlichkeit‘; 7. anstelle neuer Bischofsernennungen nach dem Tod des jeweiligen Amtsinhabers wurden regimehörige Kapitularvikare eingesetzt, Bischöfe interniert und die diplomatischen Beziehungen zum Vatikan abgebrochen; 8. die Theologischen Fakultäten wurden von den Universitäten ausgeschlossen, theologische Lehranstalten und Seminare geschlossen und an ihrer Stelle zwei Generalseminare gegründet; 9. zum Brechen möglichen Widerstands vor allem gläubiger junger Männer und für Angehörige der aufgelösten Orden sowie Theologiestudenten wurden bei der nach
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Balík, Stanislav/Hanuš, Jiří: Katolická církev v Československu 1945–1989 [Die Katholische Kirche in der Tschechoslowakei 1945–1989), Brünn 2007, 39. Vaňáč, Ekumenické styky, 15. Kaplan, Karel: Staat und Kirche in der Tschechoslowakei 1948–1952. Die kommunistische Kirchenpolitik in den Jahren 1948–1952, München 1990 (Veröffentlichungen des Collegium Carolinum Band 64), 61f., 131f. (mit Belegen im Dokumentenanhang.). So lautet durchwegs die tschechische Bezeichnung für die Massenprozesse gegen Geistliche.
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sowjetischen Vorgaben umgebauten Tschechoslowakischen Armee sogenannte „Technische Hilfsbataillone“28 eingerichtet. Zur Verdeutlichung des Zustandes können einige Zahlen beitragen. So bestanden 1948 in den Böhmischen Ländern 26 Orden mit 151 männlichen Klöstern und ca.1500 Ordensangehörigen, in der Slowakei 16 Orden mit rund 1000 Ordensangehörigen– doch die Zahlenangaben schwanken etwas29 und müssten von neuem genau untersucht und dargestellt werden. Im März 1950 wurden die ersten Massenprozesse inszeniert, im Tschechischen durchwegs als „Monsterprozesse“ bezeichnet. Die dabei verwendeten Methoden werden von den Brünner Kirchen- und Kulturhistorikern Balík und Hanus am Beispiel des ersten dieser Prozesse so geschildert: „Bereits in der Vorbereitungsphase dieses Prozesses wurde ein umfangreiches Register der Werkzeuge kommender Jahre angewendet; diese sollten den Widerstand gegen die Lüge brechen und die Angeklagten zu im Vorfeld vorbereiteten Aussagen bewegen: die Unterbringung in der Korrektion (dunkle unterirdische Gehäuse ohne Heizung, ohne Liegestatt, ohne Essen und häufig auch ohne Trinken), jede Stunde Aufwecken mit nachfolgenden Übungen bis zum Umfallen, während des ganzen Tages erzwungenes Herumgehen in den Zellen usw. Hinzugefügt seien noch stundenlange Verhöre, häufig im Stehen und mit verbundenen Augen, (entsprechend der Aussage von F. Silhan30 dauerte sein längstes Verhör 36 Stunden). Beim Verhör wurde die Lebensbedrohung der Familienangehörigen als Zwangsmittel eingesetzt sowie die Veröffentlichung (erfundener) Sittenskandale usw. Falls auch dies alles nichts half, und die unschuldigen Ordensleute ein Bekenntnis von Hochverratstätigkeiten verweigerten, wurden ihnen Halluzinogene verabreicht. Nach einer gewissen Zeit war der Widerstand der Vernommenen scheinbar gebrochen, Antworten zum Schein eingeübt, und so konnte dann die öffentliche Verhandlung beginnen. Dieser Monsterprozeß, der üblicherweise mit „Machalka und Genossen“ bezeichnet wird, gehörte zu einem der größten unter den Prozessen der kommunistischen Zeit“.31 Zusammenfassend allein für das Jahr 1950: „Im April 1950 wurden im Laufe einer Nacht alle männlichen Klöster in der ganzen Republik durch Polizeieinheiten überfallen und 2000 Ordensangehörige wurden in
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Der tschechische Fachbegriff: Pomocné technické prapory, abgekürzt PTP. Balík, Hanuš, Katolická církev, 155 und Tabelle 156; hier werden für die gesamte Tschechoslowakei im Jahr 1950 2.528 männliche Ordensangehörige in einer kleinen Tabelle genannt. Frantisek Silhan (1905–1985); 1933 Priesterweihe, Eintritt in Jesuitenorden; u.a. Ausbildung an der Gregoriana zum Philosophie-Professor; 1945 Jesuiten-Provinzial; nach dem Februar 1948 als „Spion des Vatikans“ beschuldigt, am 18. März 1950 verhaftet und dem Monsterprozess „Machalka und Genossen“ zugeordnet und zu 25 Jahren schweren Kerkers verurteilt; 1993 juristische Rehabilitierung durch das Bezirksgericht in Prag. Siehe Kurzbiographie mit Archivquellenangaben und Literatur unter: Silhan, Frantisek (07.01.1905 Nová Ves u Tanvaldu – 13.2.1985 Nové Mesto na Morave), verfügbar unter: http://www.ustrcr.cz/cs/silhan-frantisek-7-1-1905. Download 19.07.2016. Zitiert nach Balík, Hanuš, Katolická církev, 157.
Katholische Kirche in der CSR – ČSSR
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einigen sogenannten Internierungsklöstern, d.h. Konzentrationslagern, eingesperrt. Ein halbes Jahr später erlitten 10 000 Ordensfrauen dasselbe Schicksal. In demselben Jahr wurde die griechisch-katholische Kirche liquidiert, die damals, vor allem in der Ostslowakei, etwa 300 000 Gläubige zählte, davon etwa 300 Priester […]. Seit dem Sommer 1949 wurden nach und nach alle Bischöfe entweder interniert oder verhaftet“.32
3.
Dritte Phase: 1956–1968: Lockerung und zeitweiliger Neuanfang bis zum Ende des „Prager Frühlings“
Die Entwicklung in der UdSSR nach der Enthüllungsrede Chruscevs auf dem XX. KPdSU-Parteikongress 1956 hatte auf die CSR zunächst keine spürbare Auswirkung, wenngleich sich in den Medien erste Formen kritischer Meinungen von Journalisten, Literaten, Historikern und vor allem jüngeren Parteimitgliedern abzuzeichnen begannen und nach dem XII. Parteikongress der KPTsch im Dezember 1962 nach und nach auch die politische Wirklichkeit der Tschechoslowakei mitbestimmten33, weil sie sogar gedruckt wurden. Am 17. April 1968 unterzeichneten 6.174 Ordensangehörige eine Resolution an das Ministerium für Kultur und Information, in der unter anderem formuliert wurde: „Vom Jahre 1949 an bis auf den heutigen Tag leben wir in völliger Rechtsunsicherheit. In der Nacht vom 14. auf den 15. März und vom 27. auf den 28. April 1950 wurden auf dem gesamten Staatsgebiet der CSSR alle Männer-Klöster und in den folgenden Jahren auch die Frauen-Klöster und Institute liquidiert. […] Diese Gesetzesverletzungen haben in schwerwiegender Weise 12.000 Mönche und Ordensschwestern betroffen […]“.34 Eine derartige „Sprache“ wäre noch ein Jahr zuvor nicht möglich gewesen. Den Petitionen Einzelner und – wie eben gezeigt – ganzer ehemaliger Gemeinschaften folgten Rehabilitierungen ad personam, von ganzen Gruppen bzw. auch die stillschweigende Duldung der Aufbruchsstimmung besonders innerhalb der Katholischen Kirche. Kennzeichnend für den gesamtgesellschaftlichen und politisch möglich gewordenen Wandel bezüglich des Religiösen, der Gottesgläubigkeit, der bürgerlichen Reputation usw. waren nicht allein die seit 1967 veröffentlichten Umfrageergebnisse zur Haltung der Bevölkerung bezüglich Glaubenshaltungen am Beispiel des Ostrauer 32
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Vasko, Václav: Die Entwicklung der kirchlichen Verhältnisse in der Tschechoslowakei (1938– 1989), in: Zdeňka Hledíková, Jaroslav V. Polc (Hg.), Prazské, arcibiskupstvúi 1344–1994. Sborník statí o jeho pusobení a významu v ceské zeme. [Das Prager Erzbistum 1344–1994. Aufsatzalmanach zu seinem Wirken und seiner Bedeutung in Böhmen], 380-381. Siehe dazu einige für die Entwicklung zwischen Januar – August 1968 relevante Dokumente in Pustejovsky, Otfrid: In Prag kein Fenstersturz. Dogmatismus (1948–1962), Entdogmatisierung (1962–1967), Demokratisierung (1967–1968), Intervention (1968), München 1968, an verschiedenen Stellen. Ebd., 161-162 (mit Quellenangaben).
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Industriegebietes durch die Soziologin Erika Kadlecová35 – die erstaunliche Ergebnisse zeigten –, sondern auch die seit dem März 1968 in aller Öffentlichkeit und Offenheit geführten Diskussionen über die Frage der Vereinbarkeit oder Unvereinbarkeit von religiösem Glauben und KPTsch-Zugehörigkeit bzw. Parteiamt: „Wir werden uns daran gewöhnen müssen, dass die Tschechoslowakei nicht nur ein Staat der Kommunisten ist. Auch dies ist ein Bestandteil der Demokratisierung. Den Kampf gegen die Religion […] haben wir nicht gewonnen […]. Mehr als tausend Priester haben wir in die Industrie gesteckt und naiverweise glaubten wir, dass sie damit aufhören würden Priester zu sein. Der damaligen Jugend haben wir die Katechismuslehren unmöglich gemacht, und so überraschen uns die Neugier und der Hunger der heutigen Jugend im Hinblick auf den Glauben […]“.36
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Kadlecová, Erika: Sociologický výzkum religiozity Severomoravského kraje [Soziologisches Forschungsvorhaben zur Religiosität im Nordmährischen Regierungsbezirk], Prag 1967 – Neuerdings: NESPOR, Ceská sociologie a nábozenství v letech 1948-89 [Tschechische Soziologie und Religion 1948-89] (2007). Die Meinung des im Prager Frühling besonders engagierten Schriftstellers Jan Procházka, als Antwort auf eine konkrete Frage eines namentlich ausgewiesenen Lesers, veröffentlicht in: MY [Wir] – Politisch-kulturelle Zeitschrift – 5 (1968) Nr. 7, Juli, 5-7; hier zitiert bei Pustejovsky, In Prag kein Fenstersturz, 163-168.
Jaroslav Šebek
VERÄNDERUNGEN DES KIRCHLICHEN LEBENS IN DER TSCHECHISCHEN NACHKRIEGSGESELLSCHAFT UND NACH DEM KOMMUNISTISCHEN MACHTANTRITT. BILDER VON VERFOLGUNG UND ANPASSUNG
In meinem Beitrag möchte ich mich insbesondere auf einige mit der geistlichen Situation der Tschechoslowakei und dem Aufstieg der Kommunisten zur Hegemonie der Macht und der repressiven Herrschaft nach dem zweiten Weltkrieg verbundene Fragen, auf die Formen des kirchlichen Widerstands gegen das kommunistische Regime und zugleich auf die Formen der Verfolgung konzentrieren, denen die katholische Kirche durch die neuen Machthaber ausgesetzt war. Außerdem möchte ich auf Fragen der Kollaboration der katholischen priesterlichen Grupperungen mit dem kommunistischen Regime eingehen. Ich konzentriere mich dabei besonders auf die innerkirchliche und innerstaatliche Entwicklung.
1.
Voraussetzungen für kommunistische Erfolge in der tschechischen Nachkriegsgesellschaft
Hinsichtlich der geistlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse nach 1945 weist die Tschechoslowakei eine Reihe Spezifika auf, die sie in der Nachkriegszeit auch nach dem Machtantritt des kommunistischen Regimes von ihren mitteleuropäischen Nachbarn unterschied. Eine der Besonderheiten war die starke Unterstützung für die kommunistische Partei schon in der Zeit der liberal-demokratischen Ersten Republik, eine weitere die Unterstützung der nichtkatholischen Traditionen in den offiziellen öffentlichen Diskursen bereits nach dem Entstehen des Staats im Jahre 1918, die auch nach 1945 fortgesetzt wurde. Infolge der frustrierenden Folgen des Münchener Abkommens, mit dem das Abtreten der vor allem von deutscher Bevölkerung bewohnten Grenzgebiete zugunsten von Hitlers Drittem Reich ausgehandelt worden war, wurde in der tschechischen Öffentlichkeit das Vertrauen in den Westen erheblich untergraben. Die Schutzmacht suchte die tschechische Gesellschaft nun primär in der stalinistischen
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Sowjetunion.1 Auch viele kirchliche Repräsentanten quer durch das Konfessionsspektrum kritisierten den Verrat des Westens und sahen den Osten als Garant der Landessicherheit. Die tschechoslowakischen Kommunisten haben sich zugleich kurz nach der Befreiung absichtlich zu der Rolle des ersten und praktisch einzigen Subjekts stilisiert, das auf den gefährlichen Faschismus aufmerksam gemacht und das Bündnis mit der Sowjetunion – „jenen, die in den schweren Jahren unseres Landes nie versagt haben und immer für die Freiheit und Unabhängigkeit standen“ unterstützt hatte.2 Im tschechischen Nachkriegsmilieu hatten nationaler Diskurs und tschechische Nation eine große Bedeutung; sie wurde durch die Vertreibung der Deutschen als homogen und geschlossen gedacht. Zumindest in den ersten Nachkriegsjahren dominierten deshalb patriotische Passwörter in der kommunistischen Rhetorik gegenüber den traditionellen sozialistischen und den Klassenslogans, die von Kommunisten vor dem Krieg verwendet wurden. Ein Hauptmerkmal der kommunistischen Politik schon in den ersten Kriegsmonaten war die Bemühung, einen Konsens über die Notwendigkeit, grundlegende gesellschaftlich-soziale Änderungen vorzunehmen, zu erreichen, um frühere, aus der Esten Tschechoslowakischen Republik stammende Mängel des politischen, nationalen und sozialen Charakters zu beheben. Der Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei, Rudolf Slánsky, später ein Opfer der stalinistischen Säuberungen in der Tschechoslowakei der 50er Jahre, hob im Sommer 1945 für Parteianhänger die Bemühungen hervor, universelle nationale Legitimität und Autorität als einen der Hauptaspekte und Wege eines politischen Kampfes zur Mehrheitsunterstützung zu erstreben: „Viele Genossen haben bereits verstanden, wenn wir zu den Massen kommen, wenn wir von allen Maßnahmen im Interesse der Nation und des Staates und von der Notwendigkeit der nationalen Einheit sprechen. Das ist jetzt unsere Stärke und unser Plus.“3 Dabei spielten auch die Erinnerungskultur und die gezielte Arbeit seitens der kommunistischen Kreise an der Geschichtspolitik und der Schaffung einer für sie vorteilhaften Form des historischen Gedächtnisses eine wichtige Rolle, die auch im aktuellen politischen Kampf zur Geltung gebracht werden konnte. Die Kommunisten deklarierten sich außerdem nach dem zweiten Weltkrieg mit ihrer Rhetorik als nationale Kraft, die das Volk vereint. Der Umstand, dass die hauptsächliche nationale Kraft die Kommunisten darstellten, unterschied in den Nachkriegsjahren die Tschechoslowakei wiederum von Ungarn oder Polen, wo auch national gefärbte religiöse, jedoch eher konservativere, Traditionen eine erhebliche Bedeutung bewahrten. Die neuen Interpretationen der wichtigen nationalen Traditionen bildeten die Mittel, durch die sich die Legitimierung der kommunistischen Diskurse artikulierte. Einer der prominentesten kommunistischen Intellektuellen, Zdeněk Nejedlý, und später einer der 1 2
3
Zu der politischen Lage in der Tschechoslowakei nach dem Krieg vgl. Brenner, Christianne: Zwischen Ost und West. Tschechische politische Diskurse 1945–1948, München 2009. Národní archiv Praha [Nationalarchiv Prag], Fond: KSČ-ÚV-AÚML 19/3, ÚV KSČ ‒ die Abteilung des Massenorganisationen 1945‒56, a. j. 33, Wort der Kommunisten an die tschechische Jugend, 1945. Nationalarchiv Prag, Fond: KSČ-CK-1945–1990 (018), sv. 1, a. j. 2, der Auftritt von Rudolf Slánský an der gesamtstaatlichen Konferenz der Kreissekretären der KPTsch 15. ‒ 16. 8. 1945.
Veränderungen des kirchlichen Lebens in der tschechischen Nachkriegsgesellschaft
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Hauptideologe des sozialistischen Kulturkanons, thematisierte bald nach dem Kriegsende neue Sichtweisen der tschechischen Traditionen. In seiner Schrift Kommunisten, die Erben der großen Traditionen des tschechischen Volks, die im Jahre 1945 veröffentlicht wurde, konzipierte er einen neuen Kanon von Persönlichkeiten und Ereignissen, den die kommunistischen Kreise für ihren Bedarf nutzten. Zu den ikonischen Heldenfiguren des tschechischen national-kommunistischen Narratives zählten schon kurz nach dem Krieg 1945 primär die Träger der nichtkatholischen Traditionen, also die Vertreter der Reformationsideen wie der Kirchenreformer Jan Hus, dessen Schicksal und politisierte Erinnerung seit dem 19. Jahrhundert Grundbestandteil des tschechischen Geschichtsmythos geworden war, der radikal gesinnte Denker Petr Chelčický, der Feldherr Jan Žižka, teilweise auch sog. „Hussitenkönig“ der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts Georg von Poděbrady oder der „Lehrer der Völker“, der Pädagoge Jan Amos Komenský. Außerdem gehörte dazu ein ganzes Spektrum von großen Persönlichkeiten der tschechischen Wissenschaft und Kultur des 19. Jahrhunderts, vertreten durch den „Vater der Nation“, den Historiker František Palacký und die liberal gesinnten Schriftsteller Božena Němcová, Karel Havlíček Borovský, Karel Hynek Mácha oder den Komponisten Bedřich Smetana. Diese Persönlichkeiten wurden freilich knapp nach dem Kriegsende aus der neuen politischen Perspektive betrachtet. Die Akzeptanz dieser Personen in einem neu gebauten und interpretierten kommunistischen Pantheon der größten Tschechen, hat nämlich mit der Bereitschaft solcher Personen zu tun, den sozialen und fortschrittlichen Bewegungen zu folgen oder die tschechischen patriotischen Tendenzen in der Vergangenheit zu unterstützen. Das kommunistische Milieu zählte zu den exponierten Symbolen und fortschrittlichen und damit verehrungswürdigen Gestalten der tschechischen Geschichte vor allem die Persönlichkeiten, die mit der hussitischen Bewegung verbunden sind. Die Kommunisten versuchten, ein eigenes Bild der mittelalterlichen Bewegung zu entwickeln, das jedoch alle anderen wichtigen fortschrittlichen Tendenzen der tschechischen Vergangenheit, die die neu etablierte Macht bei der Durchsetzung der kulturell-ideelle Hegemonie ausnutzen wollte, konzentrieren sollte. Die religiöse Komponente und die Glaubenslehre des Hussitentums verloren faktisch ihre Begründung: der tatsächliche Grund für das Entstehen des Hussitentums wurde in der marxistischen Interpretation in den sozial-wirtschaftlichen Beziehungen gesucht und gefunden. Im politisierten Bild der hussitischen Bewegung fehlten geistige Inhalte. Das kommunistische sich auf Hus beziehende Narrativ stützte sich nach dem kommunistischen Umsturz 1948 in hohem Maß auf das literarische Werk von Schriftsteller Alois Jirásek, denn er näherte sich am stärksten dem Hus-Verständnis im Diskurs nach dem Februar-Machtwechsel an. Einen wichtigen Faktor für den Erfolg der Kommunisten stellte die schnelle Adaption an den herrschenden Zeitgeist dar. Nach 1945 bestand eines der mächtigsten ideologischen Konstrukte in Europa in der Idee eines starken Wohlfahrtsstaates, der einen solch schrecklichen sozialen Abschwung in einer breiten Bevölkerung, wie er sich in der Zeit der Wirtschaftskrise der 1930er Jahre ereignete, nicht zulassen würde. Diese Tendenz war in ganz Europa sowohl in den siegreichen Ländern als auch in den besiegten Staaten zu beobachten. Das Konzept des modernen Wohlfahrtstaates – soziale Sicherung für alle Bürger und alle Risiken durch eine einheitliche Organisation als
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Rechtanspruch – wurde direkt nach 1945 auch in Großbritannien und Schweden, in den anderen skandinavischen Ländern, in Frankreich, Belgien und den Niederlanden umgesetzt.4 Auch diese Tatsache ermöglichte den Kommunisten eine breitere Unterstützung zu gewinnen. Die Kommunisten machten sich bei verschiedenen Sozialschichten, einschließlich der Bauern und des Mittelstands beliebt. Die Konzepte der Kommunisten schienen so für breitere Schichten attraktiver als die Vorschläge, die demokratische Parteien konzipierten. Die Vorbereitungen der tschechoslowakischen Kommunisten darauf, die hegemoniale Stellung in der Politik und Gesellschaft zu gewinnen, begannen aus diesen Gründen schon kurz nach der Befreiung im Jahre 1945. Die Angehörigen der Kommunistischen Partei besetzten die Machtpositionen in allen wichtigen politischen und soziokulturellen Sphären, beispielsweise in den einheitlichen Massenorganisationen, die nach dem Krieg in der Tschechoslowakei etabliert wurden (vor allem die Jugendorganisationen und Gewerkschaften), in den Medien, sehr stark in der Presse, und natürlich nicht zuletzt im Sicherheitsapparat und in der Armee.
2.
Katholische Kirche nach 1945
Eine spezifische Nachkriegssituation aus kirchlicher Sicht war die starke Engagiertheit der Repräsentanten der tschechischen katholischen Kreise in der Widerstandsbewegung, die jedoch trotzdem nicht die starke antikatholische Aversion der tschechischen Öffentlichkeit brechen vermochte. Der radikale Kulturkampf wurde deshalb nach kurzer Zeit auf Eis gelegt. Die Bischofsämter und Funktionen der anderen kirchlichen Beamten wurden mit Persönlichkeiten besetzt, die ein beträchtliches gesellschaftliches Ansehen genossen, wie der charismatische Prager Erzbischof Josef Beran, ehemaliger KZ- Häftling (ähnlich dem Leitmeritzer Bischof Štěpán Trochta).5 In Verbindung mit der Verbesserung des Bildes der Kirche nach außen bemühten sich die katholischen Kreise um eine Fortsetzung der Veränderungen im inneren Leben der Kirche und der Tendenzen zur spirituellen Erneuerung, für die es bereits vor dem Krieg erste Ansätze gegeben hatte. Ein bedeutender Faktor, der auch die religiöse Situation beeinflusste, war die Vertreibung der Deutschen. Sie veränderte die konfessionelle Landkarte von Böhmen, Mähren und Schlesien erheblich, gehörten doch die Grenzregionen vor 1945 zu den Gebieten mit hoher Religiosität. Gemeinsam mit den Gläubigen gingen auch ca. 1600 Geistliche fort, zumeist in die Westzonen Deutschlands sowie nach Österreich.6 Die katholische Kirche geriet so erstmals in die Erfahrung einer Diaspora, umgeben 4
5
6
Kaelble, Hartmut: Die Nachkriegszeit in Frankreich und Deutschland (1945‒1955/57), in: Ilja Mieck, Pierre Guillen (Hg.), Nachkriegsgesellschaften in Deutschland und Frankreich im 20. Jahrhundert, München 1998, 129. Hanuš, Jiří: Katholische Mentalitäten im Umbruch 1945–1948, in: Martin Zückert, Laura Hölzlwimmer (Hg.), Religion in den böhmischen Ländern 1938–48. Diktatur, Krieg und Gesellschaftswandel als Herausforderungen für religiöses Leben und kirchliche Organisation, München 2007, 238. Kindermann, Adolf: Priester und Priesternachwuchs der sudetendeutschen Volksgruppe, Limburg 1956, 23-25.
Veränderungen des kirchlichen Lebens in der tschechischen Nachkriegsgesellschaft
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von einer stark atheisierten Mehrheit.7 In der Zeit vor dem Machtantritt der kommunistischen Diktatur zeigten sich ebenfalls Signale, die von beginnenden Streitigkeiten zwischen der Kirche und den staatlichen Stellen zeugten, bei denen sich der kommunistische Machteinfluss durchzusetzen begann und besonders artikulierte. Bereits zu dieser Zeit entstanden konkurrierende und widersprüchliche Räume zwischen der katholischen Kirche und der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei (KPTsch), die rasant die Unterstützung seitens der tschechischen Öffentlichkeit erlangte. Diese Konfliktfelder schafften vor allem die Schritte zur Durchsetzung der Sozialdisziplinierung in der Bildungssphäre, also in der Schule, die einheitlich der Staatskontrolle unterstellt werden sollte. Der Episkopat wandte sich gegen Regierungsforderungen, dass allein der Staat Einfluss auf die ideologische Ausrichtung des Schulunterrichtes haben sollte und plädierte stattdessen für ein vielfältiges Angebot und eine Pluralität an Erziehungsund Bildungsmodellen.8 Zu den kulturellen Konflikträumen gehörten daneben die Bemühungen der Kommunisten nach dem Krieg, eine breite Frauenemanzipation durchzusetzen.9 Die katholische Kirche dagegen verteidigte ihre konservative Sicht der Genderbeziehungen. Gewisse Erfolge konnte freilich die ökumenische Zusammenarbeit aufweisen. Am 2. Februar 1948 fand in Prag zum ersten Mal in unserer Geschichte eine gemeinsame ökumenische Versammlung von Vertretern des Priestertums und Gläubigen aller christlichen Kirchen der Republik statt – eine historische Veranstaltung als Demonstration des Friedens und der Religionsfreiheit zu feiern. Dieses Treffen wurde von Erzbischof Beran geleitet, der in der Eröffnungsrede sagte: „ […] Christen können die Welt nicht mehr mit Ärger und Hass aufrüsten... Die Barrieren zwischen ihnen können nur Liebe und Gnade überwinden“. Eine grundsätzliche Zäsur bildete der Machtantritt des kommunistischen Regimes im Jahr 1948. Die kommunistischen Politiker fühlten sich angesichts des menschlichen und geistlichen Potenzials sowie durch die internationalen Kirchenstrukturen mit ihrem Zentrum im Vatikan stets verunsichert, nicht zuletzt deshalb war die Kirche aus ideologischer Sicht für sie ein Feind.10 Die Kommunisten erklärten sehr bald nach der 7
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Zu der katholischen Sicht an die Vertreibung der Deutschen vgl. Bendel, Rainer: Vertreibung und kirchlicher Neuanfang. Religiöser Wandel bei den Sudetendeutschen in den ersten Nachkriegsjahren, in: Zückert, Hölzlwimmer, Religion in den böhmischen Ländern 1938–48, 243-252; Bendel, Rainer: Vertriebene finden Heimat in der Kirche. Integrationsprozesse im geteilten Deutschland nach 1945, Köln-Weimar-Wien 2008; Zückert, Martin: Religion und Kirchen zwischen den Diktaturen 1945–1948, in: Martin Schulze Wessel, Martin Zückert (Hg.), Handbuch der Religions- und Kirchengeschichte der böhmischen Länder und Tschechiens im 20. Jahrhundert. München 2009, 497-551. Katolík 18. 5. 1947. Zu der Problematik der Formung des neuen sozialistischen Menschen und der Genderbeziehungen vgl. Lišková, Kateřina: Sexual Liberation, Socialist Style. Communist Czechoslovakia and the Science of Desire, 1945–1989, Cambridge 2018; Fasora, Lukáš/Hanuš, Jiří/Nečasová, Denisa et al.: Svůdnost sociálního experimentu. Nový člověk 20. století [Die Verführung des sozialen Experiments. Ein neuer Mensch des 20. Jahrhunderts], Prag 2018. Kalous, Jan: Die Kirchenpolitik der KPTsch von 1945 bis 1950, in: Pavel Žáček, Bernd Faulenbach, Ulrich Mählert (Hg.), Die Tschechoslowakei 1945/48 bis 1989. Studien zu kommunistischer Herrschaft und Repression, Leipzig 2008, 46.
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Machtübernahme, dass sie ein Interesse am Erhalt eines guten Verhältnisses hätten und über die neue Gestaltung der Beziehungen von Kirche und Staat verhandeln wollten. Unter diesem Blickwinkel ist auch die entgegenkommende Geste des Prager Erzbischofs Beran zu verstehen, der ein Te Deum bei der Inauguration des neuen Präsidenten Gottwald im Juni 1948 sang. Beran war überzeugt, dass das neue Regime nicht lange durchhalten würde und war bemüht, in den Verhandlungen den erwarteten Zusammenstoß herbeizuführen, um die Kirche dann auf ein neues Leben in den Katakomben vorzubereiten. Beran verwahrte sich gegen Versuche, den Gottesdienst als Akt der prokommunistischen Loyalität zu deuten.11 Die katholische Hierarchie weigerte sich jedoch zugleich, die einheitliche Kandidatenliste der Nationalfront für die Parlamentswahlen nach dem Umsturz öffentlich zu unterstützen, ihre Loyalität gegenüber der neuen Staatsmacht zu erklären und politisches Engagement von Priestern im kommunistischen Parlament zu erlauben, von denen bereits einige ihre Bereitschaft zu erkennen gegeben hatten, mit den neuen Machthabern zusammenzuarbeiten.12 Ausgeschlossen von den Verhandlungen über die Gestaltung der Beziehungen zwischen Kirche und Staat wurden jedoch bereits am Anfang die Vertreter der päpstlichen Internuntiatur in Prag, die Kontakte mit den Regierungsvertretern unterhielt die tschechoslowakische Bischofskonferenz. Die Kirche war im Prinzip nicht auf die neuen Bedingungen vorbereitet und ihre Repräsentanten unterschätzten die Breite der Maßnahmen, die das Regime bereit war, gegen sie zu ergreifen. Unter den Bischöfen herrschten verschiedene Haltungen, von grundsätzlicher Unnachgiebigkeit (Josef Beran) bis zu einem eher versöhnlichen Herangehen (Leitmeritzer Bischof Štěpán Trochta), das nach einer annehmbaren Form der gegenseitigen Koexistenz suchte. Trotz der Verschiedenheit der Haltungen ging die Bischofskonferenz als Ganzes jedoch nie auf die Forderung ein, die Legitimität des im Februar 1948 an die Macht gelangten Regimes als Voraussetzung für weitere Verhandlungen anzuerkennen. Was die institutionelle Verankerung der Verhandlungsformen betrifft, so wurde anfangs von den staatlichen Stellen eine Kommission unter Leitung des Justizministers Alexej Čepička mit den Verhandlungen betraut, später – ab April 1949 – die neue Kirchenkommission des ZK der Kommunistischen Partei in einer wesentlich repräsentativeren Zusammensetzung mit Parteispitzen, für die sich die Bezeichnung „die Kirchensechser“ einbürgerte. Die kommunistische Macht bereitete parallel zu den Verhandlungen eine Maßnahmenserie vor, die auf die Lahmlegung der Kirchenstrukturen und eine Einschränkung der kirchlichen Tätigkeit im öffentlichen Raum abzielte (eine Strategie zur vollständigen Beherrschung der Kirche durch die Staatsmacht war bereits im August 1948 formuliert worden). Die kommunistische Regierung bemühte sich jedoch, mit propagandistischen Angriffen sämtliche Verantwortung auf die Bischöfe abzuwälzen. Als entscheidende Wende ist das Jahr 1949 zu sehen. Dem Dialog – trotz der wachsenden Probleme – verschloss sich der tschechoslowakische Episkopat nicht; er ließ die Gespräche mit den Regierungsvertretern weiterführen. Im Februar 1949 wurden 11 12
Nationalarchiv Prag, Úřad předsednictva vlády [Regierungsamt] - S, (ČSR-Zápotocký), Karton 14, Berans Stellungnahme nach dem Te Deum, Juni 1948. Nationalarchiv Prag, Regierungsamt - S, (ČSR-Zápotocký), Karton 14, Memorandum der tschechoslowakischen Bischöfe an Regierung, Juni 1948.
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deshalb nach einer mehr als halbjährigen Pause die Verhandlungen wieder aufgenommen, bei denen der Bischof von Leitmeritz Štěpán Trochta ein sehr wichtiges Wort führte. Für die Kirche hatte sich die Situation seit den letzten Verhandlungen im Juni 1948 weiter verschlechtert.13 Die Führung der KSČ war früh zu dem Schluss gelangt, dass der Konflikt mit der Kirche im Grunde unvermeidbar sei, und hatte die Voraussetzungen geschaffen, um ihn erfolgreich zu bestehen. Alle Versuche der Bischöfe, die Rechte der Kirche zu verteidigen, ihre Hirtenbriefe und persönlichen Appelle an die Geistlichen, interpretierten die Vertreter des Regimes als Ansätze einer oppositionellen Tätigkeit. Immer vehementer wurden eine Abspaltung der katholischen Kirche und die Isolierung der vermeintlichen Gegner gefordert.14 Der wichtigste Wendepunkt in der weiteren Entwicklung war die Bischofskonferenz, die vom 22. bis 23. März 1949 in Starý Smokovec in der Slowakei stattfand. Ein geheimer Bericht, der an das Politbüro des Zentralkomitee KPTsch geschickt wurde, lieferte Informationen über das Treffen der Bischöfe auf der Konferenz. Der Olmützer Erzbischof Matocha informierte den Episkopat über seinen Besuch in Rom und sprach vom Standpunkt des Heiligen Stuhls, wie man die Verhandlungen mit dem Staat fortsetzt: „Im Prinzip muss die Kirche den Verhandlungen im Rahmen der Nationalfront zustimmen, denn es ist die letzte Kirchenbastion im Osten. Bei den Verhandlungen muss man jedoch die Grundprinzipien der christlichen Weltanschauung beibehalten.“15 Nach der Aufdeckung der Abhörangriffe der Staatssicherheit (Geheimpolizei) während der Beratungen der Bischöfe in der Slowakei wurden die Verhandlungen beendet. Beran äusserte Kritik in den Briefen an Innenminister Václav Nosek und Premierminister Antonín Zápotocký. Am 29. April 1949 schickten die Bischöfe dem Präsidenten der Republik ein Memorandum, in welchem sie bekannt machten, dass die Loyalitätserklärung der Kirche durch den Vorfall in Smokovec zurückgezogen worden war.16 Es entwickelte sich dann eine Spirale von Presseattacken, die nur als Vorspiel für einen entschiedenen Schlag des kommunistischen Regimes gelten konnte. Im Frühjahr 1949 legte die Machtelite ihre Verhandlungsmaske ab und begann eine langfristige kirchenfeindliche Strategie zu verwirklichen. Gegen die Aktivität der Katholiken sollte ein härterer Kurs eingeschlagen werden. Vom kommunistischen Ideologe Václav Kopecký lautete im Rahmen seines Auftretens an dem IX. Parteitag der KPTsch im Mai 1949 die Formulierung folgendermaßen: „Die Hochverräter werden nicht geduldet und nicht gerettet werden, auch wenn sie heilige Kleider tragen“.17 Im Bemühen, den Widerstand einzudämmen, konzentrierte sich der Staatsapparat darauf, die katholische Kirche zu spalten, die Priester von den Bischöfen zu trennen und in der Endphase eine Nationalkirche zu 13 14 15 16
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Kaplan, Karel: Staat und Kirche in der Tschechoslowakei. Die kommunistische Kirchenpolitik in den Jahren 1948–1952, München 1990, 48. Cuhra, Jaroslav: Staat und Kirchen in der Tschechoslowakei, in: Schulze Wessel, Zückert, Handbuch, 560. Nationalarchiv Prag, f. ÚV KSČ (100/36), arch. j. 521, 7-14114. Mlýnský, Jaroslav: Zur Problematik der Kirchenpolitik der KPTsch in den Jahren 1948–1949, in: Sborník prací Filozofické fakulty brněnské univerzity. G, Řada sociálněvědná [Tagungsband der Philosophischen Fakultät der Universität Brünn. G, Reihe Sozialwissenschaften], Brünn 1966, hier Bd. 15. Rudé právo, 29. 5. 1949.
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schaffen, wie dies nach 1920 nach der Etablierung des tschechoslowakischen Staats der Fall war. Damals entstand auch eine nationale Kirche, die Tschechoslowakische Kirche, die jedoch vor allem aus Angehörigen der reformorientierten Strömung zusammengesetzt war, die sich auf die Prinzipien des Modernismus beriefen. Zum Instrument der kirchlichen Spaltung sollte die sog. Katholische Aktion werden, die zugleich der Ursprung einer solchen nationalen Kirche werden sollte. Es handelt sich um eine verbale Ähnlichkeit mit dem Projekt von Papst Pius XI. aus dem Jahr 1922, das sich in der Tschechoslowakei bereits vor dem Krieg ausgebreitet hatte.18 Die Organisatoren der kommunistisch geführten Katholischen Aktion argumentierten demagogisch, dass sie immer noch ihren ursprünglichen Zweck und ihr Ziel erfüllten und deshalb eine kulturelle-religiöse Massenbewegung gründeten, „um unserer Kirche und unseren Gläubigen die friedliche Entwicklung ihres religiösen Lebens zu gewähren“.19 Dies war einer der Gründe, weshalb sich anfangs an die 1500 Priester und Laien zur regimefreundlichen Katholischen Aktion bekannten. Gegen die Katholische Aktion traten deshalb die Bischöfe sehr scharf mit einem Hirtenbrief auf, der klar vor der Gefahr einer Spaltung warnte. Damit gelang es, eine umfangreiche Infiltration der Kirchenstrukturen durch regimefreundliche Aktivisten zu verhindern. Während des Verlesens des Hirtenbriefs im Juni 1949 wurde jedoch Erzbischof Josef Beran interniert (In der Internierung blieb er bis Oktober 1963). Kurz darauf befanden sich in Internierung oder im Gefängnis auch praktisch alle Diözesanbischöfe (in Böhmen und in Mähren handelte es sich um die Diözesen Prag, České Budějovice, Litoměřice, Brno und Olomouc). Mit Verwaltungsverordnungen der kommunistischen Behörden wurde der Schriftverkehr zwischen Bischöfen und Priestern – und über deren Vermittlung – auch mit den Gläubigen eingeschränkt. An deren Stelle wurden von den kommunistischen Behörden die Kapitelvikare installiert, die meistens die Repräsentanten eines Kirchenflügels darstellten, der zur Zusammenarbeit mit den kommunistischen Kreisen bereit war. Die kommunistischen Repressionen richteten sich auch gegen die „parallele Hierarchie“, also gegen die geheim, jedoch mit der Zustimmung des Papstes geweihten Bischöfe, die interniert oder inhaftiert wurden. Mit ihrer geheimen Weihe bereitete sich nämlich die Kirchenhierarchie seit 1949 auf das Entstehen von parallelen Führungsstrukturen in der Kirche vor, wozu auch der Vatikan seine Zustimmung erteilt hatte.
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Zur Geschichte und zum Programm der von Papst Pius XI. initiierten Katholischen Aktion vgl. Malgeri, Francesco: Pio XI. e l´ Azione Cattolica, in: La Sollecitudine ecclesiale di Pio XI: alla luce delle nuove fonti archivistiche. Atti del convegno internazionale di studio, Città del Vaticano, 26-28 febbraio 2009. A cura di Cosimo Semeraro. Città del Vaticano 2010, 149-182; Kogler, Nina: Geschlechter Geschichte der Katholischen Aktion im Austrofaschismus. Diskurse – Strukturen – Relationen, Wien-Berlin-Münster 2014; Grosse Kracht, Klaus: Die Stunde der Laien? Katholische Aktion in Deutschland im europäischen Kontext 1920–1960, Paderborn 2016; Šebek, Jaroslav: Katolická akce jako nástroj papežského centralismu a její recepce v meziválečném Československu [Katholische Aktion als Instrument des päpstlichen Zentralismus und ihre Rezeption in der Tschechoslowakei der Zwischenkriegszeit], in: Moderní dějiny, Jahr 25 Nr. 1, Prag 2017, 89-112. Nationalarchiv Prag, Archiv Ústředního akčního výboru Národní fronty [Archiv des Zentralaktionskomitee der Nationalfont], karton 38, Das Referat für Bezirkskonferenzen der Katholischen Aktion, Juni 1949.
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Die Internierungen der Bischöfe waren Vorzeichen für weitere Schritte der Repression. Im Herbst 1949 beschloss das Parlament die sog. Kirchengesetze, von denen eines der wichtigsten der Kirche sämtliches Eigentum entzog und sie wirtschaftlich völlig abhängig vom Staat werden ließ. Die „josephinischen“ Inspirationen wurden dabei mehrmals von den verantwortlichen kommunistischen Politikern erwähnt. Die kommunistische Rhetorik betonte zugleich, dass die Schritte zur wirtschaftlichen Unterordnung unter staatlichen Einfluss nur zugunsten der Kirche unternommen würden, um sie „von materiellen Sorgen zu befreien, ohne dass sich irgendetwas am freien Leben der Kirche ändert“.20 Die regimefreundliche katholische Presse wiederum versicherte, dass es den Priestern wesentlich besser als im Kapitalismus ergehen werde, der der christlichen Moral widerspreche. Zum Beherrschungsinstrument der Kirche wurde das neu gebildete Staatliche Amt für Kirchenangelegenheiten, in dessen Kompetenz die Führungstätigkeit in allen religiösen und kirchlichen Fragen und vor allem die Tatsache fiel, dass alle Priester (vom einfachen Kaplan zum Bischof) ihre pastorale Tätigkeit nur dann ausüben durften, wenn ihnen dies die staatliche Aufsicht erlaubte. Ziel dieser Gesetze war es, die Kirche unter die Kontrolle der Staatsmacht zu bringen, aus der sich die christlichen Kirchen dann lange vierzig Jahre nicht zu befreien vermochten – vielleicht mit einer kurzen Ausnahme in der Zeit des sog. Prager Frühlings von 1968. Zu Beginn des Jahres 1950, also nicht ganz zwei Jahre nach der Machtübernahme, vollendete man die hauptsächlichen Eingriffe in die tschechoslowakische religiöse Landschaft und die legislativen Bedingungen für die Arbeit der Kirche im Rahmen der kommunistischen Diktatur. Die Bischöfe bemühten sich, wenigstens die negativen Auswirkungen dieser Gesetze auf die Einheit im Klerus einzuschränken und riefen dazu auf, dass die Priester ihren Treueid gegenüber dem Staat mit dem Zusatz ablegen, dass sie sich den natürlichen Rechten des Menschen und den Gesetzen Gottes nicht widersetzen werden. Die Mehrheit der Priester musste jedoch diesen Eid auch ohne Zusatz leisten, denn es musste die grundlegende pastorale Betreuung aufrecht erhalten werden. Unter staatliche Kontrolle geriet auch das theologische Studium; sämtliche Öffentlichkeits- oder Vereinsaktivitäten der Kirche wurden untersagt. Mit den beginnenden fünfziger Jahren zeigte sich dann insbesondere die Härte der konkreten Verfolgungsmaßnahmen gegen mögliche Vertreter der Kirchenopposition aus den Reihen der Laien und Priester. Den Beginn der großen repressiven Schritte können wir in der Reaktion auf das sog. Wunder von Čihošť finden. Am Sonntag, dem 11. Dezember 1949, neigte sich während der Messe das Kreuz über dem Allerheiligsten in der Kirche von Čihošť im Landkreis Havlíčkův Brod. Die Nachricht über das Ereignis verbreitete sich rasch und am 28. Januar 1950 wurde Pfarrer Josef Toufar verhaftet und in die Strafanstalt Valdice in Ostböhmen gebracht. Die Ermittlungsbeamten wollten durch Folter sein Geständnis erzwingen, dass er das ganze „Wunder“ in Zusammenarbeit mit einem Vertreter des Vatikans vorbereitet habe. Josef Toufar starb an den Folgen der langfristigen Misshandlungen, ohne jedoch zu gestehen.21 Damit entging er
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Katolické noviny, 16. 10. 1949. Zum Schicksal von Josef Toufar vgl. Kalous, Jan: Instrukážní skupina StB v lednu a únoru 1950. Zákulisí případu Čihošť [Instruktorengruppe der Staatssicherheit im Januar und Februar 1950.
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einem großen Prozess. Trotzdem wurde sein Fall zum Auslöser einer Reihe von weiteren konstruierten politischen Schauprozessen, die unterschiedliche Segmente des kirchlichen Lebens erfassten. In hohem Maß betraf dies die Orden, deren Mitglieder ab April 1950 zwangsinterniert wurden und deren Tätigkeit eingestellt wurde, sodass die Männerorden bis 1989 illegal blieben. Und 500 Geistliche steckte man ab Ende der 1940er Jahre ins Gefängnis, verurteilt zumeist über 10 Jahren Haft. Im Rahmen der antikatholischen Verfolgungswelle fand im April 1950 zugleich die, unter massiven politischen Druck erzwungene administrative Auflösung der griechisch-katholischen Kirche statt, die ihre Hochburgen in der Ostslowakei hatte. Ein weiterer spektakulärer Fall, in den Vertreter der katholischen Kirche hineingezogen wurden, ereignete sich im Juli 1951 im Dorf Babice in Südmähren, also in einem Gebiet mit einem hohen Maß an Religiosität. Am 2. Juli 1951 wurden bei einer Sitzung des Nationalausschusses in der Dorfschule drei lokale Funktionäre der KPTsch erschossen. Die Morde versetzten das Dorf in Angst und Schrecken und erschwerten die ohnehin komplizierte Zwangskollektivierung der Landwirtschaft in dieser Region beträchtlich. Die kirchliche Dimension des Falles darf allerdings nicht unberücksichtigt bleiben. Ungewöhnlich schnell kam es zum Gerichtsprozess. Im Rahmen der Repressionen wurden drei Geistliche hingerichtet.22 Zur Unterordnung der katholischen Kirche unter den staatlichen Einfluss kam es relativ schnell. Bei der Beantwortung der Frage, weshalb dies gerade in der Tschechoslowakei so umfangreich und ohne größeren Widerstand gelang (im Vergleich zu anderen mitteleuropäischen Staaten des Ostblocks – Polen und Ungarn), müssen wir bei unseren Antworten den andauernden Diskurs der tschechischen Gesellschaft in Betracht ziehen, die im nationalen Pantheon ihrer Traditionen für ihren katholischen Teil nur einen Platz am Rande vorbehalten hatte. Der Unterschied in der Präsenz der katholisch geprägten Traditionen im nationalen Diskurs manifestiert sich insbesondere in Bezug auf Polen, wo trotz der Unterdrückung durch die kommunistische Macht katholische Traditionen verwendet wurden, um die staatliche Autorität im Rahmen der „Wiedergewonnenen Gebiete“ an der Oder-Neisse Grenze zu stärken. Polen in der Nachkriegszeit – trotz der offiziellen kommunistischen atheistischen und sozialistisch-internationalen Linie – zeigte nämlich den Willen, auch auf katholische Fundamente seine neue, national und sprachlich homogene Identität zu bauen. Die Kommunisten in der Tschechoslowakei (und besonders in Böhmen und Mähren) rechneten bei ihrem Feldzug gegen die katholische Kirche dagegen mit den traditionellen historischen Reminiszenzen und Abneigungen der Öffentlichkeit, welche die Kirche als eine unmoderne, verknöcherte, nicht nationale, habgierige Institution betrachtete, die nicht an die sozial Schwächeren denkt. In diesem Zusammenhang arbeiteten sie auch mit der überdauernden Entfremdung zwischen den einzelnen christlichen Denominationen, denn die ökumenischen Beziehungen begannen sich erst nach dem Krieg vorsichtig zu entwickeln und das erste große ökumenische Treffen fand erst im Februar 1948 statt. Deshalb wurden die nichtkatholischen Denominationen der
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Hintergrund des Falls Čihošť], Prag 2001; Doležal, Miloš: Jako bychom dnes zemřít měli [Wie wir heute sterben würden], Prag 2012. Kalous, Die Kirchenpolitik der KPTsch von 1945 bis 1950, 52.
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Kirche bevorzugt, da diese in Bezug auf den Kommunismus nicht so ausgesprochen feindlich eingestellt waren wie die Katholiken. Zugleich ist jedoch zu betonen, dass die katholische Kirche trotz ihrer Lähmung eine in ihrer Mehrheit nonkonforme Existenzweise in der Zeit des Regimes zeigte. Die Gottesdienste wurden zu einem Raum, in dem die Menschen einen von der staatlich dirigierten offiziellen ideologischen Linie abweichenden ideellen Diskurs wahrnehmen konnten. Auch bestand stets die Möglichkeit, die religiösen Gefühle durch Teilnahme an öffentlichkeitswirksamen Ereignissen wie Wallfahrten und weiteren Zeremonien zu zeigen, wenn auch gerade der öffentliche Charakter dieser Aktivitäten nach dem kommunistischen Umsturz stark eingeschränkt wurde, denn der Machtapparat befürchtete, dass diese geistlichen Feierlichkeiten, bei denen sich viele Tausend Menschen versammelten, auch zu politischen Auftritten genutzt werden könnten. Mit der Lockerung der Verhältnisse nach der Enthüllung von Stalins Persönlichkeitskult im Jahr 1956 lebte das geistliche Leben wieder deutlich auf; es war offensichtlich, dass es nicht gelungen war, die Kirche in einen opportun zusammenarbeitenden Teil auf der einen und in jenen Teil auf der anderen Seite zu spalten, der der offiziellen Kirchenlehre treu geblieben war. Das sozialistische Regime versuchte die katholische Kirche aus dem öffentlichen Raum rasant zu verdrängen. Im Zusammenhang mit der Entstalinisierung wurde vom März 1956 an von den kommunistischen Behörden trotz der schweren Verfolgung in den früheren Jahren eine wachsende Teilnahme der Gläubigen an verschiedenen öffentlichen religiösen Zeremonien festgestellt, insbesondere bei den mit dem Marienkult verbundenen Religionswallfahrten, die wieder, wie bereits manchmal in der Vergangenheit, als Integrierungs- und Mobilisierungsfaktor für breite katholische Kreise und für deren äußere und innere Identifikation mit der Kirche dienten.23 Nach dem ungarischen Volksaufstand gegen das kommunistische Regime wurde freilich der Druck auf die Kirche hinsichtlich der prokommunistischen Konformität verstärkt. Interessant ist, dass die kommunistischen Funktionäre die geistlichen Zusammenkünfte anfangs auch für ihre aktuellen politischen Ziele nutzen wollten, was mit dem zweiten Gesicht der katholischen Kirche in Böhmen, Mähren und Schlesien zusammenhängt, dem ich mich widmen möchte, nämlich der Anpassung und Kollaboration mit dem Regime. Die Kommunisten wollten nämlich ihre Macht auch ideell verankern und präsentierten sich propagandistisch als Gipfel aller fortschrittlichen Strömungen der Vergangenheit. Die nach 1948 bevorzugte Tradition war die Hussitenbewegung, deren soziale Dimension von der Propaganda hervorgehoben wurde.24 Der Vorsitzende der Kommunisten Klement Gottwald verwendete hussitische Terminologie sogar, wenn er den Februarumsturz aus dem Jahr 1948 bewertete: „Heutige Herreneinheit [es handelte sich um eine Parallele zu dem Begriff, der die antihussitische, katholisch orientierte Gruppierung der böhmischen Aristokratie der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts 23 24
Nationalarchiv Prag, SÚC, Karton 3, Gegenwärtige Fragen der Kirchenpolitik nach dem XX. Parteikongress, Frühling 1956. Zu der Problematik der politisierenden Interpretationen der Hussitenbewegung vgl. Randák, Jan: V záři rudého kalicha. Politika dějin a husitská tradice v Československu 1948–1956 [Im Licht des roten Kelches. Geschichtspolitik und hussitische Tradition in der Tschechoslowakei 1948– 1956], Prag 2015.
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bezeichnete – JŠ] wurde vernichtet, und das entscheidende Wort wird jetzt in allen nationalen und staatlichen Fragen den Nachkommen der mutigen Taboriten, der Anhänger von Jan Hus, Jan Žižka von Trocnov, Prokop Holý und Roháč z Dubé, zukommen“.25 Die Kommunisten wollten jedoch nach ihrem Machtantritt das Mobilisierungspotenzial auch weiterer bedeutender Traditionen nutzen, wie etwa das Vermächtnis der Slawenapostel Kyrill und Method. In ihrem Fall hoben sie geschickt auch die tschechisch-deutschen Aversionen hervor, indem sie an die Probleme erinnerten, auf die die byzantinische Mission bei ihrer Tätigkeit im Grossmährischen Reich gestoßen war.26 Am Beispiel der entsprechend angepassten Bilder der Vergangenheit, einschließlich der Rolle der Mission von Kyrill und Method, wollten sie die Bedeutung der nationalen Emanzipation der tschechischen und der slowakischen Nation im Konflikt mit dem deutschen Ethnikum aufzeigen, was nach dem zweiten Weltkrieg Anklang unter der Bevölkerung finden konnte. Katholische Priester, die mit dem neuen kommunistischen Regime zusammengearbeitet haben, hatten sich auch der Kyril- und Methodius-Symbolik gemäß den aktuellen Machtabsichten angeschlossen. Eine der Hauptfiguren der kollaborierenden Strömung innerhalb des katholischen Priestertums, Gesundheitsminister und seit 1951 auch Vorsitzender der katholisch geprägten Tschechoslowakischen Volkspartei, Josef Plojhar, verglich beispielsweise die Streitigkeiten der regimetreuen Priester mit der kirchlichen Hierarchie mit den Streitigkeiten, die Kyrill und Methodius im 9. Jahrhundert mit den fränkischen Bischöfen führten.27 Eine erweiterte Form der ideologischen Bemühungen um die Infiltration eines breiten Spektrums an Gläubigen waren die Wallfahrten, die an historisch bekannten Orten stattfanden, zum Beispiel im Zentrum der Kyrill-Methodianischen Erinnerung, Velehrad, wo 1950 eine Bewegung kollaborierender Priester entstand. Den beinahe pogromartigen Ablauf der von den Kommunisten organisierten antikirchlichen Maßnahmen, verbunden mit den politischen Schauprozessen mit den vermuteten „Vatikan-Agenten“, sollte die systematische Pflege des altneuen Ideals eines „patriotischen Priesters“ neojosephinischer Prägung korrigieren (die etwa im Geiste der alten tschechischen Dorfromane von Autoren wie J. Š. Baar oder K. V. Rais standen), der sich freiwillig und aus innerer Überzeugung „auf die Seite des Volkes“ stellt und die „Intrigen des Vatikans und der amerikanischen Spionage-Zentralen“ aktiv bekämpft.28 Obwohl es sich im Fall dieser Priestervereinigung nicht um eine Massenorganisation handelte, lag das Problem darin, dass ihre 25 26
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Machovec, Milan: Husovo učení a význam v tradici českého národa [Hus-Lehre und seine Bedeutung in der Tradition des tschechischen Volkes], Prag 1953, 366. Katolické noviny, 2, č. 28, 9. 7. 1950, 1. Zur Rolle Velehrads als des Wallfahrtortes im modernen kollektiven spirituellen Gedächtnis an Kyrill-Methodium, zur Verbindung der nationalen und kirchlichen Bedeutung der Tradition und der Entstehung der nationalen Differenzen in der Rezeption des Gedächtnisses an beide „Slawenapostel“ vgl. Machilek, Franz: Velehrad ist unser Programm. Zur Bedeutung der Kyrill-MethodIdee und der Velehrad-Bewegung für den Katholizismus in Mähren im 19. und 20. Jahrhundert, in: Bohemia 45 (2004), 353-95. Lidová demokracie, 6, Nr. 154, 2. 7. 1951. Kunštát, Miroslav: Politischer Katholizismus und Kommunismus in der Tschechoslowakei, in: Timmermann, Heiner (Hg.), Die Rolle des politischen Katholizismus in Europa im 20. Jahrhundert. Band 1, Berlin-Münster 2009, 119.
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Mitglieder eine stärkere Loyalität zum Regime als zur Kirchenautorität hegten und für die Bedürfnisse des Regimes leicht manipulierbar waren. Die Formen der kommunistischen Beeinflussung manifestierten sich auch in den Deutungen der Geschichten der Heiligen. Ähnliche Tendenzen, mit dem historischen Gedächtnis an Kyrill-Methodianischen Traditionen zu manipulieren, können wir auch im Rahmen der Erinnerungen an den St. Wenzel-Kult (des Schutzpatrons von Böhmen) sehen.29 Im Prager Repräsentationshaus (Obecní dům) fand am 27. September 1949 die Versammlung der regimetreuen Katholischen Aktion statt. Die Persönlichkeit des heiligen Wenzels sollte Vergangenheit und Gegenwart verbinden und eine neue politische Ordnung verkünden. Der Februarumsturz wurde nämlich in der kollaborierenden katholischen Presse als Bestätigung der bedeutungsvollen Inszenierungen der St. Wenzel Traditionen in der tschechischen Geschichte empfunden.30 Diese Tendenzen, Wenzels Vermächtnis ideologisch neu zu deuten, hingen sehr eng damit zusammen, dass das Problem der inneren Zerrissenheit der Tradition immer blieb, und die offiziellen katholischen Kreise bemühten sich deshalb heftig darum, das Bild des ewigen böhmischen Fürsten von den Ablagerungen der NS-Propaganda aus der Periode des Zweiten Weltkrieges zu reinigen. In den katholischen regimetreuen Zeitungen wurden zugleich auch kritische Artikel zur sudetendeutschen Problematik veröffentlicht. Die Tätigkeit der sudetendeutschen Katholiken auf dem Feld der organisierten Verbandstätigkeit wurde als „revanchistische Tätigkeit“ bezeichnet.31 Die kommunistischen Behörden planten, Veranstaltungen abzuhalten, bei denen die regimetreuen Geistlichen ihre Loyalität zu den aktuellen politischen Verhältnissen bekräftigen sollten.32 Am Vorabend des Namenstages des hl. Wenzel am 27. September 1951, also zwei Jahre nach dem schon erwähnten Versuch der Integration des heiligen Wenzels in die kommunistischen Vorstellungen, fand unter der Losung „Aus dem Osten kommt das Licht, aus dem Osten kommt der Frieden“ ein großer Kongress der Friedensbewegung des katholischen Klerus statt. Diese Gruppierung wurde schon im Juli 1950 anstatt der Katholischen Aktion in Velehrad gegründet, und ab 1951 trug sie die offizielle Bezeichnung „Celostátní výbor mírového duchovenstva (Gesamtstaatliches Komitee der Friedensgeistlichen)“. Präsident Klement Gottwald begründete in seiner Botschaft an das Treffen dessen Zusammenarbeit mit der Führung von Partei und Staat in Zusammenhang mit den Parallelen mit dem Münchener Abkommen von 1938, indem er erklärte, dass die Geistlichen sich in den Dienst des Aufbaus einer nationalen Einheit gestellt haben und es ablehnten, Verräter dieser Einheit zu sein so wie vor Jahren die Kapitalistenbourgeoisie.33 Die Teilnehmer riefen zu einem entschiedenen Kampf für den Frieden und den sozialen und politischen Fortschritt auf, was nichts anderes hieß, als die kommunistische Politik offen zu unterstützen. Die Mehrheit der katholischen Priester blieb jedoch dem Vatikan gegenüber loyal, sie war der traditionellen 29 30 31 32 33
Katolické noviny 2. 10. 1949. Katolické noviny, 25. 9. 1949. Katolické noviny, 25. 9. 1949. Nationalarchiv Prag, Regierungsamt – S, (ČSR-Zápotocký), Karton 14, die Verhandlungen über Erzbischof Beran, Febraur 1951. Rudé právo, 28. 9. 1951.
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Religiosität treu und bewahrte sich ihre Beziehung zur Bischofsautorität, auch wenn sie mit ihr nicht in direktem Kontakt stand. Trotz der gezielten Verfolgung verhinderte es die katholische Kirche, die erklärten Absichten der kommunistischen Politik durchzusetzen und den niederen Klerus aus der hohen Hierarchie zu reißen. Im Bericht an das Zentralkomitee der KPTsch (ÚV KSČ) konnte man im Sommer 1954 lesen: „Die Bischöfe haben den gleichen Einfluss auf die Kleriker wie zuvor und werden vom Klerus voll respektiert, der Einfluss der Kapitelvikare auf das Priestertum ist ungleich.“34 Dank dessen konnte keine massenhafte Unterstützung für die konstruierten Verschiebungen in der Gestaltung der Kirchenrituale erwartet werden, die in ihrer Form den Bedürfnissen der Propaganda entsprechen würden, und noch weniger Unterstützung für das Entstehen einer neuen Kirche, die nicht an Rom gebunden wäre. Diese Feststellung führte die kommunistische Macht dazu, alle Pläne für die Schaffung einer sog. nationalen Kirche fallen zu lassen. Ab der zweiten Hälfte der 1950er Jahre konzentrierte sich die Parteiführung auf das Erreichen einer mehrheitlich atheistischen Gesellschaft, wobei das Neue dabei auch darin bestand, dass sich nun mit den kirchenpolitischen Fragen anstelle der zentralen Institutionen in erhöhtem Maß die unteren Entscheidungsebenen befassten. In Zusammenhang mit der Verfolgung der katholischen Kirche in der Tschechoslowakei und ihren Bemühungen, Widerstand zu entwickeln oder sich den anormalen Bedingungen anzupassen, tritt eine Reihe von Priestertypen auf. Zur Zeit der ersten Phase der Etablierung des kommunistischen Regimes wandelt sich die Identität der Priester rasant. Die priesterliche Identität wurde in mehreren Segmenten geformt. Es ist dies einerseits ein Priester, der die Erfahrung einer Gefängnishaft macht, wo viele der vorherigen Barrieren und Unterschiede, verwischt werden, also zwischen dem klerikalen und laienhaften Element, zwischen Katholiken und anderen Konfessionen und auch zwischen Gläubigen und Menschen anderer ideeller Orientierung; ferner ist dies ein Priester, der seine pastoralen Pflichten im Rahmen seiner Pfarrei erfüllt, jedoch in den Grenzen der Zeit und im Grunde in einer Grauzone zwischen Widerstand und Anpassung an die Verhältnisse, und schließlich gibt es eine kleine, jedoch für das Regime wichtige Gruppe von Priestern, die sich der aktiven Unterstützung der kommunistischen Macht angeschlossen hatte. Ihre gesellschaftliche Rolle konzentrierte sich darauf, den Eindruck zu erwecken, dass das religiöse Leben hier normal abläuft und dass nur staatsfeindliche Elemente gegen das Regime sind. Einige Priester nahmen an, dass sie durch eine Zusammenarbeit mit dem Regime und ihr christliches Verhalten die atheistische Diktatur ein wenig vermenschlichen könnten. Die Frage der Definition der Priestertypen könnte auch für eine komparative Untersuchung der tschechischen und sudetendeutschen Priestertypen genutzt werden. Die beschriebene Situation auf dem Feld der kirchlich-politischen Prozesse in der erforschten Zeitperiode führte allmählich zu einem Verlust der theologisch gebildeten Führungsschichten der Kirche und letztlich zu einer geschlossenen und isolierten konservativen katholischen Gemeinschaft. In dem Bemühen, unter den Bedingungen der kommunistischen Diktatur zu überleben, verfolgten die Mitglieder der Kirche Strategien, 34
Nationalarchiv Prag, F. 02/2, Politbüro ZK KPTsch 1954–62, Band 4, a. j. 5/13, Information zu der Situation der römisch-katholischen Kirche, Prag 5. 7. 1954.
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die zu einem Festhalten an den grundlegenden Glaubensinhalten auf dem Gebiet der Ekklesiologie führten. Im Zusammenhang damit ist eine gewisse konservative Einstellung zu sehen, die nicht nur durch die Entwicklung der Kirche in den vorausgegangenen Epochen gegeben war, sondern die auch aus der beschriebenen Verteidigungssituation resultierte.35 Abschließend sei bemerkt, dass dieses ganze Thema Möglichkeiten bieten kann für eine fachliche Zusammenarbeit und die Erweiterung unserer Kenntnisse über die Zeit und ihre Akteure sowie die gesellschaftliche und geistliche Atmosphäre in einer weiten Perspektive. Hinter diesen Ereignissen in der kirchlich-politischen Sphäre dürfen wir längerfristige Prägungen und ideelle (Dis-)Kontininuitäten vermuten. Wir können dabei auch den Wandel der politischen, kulturellen, nationalen und (anti)demokratischen Diskurse erforschen. Dies sind zweifellos wichtige Fragen, die uns auch eine Antwort auf die dringende Suche nach der gerade heute so wichtigen geistlichen Identität Europas geben können.
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Hanuš, Jiří: Die römisch-katholische Kirche, in: Schulze Wessel, Zückert , Handbuch, 629.
Ivan A. Petranský
STAATLICHE REPRESSIONEN GEGEN DIE CHRISTLICHEN AMTSKIRCHEN IN DER SLOWAKEI
Von 1945 bis 1960 existierte in der Tschechoslowakischen Republik ein sogenanntes volksdemokratisches System, das verfassungsrechtlich durch die Verfassung des Jahres 1948 bestätigt wurde. 1960 wurde eine neue angenommen; diese definierte die Tschechoslowakei bereits als einen sozialistischen Staat und verlieh ihm infolgedessen eine neue Bezeichnung – Tschechoslowakische Sozialistische Republik. Die Slowakei erhielt in diesem Staat eine gewisse Selbstverwaltungsposition und damit auch eigene Organe – den Slowakischen Nationalrat (das slowakische Parlament) und das Kollegium der Beauftragten (die slowakische Entsprechung für ein Ministeramt.). Doch wurden deren Kompetenzen bis 1948 schrittweise auf ein Minimum herabgesetzt, und selbst in grundlegenden politischen Fragen, selbst der Kirchenpolitik, wurde ausschließlich in Prag entschieden. Die Lage der Christen in der Slowakei in den Jahren 1945–1960 ergab sich aus der Gesamtsituation in der Tschechoslowakei; allerdings wies sie ihre Spezifika auf. Diese hingen wiederum mit der unterschiedlichen Religionsstruktur der Slowakei gegenüber Tschechien zusammen, sodann mit dem ebenso unterschiedlichen Einfluss der Kirchen auf die Gesellschaft sowie auch der unterschiedlichen historischen Entwicklung. In Bezug auf die Religionsstruktur der slowakischen Bevölkerung in diesem Zeitabschnitt können wir uns auf die erste Nachkriegs-Volkszählung von 1950 stützen; sie war gleichzeitig für eine lange Zeit die letzte derartige Erhebung, bei der die Religionszugehörigkeit mit berücksichtigt wurde. (Sie wurde dann nach dem Sturz des kommunistischen Regimes im Jahr 1989 erneut wieder in Betracht gezogen). Entsprechend der Volkszählung von 1950 bekannten sich 76,2% der Bevölkerung der Slowakei zur römisch-katholischen Kirche. Die zweitgrößte Religionsgruppe bildeten die evangelischen Glaubensangehörigen Augsburger Bekenntnisses (Lutheraner) mit 12,9%. Die griechisch-katholischen Religionsangehörigen, die vornehmlich in der Ostslowakei lebten, bildeten 6,6% der Gesamtbevölkerung. 3,2% der Slowaken gehörten den Reformierten Christen (Calvinisten) an. Die Mehrzahl zählte zur ungarischen nationalen Minderheit; sie siedelten in der Südslowakei. Zur kleinsten organisierten christlichen Kirche in der Slowakei, der Orthodoxen Kirche, bekannten sich 0,2% der Bevölkerung.
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Die Mitglieder der jüdischen Religionsgemeinschaften umfassten einen vergleichbaren Prozentsatz.1 Außer diesen staatlich anerkannten Kirchen bestanden in der Slowakei ebenfalls inoffizielle christliche Gruppierungen, so etwa die Baptisten, die Adventisten des Siebenten Tages, die Methodisten und die Zeugen Jehovas. Der gesamte Zeitraum der ersten 15 Jahre nach dem 2. Weltkrieg kann als substantielle Abwendung von der Bewahrung entsprechender Religionsfreiheiten bezeichnet werden. Vom Gesichtspunkt der Situation christlicher Kirchen aus wies jedoch die Nachkriegsentwicklung bis zum Jahr 1960 etliche Zeitabschnitte auf. Der erste wird von den Jahren 1944 (1945) begrenzt. Diese Jahre umfassten den Zeitraum des Beginns des volksdemokratischen Regimes; dieser wiederum erreichte durch den Beginn der kommunistischen Diktatur seinen Höhepunkt. Es ist keineswegs einfach, die Kirchenpolitik in der Tschechoslowakei während der Jahre 1945–1948 eindeutig zu charakterisieren, das heißt als eine wie auch immer oder irgendwie geartete Übergangszeit. Denn 1945 verbanden sich in der wiederhergestellten Tschechoslowakischen Republik aufs Neue zwei unterschiedliche Länder. Ganz abgesehen von weiteren Unterschiedlichkeiten stellten sie sich durch ganz verschiedene Beziehungen ihrer Bevölkerungen hinsichtlich der Religionszugehörigkeit, sowie verschiedenartiger historischer Erfahrungen in Bezug auf die Tätigkeit der einzelnen Kirchen dar. Darin sind auch die Forschungsunterschiede in Bezug auf die in der Slowakei und in Tschechien jeweils realisierte Kirchenpolitik begründet. Ein weiterer Aspekt ist darin zu erkennen, dass die Kirchenpolitik in der Slowakei von den im Rahmen der Nationalen Front die Macht vertretenden Parteien ausging; sie war damit ein Ergebnis der Vorstellungen der Einzelelemente des politischen Spektrums, das wiederum zu jener Zeit durchaus noch zweifelsohne heterogenen Charakter aufwies. In den Jahren 1945–1948 dominierten zwei führende politische Parteien das slowakische Politikszenario: die Kommunistische Partei der Slowakei (KPS) und die Demokratische Partei (DS); ab 1946 kamen dann auch noch zwei kleinere Parteien hinzu: die Arbeits-Partei und die Freiheits-Partei. Diese Parteien hatten unterschiedliche Vorstellungen hinsichtlich der Ausrichtung der Kirchenpolitik. Auch bezüglich ihres Innenlebens kann man keineswegs von einer Kontinuitätslinie sprechen. Die Ausformung ihrer Grundsätze gegenüber den Kirchen wurde nämlich von einer Entwicklung bestimmt, innerhalb derer häufig aktuelle politische Zielvorgaben und die von der entsprechenden Partei vorgegebenen strategischen Ziele eine gewichtige Rolle spielten. Der Zusammenbruch der Slowakischen Republik 1945 und die Wiederherstellung der Tschechoslowakei führte im Bereich der Kirchenpolitik zu etlichen Veränderungen. In Bezug auf die grundlegenden Rechtsnormen, welche die Position der Kirchen festlegten, ähnelte dies prinzipiell der Lage von 1939. Die tschechoslowakische Verfassung von 1920 wurde wieder in Kraft gesetzt. Sie garantierte auf relativ breiter Basis die Religionsfreiheit und das Recht zur Ausübung des öffentlichen und privaten Bekenntnisses, der Religion und des Glaubens und garantierte darüber hinaus die formelle 1
Majo, Juraj/Kusendová, Dagmar: Náboženský atlas Slovenska [Religionsatlas der Slowakei], Bratislava 2015.
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Gleichstellung sämtlicher Religionsbekenntnisse vor dem Gesetz. In der Slowakei galt bezüglich der Rechtsstellung der Kirchen und Religionsgemeinschaften in diesem Zeitraum weiterhin als entscheidende Rechtsvorschrift der ungarische Rechtsartikel XLIII/1895 über die freie Religionsausübung2. Dieser Artikel ermöglichte jeder Einzelperson welchen Glaubens oder welcher Religion auch immer, diese im Rahmen der Gesetze und der öffentlichen Moral auszuüben. Gerade auf der Grundlage eben dieser Rechtsnorm entwickelte sich in der Tschechoslowakischen Republik ein System der gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften; dieses System funktionierte über einen langen Zeitraum hinweg. Die Frage der Rechtsstellung der einzelnen Kirchen und Religionsgemeinschaften in der Slowakei in den Jahren 1945–1948 garantierte der Staat auf relativ zufriedenstellender Basis. Doch gleichzeitig kam es in dieser Zeit zu einer ganzen Abfolge von Maßnahmen (Verordnungen des Slowakischen Nationalrats, weitere Rechtsnormen oder politische Entscheidungen), die ausdrücklich die freie Tätigkeit der Kirchen beeinträchtigten; sie wirkten in ihre Rechte und bisherigen Errungenschaften, welche sie in den vorausgegangenen Zeitabschnitten erreicht hatten, direkt hinein. Diese Eingriffe betrafen die verschiedenen Kirchen und Religionsgemeinschaften auf unterschiedliche Weise. Die katholische Kirche mit der höchsten Mitgliederzahl war dadurch am meisten betroffen. Die Wurzeln der Herausbildung der Kirchenpolitik des volksdemokratischen Regimes kann man höchstwahrscheinlich bereits im Zeitraum des Slowakischen Aufstands erkennen; er brach im August 1944 in der Slowakei aus und war eine Reaktion auf die Besetzung eines Landesteils durch deutsche Wehrmachtseinheiten. Nach Ausrufung der Erhebung begann der Slowakische Nationalrat (SNR) unmittelbar mit der Umsetzung gesetzgeberischer und exekutiver Macht im Aufstandsgebiet. Bereits in dieser Anfangsphase legislativer Tätigkeit des Slowakischen Nationalrats waren ebenfalls schon die Kirchen unmittelbar betroffen. Anlässlich der Septembersitzung des SNR wurde eine Verordnung erlassen, welche das Schulwesen aller Kategorien verstaatlichte. Bis dahin befanden sich die Schulen nämlich in kirchlichen Händen. Obwohl diese Verfügung in der vorgegebenen Zeit praktisch nicht umsetzbar war, zeigte dies jedoch die Richtung an, in welche die Kirchenpolitik in der Nachkriegszeit verlaufen würde. Unmittelbar nach dem Kriegsende setzte sich diese negative Entwicklung fort, nachdem sich das neue Regime in der Slowakei zu etablieren begonnen hatte. Auf bloßer Deklarationsbasis anerkannten sowohl der Slowakische Nationalrat als auch die politischen Parteien die Freiheit und die damit von ihr abhängigen Religionsfreiheiten. Vorrangiges Bestreben der Kommunisten war in der Tat hauptsächlich die Beseitigung des Einflusses der katholischen Kirche im Leben der Slowakei. Vor allem in den Anfangsphasen fanden sie in der Demokratischen Partei (D) – im eher personell evangelischen Milieu – einen verlässlichen Verbündeten. Die antikatholischen Tendenzen bei den slowakischen politischen Parteien hatten ihren Ursprung einerseits in den 2
XLIII. törveny-czikk a vallás szabad gyakorlatáról [Artikel XLIII über die freie Religionsausübung], in: Magyae törvénytár. 1894–1895. évi törvényczikkek [Magyae törvénytár. 1894–1895. évy törvényczikkek], Budapest 1897, 306-315.
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weltanschaulichen Grundhaltungen, andererseits wurden sie aber von den Geschehnissen der Jahre 1939–1945 bestimmt; in dieser Zeit hatte sich die katholische Kirche gänzlich hinter die Vorstellung slowakischer Eigenstaatlichkeit positioniert, und so wurde ein Teil ihrer Repräsentanten zur Stütze der herrschenden slowakischen HlinkaVolkspartei. Daher zeigten sich nach dem Krieg aus der Sicht kirchlicher Politik sehr schnell negative Trends. So erließ demnach der Slowakische Nationalrat in seinen Sitzungen im Frühjahr und Sommer 1945 etliche Verordnungen, welche die Kirche an ihren empfindlichsten Stellen trafen. Eine dieser Verordnungen legalisierte definitiv die Verstaatlichung des Schulwesens. Im Juli 1945 beschloss der Slowakische Nationalrat mittels einer Verordnung die Internats-Verstaatlichung. Und diese Verstaatlichungsmaßnahmen der Internate sowie der Schulen wurde dann in den folgenden Monaten auch vollzogen. In den verstaatlichten Schulen hörte der Religionsunterricht als Pflichtfach auf; überdies zeigten sich Bestrebungen der Kommunisten, ihn völlig aus den Lehrplänen der Schulen zu entfernen. Die Verstaatlichung der Schulen und Internate, die ja einen der grundsätzlichsten Eingriffe in die Religionsrechte bedeutete, bezog sich auf sämtliche Kirchen; doch am empfindlichsten betraf sie die katholische Kirche. Dies rief eine scharfe Ablehnungsreaktion und in der Folge einen harten Konflikt mit der Staatsmacht hervor. Die katholische Kirche erklärte, dass ohne ein kirchliches Schulwesen von Religionsfreiheit keine Rede mehr sei. Auf die Verstaatlichung des Schulwesens reagierte sie mit einer organisierten Unterschriftenaktion, die allerdings wiederum von den Sicherheitsorganen im Keim erstickt wurde. Und die Sicherheitsorgane führten im Juli 1945 in praktisch sämtlichen Bischofs- und Pfarrämtern und auch nicht nur in einem Kloster oder Seminar Hausdurchsuchungen durch.3 Im August 1945 erließ der Slowakische Nationalrat eine Verordnung bezüglich der Regelung des Dienstverhältnisses staatlicher und öffentlicher Bediensteter; auf schonungslose Weise wurde damit in die Kompetenz der Kirchen eingegriffen. Dementsprechend bestand damit auch für Geistliche die Verpflichtung, sich einer Überprüfung zu unterziehen. Diese Überprüfungskommission hatte festzustellen, ob der Betreffende nicht doch eine Kollaborantentätigkeit ausgeübt hatte. Auf den Vorschlag der Kommission hin konnte der Staat ihre geistliche Tätigkeit untersagen.4 Diese Verordnung führte seitens der Kirche zu einem kritischen Echo. Am 30. Oktober übermittelte der Bischof von Neutra (Nitra), Karol Kmet`ko, namens der römisch-katholischen Bischöfe dem Präsidium einen Antrag auf Beseitigung eines Absatzes der Verordnung, der dem Staat die Möglichkeit einräumte, Geistlichen die Tätigkeit zu untersagen. „Nicht einmal die Verteidiger des unglückseligen Josefinismus billigten der Staatsmacht zu, welcher 3
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Petranský, Ivan A.: Poštátnenie katolíckych škôl a internátov v rokoch 1944–1945 [Verstaatlichung der katholischen Schulen und Internate in den Jahren 1944-1945]. In: Pedagogická revue, roč. 53, 2001, č. 2, 173-187. Nariadenie SNR č. 99 zo dňa 23. augusta 1945 o úprave služobného pomeru štátnych a verejných zamestnancov [SNR-Verordnung Nr. 99 vom 23. August 1945 über die Regelung der Dienstbedingungen für Beamte und Angestellte des öffentlichen Dienstes]. In: Sbierka nariadení Slovenskej národnej rady, 1945, čiastka 16.
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Priester auch immer überhaupt die Hl. Messe feiern, Taufen spenden, Beichte hören, Kranke umsorgen dürfe usw. – und welcher nicht“.5 Am 19. Oktober 1945 protestierte der Generalbischof der evangelischen Kirche A. B. in der Slowakei, Vladimír Pavel Čobrda, gegen diese Verordnung. Er argumentierte mit dem Hinweis, dass die betreffende Verordnungsfestsetzung dem Regierungsbeauftragten höhere Rechtsbefugnisse bezüglich der Priesterschaft einräume, als diese selbst die kirchliche Obrigkeit besitze.6 Von Anfang an zielten die Absichten des Staates auf eine Beherrschung kirchlicher Vereinigungen. So wurden Schritte unternommen, die zur Einschränkung ihrer Tätigkeit und bei etlichen sogar zu deren Auflösung führten. Dies betraf vor allem diejenigen Vereine, welche nicht ausdrücklich religiöser Natur entsprachen und zeitweilig sogar weltlichen Charakter aufgewiesen hatten. (Sie organisierten Vorträge, Theater- und Filmvorführungen, diverse Kurse, Sport- und Kulturveranstaltungen, Unterhaltungsveranstaltungen aller Art usw.). Es waren vor allem die Kommunisten, die danach strebten, vor allem die Netzwerke religiöser Jugendverbände zu zerstören, denn es lag durchaus in ihrem Interesse, eine gesamtslowakische Jugend-Einheitsorganisation unter ihrem direkten Einfluss zu schaffen – den Slowakischen Jugendverband ZSM. So kamen am 16. Juli 1945 in der Sitzung des Slowakischen Nationalrats, in dem alle zugelassenen Parteien vertreten waren, die Kommunisten und Demokraten überein, sämtliche religiöse Vereine aufzulösen.7 Am 6. August 1945 löste das Beauftragtenamt für Inneres den Verband katholischer Jugend auf – die bedeutende katholische Jugendorganisation mit Zweigstellen in der Mehrzahl aller slowakischen Pfarreien, desgleichen auch den evangelischen Jugendverband: Vereinigung der evangelischen Jugend. Ähnliche Bestrebungen wurden auch bei anderen religiösen Vereinigungen erkennbar. Die deutlich kirchenfeindlichen Eingriffe wiesen aber auch andere Erscheinungsformen auf. Das Erscheinen von religiösen Presseerzeugnissen wurde eingeschränkt, ja es zeigten sich ebenfalls Versuche, etliche religiöse Zeitschriften der Staatskontrolle zu unterwerfen. Alle diese Maßnahmen zielten in erster Linie gegen das katholische Pressewesen. Im April 1945 mussten sämtliche katholische Zeitschriften ihr Erscheinen einstellen. Gegen dieses Verbot katholischer Presse verwahrten sich die Bischöfe mit einem Memorandum des Erzbischofs Karol Kmetko vom Oktober 1945. Dieses Dokument führte unter anderem folgendes auf: „In der Geschichte der Slowaken gab es noch nie eine derartige Zeit, dass die Katholiken nicht in der Lage waren, das gedruckte Wort in Bezug auf die religiöse Bildung verwenden zu dürfen und dass sie keinerlei Möglichkeiten erhalten hätten, sich gegen allfällige Angriffe zu verteidigen“.8 Die Situation 5
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Slovenský národný archív Bratislava (SNA), fond Úrad predsedníctva Slovenskej národnej rady, škatuľa č. 2. List K. Kmeťka predsedníctvu Slovenskej národnej rady, 30. 10. 1945 [Slowakisches Nationalarchiv Bratislava (SNA), Fondsbüro des Präsidiums des Slowakischen Nationalrats, Kasten Nr. 2. Buchstabe K. Kmet'ek an das Präsidium des Slowakischen Nationalrats, 30. Oktober 1945].. Pešek, Jan/Barnovský, Michal: Štátna moc a cirkvi na Slovensku 1948–1953, Bratislava 1997, 27. SNA, fond Ústredný výbor Komunistickej strany Slovenska, škatuľa č. 2157. Rozhodnutie Národného frontu o rozpustení náboženských spolkov mládeže [SNA, Fonds Zentralkomitee der Kommunistischen Partei der Slowakei, Feld Nr. 2157. Beschluss der Nationalen Front über die Auflösung religiöser Jugendverbände]. SNA, fond Ústredný výbor Komunistickej strany Slovenska, škatuľa č. 2157. Memorandum K. Kmeťka predsedníctvu Zboru povereníkov, 8. 10. 1945 [SNA, Fonds Zentralkomitee der
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in Bezug auf die Herausgabe katholischer Periodika führte nur recht langsam in bessere Bahnen. Maßnahmen des volksdemokratischen Regimes zeigten sich auch in Ausfällen gegen etliche hohe kirchliche Würdenträger. Im Frühjahr 1945 erfolgte die monatelange Inhaftierung des Zipser Bischofs Ján Vojtaššák und des Tyrnaucher/Trnavského Weihbischofs Michal Buzalka. Beide positionierten sich eindeutig mit ihrer positiven Grundhaltung bezüglich slowakischer Eigenstaatlichkeit und gleichzeitig mit kritischen Standpunkten gegenüber autoritären Erscheinungsformen des sich anbahnenden volksdemokratischen Regimes. Ihr Bezug zur Zeit der Slowakischen Republik (Vojtaššák war Mitglied des Staatsrates und Buzalka Militärdekan) bildete die Begründung für das radikale Durchgreifen schon kurz nach der Wiederherstellung der Tschechoslowakei 1945. Selbst nacVojtaššáks Entlassung aus dem Gefängnis hörten keineswegs die strafrechtlichen Maßnahmen auf, ihn zu belangen, und daher wurde ein Prozess vor dem Volksgericht in die Wege geleitet; dieses Gremium wurde zwecks Aburteilung der führenden Repräsentanten der untergegangenen Slowakischen Republik gebildet. Doch fand der Gerichtsprozess letzten Endes nicht statt.9 Die Regierung unternahm auf gesamtstaalicher Ebene beim Heiligen Stuhl entsprechende Schritte bezüglich der Entfernung etlicher unbequemer slowakischer Bischöfe aus ihren Ämtern – hauptsächlich aber Vojtaššák betreffend! Die diesbezüglichen Verhandlungen zogen sich dann praktisch über den gesamten Zeitraum von 1945 bis 1948 hin. Von Seiten des Heiligen Stuhls erging jedoch keine eindeutige Ablehnung der tschechoslowakischen Vorschläge; denn tatsächlich zog die päpstliche Diplomatie zu keinem Zeitpunkt die Entfernung der slowakischen Bischöfe ernsthaft in Betracht. Die Bestrebungen des Außenministeriums mussten folglich mit einem Misserfolg enden; somit verblieben also alle katholischen Bischöfe an ihren diözesaneigenen Stellen. Das Jahr 1945 war für das Entstehen einer neuen Kirchenpolitik des volksdemokratischen Regimes geradezu eine Schlüsselperiode, denn in diesem Jahr wurde ein erheblicher Teil der antikirchlichen Maßnahmen umgesetzt. Sowohl die Kommunistische Partei der Slowakei (KSS) als auch die Demokratische Partei (DS) hatten ihren Anteil an diesen Vorgängen. Im Zusammenhang mit den für den Mai 1946 festgesetzten Parlamentswahlen veränderte sich jedoch das Verhalten der politischen Parteien vor allem gegenüber der katholischen Kirche grundsätzlich; dies wiederum hing mit den Vorstellungen der Repräsentanten des politischen Katholizismus zusammen, die eine neue, die Interessen der Katholiken vertretende Partei bilden wollten. Die KSS begrüßte diesen Prozess, weil sie darin eine Schwächung der DS-Stärke erblickte. Die Demokraten wiederum waren sich dessen bewusst, dass die Entstehung einer neuen starken Partei für sie einen erheblichen Positionsverlust bedeuten würde. Folglich entschieden sich die katholischen Politiker gemeinsam mit der DS-Führung, unter dem Dach der DS gemeinsam
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Kommunistischen Partei der Slowakei, Feld Nr. 2157. Memorandum K. Kmet'ek an das Präsidium des Obersten Rates, 8. Oktober 1945]. Petranský, Ivan A.: Postoj ludovodemokratického režimu k biskupom J. Vojtaššakovi, M. Buzalkovi a P. Gojdičovi v rokoch 1945–1948 [Die Haltung des volksdemokratischen Regimes gegenüber den Bischöfen J. Vojtaššák, M. Buzalka und P. Gojdič in den Jahren 1945–1948], in: Róbert Letz (Hg.), Boli traja [Es waren ihrer drei], Bratislava 2001, 10-21.
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aufzutreten. Dieser Plan wurde offiziell mit einem Ende März beschlossenen Abkommen besiegelt. Vor allem dank der Unterstützung seitens der Katholiken gewann die Demokratische Partei in der Slowakei die Wahlen mit geradezu erdrückender Mehrheit, und in der Folge kam sie den Forderungen der katholischen Kirche im Wesentlichen entgegen. Somit gelangten auch Repräsentanten des politischen Katholizismus in DSLeitungsorgane10. Doch selbst diese Umgestaltung der politischen Kräfte spiegelte sich in der Zeit nach den Wahlen in der Kirchenpolitik keineswegs wider. Im Falle der KSS kam es im Gegenteil zur Radikalisierung der antikatholischen Haltungen. Die Mehrzahl kirchlicher Forderungen blieb unerfüllt. Kirchenfeindliche Maßnahmen, zu deren gewichtigsten die Verstaatlichung der kirchlichen Schulen gehörte, blieben unumkehrbar. Ebenso gelang es nicht, grundlegende kirchliche Vereinigungen zu erneuern. In der Angelegenheit der kirchlichen Presse kam es nach der drastischen Einschränkung vom Frühjahr 1945 allmählich zu einer gewissen Normalisierung der Lage und zur Erneuerung der Existenz eines Teils der Periodika; doch gelang es nicht, die Schaffung einer überparteilichen katholischen Tageszeitung durchzusetzen. Gerade darum hatte sich das Bischofskollegium aber bemüht. Bis zum Machtantritt des kommunistischen Totalitarismus im Februar 1948 wurden noch weitere kirchenfeindliche Maßnahmen umgesetzt. Dazu gehörte in erster Linie die Verwirklichung der Bodenreform kirchlichen landwirtschaftlichen Eigentums. Die Kirchen – und da vor allem die katholische Kirche als große Grundherrin – gehörten zu denjenigen Rechtssubjekten, welche von der Art und Weise dieser Reform am empfindlichsten betroffen waren. Auf der Gesetzesgrundlage der Gesetze vom Juli 1947 und März 1948 kamen die Kirchen praktisch um ihren gesamten Grundbesitz.11 Damit wurde aber das bisher bestehende Finanzierungsmodell der Kirchen völlig zerrüttet. Bis dahin hatte dieses System auf den kircheneigenen Einkünften beruht, die sie jeweils aus ihren Besitztümern schöpften, und der Staat ergänzte lediglich diese Finanzierung. Eine der vielen Begleiterscheinungen der politischen Krise in der Slowakei im Herbst 1947, die wiederum mit den KPS-Angriffen gegen die DS-Machtstellung zusammenhingen, war die Steigerung der Angriffe der Kommunistischen Partei der Slowakei gegen die katholische Kirche. Die sich häufenden Enthüllungen „staatsfeindlicher Verschwörungen“ trugen wesentlich zum Zerfall der Demokratischen Partei bei. Die Verhaftungswelle traf ebenfalls auf empfindliche Weise die katholische Kirche. Die Demokratische Partei befand sich in einer geradezu hoffnungslosen Defensive in der Auseinandersetzung mit den Kommunisten. Im November 1947 erklärte sie auf kommunistischen Druck hin das April-Abkommen für überholt und somit unwirksam. Der vollständige Beginn der kommunistischen Diktatur in der Tschechoslowakei ließ nicht lange auf sich warten. Doch selbst den Februar-Umsturz überstanden die slowakischen Kirchen-Repräsentanten in relativer Ruhe und ohne irgendwie bedeutsame öffentliche 10 11
Petranský, Ivan A.: Štát a katolícka cirkev na Slovensku 1945–1946 [Staat und Katholische Kirche in der Slowakei 1945–1946], Neutra 2001, 102-123. Petranský, Ivan A.: Konfiškácie a reštitúcie. Pôda katolíckej cirkvi po druhej svetovej vojne [Beschlagnahme und Rückgabe. Unter der katholischen Kirche nach dem Zweiten Weltkrieg], in: Peter Sokolovič (Hg.): Zmeny v pozemkovom vlastníctve v 20. storočí [Veränderungen im Landbesitz im 20. Jahrhundert], Trnava 2016, 112-161.
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geäußerte Standpunkte. Sofern im Falle der anerkannten Kirchen die Entwicklung zwischen 1945 und 1948 eine Bedeutungsminderung ihrer Positionen bedeutete, so hatten die kleinen christlichen Religionsgruppierungen (Siebenten-Tags-Adventisten, Baptisten, Methodisten, Zeugen Jehovas, Apostolischer Glaube, Christliche Versammlung usw.) keinen Beschwerdegrund aufzuweisen. Während sie im Zeitraum der Slowakischen Republik (1939–1945) als „Religionssekten“ im günstigsten Fall toleriert wurden, mehrheitlich jedoch verboten waren, so konnten sie nach dem Zweiten Weltkrieg erneut ihre religiösen Aktivitäten ohne Verbote seitens des Regimes voll entfalten. Nach dem Februar 1948 begann auch aus dem Blickwinkel der Kirchenpolitik eine Zeit, bei deren näherer Betrachtung die Jahre 1945–1948 geradezu als eine banale Periode erscheinen können. Schrittweise kam es zur Radikalisierung der Maßnahmen gegen christliche Kirchen und religiöse Freiheiten. Im Laufe der Jahre 1948–1953 wurden grundlegende Maßnahmen des Regimes verwirklicht. Nach der vollständigen Beherrschung der Tschechoslowakei durch die Kommunistische Partei verstärkten sich ihre Anstrengungen zur Eliminierung des Einflusses der katholischen Kirche in der Gesellschaft, und sie wuchsen sich zur ernsten offenen Konfrontation aus. Die katholische Kirche bewertete das System hinsichtlich seiner offenkundigen Unvereinbarkeit ihrer genuinen Lehre mit der marxistisch-leninistischen Ideologie und ebenso im Hinblick auf die Grundhaltung zahlreicher Bischöfe, Ordensrepräsentanten und einfacher Priester als ihren gefährlichsten Gegner. Das Endziel des Regimes bestand in ihrer Umwandlung in eine vom Hl. Stuhl unabhängige Nationalkirche12. Die verschiedenen Kirchen wurden nach dem Februar 1948 von Maßnahmen getroffen, welche wiederum mit dem Gesamtprozess der Herausbildung einer totalitären Staatsordnung zusammenhingen; sie erreichten auch andere Gesellschaftsbereiche. Sie betrafen die Liquidierung eines Großteils kirchlicher Periodika. Diejenigen, welche weiterhin erscheinen konnten, wurden auf materieller Basis eingeschränkt (beispielsweise durch Begrenzung der Papierzuteilung); bezüglich ihres Inhalts wurden sie der Regimekontrolle unterstellt, das mittels eingesetzter Redakteure sein propagandistisches Instrumentarium installierte. Somit gab die katholische Kirche zwar weiterhin ihr einziges Wochenblatt (Katolícke noviny = Katholische Zeitung) heraus und die evangelische Kirche die Wochenzeitung Evanjelický posol spod Tatier (= Evangelischer Tatra-Gebirgsbote). Selbst diejenigen Kirchenvereinigungen wurden aufgelöst, welche bis dahin zumindest noch teilweise hatten wirken können. Nachdem die Kirchen im Jahr 1945 um sämtliche Schulen gekommen waren, wurde nach 1948 auch noch die Möglichkeit beseitigt, Priester in bischöflichen Seminaren auszubilden; künftige katholische und evangelische Geistliche konnten nur noch an staatlich geleiteten Theologischen Fakultäten studieren. Nach dem Februar 1948 zeigten sich trotz der antikirchlichen Tendenzen der Regierungsmacht seitens der Kirchen Bestrebungen, zumindest irgendwelche Grundlagen 12
Letz, Róbert: Prenasledovanie kresťanov na Slovensku v rokoch 1948–1989 [Die Christenverfolgung in der Slowakei in den Jahren 1948–1989], in: František Mikloško, Gabriela Smolíková, Peter Smolík (Hg.), Zločiny komunizmu na Slovensku 1948–1989 [Die Verbrechen des Kommunismus in der Slowakei 1948–1989], Prešov 2001, 80.
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des Zusammenwirkens zu finden. Der Versuch einer Verständigung zwischen der kommunistischen Macht und der katholischen Kirche zerbrach endgültig nach der Konferenz der slowakischen und tschechischen Bischöfe in der Hohen Tatra im März 1949. Denn die Ordnungsbeauftragten der Bischöfe entdeckten Abhöreinrichtungen. Somit bestand keinerlei Zweifel mehr, dass es sich hier um eine Aktion der Staatssicherheit handelte, obwohl das Regime jeglichen Zusammenhang abstritt.13 Bisherige Verhandlungen zwischen Kirche und Staat wurden damit durch Konfrontation ersetzt. Das Präsidium des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei einigte sich im April 1948 auf eine Taktik harten Vorgehens gegen die katholische Kirche. Die schloss neben zahlreichen administrativen Maßnahmen auch die Überlegung mit ein, sie von innen her aufzulösen – und dies mittels einer sogenannten katholischen Erweckungsbewegung. Für die Bewegung, die zur innerkirchlichen Spaltung führen sollte, wählten die Parteiorgane die Bezeichnung „Katholische Aktion“. Damit wollten sie unter den Katholiken Verwirrung stiften und damit wie ein Parasit innerhalb der tatsächlichen Katholischen Aktion – der eigentlichen innerkirchlichen Bewegung, welche bereits seit den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts bestanden hatte – wirken. Erfolg sollte außer einer massiven Unterstützung seitens der kommunistischen Macht auch von sogenannten fortschrittlichen Priestern erfolgen; in der Slowakei waren dies beispielsweise Jozef Fiala, Alexander Horák und Jozef Lukačovič. Organ dieser „Katholischen Aktion“ in der Slowakei sollte die vom Staat beherrschte Tageszeitung Katolícke noviny werden. Die Gründungskonferenz dieser Bewegung fand im Juni 1949 in Prag statt. Obgleich die 300 Teilnehmer angeblich die Stimmen der Gläubigen wiedergaben, wollten sie den Aufbau einer „neuen Ordnung“ ausdrücken und artikulierten ferner die Verurteilung des Kapitalismus sowie die Kritik an den Bischöfen wegen deren Haltung gegenüber dem Regime und desgleichen das Anzweifeln des Hl. Stuhls. Die „Katholische Aktion“ traf seitens der Bischöfe auf eine scharfe Ablehnungsreaktion. Danach brach zwischen der Kirche und der Staatsmacht ein offener Kampf aus. Das kommunistische Regime traf hierbei auf einen entschlossenen Gegner. Die Zielvorgabe einer breiten Unterstützung für diese Bewegung zeigte sich jedoch als ein unerfüllbares Ziel. Dabei spielte die Grundhaltung des Hl. Stuhls eine entscheidende Rolle. Die „Katholische Aktion“ wurde klar als Schisma bezeichnet und ihre Teilnehmer wurden folglich exkommuniziert.14 Bis zum Jahresende 1949 zeigte sich sodann deutlich, dass der Versuch, die Einheit der Kirche mittels der „Katholischen Aktion“ aufzubrechen, gescheitert war. Dies bedeutete zwar einen großen Sieg der Katholiken, jedoch nur den Sieg in einer Schlacht, keineswegs aber im Krieg. Mit dem Misserfolg der „Katholischen Aktion“ verschwanden jedoch keineswegs die Bestrebungen der Staatsmacht, die sich trotzig widersetzende 13
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Kmeť, Norbert: Postavenie cirkví na Slovensku 1948–1951 [Die Stellung der Kirche in der Slowakei 1948-1951], Bratislava 2000, 75-76. Haľko, Jozef: Rozbiť Cirkev: Rozkolnícka Katolícka akcia [Zerschlagt die Kirche: die schismatische Katholische Aktion], Bratislava 2004; Vnuk, František: Pokus o schizmu a iné proticirkevné opatrenia v rokoch 1949–1950 [Versuchte Spaltung und andere antikirchliche Maßnahmen in den Jahren 1949–1950], Bratislava 1996.
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Kirche zu beherrschen und sich der Loyalität von Bischöfen, Priestern und Gläubigen zu versichern. Noch im Oktober 1949 erließ die Nationalversammlung zwei sogenannte Kirchengesetze; damit wurde auf legislativer Basis ein völlig neues System des Kirchen-Status festgeschrieben. Dies betraf sämtliche im Staat wirkende Kirchen. Durch das Gesetz Nr. 217/1949 (Sammlung der Gesetze und Verordnungen – Slg) wurde ein Staatsamt für Kirchenangelegenheiten als Entscheidungsorgan zur Durchführung der Kirchenpolitik des Staates eingerichtet. Es übernahm die Zuständigkeit für sämtliche religiöse und kirchliche Angelegenheiten, die bislang andere Organe wahrgenommen hatten. Es wurde von einem Minister geleitet, den der Präsident der Republik ernannte. In der Slowakei übte dieser Minister seinen Amtsbereich mittels einer eigenständigen Institution aus – dem slowakischen Amt für Kirchenangelegenheiten.15 Diese neuen Organe wurden zu Schlüsselmechanismen der Macht bei der Durchführung kirchenfeindlicher Maßnahmen des Staates. Das zweite sogenannte Kirchengesetz – das Gesetz Nr. 219/1949 (Sammlung der Gesetze und Verordnungen – Slg) – führte die völlige Finanzierung der registrierten Kirchen und Glaubensgemeinschaften durch den Staat ein.16 Außer den mit religiösen Handlungen zusammenhängenden Ausgaben betraf dies auch die Priestergehälter. Doch konnten lediglich diejenigen Priester ihr Amt ausüben, welche die staatliche Genehmigung erhalten und den vorgeschriebenen Treueeid geleistet hatten. Doch mussten sie nicht allein dem Staat gegenüber Treue geloben, sondern auch gegenüber dem volksdemokratischen Regime als solchem. Damit wurde die Abhängigkeit von Bischöfen und Priestern vom Staat grundlegend gefestigt. Die Verabschiedung der sogenannten Kirchengesetze wirkte sich auch auf die Existenz kleiner Denominationen auf bedeutsame Weise aus; sie hatten bisher ohne staatliche Genehmigung gewirkt, das heißt lediglich auf der Grundlage von Vereinen oder etwa als ganz informelle Gruppierungen. Das kommunistische Regime machte somit die weitere Existenz solcher Organisationen unmöglich. Sie standen also vor der Wahl, sich um die Erlangung der staatlichen Genehmigung zu bemühen oder aber ihre Tätigkeit allein im Geheimen zu entfalten und folglich die Möglichkeit von Sanktionen polizeilicher und gerichtlicher Verfolgung zu riskieren. Bald nach der Verabschiedung der sogenannten Kirchengesetze wurde ein Teil dieser Denominationen in die vom Staat anerkannten Kirchen miteinbezogen. Es waren die Siebenten Tags-Adventisten, die Baptisten, die Methodisten und die Böhmische Brüderunität. Eine Änderung trat 1952 insofern ein, als die Tätigkeit der Siebten-Tags-Adventisten eingestellt wurde. Das Verbot wirkte bis zum Jahr 1956. Da wurde ihnen die offizielle Tätigkeit erneut gestattet, und dies wurde gleichzeitig christlichen Vereinigungen sowie der Neuapostolischen 15
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Zákon č. 217/1949 Sb. ze dne 14. října 1949, kterým se zřizuje Státní úřad pro věci církevní. In Sbírka zákonů republiky Československé, 1949, částka 67 [Gesetz Nr. 217/1949 Slg. vom 14. Oktober 1949 zur Errichtung des Staatlichen Amtes für kirchliche Angelegenheiten. In: Gesetzessammlung der Tschechoslowakischen Republik, 1949, Nr. 67]. Zákon č. 218/1949 Sb. ze dne 14. října 1949 o hospodářském zabezpečení církví a náboženských společností státem [Gesetz Nr. 218/1949 Slg. vom 14. Oktober 1949 über die wirtschaftliche Absicherung der Kirchen und Religionsgesellschaften durch den Staat]. In: Sbírka zákonů republiky Československé, 1949, částka 67 [Gesetzessammlung der Tschechoslowakischen Republik, 1949, Nr. 67].
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Kirche zugebilligt. Diese drei Vereinigungen bezeichnete die Staatsmacht aber unbeschadet der Legalität ihrer Aktivitäten als „staatlicherseits anerkannte Sekten“. Zu den am häufigsten und stärksten verfolgten Gruppierungen gehörten die Zeugen Jehovas.17 1950 ging die Staatsmacht ganz hart gegen die Männer- und Frauenorden vor; sie fand in der neu aufgebauten sozialistischen Welt keinerlei Platz für sie. Der erste drastische Zugriff betraf die Männerorden. Bevor es aber zu ihrer Liquidierung kam, organisierte das Regime zur März-April-Wende 1950 einen gesamtstaatlichen Gerichtsprozess mit zehn angeklagten führenden Repräsentanten verschiedener Orden. Unter ihnen befand sich auch ein Ordensgeistlicher aus der Slowakei – der Redemptorist Ivan Mastiliak. Er wurde zu lebenslanger Haft verurteilt. In er Nacht vom 13. auf den 14. April 1950 wurde die präzise vorbereitete und streng geheim gehaltene Aktion K umgesetzt. Gleichzeitig überfielen Sicherheitsformationen die Männerklöster und konzentrierten ihre Bewohner in Konzentrationsklöstern in Podolínec (Anm. des Übers.: dt.: Pudlein im Zipser Gebiet, 1292 Stadt), Pezinok (Anm. des Übers.: dt.: Bösing, nördl. Bratislava,1208 erstmals urkdl. erwähnt), Svätý Beňadik (Anm. des Übers.: auch Hronský Beňadik, Sv. Benedikta, 11. Jh. Benediktinerkloster), Jasov (Anm. des Übers.: dt.: Kloster Jossau, 1170 Prämonstratenser-Propstei), Šaštín (Anm. des Übers.: dt.: Maria Schoßberg, 1218 erstm. schriftl. erwähnt). Die Konzentration der übrigen Mönche wurde im Rahmen der Aktion K2 in der Nacht vom 3. auf den 4. Mai abgeschlossen. Insgesamt wurden im Zusammenhang beider Aktionen in der Slowakei mehr als 1000 Ordensangehörige festgesetzt und konzentriert.18 Ziel dieser Maßnahmen war die Liquidierung der Ordensgemeinschaften. Ähnlich wurde mit den Frauenklöstern verfahren. Allerdings gab es hier Unterschiede gegenüber den Männerklöstern. In der Slowakei existierten etwa dreimal so viele Frauenklöster wie Männerklöster (mehr als 3.000). Der Zugriff bei den Frauenorden war wesentlich komplizierter, und ihre vollständige Entfernung aus dem Leben der Gesellschaft (zumindest auf offizieller Basis) erforderte mehr Zeit und stufenweises Vorgehen. Gleichzeitig aber rechnete man weiterhin mit einem Einsatz der Ordensfrauen, wenngleich in eingeschränktem Maße und in strikt vorbehaltenen Einsatzorten – im Gesundheitswesen und in Sozialdiensten. Vom Schuldienst wurden sie ausgeschlossen. Doch selbst die Ordensfrauen konnten den radikalen Maßnahmen nicht entgehen, wenngleich diese milder ausfielen als bei den Männerorden. Am 19. August 1950 frühmorgens begann die Aktion R (Anm. des Übers.: Im Slowakischen R ohne diakrit. Zeichen). Bis zum letzten Augusttag wurden an die 2.000 slowakische Ordensfrauen aus ihren Häusern herausgeholt und in 16 Zentralen Klöstern in der gesamten Slowakei untergebracht.19 17
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Petranský, Ivan A.: Činnosť tzv. náboženských siekt v Československu na konci päťdesiatych rokov 20. storočia [Die Tätigkeit der so genannten religiösen Sekten in der Tschechoslowakei Ende der 1950er Jahre]. In: Nové historické rozhľady [Neue historische Perspektiven], roč. 5, 2015, č. 2, 121-122. Vnuk, František: Akcie K a R. Zásahy komunistického režimu proti reholiam v rokoch 1950– 1956. [Die Aktionen K und R. Die Maßnahmen des kommunistischen Regimes gegen die Orden in den Jahren 1950–1956], Bratislava 1995, 14-28. Dubovský, Ján Milan: Akcia Rehoľníčky [Die Ordensschwestern-Aktion], Martin 2001, 73-96; Vnuk, Akcie K a R, 77-89.
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Ivan A. Petranský
Die katholischen Bischöfe mussten sich einer konsequenten Kontrolle seitens der Staatsmacht unterziehen, obwohl ihre Anzahl fortlaufend sank. Diejenigen aber, denen das Regime eine weitere Tätigkeit zugestand, mussten ihre offenen Meinungsäußerungen dem Vergessen überlassen. Doch nicht genug damit, denn es wurde von ihnen die aktive Unterstützung des Regimes abverlangt. Etliche slowakische Bischöfe, die das Regime zu seinen allergrößten Feinden zählte, wurden Gerichtsverfahren unterzogen. Gegen drei – Jan Vojtaššák, Michal Buzalka und Pavol Gojdič – organisierte der Staat im Januar 1951 einen Schauprozess (Anm. des Übers.: Im Tschechischen und Slowakischen stets „Monsterprozess“); sie wurden sodann zu hohen Gefängnisstrafen verurteilt: Vojtaššák erhielt 24 Jahre, Buzalka und der griechisch-katholische Bischof von Prešov jeweils lebenslänglich.20 Gojdič verstarb 1960 während der Haftzeit in Leopoldov. Auch der gesamten griechisch-katholischen Kirche bereitete die kommunistische Macht das Schicksal der Liquidierung. Im Gesamtrahmen der Aktion P (der Orthodoxierung – Pravoslavizácia) vereinigte sie diese Kirche mit der mitgliederschwachen slowakischen Orthodoxen Kirche. Dies wurde auf dem großen Sobor, der Kirchenversammlung (Anm. d. Übers.: slav. Zusammenkunft; entspricht einem „Konzil“), realisiert; diese fand am 28. April 1950 in Prešov (Anm. d. Übers.: Preschau, auch Eperies) statt. Das entsprechende Szenario entwickelten die Parteistrukturen. Auf diesem Sobor wurde die Auflösung der Uschhoroder Union verkündet, die 1646 orthodoxe Geistliche mit der katholischen Kirche vereinigt hatte. Durch ihre Auflösung wurde die Überführung der griechisch-katholischen Kirche in den orthodoxen Glaubensbereich deklariert. Die Kirchenstrukturen der griechisch-katholischen Kirche wurden somit liquidiert. Verfolgungen erwarteten diejenigen Priester, welche die Unterwerfung verweigerten. Selbst der griechisch-katholische Hilfsbischof (Anm. d. Übers.: gleich Weihbischof) Vasiľ Hopko kam ins Gefängnis; im Oktober 1951 wurde er zu einer 15-jährigen Haft verurteilt. Etliche Opfer wurden in der Folgezeit zu Seligen erklärt. Außer den eben genannten griechisch-katholischen Bischöfen Gojdič und Hopko wurde auch die Ordensschwester Zdenka (Cecilia) Schelingová selig gesprochen. 1952 war sie wegen Hochverrats-Verbrechens zu 12 Jahren Gefängnis verurteilt worden; es handelte sich um Aktivitäten im Kontext einer möglichen Befreiung inhaftierter Geistlicher. Sie wurde grausam gefoltert, erkrankte schwer und verstarb im Jahre 1955 kurz nach der Haftentlassung.21 Neben den offiziellen Strukturen der katholischen Kirche entwickelten Persönlichkeiten, die nicht bereit waren, mit der kommunistischen Macht einen Kompromiss einzugehen, geheime Parallelstrukturen – dies war die sogenannte Untergrundkirche. In ihr Wirken waren heimlich geweihte Bischöfe, Priester, Ordensangehörige, aber auch Laien eingebunden. Sie waren nicht allein Stimmen, die auf die Nichteinhaltung religiöser Rechte der Bürger im atheistischen Regime aufmerksam machten, sondern sie 20
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Letz, Róbert: Dokumenty k procesu s katolíckymi biskupmi Jánom Votaššákom, Michalom Buzalkom a Pavlom Gojdičom [Dokumente zum Prozess gegen die katholischen Bischöfe Ján Votaššák, Michal Buzalka und Pavol Gojdič], Bratislava 2007, 251-269. Zwiewková, Veronika: Sestra Zdenka [Schwester Zdenka], in: Stanislav Dzurjanin (Hg.): Život za mrežami [Ein Leben hinter Gittern], Prešov 2007, 278-298.
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wurden zugleich zu einem grundlegenden Faktor der für allgemeine Menschen- und Bürgerrechte kämpfenden Bewegung. Der „General“ und gleichzeitig die stärkste Stütze dieser Bewegung wurde der Jesuit Ján Chryzostom Korec; er war Anfang der 50er Jahre durch Bischof Róbert Pobožný zum Priester geweiht worden und bald darauf durch Bischof Pavol Hnilica auch zum Bischof. Korec erwarb sich sodann durch seinen kompromisslosen Kampf für die Rechte der katholischen Kirche großen Respekt, da er auch deshalb langjähriger Haft nicht entging. Zu Anfang der 50er Jahre schuf das Regime für diejenigen Geistlichen, welche offen Zusammenarbeit ausübten, auch eine eigene Organisation. Sie hatte als Stütze des Regimes für die Beherrschung kirchlicher Strukturen zu dienen. Mittels ihrer Tätigkeit sollte der Einfluss des Hl. Stuhls und der Bischöfe auf die Priester reduziert werden. 1951 entstand das Slowakische Friedenskomitee (Anm. des Übers.: eigentlich „Friedens-Ausschuss“) der katholischen Geistlichkeit; an seiner Spitze standen die regimetreuen Geistlichen Alexander Horák und Štefan Záreczky. Auf Bistumsebene wirkten diözesane Friedensausschüsse.22 Die Organisation erhielt dann später die Bezeichnung Friedensbewegung der katholischen Geistlichkeit und bestand als solche bis ins Jahr 1968 hinein. Die Zugriffe der Macht mit Einbeziehung scharfer Repressalien erfassten auch die nach der katholischen Kirche der Mitgliederzahl nach zweitstärkste Kirche – die evangelische Kirche Augsburger Bekenntnisses (AB). Ähnliche Methoden wie bei der katholischen Kirche kamen so auch bei ihr zur Anwendung: Nach dem Verlust der Schulen kam sie auch um ihre Vereine, die Presse, ja auch die unabhängige Entscheidungsmöglichkeit. Allerdings entfielen bei den gegen sie gerichteten Maßnahmen Komplikationen mit einer „ausländischen Zentrale“, die im Falle der Katholiken ja der Heilige Stuhl verkörperte. Doch auch von erzwungenen Personalwechseln auf den höchsten Stellen blieb die evangelische Kirche nicht verschont. Das Regime erachtete beide Bischöfe für die Besetzung dieser Führungspositionen als ungeeignet. Der regimekonforme Ján Chabada trat in der Amtsstellung eines Generalbischofs an die Stelle von V.P. Čobrda. Nahezu 20 Jahre lang bekleidete er diese Position. Čobrda begab sich auch der Position im OstDistrikt und wurde dort von Július Krčméry ersetzt. Der Bischof des West-Distrikts Fedor Fridrich Ruppeldt musste 1952 resignieren; seine Funktion übernahm dann Andrej Ľudovít Katina23. Unbequeme evangelische Geistliche wurden zu Zielscheiben gerichtlicher Verfolgungsmaßnahmen. Auch in der evangelischen Kirche schuf die Regierungsmacht eine Organisation „fortschrittlicher“ Geistlicher – das Zentrum slowakischer evangelischer Geistlicher (Anm. des Übers.: ÚSEK; auch: „die Zentrale“; eigentl. „Priester“). Auch die Repräsentanten der übrigen Kirchen wurden in geringerem wie auch größerem Maße zu Regierungsopfern. Kurz nach Stalins Tod 1953 verstarb der tschechoslowakische Staatspräsident Klement Gottwald, und damit begann eine etliche Jahre andauernde Periode mäßiger gesellschaftlicher Entspannung (1953–1957). Diese führte auch zu einer Milderung der 22
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Jakubčin, Pavol: Pastieri v osídlach moci. Komunistický režim a katolícki knazi na Slovensku v rokoch 1948–1968 [Die Hirten in den Fängen der Macht. Das kommunistische Regime und die katholischen Priester in der Slowakei in den Jahren 1948–1968], Bratislava 2012, 42-53. Letz, Prenasledovanie kresťanov na Slovensku v rokoch 1948–1989, 182-183.
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kirchenfeindlichen Verfolgungsmaßnahmen. Bis zu einem gewissen Grad wurde die Kontrolle über die Bischöfe gemildert. Doch änderte sich damit aus Sicht der Stellung der Kirchen nichts Grundsätzliches. Sie verblieben unter strikter Staatskontrolle, obwohl in formaler Hinsicht im Juni 1956 insofern eine Änderung eintrat, als das Staatsamt für Kirchenangelegenheiten und das slowakische Amt für Kirchenangelegenheiten aufgelöst wurden. Wichtige Kompetenzen der Kirchenpolitik, die bislang bei ihnen gelegen hatten, wurden nunmehr auf das Ministerium für Schulwesen und Kultur übertragen.24 Die Verfolgungsmaßnahmen dauerten aber weiterhin an. Kirchenfeindlich motivierte Gerichtsprozesse wurden weiterhin organisiert – wenngleich in geringerem Ausmaß. Sie betrafen unter anderem Mitglieder von Ordensgemeinschaften, die es ablehnten, die Liquidierung des Ordenslebens zu akzeptieren und die daher im Geheimen ihre Tätigkeit fortsetzten. Dies betraf insbesondere die Jesuiten und Salesianer. Die Verfolgungen erreichten auch die Frauenorden; sie wurden von einer neuen Eliminierungswelle in Bezug auf ihr Wirken im öffentlichen Leben getroffen. Ganz scharf wurden aber diejenigen griechisch-katholischen Kirchenmitglieder verfolgt, welche sich der gewaltsamen Vereinigung mit der (Russisch- Anm. des Übers.) Orthodoxen Kirche verweigerten. Es war geradezu paradox, dass die Zeit nach dem Jahr 1953 einerseits eine mäßige Absenkung der Intensität kirchenfeindlicher Maßnahmen mit sich brachte, andererseits jedoch die Intensivierung einer ideologischen Kampagne, die auf die systematische Atheisierung der Gesellschaft abzielte25 . Dieser Zeitabschnitt einer gewissen Erleichterung endete 1957. Das Regime überwand in dieser Zeit seine Krise und stürzte sich daher mit neuem Selbstbewusstsein auch in eine neue Verschärfung kirchenfeindlicher Politik. Sie materialisierte sich im Dokument über „Die Grundsätze der Kirchenpolitik“; diese Grundsätze wurden in der Sitzung des Politbüros des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei (KPČ–KPTsch) im Mai 1957 beschlossen. Die neuen Richtlinien bedeuteten nunmehr – nach einem gewissen Zögern in den vorangegangenen Jahren – eine Bekräftigung der Haupttendenzen kirchenfeindlichen Vorgehens, wie dies bereits an der Wende der 40er zu den 50er Jahren geschehen war. Dies brachte neuen Nachdruck in die Kirchenpolitik des Staates. So brachte es also im Ergebnis weitere Einschränkungen der Religionsfreiheit, schärfere polizeiliche Verfolgungsmaßnahmen und überdies neue Gerichtsprozesse. Die Bischöfe verblieben weiterhin unter scharfer Staatskontrolle, und für den Fall einer Abweichung von der geforderten Linie wurde ihr gesamtes Tun zum Interessenobjekt der Sicherheitsorgane. Das Regime war bestrebt, die Einigkeit der Bischöfe aufzubrechen und damit auch ihren Einfluss zu schwächen. Doch der Staat schritt gegen die legal amtierenden Bischöfe diesmal nicht mit den allerschärfsten Methoden vor, 24
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Vládní nařízení 19 ze dne 16.června 1956 o zrušeni některých ministerstev a ústředních orgánu státní správy. In: Sbírka zákonu republiky Československé, 1956, částka 12 [Regierungsverordnung Nr. 19 vom 16. Juni 1956 betreffs der Auflösung etlicher Ministerien und Zentralorgane der Staatsverwaltung. In. Sammlung der Gesetze und Verordnungen der Tschechoslowakischen Republik 1956, Teil 12]. Letz, Prenasledovanie kresťanov na Slovensku v rokoch 1948–1989, 206-216.
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wie diese aus der ersten Phase in den 50er Jahren bekannt und in Erinnerung waren, vor. Andererseits wurden aber die schlimmen Methoden wie im Falle des verurteilten Bischofs Vojtaššák erneut aufgenommen und angewandt. Bei ihm wurde der Strafvollzug 1956 zwar ausgesetzt, doch 1958 wurde der über 80jährige erneut inhaftiert und erst 1963 entlassen26. Dieser Zeitabschnitt wurde von einer ganzen Prozessfolge gegen Mitglieder der unterdrückten Orden und Priester sowie Laien, die sich in der katholischen Geheimkirche wie auch immer engagiert hatten, gleichsam begleitet. An der Wende von den 50er zu den 60er Jahren brach eine Verfolgungswelle auch über die Mitglieder der evangelischen Kirche A.B. herein. Eine der Hauptaktionen waren 1962 die Verhaftung und der anschließende Prozess gegen die Bischöfe F.F. Ruppeldt und V.P. Čobrda sowie auch gegen weitere evangelische Geistliche.27 Im 1960 machte eine umfassende Amnestie die Rückkehr politischer Häftlinge in die Freiheit möglich; doch dies bedeutete keineswegs irgendeine prinzipielle Wende der politischen Richtung des Regimes in Bezug auf die Kirchen. Die Zeit verschärfter Verfolgungsmaßnahmen dauerte tatsächlich bis 1962 an, und erst von da ab folgte eine langsame und allmähliche Lockerung. Die grundlegende Veränderung hinsichtlich der Stellung von Gläubigen und Kirche gipfelte erst im sogenannten Prager Frühling 1968. Dieses Jahr bedeutete einen bedeutsamen Umbruch: die Wiederbelegung des religiösen Lebens, die Erneuerung des Wirkens der Griechisch-katholischen Kirche und insgesamt die Autonomiestärkung der Kirchenposition. Die Okkupierung der Tschechoslowakei durch Armeeverbände von Staaten des Warschauer Paktes im August 1968 verlangsamte zunächst aber diesen begonnenen Prozess, ja die daraufhin folgende „Normalisierung“ kehrte die Kirchenpolitik des Staates in den vor dem Jahr 1968 bestandenen Zustand sogar wieder um.
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Pešek, Jan/Barnovský, Michal: Pod kuratelou moci. Cirkvi na Slovensku v rokoch 1953–1970 [Unter der Fuchtel der Macht. Die Kirche in der Slowakei im Jahre 1953–1970], Bratislava 1999, 81-92. Uhorskai, Pavel: Cirkev v útlaku, I [Kirche in der Unterdrückung I], Kežmarok 2015, 18-26.
Olga Litzenberger
UNERFÜLLTE HOFFNUNGEN AUF LEGALITÄT: DEUTSCHE KATHOLISCHE KIRCHE IN DER UDSSR
„Recht oft fragen mich Priester, wie man Seelsorge ohne eine Kirche betreiben kann. Allerdings, man kann! Ich hatte ja doch in den ganzen 12 Jahren in Karaganda nur ein Jahr lang ein Kirchlein gehabt, und elf Jahre arbeitete ich ohne Kirche und ohne Gebetshaus”.1 Dieses Zitat, mit dem der Priester Wladislaw Bukowinsky (1904–1974) das religiöse Leben der Katholiken in der UdSSR in der Nachkriegszeit charakterisierte, ist mit Bedacht gewählt und an den Anfang dieses Beitrags gestellt. Der Autor des Zitates wurde aufgrund seiner religiösen Tätigkeit insgesamt dreimal – 1940, 1946 und 1958 – verhaftet und verurteilt. Während dieser Zeit wurden alle Gläubigen vom Sowjetregime gnadenlos verfolgt, sodass auch die deutschen Katholiken ihr Glaubensleben im Untergrund pflegen mussten. Die Problematik des Beitrages setzt voraus, dass sich in den letzten Jahren nach sieben Jahrzehnten gewaltsamer Unterdrückung des religiösen Lebens in der Sowjetunion ein tiefgreifender Wandel vollgezogen hat. Damit haben ebenfalls die Fragen zur Geschichte der Katholischen Kirche nicht nur im wissenschaftlichen, sondern auch im politischen und gesellschaftlichen Kontext an Aktualität gewonnen. Die Kirchengeschichte wird heute aus mehreren Perspektiven betrachtet – sozial, kulturell, und religiös. Das Studium der Geschichte der Römisch-katholischen Kirche in den postsowjetischen Staaten gehört zu den aktuellen Bedürfnissen der Gesellschaft. Obwohl die Katholische Kirche im postsowjetischen Raum heute eine Kirche der religiösen Minderheit ist, liegt dem Beitrag ein Verständnis – die Katholische Kirche als ein traditionelles Element der Gesellschaft – zugrunde. Dies ist dadurch bedingt, dass diese Glaubensgemeinschaft aktuell als nicht traditionell weiter diskriminiert werden kann. Es gilt daher zu untermauern, dass die Römisch-katholische Kirche als religiöses, historisches und kulturelles Phänomen des 19.–20. Jahrhunderts eine jahrhundertealte Tradition hatte, die durch religiöse Intoleranz und Verfolgungen von Geistlichen in Sowjetrussland unterbrochen wurde. Herauskommen würde dann ein Beitrag, der nicht nur neue Archivmaterialen hervorbringt, sondern vor dem Hintergrund historischer Expertise auch eine Orientierungshilfe zur Bewertung der heutigen Politik in den ehemaligen Sowjetrepubliken formuliert. 1
Bukovinskij, Vladislav: Vospominanija svjashhennika Vladislava Bukovinskogo, Moskau 2000, 34.
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Ein kurzer Rüсkblick in die Geschichte und der Niedergang der deutschen Katholischen Kirche als Folge der Revolution (1917–1939). Im Russischen Reich war die Katholische Kirche ein einzigartiges Phänomen. Die Römisch-katholische Kirche, deren Territorium im Russischen Kaiserreich fast 21,8 Mio. m² umfasste, war die größte der Welt. 1917 lebten über 11,5 Mio. Katholiken gemäß offiziellen Angaben im Russischen Reich, 62% dieser Gläubigen waren Deutsche.2 Das katholische Bistum Tiraspol war 1847 (seit 1856 mit Residenz in Saratow an der Wolga) vor allem deshalb eingerichtet worden, um die Ausübung des Glaubens der 200.000 deutschsprachigen Kolonisten (Wolgadeutsche, Schwarzmeerdeutsche etc.) gewährleisten zu können. Im Laufe der vielen Jahrhunderte wurde der Katholizismus seitens der offiziellen Ideologie sowie der russischen Gesellschaft als fremdländische und russlandfeindliche Religion betrachtet. Die Ursachen dafür waren vielseitig. Der Katholizismus wurde von vielen russischen Monarchen als gefährliche fremdländische Ideologie identifiziert, die der selbstherrschenden theokratischen Gewalt gegenüberstehen konnte. Das gesellschaftliche Bewusstsein und die großmächtige russische Mentalität wurden im Laufe der vielen Jahrhunderte auf der Entgegenstellung zum Westen zur westlichen Religion formiert. Dies spielte eine bedeutende Rolle bzgl. des negativen Verhaltens gegenüber den Katholiken. Die Nichtanerkennung des Katholizismus in Russland verschärfte sich aufgrund der angespannten Situation zu Polen, das damals ein Teil des Russischen Reiches war. Besonders nach den polnischen Aufständen wurden die deutschen Katholiken die Geisel des Problems zwischen Polen und Russland. Das bolschewistische Regime, das in Russland 1917 die Macht errang, war gegen die Kirchen aller Konfessionen gerichtet. Die Diözese Tiraspol, die den europäischen und südlichen Teil Russlands, den größten Teil der gegenwärtigen Ukraine, Georgien und des historischen Bessarabiens umfasste, existierte praktisch nicht mehr. 1918 wurde die Bischofsresidenz in Saratow requiriert. Ab 1920 gab es in der Diözese keinen Bischof mehr und gegenüber den Priestern und Gläubigen gab es Repressalien. Gemäß einem Erlass von 1922 wurden die Kirchenwertgegenstände aus den Kirchen beschlagnahmt. Der Kampf gegen die Religion wurde von der 1925 gegründeten „Union der kämpferischen Gottlosen“ geführt. Infolge der Verhaftungen von Priestern reduzierte sich die Anzahl der Gemeinden und ihrer Mitglieder drastisch. Eine Welle von Prozessen gegen ganze Gruppen deutscher Geistlicher überzog die Sowjetunion zwischen 1926 und 1928. Die religiösen Verfolgungen in der Sowjetunion riefen den Protest kirchlicher Organisationen aus der ganzen Welt hervor. In Beantwortung eines Schreibens von Papst Pius XI. dementierte 1930 die sowjetische Regierung offiziell die Existenz religiöser Verfolgungen. 1939 wurden die letzten katholischen Kirchen in der Diözese geschlossen (1919 gab es 317 Kirchen in der Diözese), die Tätigkeit der katholischen Kirche wurde offiziell eingestellt. Katholische Kirche in den Sowjetrepubliken während der Nachkriegszeit. Die baltischen Republiken: Estland, Lettland, Litauen. Kirche in Ostpreußen. In 15 Sowjet2
Litzenberger, Olga: Rimsko-katolicheskaya Zerkov v Rossii: istorija I pravovoe polojenie [Römisch-katholische Kirche in Russland: Geschichte und rechtliche Lage], Saratow 2001, 160.
Deutsche Katholische Kirche in der UdSSR
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republiken trat auch in der Nachkriegszeit die Verordnung von 1929 in Kraft, durch welche die Tätigkeiten der Kirchen total eingeschränkt und Religionsgemeinschaften der Kontrolle des Staates unterstellt wurden. Der XVIII. Parteitag der KPdSU im Jahre 1947 propagandierte die Idee des baldigen Aufbaus des Kommunismus und forderte deswegen die Wiederaufnahme der propagandistischen Arbeit auf dem Gebiet der Religion. Dem Beschluss der Parteizentrale folgte eine Welle in zentralen und regionalen Machtorganen, die nun nicht nur mehr atheistische Arbeit forderten, sondern sich direkt gegen die Religion richteten. Die Lage der Römisch-katholischen Kirche in der Sowjetunion darf man jedoch nicht pauschalisieren. Die Entwicklung der Katholischen Kirche in den baltischen Staaten3 sowie im 1945 besetzten Ostpreußen stellt eine Besonderheit dar. Um die baltischen Länder schneller zu integrieren, war es für die staatlichen Behörden sinnvoller, vorhandene religiöse Gemeinden und kirchliche Institutionen zu behalten. Die meisten katholischen Pfarreien in der UdSSR gab es in Litauen und Lettland, wo es später auch Administratoren mit Bischofsweihe gab. Von Riga und Vilnius aus wurde später die ganze übrige Sowjetunion betreut. Z. B. wurden im Herbst 1956 die Priester Lignugaris und Smilgavitschus aus Vilnius zu den deutschen katholischen Sondersiedlern nach Tomsk geschickt. Doch bereits im Februar 1957 wurden beide Priester unter dem Vorwand der Verstöße gegen die Passordnung aus dem Tomsker Gebiet ausgewiesen.4 Während es in Litauen und Lettland noch bescheidene Pfarrstrukturen gab, war es im übrigen Staatsgebiet katastrophal. In Ostpreußen wurde 1945 nach der Genehmigung der Sowjetdienststellen ein provisorisches Kirchenwesen organisiert. Nachdem der Raum um Königsberg (seit 1946 Kaliningrad) 1948 von den Deutschen fast völlig geräumt wurde, endete damit praktisch auch die gemeindliche Versorgung. Ukraine, Moldau, Georgien, Aserbaidschan, Armenien und der europäische Teil Russlands. Die deutsche Katholische Kirche, die hier eine jahrhundertealte Tradition hattе, existierte in diesen Republiken nicht mehr. Nach Kriegsende wurden etwa 140.000 Sowjetdeutsche – größtenteils Schwarzmeerdeutsche – aus allen Besatzungszonen Deutschlands in die Sowjetunion „repatriiert“.5 Einige Tausend Bessarabien-
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Die baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen wurden nach dem Ersten Weltkrieg unabhängig vom damaligen Russischen Reich, wurden aber 1940 von der Sowjetunion annektiert und erlangten erst 1991 erneut ihre Eigenständigkeit. Nam, Irina V.: Bor'ba za vyzhivanie: nemeckie religioznye obshhiny Tomskoj oblasti v gody ‚ottepeli‘ i ‚zastoja‘ [Kampf ums Überleben: deutsche Religionsgemeinschaften in der Region Tomsk in der Zeit der „Ottepel“ und „Stagnationsperiode“], in: Nemeckoe naselenie v poststalinskom SSSR, v stranah SNG i Baltii (1956–2000 gg.) [Deutsche Bevölkerung in der poststalinistischen UdSSR, GUS und den baltischen Staaten (1956–2000)], Moskau 2003, 301-307, hier 303f. Fleischhauer, Ingeborg: Das Dritte Reich und die Deutschen in der Sowjetunion. Stuttgart 1983; German, Arkadij: Repatriacija sovetskich graždan nemeckoj nacional'nosti. Charakter provedenija i rezul'taty [Die Repatriierung sowjetischer Staatsbürger deutscher Nationalität. Art der Durchführung und Ergebnisse], in: Nemcy SSSR v gody Velikoj Otečestvennoj vojny i v pervye poslevoennye desjatiletie 1941–1955 gg. [Die Deutschen der UdSSR in den Jahren des Großen Vaterländischen Krieges und im ersten Nachkriegsjahrzehnt 1941–1955], Moskau 2001, 261-274.
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deutsche6 teilten 1945 das Schicksal der übrigen „Sowjetdeutschen und wurden auch entsprechend einer Vereinbarung zwischen den Westalliierten und der UdSSR zwangsweise nach Sibirien verschleppt. Mit dem Erlass „Über die Umsiedlung der Deutschen aus der Georgischen, Aserbaidschanischen und Armenischen SSR“ vom 8. Oktober 1941 waren aus Georgien 23.580, aus Aserbaidschan 22.741 und aus Armenien 212 Personen nach Sibirien und Kasachstan umzusiedeln.7 Von den 317 katholischen Kirchen vor der Oktoberrevolution (die Diözese Tiraspol umfasste den europäischen und südlichen Teil Russlands, den größten Teil der Ukraine, Kaukasus und des historischen Bessarabiens) blieb in der Nachkriegszeit nicht eine einzige geöffnet. Leider gab es zu dieser Zeit unter den deutschen Katholiken keinen einzigen Priester mehr. Kein geistlicher Mentor, der wenigstens eine einzige deutsche katholische Gemeinde wieder hätte zum Leben erwecken können, lebte. Im europäischen Teil Russlands war die Kirche des Hl. Ludwig von Frankreich in Moskau die einzige geöffnete katholische Kirche. Zum Jahresbeginn 1946 wurde Priester Leopold Braun, Seelsorger der Ludwigskirche in Moskau, aus der UdSSR ausgewiesen. Die Kirche wurde von der kommunistischen Regierung allerdings nie geschlossen. Der letzte Kollektivprozess gegen russische Katholiken (Ordensschwestern aus der Stadt Malojaroslawez) fand 1948–1949 statt.8 Während die Russisch-Orthodoxe Kirche seit dem Zweiten Weltkrieg als Symbol der Heimatverteidigung angesehen wurde, so wurde die Katholische Kirche dagegen die Rolle des inneren Feindes zugeschrieben. Leider war auch die Russisch-Orthodoxe Kirche bei dieser Aktion nicht neutral. Ein Zeitgenosse wies direkt darauf hin, dass das Moskauer Patriarchat aktiv an diesen zerstörerischen Tätigkeiten teilnahm; es inspirierte, unterstützte und erweiterte die Gewalt der sowjetischen Organe z.B. in der Ukraine: „Es ist offensichtlich, dass (die) offizielle Propaganda des Moskauer Patriarchats eine wesentliche Rolle bei der Vernichtung der Ukrainischen Katholischen Kirche spielte.“9 Kasachstan, Kirgistan, Tadschikistan, Usbekistan und nordasiatischer Teil Russlands (Sibirien). Die deutsche katholische Diaspora, die sich in den Kriegsjahren in Sibirien und zentralasiatischen Unionsrepubliken bildete, zählte damals über 450 Tausend Personen. Es lebten etwa 200 Tausend Katholiken in der RSFSR, während ebenfalls 200 Tausend in Kasachstan waren. Der Rest lebte in Kirgisien und Tadschikistan.10 Im asiatischen Teil der UdSSR standen unter den Katholiken die Deutschen an
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Ein römisch-katholischer Kirchenbezirk in Bessarabien gehörte dem Bistum Tiraspol in Saratow und hatte vier Gemeinden: Balmas, Emmental, Krasna und Larga. Wacker, Rolf/Paulsen, Nina: 200 Jahre schwäbische Auswanderung in den Südkaukasus, in: Volk auf dem Weg, 11 (2017), 17-18, hier 18f. Ossipowa, Irina: Wenn die Welt euch hasst… Die Verfolgung der katholischen Kirche in der UdSSR, hg. v. Eugen Reinhardt und Seelsorge für katholische Deutsche aus Russland, o.J., 59. Hrynioch, Iwan: The Destruktion of the Ukrainian Catholic Church in the Soviet Union, in: Prologue Quarterly. Problems of Independence and Amity of Nations 4 (1960), 5-51; Die Zerstörung der Ukrainisch-Katholischen Kirche in der Sowjetunion, in: Ostkirchliche Studien 12(1963), 338, 9; Suttner, Ernst Chr.: Die katholische Kirche in der Sowjetunion, Würzburg 1992. Kahle, Wilhelm: Frömmigkeit und kirchliches Leben, in: Alfred Eisfeld (Hg.), Die Ruβlanddeutschen, München 1992, 193.
Deutsche Katholische Kirche in der UdSSR
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erster Stelle.11 Durch den Beginn des Zweiten Weltkrieges wurden die Deutschen innerhalb der UdSSR zwangsweise umgesiedelt. Als Apogäum der Deportation, die in einigen Etappen durchgeführt wurde, war der Erlass vom 28. August 1941 „Über die Umsiedlung der Deutschen, die in den Wolga-Rayons leben“. Im Erlass des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR wurden den Deutschen Sabotage und Spionage vorgeworfen: „Entsprechend glaubwürdigen Nachrichten, die die Militärbehörden erhalten haben, befinden sich unter der in den Wolga-Rayons lebenden deutschen Bevölkerung Tausende und Zehntausende von Diversanten und Spionen, die nach einem aus Deutschland gegebenen Signal in den von den Wolgadeutschen besiedelten Rayons Sprenganschläge verüben sollen. Über die Anwesenheit einer so großen Zahl von Diversanten und Spionen unter den Wolgadeutschen hat den Sowjetbehörden keiner der in den Wolga-Rayons ansässigen Deutschen sich gemeldet, folglich verbirgt die deutsche Bevölkerung der Wolga-Rayons in ihrer Mitte Feinde des Sowjetvolkes und der Sowjetmacht.“12 Mit dem Erlass wurde die Autonome Republik der Wolgadeutschen abgeschafft und die deutsche Bevölkerung von etwa 433.000 Menschen wurde nach Sibirien und Kasachstan umgesiedelt13. Die Sonderregelung als Teil der politischen Geschichte der ehemaligen UdSSR hat das Schicksal von Millionen von Bürgern des sowjetischen Landes, darunter auch die deportierten russlanddeutschen Katholiken, vorbestimmt. Anfang 1942 befanden sich 1.031.300 Deutsche aus Russland, Ukraine, Aserbaidschan, Armenien, Georgien u.s.w. in Sondersiedlungen, von denen die Hälfte in Kasachstan untergebracht wurde. Der Rest war in Sibirien, Kirgisien und Tadschikistan.14 Am 1. April 1945 befanden sich auf dem Gebiet der Kasachischen SSR 846.065 deutsche Sondersiedler.15 Geht man von den innerethnischen und äußeren Lebensbedingungen der deutschen Katholiken in der Nachkriegszeit aus, so lassen sich hinsichtlich der religiösen Identifikation zwei Perioden erkennen: Die erste Periode dauerte bis zur Mitte der 50er Jahre, die zweite lief ab 1955. Die erste Periode war eine Zeit offener Repressionen und endete mit dem Dekret des Obersten Sowjets vom 13. Dezember 1955, das die Sondersiedlungen aufhob und die Deutschen von der Administrativaufsicht durch die NKVD-Organe befreite. Die folgenden Jahre brachten jedoch nicht die lang ersehnte Freiheit: In der Chruščevschen Religionsverfolgung (1958–1964) war an Gemeinderegistrierungen
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Schnurr, Joseph: Die Kirchеn und das religiöse Leben der Russlanddeutschen. Katholischer Teil. Stuttgart 1980, 156. Ukaz Prezidiuma Verchovnogo Soveta SSSR „O pereselenii nemcev, proživajuščich v rajonach Povol’žja ot 28 avgusta 1941 goda“ [Erlass des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR vom 28. August 1941 „Über die Umsiedlung der Deutschen, die in den Wolga-Rayons leben“], in: Vedomosti Verhovnogo Soveta SSSR, 38 (1941). German, Arkadij A.: Nemeckaja avtonomija na Volge. 1918–1941 [Deutsche Autonomie an der Wolga. 1918–1941], Saratow 1994, 352. Berdinskich, Wiktor A./Berdinskich, Ivan W./Werem‘ew, Wladimir I.: Sistema Spezpocelenij w Sowetskom Sojuse 1930–1950-ch gg. 1941 [Das System der Sondersiedlungen in der Sowjetunion 1930–1950], Syktywkar 2015, 58. Ebd, 67.
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nicht zu denken. Bereits in der Tauwetter-Periode16 unter Chruščev stellte eine ZKResolution vom 7. Juli 1954 die Fehler in der bisherigen antireligiösen Arbeit fest und rief zur Verstärkung der atheistischen Propaganda in allen gesellschaftlichen Bereichen auf. Der Kampf gegen die Religion als „Überreste der Vergangenheit“ wurde 1958 wieder verschärft. Nikita Chruščevs antireligiöse Kampagne (1958–1964)17 war das letzte groß angelegte Vorgehen gegen die Religion, die intensiver und mit mehr Nachdruck bekämpft werden sollte. Erst Ende der 60er Jahre wurden in der UdSSR katholische Gemeinden wieder offiziell zugelassen. Das Jahrzehnt bis 1955 war eine der rechtlosesten Zeiten in der gesamten Geschichte der Russlanddeutschen.18 1942–1947 wurden alle deutschstämmigen Männer im Alter von 15 bis 55 und alle Frauen im Alter von 16 bis 45 Jahren zur Arbeitsarmee einberufen. Sie arbeiteten in Lagern und Baustellen des NKWD (Volkskommissariat für innere Angelegenheiten). In der Arbeitsarmee war jegliche Form religiösen Lebens unmöglich. Fast ein Viertel der deutschen Zwangsarbeiter sind an den Folgen der kräftezehrenden Arbeit, an Hunger und diversen Krankheiten gestorben. Die verwaltungsrechtliche Sonderregelung der Sondersiedlung mit Einschränkung der Freizügigkeit, die Haushaltsumsiedlung, die nach der Deportation eingesetzten Arbeitskräfte, die materiellen und sozialen Probleme, ein totales Verbot von Gottesdiensten sowie die komplexe moralische und psychologische Situation wirkten sich negativ auf die demografischen Prozesse in der deutschen Bevölkerung aus und beeinträchtigten das religiöse Leben sowie das Nationalbewusstsein der deutschen Bevölkerung nachhaltig. Jedoch vernichteten die Repressalien nie den Glauben. In der völligen Abwesenheit von Priestern wurde eine wichtige Rolle bei der Bewahrung des Glaubens von älteren Frauen gespielt, die selbst Betkreise organisierten, Kinder tauften, Gebetsgruppen leiteten, Riten vollzogen und sogar die heilige Kommunion austeilten. In der Historiografie wurden sie als „eucharistische Frauen“ bezeichnet19. So konstatierte der strenggeheime Sonderbericht der Verwaltung des Komitees für Staatssicherheit der Kasachischen SSR im Jahr 1955: „Es gibt eine unregistrierte Gruppe aus 15–20 Katholiken in Jaltyr, Bezirk Nowotscherkassk […]. Die Gottesdienste führt Eisenminger Agata, geb. 1893, Repatriatin aus Polen, durch. Sie tauft auch Kinder und steht in Briefwechsel mit dem Ausland.“20
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Der Begriff „Tauwetter“ („Ottepel“ – der Titel eines Romans von Il’ja Ėrenberg aus dem Jahre 1954) ist die Periode der Liberalisierung mit eng gezogenen Grenzen in der sowjetischen Geschichte (1953/56–1964). Grossmann, Joan Delaney: Khrushchev’s Anti-Religious Policy and the Campaign of 1954, in: Soviet Studies 24 (1973), 374-386, hier 379f. Barbašina, Elvira: Die Assimilation der Deutschen in Sibirien nach 1945, in: Elvira Barbašina, Detlef Brandes, Dietmar Neutatz (Hg), Die Russlanddeutschen in Russland und Deutschland. Selbstbilder, Fremdbilder, Aspekte der Wirklichkeit, Essen 1999 (Forschungen zur Geschichte und Kultur der Russlanddeutschen. Sonderheft 9/1999), 166. Schneider, Athanasius: Dominus est. Riflessioni di un vescovo dell'Asia centrale sulla sacra comunione. Liberia Editrice, Vatikanstadt 2008, 3; Burgart, Ljudmila: Poslednij svjashhennik Tiraspol'skoj eparhii [Der letzte Priester der Tiraspoler Diöseze], in: Kredo, 3 (2012), 22-26, hier 24f. Staatliches Archiv des Gebietes Akmolinsk, f. 730, op. 1, d. 24, l. 58.
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Die deutschen katholischen Gemeinden überlebten in der Zeit der Deportation nicht in einer kirchlichen Form, sondern ausschließlich in den o. g. Betkreisen. Die gesamte Römisch-Katholische Kirche existierte in dieser Zeit als Untergrundkirche (auch Katakombenkirche21 genannt), deren Gemeinden sich aufgrund staatlicher Politik und Verfolgung in Privathäusern zu Gottesdiensten und Versammlungen treffen konnten. In der Zeit der Sondersiedlung sammelten sich auch die noch immer fromm gebliebenen deportierten deutschen Katholiken in Betkreisen bei verhängten, dicht geschlossenen Fenstern. Ungeachtet der Tatsache, dass die Zahl der Gläubigen zweifellos zurückging, förderten die religiösen Gemeinden sowie die Einhaltung von Traditionen nichtsdestotrotz die ethnische Identifikation der Deutschen. In einem Bericht aus dem Jahr 1956 heißt es: „Das heilige Abendmahl haben wir schon 20 Jahre nicht bekommen. Auch Küster sind keine, so sind wir ganz ohne Hirten. Jetzt ist ein alter Mann, der wenigstens unsere Leichen zur Ruhestätte begleitet, auch Sonntag anwesend und hält die Andacht und Predigt. Auch haben wir einen kleinen Chor von 15 Mann […]. Wir haben keine Kirche, wir gehen von Haus zu Haus, wo wir eingeladen werden, da ist Gottesdienst.“22 Zur Römisch-Katholischen Kirche in den zentralasiatischen Sowjetrepubliken gehörten mehrere unregistrierte Kreise und Hauskirchen mit einer Größe von 10 bis mehr als 100 Gemeindegliedern. Die Zahl der Gemeinden lässt sich nicht genau ermitteln: Es existierte eine große Dunkelziffer von kleineren Kreisen von Gläubigen, die sich mehr oder weniger regelmäßig trafen. Zu den Treffen konnten keine Priester kommen. Nach Schätzungen moderner Historiker waren z. B. etwa 20% der ins Kemerowo Gebiet deportierten Deutschen Angehörige religiöser Gemeinschaften und Gruppen; 1958 gehörten im Autonomen Kreis Chanty-Mansi 400 deutsche Katholiken zu illegalen Kirchgemeinden.23 In sieben Bezirken des Gebiets Tomsk gab es am 1. Januar 1957 zahlreiche illegale katholische Gemeinden, die mehr als 1500 Personen vereinigten.24 Sowohl lokale als auch zentrale Machtorgane waren in den allermeisten Fällen über die Existenz der illegalen Gemeinden informiert. So charakterisierte Mitte der 1950er Jahre der Sicherheitsdienst die Aktivitäten der in Akmola (früher: „Akmolinsk“) ansässigen Russlanddeutschen wie folgt: „Aus den vom KGB beim Ministerrat der Kasachischen SSR erhaltenen Agenturdaten im Gebiet Akmola geht hervor, dass in einer Reihe von Bezirken des Gebiets Akmola sowie in der Stadt Akmolinsk eine Reihe von nicht registrierten religiösen Gemeinschaften und Gruppen verschiedener Glaubensrichtungen und Strömungen existieren. Die Tätigkeit dieser Gruppen zeichnet sich durch verstärkte 21 22 23
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Stricker, Gerd: Die „Katakombenkirchen“ in Rußland. Versuch einer Bestandsaufnahme, in: Osteuropa, 10 (1996), 1020–1035, hier 1020f. Kahle, Wilhelm: Die lutherischen Kirchen und Gemeinden in der Sowjetunion: seit 1938/1940. Gütersloh 1985, 126. Gorbatov, Aleksej V.: Verujushhie nemcy Sibiri (1950–1960 gg.) i sovetskoe gosudarstvo [Deutsche Gläubigen in Sibirien (1950–1960) und Sowjetischer Staat], in: Rossijskoe gosudarstvo, obshhestvo i jetnicheskie nemcy: osnovnye jetapy i harakter vzaimootnoshenij (XVIII–XXI vv.) [Der russische Staat, die Gesellschaft und die Deutschen: Grundlegende Etappen und Besonderheiten des Verhältnisses (18.–21. Jahrh.)], Moskau 2007, 379-387, hier 382f; Gorbatov, Aleksej V.: Gosudarstvo i religioznye organizacii Sibiri v 1940-e – 1960-e gody. [Der Staat und religiöse Gemeinschaften in Sibirien in 1940er – 1960er Jahren], Tomsk 2008. Nam, Bor'ba za vyzhivanie, 304.
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Aktivität aus, um instabile Personen im Geist des religiösen Fanatismus einzubeziehen und zu bearbeiten. Sektierer25 und Anhänger der Kirche binden vor allem junge Menschen in ihre Gemeinschaften ein, während einige religiöse Autoritäten die Gläubigen dazu aufrufen, die Teilnahme am öffentlichen Leben zu verweigern und an den Wahlen der Machtorgane nicht teilzunehmen. Es gibt Hinweise darauf, dass einige religiöse Autoritäten bei religiösen Versammlungen und unter einzelnen Gläubigen antisowjetische Aussagen machen.“26 Besondere Besorgnis rief bei den Behörden die Tatsache hervor, dass Gottesdienste die Bevölkerung von der sowjetischen Ideologie ablenkten. Die Bevollmächtigten des Komitees für Staatssicherheit beim Ministerrat der Kasachischen SSR dokumentierten z.B. einen Fall am 4. November 1955: «Zum Beispiel war im Dorf Perwomaiskoje geplant, am Sonntag eine Straßenreinigung unter Beteiligung aller Dorfbewohner durchzuführen. Mit der Ankunft von Priester Dschepezky wurde die Aktion an diesem Tag jedoch unterbunden, da der Großteil der erwachsenen Bevölkerung, einschließlich der Jugend, am Gottesdienst im Hof des Bürgers Grigorij Filinskiy teilnahm. Dessen Wohnung wurde mit Ikonen ausgestattet, Porträts von Partei- und sowjetischen Staatsführern wurden entfernt. Während der Gottesdienste plädierte Dschepezky dafür, die Komsomolzen und Parteimitglieder in einen engen Kreis von Gläubigen einzubinden.“27 Die aktive Beteiligung von – aus gläubigen Familien stammenden – Kindern und Jugendlichen berührte eine der Urängste der Sowjetführung: Die politisch labile Jugend sowie Kinder der Deportierten könnten sich zu organisierten antisowjetischen Tätigkeiten zusammenfinden. „Die Verbreitung des schädlichen Einflusses auf Schulkinder und Jugendliche sowie auf Kolchosbauern“ war der Grund für die ständige Überwachung des katholischen Priesters Bronislaw Dschepezky. Das belegen die Archive der ehemaligen KGB-Verwaltung Kasachstans, deren Geheimhaltungsvermerk des kasachischen Geheimdienstes nun aufgehoben wurde. Aus den freigegebenen Dokumenten geht hervor, dass sich das Ministerium für Staatssicherheit damit beschäftigte, seine Agenten, die „unter Geistlichen und Gläubigen eine religiöse Autorität besitzen und gleichzeitig durch ihre Agentur- und Patriotenarbeit geprüft und regierungstreu sind“, auch in den katholischen Gemeinden unterzubringen. Mit einer ausführlichen Notiz „Fakten über antisowjetische Tätigkeit unter den deutschen Sondersiedlern“ berichtete der Sicherheitsdienst des Gebietes Kokschetav an das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Kasachstans am 11. Dezember 1952, dass aufgrund der von Agenten erhaltenen Informationen über bspw. Robert Klat (ein deutscher Sondersiedler), „aktive antisowjetische Arbeit durch die Ausübung religiöser Rituale geleistet“ werde. Im Bericht las sich dieser Sachverhalt folgendermaßen: „Zum Beispiel richtete Klat im April dieses Jahres bei einer religiösen Versammlung, an der etwa 35 Personen teilnahmen, folgenden Appell an die Anwesenden: „Wir müssen alle an Gott glauben und beten,
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Der Begriff „Sekte“ und seine Ableitungen („Sektierte“, „Sektenanhänger“ usw.) hatte in den offiziellen Dokumenten der Sowjetzeit breite negative Bedeutung. Staatliches Archiv des Gebietes Akmolinsk, f. 730, op. 1, d. 24, l. 1. Staatliches Archiv des Gebietes Akmolinsk, f. 1, op. 2079, d. 1, l. 34 A.
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dass Gott uns hilft […]. Wir müssen den Rest der Bevölkerung dazu bringen, mit uns zu Gott zu beten.“28 Es sei nur eine Frage der Zeit, bis die Verfolgungen der bestehenden Gemeinden die Gläubigen und natürlich auch die wenigen Priester im Einzelnen erreichen würden. Die Gläubigen konnten den Teufelskreis der Bürokratie nicht überwinden. Die offizielle Registrierung erforderte ein Kirchengebäude und einen Priester, ohne die es unmöglich war, eine religiöse Vereinigung zu registrieren. Die Behörden weigerten sich folglich die Gemeinden zu registrieren, weil sie kein religiöses Gebäude besaßen. Gegen Gläubige wurden Geldstrafen verhängt, weil sie Gebetsversammlungen in Privatwohnungen abhielten. Priester wurden verurteilt, weil sie illegale Gottesdienste ohne Registrierung der Gemeinde durchführten. Nach 1955 begannen mehrere katholische Priester ihre Tätigkeit in Kasachstan, Kirgisistan und Sibirien. Dies waren diejenigen Häftlinge, die Stalins Repressionen überlebt hatten und nach langjähriger Haft in den Jahren von 1954–1957 vereinzelt aus den Lagern zurückkamen oder in ebendiese Gebiete verbannt worden waren. Die Rückkehr der Häftlinge festigte das Gefühl der Befreiung, die illegalen Gemeinden schöpften neuen Mut. Versuche der Geistlichen und allen anderen Mitgliedern, aus der „Illegalität der Gebetskreise“ auszubrechen, missglückten kläglich. Über jeden einzelnen Schritt aller entlassenen Geistlichen wurde der KGB informiert. Offensichtlich hatte man schon lange vor neuen Verhaftungen begonnen, die Geistlichen zu beobachten. Z. B. kann man das Schicksal des katholischen Priesters Bronislaw Dschepezky von 1955 bis zur erneuten Verhaftung am 19. Januar 1959 anhand des Berichtes des Chefs des KGB Oberstleutnant Harkin „Über das Verhalten und die religiöse Tätigkeit des katholischen Priesters Dschepezky B.P.“ an den Sekretär des Staatssicherheitskomitees beim Ministerrat der Kasachischen SSR A.M. Borodin verfolgen. Der Chef des KGB schrieb: „Im Sommer 1955 wurde der 1906 geborene ehemalige katholische Priester Bronislaw Petrowitsch Dschepezky nach Verbüßung einer Strafe für antisowjetische Tätigkeit in das Dorf Seljony Gai (Kolchose „Bolschewik“) im Gebiet Akmola verbannt […]. 1946 wurde Dschepezky verhaftet und zu zehn Jahren Gefängnis wegen seiner Verbindung zum vatikanischen Geheimdienst, auf dessen Anweisung er Informationen über die Lage der katholischen Gläubigen in der UdSSR sammelte und weitergab, verurteilt […]. Wegen Dschepezkys aktiver religiöser Tätigkeit […] gehen die Kolchosbauern an religiösen Feiertagen nicht zur Arbeit […]. Dschepezkys Tätigkeit bringt Unordnung in die Arbeitsdisziplin der Kolchosbauern […]. Dschepezky sollte an der Abhaltung religiöser Versammlungen gehindert werden. Das ganze Jahr über hat er […] Gläubige dazu gedrängt, die Erlaubnis zur Eröffnung einer Kirche zu erbitten, während er selbst weiterhin zahlreiche religiöse Versammlungen abhält und religiöse Zeremonien (Taufen, Eheschließungen usw.) ohne offizielle Genehmigung durchführt […]. In Anbetracht der Tatsache, dass Dschepezkys religiöse Aktivitäten eine schädliche Wirkung 28
Karpykova, Galija A. (Hg.): Iz istorii nemcev Kazahstana (1921–1975 gg.). Cbornik dokumentov: Arhiv Prezidenta Respubliki Kazahstan [Aus der Geschichte der Deutschen in Kasachstan (1921– 1975). Sammlung von Dokumenten: Archiv des Präsidenten der Republik Kasachstan], AlmatyMoskau 1997, 181.
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auf den Rest der Bevölkerung haben und die Arbeitsdisziplin in den Kolchosen durcheinanderbringen, fordere ich […], Dschepezky keine Genehmigung für die Durchführung von Gottesdiensten zu erteilen und ihm die Durchführung religiöser Aktivitäten zu untersagen.“29 Am 19. Januar 1959 wurde Dschepezky verhaftet und in einem Schauprozess am 9. April 1959 zu 10 Jahren Lager verurteilt. Priester Wladislaw Bukowinsky berichtete später über diese Verhaftungen: „Gottes Vorsehung führte für uns, die drei Priester Bronislaw Dschepezky, Joseph Kutschinsky und mich, auf den gleichen Weg […]. Mit Bronislaw und Joseph waren wir mehr als ein Jahr lang in der gleichen Zelle im Gefängnis in Kiew – von Juni 1945 bis Juli 1946 […]. Nach der Befreiung aus zehn Jahren Gefangenschaft arbeiteten wir alle drei in Kasachstan: Ich ab 1954 in Karaganda, Bronislav ab 1953 im Dorf Seljony Gai bei Zelinograd und Joseph ab 1956 in einer Kleinstadt namens Tantschi im Gebiet Koktschetav. Im Dezember 1958 wurden Joseph und ich verhaftet, im Januar 1959 wurde auch Bronislaw festgenommen. Jeder von uns wurde einzeln verurteilt. Ich saß drei Jahre im Gefängnis, Bronislaw fünf Jahre, während Josef insgesamt sieben Jahre lang im Gefängnis verweilte. Während dieser Zeit war ich über zwei Jahre lang (1959–1961) mit Bronislaw im gleichen Lager. Von April bis Dezember 1961 waren wir alle gemeinsam noch acht weitere Monate lang im Arbeitslager.”30 Bei der Beschreibung des Schicksals seiner Brüder bringt Bukowinsky eine traurige Statistik ans Tageslicht: „Joseph Kutschinsky hält den traurigen Weltrekord unter allen katholischen Priestern. Es handelt sich um den „Rekord der Inhaftierung“ von mehr als 17 Jahren überschreitet […]. Bronislaw Dschepezky belegt in dieser fragwürdigen Rangliste den zweiten Platz, denn er saß 15 Jahre im Gefängnis. Ich bin an dritter Stelle. Trotz dreimaliger Inhaftierung habe ich „nur“ 13 Jahre, fünf Monate und zehn Tage im Gefängnis verbracht.“ Praktisch alle römisch-katholischen Priester und griechisch-katholischen Priester, die auch unter den deutschen Katholiken dienten, wurden drei bis vier Jahre nach ihrer Rückkehr aus dem Lager wegen illegaler religiöser Aktivitäten erneut verhaftet (siehe Tabelle rechts). Aus den in der Tabelle aufgeführten Daten geht deutlich hervor, dass die Hoffnung auf Legalität und religiöse Duldung, die in der Zeit der Euphorie von der Freilassung der Geistlichen und der Aufhebung der Sonderkommandantur geboren wurde, sich wieder rasch auflöste. Nach der Verhaftung der Geistlichen übten die lokalen Behörden immer stärkeren Druck auf die Gemeinden aus. Alle Anträge auf Legalisierungen wurden abgelehnt. So berichtete das KGB am 22. April 1959: „Im Zusammenhang mit der Verhaftung von Dschepezky kam die Tätigkeit der katholischen Gemeinden in den Bezirken Akmola und Nowotscherkassk fast zum Stillstand. Erst kürzlich wurden Dschepezkys Anhänger jedoch so schamlos, dass sie sowjetischen Beamten Bestechungsgelder anboten, um die Gemeinde registrieren zu lassen“.31
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Staatsarchiv des Gebietes Akmolinsk, f. 1, op. 2079, d. 1, l. 108-110. Bukovinskij, Vospominanija svjashhennika Vladislava Bukovinskogo, 34. Staatliches Archiv des Gebietes Akmolinsk, f. 1, op. 2079, d. 1, l. 53.
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Katholische Priester in Kasachstan in den Jahren 1955–196032 Name
Lebensda- Entlassen ten aus dem Gefängnis oder Lager römisch-katholische Priester Bukowinsky, 1904–1974 1954 Wladislaw Dschepezky, 1906–1973 1955 Bronislaw Kutschinsky, Jo- 1904–1982 1954 seph Köhler, Michael 1897–1982 1957
Wiederverhaftet und verurteilt
Dienstort
1958
Karaganda Gebiet, Kasachstan
1959
Akmola Gebiet, Kasachstan
1958
Staub, Alexander 1870–1961 1956 griechisch-katholische Priester33 Bendas, Stephan 1903–1991 1955
gestorben 1961
Krasnoarmeysk (Tajynscha), Kasachstan Sibirien, Krasnoarmeysk (Tajynscha), Kasachstan, später auch Frunse (Bischkek), Kirgisien Karaganda Gebiet, Kasachstan
Chira, Alexan- 1897–1983 der, Bischof Kusminsky, 1889–1964 1955 Dmitry Sarizky, Alexij 1912–1963 1956 Stankaninez, 1905–1999 1957 Augustin (Antonius, Wasilianin)
32
33
-
1959 1957
Sakarpatje, Karaganda, Kasachstan Karaganda, Kasachstan
gestorben 1964
Хабаровский край (Россия), Karaganda, Kasachstan 1962, gestorben im Kasachstan Gefängnis 1963 Karaganda, Tschu, Alma-Aty, Tscharsk, Nowotroizkoje (Dschambul Gebiet), Kasachstan
Burgart, Ludmila A.: Religioznaja zhizn' katolikov i polozhenie Katolicheskoj Cerkvi v Kazahstane v seredine 50-h – nachale 70-h gg. po ‚Vospominanijam o Kazahstane‘ svjashhennika Vladislava Bukovinskogo [Religiöses Leben der Katholiken und die Lage der Katholischen Kirche in Kasachstan in der Mitte 1950er – Anfang 1970er Jahren in der „Erinnerungen nach Kasachstan“ von Priester Wladislaw Bukiwinsky], in: Mirovozzrenie narodov Juzhnoj Sibiri i Central'noj Azii v istoricheskoj retrospektive [Weltbild der Völker Südsibiriens und Zentralasiens in historischer Perspektive], Barnaul 2007, 231-251; Chaplickij, Bronislaw/Ossipova, Irina (Hg.): Kniga pamjati. Martirolog Katolicheskoj Cerkvi v SSSR [Gedenkbuch. Martyrologium der Katholischen Kirche in der UdSSR], Moskau 2000, 283-284; Nowak, Jan: Niezłomny pasterz. Duszpasterstwo ks. Władysława Bukowińskiego w Kazachstanie w latach 1950–1974 [Unerschütterlicher Hirte. Die pastorale Arbeit von Pater Władysław Bukowiński in Kasachstan in den Jahren 1950–1974], Krakau 2013, 153; Pekar, Alexander: Episkop Aleksandr Hira [Bischof Alexander Chira] in: Kredo, 7 (2002), 9-12, hier 10f;. Rubleva, Natalja S.: Poslednij pater Tiraspol'skoj diecizii: Mihajel' Keller (1897–1983) [Der letzte Priester der Diözese Tiraspol: Michael Köhler (1897–1983)], in: Nemeckoe naselenie v poststalinskom SSSR, v stranah SNG i Baltii (1956–2000 gg.) [Deutsche Bevölkerung in der poststalinistischen UdSSR, GUS und den baltischen Staaten (1956–2000)], Moskau 2003, 318-325. Die Russische Griechisch-katholische Kirche ist die katholische Ostkirche des byzantinischen Ritus. Sie ist daher mit der römisch-katholischen Kirche uniert und erkennt den Papst als ihr geistliches Oberhaupt an.
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Eine ähnliche Situation entwickelte sich in anderen asiatischen Republiken der UdSSR und in Sibirien, wohin die deutschen Katholiken ebenfalls deportiert wurden. 1955 wurde der größten Gemeinde deutscher Katholiken in Kirgisistan im Dorf Luxemburg die offizielle Registrierung verweigert. Nachdem der litauische Priester Antony Šiškjawičus in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre aus dem Lager entlassen wurde, hielt er Gottesdienste in Frunse, Tokmak, Kant, Dschalal-Abad, in den Dörfern Oktjabrskoe, Winsovchos und in anderen Siedlungen ab. Unter seiner Führung versuchten die Gemeindemitglieder 1961 erneut, die Pfarrei in Luxemburg offiziell registrieren zu lassen und drohten im Falle einer Ablehnung den Behörden, einen „Marsch und Aufstand“ zu organisieren. Die Reaktion der Behörden war eindeutig: Vater Šiškjawičus wurde 1961 erneut verhaftet, die aktivsten Gemeindemitglieder wurden verbannt und eine im Dorf eröffnete Kapelle wurde zerstört. In einem weiteren Fall im Jahr 1957 wandte sich die katholische Gemeinde aus der Stadt Tomsk in Sibirien mit einem Brief persönlich an den Partei- und Staatschef Chruščev und bat um die Rückgabe des Kirchengebäudes, das 1938 geschlossen und zunächst als NKWD-Stall genutzt und anschließend in einen Aeroklub umgewandelt worden war. Trotz der Tatsache, dass mehr als 1.000 Unterschriften im Zuge der Petition zusammengetragen wurden, wurde der Antrag abgelehnt. Bereits dieser kurze Auszug an Vorkommnissen aus der Geschichte der deutschen Katholischen Kirche in der UdSSR macht deutlich, dass die Kirche in den Jahren von 1945–1960 angesichts der antireligiösen Politik, Deportation der Russlanddeutschen und Repressalien sowie Verbreitung sozialistischer Ideen vor ganz besonderen Herausforderungen stand. Nicht ein einziger offizieller Geistlicher (mit der Ausnahme von vereinzelten Geistlichen in den baltischen Republiken), keine einzige registrierte Gemeinde, keine Kirche oder Kapelle. Gottesdienste mussten aufgrund dessen in Privatwohnungen abgehalten werden. Schon diese wenigen Tatsachen sind Anlass genug, einmal mehr einen genaueren Blick auf die weiterführende Geschichte der Katholiken in der UdSSR zu werfen […]. Die erste offiziell registrierte katholische Gemeinde in Frunse (Kirgisistan) entstand im Jahre 1969, in Duschanbe (Tadschikistan) 1974, in Karaganda (Kasachstan) erst 1977. Die o. g. katholische Kirche in Tomsk wurde erst 1990(!) an die Gemeinde zurückgegeben, jedoch ist dies wiederum eine andere Geschichte.
Katrin Boeckh
DREI TAGE, DIE DIE UKRAINE VERÄNDERTEN: DIE PSEUDO-SYNODE VON LEMBERG VOM 8. BIS 10. MÄRZ 1946 UND DIE „LIQUIDIERUNG“ DER GRIECHISCH-KATHOLISCHEN KIRCHE IN GALIZIEN
Die Griechisch-Katholische Kirche von Galizien stellt in der heutigen Westukraine eine wichtige geistig-politisch-moralische Instanz dar. Historisch geht sie auf eine Union im Jahr 1596 zurück. Ihre Existenz erschien dem Regime unter Stalin so bedrohlich, dass er sie auf einer orchestrierten Synode, einer Pseudo-Synode in L‘viv/Lemberg, an den drei Tagen vom 8. bis 10. März 1946 für aufgelöst erklären ließ. In der Folge wurde die Griechisch-Katholische Kirche in eine Katakombenexistenz gezwungen, bis sie erst während der Perestrojka unter Generalsekretär Michail Gorbačev wieder eine legale Grundlage erhielt. Die Lemberger „Synode“ aber wurde nicht nur am 70. Jahrestag, sondern auch bei vielen anderen Gelegenheiten vielfältig erinnert und in das öffentliche Gedächtnis zurückgerufen.1 Dabei waren in der Griechisch-Katholischen Kirche und in der Ukrainischen Orthodoxen Kirche Moskauer Patriarchats erhebliche Differenzen bei der Bewertung der „Pseudo-Synode“ deutlich, wie zwei Hirtenbriefe des Jahres 2006 vermittelten.2 Im Folgenden geht es um die Schilderung dieser dramatischen drei Tage, aber auch um ihre historische Kontextualisierung, letztlich geht es damit aber um sehr viel mehr als nur um das Datum: nämlich um die breite historische Einordnung dieses Ereignisses in die Geschichte der Westukraine und ihrer Bevölkerung, die aus diesem Ereignis einen Teil ihres Selbstverständnisses und Handlungsantriebes zieht. Daher lautet auch 1
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Siehe etwa die wissenschaftliche Konferenz „Die Kraft des Glaubens gegen die Gewalt der Macht: die Griechisch-Katholiken in Zentralosteuropa unter den Bedingungen der Verfolgung der totalitären Regime nach dem Zweiten Weltkrieg” an der Kiever Ševčenko-Universität am 17. März 2016. Vgl. Rundbrief der Bischofssynode des Großerzbistums von Kyiv-Halych an den Klerus, den Mönchsstand und die Laien der Ukrainischen Griechisch-Katholischen Kirche und an alle Menschen guten Willens anlässlich des 60. Jahrestags der Lviver Pseudosynode. Kiew 7. März 2006, in: Andriy Mykhaleyko, Oleksandr Petrynko, Andreas-A. Thiermeyer (Hg.), Einheit: Auftrag und Erbe. Anthologie von Texten der Ukrainischen Griechisch-Katholischen Kirche zu Fragen der Kircheneinheit. Mit Kommentar, Lemberg 2012, 174-190, sowie: Schreiben der Heiligen Synode der Ukrainischen Orthodoxen Kirche an die Gläubigen und das ukrainische Volk anlässlich des 60. Gedenktages der Rückkehr der Griechisch-Katholischen in den Schoß der Orthodoxen Kirche. Kiew, 9. Juli 2006, ebd., 194-201.
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Katrin Boeckh
die großzügige Formulierung im Titel: „Drei Tage, die die Ukraine veränderten“, angelehnt an den 1919 veröffentlichten Roman des Zeitzeugen John Reese über die Oktoberrevolution in Petrograd „Ten Days that shook the World“. Dabei waren in beiden Fällen, also bei der Oktoberrevolution und bei der Lemberger Pseudo-Synode, die handelnden Verantwortlichen die Bolschewiken bzw. das sowjetische Regime. Die These im Folgenden lautet, dass das staatlich verhängte und jahrzehntelang gewaltsam durchgesetzte Verbot der Griechisch-Katholischen Kirchen in Galizien nicht nur als einschneidendes kirchenpolitisches Geschehen zu werten ist, sondern auch als bedeutsames gesellschaftsgeschichtliches Ereignis. Es betraf einen großen Teil der westukrainischen Bevölkerung, die sich danach zur Ausübung ihrer religiösen Praxis in den Untergrund zurückziehen und damit ihr Verhalten in der Öffentlichkeit grundsätzlich ändern musste, zum anderen reichen die Folgen bis in die unmittelbare Gegenwart, und zum dritten war es ein staatlich inszeniertes Unterfangen, das sich einerseits bewusst an die Öffentlichkeit wandte (durch die nachgerade theatralische Inszenierung der Pseudo-Synode), andererseits diese aber ebenso ausschloss, um ihren Protest gegen das Verbot der Griechisch-Katholischen Kirche zu verhindern (die „Synode“ fand vor ausgesuchtem Publikum statt, unter Anwesenheit des sowjetischen Geheimdienstes; zudem wurden die sowjetischen Gerichtsprozesse gegen kirchliche Repräsentanten im Geheimen durchgeführt). Durch die sowjetische Geheimhaltung der Hintergründe und die in sowjetischer Zeit bewusste Verdrehung von Fakten konnten die tatsächlichen Zusammenhänge historiographisch erst nach dem Ende des sowjetischen Regimes aufgearbeitet werden.3 Viele der betroffenen Gläubigen und Opfer erfuhren so die Hintergründe der staatlichen Verbrechen, die mit der Zwangsauflösung der Griechisch-Katholischen Kirche in Verbindung standen, nicht mehr zu Lebzeiten; die Täter kamen ungeschoren davon. Wenigstens jetzt kann die Historiographie aber ihre Namen nennen, nachdem die Archive in der Ukraine offen sind, auch die Archive des Geheimdienstes.4
1.
Historische Vorgeschichte und Zeitpunkt der „Liquidierung“
Die sowjetische Regierung hatte die Griechisch-Katholische Kirche in Galizien schon lange vor dem Zweiten Weltkrieg im Visier; dies reichte zurück auf die frühen Jahre der Sowjetunion ab 1917. Auch wenn Galizien damals noch nicht zum sowjetischen Territorium gehörte, so hat die Leninsche Regierung doch sehr genau beobachtet, was 3
4
Eine der ersten quellenbasierten Studien nach Öffnung der sowjetischen Archive erstellte Bociurkiw, Bohdan R.: The Ukrainian Greek Catholic Church and the Soviet State (1939–1959), Edmonton 1996. Exemplarisch sei als kommentierte Quellensammlung genannt: Serhijčuk, Volodymyr: Neskorena Cerkva. Podvyžnyctvo hreko-katolykiv Ukraїny v borot’bi za viru i deržavu, Kiew 2001. Im Folgenden viele Bezüge aus Boeckh, Katrin: Stalinismus in der Ukraine. Die Rekonstruktion des sowjetischen Systems nach dem Zweiten Weltkrieg, Wiesbaden 2007, 498-531. Vgl. die archivalische Dokumentation des Vorgehens der sowjetischen Behörden und des Geheimdienstes: Likvidacija UHKC (1939–1946). Dokumenty radjans’kych orhaniv deržavnoї bezpeky, Tom 1-2, Kiew 2006.
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an den fragilen Außengrenzen vorging. Die Griechisch-Katholische Kirche war dem Sowjetstaat suspekt, weil ihr Oberhaupt im Ausland saß – der Papst, der von Moskau aus nicht zu kontrollieren war –, weil sie in einer engen Verbindung zu den Ukrainern stand und als eine „nationale“ ukrainische Kirche galt, weil sie die orthodoxen Riten hatte und damit die Gefahr bestand, dass sie auf die orthodoxe Kirche in der Sowjetunion übergreife. Dies alles wurde als Bedrohung betrachtet, die den Staat der Bolschewiken möglicherweise von innen heraus destabilisieren hätte können. Zu Beginn der 1920er Jahre witterte die sowjetische Außenpolitik eine echte Gefahr, wie Korrespondenz der 1920er Jahre belegt, die im Archiv des Russländischen Außenministeriums einzusehen ist.5 Aus der Perspektive des sich erst etablierenden jungen sowjetischen Staats ist diese Haltung nicht unverständlich, war die Griechisch-Katholische Kirche doch die größte religiöse Gemeinschaft in der Westukraine. 1939 verfügte sie über fünf Bistümer (Lemberg als Erzbistum, Stanislav; Peremyšl, Mukačevo und Prešov), zwei apostolische Administraturen (das Lemkengebiet sowie Wolhynien/Pidlasien/Polesien), zehn Bischöfe, 2.950 Priester, 1.090 Nonnen, 520 Mönche, 3.040 Gemeinden, 4.440 Kirchen und 195 Klöster sowie eine Geistliche Akademie und ein Geistliches Seminar in Lemberg. In den fünf Bistümern zählte man über 4,2 Millionen Gläubige. Hingegen konnte die Orthodoxe Kirche in der Westukraine vor dem Zweiten Weltkrieg nur auf fünf Gotteshäuser und acht orthodoxe Priester zurückgreifen; in der übrigen Sowjetunion war sie durch die Verfolgungen der 1920er und 1930er Jahre an den Rand ihrer Existenz gedrängt worden. Die Absicht, die Griechisch-Katholische Kirche an ihrem öffentlichen Wirken zu hindern, sie vom Vatikan zu lösen und sie zu zerstören – in der Parteisprache: zu „liquidieren“ –, hegte die sowjetische Regierung schon länger: Der Plan, die GriechischKatholische Kirche in der Westukraine auszuschalten und sie der Russischen Orthodoxen Kirche unterzuordnen, geht auf die sowjetische Besetzung Ostpolens ab 1939 zurück. Ende 1940 bestätigte Lavrentij Berija, Volkskommissar für Inneres, die Vorgehensweise, wie die Griechisch-Katholische Kirche als „starke Hochburg reaktionärer Einflüsse des Vatikans und der ukrainischen Nationalisten“ zu bezwingen sei: Zuerst solle ein Schisma innerhalb der Kirche selbst organisiert werden, wobei die bestehenden gegensätzlichen Strömungen der Vertreter des westlichen und des östlichen Ritus ausgenutzt werden sollten. Dann sollten die Vertreter der Griechisch-Katholischen Kirche in den Augen der Gläubigen diskreditiert werden, indem sie bezichtigt werden sollten, die kirchlichen Gesetze zu verletzen und kirchliches Eigentum zu veruntreuen. Weiter sollte unter den „Uniaten“ die Tendenz zum Bruch mit dem Vatikan und die Gründung einer „unabhängigen unierten Kirche“ gestärkt werden. Schließlich sollten orthodoxe Kirchenvertreter aktiviert werden zum Kampf dafür, dass die „Uniaten an die orthodoxe Kirche“ angeschlossen würden.6
5
6
Archiv Vnešnej politiki rossijskoj Federacij (Moskau), fond 098, 1923–1930, op. 13, p. 127, d. 416, ll. 83-88: Pervomu Zamnarkomu I. Litvinovu, kopija tov. G. V. Čičerinu, kopija T. Petrovskomu. Rim, 12.1.1924, gez. N. Iordanskij [Kopie]. Likvidacija UHKC (1939–1946), tom 1, 100-101.
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Zu einer Umsetzung dieser Maßnahmen reichte aber die kurze Zeit der ersten sowjetischen Okkupation nicht aus. Außerdem war es selbst für die Sowjetmacht schwierig, sich über die populäre Persönlichkeit des im Jahr 1900 berufenen Metropoliten von Lemberg Andrij Šeptyc’kyj (1865–1944) hinwegzusetzen. Dieser war von Papst Pius X. mit außerordentlichen Vollmachten ausgestattet worden, und bei der ukrainischen Bevölkerung genoss er großes Ansehen. Der Plan konnte allerdings nach der sowjetischen Rückeroberung der Westukraine im August 1944 umgesetzt werden. Allerdings hatten sich die außen- und innenpolitischen Umstände für die Sowjetunion geändert: Sie wollte als Kriegsgewinner und als europäische Großmacht gelten und nicht riskieren, im Westen wegen ihrer religionsfeindlichen Politik Kritik auf sich zu ziehen.7 Darüber hinaus war sie in der Westukraine mit dem Bürgerkrieg, den die Ukrainische Aufstandsarmee (UPA) gegen die Sowjetmacht führte, konfrontiert, den sie trotz ihrer militärischen Übermacht erst 1945/46 in den Griff bekam. Um außerdem die lokale Bevölkerung für die Sowjetisierung und den Wiederaufbau des Landes zu gewinnen und um die Gläubigen hier nicht zu stark abzuschrecken, aber auch mit Blick auf das Ausland, wurde die Griechisch-Katholische Kirche eher verdeckt bekämpft. Insgesamt stellte die „Liquidierung“ der Griechisch-Katholischen Kirche Galiziens ein Teilprogramm Stalins zur Unterwerfung dieser Region dar, um mit einem Schlag gegen die Griechisch-katholischen Gläubigen die ukrainischen nationalen Kräfte zu schwächen. Dies geschah in mehreren Schritten und unter Rückgriff auf Maßnahmen, die bereits in den 1920er Jahren zur Zurückdrängung der orthodoxen Kirche in der Sowjetunion angewandt worden waren, aber unter Berücksichtigung der neuen außenpolitischen Situation, die ein vorsichtigeres Vorgehen gebot. Als Instrumentarium für den Kirchenkampf waren dafür während dem Zweiten Weltkrieg zwei Räte auf oberster staatlicher Ebene eingerichtet worden: Für die orthodoxe Kirche der „Rat für die Angelegenheiten der Russischen Orthodoxen Kirche beim Ministerrat der UdSSR“ (Sovet po delam russkoj pravoslavnoj cerkvi pri Sovete Ministrov SSSR), 1943 in Moskau gegründet unter dem Vorsitz von Georgij Karpov (1897–1967); der Rat hatte auf den Republiks- wie auf den Gebiets-Ebenen im Land Vertretungen. 1944 wurde für die weiteren Glaubensrichtungen einschließlich der Sekten eine ähnliche Organisation mit gleicher Hierarchie einberufen, der Rat für religiöse Kulte (Sovet po delam religioznych kul’tov pri Sovete Ministrov SSSR). Seine Aufgabe bestand darin, die armenisch-gregorianische, die altgläubige, die katholische, die griechisch-katholische, die lutherische Kirche, die muslimische, jüdische, buddhistische Religion sowie die Sekten zu kontrollieren. Erster Vorsitzender des Rats wurde bis 1956 Ivan Poljanskij. Beide Räte wirkten bei den staatlichen Maßnahmen gegen die Griechisch-Katholische Kirche und ihre Verdrängung aus dem öffentlichen Leben mit. Ein günstiger Augenblick dafür schien gekommen, als der beliebte Metropolit Šeptyc’kyj am 1. November 1944 verstarb. Sein Nachfolger, Josyf Slipyj (1892–1984) ging allerdings nicht auf Konfrontation, sondern suchte das Gespräch mit der Sowjetmacht, um einen Modus 7
Zu den außenpolitischen Rücksichtnahmen vgl. auch Plokhy, Serhii: In the Shadow of Yalta. International Politics and the Soviet Liquidation of the Ukrainian Greek Catholic Church, in: Serhii Plokhy, Frank E. Sysyn, Religion and Nation in Modern Ukraine, Edmonton 2003, 58-73.
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Vivendi zu finden. Jedoch fand eine kirchliche Delegation, die im Dezember 1944 nach Kiev und Moskau aufbrach, kein Gehör. Als Slipyj im Frühjahr 1945 vom Moskauer Patriarchen Aleksij mit dem Vorschlag konfrontiert wurde, die griechisch-katholischen Bischöfe sollten die Union auflösen, lehnte er ab. Im Weiteren ergriff die sowjetische Macht gewaltsame Maßnahmen. Am 2. März 1945 wies Stalin Karpov als Vorsitzenden des Rates für die Russische Orthodoxe Kirche an, den Angriff auf die Griechisch-Katholische Kirche einzuleiten. Ein von Karpov vorgelegtes Konzept, das die Einsetzung einer „Initiativgruppe“ vorsah, billigte Stalin am 15. März 1945.8 Der Zeitpunkt des staatlichen Zugriffs steht in Verbindung mit dem Erscheinen eines Artikels unter dem Titel „Z chrestom čy z nožem?“ (Mit dem Kreuz oder dem Messer?) in der sowjetischen Zeitung „Vil’na Ukraïna“ am 8. April 1945. Dieser war gleichsam das Angriffssignal, denn er lieferte die vorgeschobene Begründung dafür, warum die Griechisch-Katholische Kirche zurückgedrängt werden sollte. Es hieß darin, sie sei schuldig an Kriegsverbrechen und der Kollaboration mit der deutschen Besatzung. Daher wurde sie aufgefordert, die Vereinigung mit der Orthodoxie zu vollziehen. Diese mediale Begründung sollte die Bevölkerung auf die Verfolgungsmaßnahmen, die sich anschlossen, vorbereiten und zugleich in Erfahrung bringen, wie sie sich in diesem Fall verhalten würde. Die Reaktionen der Westukrainer nach Erscheinen des Artikels wurden daher von den Behörden genau registriert, indem sie sogenannte „Stimmungsberichte“ sammelten. Damit stellte man auch sicher, dass man die folgenden Schritte stets in Einklang mit der momentanen Stimmung der Bevölkerung koordinieren konnte.
2.
Die „Initiativgruppe“
Die staatlichen und verantwortlichen Akteure, die das Ende der Union vorantrieben, standen nicht allein, denn Teile der orthodoxen Geistlichkeit unterstützten die Auflösung der Union nachdrücklich. Der orthodoxe Erzbischof von Lemberg und Ternopil’, Makarij (1884–1961), erklärte in einem Hirtenbrief, die Führung über die griechischkatholischen Gläubigen stehe der Orthodoxie zu. Makarij, der erst Ende des Zweiten Weltkriegs zum Priester und Bischof geweiht worden war, arbeitete auch als Informant für die Behörden. Er gab im Mai 1946 an das Lemberger Gebiets-Exekutivkomitee die Namen griechisch-katholischer Priester weiter, die zum Übertritt zur Orthodoxie bereit seien. Hingegen kam von Patriarch Aleksij I. von Moskau und Ganz Russland9 keine öffentliche Zustimmung zu den Vorgängen in der Westukraine. 8
9
Vedeneev, D.V.: „Rešitel’nyj vrag Vatikana i unii“. Specslužby i protopresviter Gavriil Kostel’nik v kontekste sozdanija predposylok k likvidacii unii v Zapadnoj Ukraine (1939–1944g.), in: Vestnik Pravoslavnogo Sviato-Tikhonovskogo gumanitarnogo universiteta. Serija II: Istorija. Istorija Russkoj Pravoslavnoj Cerkvi 79 (2017), 85-105, hier 98. Aleksij (1877–1970), ab 1933 Metropolit von Leningrad, gehörte zu jenen wenigen noch in Freiheit verbliebenen orthodoxen Bischöfen, die Stalin 1943 empfing, um die Wahl eines neuen Patriarchen von Moskau und Ganz Russland zu besprechen, nachdem das Patriarchat seit 1925 nicht besetzt hatte werden dürfen. Der ausgewählte Patriarch Sergij I. starb bereits 1944, Aleksij wurde sein Nachfolger und blieb zwischen 1945 und 1970 im Amt.
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Die aktiv Handelnden gehörten einem Gremium an, das in der sowjetischen Darstellung als „Initiativgruppe“ bezeichnet wurde, um die vermeintlich eigene Aktivität der Griechisch-Katholischen Kirche zum Ausdruck zu bringen. Ihre Mitglieder waren griechisch-katholische Priester, die zur Orthodoxie übergetreten waren. Die Frontfigur war der Lemberger Priester Dr. H. F. Kostel’nyk. Seine Auswahl im Kampf gegen die Griechisch-Katholische Kirche war ein kluger Schachzug, denn als ein Anhänger der „östlichen Schule“ innerhalb der Griechisch-Katholischen Kirche vertrat er die Annäherung an die Orthodoxie. Er war bereits während der ersten sowjetischen Besetzung der Westukraine 1939–1941 von den sowjetischen Machthabern instrumentalisiert worden, um in der Griechisch-Katholischen Kirche ein Schisma zugunsten der Ablösung von Rom herbeizuführen.10 Durch die Verhaftung und Erschießung seines Sohnes 1941 wurde Druck auf ihn ausgeübt.11 Die weiteren beiden Mitglieder der „Initiativgruppe“ waren der Generalvikar des Bistums Peremyšl Dr. Mychajlo I. Mel’nyk (1903–1955) und der Dekan aus dem Bistum Stanislav Antonij Pel’vec’kyj (1897– 1957). Als Sekretär der Initiativgruppe fungierte Serhij Chruc’kij (1885 oder 1887– 1954), ein orthodoxer Lehrer und ehemaliges Mitglied des Sejm in Polen, der in der einzigen orthodoxen Gemeinde in L’viv tätig war. Die Gruppe war nur von einer sowjetischen Behörde legitimiert worden, nämlich vom Rat für die Russische Orthodoxe Kirche und dessen Bevollmächtigten für die Ukraine in Kiev, P. Chodčenko (1880–1967). Der Rat stellte der Initiativgruppe am 18. Juni 1945 ein Bestätigungsschreiben aus. Darin heißt es, dass die Initiativgruppe zur Vereinigung der Griechisch-Katholischen mit der Orthodoxen Kirche als einziges kirchlich-administratives Organ sanktioniert werde mit dem Recht, die griechisch-katholischen Gemeinden in der Westukraine mit der Russischen Orthodoxen Kirche zu vereinigen. Dabei solle sich die Gruppe mit dem Bevollmächtigten des Rates der Russischen Orthodoxen Kirche am ukrainischen Ministerrat und den lokalen Bevollmächtigten abstimmen. Damit war die Kompetenzverteilung klar: Die Initiativgruppe stand an der „Front“, in direktem Kontakt mit den Priestern, und hatte über jede Veränderung den Behörden, denen sie untergeordnet war, Bericht zu erstatten. Diese allerdings traten nach außen nicht in Erscheinung. Der sowjetische Geheimdienst bestand dezidiert darauf, dass unter den griechisch-katholischen Priestern und Geistlichen keinesfalls auffallen solle, dass sich „in diese Sache die Organe des NKGB“ einmischten.12 Das Vorgehen der Initiativgruppe in der Westukraine war durchaus aufwändig, denn sie begann, vor Ort die griechisch-katholischen Priester einzeln zu besuchen. Im Sommer 1945 war sie besonders rührig. Kostel’nyk reiste mit einem Vertreter des Rats für religiöse Kulte am ukrainischen Ministerrat in die Dekanate und hielt dort mit den Priestern Rücksprache über den „unausweichlichen Bruch der Griechisch-Katholischen Kirche mit dem Vatikan und der Vereinigung mit der Orthodoxen Kirche“. Nach der Erörterung von Fragen mussten die Priester eine Willenserklärung für den Übertritt 10
11 12
Vgl. Bociurkiw, Bohdan R./Havryil, Kostelnyk: Encyclopedia of Ukraine, unter: http://www.encyclopediaofukraine.com/display.asp?linkpath=pages%5CK%5CO%5CKostelnykHavryil.htm (Abruf 15.9.2020). Vedeneev, „Rešitel’nyj vrag Vatikana i unii“, 95. Likvidacija UHKC (1939–1946), tom 2, 563-565, hier 565.
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unterschreiben. Wenn sie sich weigerten, wurden sie dazu gezwungen. Bei verheirateten Diakonen und Priestern war es leichter zu bewerkstelligen, sie zum Übertritt zu bewegen, weil Druck auf ihre Familien ausgeübt wurde. Dass die Aktionen der Initiativgruppe durch den NKVD, also das Innenministerium, unterstützt wurden, versuchte man, nach außen hin zu verbergen. Dies war aber keineswegs leicht, denn Kostel’nyk war mit einem Wagen des NKVD unterwegs. In einigen Rajons flog die Beteiligung des NKVD an der Vereinigung der Kirchen schnell auf. Im Žovkivs’kyj rajon wurde die Registrierung aller griechisch-katholischen Priester vom Exekutivkomitee des Rajons unter Anwesenheit des Rajonleiters des NKGB durchgeführt. Im Kam-jans’ko-Buz’kyj rajon fanden sich wegen einer zu spät erfolgten Einladung nur drei von elf Priestern ein. Widerspenstige Geistliche wurden verhaftet. Von ihnen wurden „aus operativen Überlegungen“ aber zwölf Geistliche wieder freigelassen und in verschiedene Rajons des Gebiets Lemberg entlassen. Durch die Bearbeitung von Geistlichen und die Anwerbung von Agenten unter den Priestern wuchs der „informative Apparat“ allein im Gebiet Lemberg um 121 Personen. Während der Kampagne zur Angliederung der Griechisch-Katholischen Kirche wurden im Gebiet 187 Personen angeworben. Auch die Fahrten Kostel’nyks und des Vertreters des Rates für religiöse Kulte in die Pfarreien und die dortigen Treffen mit den Priestern wurden durch Agenten unterstützt. Die „Agentur-Tätigkeit“ schien auch von Nöten zu sein, da sich bei einigen Treffen Widerstand gegen die Initiativgruppe regte. So sprengten „reaktionäre Geistliche“ im Rajon Rava Rus’ka ein Treffen. Erst nach der Verhaftung des stellvertretenden Dekans und weiterer Priester habe man sich ohne die Initiativgruppe zusammengefunden und das schriftliche Einverständnis für den Übertritt zur Orthodoxie abgegeben. Im Rajon Zoločiv musste ebenfalls erst der Einfluss des Vorstehers des Basilianerklosters gebrochen werden, ehe die dortigen Priester „begannen, ihren Wunsch nach Anschluss an die Initiativgruppe zu äußern“. Insgesamt ist es schwierig, Zahlenangaben über die Übertritte aus der GriechischKatholischen Kirche in die Orthodoxie zu geben, denn die Angaben der sowjetischen Quellen sind nicht zuverlässig, weil die sowjetischen Berichterstatter ihren Vorgesetzten einen möglichst großen Erfolg und hohe Zahlen melden mussten. Gleichzeitig konnten griechisch-katholische Priester auch zunächst ihren Übertritt erklären, diesen dann aber widerrufen, indem sie eine schriftliche Erklärung abgaben, auch wenn dies ihre Verhaftung und Exilierung bedeuten konnte.13 Für das Jahr 1946 kamen von 307 Priestern, die sich zuvor zum Übertritt bereiterklärt hatten, nur 153 zur Erfüllung der Formalien bei Makarij. Von ihnen ließen sich nur 137 tatsächlich registrieren.14 Andere wieder versuchten, auf Zeit zu spielen und sich nicht festlegen zu lassen, oder sie leisteten zwar die Unterschrift, erklärten dabei aber, sie würden dennoch bis zu ihrem Tod
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Eine solche Erklärung etwa abgedruckt in Persecuted for the Truth. Ukrainian Greek-Catholics behind the Iron Curtain, Lemberg 2017, 47. Boeckh, Katrin: „Völlig normal, entsprechend den Prinzipien der Gewissensfreiheit, garantiert durch die Stalin-Verfassung“. Die Verfolgung der Kirchen in Galizien unter Stalin im Vergleich (1944–1953), in: Historische Zeitschrift 278 (2004) 1, 55-100, hier 64f.
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katholisch bleiben.15 Manche Gemeinden drängten ihre Pfarrer auch dazu, sich orthodox registrieren zu lassen, um ihren Geistlichen nicht zu verlieren. Weitere blieben, trotz Unterschrift, nach wie vor für ihr Bekenntnis im Einsatz und erteilten etwa illegal Religionsunterricht für Kinder, auch wenn dies Strafen durch die Behörden nach sich zog und sie öffentlich persönlich diffamiert wurden.16 Als Resultat des Einsatzes der Initiativgruppe erklärte diese jedenfalls, dass sich in Galizien angeblich 871 griechisch-katholische Priester und Diakone für den Übertritt in die Orthodoxie entschlossen hätten17 – eine Überprüfung dieser Zahl ist nicht möglich, angesichts des ausgeübten Drucks bestehen Zweifel daran. Als Taktik bei der Auflösung der Union wird damit klar, dass Kostel’nyk die Arbeit vor Ort verrichten sollte, dabei aber durch das NKVD aktiv unterstützt wurde. Sollte das ganze Unternehmen scheitern – und dies hätte der Fall sein können, wenn der Widerstand zu stark geworden wäre –, hätten sich sowjetische Organe auf die Frontfigur Kostel’nyk zurückziehen und ihm in der Öffentlichkeit die Verantwortung zuschieben können. Auch deshalb standen er und die weiteren Mitglieder der „Initiativgruppe“ permanent unter verdeckter Überwachung durch die Staatsorgane, die jeden seiner Schritte beobachteten und an höhere Stellen Bericht darüber erstatteten.18
3. Die Voraussetzung der Pseudo-Synode: Die Verhaftung der griechisch-katholischen Bischöfe Nach der Weigerung Slipyjs, einem Aufruf des Moskauer Patriarchen Aleksij im Frühjahr 1945 nachzukommen und sich der russischen Orthodoxie anzuschließen, war klar, dass er seine Position nicht freiwillig räumen würde. Am 11. April 1945 umstellte eine Spezialtruppe des NKVD die Sankt-Georgs-Kathedrale in Lemberg und verhaftete ihn, die Bischöfe N. Budka und N. Čarnec’kyj, 20 Priester, zwei Diakone, vier angebliche „Vertreter der OUN“, drei Studenten der Akademie und des Priesterseminars sowie ein Mitglied des „Kirchenaktives“. Druck und Terror auf die übrigen griechisch-katholischen Geistlichen in Freiheit hielten im Verlauf des gesamten Jahres 1945 an. Bis zum November 1945 hatte der NKGB allein im Gebiet Lemberg 104 Kleriker verhaftet, darunter – neben Slipyj und zwei Bischöfen – den Provinzial des Basilianerordens von Galizien, 54 Priester, neun Dekane und deren Stellvertreter, elf Mönche, sechs Klostervorsteher, sechs Theologiestudenten, acht UPA-Kämpfer, drei Laien, zwei Diakone sowie einen „leitenden Sekretär“ eines Klosters. Die Verhafteten wurden vor ein sowjetisches Geheimtribunal gestellt. Die Anklage lautete in den meisten Fällen „konterrevolutionäre Tätigkeit“ und „Vaterlandsverrat“. Ursprünglich hatte der NKVD einen öffentlichen Schauprozess gegen Slipyj geplant, 15 16 17 18
Ebd., 65. Ebd., 65f. Vedeneev, „Rešitel’nyj vrag Vatikana i unii“, 99. Vgl. etwa Likvidacija UHKC (1939–1946), tom 2, 647-650.
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was aber in einen Geheimprozess umgeändert wurde. Der Grund, davon abzusehen, liegt in außerukrainischen Vorgängen: 1945 war in Zagreb, ebenfalls unter Beteiligung sowjetischer Juristen und wegen des Vorwurfes der „Kollaboration“ mit dem NS-Staat, ein Schauprozess gegen den Erzbischof von Zagreb, Alojzije Stepinac, geführt worden. Seine Verurteilung zu langjähriger Haft und Zwangsarbeit hatte heftigen internationalen Protest hervorgerufen – ein Umstand, den man sich bei Slipyj offenbar ersparen wollte, um das Ansehen der Sowjetunion nicht noch mehr zu beschädigen. Die Anklageschrift beschuldigte die Bischöfe der antisowjetischen Untergrundarbeit, der Kollaboration mit den Deutschen und ähnlicher Vergehen, die pauschal behauptet und mit gefälschten Beweisen belegt wurden und die Angeklagten öffentlich desavouieren sollten. Ohne einen rechtmäßigen Prozess wurden sie zu langen Haftstrafen verurteilt. Slipyj, der als „Agent des Vatikan“, als „Helfershelfer der Deutschen und der Bandera-Untergrundkämpfer“ apostrophiert wurde, sowie Weihbischof Budka wurden 1946 zu acht Jahren, Bischof Čarnec’kyj zu fünf Jahren und der achtzigjährige Bischof Chomyšin von Stanislav zu zehn Jahren Zwangsarbeit verurteilt.19 Ihr weiteres Schicksal war hart, denn viele Bischöfe und Priester überlebten die Gefängnis- und Lagerhaft nicht:20 Bischof Chomyšin und Bischof Kocylovs’kyj von Peremyšl’ starben 1945 bzw. 1947 in Kiev, Weihbischof Budka starb 1949 in Karaganda, Weihbischof Lakota von Przemyśl 1950 in Vorkuta, der Apostolische Visitator der Ukrainer in Deutschland, Prälat Verhun, verstarb 1957 in einem Lager in Krasnojarsk. Slipyj wurde 1953 ein zweites Mal, 1957 zum dritten Mal und 1962 ein viertes Mal verurteilt, bis er nach insgesamt 23 Jahren in der Verbannung 1963 in den Vatikan ausreisen durfte. Die Verhaftungen widerständiger Geistlicher hielten an. Bis zur Abhaltung der Pseudo-Synode im März 1946 waren 287 Personen in sowjetischen Gewahrsam genommen worden, darunter fünf Bischöfe, 182 Priester, elf Äbte und 23 Mönche. Gleichzeitig standen für die Überwachung 276 Agenten und 475 Informanten im sowjetischen Dienst.21 Diese berichteten ausführlich über die Stimmung der lokalen Bevölkerung, um die Reaktionen nach den Verhaftungen und über die aufzulösende Union weiterzugeben.
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Die neueste Forschung kommt zu einem wesentlich differenzierteren Ergebnis in der Frage der Haltung von Vertretern der Griechisch-Katholischen Kirche zur NS-Besatzung. Im Fall Šeptyc’kyj etwa weist Andriy Mykhaleyko akribisch nach, welchen Zwängen und Überlegungen der Metropolit in seinem Handeln den Besatzungsbehörden und dem NS-Regime unterworfen war und wo er diese überschritt (etwa bei den von ihm eingeleiteten Rettungsaktionen für jüdische Einwohner und in Hirtenbriefen gegen die Rassenpolitik); vgl. Mykhaleyko, Andryj: Metropolit Andrey Graf Sheptytskyj und das NS-Regime. Zwischen christlichem Ideal und politischer Realität, Paderborn 2020. Prosopographische Hinweise bei: Prach, Bohdan: Duchovenstvo Peremys’koï jeparchiï ta Apostol’s’koï administraciï Lemkivščyny. Tom 1: Biohrafični narysy (1939–1989); tom 2: Dokumenty i materijaly (1939–1950). Lemberg 2015. Vedeneev, „Rešitel’nyj vrag Vatikana i unii“, 99.
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4.
Die Orchestrierung der Pseudo-Synode
Während der Sowjetmacht bei der Verfolgung anderer Kirchen in der Sowjetunion die Entfernung der hierarchischen Spitzen und der „Kultdiener“ (gemeint sind die weiteren kirchlichen Repräsentanten wie Pfarrer, Rabbiner, Gemeindemitglieder in Ämtern wie Chorleiter, Organist, Kantoren, die Hausgehilfinnen von Pfarrern und andere) ausreichte, um ihr öffentliches Auftreten lahmzulegen, ging man bei der Griechisch-Katholischen Kirche in der Westukraine noch einen Schritt weiter. Hier ging es um die völlige Auflösung der Kirche. Propagandistisch sollte dies durch die Kirche selbst erklärt werden, und zwar anlässlich einer inszenierten Synode, die den Charakter der Freiwilligkeit nach außen hin demonstrieren sollte. Hier sollte der Öffentlichkeit erklärt werden, die Griechisch-Katholische Kirche werde sich vom Vatikan trennen und sich der Russischen Orthodoxen Kirche anschließen. Die Organisation im Hintergrund leitete der NKGB-Oberst Vološyn, obwohl nach außen hin „die Einhaltung strengster Geheimhaltung“ über die Teilnahme des Sicherheitsdienstes an der Synode angeordnet wurde.22 Chruščev als Ukrainischer Parteisekretär war zuständig für alle „grundsätzlichen Anfragen, die mit Fragen der Vorbereitung und der Durchführung der Synode in Verbindung“ standen. Nach außen hin war es aber die Initiativgruppe, die als Drahtzieher der Pseudo-Synode auftreten sollte. Einzelheiten wurden auch mit dem Gebietskomitee in Lemberg abgeklärt. Dieses riet Chruščev im Januar 1945, einen Termin in Verbindung mit den Wahlen zum Obersten Sowjet der UdSSR zu nutzen, um die „zur Orthodoxie übergetretenen Priester für die patriotische Arbeit“ heranziehen zu können. Informationen über potentielle Teilnehmer der „Synode“ wurden ebenfalls gesammelt, um sie auf ihre politische Verlässlichkeit hin zu prüfen. Die für eine Synode benötigten Bischöfe ernannte man einfach: Durch die Weihe Mel’nyks und Pel’vec’kyjs zu Bischöfen der Russischen Orthodoxen Kirche im Februar 1946 durch Patriarch Aleksij wurde dem Anspruch einer Synode als Versammlung von Bischöfen Genüge getan. Kostel’nyk war verheiratet, daher war seine Bischofsweihe nicht möglich. Die Initiativgruppe schlug für die die Durchführung der „Synode“ einen symbolhaften Ort vor, nämlich die Sankt-Georgs-Kathedrale in L’viv, die Mutterkirche der Griechisch-Katholischen Kirche von Galizien. Als Zeitpunkt schlug die Gruppe die Tage zwischen 7. und 10. März 1946 vor. Das Lemberger Gebiets-Exekutivkomitee hatte am Inhalt und der Durchführung wenig auszusetzen, verkürzte die Veranstaltung aber um zwei Tage, wohl weil das Lemberger Exekutiv-Komitee für die Unterbringung und die Verköstigung der Teilnehmer und für die gesamte Logistik aufkommen musste. Die Tagesordnung sah unter anderem vor, dass Pel’vec’kyj einen Vortrag über die Tätigkeit der Gruppe, die Liquidierung der Union und ihre Vereinigung mit der Russischen Orthodoxen Kirche halten sollte. Kirchenfragen, die mit der Rückkehr zur Orthodoxie verbunden worden, sollte Kostel’nyk behandeln. 22
So das Faksimile einer Notiz des NKGB mit der Unterschrift Vološyns, abgedruckt in: Zum Licht der Auferstehung durch die Dornen der Katakomben. Untergrundtätigkeit und Legalisierung der Ukrainischen Griechisch-Katholischen Kirche. Lemberg 2013, 17.
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Die Auswahl der Kandidaten für die Synode, ihren Transport nach L’viv und ihre Registrierung beaufsichtigte ein NKGB-Oberst nach Vorlage ihrer Namen, Ämter und Wohnorte. Die Entscheidung fiel auf 255 Teilnehmer. Die Pfarrer wurden in ihren Wohnungen auf den Dörfern und in der Stadt von Mitarbeitern der Staatssicherheitsbehörden abgeholt, ohne dass sie über das Ziel der Fahrt, über die Abhaltung einer Synode und über deren Inhalt informiert wurden. Sie mussten daher befürchten, sie würden inhaftiert. So schildert ein betroffener Priester, Omeljan Ivasyk, in einem Interview später die Umstände der „Vorladung“: „Es war keine richtige Synode, sondern ein völliger Zwang. Am Abend kam ein MGB-Offizier aus Skole in mein Dorf Stynava mit einem Wagen und nahm mich mit. Es war irgendwie der 6. März um 8 Uhr Abends. Meine Frau verabschiedete mich. Sie gab mir Brot und Butter und zog mich gut an. Ich war mir sicher, ich würde in ein Gefängnis oder direkt nach Sibirien gebracht werden. Anstelle dessen aber brachte man mich zum Rayons-Exekutivkomitee. Der Wächter ließ mich auf einem Stuhl im Büro niedersetzen und sagte: ‚Ich habe keinen Platz für Dich, weil sie schon Priester aus anderen Dörfern hergebracht haben. Es sind schon 18, einschließlich Dir.‘ Dann verfrachteten sie uns in ein Auto. Da war ein gewisser Šerstjuk, der örtliche Bevollmächtigte für religiöse Angelegenheiten, der all das in Drohobyč organisierte. Und am zweiten Tag fuhren wir mit ihm in einem offenen Lastwagen, etwa um 9 Uhr. Die Priester wurden wie Schafe auf diesen Lastwagen gepfercht. Und so fuhren wir den ganzen Weg nach Mykolaїv. Hier in Mykolaїv warteten wir auf eine Fähre, die uns über den Dnistr bringen sollte, weil es keine Brücke gab. Ich weiß nicht mehr, ob wir in Mykolaїv einen anderen Priester aufnahmen […]. Wir kamen gegen Abends nach L‘viv, als es schon dunkel wurde. Wir wurden von Rev. Dr. Kostelnyk empfangen, dem Initiator der ganzen Sache. Das war am Sankt-Georgs-Platz. ‚Oh, der Klerus aus Stryj ist angekommen, und auch aus Skole‘, sagte er. Er war sehr glücklich. Wir wurden zu verschiedenen Hotels gebracht. Erst dann aß ich ein Stück Brötchen, das ich von Zuhause mitgenommen hatte. Wir hatten 24 Stunden lang nichts gegessen. Und später wurden wir alle zu einem Hotel gebracht, wo ein Abendessen serviert wurde.“23 Von den 255 ausgewählten Teilnehmern trafen tatsächlich 216 in L‘viv ein. Sie wurden im (noch heute existierenden) Hotel George im Zentrum der Stadt untergebracht. Auch hier standen sie unter permanenter Überwachung durch den NKVD. Erst am Tag darauf erfuhren die Geistlichen, dass sie Teil einer „Synode“ sein sollten, deren kanonische Unrechtmäßigkeit allerdings für sie außer Frage war: „Am nächsten Tag erzählte man uns, dass morgen eine ‚Synode‘ beginnen würde. Rev. Chavljuk sagte: ‚Seid nicht traurig, haltet Eure Köpfe hoch. Das ist keine richtige Synode, weil kein Bischof da ist. Das ist eine Räubersynode, nicht eine kirchliche. Wer ruft sie zusammen? Leute ohne juristische Autorität.‘“24 Der Ablauf des „Synode“ wurde so inszeniert, dass es wie ein rein kirchlicher Akt nach außen wirken sollte. Dass die Leiter der Pseudo-Synode, die Mitglieder der Initiativgruppe, 23 24
Text in: Persecuted for the Truth. Ukrainian Greek-Catholics behind the Iron Curtain, Lemberg 2017, 46. Ebd.
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bereits bei Beginn der Pseudo-Synode der Russischen Orthodoxen Kirche angehörten, war allerdings ein Makel. Der erste Tag, der 8. März 1946, hatte die Absage an die Katholische Kirche zum Inhalt. Er begann mit einem Gottesdienst und einem Vortrag über die Arbeit der Initiativgruppe, dann erklärte Pel’vec’kyj den Anwesenden, warum die Griechisch-Katholische Kirche von Galizien mit der Orthodoxie vereinigt werden solle. Dies sei, so Pel’vec’kyj, nun, nach der Befreiung der ukrainischen Länder und ihrer Angliederung an die Sowjetukraine, ihre Aufgabe. Metropolit Slipyj und die Bischöfe der Griechisch-Katholische Kirche hätten den historischen Moment nicht verstanden, sondern sie hätten versucht, Unordnung in das vereinte ukrainische Volk zu bringen und die Kirche dafür zu benutzen. Darauf folgte ein Vortrag Kostel’nyks, in dem er das Recht des Papstes auf die Leitung der Griechisch-Katholischen Kirche in Abrede stellt. Die Inszenierung sah nun vor, dass sich aus dem Auditorium einzelne Priester zu Wort zu melden hatten, die dann wunschgemäß für den Anschluss an die Orthodoxie plädierten. Einer erklärte, dass, nachdem sich das ukrainische Volk mehrheitlich auf die Regierung der Arbeiter und Bauern stütze und von dieser Regierung seine Einheit und seine Macht erhalten habe, auch die ukrainische Geistlichkeit mit dem Volk gehen müsse. Weitere Diskutanten dankten der Roten Armee und deren Generalissimus, Genossen Stalin, für die Befreiung des ukrainischen Volkes und die Vereinigung aller ukrainischen Länder. Die politische Instrumentalisierung der Kirchen war nicht nur in diesen Formulierungen spürbar, sondern auch an der Art und Weise, wie die Teilnehmer sprachen: Die Delegierten brachten ihre Reden nur mühsam hervor, stolperten über schwierig auszusprechende Formulierungen der damaligen politischen Lexik und sahen von ihren Manuskripten nicht auf. Dies lässt den Schluss zu, dass sie mit Texten kämpften, die sie erst kurz zuvor in die Hand gedrückt bekommen hatten. Der (bereits zitierte) Priester Omeljan Ivasyk gibt die bedrohliche Stimmung und die Bewachung der Anwesenden während der Tage folgendermaßen wieder: „Es war genug für mich, als ich eine der Sitzungen zu besuchte: Sie wurde von einem rotgesichtigen Mann geleitet, unorganisiert, mit einem roten Bart, jemand aus dem Osten, aus Moskau oder irgendwo. Er war ein unangenehmer Mensch. Es gab überhaupt keine Diskussion. Jeder, der anwesend war, wurde von jemandem verfolgt, belauscht, bewacht.“25 Skriptgemäß endete der erste Tag und die Sitzung schloss mit der Deklaration der Trennung vom Vatikan und des Anschlusses an die Orthodoxie. Dem ähnlichen Muster folgte der zweite Tag der „Pseudo-Synode“ am 9. März 1946, an dessen Ende der Aufnahmeantrag an die Orthodoxie stand. Er wurde ebenfalls mit einem Gottesdienst eröffnet, nun in Anwesenheit orthodoxer Würdenträger: des Exarchen, des Metropoliten von Kiev und Galizien, Ioann, und des Bischofs von Lemberg und Ternopil’, Makarij. Danach verlasen Kostel’nyk und Makarij einen Text „Über die Wirrungen der römischen Kirche“. Nach jedem einzelnen Punkt wiederholten die anwesenden Delegierten den Satz „ich widersage“ (otrekajus’) wie im Taufgelöbnis.
25
Persecuted for the Truth. Ukrainian Greek-Catholics behind the Iron Curtain, Lemberg 2017, 46.
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Schließlich verabschiedete die „Synode“ eine Deklaration. Diese hob darauf ab, dass Rom im 11. Jahrhundert die ökumenische Kirche verlassen und seine „Diktatur“ errichtet habe; gemeint war das Jahr des abendländischen Schismas, 1054. Weiter sei 1596 den Ukrainern die Union durch Polen aufgedrängt worden. Die Synode hebe nun aber die Union von Brest auf, beschließe die Lösung von Rom und den Anschluss an die Allrussische Orthodoxe Kirche. Indem man das Wort Christi „dass alle eins seien“ ernst nehme, hielte es die Synode für unumgänglich, den Patriarchen Aleksij und den sowjetischen Ministerrat (!) um die Aufnahme in den Schoß der Orthodoxie zu bitten. Die „Synode“ drückte die Überzeugung aus, dass in der Zeit, als alle wahrheitsliebenden Völker gegen den schlimmsten Feind der Menschheit, den „Faschismus“, gekämpft hätten, der Vatikan auf der Seite des letzteren gestanden sei. Genauerer Begründungen bedurfte es den sowjetischen Machthabern nicht; auf der „Synode“ wurden keine weiteren geäußert. Neben Grußtelegrammen an den Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel, an den Patriarchen von Moskau und Ganz Russland, Aleksij, und an den Exarchen der Ukraine, Ioann, wurden Telegramme an die Regierung der UdSSR und den Generalissimus Josif Stalin und an den ukrainischen Ministerrat und dessen Vorsitzenden Chruščev abgesandt.26 Die Synode endete am 10. März mit einem Gottesdienst, an dem angeblich 3.000 Gläubige teilnahmen. In unmittelbarem Anschluss an die Pseudo-Synode äußerten griechisch-katholische Priester auch kritische Kommentare und brachten als eine Alternative für den Bruch mit Rom die Autokephalie, also die Unabhängigkeit von Rom, aber auch vom Moskauer Patriarchat ins Spiel. Dass außerdem der Metropolit und Exarch der Ukraine, Ioann, nur russisch und kein einziges ukrainisches Wort gesprochen habe, sei, wie einer der Teilnehmer verlauten ließ, ein „richtiger Skandal“. Ein anderer Teilnehmer merkte an, dass Kostel’nyk auf der Synode erklärt habe, eine Russifizierung der Messe und der Predigt finde nicht statt. Die sowjetische Inszenierung des Bruches mit Rom endete nicht mit der PseudoSynode. Während die sowjetischen Tageszeitungen über die Ereignisse in der SanktGeorgs-Kathedrale nicht berichtet hatten – wohl um sie nicht durch ungebetenes Publikum stören zu lassen –, wurden sie aber im Nachhinein medial verbreitet. Um „entsprechende Erklärungen über die geschaffene Tatsache“ – über die Liquidierung der Griechisch-Katholischen Kirche – bekannt zu machen, wies das Gebietskomitee von L‘viv an, eine Versammlung der Bauern und der Intelligenz durchzuführen. Weiter wurde nach einem ZK-Beschluss in Lemberg eine Informationsbroschüre in 40.000 Exemplaren unter dem Titel „Zvernennja do duchovenstva i virnych hreko-katolyc’koï cerkvy v Zapadnochidnych oblastjach Ukraïny“ herausgegeben. Die Broschüre in ukrainischer Sprache, bestehend aus zwei kleinen, eng bedruckten Seiten, enthielt keinerlei Hinweis darauf, dass sie auf staatliche Veranlassung hin publiziert wurde. Vielmehr gab sie sich den Anschein einer rein theologischen Abhandlung: Unterschrieben von Kostel’nyk, Meln’nyk und Pel’vec’kyj unter Anführung ihrer geistlichen Ämter, bot sie inhaltlich eine politische und theologische Rechtfertigung der Synode. Der Tenor 26
Der Wortlaut dieser Telegramme in: Dijannja Soboru Hreko-Katolyc’koï Cerkvy u L’vovi, 8-10 Berezija 1946. Vyd. Presidiї Soboru. L’viv 1946, 133-147.
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war, dass Rom schon immer versucht habe, die ganze Welt zu unterwerfen, und dass das ukrainische Volk in einem großen vereinigten ukrainischen Staat und in einer einzigen Konfession vereinigt leben solle. Die „offizielle“ sowjetische Sichtweise der Pseudo-Synode lieferte eine ebenfalls 1946 gedruckte Abhandlung, verfasst vom Sekretär der verantwortlichen „Initiativgruppe“.27 Auch hier wurde das Narrativ aufrechterhalten, es habe sich um einen freiwilligen, friedlichen und von der Griechisch-Katholischen Kirche selbst veranlassten Schritt gehandelt: Die „Initiativgruppe“ habe 225 Priester und 22 Laien aus den griechisch-katholischen Bistümern L’viv, Drohobyč und Stanislav „eingeladen“. Von ihnen seien 216 Priester und 19 Laien eingetroffen, „von den eingeladenen Gegnern der Vereinigung“ sei aber keiner gekommen.28 Insgesamt hätten sich bis zur „Synode“ 986 Geistliche aus allen vier galizischen Regionen dem Ansinnen der „Initiativgruppe“ angeschlossen, 281 hätten sich verweigert, wie Pel’vec’kyj ausführte.29 In diese nicht objektiv belegbare Zahl waren allerdings alle vor März verhafteten Geistlichen nicht eingeschlossen.30 Auch dass sie sich dem staatlichen Druck beugten, kommt nicht zur Sprache, und dass damit der „Übertritt“ theologisch ungültig ist, schon gleich gar nicht. Auch dass aus den Ordensgemeinschaften, den Basilianern, Studiten, Redemptoristen und aus den Frauenorden erheblicher Widerstand kam, der erst durch die Zwangsschließung der Klöster in Galizien gebrochen werden konnte, bleibt unerwähnt – immerhin zählten die sowjetischen Behörden im März 1947 noch immer 214 Schwestern in 12 Klöstern und 301 Mönche in 12 Männerklöstern.31 Das Framing dieser offiziellen Publikationen behielt Zeit der Sowjetunion seine Gültigkeit und Dominanz. Ihnen widersprechende und kritische Darstellungen über die Pseudo-Synode durften vier Jahrzehnte lang nicht erscheinen. Außerdem setzte nach der Pseudo-Synode die „Initiativgruppe“ ihre Arbeit fort. Im Mai 1946 meldete die Initiativgruppe die Beendigung ihrer Aufgabe im Gebiet Drohobyč. Die Bilanz, die dem Bevollmächtigten des Rates für religiöse Kulte gemeldet wurde, zeugte jedenfalls nicht von einem hundertprozentigen Erfolg. 27 Priester des Gebiets hatten sich dem Anschluss verweigert – das war die offizielle Version, die in den sowjetischen Akten steht. Von einem geschlossenen Übertritt der griechischkatholischen Priester zur Orthodoxie konnte aber weder in Drohobyč noch in der gesamten Westukraine die Rede sein. Beleg dafür waren die vielen Verhaftungen und Deportationen von griechisch-katholischen Priestern und ihren Familien in den Jahren nach der Pseudo-Synode. Dazu kam, dass noch Jahrzehnte danach der Bevollmächtigte für religiöse Angelegenheiten des Gebiets Lemberg immer wieder Listen mit Personen zusammenstellte, die den Übertritt zur Russischen Orthodoxen Kirche verweigerten. 1950 erfolgte ein letzter Schlag gegen die Ordensangehörigen: Die noch in Galizien bestehenden Klöster wurden gewaltsam aufgelöst und die hier noch lebenden Nonnen und Mönche verhaftet
27 28 29 30 31
Dijannja Soboru Hreko-Katolyc’koï Cerkvy u L’vovi. Ebd., 53. Die Anwesenden werden namentlich und mit ihrem Herkunftsrajon aufgeführt. Ebd., 61. Bociurkiw, The Ukrainian Greek Catholic Church, 189. Ebd., 194.
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oder vertrieben.32 Allerdings ergab die Überwachung der Bevölkerung noch Jahrzehnte später, dass in der Westukraine noch immer griechisch-katholische Priester und Gläubige wirkten, auch wenn die Griechisch-Katholische Kirche in der Öffentlichkeit nicht mehr auftreten durfte. Die Folge war jedoch der Aufbau einer Katakombenkirche – der größten in der sowjetischen Zeit.
5.
Charakterisierung der Pseudo-Liquidierung der Union und die Folgen
Als Prinzip des Handelns, um die Griechisch-Katholische Kirche zu „liquidieren“, wendeten die sowjetischen Behörden von Anfang an eine flexible Vorgehensweise an, die bei einer konstanten Kontrolle der eingeleiteten Schritte öffentliche Aktionen und interne Weisungen miteinander verknüpfte. Als Verantwortliche wurden demonstrativ die lokalen Kräfte der „Initiativgruppe“ aus ehemals griechisch-katholischen Geistlichen – vorgeschickt, die darüber hinwegtäuschen sollten, dass der Drahtzieher im Hintergrund die sowjetische Regierung war. Deren Beteiligung nach außen hin sollte nicht bekannt werden. Die Verwaltung des Gebiets L’viv war das letzte Glied der Befehlskette. Sie hatte logistische Hilfe zu leisten und die Kosten zu tragen. Ein faktisches Verbot der Union wurde nicht ausgesprochen; die Behörden konnten somit auch nicht wegen einer offenen anti-kirchlichen Politik kritisiert werden. Das staatliche Vorgehen wurde daher hier wie bei anderen gewaltsamen Umwälzungen verschleiert. Dass die Orthodoxe Kirche instrumentalisiert wurde, um die Griechisch-Katholische Kirche zu zerstören, hatte zwar zur Folge, dass sie eine große Zahl an Kirchengebäuden in der Westukraine übernahm (allein im Verlauf des Jahres 1946 hatte sich die Zahl von 21 zu Beginn des Jahres in den Gebieten Lemberg, Stanislav und Drohobyč auf 1.474 Gebäude erhöht33), allerdings gehört dieser Prozess letzten Endes auch zu den tragischen Erscheinungen der sowjetischen Zeit. Der Übertritt zur Orthodoxie sollte nach außen hin als ein kanonisch einwandfreier, sogar vom Volk gewünschter Akt erscheinen. Der Öffentlichkeit sollte durch die inszenierte Pseudo-Synode vorgeführt werden, wie viele Geistliche sich gegen die Union von Galizien gewandt hätten. Waren die Geistlichen nicht bereit zu einem Übertritt zur Orthodoxie, wurde Zwang und Terror angewandt. Parallel wurde eine Anklage- und Verhaftungswelle gegen sie durchgeführt unter der Begründung, sie würden antisowjetische Agitation betreiben und hätten sich während des Krieges der Kollaboration schuldig gemacht. Dieser Vorwurf wurde nicht individuell überprüft, sondern kollektiv für alle angenommen. Terror als Überzeugungsmittel konnte bei verheirateten griechisch-katholischen Priestern relativ einfach angewendet werden, die sie durch die Rücksicht auf Familie und Kinder leicht auf Linie zu bringen waren, anders als Mönche und Nonnen sowie der höhere Klerus. Ihre ungleich höhere Gegenwehr gegen die Zwangsvereinigung 32 33
Boeckh, „Völlig normal, entsprechend den Prinzipien der Gewissensfreiheit, garantiert durch die Stalin-Verfassung“, 70f. Hier auch ausführlicher zum Widerstand der Ordensgemeinschaften. Boeckh, Stalinismus in der Ukraine, 557.
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wurde ebenfalls physisch unterbunden. Viele Ordensgeistliche wurden verhaftet, in die Verbannung geschickt und umgebracht. Schließlich machte der staatliche Terror auch vor den Erfüllungsgehilfen der Zwangsvereinigung nicht Halt, denn nachdem sie ihre Aufgabe erfüllt hatten, kamen alle Mitglieder der Initiativgruppe unter ungeklärten Umständen ums Leben: Zuerst wurde Kostel’nyk am 21. September 1948 auf offener Straße erschossen, 1955 Mel’nyk offenbar vergiftet, 1957 erlitt Pel’vec’kyj einen überraschenden Herzinfarkt. Chruc’kyj starb 1954 in Haft.34 Die Todesfälle werden dem NKVD zugeschrieben, während die sowjetische Regierung ihrerseits den Vatikan dafür verantwortlich machte. Obwohl die Pseudo-Synode keine kirchenrechtlich legitime Veranstaltung gewesen war und ihre „Beschlüsse“ kanonisch nicht haltbar waren, hatte sie erhebliche Auswirkungen auf das Leben und den Alltag aller Gläubigen und Priester. Offiziell hatte sie aufgehört zu existieren, seelsorgerische und kirchliche Tätigkeit war für ihre Angehörigen illegal, strafbar und wurde durch die Verfolgungsbehörden kontrolliert und gnadenlos bestraft. Priester wie Gläubige wurden in großer Zahl in sowjetische Lager deportiert. Eine sowjetische Quelle des Jahres 1956 gibt an, dass 344 griechischkatholische Priester – Bischöfe und Gemeindepriester – langjährige Haftstrafen in Verbindung mit der Übertrittskampagne in Galizien und der Karpaten-Ukraine zwischen 1945 und 1950 erhielten,35 die sie unter Aberkennung ihrer bürgerlichen Rechte in Gefängnissen und Lagern zubrachten. Von diesen Strafmaßnahmen waren auch die Familien der Priester betroffen, die mit ihnen zusammen in Sippenhaft genommen wurden. Die Überlebenden kehrten anlässlich des „Tauwetters“ unter Chruščev 1955/56 in die Westukraine zurück, wo sie die Untergrund-Kirche unterstützten und, wie in sowjetischen Berichten zu lesen ist, eine „neu-unierte Bewegung“ gründeten.36 Jene griechisch-katholischen Geistlichen, die sich der Orthodoxie angeschlossen hatten, werden in einer westlichen Darstellung vorsichtig auf etwa 30% geschätzt.37 Es ist aber davon auszugehen, dass dies für viele nur ein formeller Akt war und ein gewisser Anteil von ihnen innerlich bei ihrer griechisch-katholischen Überzeugung blieb; unabhängig von der kanonischen Irrelevanz des erzwungenen „Übertritts“. Die Gläubigen in Galizien, die sich weiter mit der Griechisch-Katholischen Kirche identifizierten, reagierten in zweifacher Hinsicht. Einerseits bestand kaum die Möglichkeit, sich dem staatlichen Zwang zu widersetzen, so dass sie diesem nach außen hin nachgaben. Auf lange Sicht hin nahm damit das ganze kirchliche Leben in der Öffentlichkeit sein Ende, die Griechisch-Katholischen Kirchen wurden alle der Orthodoxie übergeben. Schließlich befanden sich bis zum Ende der achtziger Jahre mehr orthodoxe Gemeinden in der Ukraine als in Russland. Allerdings wichen viele griechisch-katholische Gläubige in den passiven Widerstand aus, der staatliche Druck konnte nicht 34 35 36 37
Lipowezkyj, Swjatoslaw: Wie man die Union „liquidierte“, unter: https://ukraine-nachrichten.de/wie-man-union-liquidierte_4408 (Abruf am 21.9.2020). Bociurkiw, The Ukrainian Greek Catholic Church, 236. Ebd., 248; Vojnalovyč, Viktor A.: Partijno-deržavna polityka ščodo relihiї ta relihijnych instytucij v Ukraїni 1940–1960-ch rokiv. Politolohičnyj dyskurs, Kiew 2005, 480. Komp, Hans-Dieter: Die kommunistische Religionspolitik gegenüber der unierten griechisch-katholischen Kirche in der Ukraine seit 1944, München 1979, 24.
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verhindern, dass sie in den Untergrund gingen. Vielleicht war es sogar die Anwendung äußerster Gewalt, mit der die Griechisch-Katholische Kirche regelrecht zerstört werden sollte, die ihre Angehörigen ebenfalls zu äußerst entschlossenem Handeln veranlasste. Viele machten so ihre Religionsausübung zur Geheimsache. Dies bedeutete, dass man über religiöse Themen selbst unter Freunden nicht mehr diskutierte, dass Messen, Taufen und Eheschließungen nur mehr im Geheimen stattfanden, und dass die Verbindungen von Gläubigen untereinander auf größtem Vertrauen fußten. Eine Alternative bestand in der Konversion oder im formalen Anschluss an andere kirchliche Gemeinschaften. Für griechisch-katholische Gläubige war naheliegend, den römisch-katholischen Gottesdienst zu besuchen, aber auch kleinere Kirchen wie die Evangeliumschristen-Baptisten in der Westukraine verzeichneten steigende Mitgliederzahlen. Die Pseudo-Synode von Lemberg machte Schule. Auch die anderen mit Rom verbundenen Griechisch-Katholischen Kirchen im sowjetischen Orbit wurden staatlich für „aufgelöst“ erklärt. Der Bischof der Griechisch-Katholischen Kirche der Karpaten-Ukraine, Teodor Romža (geb. 1911), wurde 1947 nach einem fingierten Unfall vom NKVD ermordet. Die hier auf das Jahr 1646 zurückgehende Union wurde 1949 für beendet und die Vereinigung mit der Orthodoxie erklärt. Das griechisch-katholische Bistum Prešov in der Slowakei erlebte dies 1950. Auch wenn, wie der ukrainische Bevollmächtigte für die religiösen Kulte 1949 behauptete, die Griechisch-Katholische Kirche in der gesamten Ukraine ihre Existenz beendet habe, musste er zugestehen, dass dies nicht galt für „einige griechisch-katholische Männer- und Frauen-Klöster“.38 Auch misslang das Unternehmen, die orthodoxe Kirche in der Westukraine tief zu verankern. Viele Gläubige blieben innerlich, auch wenn sie nun formal in Gemeinden der Russischen Orthodoxen Kirche aufgingen, der Griechisch-Katholischen Kirche verbunden. Somit entstand im Laufe der Zeit durch die lokalen Wechselwirkungen der Kirchen innerhalb der Orthodoxie in der Westukraine sogar eine „spezifisch ukrainische Variante der Orthodoxie und das auf einem Gebiet, das sich bei weitem nicht auf die ‚wiedervereinigten‘ Eparchien beschränkte“.39 Auch auf diesem Weg blieben griechisch-katholische Traditionen lebendig. Letzten Endes unterlagen die Kirchen in der Ukraine im Machtkampf gegen den Staat nur vordergründig, denn auf lange Sicht hin fanden sie einen Weg, mit der auch nach Stalin nicht endenden Verfolgung umzugehen. Die regelmäßigen Rechenschaftsberichte des Rats für die religiösen Kulte über die Tätigkeit der Griechisch-Katholischen Kirche in der Westukraine waren über Jahrzehnte hinweg voll mit Angaben über das Wirken von deren Geistlichen und Gläubigen. Für das Jahr 1956 etwa zählte man in den westlichen Gebieten der Ukraine und der Karpatenukraine insgesamt 426 Geistliche40 – das waren allein jene, die den Behörden bekannt waren; es dürften mehr gewesen sein. Im Untergrund spielten sie nicht nur durch ihr theologisches Wirken eine Rolle, sondern auch deshalb, weil sie oppositionellen politischen Kräften einen Entfaltungsraum 38 39
40
Serhijčuk, Neskorena Cerkva, 225. Šlichta, Natalja: ‚Verschieden‘und ‚Identisch‘. Orthodoxe und griechisch-katholische Gläubige in der Ukrainischen Sowjetrepublik nach dem Zweiten Weltkrieg, in: Katrin Boeckh, Oleh Turij (Hg.), Religiöse Pluralität als Faktor des Politischen in der Ukraine, München 2015, 169-187, hier 185. Vojnalovyč, Partijno-deržavna polityka ščodo relihiї ta relihijnych instytucij v Ukraїni, 447.
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boten. Auch für Störungen der öffentlichen Ordnung sorgten griechisch-katholische Gläubige immer wieder, etwa durch Eingriffe in orthodoxe Gottesdienste in ehemals Griechisch-Katholischen Kirchen. Häufig waren es Frauen, die die anwesenden Gemeindemitglieder zur Rückkehr in die Griechisch-Katholische Kirche aufforderten.41 Dass die Griechisch-Katholische Kirche trotz der Verfolgungen nicht verschwand, zeigte sich, nachdem sie Ende der achtziger Jahre wieder einen legalen Status erlangte und im Zuge der Politik der Perestrojka ihre geheime Existenz aufgab, nachdem Michail Gorbačev eine Audienz bei Papst Johannes Paul II. besucht hatte. Dass nun das religiöse Leben erneut und mit großer Energie einsetzte, war ein deutliches und öffentlich sichtbares Zeichen dafür, dass das Ende der atheistischen sowjetischen Herrschaft eingeläutet war. Damit hat das Schicksal der Griechisch-Katholischen Kirche die Ukraine und wohl darüber hinaus die ganze Sowjetunion ein weiteres Mal verändert.
41
Eine Reihe solcher Vorfälle wurde etwa im November und Dezember 1967 auf Dörfern im Gebiet Ivano-Frankivs’k gemeldet; vgl. Serhijčuk, Neskorena Cerkva, 414-416.
Oleh Turij / Svitlana Hurkina
HIERARCHIE UND GEISTLICHKEIT DER UKRAINISCHEN GRIECHISCH-KATHOLISCHEN KIRCHE IM UNTERGRUND
Ende der 1940-er bis Anfang der 1950-er Jahre war zweifelsohne die schwierigste Zeit für die Ukrainische Griechisch-Katholische Kirche (UGKK). Die gesamte Hierarchie und der größte Teil des Klerus wurden verhaftet und zu unterschiedlichen (die Meisten zwischen zehn und 25 Jahren) Haftzeiten in den stalinistischen KZ verurteilt.1 Ungeachtet dessen wussten die in den Untergrund gegangenen Priester, „wie sie sich in den Zeiten der Repressalien […] des Massenmordes, der Kirchenzerstörung verhalten sollen. Soweit sie es konnten, gaben die Bischöfe ihre Vollmacht weiter. Außerdem hinterließ Erzbischof und Metropolit Josyf Slipyj eine schriftliche Anweisung. Die Vollmacht ging an alle, die jetzt weder diözesan noch an eine Pfarrei gebunden waren. Es gilt für die ganze Sowjetunion. So haben wir besten Wissens verwaltet und uns dabei in die Missionarstätigkeit versetzt gefühlt ohne eine bestimmte kirchenamtliche Zuordnung“.2 Selbst in der Verbannung versuchten die Bischöfe, sowohl die Gläubigen als auch die Priester allerorts zu unterstützen und aufzumuntern. Unvorstellbare Arbeit leistete dabei Metropolit Slipyj. „Im Lager kam er unvorhergesehen auf neue Handlungsmöglichkeiten. Selbst kanonische Prinzipien waren unvorhersehbar, viele Entscheidungen 1
2
Für eine detaillierte Darstellung der Verfolgung der ukrainischen Ostkatholiken durch das stalinistische Regime siehe: БОЦЮРКІВ, Богдан:Українська Греко-Католицька Церква і Радянська держава (1939–1950) [Die ukrainische griechisch-katholische Kirche und der Sowjetstaat (1939–1950)], Lviv 2005 (Originalausgabe; BOCIURKIW: Bohdan R.: The Ukrainian Greek Catholic Church and the Soviet State (1939–1950), Edmonton–Toronto 1996. Zur Überlebenszeit im Untergrund vgl. auch den Übersichtsartikel: БОЦЮРКІВ, Богда: Українська Греко-Католицька Церква в катакомбах (1946–1989) [Ukrainische griechisch-katholische Kirche in den Katakomben (1946–1989)], in: Ярослав Грицак, Борис Ґудзяк (Hg.), Львів, Ковчег. Збірник статей з церковної історії [Arche. Sammlung von Artikeln zur Kirchengeschichte], Lemberg 1993. Zu den Veröffentlichungen in deutscher Sprache zählen die illustrierten Alben des Instituts für Kirchengeschichte der Ukrainischen Katholischen Universität: Zum Licht der Auferstehung durch die Dorne der Katakomben. Untergrundtätigkeit und Legalisierung der Ukrainischen Griechisch-Katholischen Kirche, Lviv 2013; Verfolgt für die Wahrheit: Ukrainische griechisch-katholische Gläubige hinter dem Eisernen Vorhang. Lviv 2020. Interview mit Bischof Sofron Dmyterko OSBM, 26.11.1993, Ivano-Frankivsk, in: Архів Інституту історії Церкви [Archiv des Instituts für Kirchengeschichte der Ukrainischen Katholischen Universität (im folgenden – АІІЦ)], ф. 1, спр. 419, 3-4.
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sollten vor Ort getroffen werden. Ethische Normen erfuhren auch etliche Veränderungen, abhängig von den Umständen, in denen die Kirche schwebte, ob Seelsorger, Priester oder Bischof“.3 Eine wichtige Bedeutung für die Aufrechterhaltung des geistigen Lebens und Glaubens spielten Briefe, Botschaften, Ansprachen des Kirchenoberhauptes aus dem Lager und der Verbannung. So rief er in seinem Weihnachtsschreiben von 1947 die UGKKGläubigen dazu auf, ihren Glauben zu bewahren und zu praktizieren; sie sollten keine Angst haben vor „Verfolgungen, Arbeiten, Opfern und Leiden, denn das alles gilt dem Volk dem unseren, dem Christi, dem Gottesvater dem unseren“.4 Neben der Unterstützung fanden die Gläubigen in den Hirtenbriefen von Josyf Slipyj viele nützliche Ratschläge. So vermissten beispielsweise die griechisch-katholischen Gläubigen aus Zhydachiv in der ersten Hälfte der 1950-er Jahre ihren Priester und fragten in ihren Briefen den Metropoliten, was sie tun sollten. Sein Ratschlag lautete, sich bei jemandem zu Hause zu versammeln und den Gottesdienst eigenständig zu feiern. Außerdem erlaubte er, die Allerheiligsten Reliquien bei den Menschen, die besonders religiös waren, zu Hause aufzubewahren.5 Den Metropoliten beschäftigte das Schicksal der Kirche nachhaltig und kontinuierlich, er konnte die Kirchenmisere schwer bewältigen. 1954 rief er die in Freiheit lebenden oder bald zu entlassenden Priester dazu auf, „mutig und zugleich sehr achtsam zu sein, um mit eigener Unvorsichtigkeit und Unbesonnenheit keine neuen Verfolgungen herbeizuführen, die eigene Lage nicht zu erschweren und keine zusätzliche Hindernisse aufzubauen“. Er riet ihnen, so klug und weitblickend zu sein wie die Weisen Könige, die einen anderen Rückweg wählten und auf diese Weise das heilige Kind vor dem unvermeidlichen Tod bewahrten, sowie besonnen zu sein wie Maria und Joseph, die in der Stunde der höchsten Gefahr nach Ägypten zogen und so den kleinen Jesus retteten. Zugleich trauerte er aber um diejenigen, die ihrem Glauben abgeschworen hatten und zur vom sowjetischen Regime kontrollierten und instrumentalisierten Orthodoxie konvertierten. Er betete darum, dass sie in den Schoß ihrer Kirche zurückkehren mögen.6 Der Metropolit Josyf war die Quelle, aus der die Durstigen sowohl ihren Glauben als auch ihre Standhaftigkeit, und nicht zuletzt ihre Bereitschaft verfolgt zu werden und zu kämpfen schöpften. In seiner Person fanden die Menschen unüberschätzbare Unterstützung. Der Bischof Pavlo Vasylyk erinnert sich: „Auf uns hat er einen tiefen Eindruck gemacht. Wir waren da fünfzig […] Es war, als ob der Mensch nie im Gefängnis saß. Seine ungebrochene, mutige Haltung war für uns eine angenehme Überraschung. 3 4
5 6
Interview mit Bischof Pavlo Vasylyk, 18-22.02. 1994, Kolomyia–Lviv, in: АІІЦ, ф. 1, спр. / 4, 31-31а. Мартирологія Українських Церков: у 4-х томах [Martyrologie der ukrainischen Kirchen, Band 1-4]. Українська Католицька Церква. Документи, матеріяли, християнський самвидав України [Ukrainische katholische Kirche. Dokumente, Materialien, christlicher Samizdat der Ukraine] hg. v. Осип ЗІНКЕВИЧ, священик Тарас Р. ЛОНЧИНА, Toronto–Baltimore 1985, hier Bd. 2, 470. Interview mit P. Yosafat Kavatsiv, 6-12. 02. 1993, Stryj, in: АІІЦ, ф. 1, спр. 27/39, 16. Мартирологія, Ukrainische katholische Kirche. Dokumente, Materialien, christlicher Samizdat der Ukraine (wie Anm. 4), 396.
Die Ukrainisch Griechisch-Katholische Kirche im Untergrund (1953 – ca. 1960)
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Man spürte eine physische und geistige Kraft. Alles war in ihm an eigener Stelle: ob Kirchenangelegenheiten, dogmatische, ethische Überlegungen, Einführung in die Heilige Schrift bzw. die Heilige Schrift selber, ob Sachen aus Tradition und Sittenwelt, von all dem war dieser Mensch mit seinem ganzen Wesen völlig durchdrungen“.7 Außerdem hielt er vor Interessenten akademische Vorlesungen, machte mit Priestern Exerzitien und Konferenzen zu unterschiedlichen Themen: Kirche, Seelsorge, Theologie. So war es tagtäglich nach der Arbeit. Von seiner Lehre profitierten nicht nur die ukrainischen griechisch-katholischen Priester, sondern auch Geistliche anderer Nationen, beispielsweise die Litauer. Aus diesen Lagerakademien brachten die Priester neue Lehrsätze des Metropoliten Josyf in die Freiheit; sie wurden so auf ihre priesterlichen Aufgaben im Untergrund vorbereitet. Zu Beginn seiner Verbannung in den Lagern von Mariinsk und Orlovo-Rosovoje im Gebiet Kemerovo war Bischof Mykolaj Charnetskyj zusammen mit dem Metropoliten Slipyj. Er wurde da „Vater“ genannt und sehr geliebt. Er war immer in Bewegung. „Der Bischof war so ein wertvoller Mensch, ohne ihn war es schwer durchzuhalten. Er kannte jeden bei seinem Namen und schätzte jeden. Nicht verwunderlich, daß Bischof Charnetskyj stets von Unglücklichen umgeben war, weil nur er Worte des Trostes und der Aufmunterung sagen konnte“.8
1.
Entstalinisierung
Nach Stalins Tod 1953 wurde das grausame Repressalienregime wesentlich milder, Gerichtsurteile wurden revidiert, die Regierung unterzeichnete Straferlasse. Viele Häftlinge, darunter auch Bischöfe, Priester, Mönche und Nonnen, konnten 1954–1956 nach Hause zurückkehren. Von drei legalen Bischöfen, die vor 1944 zur offenen UGKK-Hierarchie gehört hatten, schwere Verbannungsjahre überlebten und nach Galizien zurückkehren konnten, sind lediglich Ivan Liatyshevskyj (kam 1955 nach Stanislaviv) und Mykolaj Charnetskyj (kam 1956 nach Lviv) zu nennen. Der Metropolit Josyf wurde 1953 erneut zu unbefristeter Verbannung verurteilt, 1957 wurde er zu weiteren acht Verbannungsjahren verurteilt. Grund war die Veröffentlichung der „Geschichte der Katholischen Kirche in der Ukraine“.9 Zu dieser Zeit war er noch „zu jung“ (1956 war Metropolit Slipyj 64 Jahre alt, Bischof Charnetskyj – 72, Bischof Liatyshevskyj – 76), kerngesund, genoss ein großes Ansehen bei der griechisch-katholischen Bevölkerung der Westukraine und stellte somit selbst für den liberalen Nikita Chruschtschew eine Gefahr dar. In Transkarpatien kehrten 1956 auch der Untergrundbischof Alexander Khira und der
7 8 9
Interview mit Bischof Pavlo Vasylyk (wie Anm. 3), 31-31a. Мартирологія, Ukrainische katholische Kirche. Dokumente, Materialien, christlicher Samizdat der Ukraine (wie Anm. 4), 439-441. МИШАНИЧ, Олекса: Митрополит Йосиф Сліпий перед ‚судом‘ КГБ (за архівними джерелами) [Metropolit Joseph Slipyj vor dem „Gericht“ des KGB (laut Archivquellen)], Kiew 1992 (Бібліотека українця 3-5 [Ukrainische Bibliothek 3-5]), 74-86.
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Administrator der Diözese Mukacheve-Uzhhorod Mykolaj Muranij zurück.10 Die Sowjetverwaltung verbat den Geistlichen, die die Konversion nicht unterzeichnet hatten, ihre bischöfliche oder priesterliche Tätigkeit auszuüben, Gottesdienste abzuhalten. Trotz all dieser Verbote funktionierte die Griechisch-Katholische Kirche weiter. Nach seiner Rückkehr nach Lviv beschäftigte sich Bischof Charnetskyj ohne Verzug mit den Kirchenproblemen und knüpfte illegale Kontakte zu Priestern und Gläubigen. Die Verbindung wurde hauptsächlich durch die Barmherzigen Schwestern vom heiligen Vinzenz von Paul, die sogenannten „Belgierinnen“, hergestellt.11 Obwohl viele Priester und Ordensleute aus der Verbannung zurückkehren konnten, gab es zu wenige griechisch-katholische Seelsorger. Dieses Problem konnte man in erster Linie durch Ausbildung und Weihe neuer Priester lösen. Im Dorf Zymna Voda kauften die Redemptoristen ein Haus, in dem ab der zweiten Hälfte der 1950-er Jahre ein illegales theologisches Seminar eingerichtet wurde, das in der Auswahl der Kandidaten eigene Spezifika aufwies. Dort wurden ehemalige Seminaristen, Mönche, die aus der Verbannung zurückkamen, aufgenommen. Bischof Charnetskyj hielt Vorlesungen in Liturgie und Moraltheologie. Es gibt noch keine genauen Hinweise darauf, wie viele Personen er innerhalb von knapp drei Jahren zu Priestern weihte. Einige vertreten die Meinung, dass es nicht so viele waren, die Einschätzungen der anderen belaufen sich auf 50. Fest steht es nur, dass unter den Geweihten bedeutende Seelsorger waren, so zum Beispiel der spätere Bischof Vasylyk, die Priester Voronovskyj, Chuchman, Vynnytskyj. Man konnte die Priesterfrage auch auf eine andere Weise lösen. Nach Stalins Tod versuchten viele griechisch-katholische Priester, die unter dem KGB-Druck oder unter anderen Umständen zur Orthodoxie konvertiert waren, zur UGKK zurückzukehren. Sie baten Bischöfe um Absolution und Rückkonversion. Das war allzu riskant. Bischof Charnetskyj traf 1956 eine wichtige Entscheidung in dieser Frage. Die zur Orthodoxie konvertierten Priester kehrten illegal nach der auferlegten Epithemie in die UGKK zurück.12 Außerdem erlaubte man ihnen, den griechisch-katholischen Gläubigen weiterhin in den offiziell als orthodox eingestuften Kirchen zu dienen. Das war einer der Kompromisse, die die Bischöfe eingehen mussten, um die Geistlichen zu unterstützen. Wie fand die Rückkonversion statt? In den meisten Fällen erteilte der Bischof den höheren Priestern, die er gut kannte und zu denen er Vertrauen hegte, das Recht, Bischofsabsolutionen abzuhalten. So erhielt 1956 P. Oleksiy Sharanevych Vollmacht vom Bischof Charnetskyj, die orthodoxen Priester loszusprechen.13 P. Shepitko, der Basilianerabt, und P. Metelia empfingen auf dem Lande die Priester, die rückkonvertieren wollten.14 Dank der Bemühungen von P. Volodymyr Hrytsaj konnte P. Theofil Bemko in die UGKK neu aufgenommen werden.15 Einige Beispiele: P. Mykola 10 11 12 13 14 15
БОЦЮРКІВ, Ukrainische griechisch-katholische Kirche in den Katakomben (1946–1989) (wie Anm. 1), 130-131. Interview mit Bischof Fylymon Kurchaba CSSR, 2-3.06.1993, Lviv, in: АІІЦ, ф. 1, спр. 142, 27. БОЦЮРКІВ, Ukrainische griechisch-katholische Kirche in den Katakomben (1946–1989) (wie Anm. 1), 130. Interview mit P. Bohdan Nud, 23.04.1993, Zahirichko, Kreis Zhydachiv, Gebit Lviv, in: АІІЦ, ф. 1, спр. 333, 36-37. Interview mit Bischof Fylymon Kurchaba (wie Anm.11), 42-43. Interview mit Andriy Hrytsaj, 28.03.1993, Lviv, in: АІІЦ, ф. 1, спр. 128, 8-9.
Die Ukrainisch Griechisch-Katholische Kirche im Untergrund (1953 – ca. 1960)
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Markevych traf sich nach seiner Rückkehr aus Verbannung 1957 mit dem Obervikar Zafijovskyj zur Klärung der Frage, „wie er seinen alten Onkel, den Priester Mykola Kulytskyj, einen außerordentlich guten Sänger und Dirigenten, einen Prediger, der gezwungen worden war, die Konversion zur Orthodoxie zu unterzeichenen, zurückbekehren sollte […] Er blieb aber in Poltava zurück. Jener P. Zafijovskyj […] ließ sich vom Bischof Charnetskyj beraten und erteilte mir das Recht, ihm zur Rückkehr in die Katholische Kirche zu helfen […] Er erhielt die Absolution. Er war sehr zufrieden, und hielt Gottesdienste noch weitere zehn Jahre zu Hause“.16 Es gibt einen interessanten Bericht über die Absolution von P. Isydor Butkovskyj, der zuerst zur Orthodoxie konvertierte, sehr schnell aber, da die Familie ihn boykottierte, an die ROK-Hierarchen den Antrag für seine eigene Abberufung stellte. Dieser Antrag kostete ihm seine Freiheit. Er wurde nach Sibirien verbannt. Nach seiner Rückkehr traf er sich mit Bischof Liatyshevskyj, der ihm erklärte, wie die Rückkonversion zustande kommen sollte: „Ist jemand orthodox, will aber katholisch werden, so soll er zum katholischen Bischof kommen und erklären, dass er katholischer Priester sein wolle. Sie bräuchten keine Abberufung vom orthodoxen Bischof; es genüge, wenn sie dem katholischen den Wunsch äußerten: „Nimm mich zurück“. Man sagte stattdessen, ich will nicht mehr weiter bei dir, und verlor die Pfarrei, die andernfalls erhalten geblieben wäre. Wozu sollte man sie unnötigerweise rasend machen? Wozu? […] Wir wissen Beispiele aus der Unionsgeschichte, manche Bischöfe, die die Union eingegangen waren, konvertierten, gerieten sie unter den politischen Druck, zur Orthodoxie und ähnliches […]“.17 Die russisch verfassten Priesteranträge waren meistens folgenden Inhalts: „Ich, Baran Vasyl Oleksijovych, Priester im Dorf Rozhadiv, Bezirk Zboriv, Gebiet Ternopil, erkläre und bekräftige mit meiner eigenen Unterschrift, dass ich ihnen ihren Ausweis Nr. 1421 von 14.10.1946, der mich berechtigte, Gottesdienste im Rahmen des Moskauer Patriarchats zu halten, zurückgebe, damit die Bindung an die orthodoxe Kirche breche und folgend der griechisch-katholischen Kirche treu bleibe, sowohl dogmatisch, als auch kanonisch. Ich bitte, diesen meinen Antrag zur Kenntnis zu nehmen“.18 Hauptsächlich leisteten die abberufenen Priester nach der Absolution illegale Arbeit, ohne das Recht genutzt zu haben, zumindest formell in der ROK zu bleiben. Es gab aber Fälle, in denen Pfarrer ihre Pfarreien nicht lassen wollten. Vermutlich gingen die strengen Konspirationsvorschriften, vor allem unter den Priestern, die zugleich Mönche waren, von Bischof Charnetskyj aus.19 Bischof Liatyshevskyj geriet unmittelbar nach seiner Rückkehr nach Stanislaviv (1962 umbenannt in Ivano-Frankivsk) unter aktive KGB-Überwachung: „Gegenüber seinem Haus stellte man eine Bude auf, gleich einer Schusterwerkstatt, damit man 16 17 18 19
Interview mit P. Mykola Markevych, 17-19.03.1993, Мykolaiv, Gebiet Lviv, in: АІІЦ, ф. 1, спр. 337, 56. Interview mit P. Izydor Butkovskyj, 28.01.1994, Lviv, in: АІІЦ, ф. 1, спр. 294, 44. Державний архів Львівської області [Staatsarchiv der Gebiet Lviv] (im folgenden – ДАЛО), ф. 1322, оп. 1, спр. 12, 7. Interview mit P. Sebastian (Stepan) Dmytruch, Studitenmönch, 22.12.1992, Lviv, in: АІІЦ, ф. 1, спр. 69/2, 11, 15, 17, 20-22.
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annahm, da säße ein Schuster und reparierte Schuhwerk. In der Tat war es aber ein Sicherheitsbeamter, der stets beobachtete, wer ein- und ausging“.20 Deshalb musste man, um den Bischof besuchen zu können, gewissen Mut haben und zur Schlauheit greifen. Des öfteren wurde das Treffen im Voraus verabredet. So schickte zum Beispiel P. Butkovskyj, der Bischof Liatyshevskyj persönlich nicht kannte, zuerst einen Empfehlungsbrief mit der Bitte um eine Audienz. Erst danach wurde er vom Bischof empfangen.21 Da sein Haus überwacht wurde, traf er sich mit den Priestern meist ein einziges Mal. Soweit er konnte, löste er Probleme und Ritusfragen, die bei den Priestern auftauchten, erteilte verschiedene Vollmachten. Zugleich wusste kaum jemand von seiner Tätigkeit; oft verhielt es sich auch so, dass man aus Sicherheitsgründen nicht wissen wollte – vor allem aus allgemeinen Sicherheitsgründen (vorgeführt zu KGB-Verhören konnte man ohne Gewissensbisse behaupten, dass man nichts weiß).22 Ein weiteres Problem zeigte sich laut den Angaben von Bischof Sofron Dmyterko: Als Bischof Liatyshevskyj aus seiner Verbannung zurückkehrte, war Bischof Sleziuk im Amt des Bischofs von Stanislaviv, geweiht noch vom Bischof Khomyshyn.23 Bischof Liatyshevskyj hatte nichts dagegen, denn er wusste von seiner geheimen Chirotonie und „falls etwas gebraucht wurde, wandte man sich“ an ihn.24 Bischof Sleziuk war also im Grunde seit 1945 geheimer Ordinarius der ganzen Diözese Stanislaviv. In der Lviver Diözese gestaltete sich die Lage etwas anders. Bischof Mykolaj Charnetskyj war viel aktiver als die anderen Bischöfe und lebte länger als Bischof Ivan Liatyshevskyj. Er weihte aber keinen seinen Nachfolger.25 Über die Ursachen kann nur gemutmaßt werden. „Er war höchst wahrheitstreu, vielleicht sogar in äußerstem Maße. Vielleicht wollte er das aus einem unbekannten Grunde nicht machen“.26 Nach Charnetskyjs Tod in Lviv am 2. April 1959, wurde der Klosterabt in Ternopil P. Vasyl Velychkovskyj zum Bischofkandidaten befördert, der nach seiner Rückkehr aus dem Lager 1955 (verhaftet 1945, anfangs zu Tode verurteilt, später zu Lagerarbeiten) in Lviv angemeldet war und hier auch lebte. Geweiht wurde er vom Metropoliten Josyf Slipyj, der durch das Beharren von Papst Johannes XXIII. 1963 für die Teilnahme am Zweiten Konzil befreit wurde. Für Bischof Josyf Slipyj war es bereits der dritte Hafttermin (Neuverurteilung 1963). Er wurde mit dem Dekret des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR von 26. Januar 1963 unter Garantiebedingung begnadigt, dass „daraus keine Politik gemacht wird“.27 So kam Metropolit Slipyj im Januar 1963 nach Moskau, wo er bereits vom Vatikangesandten, dem holländischen Priester Monsignore Johannes Willebrands, dem Sekretär des neu gegründeten Sekretariats für die Einheit der 20 21 22 23 24 25 26 27
Interview mit Bischof Sofron Dmyterko (wie Anm. 2), 8. Interview mit P. Izydor Butkovskyj (wie Anm. 11), 44. Ebd., 26. БОЦЮРКІВ, Ukrainische griechisch-katholische Kirche in den Katakomben (1946–1989) (wie Anm. 1), 132. Interview mit Bischof Sofron Dmyterko (wie Anm. 2), 8. Interview mit Bischof Pavlo Vasylyk (wie Anm. 3), 27. Interview mit P. Yosafat Kavatsiv (wie Anm. 5), 34. ХОМА, Іван: Йосиф Сліпий. Отець та ісповідник Української мученицької Церкви [Josyf Slipyj. Vorsteher und Konfessor der ukrainischen Märtyrerkirche], Rom 1992, 25-47; БОЦЮРКІВ, Ukrainische griechisch-katholische Kirche in den Katakomben (1946–1989) (wie Anm. 1), 132.
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Christen in Vatikan, erwartet wurde. Als er über die Ankunft des Metropoliten in Moskau und seine bevorstehende Ausreise aus dem Land erfahren hatte, machte sich Velychkovskyj sofort auf den Weg nach Moskau und traf sich mit dem Metropoliten am Tag seiner Abreise am 4. Februar 1963. Dieses Treffen in Morgengrauen war sehr fruchtbar. P. Vasyl Velychkovskyj wurde zum Bischof von Lutsk geweiht. Außerdem ernannte ihn Josyf Slipyj zu seinem Stellvertreter in Lviv, dies bedeutete die Übernahme der Kirchenführung im Untergrund. Obwohl damals kein legitimer Bischof auf dem Territorium der UdSSR mehr am Leben war und Metropolit Josyf Slipyj emigrieren musste, hörte die kanonische UGKK-Tätigkeit nicht auf, weil Velychkovskyj als Weihbischof zu den Gläubigen zurückkehrte.28
2.
Die Kirche, geleitet von illegal geweihten Bischöfen
Gerade mit dem Namen von Bischof Vasyl Velychkovskyj brachte man die Zuversicht und Gewissheit der Gläubigen in Verbindung, dass die Kirche, obzwar im Untergrund, doch lebensvoll und erfolgreich funktionierte: „Er war voll Bewegung, organisierte von vornherein unsere Tätigkeit“.29 Die Aktivierung der Kirche im Untergrund bewirkte die Sowjetmacht, auch wenn es seltsam erscheint. Ende 1958 startete Chruschtschow eine gegen die Religion gerichtete Kampagne, deren Hauptgegner die ROK wurde, ungeachtet dessen, dass sie den Sicherheitsorganen durchaus untergeordnet war. Bis zu Chruschtschovs Entmachtung im Herbst 1964 verlor die ROK fünf von acht Seminaren, darunter zwei in der Ukraine (in Kyiv und Lutsk), mehrere Klöster wurden geschlossen, so etwa das Kyiver Höhlenkloster, dasselbe geschah mit den Kirchen. All dies untergrub das Ansehen der Orthodoxen Kirche in Galizien und vereitelte die Hoffnungen der Priester, die zur Orthodoxie konvertieren mussten, darauf, dass sie griechisch-katholische Gotteshäuser für ihre Gläubigen bewahren würden.30 Alleine im Gebiet Lviv wurden 280 orthodoxe Gemeinden abregistriert, genauso viele Kirchen geschlossen. Außerdem wurde den orthodoxen Geistlichen verboten, auf Einladung der Gläubigen zum Gebet in deren Häuser zu gehen, Totenmessen zu lesen, die Kondolenzprozession zu begleiten, in den Wohnungen am neunten und am vierzigsten Todestag Trauergottesdienste zu halten, die Häuser und Wohnungen zu segnen usw.31 Deshalb 28 29 30
31
Interview mit P. Izydor Butkovskyj (wie Anm. 11), 45. Interview mit Bischof Fylymon Kurchaba (wie Anm.11) 29. Русская Православноя Церковь в советское время (1917–1991). Материалы и документы по истории отношений между государством и Церковью [Russische orthodoxe Kirche in Sowjetzeiten (1917–1991). Materialien und Dokumente zur Geschichte der Beziehungen zwischen Staat und Kirche]: в 2 кн., hier: Bd. 1, 50-58. Bescheinigung von V. Sukhonin, Bevollmächtigter des Rates für die Angelegenheiten der Russischen Orthodoxen Kirche bei dem Ministerrat der UdSSR für die Stadt Kyiv und das Kyiver Gebiet, zu den Hauptaufgaben im Kampf gegen die illegalen Aktivitäten des griechisch-katholischen Klerus; April 1964, in: Центральний державний архів вищих органів влади України [Zentrales Staatsarchiv der höchsten Behörden der Ukraine] (im folgenden – ЦДАВО), ф. 4648, оп. 1, спр. 446, 142-149.
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verließen sich die Gläubigen auf dem Lande eher auf die inoffiziellen griechisch-katholischen Priester, die keine Seelsorgebeschränkungen hatten: „Keiner mischte sich ein. So wie wir unsere Gottesdienste hielten, blieb recht“.32 Deshalb hatte Bischof Velychkovskyj als Statthalter der Kirche alle Hände voll zu tun. Sein Verdienst war es, die Kirche im Untergrund zu organisieren begann, unter Berücksichtigung etlicher Hauptkanones, die teils auf Entscheidungen des Zweitens Konzils in Vatikan beruhten, vielmehr aber durch die Besonderheiten der Untergrundtätigkeiten verursacht waren und mitunter einen Kompromisscharakter trugen (Erlaubnis für die Gläubigen, die orthodoxe Kirche zu besuchen, wenn keine anderen Priester in Umgebung zu finden waren, „aber nicht wie die orthodoxen, sondern wie griechisch-katholische“, Totenmessen für Orthodoxe usw.).33 Sehr aktiv war er bei der Rückkonversion von der Orthodoxie zum Katholizismus. Das „fiel“ sogar dem KGB „auf“. So hieß es in der Bescheinigung des Bevollmächtigten in ROK-Angelegenheiten am Ministerrat der UdSSR im Gebiet Kyiv Viktor Suchonin: „Es gibt Hinweise darauf, dass Velychkovskyj die orthodoxen Priester individuell bearbeitet, um diese von der Orthodoxie abzukehren, und ihnen den Treueschwur zum Vatikan abzunehmen. In den Gebieten Lviv und Ivano-Frankivsk sagten sich unter dem Einfluss von Uniaten in der letzten Zeit acht orthodoxe Priester von der Orthodoxie los“.34 Sehr oft gingen die älteren bereits von der ROK emeritierten Priester die Rückkonversion ein. P. Julian Rudkevych gehörte beispielsweise zu den konvertierten, war verbannt worden, nach der Verbannung war er im Dorf Lyshniv, Bezirk Mykolaiv tätig. Sein Schwiegersohn P. Mykola Markevych wohnte nach der Rückkehr aus Verbannung 1956 bei ihm, ging aber nicht in die Kirche, sondern hielt Gottesdienste zu Hause. 1963 wandte sich P. Rudkevytsch wegen seines Schwiegersohns an den Priester Sterniuk, der Gehilfe von Bischof Velychkovskyj war und Vollmacht besaß, Rückkonversionen entgegenzunehmen. P. Rudkevytsch stand aber in der Jurisdiktion des orthodoxen Bischofs und „damit sollte Schluss gemacht werden. Es gelang, indem der Priester Julian aus dem Dorf Lyshniv zusammen mit der Familie verreiste […] und dann sagte sich in Anwesenheit seiner früheren Gefährten in der Kirche los: „Gott sei Dank, bin ich mit dieser Orthodoxie zu Ende“. Dann beichtete er in Lviv beim Priester Volodymyr und wurde zurückkonvertiert. Er war schon in Pension, nun aber als griechisch-katholischer illegaler Priester“.35 Es liegen auch andere Fälle vor. Nach KGB-Angaben haben 1967 im Gebiet Lviv 12 Priester, ROK-emeritiert, ihre Konversion zur Orthodoxie rückgängig gemacht und hielten illegal Gottesdienste. Außerdem benutzte eine Reihe von jüngeren Priestern die Erlaubnis, in den orthodoxen Pfarreien zu bleiben, indem sie ihre Konversion zur Orthodoxie rückgängig machten. Davon berichtete die Diözesanverwaltung dem Bevollmächtigten des Rates in die Religionsangelegenheiten beim Ministerrat der UdSSR für die Ukrainische SSR A. Kezko. Unter diesen Priestern waren: P. Makovej (Dorf Kolodne, Bezirk Kamjanka-
32 33 34 35
Interview mit P. Mykola Markevych (wie Anm. 16), 58. Ebd., 59. ЦДАВО (wie Anm. 31), 446, 144. Interview mit P. Mykola Markevych (wie Anm. 16), 51, 55-56, 61.
Die Ukrainisch Griechisch-Katholische Kirche im Untergrund (1953 – ca. 1960)
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Buska), P. Khrushch (Dorf Novosilky, Bezirk Sambir), P. Davydovych, P. Rudenskyj (Stadt Khodoriv).36 Man stellte Kontakte zu den Priestern im Untergrund her, auch mit denen, die zur Orthodoxie wechselten. Viel Arbeit leistete dabei P. Volynets, er reiste von Dorf zu Dorf und „propagierte, dass man sich Velychkovskyj unterordnen möge“. Gerade er war es, der P. Borys Nud half, sich mit dem Bischof in Verbindung zu setzen. Die Möglichkeit, vom Bischof beraten zu werden, übte auf den Priester einen positiven Einfluss aus und gab ihm Mut zum Widerstand.37 Zugleich aber waren diese Kontakte vorwiegend nur bilateral und bezogen sich lediglich auf die kanonischen oder seelsorglichen Fragen, die beim Priester auftauchten. Dabei kam die Untergrundtätigkeit der griechisch-katholischen Geistlichen nicht ins Gespräch. Bischof Velychkovskyj schenkte sowohl der Erweiterung von Mönchsorden als auch der Priesterweihe große Aufmerksamkeit. Er nahm die Dienerinnen der unbefleckten Empfängnis Mariä,38 die Basilianerinnen, vor allem vom Untergrundkloster in Ternopil in seine Obhut. Er veranstaltete einen Exerzitienzyklus in Zymna Voda für die Basilianerinnen.39 Außerdem machte sich Bischof Velychkovskyj mit den Kandidaten der Kongregation des Heiligsten Erlösers persönlich bekannt, um sich davon zu überzeugen, ob der Bewerber tatsächlich berufen und opferbereit sei und zur Missionstätigkeit im Untergrund tauge. Bischof Mykhajlo Sabryha erinnerte sich an seine erste Begegnung mit Velychkovskyj 1965, an seinen scharfsinnigen Blick, wie er sich mit einem Neuling bekannt machte. Nach einer Weile des Grübelns „sagte er knapp: „Du wirst Apostel des ukrainischen Volkes sein“. Ich denke, zumindest scheint es mir so, dass es ihm tief im Herzen liegt, ihm gegeben ist“.40 Er war wirklich an seiner Stelle des Statthalters der Kirche im Untergrund ein guter Psychologe und Stratege, wusste neue Priester unter den jungen Menschen zu finden, die gebraucht wurden und imstande waren, die griechisch-katholischen Gläubigen zu unterstützen, auch die Kirche zu pflegen. Nach einigen Angaben weihte Velychkovskyj im Laufe von 1963–1969 ungefähr 80 Priester.41 Zugleich wurde er als stellvertretender Leiter der Untergrundkirche seit der Zeit seiner Moskauer Chirotonie ständig vom KGB bespitzelt. Wenn es in offiziellen Unterlagen für das Jahr 1964 heißt, dass es „triftige Gründe gibt, zu glauben, die Tätigkeit der illegalen Uniaten vom Vorsteher des Redemptoristenklosters Velychkovskyj, der Bischofsweihe bestand, geleitet wird“,42 so wurden diese Annahmen kurzerhand bestätigt. Bereits 1964, eine neue Verhaftung ahnend (1963 wurden in Ivano-Frankivsk Bischof Ivan Sleziuk und P. Simeon Lukatsch verhaftet, weihte er illegale Seminaristen 36
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Bericht über die Aktivitäten der Uniaten im Gebiet Lemberg und die Maßnahmen zu ihrer Beendigung, in: Государственный архив Российской Федерации [Staatsarchiv der Russischen Föderation] (im folgenden – ГАРФ), ф. 6991, спр. 160, 30. Interview mit P. Bohdan Nud (wie Anm. 13), 36. Interview mit S. Yeremia (Maria) Televyak, 07.09.1993, Ternopil, in: АІІЦ, ф. 1, спр. 199, 12-13. Interview mit S. Yosyfa Savka, 09.11.1993, Ternopil, in: АІІЦ, ф. 1, спр. 199, 21. Interview mit Bischof Mykhaylo Sabryha CSsR, 30.03.1994, Ternopil, in: АІІЦ, ф. 1, спр. 321, 8-9. БОЦЮРКІВ, Ukrainische griechisch-katholische Kirche in den Katakomben (1946–1989) (wie Anm. 1), 138. ЦДАВО (wie Anm. 31), 145.
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zu Priestern, die ihr Religionsstudium noch nicht beendet hatten, darunter auch P. Ivan Dankiv.43 Damit die Bischofsnachfolge gewährleistet blieb, weihte er illegale Bischöfe, was höchst wichtig war. Bekannt ist die Tatsache, dass sein Nachfolger Volodymyr Sterniuk im Sommer 1964 chirotonisiert wurde.44 Anzunehmen ist, dass zu dieser Zeit auch provisorische Weihbischöfe geweiht wurden, und zwar: P. Chorniak, P. Dejneka, P. Kozak, P. Hirniak. Sie besaßen die Vollmacht eines Bischofs, unter anderem durften sie Priester weihen.45 Nach drei Jahren kauften sich die Redemptoristen ein Haus am Stadtrand von Lviv, das zu einer Art heimlichen Residenz von Bischof Velychkovskyj wurde, wo er verschiedene Gäste empfing, darunter auch P. Bazyli Hrynyk aus Polen.46 Im selben Jahr 1967 besuchte er seine Schwester in Jugoslawien. Auf dem Rückweg wurden ihm am ungarischen Zoll Bücher religiösen Inhalts und Gebetbücher konfisziert. Unter diesem Vorwand griff der Bischof „samt Vertretern der Nachbarn“ (KGB) noch im April 1967 die Frage nach dem Abbau des Registrierungsverbotes für die UGKK in der UdSSR auf; im Juli machte er dasselbe vor dem Bevollmächtigten des Rates in Religionsangelegenheiten am Ministerrat der UdSSR im Gebiet Lviv M. Vynnychenko. Darauf bekam er die Antwort, dass „es in Lviv und im ganzen Gebiet eingetragene römisch-katholische Gemeinden gibt, wo die gläubigen Katholiken hingehen können und dass es überhaupt unnötig ist, von jemandem erdachte „unierte katholische Kirche“ zu registrieren. Indessen bekam Velychkovskyj zu verstehen, daß eine derartige Fragestellung antisowjetisch angehaucht sei. Gleichzeitig wurde Velychkovskyj darauf hingewiesen, dass er seinen Kollegen lieber raten sollte, nicht gegen das sowjetische Kultusgesetz zuwiderzuhandeln“.47 Es war ein ziemlich mutiger Schritt, der seine Entschlossenheit beim Eintreten für die Interessen der Kirche bezeugte. Die Person von Bischof Pavlo Vasylyk wurde von der UGKK-Verwaltung nicht eindeutig, sogar gewissermaßen voreingenommen wahrgenommen. So sprach Erzbischof Sterniuk, dass Vasylyk „Unsicherheit bedeute“.48 Genauso antwortete Bischof Fylymon Kurchaba auf die Frage des Kandidaten Mykola Kostiuk, ob Bischof Vasylyk ihn zum Diakon weihen dürfte: „Wenn du so willst, dann geh. Du betrittst aber einen falschen Weg“.49 Solch eine Stellungnahme war durch die aktive mitunter sogar revolutionäre 43 44
45 46 47
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Interview mit P. Ivan Dankiv, 14.10.1992, Lviv, in: АІІЦ, ф. 1, спр. 20, 2-3. Митрополит Володимир: до 85-річчя від дня народження і 60-річчя пастирської діяльності Архієпископа, Містоблюстителя, Верховного Архієпископа Львова, Митрополита Володимира Стерника [Metropolit Volodymyr: Zum 85. Jahrestag der Geburt und zum 60. Jahrestag der pastoralen Tätigkeit des Erzbischofs, des Vikars des Großerzbischofs von Lemberg, Metropolit Volodymyr Sternyk], Lemberg 1991, 21. Interview mit Bischof Fylymon Kurchaba (wie Anm.11), 30-31; Interview mit Bischof Sofron Dmyterko (wie Anm. 2), 12. Interview mit Bischof Mykhaylo Sabryha (wie Anm. 40), 9. Informationsschreiben des Bevollmächtigten des Rates für Religionsangelegenheiten beim Ministerrat der UdSSR im Gebiet Lviv M. Vynychenko über die Aktivierung griechisch-katholischer Gläubiger und die vorbeugende Arbeit an Bischof V. Velychkovsky vom 12. August 1976, in: ГАРФ, ф. 6991, оп. 6, спр. 82, 50-51. Interview mit P. Ivan Chav’yak, 22.03.1994 р., Ivano-Frankivsk, in: АІІЦ, ф. 1, спр. 34/2, 50. Interview mit P. Mykola Kostiuk, 4-12.02.1993, Stryj, in: АІІЦ, ф. 1, спр. 358, 37-38.
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Tätigkeit Vasylyks verursacht. Zweimal wurde er verurteilt (1947–1956, 1959–1964). Zum Diakon wurde er 1950 im Lager Dzheskazgan (Kazakhstan) vom römisch-katholischen Bischof Novikov-Makovskyj geweiht. Dieser war Jesuit, der unter anderem berechtigt war, im östlichen Ritus zu feiern. Bereits im Lager zeigte Vasylyk seine kreative Natur, organisatorische Fähigkeiten und große Tapferkeit. Als Diakon hielt er Vespern, Morgenandachten, Stundengebete, Dankgebete, traf Vorbereitungen für bevorstehende Gottesdienste (stellte sogar einen Plan für die Priester auf, wer und wann diese Gebete halten soll), predigte auf Wunsch von Priestern, wofür er mehrmals bestraft wurde. Nachdem er freigelassen und von Bischof Charnetskyj die Priesterweihe erhalten hatt, übte er in der ganzen Westukraine im Laufe von drei Jahren missionarische und seelsorgliche Tätigkeit aus; dies wurde ihm durch das von ihm selbst und von den anderen griechisch-katholischen Priestern eingeführte sogenannte Seelsorgesystem in Stadt und Land erleichtert.50 Für den KGB war das purer Ärger: „In Einzelfällen kommt es zu offenen Protesten der Gläubigen gegen die Orthodoxie. So hielt der unierte Priester Vasylyk Gottesdienst in der Dorfkirche Nadorozhna, Bezirk Tlumach, Gebiet Stanislaviv am 27.09.58. Die Gläubigen ließen weder den Bevollmächtigten im Gebiet Stanislaviv Genossen Bibik, noch den Stellvertreter des Bevollmächtigten in der Ukrainischen SSR Genossen Katunin herein. Die aggressiv gegen die „Fremden“ gestimmten Jugendlichen benahmen sich ungezügelt, so dass unsere Genossen weg aus dem Dorf mussten“.51 1959 wurde er erneut verhaftet: „Die örtliche USSR-Verwaltung trifft Maßnahmen zur Kampfverstärkung gegen die wandernden unierten Priester […] So wurde beispielsweise der unierte Priester Vasylyk, der illegale Gottesdienste gehalten hatte, festgenommen und verbannt“.52 Während der wiederholten Verbannung waren er und Metropolit Slipyj in demselben Lager, der letzte gab seine Hoffnungen auf die Legalisierung der Kirche in nächster Zukunft nie auf, vielmehr gab er sie an P. Vasylyk weiter. „Seine Exzellenz sagte einmal: „Wollen Sie bitte den Menschen und Priestern ausrichten, dass unsere Kirche in nächster Zukunft einen großen Siegestriumph feiern wird. Mögen die Priester auch weiterhin für die Seelen zu sorgen helfen und sich keiner staatlichen Arbeit widmen, vielleicht nur das, was ihre Priesterfunktionen nicht verhindert“. Er war sehr ernst in seiner Hoffnung. Er hat damals all das vorausgesehen, was wir heute vor Augen haben. Und ich habe auch diesen Glauben miterlebt“.53 Nach seiner Entlassung setzte Bischof Vasylyk seine Predigten, seine Missionstätigkeit, seine Seelsorge fort und rief die Gläubigen dazu auf, ihren Glauben ungeniert zu bekennen. Er hoffte auf die UGKK-Legalisierung, sammelte Unterschriften für eine 50 51
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Interview mit Bischof Pavlo Vasylyk (wie Anm. 3), 19-21, 25-27. Bericht „Zur Frage der Lage der orthodoxen Kirche in den westlichen und transkarpatischen Regionen der UdSSR im Zusammenhang mit der Liquidation der Überreste der Union“, 2.10.1959, in: ЦДАВО [Zentrales Staatsarchiv der höchsten Behörden der Ukraine], ф. 1, оп.24, спр. 5028, 17-18. Informationsschreiben des Bevollmächtigten des Rates für die Angelegenheiten der Russischen Orthodoxen Kirche beim Ministerrat der UdSSR für die Ukrainische SSR I. Pinchuk über den Fortschritt der Maßnahmen zur Beseitigung der Überreste der Union in den westlichen Regionen der Ukrainischen SSR, 28.10.1961, in: ЦДАВО, ф. 1, оп.24, спр. 5408, 124-125. Interview mit Bischof Pavlo Vasylyk (wie Anm. 3), 32а.
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Petition an die Regierung, aber die Geistlichen waren dagegen, da der „KGB die Menschen, die unterschrieben hatten, nicht mehr in Ruhe ließe. Die Menschen nahmen die Kirche in Schutz. Das waren Ansätze eines offenen Kampfes (gegen die Macht), die unsere Kirche auf eine verbrecherische Weise außerhalb des Gesetzes stellten. Nach einigen Jahren war es wieder so weit, folglich waren wir keinesfalls eingeschüchtert worden“.54 Später war er es, der zusammen mit 23 anderen Priestern und 150 Gläubigen am 4. August 1987 die erste Erklärung unterzeichnete, dass die Kirche offiziell aus dem Untergrund in die Öffentlichkeit gehe. Der Papst wurde aufgerufen, die UGKK in der UdSSR mit allen möglichen Mitteln zu unterstützen“. Nach einiger Zeit leisteten auch andere Bischöfe ihre Unterschrift – Erzbischof V. Sterniuk und sein Gehilfe F. Kurchaba in Lviv, S. Dmyterko in Ivano-Frankivsk und I. Margitych in Transkarpatien.55 Sie alle vertraten im Gegensatz zum „Revolutionär“ Vasylyk gemäßigte Ansichten. Weder Bischof Dmyterko noch Kurchaba waren in Stalins KZs, sie waren von Anfang an im Untergrund aktiv,56 Bischof Sterniuk kehrte 1952 zurück, viel schneller als die anderen.57 Vielleicht hielten sie gerade aus diesem Grunde die Konspirationsregeln ein, hielten sich zurück, um sich nicht zu exponieren; sie warteten ab, das stand bei ihnen ganz im Vordergrund, jede Abweichung wurde als unerwünscht angesehen. Es sei auch bemerkt, dass die Bischöfe Sterniuk und Kurchaba Redemptoristen waren, Dmyterko ein Basilianer und dies bedeutete zusätzliche Verpflichtungen, während Bischof Vasylyk zum weltlichen Klerus gehörte, deshalb brauchte er keinem unterstellt zu sein.
3.
Kandidatenwahl, Priesterweihen
Die Priesterweihe fand heimlich in Anwesenheit von einem bis zwei Zeugen statt. Was die Priesterkleider betrifft, so gab es nach Berichten von P. Mykola Kostiuk „keinen Priesterornat. Deshalb gab mir der Bischof als er mir die Diakonenweihe spendete, ein einfaches weißes Kleid und eine Epitrachelion (Stola) , denn es gab keine andere Kleider. Er selber fand sich mit diesen Gegenständen ab, mit Epitrachelion, Mantie. Er hatte so eine Piuskappe anstatt Mitra“.58 Um überleben und die Untergrundkirche bewahren zu können, war konspiratives Verhalten eine Forderung der Kirchenhierarchen an alle. Von 1950 bis in die erste Hälfte der 1960-er Jahre betraf sie in erster Linie die Vermeidung jeglicher Kontakte zu den orthodoxen Priestern. Und das funktionierte. Als Beweis der „Verwirrung“ und des „Unwissens“ der Verwaltungsbehörden in den Fragen der griechisch-katholischen Untergrundbewegung dient folgender Auszug aus dem Schreiben des orthodoxen 54 55 56 57 58
Ebd., 37. БОЦЮРКІВ, Ukrainische griechisch-katholische Kirche in den Katakomben (1946–1989) (wie Anm. 1), 159. Interview mit Bischof Fylymon Kurchaba (wie Anm.11), 24-27; Interview mit Bischof Sofron Dmyterko (wie Anm. 2), 6. Митрополит Володимир, Metropolit Volodymyr (wie Anm. 44), 13-18. Interview mit P. Mykola Kostiuk (wie Anm. 49), 39.
Die Ukrainisch Griechisch-Katholische Kirche im Untergrund (1953 – ca. 1960)
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Bischofs der Diözesen Lviv und Ternopil Hryhorij an den KGB vom 12 Oktober 1964: „Die als Beamten der Verwaltungsbehörden tätigen Leute, in der Tat aber unierte Fanatiker, vor allem Mönche aus den einstigen Ordensgemeinschaften der Basilianer und Redemptoristen wie zum Beispiel, um konkrete Namen nennen, Velychkovskyj und Sterniuk, vermeiden nicht nur jegliche Gespräche, sondern auch Zusammenkünfte mit konvertierten Priestern, was zusätzliche Schwierigkeiten in der bilateralen Kontaktherstellung bereitet. In den seltenen Fällen zufälliger Begegnungen mit nicht konvertierten Priestern kommt es gar nicht in Frage, sie zur Orthodoxie zu bekehren. Deshalb ist es kompliziert, genau festzustellen, ob die nicht konvertierten Priester im Sinne ihrer Konfession agieren oder nicht. Manche nicht unierte Priester, wie zum Beispiel Shepitko, machen keinen Hehl daraus, dass sie zu Hause Gottesdienste für sich selbst halten. Es kann sein, dass viele andere unter den nichtkonvertierten Priestern dasselbe tun und dass es ihnen erlaubt ist. Ob sie aber gleichzeitig zum Gottesdienst auch andere religiöse Bedürfnisse aufgriffen, ist schwer zu sagen; wenn so was vorkommt, dann äußerst konspirativ, denn jeder von ihnen, der im staatlichen Dienst ist, hat Angst, gekündigt zu werden. Diejenigen, die nicht arbeiten, verstehen es, „so still wie die Tauben und so schlau wie die Schlangen“ zu sein, deshalb fällt es schwer, sie abzufangen“.59 Dazu heißt es: „Die Uniaten verteilten ihre Domänen je nach dem Territorium, wo sie Gottesdienste halten und Bedürfnisse der Gläubigen befriedigen. Diese Domänen befinden sich in der Regel außerhalb des Wohnortes, was den örtlichen Verwaltungsorganen zusätzliche Schwierigkeiten bereitet, um feststellen zu können, welcher Uniat dieser gesetzeswidrigen Tätigkeit nachgeht“.60 In der zweiten Hälfte der 1960-er Jahre wird die Konspirationsforderung häufiger gestellt und ihre Einhaltung gefordert, insbesondere betraf das die geweihten jungen Priester. Es sei angemerkt, dass ein gewisses Misstrauen der älteren Generation der Geistlichen gegenüber der jüngeren bestand. Manche älteren Priester hatten sogar Angst vor jeglichem Kontakt mit den Jugendlichen: „vielleicht dachten ältere Priester, wir wären jung und es könnte gefährlich sein, deshalb wurden wir von ihnen mit keiner besonderen Lust empfangen […] Da hatte einmal ein Priester die Aufgabe von Bischof Sofron (Dmyterko), dieser wollte uns nicht so einfach zu den Vorlesungen einschreiben“. Mit der Zeit begriffen sie aber, dass es ohne Jugendliche keinen Aufschwung geben könne. Die älteren hatten theologische Kenntnisse, die jüngeren dagegen kannten sich im „praktischen Leben“ aus. Die Konspirationsmaßnahmen betrafen vor allem die Mönchspriester,61 weil die aus bestimmten Gründen mehrere Untergrundleute kannten und viel Schaden anrichten konnten, falls sie vom KGB entdeckt werden sollten. Informationen über die illegalen Bischöfe durften in der Öffentlichkeit nicht verbreitet werden („Wir, die älteren, wussten es, sagten aber den jüngeren nichts“), sowie Informationen über die Weihen („Wenn jemand geweiht wurde, sollte er vorher schwören, dass er nie und unter keinen 59 60 61
ЦДАВО, ф. 4648, оп.1, спр. 422, 189-194. ГАРФ, ф. 6991, оп. 6, спр. 160, 26-35. Interview mit P. Sebastian (Stepan) Dmytruch, (wie Anm. 19) студити, релемптористи (пр.176) Interview mit Bischof Mykhaylo Sabryha (wie Anm. 40), Interview mit P. Yosafat KAVATSIV (wie Anm. 5).
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Umständen das Geheimnis preisgeben wird: wann, wer ihn wo geweiht hatte“).62 Zugleich schränkten die Konspirationsmaßnahmen die seelsorgliche Tätigkeit ein. So erzählte P. Ivan Dankiv, als er nach acht Jahren völliger Konspiration festgenommen wurde, habe er Erleichterung gefühlt, weil die ständige Angst, vom KGB entdeckt zu werden, vorbei war: „Früher hatte ich Angst vor dem KGB, jetzt weiß der KGB alles, deshalb brauche ich vor niemandem Angst zu haben. So sagte mir dasselbe auch Bruder Kosma, der zur selben Ordensgemeinschaft wie ich gehörte, ich bin nämlich Redemptorist: „Priester Ivas ist jetzt mutiger als er früher war. Tapferer als damals“. Ich hielt ständig Gottesdienste“.63
4.
Tätigkeitskoordination, Unterordnung, Priestergemeinschaften
Wie bereits erwähnt, gab Metropolit Josyf Slipyj noch vor seiner Verhaftung 1945, den griechisch-katholischen Priestern Vollmacht für die ganze Sowjetunion. Das war, bevor der Bischof aus der Verbannung in der zweiten Hälfte der 1950-er Jahre zurückkehrte, besonders relevant, obwohl sich die Situation in der nachfolgenden Zeit kaum änderte. Es war in erster Linie damit in Verbindung zu bringen, dass alle Priester einem staatlichen Beruf nachgehen sollten. Die Änderung bestand darin, dass die Priester den Bischöfen Relationen abzugeben hatten.64 Aber auch hier wurden die Unterordnungsregeln nicht immer eingehalten. So wurde die Macht der heimischen Diözesanbischöfe von den älteren Priestern (die bis 1946 geweiht wurden) anerkannt, während die jüngeren sich hauptsächlich demjenigen Oberhirten unterordnet fühlten, der sie zu Priestern geweiht hatte. So unterordnete sich beispielweise Bischof Pavlo Vasylyk zu Beginn seiner seelsorglichen Tätigkeit (Ende 50-er Jahre) nominal dem Bischof von Ivano-Frankivsk Ivan Sleziuk, die Relationen gab er aber Bischof Charnetskyj in Lviv.65 Es sei bemerkt, dass es keine Koordinierung der priesterlichen Tätigkeit an sich gab. Das erinnerte eher an die „Tips“, von den Bischöfen gegeben, wohin man fahren sollte.66 Was die seelsorglichen Aktivitäten anbelangte, so gab es gewisse Bischofsverordnungen, insbesondere nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Im Großen und Ganzen wurde den Bischöfen freie Hand gelassen, man wandte sich an Bischöfe nur im Notfall.67 Zugleich spielten in dieser Situation Priestergemeinschaften eine wichtige Rolle, in denen ein bestimmtes seelsorgliches Problem, das aufgeworfen worden war, besprochen und gemeinsame Entscheidungen getroffen werden konnten. So beispielsweise im Fall von P. Cherneha: „Von 1954 an versammelten sich im Dorf Mezhyrichchia alle unsere bedrängten Priester. Heute kann ich mich nicht mehr an alle erinnern: Borys, Panchyshyn, Savchyn, Damian, Kliuchyk, beide Jantuchs und der jüngere Tymchuk. Kurzum: 62 63 64 65 66 67
Interview mit P. Antoniy (Fedir) Masiuk, 25-28.07.1994, Lviv, in: АІІЦ, ф. 1, спр. 400, 110. Interview mit P. Ivan Dan’kiv, 14.10.1992 р., Lviv, in: АІІЦ, ф. 1, спр. 20, 6. Interview mit P. Josyf Voronovskyj, Studitenmönch, 10.04.1993, Lviv, in: АІІЦ, ф. 1, спр. 32, 13-14. Interview mit Bischof Pavlo Vasylyk (wie Anm. 3), 26-27. Interview mit Bischof Fylymon Kurchaba (wie Anm.11), 32. Interview mit P. Makariy (Mykhaylo) Hren’ OSBM, 24.04.1993, Zhovkva, in: АІІЦ, ф. 1, спр. 217, 13.
Die Ukrainisch Griechisch-Katholische Kirche im Untergrund (1953 – ca. 1960)
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alle, die mir jetzt einfallen, kamen damals dahin“.68 Priester Kavatsiv erinnert sich an die kleinen Priesterkonferenzen, die im Hause der berühmten Malerin Olena Kulchytska stattfanden.69 In der Regel hielten die Priester ihre Gottesdienste in den Wohnungen der Gläubigen, denen sie vertrauten. In Fällen, in denen man nicht wollte, dass staatliche Beschäftigung vorzeitig gekündigt würde, hielt mancher Priester Gottesdienste nur bei seinen Verwandten, wo auch die Nachbarn hinzukommen durften.70 Außerdem feierte man seit Ende der 1950-er Jahre Gottesdienste immer öfter in geschlossenen Kirchen, das machten vor allem junge Priester. Die offiziellen Dokumente beinhalten dazu folgendes: „im Dorf Nadorozhna, Bezirk Tlumach, Gebiet Stanislaviv wurde am 27.09.1958 in der Kirche vom unierten Priester Vasylyk Gottesdienst gehalten“;71 „Es kommt vor, dass geschlossene Kirchen benutzt werden. Aber in meisten Fällen handelt es sich dabei um junge Geistliche, die darauf abzielen, sich öffentlich zu vertreten. Sie bringen zu den Konfliktsituationen, um die Registrierung der unierten Kirche zu erreichen. Die ältere Generation der nicht konvertierten Geistlichen, insbesondere diejenigen, die seiner Zeit in Haft waren, versucht, nur illegal zu handeln, ist sehr vorsichtlich und leugnet ihre Beteiligung an Gottesdiensten. Bischof Fedoryk sagte, dass „sie“ dagegen sind, in geschlossene Kirchen zu gehen oder offene Gottesdienste auf den Friedhöfen zu halten: „zu Beginn erreichen wir, dass uns private Aktivitäten erlaubt werden, den das, was solche Priester wie Jesyp und seinesgleichen tun, nichts, als die ganze Sache stört“. In Einzelfällen aber, soweit es die allgemeine Situation zulässt, hält auch der Bischof Gottesdienste unter freiem Himmel und eine verschlossene Kirche betritt (1979)“.72 Selbstverständlich waren beinahe alle Gottesdienste in den Untergrundbedingungen von Geschlossenheit geprägt, sie wurden vorgetragen (damit die anderen nichts hören konnten), wurden entweder spät am Abend oder des Nachts oder sogar in der Frühe gehalten. Wollen wir uns wiederum die Dokumente näher anschauen: „Die Unierten üben ihre Tätigkeit in privater Form aus. In den meisten Fällen werden Gottesdienste und rituelle Feiern illegal gehalten, in winzigen Hauskirchen der unierten Geistlichen, in sozusagen Klösterchen oder zu Hause bei den Gläubigen. Von den Bedingungen der illegalen Tätigkeit geht man immer aus, wenn man Kirchenleben gestaltet. Die Gottesdienste mit Beteiligung von unierten Priestern sind zeitlich kurz, haben einen vereinfachten Charakter, werden konspirativ, vor allem zur Nachtzeit gehalten. Die Anführer dieser illegalen Gottesdienste von Unierten verlangen von den Gläubigen, dass sie unnötigerweise keine Aufmerksamkeit Unbefugter auf sich lenken und dass sie ihre Zugehörigkeit zum griechisch-katholischen Glauben verschweigen. Im 68 69 70 71 72
Interview mit P. Maryan (Mykhaylo) Cherneha OSBM, 30.06.-1.07.1993, Sosnivka, Gebiet Lviv, in: АІІЦ, ф. 1, спр. 145, 16. Interview mit P. Yosafat Kavatsiv (wie Anm. 5), 7-8. Interview mit P. Ivan Chav’yak (wie Anm. 48), 45, 48. Bericht des Bevollmächtigten des Rates für die Angelegenheiten der Russischen Orthodoxen Kirche beim Ministerrat der UdSSR für die Ukrainische SSR I. Pinchuk (wie Anm. 51), 17-34. Bescheinigung des Oberinspektors des Rates für die Religionsangelegenheiten beim Ministerrat der UdSSR für die Ukrainische SSR M. Bozhko über die Fakten der Untergrundaktivitäten griechisch-katholischer Priester und Mönche in der Gebiet Lviv, 10. 12.1979, in: ЦДАВО, ф. 4648, оп. 7, спр. 108, 113-114.
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Voraus wird von zwei bis drei Menschen ein Wohnort vorbereitet, erst nachdem alle Vorbereitungen getroffen worden sind, kommt ein Geistlicher dazu. Inzwischen wurden mehrere Taufen, Trauungen, Kommunionen gespendet. Gottesdienste und Kirchenfeste werden in privaten Unterkünften von kleineren Gruppen spät am Abend oder morgen früh gehalten. In den auf diese Weise gehaltenen Zeremonien nehmen viele Komsomolzen und Kommunisten teil, die vor offenen Kirchenbesuchen Angst haben. Wenn im Dorf „Stille herrscht“, so wirkt der Priester über eine Woche lang da, bis er alle, die es wünschen, bedient hat, es kann aber auch passieren, dass er in einem bis zwei Tagen das Dorf verlassen muss“.73 Zugleich aber hielten manche Priester auch offene Gottesdienste. So machte es der Priester Kozenko in den 1950–60er Jahren „Viel Volk kam zu seinen Gottesdiensten in Holosko, einem der Vororte von Lviv. Er war ein Aussiedler. Er gehörte zur älteren Generation, war aber nicht bedrängt und auch nicht konvertiert und hatte überhaupt keine Angst. Er konnte alle seine Gläubigen in einem Haus unmöglich unterbringen. Es kamen fünfzig Menschen, hundert. Das Hausfenster wurde geöffnet, denn viele Menschen standen draußen im Hof und sangen. Viele Menschen aus seinem Dorf zogen nach Holosko. Es kamen auch die anderen, ihm aber passierte nichts. Diese anderen kamen und sagten: - Warum hält er hier Gottesdienste? - Ich bin Priester und das ist meine Gemeinde. Sie können mich verhaften“.74 Vasyl Kobryn, eines der aktivsten Mitglieder der „Initiativegruppe zur Verteidigung der Rechte der Gläubigen und der Kirche“ (gegründet 1982), berichtet von den offenen Gottesdiensten, gehalten von den Priestern Vynnytskyj und Budzinskyj. Dazu waren die Liturgien beim Priester Vynnytsky halb gesungen und beim Priester Budzinskyj fast immer gesungen. 75 Sehr interessant ist die Tatsache, wie manche Priester zu verschiedenen Mitteln und Möglichkeiten des Untergrundlebens griffen, um die religiösen Bedürfnisse der Gläubigen zu befriedigen. Es handelt sich vor allem um die Beichte. So nahm P. Smal in den römisch-katholischen Kirchen die Beichten der grieсhisch-katholischen Gläubigen ab, und P. Cherneha pflegte Spaziergangsbeichten abzunehmen (von der Seite her sah es so aus, als ob es ein Gespräch zweier Gesellen während eines Spaziergangs wäre).76 Es wurde in einem gewissen Maße patriotisch gepredigt: „Die unierten Geistlichen versuchen, sinkendes Interesse der gegenwärtigen Gläubigen und die Massenabkehr von der Religion zu verhindern. Um diesen Erscheinungen vorzubeugen, versucht man in den Gottesdienst und in die Predigt Elemente nationaler Sitten und Bräuche einzubeziehen. Im Laufe von Jahrhunderten haben sich die unierten Geistlichen an die nationalen Umstände und Besonderheiten des ukrainischen Volkes angepasst und lassen sich national anstreichen. Sie zwingen mit aller Mühe den Gedanken auf, dass die religiösen Sitten ein unverzichtbarer Bestandteil der nationalen Kultur seien, dass ein Mensch nur dann seine nationale Zugehörigkeit zur vollen Entfaltung bringen könne, 73 74 75 76
Ebd., 527-528. Interview mit P. Izydor BUTKOVSKYJ (wie Anm. 11), 47-48. Interview mit Vasyl KOBRYN, 28-29.06.1993, Lviv, in: АІІЦ, ф. 1, спр. 160, с. 21-23, 27. Interview mit Bischof Mykhaylo Sabryha (wie Anm. 40), 26; Interview mit P. Maryan (Mykhaylo) Cherneha (wie Anm. 68), 18.
Die Ukrainisch Griechisch-Katholische Kirche im Untergrund (1953 – ca. 1960)
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wenn er diesen oder jenen Sitten, religiösen Riten und verschiedenen Bräuchen nachkomme. Die Abkehr von den religiösen Riten, Sitten und Bräuchen, so die unierten Geistlichen, sollte dem Verrat am Volk und an seiner im Laufe von Jahrhunderten herauskristallisierten Kultur gleichgestellt werden. Solche und ähnliche Ansichten verkündete in seinen Gottesdiensten zum Beispiel der unierte Priester Kavatsiv V.M., Bürger der Stadt Lviv“.77 Die Priester ermunterten die Gläubigen, ihrer Kirche die Treue zu halten in der Hoffnung auf ihre Legalisierung. Der Inhalt der Predigt änderte sich entsprechend den Umständen.78 Alles in allem setzten die Priester ihre seelsorgliche Tätigkeit fort, sie studierten, hielten Weihen, waren besondere Menschen, weil sie Bescheid wussten, welcher Gefahr sie sich aussetzen. Die Geistlichen waren für die Gläubigen Vorbild; das spielte eine wesentliche Rolle in der Aufrechterhaltung der UGKK und danach für das Auftauchen aus dem Untergrund.
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Bescheinigung des Oberinspektors M. Bozhko (wie Anm. 72), 117. Interview mit Bischof Pavlo Vasylyk (wie Anm. 3), 34-36.
Andriy Mykhaleyko
DAS LEBEN UND WIRKEN DER UKRAINISCHEN GRIECHISCH-KATHOLISCHEN KIRCHE IM UNTERGRUND (1946–1989)
1.
Historischer Kontext
Die Ukrainische Griechisch-Katholische Kirche (UGKK) ist eine katholische Ostkirche sui iuris (eigenen Rechts) in der Kirchengemeinschaft mit dem römischen Papst. Sie gilt als eine von über 20 Kirchen der östlichen Traditionen, die mit dem römischen Apostolischen Stuhl in eucharistischer Communio stehen. Kirchenhistorisch betrachtet beginnt die Geschichte der UGKK als einer Kirche in der Gemeinschaft mit Rom nach dem Abschluss der Brester Union von 1595/96. Damals beschloss der größte Teil der Hierarchie der orthodoxen Kiewer Metropolie in Polen-Litauen, mit der Römischen Kirche eine Union einzugehen. Seitdem und bis heute zeichnen deshalb ihre ekklesiologische Identität zwei wesentliche Merkmale aus: Zum einen versteht sich die UGKK als eine Ostkirche der byzantinischen Überlieferung; sie feiert ihre Gottesdienste im byzantinischen Ritus und teilt mit den byzantinischen Kirchen des Ostens liturgisches, geistliches und teilweise kirchenrechtliches Erbe. Zum anderen steht sie in der Communio mit dem Papst von Rom und erkennt ihn als Oberhaupt der Katholischen Kirche an. Gegenwärtig ist die UGKK die größte katholische Ostkirche und aufgrund der Gemeindezahl die drittgrößte religiöse Gemeinschaft in der Ukraine. Sie weist etwa 3.600 Pfarrgemeinden auf, von denen sich mehr als 93% in der Westukraine befinden. Ein Netzwerk von Gemeinden und Eparchien gibt es auch außerhalb der Ukraine in Westeuropa, Nord- und Südamerika und in Australien. Die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts gilt in der mehr als 400-jährigen Geschichte der UGKK als eine der schwierigsten Perioden in ihrer Existenz. 1946 wurde sie vom sowjetischen Regime offiziell aufgelöst und konnte bis 1989 in der UdSSR nur illegal existieren. Der folgende Beitrag intendiert, ihre Existenzformen im kirchlichen Untergrund vorzustellen. In einem ersten Schritt werden die sowjetische Kirchenpolitik gegenüber der UGKK und ihre Folgen thematisiert, im zweiten die offizielle, vom Staat gesteuerte Auflösung der UGKK behandelt und im dritten die Herausbildung der kirchlichen Strukturen, die Ausbildung des priesterlichen Nachwuchses und die Formen der Seelsorge analysiert.
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Andriy Mykhaleyko
2.
Die sowjetische Kirchenpolitik gegenüber der UGKK
Mit der bolschewistischen Machtübernahme nach 1917 in Russland und anschließend in den anderen sowjetischen Republiken begann für die Kirchen eine schwierige Existenzperiode. Die Religionspolitik der Sowjetunion spielte dabei eine maßgebende Rolle. Den neuen Machthabern ging es um eine vollkommene Umgestaltung der wirtschaftlichen, sozialen und politischen Verhältnisse, wobei der Religion kein Platz mehr eingeräumt wurde. Vielmehr wurden die Religion bzw. die Kirchen bei den Umbauprozessen als hinderlich angesehen. Folglich wurden sowohl die Russische Orthodoxe Kirche (ROK) als auch alle anderen religiösen Gemeinschaften in der Zwischenkriegszeit nicht nur aus der Öffentlichkeit verdrängt, sondern einer systematischen Verfolgung ausgesetzt und beinahe vollständig ausgelöscht. Die Religionspolitik des sowjetischen Staates erfuhr aber nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges bzw. des deutsch-sowjetischen Krieges 1941 eine Kursänderung. Diese betraf in erster Linie die ROK. Trotz der Verfolgungen der Zwischenkriegszeit rief ihr Metropolit Sergij Stragorodskij (1867–1944) bereits am ersten deutsch-sowjetischen Kriegstag dazu auf, sich dem deutschen Feind zu widersetzen. Der sowjetische Staat, der im Krieg alle Schichten zu mobilisieren versuchte, zeigte sich ebenfalls zu Zugeständnissen bereit. Am 4. September 1943 erteilte Stalin bei einem fast zweistündigen Gespräch zwischen ihm, Vjacheslav Molotov, dem Vorsitzenden des Rates der Volkskommissare und drei orthodoxen Hierarchen1 im Kreml dem Metropoliten Stragorodskij die Erlaubnis, am 8. September auf einer Bischofsversammlung den Patriarchen der ROK, dessen Amt seit den 1920er Jahren vakant geblieben war, wählen zu dürfen. Stalin äußerte sogar das Versprechen, einige inhaftierte Bischöfe zur Patriarchenwahl freizulassen.2 Er genehmigte die Wiedereröffnung einiger Klöster und Kirchen und ordnete an, die „Union der militanten Atheisten“ aufzulösen, deren bisherige Aufgabe die Verbreitung antireligiöser Propaganda gewesen war.3 Mittels der nach dem Treffen den orthodoxen Hierarchen und der Kirche genehmigten Zugeständnisse beabsichtigte der Staat, die ROK in der Durchführung seiner politischen Anliegen nicht nur zur Seite zu haben, sondern auch zu instrumentalisieren. Dies schloss eine aufgezwungene Zusammenarbeit zwischen Kirche und Staat in den folgenden Jahrzehnten mit ein.4 Anders gestaltete sich das Verhältnis des sowjetischen Staates zur UGKK. Die UGKK war in der Westukraine/Ostgalizien zuhause. Während die Zentral-, Ost- und 1 2 3
4
Diese setzte sich zusammen aus Stragorodskij (Metropolit von Moskau), Simanskij (Metropolit von Leningrad) und Jarushevich von Kiew (Exarch der Ukraine). Bociurkiv, Bohdan Rostyslav: The Ukrainian Greek Catholic Church and the Soviet State (1939– 1950), Edmonton-Toronto 1996, 68. Ebd., 66; Döpmann, Hans-Dieter: Stalin und die Russische Orthodoxe Kirche, in: Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung 9 (2003), 113-130, hier 124-129; Bociurkiw, Bohdan Rostyslav: Historische Perspektive der sowjetischen Religionspolitik in der Ukraine, Bern-Zürich 1986, 15-20. Dazu: Шліхта, Наталя: Церква тих, хто вижив. Радянська Україна, середина 1940-х – початок 1970-х рр. [Kirche jener, die überlebt haben. Die sowjetische Ukraine Mitte der 1940er bis Anfang 1970-er Jahre], Kiew 2011.
Die Ukrainische Griechisch-Katholische Kirche im Untergrund (1946–1989)
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Südukraine schon in der zaristischen Zeit ein Teil des russischen Reiches war und seit der Gründung der Sowjetunion den Kern der Ukrainischen Sowjetischen Sozialistischen Republik bildete, wurde das Territorium Ostgaliziens (in der Zwischenkriegszeit – Ostpolen) erst im September 1939 in Folge des so genannten Molotov-RibbentropPaktes in die sowjetische Ukraine eingegliedert. Von Anfang an erwies sich die Politik des neuen Regimes der UGKK gegenüber feindlich.5 Es seien hier nur drei Hauptgründe genannt, die diese negative Einstellung und die daraus folgende staatliche Kirchenpolitik erklären können. Erstens hat sich die UGKK seit der Mitte des 19. Jhrs. an der ukrainischen Nationalbewegung in Galizien aktiv beteiligt und zum Erwachen des nationalen Selbstbewusstseins der Ukrainer wesentlich beigetragen.6 Da die Ukrainer Ostgaliziens keine politische Heimat hatten, galt die Kirche als wichtige kulturelle und nationale Institution. Die unierte Kirche war mit ihren 2387 Gemeinden, 3,6 Mil. Gläubigen, 2352 Diözesanpriestern, 31 Männer- und 121 Frauenklöstern nicht nur die stärkste Religionsgemeinschaft in Ostgalizien, sondern es entstand im 19./Anfang des 20. Jahrhunderts eine symbiotische und kaum trennbare Beziehung zwischen der UGKK und dem nationalen Selbstbewusstsein der Ukrainer7. Die UGKK stellte daher in den Augen der Behörden ein Hindernis bei der Sowjetisierung der neuen Territorien dar. Zweitens lag das Leitungszentrum dieser Kirche außerhalb des sowjetischen Machteinflusses, nämlich im Vatikan. Dies erschwerte im Gegensatz zur ROK eine uneingeschränkte Einflussnahme oder Kontrolle des Staates über die UGKK. Drittens übte die Leitung der UGKK im Sinne der vatikanischen Ostpolitik der Zwischenkriegszeit am sowjetischen System und an sowjetischer Politik mehrmals scharfe Kritik, indem sie deren kirchenfeindlichen Charakter akzentuierte.8 Außerdem hielten die Sowjets die UGKK für eine Kollaborateurin mit dem NS-Regime während der deutschen Besatzung der Ukraine 1941–1944. Des Einflusses der UGKK auf die westukrainische Bevölkerung bewusst, schränkte die sowjetische Regierung noch 1939 das kirchliche Leben erheblich ein: Die Herausgabe aller griechisch-katholischen Zeitungen, Zeitschriften und Publikationen wurde untersagt und umfangreiches kirchliches Eigentum beschlagnahmt
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Allgemein zur sowjetischen Religionspolitik gegenüber der UGKK s. Гуркіна, Світлана: Спадкоємність релігійної політики щодо Унійної Цекрви: від російського царату до сталінізму [Kontinuität in der Religionspolitik gegenüber der Unierten Kirche: vom Zarentum zum Stalinismus], in: Ковчег VIII (2018), 34-47. Himka, John-Paul: The Greek Catholic Church and Nation-Building in Galicia, 1772–1918, in: John-Paul Himka (Hg.): The Greek Catholic Church an Ukrainian Society in Austrian Galicia, Cambridge 1986, 426-452; Gottsmann, Andreas: Rom und die nationalen Katholizismen in der Donaumonarchie. Römischer Universalismus, habsburgische Reichspolitik und nationale Identitäten 1878–1914 (Publikationen des historischen Institutes beim österreichischen Kulturforum in Rom, 1. Abteilung, Abhandlungen, Bd. 16), Wien 2010, 237. Боцюрків, Богдан: Українська Греко-Католицька Церква в катакомбах (1946–1989) [Die Ukrainische Griechisch-Katholische Kirche in den Katakomben (1946–1989)], in: Ковчег 1 (1993), 123-164, hier 123. Krawchuk, Andrii: Christian Social Ethics in Ukraine. The Legacy of Andrei Sheptytskyj, Edmonton 1997, 95-109.
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bzw. verstaatlicht.9 Ebenso wurden der schulische Religionsunterricht verboten und viele Klöster säkularisiert.10 Die erste Phase der antikirchlichen Maßnahmen ging nach dem Ausbruch des Krieges zwischen Nazideutschland und der UdSSR am 22. Juni 1941 zu Ende und die zweite begann erst 1944, nachdem die Rote Armee im August Galizien wiedererobert hatte. Diesmal agierten die Sowjets in den ersten Monaten viel vorsichtiger. Aus taktisch-politischen Gründen bestand das Prinzip der Kirchenpolitik darin, „den Schein der Kirchenfreundlichkeit des Systems zu wahren, während nach innen hin die Schrauben immer fester angezogen wurden“11. Metropolit Andrej Sheptyckyj (1865–1944) und sein Nachfolger Josyf Slipyj (1892–1984), später Kardinal und Großerzbischof, standen damals an der Spitze der UGKK. Beide strebten in den neuen politischen Konstellationen nach einem modus vivendi mit dem Sowjetischen Staat. Die Regierung forderte ihrerseits von der Kirche strikte Loyalität. Dazu gehörte unter anderem die kirchliche Unterstützung im Kampf gegen die ukrainischen Nationalisten.12 Dies erforderte die Klärung des staatlichen Verhältnisses zur UGKK. Zu diesem Zweck entschloss sich die Leitung der UGKK auf Anraten der lokalen sowjetischen Behörden, eine offizielle Delegation nach Moskau zu schicken. Dies geschah Mitte Dezember 1944 unter der Leitung des Studienarchimandriten Klymentij Sheptyckyj (1869–1950), des Bruders des inzwischen verstorbenen Metropoliten Andrej Scheptyckyj. Zunächst wurde die Delegation, wie von dem neuen Metropoliten Slipyj persönlich angeordnet, in der Administration des Moskauer Patriarchats und am 22. Dezember 1944 von Ivan Poljanskij, dem Vorsitzenden des Rates für religiöse Kulte beim Rat der Volkskommissare der UdSSR, empfangen. Ihm überreichten die Delegierten ein Gesuch Slipyjs, in welchem er die Anerkennung der Rechte der UGKK in der Westukraine, in deren Besitz sie bis 1939 gewesen war, verteidigte. Dabei handelte es sich um Folgendes: die freie Kommunikation mit dem Apostolischen Stuhl, die Freiheit der Bischöfe in der 9
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Bibliotheken, Archive, kommerzieller Besitz des Metropoliten u.a. wurden konfisziert. Bociurkiv, Ukrainian Greek Catholic Church, 35-37; Бублик, Тарас: Становище греко-католицького духовенства Львівської архиєпархії під час першої більшовицької окупації (1939–1941) [Der griechisch-katholische Klerus der Erzdiözese Lviv während der ersten bolschewistischen Okkupation (1939–1941)], in: Ковчег VIII (2018), 58-71, hier 60-63. Die Pfarreien wurden anfangs noch von der Säkularisierung verschont – so der Metropolit Sheptytskyj an Papst Pius XII. in einem Brief vom 10. Oktober 1939. Korolevsky, Cyril: Metropolitan Andrew (1865–1944), L’viv 1993, 441. Madey, Johannes: Kirche zwischen Ost und West. Beiträge zur Geschichte der Ukrainischen und Weißruthenischen Kirche, München 1969, 193. Boeckh, Katrin: „Völlig normal, entsprechend den Prinzipien der Gewissensfreiheit, garantiert durch die Stalin-Verfassung“. Die Verfolgung der Kirchen in Galizien unter Stalin im Vergleich (1944–1953), in: Historische Zeitschrift 278 (2004), 55-100, hier 57. Stehle, Hansjakob: Geheimdiplomatie im Vatikan. Die Päpste und die Kommunisten, Zürich 1993, 229-230; Bociurkiv, Ukrainian Greek Catholic Church, 87-88. Unter diesen harten Pressionen schrieb Slipyj am 23. November 1944 seinen ersten Pastoralbrief an den Klerus und die Gläubigen, in dem er die loyale Einstellung der Kirche zum Staat und die Hilfe bei der politischen Stabilisierung in der Westukraine zusicherte. Zwei Gruppierungen, die sich der sowjetischen Regierung starrsinnig und kämpferisch widersetzten, waren die Ukrainische Aufständische Armee (UAA) und die OUN. In Slipyjs Schreiben wurden diese namentlich nicht genannt.
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Ausübung ihres Bischofsamtes, das Recht für die Bischöfe, pastorale Briefe zu verfassen und mit ihren Geistlichen zu kommunizieren, die Befreiung der Kleriker, Mönche, Seminaristen und Novizen von der Wehrpflicht, die Ernennung des Metropoliten und der Bischöfe durch den Apostolischen Stuhl, eine obligatorische religiöse Unterweisung in der Schule, die Rechte der Bischöfe über die Pfarreien, die Freiheit der Ausübung religiöser Zeremonien, die Unantastbarkeit von Kirchen, Kapellen und Friedhöfen, sowie das Recht der Einrichtung und Aufrechterhaltung von theologischen Akademien, Priesterseminaren, Klöstern, kirchlichen Schulen, Museen und Krankenhäusern. Für die Priester und Studenten sowie deren Familien, die zwischen 1939 und 1941 deportiert worden waren, müsste die Möglichkeit bestehen, in die westlichen Regionen der Ukraine zurückzukehren. Und schließlich sollte in Kiew und Moskau je eine Kirche den Gläubigen der UGKK zugeteilt werden, deren Priester der Metropolit von Lemberg bestimmte.13 Fünf Tage später traf sich die Delegation ein zweites Mal mit Poljanskij, der nun unmissverständlich klarstellte, dass alle Religionen in der UdSSR gemäß der staatlichen Gesetzgebung gleichbehandelt würden. Solange die UGKK nicht gegen das Gesetz verstoße, werde ihr Anliegen positiv behandelt. Vor der Abreise nach Lemberg wurde der Delegation nochmals klargemacht, dass die Behandlung der Kirche von Seiten des Staates auch von ihrer Haltung gegenüber der nationalistischen ukrainischen Bewegung abhängig sei.14 Die Hoffnung auf ein friedliches Miteinander zwischen der UGKK und der Regierung der UdSSR blieb jedoch eine Illusion. Die sowjetischen Behörden wollten und konnten die Anliegen der Kirche nicht dauerhaft tolerieren, mussten aber, solange die militärische Lage in der Westukraine noch nicht unter ihrer Kontrolle war, sich im Kirchenkampf zurückhalten.
3. 3.1
Offizielle Auflösung der UGKK
Verhaftung der Hierarchie
Nach dem Tod des Metropoliten Sheptyckyj am 1. November 1944 intensivierte die sowjetische Regierung zunächst ihre Propaganda gegen die UGKK in der Presse. In zahlreichen veröffentlichten Aufsätzen und Berichten wurde vor allem gegen die kirchliche Hierarchie scharf vorgegangen.15 Auch bei Konferenzen, zu denen die staatlichen Behörden die Priester einluden, wurde die Union mit Rom und das Papsttum öffentlich
13 14 15
Bociurkiv, Ukrainian Greek Catholic Church, 90-93. Сліпий, Йосиф, Спомини [Slipyj, Josyf, Erinnerungen], hg. v. Іван Дацько, Марія Горяча, Lemberg-Rom 2014, 154-155. Komp, Hans-Dieter: Die kommunistische Religionspolitik gegenüber der unierten griechisch-katholischen Kirche der Ukraine seit 1944, München 1979, 18.
234
Andriy Mykhaleyko
diffamiert; auf diese Weise sollte eine „Umerziehung“16 der Priester erfolgen. Im März 1945 wurde schließlich ein genauer Plan gegen die UGKK erarbeitet. Die geheime Instruktion Nr. 58, die von Georgij Karpov, dem Vorsitzenden des Rates für die Angelegenheiten der Russischen Orthodoxen Kirche, vorbereitet worden war, wurde von Josef Stalin am 17. März 1945 persönlich gebilligt. Deren erster Abschnitt trug den Titel: „Die Maßnahmen bezüglich der Loslösung der griechisch-katholischen (unierten) Kirche in der UdSSR vom Vatikan und ihrer Angliederung in die Russische Orthodoxe Kirche“. In der Instruktion wurde vorgeschlagen, „in der Stadt Lviv eine orthodoxe Eparchie zu organisieren und ihrem Oberhaupt den Titel des Bischofs von Lviv und Ternopil zu geben. Diese Eparchie wird die [zu jener Zeit noch nicht existierenden – AM] orthodoxen Gemeinden der Lviver, Stanislauer und Ternopiler Oblast vereinigen“. An einer anderen Stelle der Instruktion ging es um die Notwendigkeit der Gründung „einer Initiativgruppe innerhalb der unierten Kirche, die deklarativ über die Loslösung vom Vatikan erklären und den unierten Klerus zum Übertritt zur Orthodoxie aufrufen soll“17. Gemäß dem genehmigten Plan fing man mit der Festnahme der Kirchenleitung an. Am 11. April 1945 erfolgte die Verhaftung des Metropoliten Josyf Slipyj. Mit Slipyj wurden auch andere griechisch-katholische Bischöfe festgenommen: Hryhorij Khomyshyn, Bischof von Stanislau, Nykyta Budka, Weihbischof von Lemberg, Bischof Mykola Charneckyj, apostolischer Visitator von Volhynien und Ivan Ljatyshevskyj, Weihbischof von Stanislau. Am 19. September 1945 wurden die im polnischen Peremyshl tätigen Bischöfe Josafat Kotsylovskyj und Hryhoriy Lakota verhaftet und an die sowjetischen Behörden ausgeliefert. Im Juni 1945 nahmen die Vertreter der sowjetischen Regierung den Prälaten Petro Werhun, den apostolischen Visitator der Ukrainer in Deutschland, in Berlin fest, obwohl er weder die polnische noch die sowjetische Staatsangehörigkeit besaß.18 Das Schicksal des Metropoliten Slipyj und all das, was ihm während der Untersuchungs- und Gerichtsprozesse vorgeworfen und für das er verurteilt wurde, darf als Muster für die Behandlung der anderen Kirchenwürdenträger betrachtet werden. Aus den Verhörprotokollen Slipyjs lässt sich schließen, dass er in den Augen der neuen Machthaber als Spion, Kollaborateur mit dem nazistischen Regime oder als Verbreiter der antisowjetischen Propaganda galt. Ein weiterer Grund für Slipyjs Verhaftung waren seine angeblichen Beziehungen zur Ukrainischen Aufständischen Armee (UAA), sowie Unterordnung gegenüber dem Vatikan.19 16 17
18 19
Galter, Alberto: Rotbuch der verfolgten Kirche, Recklinghausen 1957, 97. Zitiert nach: Білас, Іван: Репресивно-каральна система в Україні, 1917–1953 [Repressionsund Strafsystem in der Ukraine 1917–1953], Kiew 1994, 311-312. Zu den Maßnahmen der sowjetischen Behörden zur Liquidierung der UGKK s. Ліквідація УГКЦ (1939–1946). Документи радянських органів державної безпеки [Liquidierung der UGKK (1939–1946). Dokumente der sowjetischen Sicherheitsorgane], hg. v. Володимир Сергійчук, Bd. 1 und 2, Kiew 2006. Madey, Kirche zwischen Ost und West, 201-202. Патріарх Йосиф Сліпий у документах радянських органів безпеки 1939–1987 [Patriarch Josyf Slipyj in den Dokumenten der sowjetischen Sicherheitsorgane 1939–1987], hg. v. Сергійчук, Вoлодимир, Bd. 1, Kiew 2012; Pelikan, Jaroslav: Confessor between East and West. A PorDtrait of Ukrainian Cardinal Josyf Slipyj, Michigan 1990, 89; Сліпий, Жалоба, 17.02.1961 [Klage vom
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Unter Ausschluss der Öffentlichkeit fand 1946 in Kiew ein Gerichtsverfahren gegen die unierten Bischöfe statt. Slipyj wurde als Spion des Vatikans und Feind der UdSSR, der als kirchlicher Hierarch auf Kosten des Volkes lebe, angeklagt und zu acht Jahren Zwangsarbeit verurteilt.20 Die anderen Bischöfe sprach das Gericht ebenfalls schuldig; sie mussten zwischen fünf und zehn Jahre Zwangsarbeit leisten.21 Slipyj verbrachte insgesamt 18 Jahre in Gefängnis, Konzentrationslagern und Exil, bis er schließlich auf Bitte des Vatikans und persönlich des Papstes Johannes XXIII. 1963 aus der Haft entlassen wurde und nach Rom ausreisen durfte22.
3.2
Bildung einer Initiativgruppe
Neben der Verhaftung der Bischöfe führten die Behörden eine Reihe anderer Maßnahmen mit dem Ziel, die UGKK zu liquidieren, durch. Da die verhafteten Bischöfe eine Kooperation zwischen der UGKK und dem Staat, bzw. den Übertritt in die Orthodoxie und den Anschluss an die ROK ablehnten, wurde wenige Wochen nach ihrer Festnahme auf Anordnung der Regierung und entsprechend der Instruktion Nr. 58 eine „Initiativgruppe“ aus der Zahl der griechisch-katholischen Priester unter der Leitung
20 21 22
17. Februar 1961, Kiew], „І ПІЗНАЄТЕ ПРАВДУ“ (ЙО. 8, 32) 1953–1963. ДОКУМЕНТИ, МАТЕРІАЛИ, СВІТЛИНИ. У 20-ТІ РОКОВИНИ З ДНЯ СМЕРТІ ІСПОВІДНИКА ВІРИ ПАТРІАРХА ЙОСИФА СЛІПОГО [„DANN WERDET IHR DIE WAHRHEIT ERKENNEN“ (JOH. 8, 32) 1953–1963. Dokumente, Material, Photos. Zum 20. Jahrestag des Todes des Glaubensbekenners und Patriarchen Josyf Slipyj], Lviv 2004, 178. Патріарх Йосиф Сліпий, Сергійчук, 612-623; Сліпий, Йосиф, Спомини, Дацько, Горяча, 162-170. Madey, Kirche zwischen Ost und West, 202. Die Freilassung Slipyjs, der als einziger überlebender Bischof von den 1945 inhaftierten Hierarchen der UGKK in der sowjetischen Ukraine blieb, ist in erster Linie der Annäherung zwischen dem Vatikan und dem sowjetischen Staat bzw. der ROK zu verdanken. Unter dem Pontifikat von Papst Johannes XXIII. (1958–1963) intensivierten sich die Kontakte mit den kommunistischen Staaten Osteuropas. Die „Hauptakteure“ der neuen Politik der 60-er Jahre waren Papst Johannes XXIII., der amerikanische Präsident John F. Kennedy (1917–1963) und das sowjetische Staatsoberhaupt Chrushchev. Dieses „Triumvirat“ nutzte die Chance der Revision der vatikanischen ‚Ostpolitik’. Formaler Grund für Slipyjs Freilassung war seine Teilnahme als Oberhaupt der UGKK am Zweiten Vatikanischen Konzil, das gerade im Vatikan begonnen hat, und zu dem er eingeladen wurde. Schelkens, Karim: Vatican Diplomacy after the Cuban Missile Crisis. New Light on the Release of Josyf Slipyj, in: The Catholic Historical Review Vol. XCVII NO. 4, October 2011, 679-712. Михалейко, Andriy: ‚Звільнено мене, та не привернено волі моїй рідній Церкві‘. Звільнення митрополита Йосифа Сліпого в контексті змін у дипломатичних відносинах Ватикану з СРСР та Російською Православною Церквою [„Ich wurde befreit, aber meiner Kirche wurde die Freiheit nicht zurückgegeben“. Freilassung des Metropoliten Josyf Slipyj im Kontext des Paradigmenwechsels in den diplomatischen Beziehungen zwischen dem Vatikan und der UdSSR bzw. der Russischen Orthodoxen Kirche], in: Патріархат 1/434 (2013), 7-11; Горяча, Марія: Звільнення митрополита Йосифа Сліпого в 1963 році [Freilassung des Metropoliten Josyf Slipyj in 1963], in: Ковчег VII (2015), 335-365.
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eines einflussreichen Priesters, Havryil Kostelnyk (1886–1948), gebildet.23 Die Aufgabe der Initiativgruppe bestand vor allem darin, eine dem Anschein nach legitime kirchliche Synode der UGKK zu organisieren, die den Abbruch der Beziehungen zur Katholischen Kirche beschließen und die ‚Union’ mit der ROK durchführen sollte. Dieses Gremium galt außerdem als einziges vom Staat autorisiertes Organ innerhalb der UGKK, dem nach der Festnahme der Bischöfe die volle Jurisdiktion über die Gemeinden zukam. Um ihr Amt ausüben zu dürfen, benötigten die griechisch-katholischen Priester eine Erlaubnis dieses Gremiums.24 Als erstes verfasste die Initiativgruppe am 28. Mai 1945 ein Schreiben an den unierten Klerus mit einem Aufruf zur Wiedervereinigung mit der orthodoxen Kirche. Dagegen protestierten mehrere Priester, die sich ihr nicht angeschlossen hatten, beschwerten sich am 1. Juli 1945 in einem Schreiben bei Molotov über die Verhaftung der Bischöfe und äußerten sich gegen das Vorgehen der Initiativgruppe; sie verwiesen auf die gültigen sowjetischen Gesetze, in denen die freie Religionsausübung garantiert war.25
3.3
Die s.g. Lviver Synode 1946
In einem nächsten Schritt sollte die UGKK ‚kanonisch’ in die ROK eingegliedert werden. Dies konnte nur dann glaubwürdig geschehen, wenn die Kirche den Übertritt selbst durchführen würde. Das Problem bestand aber darin, dass die UGKK ihrer Hierarchie beraubt worden war. Um also dem Übertritt nach außen hin Legitimität zu verleihen, musste eine rechtmäßige Hierarchie geweiht werden. Am 20. Februar 1946 traten in Kiew einige unierte Priester zur ROK über, unter ihnen auch drei Vorsitzende der Initiativgruppe. In wenigen Tagen wurden Mykhailo Melnyk (1903–1955) und Antonij Pelvetskyj († 1957), zwei zölibatäre unierte Priester, zu Bischöfen geweiht, und
23
24 25
Innerhalb der griechisch-katholischen Kirche galt Kostel’nyk als größter Kritiker der Latinisierung und als Sprecher der ‚Östler’, die die Idee der radikalen Veröstlichung der eigenen Kirche vertraten und eine puristische, von lateinischen Beimischungen freie, östliche Liturgie verlangten. Heyer, Friedrich: Kirchengeschichte der Ukraine im 20. Jahrhundert. Von der Epoche des ersten Weltkriegs bis zu den Anfängen in einem unabhängigen ukrainischen Staat, Göttingen 2003, 322323. Bereits während der ersten Besatzung Galiziens (1939–1941) durch die Rote Armee versuchte die Regierung (nicht ohne Erpressungen), Kostel’nyk auf ihre Seite zu ziehen und zur Kooperation zu bewegen. Er sollte mit Unterstützung der Regierung eine nationale, vom Vatikan unabhängige Kirche organisieren und an die Stelle Sheptytskyjs treten. Trotz aller Erpressungen blieb Kostel’nyk standhaft und lehnte dieses zweifelhafte ‚Angebot’ ab. Bociurkiv, Ukrainian Greek Catholic Church, 55. Zur Agenturarbeit der sowjetischen Sicherheitsorgane innerhalb der UGKK s. Скакун, Роман: „Сторож братові моєму“. агентура органів бeзпеки СРСР у середовищі греко-католицького духовенства в 1939–1941 роках [„Hüter meines Bruders“: Agentur der Sicherheitsorgane der UdSSR unter dem griechisch-katholischen Klerus in den Jahren 1929–1941], in: Ковчег VIII (2018), 72-189. Bociurkiv, Ukrainian Greek Catholic Church, 127. Hummer, Franz: Bischöfe für den Untergrund. Zur Praxis der Geheimbischöfe in der katholischen Kirche, Wien-München 1981, 56-57.
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Kostelnyk, der verheiratet war, in den Rang eines Protopresbyters der orthodoxen Kirche erhoben.26 Vom 8. bis zum 10. März 1946 führte die Initiativgruppe eine Synode27 in der Lviver griechisch-katholischen St. Georgs-Kathedrale durch. Dabei verheimlichten die Vorsitzenden der Versammlung, dass sie bereits zur ROK übergetreten waren.28 In der Eröffnungsansprache wies einer von ihnen darauf hin, dass die Union von Brest (1595/96) sich für die UGKK als nicht vorteilhaft erwiesen habe, und deshalb zwingend die Trennung von Rom und der Anschluss an die Patriarchatskirche von Moskau erfolgen müsse. Am 9. März 1946 erfolgte von den Teilnehmern die geforderte „Abschwörung der lateinischen Irrtümer“29. Die Beschlüsse der Synode sandte man an die Patriarchen von Moskau und Konstantinopel, an Stalin und an den Regierungschef der Sowjetukraine, Nikita Chrushchev. Auch den griechisch-katholischen Gemeinden wurden die in Lviv gefassten Beschlüsse schriftlich mitgeteilt. Anschließend reiste die Delegation unter der Führung von Kostelnyk nach Moskau und erhielt am 5. April 1946 eine Audienz beim dortigen Patriarchen, der im Anschluss daran unter Assistenz der Bischöfe Melnyk und Pelveckyj einen feierlichen Gottesdienst zelebrierte.30 Mit diesen letzten Schritten war die ‚Vereinigung’ der Unierten mit dem Moskauer Patriarchat „im Namen der gesamten katholischen Kirche der Ukraine“31 vollzogen worden; die UGKK galt nun als aufgelöst32. Da die Synode nicht von einem rechtmäßigen Metropoliten oder Bischof der UGKK einberufen und geleitet worden war, wurde sie von der unierten Kirche niemals als rechtlich gültig anerkannt und lediglich als Pseudosynode bezeichnet.
4.
Formen der Existenz und der Seelsorge der UGKK im Untergrund
Die offizielle sowjetische Statistik berichtete in einer Mitteilung von 1950, vier Jahre nach der Lviver Synode, es existiere in Galizien keine einzige griechisch-katholische Gemeinde. Es gab entsprechend der sowjetischen Gesetzgebung auch keine Möglichkeit für 26 27
28 29 30 31 32
Döpmann, Hans-Dieter: Die kommunistische Religionspolitik gegenüber der unierten griechischkatholischen Kirche der Ukraine seit 1944, München 1979, 22-23. Nach der offiziellen Statistik nahmen 216 Priester und 19 Laien teil. Galter, Rotbuch der verfolgten Kirche, 103. Als Datum der ‚Disunion’ wurde, wohl aus symbolischen Gründen, der 350. Jahrestag der Brester Union gewählt. Döpmann, Die kommunistische Religionspolitik, 23. Galter, Rotbuch der verfolgten Kirche, 103. Döpmann, Die kommunistische Religionspolitik, 23-24. Galter, Rotbuch der verfolgten Kirche, 104. Jene Katholiken, die sich dem Moskauer Patriarchat nicht unterstellen wollten, bildeten die sogenannte Untergrundkirche; sie feierten heimlich in privaten Häusern ihre Gottesdienste und blieben dem Apostolischen Stuhl treu. Noch 1957 klagte der „Православний вісник“ (dt.: „Der orthodoxe Bote“), eine Zeitschrift der orthodoxen Diözese Lviv, es gebe noch einige hundert Pfarreien, die sich nicht dem Patriarchen von Moskau unterstellten. Madey, Kirche zwischen Ost und West, 203-204. Zur Verfolgung der UGKK seit 1946 s.: Boeckh, „Völlig normal“, hier 63-71.
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eine legale Existenz der unierten Gemeinden. Faktisch wurde nach 1946 die Tätigkeit der unierten Priester, die sich den Beschlüssen der Synode nicht unterwarfen, unmöglich gemacht. Sie alle standen vor einer dreifachen Wahl: entweder schlossen sie sich der ROK an, oder gaben ihren priesterlichen Beruf auf, oder blieben weiterhin heimlich griechisch-katholisch. In letzterem Fall mussten sie mit Repressalien oder sogar Verhaftung und Verurteilung rechnen. Auch jenen Priestern, die zur Orthodoxie übergetreten waren, wurde allmählich die Lebensgrundlage entzogen. In vielen Fällen mussten sie die Pfarrhäuser verlassen mit der Begründung, dass diese zur Allgemeinnutzung der Dorfgemeinde benötigt würden. Um jene Geistlichen, die die Beschlüsse der Lviver Synode 1946 ablehnten, bildete sich die Untergrundkirche heraus. Ihre Existenz, Widerstandskraft und Überlebenschancen lagen vor allem in einem festen Glauben, der Überzeugung, um jeden Preis die Einheit mit Rom aufrechterhalten zu müssen und in einem hohen Vertrauen eines Teiles von Gläubigen und Geistlichen zueinander. Zwischen 1946 und 1989 galt diese Kirche in der Sowjetukraine als „einzige Institution mit großer Verbreitung, die sich der sowjetischen Kontrolle zu entziehen vermochte […]“33
4.1
Hierarchische Strukturen und Priesterausbildung im Untergrund
Als Erstes war für die Untergrundkirche wichtig, die Kontinuität der kirchlichen Hierarchie und den priesterlichen Nachwuchs zu gewährleisten.34 Die Sicherstellung dieses Dienstes geschah durch die Bischofsweihen, die die Untergrundbischöfe heimlich vollzogen. Zwischen 1945 und 1989 erhielten unter den Umständen der strengsten Konspiration 15 Diözesan- und wahrscheinlich 5 Titularbischöfe die Weihen. Es gab Bischöfe aus der Zwischenkriegszeit, die nach der Ankunft der Sowjets mit der Verhaftung gerechnet hatten und deshalb, wie Hryhorij Khomyshyn, noch vor ihrer Festnahme im April 1945 für eine Vertretung sorgten, indem sie heimlich Weihbischöfe weihten. Die Weihen fanden, nach dem Verbot und nach der Enteignung der Kirchen und ihrer Überführung in die ROK, an verschiedenen Orten und hauptsächlich in privaten Wohnungen statt. Eine solche Bischofsweihe ereignete sich sogar in der Hauptstadt der Sowjetunion, Moskau. Am 4. Februar 1964, kurz vor seiner Ausreise aus der Sowjetunion und der Fahrt nach Rom, weihte Metropolit Josyf Slipyj, der kurz zuvor aus der Haft entlassen worden war und in Moskau auf die Ausreisedokumente wartete, in einem Zimmer des Moskauer Hotels „Moskau“ Vasyl Velychkovskyj, den Abt des Redemptoristenordens, der selbst zuvor seine zehnjährige Strafverbüßung in Workuta beendet hatte, zum Bischof und ernannte ihn zu seinem Vertreter in Lviv.35 Der Weiheritus wurde unter solchen Umständen freilich auf die für die Gültigkeit der Weihe konstituierenden Elemente reduziert. Bei dieser und bei den 33 34
35
Boeckh, „Völlig normal“, hier 98. Allgemein dazu s.: Zum Licht der Auferstehung durch die Dornen der Katakomben. Untergrundtätigkeit und Legalisierung der Ukrainischen Griechisch-Katholischen Kirche, hg. v. Andriy Mykhaleyko u.a., Lviv 2013, 19-22, 53-57. Hummer, Bischöfe für den Untergrund, 72.
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anderen Untergrundbischofsweihen wurden in Rom keine Weihegenehmigungen eingeholt, wie es unter den normalen Umständen entsprechend dem damals geltenden Kirchenrecht notwendig gewesen wäre. Daher veröffentlichte man im alljährlichen römischen Verzeichnis der Hierarchie und der Strukturen der Katholischen Kirche „Annuario Pontificio“ während der sowjetischen Periode nie die Namen der Untergrundbischöfe, obwohl einige von ihnen der Öffentlichkeit wohl bekannt waren. Dies geschah unter anderem aus Rücksicht auf Empfindlichkeiten des Moskauer Patriarchats, für welches die UGKK sich freiwillig mit der ROK vereinigte und daher nicht existierte. Bereits ein Jahr später entschloss sich Bischof Velychkovskyj 1964, weitere Geheimbischöfe zu weihen, darunter auch am 2. Juli 1964 seinen Nachfolger, Bischof Volodymyr Sternjuk. Sehr wahrscheinlich ist, dass in derselben Zeit die anderen Titularbischöfe als „Reserve“ geweiht wurden: Ivan Chornjak, Nykanor Dejneha, Petro Kozak und Josyf Hirnjak, mit dem ihnen verliehenen Recht, bei Bedarf die Priester für die Untergrundkirche zu weihen. Wegen der permanenten Gefahr der Verfolgung zwangen die Umstände dazu, die Bischofsweihen geheim zu halten. Deshalb verfügten die Gläubigen oft über keine genauere Information bezüglich ihrer Untergrundbischöfe. Das Auftreten der neuen jungen Priester legte aber Zeugnis für ihre Existenz ab. Die Bischöfe durften sich auch nicht vorzeitig zu erkennen geben, deshalb fingen viele von ihnen ihre aktive bischöfliche Tätigkeit de facto nach der Legalisierung der UGKK im Jahre 1989 an. Ähnlich verhielt es sich mit der Priesterausbildung. Eine der wichtigsten Aufgaben der kirchlichen Leitung der UGKK im Untergrund galt der Auswahl, der Ausbildung und den Weihen der Priesteramtskandidaten, um die Seelsorge kontinuierlich zu gewährleisten. Zu diesem Zweck wurden einige geheime Priesterseminare gebildet, in denen die neuen Generationen von Priestern ihre Ausbildung erhielten. Seit Anfang der 1960er Jahre standen die Bischöfe vor der Frage, wie das Auswahlsystem von Kandidaten und ihre Vorbereitung auf das Priestertum organisiert werden sollte. Zu jener Zeit hatte man bereits mit Jugendlichen zu tun, die unter den Bedingungen der offiziellen atheistischen Ideologie erzogen und ausgebildet wurden. Eine große Zahl der Kandidaten waren Söhne und enge Verwandten der griechisch-katholischen Pfarrer und Kinder von aktiven Laien. Oft waren es Klosterschwestern und Frauen, die bei den jungen Burschen entsprechende Eigenschaften und Fähigkeiten erkannten, sie daraufhin ansprachen und auf den Weg des Priestertums lenkten. Die Ausbildung in Untergrundseminaren gewährleisteten hauptsächlich ehemalige Professoren der diözesanen Priesterseminare und der griechisch-katholischen Akademie von Lviv und später auch erfahrene und ausgebildete Priester, die bereits im Untergrund zu Priestern geweiht wurden. In der Regel dauerte die Ausbildung mehrere Jahre und trug immer einen individuellen Charakter. Ein erfahrener Priester erhielt normalerweise zwei bis drei Kandidaten. Seine Aufgabe war, seine Seminaristen mit älteren Handbüchern aus der Vorkriegszeit und Übersetzungen aus dem Lateinischen und anderen Sprachen zu versorgen und auch ihre Allgemeinbildung und Formation zu vervollständigen. Der individuelle Charakter des Studiums hing vor allem damit zusammen, dass viele Untergrundpriesteramtskandidaten ihr Studium mit dem Berufsleben
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verbinden mussten und nur an ihren arbeitsfreien Tagen und in der Urlaubszeit lernen konnten. Das Studiencurriculum war im Vergleich mit den vorher bestehenden Priesterseminaren freilich auf das Wesentliche reduziert und bestand hauptsächlich aus folgender Auswahl von theologischen Fächern, die wichtige und notwendige Grundlage der priesterlichen Ausbildung bildeten: Moraltheologie, Pastoraltheologie, Dogmatik, Kanonistik, Liturgik, Heilige Schrift, Philosophie, Kirchengeschichte, Ethik und der kirchliche Gesang. Nach einem im Regelfall vier- bis sechs Jahre dauernden geheimen Studium fanden die Weihen statt. Eine aus älteren und erfahrenen Priestern bestehende Kommission prüfte die Kandidaten. Hatte der Kandidat positive Ergebnisse, so erhielt er eine Weihempfehlung für den Bischof.
4.2
Formen der Seelsorge im Untergrund
Zu einem konzentrierte sich die Seelsorge im Untergrund in den Konzentrationslagern und den Verbannungsorten. Viele festgenommene Geistliche und ihre Familienmitglieder wurden in verschiedene Orte der UdSSR deportiert oder in Gefängnisse gebracht. Die Intensität der Seelsorge hing häufig von der Strenge der Aufsichtsregeln in den einzelnen Vollzugsanstalten ab. Nach den Berichten der Augenzeugen ergab sich in einigen Lagern die Möglichkeit, geheime Gottesdienste zu feiern, in den anderen jedoch nicht. Die Priester Mykola Markevych und Petro Heryljuk-Kupchynskyj, die ihre Gefangenschaft in Karaganda abbüßen mussten, sprachen davon, dass sie gelegentlich „die Möglichkeit hatten, zusammenzukommen und die Liturgien zu feiern“. In Gefängnissen und in Lagern mit strengerer Aufsicht mussten sich die Priester dagegen mit den privaten Liturgien, für welche sie ganz einfache aus den vorhandenen Stoffen hergestellte liturgische Gegenstände benutzten, zufrieden stellen und dabei große Kreativität und Flexibilität aufwiesen: „In den Regimelagern feierte ich die Göttliche Liturgie in der Nacht bei geschlossener Tür in einer Baracke. In der Baracke brannte die ganze Nacht das Licht. Wir hatten dort einen Tisch, auf dem ich den Gottesdienst feierte. Für die Feier haben mir unsere Leute einen Holzkelch und eine Holzpatene angefertigt. Die Kelchtücher habe ich aus dem Stoff ausgeschnitten, den wir für die Fußlappen erhielten“. (Aus einem Interview mit Priester Volodymyr Senkivskyj)36. Bischof Velychkovskyj feierte täglich im Geheimen die Göttliche Liturgie und benutzte dafür einen Konservendeckel: „… und dieses Stücklein Blech – das war für ihn Kelch, Patene, Altar und seine Kirche“ (Aus einem Interview mit Priester Pavlo Brytskyj)37. In den Orten der Verbannung gab es wesentlich mehr Gelegenheiten für die Seelsorge. Die Priester lebten in eigenen Häuschen. Dort, wo die Kontrolle der Kommandantur nicht so streng war, konnte man freier und häufiger Gottesdienste feiern. Außer den Göttlichen Liturgien pflegten die Siedler, falls dort Priester vorhanden waren, mindestens die christlichen Hochfeste wie etwa Ostern oder Weihnachten zu 36 37
Zitiert nach: Zum Licht der Auferstehung durch die Dornen der Katakomben, Mykhaleyko, 32. Zitiert nach: Ebd.
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feiern. Diese religiösen Feiern stärkten den Zusammenhalt der Menschen, die von ihrer Heimat weit entfernt waren. Zum anderen entfaltete die Seelsorge in der Sowjetukraine, vor allem in der Westukraine, ihre eigene Dynamik. Die Hauptpromotoren des Kirchenlebens im sowjetukrainischen Untergrund waren Bischöfe, Priester, Ordensbrüder und -schwestern sowie Laien, die aus den Lagern und Verbannungsorten in den 1950er Jahren nach Hause zurückgekehrt waren. Es fand keine spezielle systematische Koordination der seelsorgerischen Arbeit statt. Die Bischöfe konnten die Seelsorger „mit Rat unterstützen“, wie etwa, wohin sie fahren und was sie tun sollen. Meistens handelten aber die Priester aus eigener Verantwortung und wandten sich an die Bischöfe nur in äußerst dringenden Fällen. Es existierten auch keine streng festgelegten territorialen Einschränkungen in der seelsorgerischen Betreuung der Gläubigen. Zur Pfarrei eines Seelsorgers wurden, wie man zu sagen pflegte, die ganze Ukraine und die Deportationsorte, an denen sich die Gläubigen befanden. Dies führte aber gelegentlich zu Spannungen zwischen diversen Untergrundgruppen. Die ältere Generation der Geistlichen neigte mehr dazu, sich am territorialen Prinzip der Aufteilung der Eparchien, wie es vor dem Zweiten Weltkrieg üblich war, zu orientieren. Die jüngeren Priester fühlten sich dagegen eher jenen Bischöfen verpflichtet und verbunden, die sie geweiht hatten. Die geheimen Gottesdienste wurden hauptsächlich in den Privathäusern der Gläubigen, an den ehemaligen griechisch-katholischen Wallfahrtsorten, die ihre Anziehungskraft nicht verloren, und vor den geschlossenen Kirchengebäuden abgehalten. Die Gottesdienste feierte man meistens in der Nacht, hinter verschlossenen Türen und bei zugezogenen Vorhängen. Anwesend waren ein paar bis einige Dutzend Menschen. Die Liturgie selbst, vor der Gelegenheit zur Beichte angeboten wurde, wurde meistens gelesen und nicht gesungen, wie es unter normalen Umständen in den Gottesdiensten des byzantinischen Ritus üblich ist. Die Priester hielten stets eine Predigt, in der sie die Gläubigen zu stärken und ihnen Mut zuzusprechen versuchten, der katholischen Kirche treu zu bleiben. Für den Gottesdienst zog der Priester meistens nur eine Stola an und nur selten ein Phelonion (das priesterliche Obergewand), denn im Fall einer Razzia konnte er die Stola schnell abnehmen und sie verstecken. Aus Sicherheitsgründen trugen die Geistlichen die für den Gottesdienst notwendigen Gegenstände nicht immer bei sich. Diese Funktion übernahmen jene Priesterbegleiter, die sie eingeladen hatten. Häufig erfüllten diese Aufgabe die Kinder oder die Frau des Priesters. Die liturgischen Gegenstände sollten klein und kompakt sein. Der Kelch wurde oft durch ein einfaches Glas, die Patene durch ein kleines Tellerchen und das Kommunionlöffelchen durch einen Teelöffel ersetzt. Die Prosphoren (liturgisches Brot) wurden von den Ordensschwestern oder Priesterfrauen gebacken. Wegen der Unmöglichkeit, alle Gläubigen seelsorgerisch zu versorgen, erlaubten ihnen manche Priester, nach Möglichkeit, an den römisch-katholischen Gottesdiensten in den wenigen offiziell erlaubten lateinischen Gemeinden teilzunehmen und bei den dortigen Priestern die Beichte abzulegen. Manchmal durften sogar die griechischkatholischen Priester (wie z.B. Priester Jevstachij Smal) mit Zustimmung des römischkatholischen Pfarrers in den römisch-katholischen Kirchen den eigenen Gläubigen die
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Andriy Mykhaleyko
Beichte abnehmen. Jene Gläubigen, die keine Gelegenheit hatten, an einem Gottesdienst zu partizipieren, hörten die Göttliche Liturgie im Radio „Vatikan“ in ukrainischer Sprache bei sich zu Hause.
4.3
Mönchsgemeinschaften und Rolle der Laien im Untergrund
Nach dem offiziellen Verbot der UGKK im Jahre 1946 leisteten Vertreter der männlichen und weiblichen Mönchsgemeinschaften gegenüber allen Forderungen der Zwangsorthodoxisierung und der Unterbindung der religiösen Tätigkeit den größten Widerstand.38 Nach der Liquidierung und Beschlagnahmung der Klöster sammelten sich die Mönche und Nonnen in getrennten Gruppen zu dritt bzw. zu viert und wohnten in diesen kleinen Gemeinschaften in gewöhnlichen Häusern. Die Mitglieder solcher kleiner klösterlicher Wohngemeinschaften versuchten die von ihrer Klosterregel vorgeschriebenen Pflichten zu erfüllen und jede Gemeinschaft versuchte – je nach Möglichkeit – im Geiste ihres Charismas zu leben und zu wirken. Die Neuzugänge zu den Klostergemeinschaften stammten hauptsächlich aus den Reihen der Jugendlichen, die in die Klöster kamen, um dort um Rat von Schwestern, Mönchen bzw. Mönchspriestern zu bitten. Das Noviziat erfolgte immer individuell unter der Anleitung eines erfahrenen Mönches oder einer erfahrenen Schwester. Den Klosterschwestern kam eine sehr wichtige Vermittlungsrolle zwischen den Priestern und den Gläubigen zu. Sie kümmerten sich um die religiöse Erziehung der Kinder und in ihren Häusern wurden die allerheiligsten Gaben der Eucharistie aufbewahrt. Die Schwestern unterstützten die Priester, vereinbarten und gaben die Orte und die Zeiten für die Gottesdienste weiter (besonders in der vorweihnachtlichen und vorösterlichen Zeit); sie hatten bei sich fast immer die ganze Ausstattung für die Durchführung der eucharistischen Gottesdienste. In diesen „wandernden Kirchen“ waren die Schwestern sowohl Messnerinnen als auch Kantorinnen und Katechetinnen. Eine besondere Stellung im kirchlichen Untergrund nahmen die Laien ein. Ihr Engagement war eine große Unterstützung für Priester und Bischöfe. Sie stellten ihre Häuser für die Feier der Gottesdienste und die Spendung der Sakramente zur Verfügung. Sie kümmerten sich auch um geschlossene Kirchen, begleiteten ihre Seelsorger, spielten eine Vermittlerrolle in der Kommunikation mit den Geistlichen.
5.
Zusammenfassung
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Sowjets ihr Verbot der UGKK und die darauf folgende Verfolgung formal nicht wegen der Religiosität oder der Zugehörigkeit der griechisch-katholischen Gläubigen und Klerus zur „falschen“ Kirche begründeten, sondern dadurch rechtfertigten, dass die UGKK sich als Institution diskreditierte, ihre Mitglieder die ukrainische nationalistische Bewegung unterstützten, mit den Nazis 38
Dazu: Ders., 44-52.
Die Ukrainische Griechisch-Katholische Kirche im Untergrund (1946–1989)
243
kollaborierten, oder Spionage zugunsten der feindlichen ausländischen Kräfte, vor allem des Vatikans, führten. Da in der UdSSR Staat und Kirche getrennt waren, wurde im März 1946 in Lviv eine quasi kirchliche Versammlung organisiert, die nach außen hin den Anschein vermitteln sollte, dass die UGKK sich selbst und ohne einen äußeren Druck auflöste. Dass diese „Selbstauflösung“ fiktiv und vom Staat organisiert und gesteuert wurde, beweisen nicht nur die jetzt zugänglichen geheimen Dokumente der sowjetischen Sicherheitsorgane, sondern auch das Untergrundleben und die illegale Tätigkeit der UGKK, die nach 1946 ununterbrochen fortgesetzt wurden und die ganze sowjetische Periode bis 1989 überdauerten. Natürlich darf diese Periode nicht idealisiert und heroisiert werden. Dem griechisch-katholischen Milieu blieben Spannungen nicht erspart. Viele dieser Spannungen waren eine Fortführung der bereits in der Zwischenkriegszeit existierenden Konflikte zwischen unterschiedlichen Gruppierungen innerhalb der UGKK. Sie betrafen unter anderem die Diskussion um eine eher „pro-östliche“ oder eher „pro-westliche“ Ausrichtung der UGKK. Die erste Gruppierung favorisierte eine weitgehende Annäherung an die byzantinische Tradition in Liturgie und Kirchenrecht; die zweite forderte eine verstärkte Einführung der römisch-katholischen Elemente (die s.g. „Latinisierung“) in die griechisch-katholische Tradition (Liturgie, Theologie, Kirchenrecht und Disziplin). Die Divergenzen zwischen den Anhängern beider Ausrichtungen zeigten sich nicht nur in Unterschieden bei der Feier der Gottesdienste, sondern auch in der Einstellung zur orthodoxen Kirche, vor allem der ROK und in der Beurteilung des Zweiten Vatikanischen Konzils und dessen Beschlüssen.39 Ein weiteres Diskussionsfeld betraf die Formen und Methoden des Untergrundlebens. Ein Teil vertrat die „leise“ Taktik, die darin bestand, den Behörden gegenüber möglichst unauffällig zu bleiben, um diese nicht zu provozieren. Ein anderer Teil trat dagegen dafür ein, die Interessen der UGKK deutlich stärker in die Öffentlichkeit zu vertreten. Trotz dieser Spannungen vermochten die staatlichen Organe mit ihren Mitteln die kirchliche Widerstandskraft nicht zu brechen und die UGKK auseinander zu dividieren. Sobald es politisch möglich geworden war, konnte die UGKK ihre Strukturen zunächst in der Sowjetukraine und dann seit 1991 im unabhängigen ukrainischen Staat wiederherstellen und weiterentwickeln.
39
Dazu: Mykhaleyko, Andriy: Rezeption und Interpretation des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962–1965) in der ukrainischen griechisch-katholischen Untergrundkirche, in: Anselm Blumberg, Oleksandr Petrynko (Hg.), Historia magistra vitae. Leben und Theologie der Kirche aus ihrer Geschichte verstehen. Festschrift für Johannes Hofmann zum 65. Geburtstag, Regensburg 2016 (Eichstätter Studien. Neue Folge, Bd. 76), 365-379.
Eszter Cúthné Gyóni
IN THE SHADOW OF THE COMMUNIST POWER. A HISTORY OF THE CATHOLIC CHURCH IN HUNGARY FROM THE CONCLUSION OF WORLD WAR II UNTIL THE TRIALS KNOWN AS THE „BLACK RAVENS” SERIES*
1.
Introduction
Before 1945 churches in Hungary – especially the Catholic Church – were in close cooperation with the state; a well function synergy worked between them, and the churches were a natural part of society. In 1944–1945 the country – along with the other northern, eastern and southern neighbours – became part of the Soviet sphere of interest, and churches in Hungary found themselves under strained circumstances as they had to define their new positions in the post-war world, but in a short time they found themselves in the grip of a dictatorship, which was ideologically opposed to the churches and religion.1 This paper will delineate the history of the Catholic Church in Hungary between 1945 and 1961. The term incorporates four periods in the Hungarian history. The first one started in 1944–1945 and lasted to 1948–1949, it was between the Soviet invasion of Hungary and the forming of the single-party state, we can also call this phase in Hungarian history „the years of the Coalition”. The second one lasted until the Hungarian Revolution of 1956, it was the era of Stalin style dictatorship, called Rákosi-era, named after the General Secretary of the Hungarian Workers’ Party. The third one, the shortest one was the two weeks of the Uprising in 1956. The fourth period lasted until 1961/63-64 – depends on our point of view –, it was the period of retaliation and consolidation after the revolution, in the beginning of the Kádár-era. According to this periodization my study is divided into four parts. Even though the emphasis in the church history could be slightly different, I think, it will be clear and correct in this way, because the fate of the churches was strongly determined by the political power after 1945. * 1
I’m grateful to Fr. Bernard Marton, O. Cist. for the review of the study. Cf. Balogh, Margit: „Isten szabad ege alatt” – az egyházak Magyarországon 1945 és 1948 között [„Under God’s free sky” – churches in Hungary between 1945 and 1948], in: Margit Balogh (Ed.), Felekezetek, egyházpolitika, identitás Magyarországon és Szlovákiában 1945 után [Denominations, church policies, identity in Hungary and Slovakia after 1945], Budapest 2008, 49-60, here 49-50. http://www.mtatk.hu/interreg/kotet2/04_balogh_margit.pdf (downloaded: 30th January 2018).
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Eszter Cúthné Gyóni
2.
After World War II – on the way to dictatorship
On the 23rd of September 1944 the Soviet Red Army started the invasion of Hungary. The Hungarian Communists, who had spent years in Moscow in the inter-war period, that’s why we call them the „Muscovites” returned with the Soviet Army.2 Their task was to size the power in Hungary with other Communists3 as soon as it was possible, but – because of the international and domestic political circumstances – they had to do it step by step with patience. The invasion and the liberation of the country was still going on, when the Provisional National Assembly convened in Debrecen on the 21st of December 1944, and next day the Provisional Government was formed. The Communists occupied the one third of the assembly, they had three ministers in the government and in addition (within the Ministry for Home Affairs) they seized the state protection, the Hungarian State Police State Protection Department (ÁVO),4 which was formed in October 1946 from the Budapest Police Main Command Political Department5 led by Gábor Péter.6 These positions were used to accomplish the Communists’ political schemes. They needed less than four years to pass their reforms, to intimidate the Hungarian society and to prepare the one-party system. In 1947–1948 the sovietisation of the country was accelerated and in 1948–1949 the left-wing parties, the Hungarian Communist Party and the Social Democratic Party (fused in June of 1948 as Hungarian Workers’ Party) with materialistic-atheistic ideological base did away with political rivals and came into power: the single-party dictatorship was slowly built up with the support of the Soviet Union. From that time on, Christianity, religion and churches – among them the Catholic Church – became the number one ideological enemy that were marked to be eliminated. The Communists had to take control over the population to achieve their goals, and if we take under consideration, that the Catholic nature of the Hungarian society remained unchanged after the WWII, we can understand why they needed to destroy the economic, social, cultural and educational strength of the Catholic Church.
2.1
The „land reform”
On the 17th of March 1945 the Provisional Government adopted a decree about the long overdue agrarian reform. The Catholic Church in Hungary owned 862 704 acres of
2 3 4 5 6
For example: Mátyás Rákosi, Mihály Farkas, Ernő Gerő, József Révai, Zoltán Vas, Imre Nagy. E.g.: János Kádár, Gábor Péter, László Rajk. Magyar Államrendőrség Államvédelmi Osztálya, ÁVO. Budapesti Főkapitányság Politikai Rendészeti Osztálya, PRO. Cseh, Gergő Bendegúz: A magyar állambiztonsági szervek intézménytörténeti vázlata, 1945– 1990 [Institution history sketches of Hungarian state security services, 1945–1990], in: György Gyarmati (Ed.), Trezor 1. A Történeti Hivatal Évkönyve, 1999 [Trezor 1. Yearbook of Historical Office, 1999], Budapest 1999, 73-89, here 73-74.
In the Shadow of the Communist Power
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land, and in 1945 lost 756 684 acres from that possession.7 The bishops, convents and seminaries each received only 100 acres remaining and clergy-houses could only retain 30 acres, but the remaining possession wasn’t sufficient to support the institutions of the Church. They received subsidy from abroad and from foreign exchange resources, that helped the church institutions for a while, but these facts were easily used in the upcoming show trials as instances of agitation and espionage. The Communists started the „collectivization” of the land in 1948, and some of the priests were placed on the so called „kulak lists” along with wealthy farmers. In 1951 they disclaimed? all their lands to the state. The reform destroyed the economic strength of the Catholic Church and from that time on, the church became completely economically dependent upon the state.8
2.2
The lost connection with the Holy See
Immediately after the war the Catholic Church in Hungary not only suffered the losses caused by the war, but until the spring of 1945 the Hungarian Church remained without its leader and was cut off from the Holy See. On the 29th of March 1945, Prince Primate Jusztinián Serédi died of illness. In addition, on April 6th, the legate Angelo Rotta had to leave Hungary, because the legation was one of the foreign embassies that had been accredited during the time of war, and who were expelled from the country immediately after the liberation by order of Allied Control Commission led by Soviets.9 The new Archbishop of Esztergom, (the head of the Catholic Church in Hungary) József Mindszenty, former Bishop of Veszprém, was appointed in the fall of 1945, but the diplomatic connection with the Holy See wasn’t reinstated for a long time.10 The secret relationship and (from the point of view of the state) the „illegal” communication with Vatican was used up in legal cases against the church as instances of conspiracy.
2.3
The act No. VII of 1946 about the defence of the democratic state by penal law
This next item wasn’t directly a church historical event, but it also had serious effects to churches over the years. 7 8
9 10
Balogh, Margit/Gergely, Jenő: Állam, egyházak, vallásgyakorlás Magyarországon, 1790–2005. II [State, churches, practice of religion in Hungary, 1790–2005. Vol. II.], Budapest 2005, 803. Balogh, „Isten szabad ege alatt”, 51-52; Szabó, Csaba: A Short History of the Hungarian Catholic Church (1945–1990), in: Zsuzsanna Bögre (Ed.), Seekers or Dwellers? Social Character of Religion in Hungary, Council for Research in Values and Philosophy, Washington 2016, 81-136, here 88-89. http://www.crvp.org/publications/Series-VIII/15-Hungary-master.pdf (downloaded: 31st January 2018). They didn’t even take into consideration the legate’s actions in saving the Jews during the persecution. Cf. Balogh, Margit: Szentszéki–magyar kapcsolatok a koalíció (1945–1949) éveiben [Ties between the Holy See and Hungary in the years of the Coalition (1945–1949)], in: Péter Tusor (Ed.), Magyarország és a Római Szentszék [Hungary and the Holy See], Budapest-Rome 2012, 367426, here 367-374.
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After the first elections following the war, the new government passed a bill about Hungary’s form of government on the 31st of January 1946: on the 1st of February 1946, Hungary became a Republic. Afterwards parliament adopted a bill about the defence of the democratic state by penal law. This bill was made to serve the „fight against reaction”, i.e. the rivals of the Communists, that’s why it was mocked as the „hangman law”, and it was used against thousands of citizens, as well as prelates, priest, such as compromised Communists.11
2.4
Dissolution of Catholic Associations
During the spring of 1946 the Communist propaganda started a campaign against Catholic associations, set them up to be „conspirators.” Under these circumstances an event took place on Theresa Boulevard (in Budapest), that was later used to cover the prohibition of Catholic organizations. In the summer of 1946 the Minister for Home Affairs, László Rajk (later executed by his Communist comrades) began to disband Catholic organizations. Due to this actions, about 1500 organizations were prohibited.12 Devotional associations were allowed to operate for a while, but in 1949 all Catholic organizations were disbanded. Cardinal József Mindszenty protested, but nothing was of any use.13
2.5
Nationalization of the schools
After getting the case of the Catholic organisations over the communist propaganda intensified against church schools and religious education: both the level and the spirit of teaching were criticised in the same way and the actions were continued in the beginning of the next year. But in the end the issues of the optional catechism and the state school books were removed from the agenda for a while. (Simultaneously the biggest coalitional partner, the Smallholders Party also had to suffer hard attacks by the left-wing parties.) In August of 1947 two important events took place: the opening of the year of Virgin Mary and the parliamentary elections, the second one after the war. One of Cardinal Mindszenty’s aims by organising the year of Virgin Mary was to make a stand with the obligatory catechism and with the educational power of the church. The religious events of the Holy Year lasted till the 8th of December 1948 in which 4.6 million faithful took
11 12
13
Balogh, Margit: Mindszenty József (1892–1975). I–II [József Mindszenty (1892–1975) Vol. III], Budapest 2015, 501. Balogh, Margit: Szabadlábon fogolyként: avagy a kommunizmus és egyházi ellenállás Magyarországon [At large as a captive: or the communism and the resistance of the Church], in: Vigilia 65 (2000), 402-416, here 403. Mindszenty, József: Emlékirataim [Memoirs], Budapest 1989, 135-136, 138-139; Szabó, A Short History, 90.
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249
part.14 The Holy Year’s events finally became desperate protestations against nationalization of the church schools. Elections were held on the 31st of August 1947 and the fraud committed that by the Communists became evident as shown by their manipulation votes cast; that’s why we call these elections the „blue ballot” elections.15 Despite of this action the Communists were not able to get absolute majority, but they did become the largest party in the country.16 After the elections the issues of church, focusing on education were put on the agenda again and the Communist attack intensified permanently i against them. On the 3rd of June 1948 – under rather stressed atmosphere – a tragic accident happened in Pócspetri which played into the hands Communists’ goals. After evening litany the faithful marched from the Pócspetri’s church to the village hall, where the representatives held discussions about the nationalization of the school. People wanted to make a stand for church schools with their demonstration. Accidentally one of the policemen who tried to control the mass was killed by his own weapon. The village was entirely isolated from the outside world during the investigation, and an officer of the village was accused with murder and the parish priest was accused with conspiracy. The Budapest Criminal Court condemned both to death, but the president of the republic changed the parish priest’s punishment to lifetime imprisonment. (In 1990 the convicts were rehabilitated.) The officer was executed. In additional the Catholic Church was made responsible for fomenting discord in the society.17 The Hungarian Communist Party prepared action against the church schools – this time successfully: on the 16th of June 1948 parliament adopted the bill about the nationalization of schools. (Simultaneously, on the 12th and the 13th of June 1948 – after the Social Democratic Party had been „cleansed” of its democratic leaders – the incorporation of the left-wing parties was to come about.) According to the law the churches lost 4597 schools – from that numbers 3094 were Catholic institution.18 Before the adaptation of the bill the episcopacy decided that priests, religious and nuns were not allowed to hold jobs in state schools, so after passing the law, 2689 nuns, religious and priests lost their jobs.19 Along with the schools, hospitals, social and foster homes, orphanages and even the cemeteries were also confiscated. On the 6th of September 1949 14 15
16 17
18 19
Mindszenty, Emlékirataim, 201; Balogh, Mindszenty József, 709. The byname origins from the electoral ballots’ blue colour. False ballots were printed, and the communist activists voted in several places, travelling by cars, lorries and even bicycles from one place to another. Szerencsés, Károly: A kékcédulás hadművelet (Választások Magyarországon, 1947). [The blue tag operation (Elections in Hungary, 1947)], Budapest 1992. Mészáros, István: A katolikus iskola ezeréves története Magyarországon [History of the thousand years catholic school in Hungary], Budapest 2000, 298-299; Mikó, Zsuzsanna: A pócspetri-per(ek) [The Pócspetri suit(s)], in: Csaba Szabó, László Szigeti (Eds.), Az egyházi iskolák államosítása, 1948 [Socialization of canonical schools in Hungary 1948], Budapest 2008, 123-137. Szabó, A Short History, 95. Beke, Margit (Ed.): A magyar katolikus püspökkari tanácskozások története és jegyzőkönyvei, 1945–1948 [Conferences and proceedings of the Hungarian episcopacy between 1945–1948], Köln–Budapest 1996, 400.
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Eszter Cúthné Gyóni
– despite the fact that Gyula Ortutay, Minister for Religion and Education had promised the opposite before – the obligatory catechism was changed to optional religious education by a decree law of the Presidential Council.20 The educational and social power of the churches was broken. The monopoly of an atheist state education was established which was essential for the Communists to gain and after then to hold the total power.
3. 3.1
Catholic Church in the Rákosi-Regime
The Mindszenty-case
The campaign against the church was continued even after the nationalization of the schools and the concentrated attack was launched against the Primas József Mindszenty, who by this time remained the main and the most consistent opponent of Communism. The procedure against the Archbishop started on the 19th of November, when his secretary, András Zakar was arrested by the political police. The archbishop must have expected his upcoming arrest, and shortly before it he had formulated a brief note in which he denied all subsequent accusations against him.21 The cardinal was soon arrested, on the 26th of December 1948, and then he was held at 60 Andrássy Street. He was accused of treason, conspiracy, espionage, agitation and organization for reinstating the Habsburg-monarchy in Hungary. The documents had already been collected since 1945, so the Minister for Home Affairs, János Kádár could publish the results of the investigation on the 29th of December. They served later as counts filed against him in the lawsuit. The trial of the Primas and his six companions lasted from the 3rd and 8th of February 1949. Cardinal Mindszenty was sentenced to life imprisonment. (But the Primas and the second co-defendant, Justin Baranyay, Cistercian professor of law were almost handed the death penalty.)22 The Catholic Church in Hungary again lost its leader.
3.2
The forced agreement
After the arrest of the Primas, the episcopacy was put under pressure, but even if the bishops (because they were intimidated) showed willingness to start discussion with the state, it didn’t happen, because of the message of Pope Pius XII. The Pope stood by 20 21 22
Balogh/Gergely, Állam, egyházak, vallásgyakorlás Magyarországon, 894. Gergely, Jenő: A Mindszenty-per [The Mindszenty suit], Budapest 2001, 56. Gergely, Jenő/Izsák, Lajos: A Mindszenty-per [The Mindszenty suit], Budapest 1989, 189, 215, 275; Állambiztonsági Szolgálatok Történeti levéltára [Historical Archives of the Hungarian State Security] (henceforth: ÁBTL) 3.1.9. V-700/56/A-B, 358; ÁBTL 3.1.9. V-700/7/1.
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the innocence of Cardinal Mindszenty and asked the Hungarian bishops to hold steadfast. From this time on József Grősz, Archbishop of Kalocsa led the episcopacy and – for lack of permission of the Holy See – he avoided successfully signing any agreement with the State in the next year and half. In the fall and in the winter of 1948, the so called agreements were forced between the Reformed Church, the Evangelical Church, the Unitarian Church, the Israelite denominations and the government of the Hungarian Republic. The four documents were meant to „settle the relation between state and church in a peaceful and appropriate manner desired by both sides.”23 During 1948/1949 the Communists cooperated with their political rivals and intimidated the whole society, and the single-party state was born during these years. The juristic closure of that progression was the adoption of the new – Soviet-type – constitution for Hungary on the 18th of August 1949. But the Catholic Church in spite of the hard attacks still tried to resist pressure. In 1949 and 1950 the pressure on the Catholic Church was intensified on two main fronts. After the nationalization of the schools the state-party leaders regarded the members of the religious orders as worthless members of the society, the „irregular troops”, illegal agitators of the Vatican.24 The state-party leaders began to prepare the orders’ dispersal but at the same time the orders’ case was used in order to put pressure on episcopacy to start negotiations with the representatives of government. The internment of religious and nuns started on the 7th of June 1950 as the first step from the Yugoslav border and thereafter, on the night of the 9th and 10th of June from the western border.25 And after the next waves of internments – on the 15th of June and on the 18th and the 19th of June26 – the episcopacy decided to initiate discussion with the government in favour of the deported religious and nuns. 23
24
25 26
Szabó, A Short History, 83. The Reformed Church and the Unitarians signed their pacts on the 7th of October 1948. Magyar Nemzeti Levéltár Országos Levéltára [National Archives of Hungary] (henceforth: MNL OL) XIX-A-21-e-II-sz. n.-1948 (16. d.); Balogh/ Gergely, Állam, egyházak, vallásgyakorlás Magyarországon, 869-872. The Israelite sect signed the „agreement” on the 7th of December 1948. MNL OL XIX-A-21-e-IVsz. n.-1948 (16. d.); Balogh/Gergely, Állam, egyházak, vallásgyakorlás Magyarországon, 875-87 The Evangelical Church signed the pact with the state on the 14th of December 1948. MNL OL XIX-A-21-e-III-sz. n.-1948 (16. d.); Balogh/Gergely, Állam, egyházak, vallásgyakorlás Magyarországon, 881-884. A very intensive propaganda action was realized in the stateparty’s daily paper, Szabad Nép (the name means „Free Folk” in English) from the beginning of 1950. Cf. Szabad Nép Vol. VIII; Cúthné Gyóni, Eszter: „Nem harcolunk, de nem is búcsúzunk…” A Ciszterci Rend Zirci Apátságának története a második világháború végétől Endrédy Vendel apát haláláig [„We no longer fight, but neither do we give up…” History of the Cistercian Abbey of Zirc from the conclusion of WWII until the death of Abbot Wendelin Endrédy], Budapest 2017, 131-133. Bánkuti, Gábor: A szerzetesrendek feloszlatása Magyarországon, 1950 [The dispersal of the orders in Hungary, 1950], in: Rubicon XVII (2006) No. 4, 46-53, here 51. The State Security Authority (ÁVH) evacuated the Cistercian convent in Eger on the 15th of June, and on the night from 18 to 19 another 1120 monks and nuns were interned from Székesfehérvár and Budapest. Cúthné Gyóni, „Nem harcolunk, de nem is búcsúzunk…”, 148.
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The negotiations started on the 28th of June 1950, and lasted for two months, in eight rounds.27 The representatives of the Catholic Church were totally given over to the government. It was – among other things – because even during the negotiations the pressure on them increased by the further deportations of religious and nuns on the one hand, and by initiating the „progressive priests” (or peace priests) movement – attached to the fighting for peace movement in Hungary – on the other hand.28 The so called „agreement” was signed on the 30th of August 1950 by the representatives of the Catholic Church and by the representatives of the Hungarian People’s Republic. The most important facts about the agreement are that elementary issues for the church, like the relationship with the Holy See and the issues of the religious orders – excepting the question of the eight secondary schools – were not even mentioned in the text of the agreement. Moreover, the document was not valid either from ecclesiastical nor from constitutional point of view, because in the Catholic Church any agreement with each state is the exclusive right of the Holy See. On the 7th of September 1950, a decree law of the Presidential Council was published: it revoked the authorization of religious orders in Hungary. According to the agreement, wherein the government offered to return six schools for boys and two for girls, only four orders (Benedictines, Piarists, Franciscans and Poor School Sisters named after Virgin Mary) could operate in Hungary.29 The remaining orders were dissolved,30 and their houses were nationalized. After 1950 the religious orders (except for the aforementioned four) have been prohibited for forty years in Hungary. Thousands of nuns and religious had to give up their way of life, or had to carry on their lifestyle in secret, against the law of the Hungarian People’s Republic. The abolishing of the religious orders meant a great loss not only for the Catholic Church, but also for the whole Hungarian society because of the orders’ cultural, intellectual, social and charitable role.
27
28 29
30
The documents of the negotiations are archived in the National Archives of Hungary (MNL OL XIX–A–21), and they are published by Jenő Gergely. Gergely, Jenő: Az 1950-es egyezmény és a szerzetesrendek felszámolása Magyarországon [The pact of 1950 and the dissolution of convents in Hungary] Vigilia, Budapest 1990. About the Hungarian peace priests movement cf.: Pál, József: Békepapok [Peacepriests], Budapest 1995. Benedictines in Pannonhalma and Győr, Piarists in Budapest and Kecskemét, Franciscans (of Saint John of Capistrano) in Esztergom and Szentendre and Poor School Sisters named after Virgin Mary in Budapest and Debrecen. Balogh/Gergely, Állam, egyházak, vallásgyakorlás Magyarországon, 949-951. 23 male orders and 40 female orders were dissolved. Ibid, 947-948. In the summer of 1950 2454 male and 7673 female religious lived in Hungary according to the data found in the Central Archives of the Hungarian Province of the Piarist Order. A Piarista Rend Magyar Tartománya Központi Levéltára [The Central Archives of the Hungarian Province of the Piarist Order] IV. 149. N 1267/1., 1/a.
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3.3
253
The Grősz-case
After the forced agreement and the dissolution of the orders pressure on the church by the single-party state wasn’t eased. The state-party elaborated a new policy against the Catholic Church, which was sketched out on the 4th of May 1951 by József Révai at the meeting of the Secretariat of the Central Committee of the Hungarian Workers’ Party.31 On the 18th of May 1951 Archbishop of Kalocsa, József Grősz – one of the signatories of the agreement with the representatives of the state – was arrested. The lawsuit against him and his eight companions started on the 22nd of June 1951. Attached to the main trial 24 closed court hearings were held,32 in which 15 death penalties were handed out. In the main case Archbishop Grősz was sentenced to 15 years of imprisonment on the 28th of June 1951. But it wasn’t the most severe judgement: a religious of the Paulist order, Ferenc Vezér was sentenced to death and executed.33 The cases of two defendants (the fourth one, Hévey László and the fifth, Pongrácz Alajos) were removed from the main trial and passed over to the martial court, which sentenced them to death. Both of them were executed.34 The five other defendants were sentenced to imprisonment from 8 to 14 years (among them Vendel Endrédy, abbot of Zirc, the leader of the Cistercian order in Hungary and Jenő Csellár, the head of the Paulist order).35 While the main trial was proceeding the State Security Authority (ÁVH, morphing from ÁVO in 1948) put the four bishops deemed unreliable (Endre Hamvas, Lajos Shvoy, József Pétery and Bertalan Badalik) under house arrest, and they were forced to appoint peace priests as episcopal office managers and vicars.36 Later the same thing happened in each episcopal see: from June 1951 the representatives of the state appeared in the episcopal halls, they were mocked as „moustachioed bishops”.37 The Grősz-case, the be-all and end-all was to prove that the leadership of Catholic Church remained „reactionary” even after signing the agreement with the state, and the prohibited religious orders didn’t observe the law of the Hungarian People’s Republic, 31
32 33
34 35
36 37
MNL OL M-KS 276. f. 54. cs. 142. ő. e. 1-12. The decision of the Secretariat of the Central Committee of the Hungarian Workers’ Party on 4th of May 1951; published: Ólmosi, Zoltán: Proletárdiktatúra és egyház, 1951 [Proletary dictatorship and the church, 1951], in: História, XIII (1991) No. 5-6, 23-27 and Szabó, Csaba (Ed.): A Grősz-per előkészítése, 1951 [Preparation of the Grősz suit 1951], Budapest 2001, 100-109. Balogh, Margit/Gergely, Jenő: Egyházak az újkori Magyarországon, 1790–1992. Kronológia [Churches in modern Hungary 1790–1992. A Chronology], Budapest 1993, 296. Cf. Bertalan, Péter: Áldozat vagy megmaradás – Állambiztonsági hálózatok a pálos rend ellen 1945 után [Victim or Persistency – State Security Networks Versus the Pauline Order After 1945], in: Polgári Szemle, 11 (2015) No. 1-3, http://polgariszemle.hu/archivum/96-2015-junius-11evfolyam-1-3-szam/toertenelemtudomany-jogtoertenet/670-aldozat-vagy-megmaradas-allambiztonsagi-halozatok-a-palos-rend-ellen-1945-utan (downloaded: 31st January 2018) Margit Balogh, Csaba Szabó (Eds.): A Grősz-per [The Grősz suit], Budapest 2002, 266, 437. Budapest Főváros Levéltára [Budapest City Archives] (henceforth: BFL) XXV. 4. f. 001211/1951, 744/1990, 1028-1052, 1108-1118; Grősz József és társai bűnpere, 1951 [The trial of József Grősz and his compagnons, 1951], Budapest 1951, 323-330; Balogh, Szabó (Eds.), A Grősz-per. 205-211, 214-226. Szabó, A Short History, 102-103. Szabó, A Short History, 105.
254
Eszter Cúthné Gyóni
they continued their religious lifestyle in secret. On this point the canon and the law of the state were opposing each-other, and for the clergy the canon was authoritative.
3.4
The total submission
On the 18th of May 1951 a bill was passed about the State Office for Church Affairs (Állami egyházügyi Hivatal in Hungarian, henceforth: ÁEH).38 This office was set up for the implementation and support of the agreements between the state and the denominations and for managing issues of the churches under the control of the party-state system. The office had to report to the government.39 The intimidated bishops were ready to take an oath required by the state for the Hungarian People’s Republic. The bishops in their circulars encouraged the believers to carry on agricultural works or subscribe to the „peace loan”. The total submission of the Catholic Church to the state was accomplished and simultaneously the establishment of the total dictatorship was finished in Hungary. The activity of the church was restricted exclusively to within the walls of the churches and limited to the liturgy, but in the long run the Communists’ aim was complete liquidation. The terror was increased further by the Communist power. The education of the clergy was highly restricted (for example: the seminary in Esztergom was handed over to the Army of the Hungarian People’s Republic as a military boarding school in February of 1953).40 In the beginning of 1953 József Pétery, Bishop of Vác and Lajos Shvoy, Bishop of Székesfehérvár were permanently put under house arrest, Pétery afterwards was interned in Hejce. In 1956, during the days of the revolution he could leave Hejce for a while, but later he was re-interned at the same place. He died in Hejce 38
39
40
The text of the bill is published in: Köpeczi Bócz, Edit: Az Állami Egyházügyi Hivatal tevékenysége [Activities of the State Office for Church Affairs], Budapest 2004, 14-16; Balogh/ Gergely, Állam, egyházak, vallásgyakorlás Magyarországon, 955-958. About the history and the activity of the State Office for Church Affairs: Köpeczi Bócz, Az Állami Egyházügyi Hivatal tevékenysége; Szabó, Csaba: A katolikus egyház állami ellenőrzése és korlátozása az ötvenes években [The control and restriction of the Catholic Church by the state in the fiftie], in: Valóság, 45. (2002) No. 1, 87-96; Szabó, Csaba/Soós, Viktor Attila: „VILÁGOSSÁG” – Az Állami Egyházügyi Hivatal és a hírszerzés tevékenysége a katolikus egyház ellen [„VILÁGOSSÁG” – The intelligence activities of the State Office for Church Affairs against the Catholic Church], Budapest 2006; Soós, Viktor Attila: „Kísérlet az Állami Egyházügyi Hivatal munkatársai életútjának rekonstruálására [Attempt to reconstruct the lives of the staff of the National Church Bureau], in: Margit Balogh (Ed.), „Alattad a föld, fölötted az ég…” Források, módszerek és útkeresések a történetírásban [„The ground beneath you, the sky above you…” Sources, methods and route searching in historiography], Budapest 2010, 67-78. Szabó, A katolikus egyház állami ellenőrzése és korlátozása az ötvenes években, 91. The State Office for Church Affairs wasn’t a unique Hungarian institution. The Soviet Union set up the Office for Church Affairs in 1943, and after World War II, between 1948 and 1951 all the socialist countries set up their own offices following the Soviet model. Balogh, Margit: Egyházügyi hivatalok [Offices for Church Affairs], in: História, XIII. (1991) No. 5-6, 24; Szabó, A Short History, 104. Szabó, A Short History, 106.
In the Shadow of the Communist Power
255
in 1967. Zoltán Meszlényi, chapter vicar of Esztergom died in consequence of the torments he suffered at the internment camp in Kistarcsa.41 On the 5th of March 1953 Joseph Stalin died and changes emerged in Moscow, which spread throughout the Soviet Union’s sphere of interest. On the 4th of July Imre Nagy, the communist politician who was popular amongst the agrarian population was appointed to be the head of the Council of Ministers in Hungary. During his primeministership prices were reduced and the standard of living improved. Hungarian society, including the Catholic faithful could experience some kind of easing since summer of 1953, but that was rather superficial, because the party-state system was kept ongoing until the revolution. The internments ceased, the internment camps were disbanded, arrests were reduced and some political prisoners were released on the one hand, but on the other hand the legal cases against Catholics – especially against members of the religious orders’ – were carried on until 1956 (for example: the legal case of the Piarists, the Benedictines, the Jesuits, the Veszprém novices or the cases against the underground Cistercians order’s members working in the economic and religious educational field.)42 Some months before the revolution, Gyula Czapik, Bishop of Eger, the head of the episcopacy43 died on 25th April 1956. After gathering the necessary information from the State Security Authority and the State Office for Church Affairs and taking them into consideration, in May Archbishop Grősz was given permission to return from captivity to Kalocsa and he became the leader of the episcopacy again, but – we can say as a matter of course – the state security kept an eye on him.44
4.
The short days of freedom in 1956
The Catholic Church (prelates, priest, religious orders) wasn’t an active participant in the outbreak or in the political and military actions of the revolution, they weren’t active formatives of the events during the revolution. Religious leaders called their faithful to be calm, keep the peace, respect the law of the state, condemned bloodshed, and they spoke about forgiveness and assured the
41 42
43
44
Ibid. Szabó, Csaba: A katolikus egyház elleni koncepciós perek Magyarországon (1946–1972) [Show trials against the Catholic Church in Hungary (1946–1972)], in: Magdolna Baráth, Antal Molnár (Eds.), A történelemtudomány szolgálatában. Tanulmányok a 70 éves Gecsényi Lajos tiszteletére [In services of historical studies. Studies in honour of the 70 years old Lajos Gecsényi], BudapestGyőr 2012, 851–862, here 858; Szabó, A Short History, 107; Cúthné Gyóni, „Nem harcolunk, de nem is búcsúzunk…”, 201-216. Czapik lead the episcopacy as Archbishop of Eger, the archdiocese founded third in Hungary because the heads of the archdioceses founded first (Esztergom) and second (Kalocsa) were detained beacause they were in prison. Balogh, Margit: A katolikus egyház és a forradalom [Catholic Church and the Revolution], in: Pál Rosdy (Ed.), A katolikus egyház 1956-ban [The Catholic Church in 1956], Budapest 2006, 11-55, here 18.
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Eszter Cúthné Gyóni
government of Imre Nagy about their support.45 About the grievances of the church (as imprisonment of prelates, priest, religious and nuns) they didn’t speak in public. The execption was Ferenc Virág, Bishop of Pécs. After Pope Pius XII issued the encyclical letter, became known Luctuosissimi eventus, in which he welcomed the revolution, condemned the bloodshed and spoke up for „peace based on justice, love and lawful freedom”, on the 29th of October Bishop Virág issued his own circular. He pointed out the grievances of the church and demanded a solution from the government.46 In the very end of October some prelates47 displaced the compromised vicars and office managers from the episcopal sees.48 Cardinal József Mindszenty was released from captivity in Felsőpetény and arrived to Budapest on October 31st, and during the days of his freedom he received people visiting him, prelates, delegates of Hungarian, foreign journalists, and the representatives of the government. The cardinal proclaimed his allocution to the nation live on radio at 8 p.m. on the 3rd of November. On the 4th, during the Soviet invasion he was whisked to an „internal” emigration into the buildings of the embassy of the United States of America, in the Szabadság (Freedom) Square in Budapest.49 A number of priests helped the revolutionaries. They didn’t assume leading roles, but distributed food, gave consolation, looked after the wounded and buried the dead. They preached peace, forgiveness and mercy. The superiors of the Central Seminary in the capital tried to keep away the seminary students from the events – a retreat was going on during the first days of the revolution in the seminary. In spite of it some of them helped in transporting the wounded to hospitals, consolated them and they also produced leaflets. After the suppression of the revolution they couldn’t avoid retribution.50 45 46
47
48 49
50
Szántó, Konrád: Az 1956-os forradalom és a katolikus egyház. [The revolution of 1956 and the church], Miskolc 1993, 30-31. Salacz, Gábor: A magyar katolikus egyház tizenhét esztendeje 1948–1964. [Seventeen years of the Hungarian Catholic Church 1948–1964], München 1988, 142-144; Szántó, Az 1956-os forradalom, 33-35; Balogh, A katolikus egyház és a forradalom, 41-44. Sándor Kovács, Bishop of Szombathely; Lajos Shvoy, Bishop of Székesfehérvár; Bertalan Badalik, Bishop of Veszprém; Miklós Dudás, Greek Catholic Bishop of Hajdúdorog and József Grősz, Archbishop of Kalocsa. Szántó, Az 1956-os forradalom, 100-101. About Mindszenty’s activities during his freedom’s days and Mindszenty’s radiospeech cf.: Szabó, Csaba: Mindszenty József szabadon töltött napjai 1956-ban. [Free days of Mindszenty in 1956], in: ÁVH–Politika–1956. Politikai helyzet és az állambiztonsági szervek Magyarországon, 1956 [ÁVH–Politics–1956. Political situation and State Security Services in Hungary,1956], Budapest 2007, 223-234; Szabó, Csaba: Mindszenty József „ismeretlen” rádiószózata. [„Unknown” radiospeech of József Mindszenty], in: Csaba Szabó (Ed.), Magyar Katolikus egyház 1956. [Hungarian Catholic Church 1956], Budapest 2007, 99-114; Balogh, Mindszenty József, 1014-1046. Soós, Viktor Attila: „Kedves Barátom” – A Központi Szeminárium papjainak és kispapjainak sorsa az 1956-os forradalom alatt és a megtorlás időszakában [„My Dear Friend” – The history of the Central Seminary’s priests and seminary students during the revolution and the retaliation], in: Pál Rosdy (Ed.), A katolikus egyház 1956-ban [The Catholic Church in 1956], Budapest 2006, 57-101; Bertalan, Péter: Ellenálló szeminaristák [The resistant seminary students], in: Gábor Bánkuti, György Gyarmati (Eds.), Csapdában. Tanulmányok a katolikus egyház történetéből, 1945–1989 [In the trap: Studies from the History of the Catholic Church, 1945–1989], Budapest 2010, 113-127.
In the Shadow of the Communist Power
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The 1956 revolution had exceptional effect on the whole Hungarian society, including the leaders of the state-party system and the churches as well. Although the goal of the one-party state hadn’t changed after the revenge of the revolution and consolidation of Kádár’s power, that was the liquidation of the faith and the churches, after all the state eased the conflicts with churches and softened the methods in the church policy. In the new era of the Soviet type dictatorship the Catholic Church was more and more characterized by peaceful cooperation. This transformed situation was influenced by the trauma and the conclusions of the revolution on the one hand, and the „Ostpolitik,” the new Eastern political line of the Holy See on the other hand, and in the end only some weak underground resistance remained in the Catholic Church in Hungary.51
5.
The church policy after the revolution and the „Black Ravens” conspiracy
Immediately after the revolution the methods of the regime were mostly similar to the methods of the Stalinist type period, as they didn’t change rapidly. Kádár’s slogan „who is not against us, is with us” very slowly became acceptable.
5.1
A new church policy
In the late 50’s the new church policy of the single-party system’s new period started to take shape. On the 10th of June 1958, the Political Committee of the Hungarian Socialist Workers’ Party (formed during the revolution from the Hungarians Worker’s Party and was used by the new regime’s leaders as state-party) considered the fight against the church as its primary task, but some modifications in methods were to be introduced.52 On the 22nd of July 1958, the Political Committee made decisions about the ideological struggle against religiosity.53 Along with the administrative procedures of ideological education and propaganda became more and more important, because they thought if the masses could be transformed into passivity toward the church and religion, the reaction would have no more basis in society. Kádár’s regime established 51 52
53
Szabó, A Short History, 111. MNL OL M-KS 288. f. 5. cs. 82. ő. e. The meeting of the Political Committee of the Hungarian Socialist Workers’ Party’s Central Comittee on 10th of June 1958 and the decision of the Political Committee of the Hungarian Socialist Workers’ Party’s Central Comittee on 10th of June 1958 on the relatiship between state and churche. The decision’s text is published in: Balogh/Gergely, Állam, egyházak, vallásgyakorlás Magyarországon, 999-1006. MNL OL M-KS 288. f. 5. cs. 87. ő. e. The meeting of the Political Committee of the Hungarian Socialist Workers’ Party’s Central Comittee on 22nd of July 1958 and the decision of the Political Committee of the Hungarian Socialist Workers’ Party’s Central Comittee on 22nd of July 1958 on the ideological struggle against religiousness and the ideological education amondst th religious mass. The decision’s text is published in: Balogh/Gergely, Állam, egyházak, vallásgyakorlás Magyarországon, 1007-1013.
258
Eszter Cúthné Gyóni
the State Office for Church Affairs and the Agitation and Propaganda Department of the party as an equal to the state security in church issues.54 After 1958 church policy and the fight against the church took place on two levels: sometimes agitation and propaganda, other times the internal security gained the upper hand, generally depending on the actual political situation, and the relations within the leadership of the Hungarian Socialist Workers’ Party. In the very end of the 50’s two important issues stressed the relationship between the state and the church. Both of them related to the peace priest movement that was transformed after the revolution: the excommunication of priests who assumed political role and the expelled seminary students’ case. After the decree of the Congregation of Holy Synod in 1957 contained that priest who didn’t get their positions according to the canons, faced suspension, on the 2nd of February 1958, the Sacra Congregatio Concilii excommunicated Miklós Beresztóczy, János Máté (and after his illness, Imre Várkonyi) and Richárd Horváth for their political activities, their role in the Hungarian parliament and their eminent part in the peace priest movement. Their cases were resolved in the summer of 1971, after Cardinal József, Archbishop of Esztergom left Hungary.55 On the 23rd of January 1959, the seminarians of the Budapest Central Seminary refused to attend the meeting of the peace priest movement, for their action 14 seminarians were expelled and dismissed from the seminary. During the 1960–1961 academic year another 59 students in solidarity with them terminated their studies.56 The expelled students organised their studies outside of the seminary under the leadership of István Tabódy, and when they finished some bishops ordained them in secret.57
5.2
The show trials known as „Black Ravens”
I chose 1961–1962 as closure to the study, as it was the time of the last grandiose show trial series against the Catholic Church (not the last lawsuit, but the last expansive one). The code-name „Black Ravens” was given by the internal security. This series during the years of Kádár’s consolidation bore the marks of the new church politics.
54
55
56
57
Both of the insitutions authorized to manage church issues, the State Office for Church Affairs and the Ministry for Home Affaires were reorganized after the revolution, during the consolidation of Kádár’s regime. Balogh/Gergely, Állam, egyházak, vallásgyakorlás Magyarországon, 976, 1016-1017; Cseh, A magyar állambiztonsági, 79-80; Kiss, Réka/Tabajdi, Gábor/Soós, Viktor Attila: Hogyan üldözzünk egyházakat? – Állambiztonsági tankönyv tartótiszteknek [How to prosecute churches? – State Security coursebook to handlers], Budapest 2012, 27. Szabó, Csaba: A Szentszék és a Magyar Népköztársaság kapcsolatai a hatvanas években [The relationship between the Holy See and the Hungarian People’s Republic during the 60’s], Budapest 2005, 34, http://mek.oszk.hu/14100/14101/14101.pdf (downloaded: 1st February 2018). Adriányi, Gábor: Egy kispap élete Magyarországon, 1954–1960 [Life of a seminarist in Hungary 1954–1960], in: Gábor Salacz (Ed.), A magyar katolikus egyház tizenhét esztendeje 1948–1964 [Seventeen years of the Hungarian Catholic Church 1948–1964], München 1988, 222-225. They were observed in code-name „Expelled” by the internal security. ÁBTL 3.1.5. O-11522/1-6.
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During the 50’s and early 60’s the internal security controlled very strictly the members of the religious orders, because they used to live in secret communities and they lived scattered around in the country after their dissolution in 1950. They were considered as the „irregular troops” or „illegal agitators” of Vatican, i.e. as the enemies of the people’s republic. The aim of the legal cases against them in 1961–1962 was to intimidate and destroy these secret communities, that’s why trials were carried on in the backstage and not only priest, the religious and the nuns, but lay people involved in religious education also were drawn into these cases. Most of the convicts were released in 1963, but after the woes they had experienced, only a few of them could continue the religious educational line. In June of 1960, the internal security obtained full authority from the Political Committee in the fight „against the illegal clerical powers”, but they had to cooperate with the State Office for Church Affairs in these matters.58 They had to explore the secret hierarchy and internal and foreign relations of the religious communities. They had to corrupt them by operative means (i.e. by the work of undercover agents) or by liquidation. On the 22nd of November 1960, the 6th of February 1961, and on the 3rd of May 1961, 113 searches were organized all over the country: 51 people were arrested, another 300400 were affected by different police procedures (e.g. accused, police notice), 50 priests were dismissed for disciplinary reasons from ecclesiastical positions and 70 lay people were released from their duties from universities, scientific posts and other areas.59 Based on the investigations against different Catholic communities a new concept was created and a grandiose conspiracy was explored by the internal security: this was the „Black Ravens” conspiracy. According to the gathered „arguments” the goal of these religious communities was to overthrow the Hungarian People’s Republic. The account of conspiracy was completed – we can say a matter of course – with economic and moral counts. The state security connected people and cases completely independent from each other, just to prove how dangerous the Catholic resistance and the discovered conspiracies were. Actually, many of the defendants saw each other for the first time in court. On the 15th of March 1961, before any court hearing the episcopacy had to issue a declaration condemning the arrested priests, religious, nuns and faithful. The trial series in 16 trials60 was taking place from June of 1961 to October of 1962. The most serious sentence was 12 years of imprisonment that was laid on István Tabódy.61
58 59
60 61
Szabó, A Short History, 116. ÁBTL 3.1.5. O-11802/1. 171; Wirthné Diera, Bernadett: „Fekete Hollók” a budapesti Szentimrevárosban [„Black Ravens” in Szentimreváros, Budapest], in: Eszter Cúthné Gyóni, Bernadett Wirthné Diera (Eds.), Visszatekintés a 19–20. századra [A look back on the 19–20th centuries], Budapest 2011, 223-234, here 224; Wirthné Diera, Bernadett: Katolikus hitoktatás és elitképzés a Kádár-korszakban – az 1961-es „Fekete Hollók” fedőnevű ügy elemzése [Catholic Religious Education and elite training in the Kádár era – The analysis of the case, code-named „Black Ravens”], Budapest 2015, 192, http://doktori.btk.elte.hu/hist/wirthnedierabernadett/diss.pdf (downloaded: 1st February 2018). Ibid, 174. Ibid, 178.
260
Eszter Cúthné Gyóni
This retaliation against the Catholic Church showed an obvious continuity with the Stalinist methods of the Rákosi era, but at the same time also fit perfectly in the new church policy of the Kádár-regime. The Catholic Church – as the whole Hungarian society – understood in the years after the revolution that any resistance had been pointless. The turning point for the Catholics was strengthened by the change of Rome’s Eastern politics. The Holy See slowly approached the government of the Soviet Block’s states as it was assumed that the end of Soviet Union’s power couldn’t be foreseen or expected, hence it was necessary to fit in, accepting the given conditions in order to survive.
Éva Petrás
JEHOVAH’S WITNESSES IN HUNGARY AS SCAPEGOATS. COMMUNIST ENEMY SEEKING AMONG SMALL RELIGIOUS ENTITIES
1.
Introduction: Jehovah’s Witnesses in Hungary
Jehovah’s Witnesses, as a small religious entity, have been present in Hungary for more than a hundred years. Worldwide the Jehovah’s Witnesses have more than 8.1 million members1 and today, according to national surveys, there are more 31,000 Jehovah’s Witnesses in Hungary.2 They form a legally acknowledged and recognized so-called „small church”. But this was not the case for most of their history. In fact, apart from a couple of years after World War II, Hungarian Jehovah’s Witnesses suffered the consequences of being an illegal and persecuted religious entity. Their legal status was settled only in 1989 after long years of negotiation with the state authorities.3 In this study first I’m to follow the history of the Jehovah’s Witnesses in Hungary to introduce their spread and settlement in the country and show some problematic issues when they encountered the church, the social and state administrative actors already before World War II. Then I specify the historical context in post-World War political and church political milieu, which fundamentally limited the possible scope of action of the Jehovah’s Witnesses’ communities by rendering them among religious underground movements in the decades of state socialism. My intention was to show the historical trajectory of a small religious entity leading from persecution to at least partial accommodation, then to final acknowledgement among East-Central European historical circumstances. To achieve this goal I used two types of historical sources: written sources of legislative, press and state security materials, which can be found in the National Archives of Hungary and in the Historical Archives of the Hungarian State 1
2
3
According to their own statistics, in 2016 there were approximately 8.13 million active members. In: Watchtower Bible and Tract Society: 2017 Yearbook of Jehovah’s Witnesses. New York, 2017, 176. National surveys that contain information on religion were carried out in 2011 in Hungary. According to it, 31,727 people declared themselves Jehovah’s Witnesses. Csordás, Gábor (ed.): Népszámlálás 2011 – 10. Vallás, felekezet [National Census 2011 - 10. Religion, denomination], Budapest 2014, 90. Jehovah’s Witnesses were acknowledged as a legally recognized „small church” on 27th June 1989 by resolution 4/1989. VI. 30. of the State Office for Church Affairs (Állami Egyházügyi Hivatal).
262
Éva Petrás
Security, and the written and oral historical sources of Jehovah’s Witnesses, which are in the possession of the Hungarian Jehovah’s Witnesses’ Archives, or are based on the interviews I made among them during my researches.
2.
Their History Before 1945
The first communities of Jehovah’s Witnesses appeared in Hungary at the beginning of the twentieth century. Hungarian guest workers and immigrants in the United States and Canada took up the new religion and brought home their new faith. Their communities first spread in the Northern and Eastern part of the country (the first congregations were settled in Hajdúböszörmény, Balmazújváros, Nagyvisnyó, Marosvásárhely (now Târgu Mureș, Romania) and Kolozsvár (now Cluj, Romania)).4 Watchtower, the worldwide publication of the „Bible students”, as the Jehovah’s Witnesses were called at that time, has been printed in Hungarian since 1913. Since the new members of the Jehovah’s Witnesses were recruited from other denominations, their first encounters with the Hungarian religious environment brought them into serious conflict with the representatives of the major historical churches, those of the Roman Catholic, the Reformed (Calvinist) and Lutheran churches. But some teachings of the Witnesses also brought them to the attention of the state authorities: preaching about the end of this world was understood as a revolutionary message against the political status quo and the method of evangelization, the personal persuasion moving from one individual to the next and from door to door, was understood as a propaganda against the political establishment. On the basis of these elements, a narrative of having „Communist” ideas was constructed in the interwar period, which finally resulted in a ban on their work in 1939 by the Minister of the Interior. The decree forbade the activity of the Nazarenes, the Seventh-day Adventists and the Witnesses of Jehovah and „other millenarians”.5 The official ban was followed by different kinds of police proceedings: there were home raids, interrogations and detentions. In the shadow of the war, the refusal of military service was considered the most dangerous practice of the Jehovah’s Witnesses, which resulted in the arrest of hundreds of them. Similar to Hungarian Jews, about 160 Jehovah’s Witnesses were taken to the labour camps of Bor in Serbia to work in the copper mines. Some Witnesses were also taken to concentration camps in Auschwitz-Birkenau, Dachau, Buchenwald and Bergen-Belsen. As the military situation worsened and morale decayed in Hungary, four young Jehovah’s Witnesses were even executed publicly to demonstrate what could happen to those refusing 4
5
The first recognized preacher was a Hungarian lady, returning from USA in 1908. A certain Andrásné Benedek later established a congregation in Hajdúböszörmény, in Eastern Hungary. Károly Szabó from Marosvásárhely (Târgu Mureș, Romania) and Károly Kiss from Abar (Oborín, Slovakia) also became leaders in their local congregations. Bible and Tract Society: Jehova Tanúi Évkönyve [Yearbook of Jehovah’s Witnesses], Ort 1996, 68-69. A honvédelem érdekeit veszélyeztető szekták működésének megszüntetése [The Cessation of the Activity of Sects Endangering the Interests of National Defence], 363500/1939. (1939. XII. 2.), in: Belügyi Közlöny, Budapest, 17 December 1939. 1647.
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263
military service. During the war, not only male, but also female Jehovah’s Witnesses were arrested. They were incarcerated in the prison of Márianosztra (North Hungary) for preaching their message.6
3.
Jehovah’s Witnesses between 1945–1948
In the turmoil of the twentieth century, Hungary experienced nine political system changes, or at least attempted changes. Three of them took place in the period under discussion: 1945, 1948 and 1956 all represent significant turning points in Hungarian history. The so-called „coalition era” between 1945 and 1948 was followed by the infamous Rákosi regime, which ended in the revolution and freedom fight of 1956, followed by the Kádár era. These decades were not homogeneous in the life of the churches, either.7 Apart from having their own internal historical processes, their history was also influenced by the state’s church policy. The major historical churches encountered restrictions of their activities very soon, while small churches and religious entities experienced for the first couple of years after World War II a long-wished for, and in some cases the first time, period of freedom of activity. Therefore, their perception of these years was quite different from those of the major historical churches.8 Nevertheless, after the Communists’ seizure of power in 1948, repression also reached the small churches, although having different periods of ups and downs, and lasted until the change of system in 1989. After the war, people returned from prisons and camps and the congregations of the Jehovah’s Witnesses were reorganized. Some small churches had already formed the Alliance of Hungarian Free Churches (later called: The Council of Free Churches) in October 1944 but the Jehovah’s Witnesses did not join. The legislation concerning the activity of the previously banned small churches and religious entities also changed as the war came to an end. The new, Interim Hungarian Government assured freedom of thought and religion.9 In 1946 the republic was proclaimed and Act I/1946 on the 6
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8
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Szabolcs, Szita: A Jehova Tanúi Egyház a második világháború idején (1939–1945) [The Jehovah’s Witnesses’ Church during World War II], in: Fazekas Csaba, Jakab Attila, Éva Petrás, Szita Szabolcs (eds.), A Magyarországi Jehova Tanúi Egyház története a kezdetektől napjainkig [The History of the Hungarian Jehovah’s Witnesses’ Church from the Beginning to the Present Day], Budapest 2017, 165-202. Gyarmati, György: Egyház, sok rendszer és a történelmi idő a 20. századi magyar egyháztörténet nézőpontjából [Church, Many Systems and the Historical Time from the Perspective of 20th Century Hungarian Church History], in: Varga Szabolcs, Vértesi Lázár (eds.), Az 1945 utáni magyar katolikus egyháztörténet új megközelítései [New Approaches to the Hungarian Catholic Church History after World War II], Pécs 2007, 20-39. The Land Reform of March 1945 was already considered to have shaken the financial basis of the Roman Catholic Church. Education was also placed on the agenda in 1945 and generated years of fierce political and church political debate on schooling that concluded in the total nationalization of education in 1948. The declaration of the Interim Hungarian Government, 22 December 1944, in: Nemzetgyűlési Napló, 1944. Vol. 1. 23.
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republican form of government declared the free exercise of religion as an inalienable right. As a consequence, the former ban on the activity of the small churches was abolished by a decree.10 However, the status of the previously not recognized denominations did not change automatically. Therefore, in 1947 a law was passed, which revoked the legal differences between the denominations (Act XXXIII/1947). Although the decree making religious education optional in the schools was already a step towards restricting the influence and work of the churches in general, it still had positive side effects for children coming from small churches because for them it meant that they were no longer obliged to take part in the religious education of the major historical churches as had been the practice before World War II. As a consequence of the positive changes in the legal framework, the work of the Jehovah’s Witnesses became legal and the situation became more advantageous for their activity. A general assembly was convoked for 28 July 1946, where in the presence of 322 church members, the Association of Hungarian Jehovah’s Witnesses was established. János Konrád was elected as the branch office leader, or „country servant”, as in the vocabulary of the Jehovah’s Witnesses the national leader was called. They bought a building for the branch office in Budapest and started their mission. Since the Jehovah’s Witnesses had to make a yearly written report about their achievements, we know that by the end of 1945, 590 members submitted reports. This number increased to 837 in 1946. They were also able to organize public events. The biggest of them took place in Budapest Sports Hall in August 1947, which was attended by 1,200 participants.11 In the short period between 1945 and 1948 it was also a positive phenomenon that the press avoided the use of the expression „sect” with regards to the Jehovah’s Witnesses. Mostly they were called as a „religious entity” instead.12 Sometimes even positive articles were published about them, for example about the „theocratic congress” in 1947. In Hungarian political life, however, the elections in August 1947 set the stage for the crisis of the parliamentary democracy and for the advancement of the Communists, which finally resulted in the total seizure of power of the Hungarian Communist Party, or, as it was called after the union of the two workers’ parties (the Communists and the Social Democrats) in 1948: the Hungarian Workers’ Party (Magyar Dolgozók Pártja, or MDP). It soon became clear that Hungary would follow the Soviet pattern and that the state’s church policy would change accordingly. For the Jehovah’s Witnesses the dramatic turn happened in 1949 when Hungary, in the atmosphere of the Cold War and already as an ally of the Soviet Union, took a stand against the United States. From that time on, the Jehovah’s Witnesses were regarded as the agents of the Americans and as supporters of American imperialistic interests. It is interesting to note that before World War II they were accused of being Communists and yet just a couple of years later in 10 11 12
No. 6270/1946. Decree of the Prime Minister, in: 1000 év törvényei [Acts of a Thousand Year], Online: www.net.jogtar.hu (Downloaded: 9 April 2022). Bible and Tract Society: Jehova Tanúi évkönyve [Yearbook of Jehovah’s Witnesses], 95-96. Gergely, Ferenc: A Jehova Tanúi közösség és a pártállam viszonya (1950–1970) [The Relationship of the Community of Jehovah’s Witnesses and the Party State, 1950–1970], in: Egyháztörténeti Szemle, 3 (2012), 94-107.
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the media and in public discourse they were constructed as American spies. Together with other small churches they began to be mentioned as destructive sects again.13 Paradoxically the Hungarian Workers’ Party finally defined the struggle against the small churches as a part of its struggle against „clerical reaction”, a term which had basically been used for combatting the Roman Catholic Church. József Révai, the chief ideologist of the party settled the question this way: „We have to carry on the struggle against the sects, too. The leaders of the Adventists, the Jehovists [as they were called during the decades of state socialism], the Baptists and other sects are in most cases in the service of American imperialism. These sects are no more than propaganda organs of imperialism.”14 This speech determined the future of these small churches. However, the history of the Jehovah’s Witnesses and that of the other small churches turned out differently. Those of them that joined the Alliance of Hungarian Free Churches, were controlled by the State Office for Church Affairs (Állami Egyházügyi Hivatal, ÁEH) following its establishment in 1951. The State Office for Church Affairs as an authority became the most important executive body of the Communist state’s church policy during the whole era.15 It played a decisive role for example in accomplishing bilateral agreements with the great historical churches and supervised their work afterwards. It also had crucial tasks regarding the small churches. According to a discussion with the representatives of the Ministry of the Interior on 8 August 1951, however, ÁEH refused to take up the matters of those religious entities, which did not join the Alliance of Free Churches. Only the member churches of the alliance were recognized as legal, while illegal minorities such as the Jehovah’s Witnesses and some other Neo-Protestant communities, were assigned to the authority of the Ministry of the Interior.16 Their activities were considered against the constitution of the People’s Republic of Hungary, since they refused the only assigned legal route for their activity: joining the state controlled work of the Alliance of Hungarian Free Churches. From that time on, the Ministry of the Interior treated their cases as a police matter and with the active involvement of the state security a large number of operations and legal proceedings were carried out.
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16
The party newspaper of the Hungarian Workers’ Party, Szabad Nép devoted several articles to combat the Jehovah’s Witnesses, e.g. 9 May 1950. 7., 21 May 1950. 11., 26 May 1950. 2., 1 June 1950. 5. and 3 June 1950. 7. A struggle against „clerical reaction”. The Talk of Comrade József Révai at the Meeting of the Central Committee of the Hungarian Workers’ Party. In: Szabad Nép, 6 June 1950. 3. Köbel, Szilvia: „Oszd meg és uralkodj!” Az állam és az egyházak politikai, jogi és igazgatási kapcsolatai Magyarországon, 1945–1989 [„Divide and Rule!” The Political, Legal and Administrative Relationship of the State and the Churches in Hungary, 1945–1989], Budapest 2005, 60. Javaslat a Szabadegyházak Szövetsége keretében működő vallásfelekezetekkel és szektákkal kapcsolatos egyéb rendszabályokról [A proposal about the regulation of denominations belonging to the Alliance of Free Churches and sects]. 8 August 1950. Magyar Nemzeti Levéltár Országos Levéltára [National Archives of Hungary, henceforward MNL OL] M-Ks-276/54 item 155.
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4.
The 1950s in the Life of the Jehovah’s Witnesses
Similar to other Communist countries, at the beginning of the 1950s the Jehovah’s Witnesses were also targeted in Hungary.17 On 9 November 1950 the State Security Authority (Államvédelmi Hatóság, ÁVH) arrested the branch office leader, János Konrád, the main translator András Bartha and other elders of the community. During their interrogation, the political police learned the data of the 10 districts of the Hungarian Jehovah’s Witnesses and the names of their leaders. This data formed the basis of the first show trial of the Hungarian Jehovah’s Witnesses.18 During the home raids lots of printed material and educational devices were confiscated. In the brochures the authorities found statements, which could easily be considered as criminal. During the legal proceedings some of these statements were cut from their original context and were recontextualized in order to make them usable as evidence for treason and provocation against the people’s democracy. For example they summarized the findings like this: „It is an often used phrase of the Jehovists [sic!] to call our form of government as the ‘realm of the Satan’. For example, this was the case with the brochure with the title ‘The truth will make you free’, in which there are plenty of anti-democratic statements. The propagandists are educated also illegally. They start their ‘speech’ with this sentence: ‘This world is condemned and its days are counted!’”19 We can see from this quotation that the eschatological character of the speech was not recognized by the authorities. Instead, they understood the message politically in order to criminalize it. Thus, it could be transformed into an argument and used as evidence in the show trial. The Jehovah’s Witnesses could be presented as the enemies of the country who, it is seen, literally jeopardize the people’s democracy. In the first trial, János Konrád was sentenced for ten years imprisonment, András Bartha got nine years and the other accused Witnesses each received 5 to 8 years.20 The court suppressed the brochures and banned the meetings of the Jehovah’s Witnesses as well. While János Konrád and his fellows were in prison, a new, clandestine leadership stepped up. Elek Nemes became branch office leader and his work was supported by László Bussányi, László Papp and other elders. However, they were also arrested in 1953 and in the second show trial of the Jehovah’s Witnesses they also received severe penalties: Elek Nemes and László Bussányi were put in prison for 10 years, the other accused persons got 5 to 9 years for „active participation in an organization trying to subvert the people’s republic”, as it was stated.21 The convicts were taken to the prison of Márianosztra, where, after a short period, they were interrogated again. This time the 17 18 19 20 21
For the history of persecution of the Jehovah’s Witnesses see: Dirksen, Hans Hermann: Jehovah’s Witnesses under Communist Regimes, in: Religion, State & Society, 3 (2002), 229-238, hier 234f. Jelentés [Report]. 9 November 1950. Állambiztonsági Szolgálatok Történeti Levéltára (Historical Archives of the Hungarian State Security, henceforward: ÁBTL) 3.1.9. V-71056, 15-19. Jelentés [Report]. 15 November 1950. ÁBTL 3.1.9. V-71056, 30. Ítélet [Verdict]. Konrád János és tsai [János Konrád and fellows]. Budapesti Megyei Bíróság, 1 February 1951. ÁBTL 3.1.9. V-149948/4. 2-15. Ítélet [Verdict]. Nemes Elek és tsai [Elek Nemes and fellows]. Budapesti Megyei Bíróság, 4 December 1953. ÁBTL 3.1.9. V-111784/1. 259-262.
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authorities asked about the Western contacts of the Jehovah’s Witnesses, how they had managed to maintain contact with the international centre and if they had sent any information abroad. These questions introduced a new direction in the accusations because in the meantime the ÁVH had learned that the Jehovah’s Witnesses kept in contact with their Eastern European centre in Switzerland and they gathered proof for next round of arrests. One of the imprisoned Witnesses, József Csobán, terrified by the ordeal, finally gave his approval to become a collaborator.22 He gave information mainly about the foreign contacts of the Hungarian Jehovah’s Witnesses and specifically about his fellow Witness, Mihály Paulinyi, who was the contact person between the Swiss centre and Hungary and commuted between the two countries, taking the reports of the Hungarian Jehovah’s Witnesses regularly to Bern. Partly on the basis of information given by Csobán, a new circle of leaders was arrested in 1954, including Paulinyi. Their case was put to the courts of justice in 1955. In this third show trial, besides the „usual” charges of endangering people’s democracy the arrested Jehovah’s Witnesses were accused of espionage. The sentences were shocking: Zoltán Hubicsák, the new branch office leader was committed to 13 years in prison, Paulinyi got 12 years and the others received sentences of 5 to 13 years, which they spent in the prison of Vác, where many other political prisoners were incarcerated.23
5.
Underground Religious Life and the State Security
Since the activity of the Jehovah’s Witnesses was banned, religious life became restricted to home gatherings and meetings in the forests, but these too were often disturbed by the police. Nevertheless, the authorities were not able to prevent the work of the Jehovah’s Witnesses altogether. They could reach people living in remote farms by bicycle and could meet for studying the Bible in meadows. Since for Jehovah’s Witnesses devotional life was not bound to a church building, total state control of their activities was not feasible. The State Security many times confiscated printed material in home raids and sometimes they even found the typewriters on which these educational materials were multiplied. But religious life in set terms, as was the case with most churches, was difficult to uncover. Easily adapting to circumstances and using whatever opportunities arose was an advantageous feature of the Jehovah’s Witnesses. These practices literally meant their survival sometimes. Many of them encountered the state authorities due to their refusal of military service, non-violence being one of the core teachings of the Jehovah’s Witnesses. For this, in general sentences of 8 to 10 years imprisonment were imposed in the 1950s by court martials, which they could partly spend in internment or labour camps. Because of the great number of such cases and because the regime considered 22 23
Összefoglaló jelentés [A Summary]. 10 September 1953. ÁBTL 3.1.1. B-87058. 1-11. Ítélet [Verdict]. Hubicsák Zoltán és tsai [Zoltán Hubicsák and fellows]. Budapesti Fővárosi Bíróság, 9 November 1955. ÁBTL 3.1.9. V-149948/4. 19-32.
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the existence of the Jehovah’s Witnesses as a danger to society, the refusal of military service proved to be a structural problem. The court martial dealt with these cases en masse. As an eyewitness later told: „The proceedings were like on a conveyor belt. It happened that five brothers were called in at the same time and after five minutes the whole proceeding was over: they all got ten years one by one, so altogether they got fifty years.”24 We don’t know the exact number of convictions, but in the Archives of the Hungarian Jehovah’s Witnesses there is a list, which counted those who, after refusing military service and being convicted, spent their penalty, or a part of it, in a labour camp in North-Eastern Hungary. According to this list, 265 men were deported to Tólápa labour camp, where they were forced to work in the coalmines of Ladánytáró in the Bükk mountains. It was a general practice in the 1950s that prisoners were forced to work and thus they had to contribute to „the building of Socialism”. Such camps were regularly built in desolated places and convicts usually worked in mines or at large industrial projects. In Tólápa and in other camps Jehovah’s Witnesses came together and established Bible studying circles. In their memoirs they emphasize the significance of these because the community provided a kind of insulation against the circumstances. They even eulogized their experiences as illustrated by the case of a devotional song originating from this period in the labour camps. The poem below has a dozen stanzas and was written in a Hungarian verse form using 12 syllables in each lines, every two lines rhyming, as was generally used by Hungarian Romantic poets in the 19th century. It is culturally interesting to note after nearly one hundred years this verse form influenced a Jehovah’s Witnesses devotional song written in the 1950s. „SONG FROM THE MINE PIT OF LADÁNYTÁRÓ Have you heard of the deep coalmine? Of dark pits below with no sunshine? Where long tunnels wind under the hills, Muffling the noise of pickaxe and drills. Pale-faced miners held behind that gate, Fighting for faith, bound by their fate. Come by for a moment, you who dwell in sunshine, I’ll be your guide in that deep coalmine, Where the mouth of a dark pit opens, That’s the coalmine, wire fenced. Gloomy buildings by the entrance, Barbed wire ‘round a prisoner camp.
24
Szemtanú beszámoló a tólápai munkatáborról. Nagy Ferenc személyes átélése nyomán. [Testimony about the Tólápa labour camp. By the personal witnessing of Ferenc Nagy]. Magyarországi Jehovai Tanúi Egyház Archívuma (Hungarian Jehovah’s Witnesses Archives, MJTEA).
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Hundreds behind those wire fences, Locked up in there with shattered chances. Who are they? Why were they expelled? What’s their crime, the charges upheld? Nothing wrong with these well-faced men, Jehovah’s Witnesses – so they call ‘em. Hope is in their happy eyes, Unity makes strength, and solid spines. No power can break their spirit, Hence they’ve been put in this pit. They spoke the truth that some hated to hear, Harsh verdicts threw them down here. „Four years”, „eight years”, „ten years” – so the verdicts went, with narrow-minded judges thinking: „It will make their backbones bent”, „No god could save them” they believed, But the Witnesses only laughed at those years, None of the threats could bring them to tears. […] The pit has seen countless prisoners, But cheerful singing is heard from deep below, No tears are shed, all faces glow. The mine is gloomy, but no sadness there. When tired workers are asleep, Old miners guard their sleep […]”25 (Translation: Zoltán Farkas)
6.
Jehovah’s Witnesses in the Kádár Era
1956 signifies a turning point in the history of the Hungarian Jehovah’s Witnesses. During the revolution their leaders were set free at least temporarily and the labour camps were also closed during that year. The revolutionary times, however, represented only a short pause in the persecution: at the beginning of 1957 the leaders were again incarcerated to continue their sentences and new military summons were delivered to those having refused military service earlier. After the revolution of 1956, the Kádár regime restored the previous situation with regards to the state’s church policy. The bilateral agreements with the major historical churches were renewed and the state authorities started to measure the real extent of 25
ÁBTL 3.1.9. V-128933/a. 368-369.
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the small churches as well. The ultimate aim remained the same: gradually wasting away the churches and finally putting an end to their social influence. As a party resolution put it: „We have to count with the fact that the churches will still exist under Socialist circumstances for a long time. That’s why the cooperation between the state and the churches will be a necessity in the meantime.”26 To reach this aim, however, a new strategy was implemented. They intended to broaden the loyalty of the churches to the state by using those church leaders and members who would collaborate with the authorities either due to open or secret pressure, or in the hope of gaining certain advantages. „Divide and rule” became the chief motive. Regarding those denominations, which did not join the Council of Free Churches, the primary aim was to achieve their participation. This way these entities could be controlled and influenced. The State Office for Church Affairs took up this task. Despite avoiding the harsh measures that were typical of the 1950s, in regards to the Jehovah’s Witnesses the administrative steps were still in use even in the first half of the 1960s. János Konrád, the branch office leader, after having finished his prison sentence, was released but after a couple of months he was arrested again together with other elders of the community in August 1961. After their detention, home raids were carried out at the homes of a number of Jehovah’s Witnesses. Brochures, Bibles and other printed materials were confiscated. According to the scenario set up by the state security, common members of the Jehovah’s Witnesses were to be led to believe that their leaders had given their addresses to the police.27 Of course, this was not the case: the state security gathered information about them well before Konrád was arrested. Konrád and his fellows’ cases were not put before the court this time, and they were released after a couple of weeks. The aim of the police at this time seems to have been to spread uncertainty and distrust within the community. In the meantime, the Jehovah’s Witnesses were continuously sentenced to prison because of refusing military service. The sentences were lenient compared to those of the 1950s. However, the presence of the Jehovah’s Witnesses in court martials and in prisons caused lots of problems for the Ministry of Defence and for the Ministry of the Interior, which urged the State Office for Church Affairs to find a solution to this problematic situation.28 Consequently, the State Office prepared an „itinerary” in 1964 for
26
27 28
Decree of the Central Committee of the Hungarian Socialist Workers’ Party: Az állam és az egyházak közötti együttműködés elvi alapjai [The Fundamental Issues of the Cooperation of the State and the Churches], in: Margit Balogh, Jenő Gergely (eds.), Állam, egyházak, vallásgyakorlás Magyarországon, 1790–2005 [State, Churches and Religious Practices in Hungary, 1790– 2005], Budapest 2005, 1003–1004. A Jehova Tanúi visszaszorítási terve [Plan for Rolling Back the Jehovah’s Witnesses]. ÁBTL 3.1.9. V-146708/2. 186-197. Seventh-day Adventist and Nazarenes also had similar commitment to nonviolence and took a stand against military service. Since 1977, however, an agreement made it possible for the members of the small churches to choose a nonviolent service when making their compulsory defence service. Dirksen, Annegret: A katonai szolgálat megtagadása: fejlődések Magyarországon és Németországban [Denying Military Service: Developments in Hungary and in GDR.], in: Daniel Heinz, Zoltán Rajki, Ervin Simon (Eds.), Szabadegyházak, vallási kisebbségek és a diktatúrák
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271
the community of the Jehovah’s Witnesses in order to settle their legal status. The plan of the State Office was „to split the loyal and reactionary segments within the sect. […] We have to offer legal recognition to the loyal wing and make them join the Council of Free Churches.”29 Accordingly János Konrád, the branch office leader was arrested again in 1964 and was forced to elaborate on a possible agreement with the state. He was only „urged” to make a draft of what he saw as indispensable from the perspective of the Hungarian Jehovah’s Witnesses to their legal recognition. After being released, Konrád made his draft, which was the basis of his negotiations with the representatives of the State Office for Church Affairs. According to the documentation about the negotiations, Konrád made two versions of his drafts: one in April and one in October 1965, but finally agreement could not be achieved. Konrád stuck to the position of not joining the Council of Free Churches and not giving data about the Jehovah’s Witnesses to the state authorities. He also had a firm stand on questions concerning the military service.30 Imre Miklós, at that time the deputy director of the State Office for Church Affairs, bitterly communicated the failure of the negotiations to the Minister of the Interior: „I inform you that the denomination, which calls itself the Jehovah’s Witnesses in Hungary did not ask for the legalization of their status. Therefore, they cannot be regarded as such. Consequently, their activity or the control of it remains in the authority of the Ministry of the Interior. Hereby we (the State Office for Church Affairs) give back their case.”31 Home raids were carried out at the homes of a number of Jehovah’s Witnesses. Brochures, Bibles and other printed materials were often confiscated. It was the aim of the state authorities to keep the community in a state of panic and spread the suspicion that Konrád might have betrayed them.
7.
Conclusion
With the lack of an agreement, the activity of the Jehovah’s Witnesses remained illegal even after 1965. The failure of the negotiations sheds light on the limits of church political flexibility of the Kádár era. The case of the Jehovah’s Witnesses remained unsolved until the downfall of the Communist regime. Although attempts at state control and persecution reduced in the 1970s and 1980s, there was still need of a decade-long negotiation with the authorities until their status was finally settled in 1989. This, however, happened already in the political milieu of the change of system, which pushed both sides in the direction of an agreement. Their case was and has remained an absolute test for the practice of religious freedom in Hungary.
29 30
31
Európában a 20. században [Free Churches, Religious Minorities and Dictatorships in Europe in the 20th Century], Budapest 2013, 72-81. MNL OL XIX-A-21-d-0037-9/1964. 1-4. Az Őrtorony, Biblia és Traktátus Társulat alapszabálya, 1965. április 1 [Statutes of Watchtower Bible and Tract Society. 1 April 1965]. MNL OL XIX-A-21-c-60/5/1965. 164. d.; and Az Őrtorony, Biblia és Traktátus Társulat alapszabálya, 1965. október 29 [Statutes of Watchtower Bible and Tract Society 29 October 1965]. MNL OL XIX-A-21-c-60/5/1965. 164. d. ÁBTL 3.1.9. V-149948/3. 103.
Eszter Cúthné Gyóni
A HISTORY OF THE CISTERCIAN ABBEY OF ZIRC. RESTRICTIONS, LEGAL ACTIONS, RETALIATIONS AND THE MODUS OF SURVIVAL*
1.
Introduction
After World War II Hungary became part of the Soviet sphere of interest and this fact basically affected the lives of religious orders in the country. Our study will give a scope about one of the largest and oldest religious communities in Hungary, about the Cistercians of Zirc – from the conclusion of World War II until the trials related to the case of József Grősz, Archbishop of Kalocsa in 1951; these trials had many Cistercian defendants and meant the closing act of religious orders’ dissolution. During these few years, between 1945 and 1951 – while a Stalin-type dictatorship had been slowly building up behind the scenes in Hungary (from 1944/45 to 1947/48; and from 1948 straightout, with very brutal methods) – the Cistercians had to face restrictions, dissolution, retaliations, many legal cases and they had to find a modus of survival. In the study we attempt to give a delineation of the Cistercian history in this rough-and-tumble period.
2.
Cistercians in Hungary (the Congregation of Zirc and the teaching mission)
The history of the Cistercian monastic community in Hungary can be traced back all the way to the 12th century: the first Cistercian religious arrived to Hungary in 1142, during the reign of King Géza1 II.2 King Béla III became known as the greatest patron of the Cistercians: five new monasteries were founded during his reign (Egres, Boccam/Zirc [the latter as head of the Cistercian life in Hungary], Pilis, Szentgotthárd and * 1 2
I’m grateful to Fr. Bernard Marton, O. Cist. for the review of the study. Hungarian forms of the religious’ names are used in this paper. Hervay, Levente: A ciszterci rend története Magyarországon [Cistercian Order in Hungary], in: Lajos Lékai (Ed.), A ciszterciek [Cistercians: Ideal and Reality], Budapest 1991, 473; Hervay, Levente/ Legeza, László/ Szacsvay, Péter: Ciszterciek [Cistercians], Budapest 1997, 12; Hervay, Levente: Ciszterciek a középkori Magyarországon [Cistercians in the medieval Hungary], in: Barnabás Guitman (Ed.), A Ciszterci Rend Magyarországon és Közép-Európában [Cistercian Order in Hungary and in Central-Europe], Piliscsaba 2009, 270.
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Pásztó, that used to be a Benedictine abbey before).3 Cistercian monastic life flourished in the medieval Hungarian Kingdom during twelfth and thirteenth centuries. In 1241–1242, in consequence of the Tartar invasions five or more Cistercian monasteries suffered losses, but after the departure of Mongols all were able to start a new life.4 For the next two centuries the lack of new members and the desolation of the monasteries presented a serious challenge. King Lajos the Great in 1357 and King Mátyás (I or Hunyadi) in 1478 made intense efforts to help the Order, but the results didn’t last long.5 In the fifteenth century the effects of the Reformation and the Ottoman Turkish invasion of the Kingdom ruined Cistercian – and in general monastic – life in Hungary. After the liberation of the country foreign Cistercian abbeys obtained Hungarian monasteries at Zirc, Pásztó, Pilis and Szengotthárd. Of any of them, only Zirc had a full membership convent thanks to fact that the Abbey of Heinrichau in Silesia (then in Prussia) obtained the charter for the Abbey of Zirc in 1700.6 The abbot of Heinrichau, Henrik Kalert sent religious to rebuild the ruined Hungarian Abbey in the Bakony. The numbers of the religious in the convent grew constantly, and the new church in Zirc was consecrated in 1751. When the Habsburg Emperor and Hungarian King, Joseph II began the dissolution of the religious orders toward the end of the 18th century – what neither, the most ancient Hungarian Foundation, the Benedictine Abbey of Pannonhalma, was able to avoid – the Abbey of Zirc managed to survive, mainly because of the political protection provided by its mother-house in Prussia.7 In the beginning of 1776, Cistercians in Hungary decided to assume the role in education, and thus they obtained the secondary school in Eger that had been taken away from the Jesuits.8 Moreover, in 1802 Emperor Franz (King Ferenc I in Hungary) issued a decree about three religious orders, the Benedictines, the Cistercians and the Order of the Canons Regular of Prémontré (or Norbertines), called Diploma Restitutionale,9 which obliged them to make education part of their vocation. Thus the Cistercians in 1813 assumed the former Jesuit secondary schools of Székesfehérvár and Pécs. 3 4 5
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8
9
Lékai, Lajos: Zirc 800 éve [800 years of Zirc], in: Ciszterci lelkiség [Cistercian spirituality], Eisenstadt 1982, 7; Hervay, Ciszterciek Magyarországon, 270. Lékai, Zirc 800, 9-10; Hervay, A ciszterci rend, 477-478; Hervay/ Legeza/ Szacsvay, Ciszterciek, 22-25; Hervay, Ciszterciek Magyarországon, 272. Diós, István/Viczián, János: Magyar Katolikus Lexikon II [Hungarian Catholic Encyclopaedia Vol. II.], Budapest 1996, 247; Hervay/ Legeza/ Szacsvay, Ciszterciek, 25; Hervay, Ciszterciek Magyarországon, 273; Keglevich, Kristóf: A ciszterci nagykáptalan és a magyar apátságok a középkorban [Cistercian great-chapter and Hungarian abbeys in the middle ages], in: Magyar Egyháztörténeti Vázlatok 20 (2008), 9-41, here 32. (Lajos Lékai takes support of King Mátyás to 1477: Lékai, Zirc 800, 10.). Hervay, A ciszterci rend, 483. Lékai, Zirc 800, 13; Hervay, A ciszterci rend, 486; Cistercians in Hungary and the Congregation of Zirc. https://www.cistercian.org/abbey/history/our-lady-of-dallas/hungary-and-the-congregation-of-zirc.html (downloaded: on the 8th of February 2018) Lékai, Zirc 800, 14; Csizmazia, Placid: A magyar szerzetesek és a szerzetestanári hivatás [The Hungarian religious and the teaching profession], in: Ciszterci lelkiség [Cistercian Spirituality], Eisenstadt 1982, 84. Balogh, Margit/Gergely, Jenő: Állam, egyházak, vallásgyakorlás Magyarországon, 1790–2005. I [State, churches, practice of religion in Hungary, 1790–2005. Vol. I.], Budapest 2005, 155.
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The teaching mission gave a significant new orientation to Cistercian life in Hungary. Thanks to the special avocation and the developing community, Cistercian life quickly became attractive for native Hungarian vocations as well. Thereupon, after the motherhouse in Silesia was suppressed by the Prussian government, the Abbey of Zirc was able to become an independent Hungarian abbey, when King Ferenc I appointed Antal Dréta as abbot of Zirc in 1812.10 Zirc incorporated the united Abbey of PilisPásztó in 1812 and the Abbey of Szentgotthárd in 1878. Next year they began to teach in their fourth secondary school in Baja, and in 1912 Cistercians of Zirc founded their fifth school in Buda. A house of formation was established in the capital city of Hungary, in Budapest in order to allow many of the young members to study at some of the best universities, and while Cistercian teachers lived in dependent priories or residences under local superiors all over the country, all authority remained centralized in the Abbey of Zirc.11 The Hungarian province, properly called the Congregation of Zirc of the Cistercian Order, was erected in 1923, as a result of the collapse of the Austro-Hungarian Empire and was based on the Hungarian Cistercians’ own peculiar conditions.12 The province was headquartered in Zirc, under the leadership of the Abbot of Zirc. The constitutions of the new province were first approved by the Holy See in 1941. During the period between the two world wars, in the „neo-baroque” atmosphere of the Horthy-regime,13 Cistercian life flourished in Hungary again: by this time the Abbey of Zirc was responsible for five secondary schools and fifteen parishes.14 Under abbot Adolf Werner (1924–1939) new and modern schools were built at Buda, Baja, Pécs and Székesfehérvár. The financial background of the development was assured by the abbey’s estate at Előszállás that was managed in an exemplary manner under the direction of Gyula Hagyó-Kovács, a Cistercian agricultural expert. Cistercian education and schools were very popular and the number of religious vocations continuously increased in Zirc. At the same period, a tendency evolved – especially among the younger religious – toward a deeper Cistercian monastic life, which could not be broken, not even by the Second World War. After Abbot Werner’s death Vendel Endrédy,15 then headmaster of Saint Emery High School16 in Budapest was elected 10 11
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Lékai, Zirc 800, 14. Elsewhere we found 1814: Schematismus Congregationis de Zirc. Ad annum scholarem 1942/43. Typis Societatis Sancti Stephani, Budapest, 33 and Hervay, A ciszterci rend, 486. Cistercians in Hungary and the Congregation of Zirc. https://www.cistercian.org/ abbey/history/our-lady-of-dallas/hungary-and-the-congregation-of-zirc.html (downloaded: on the 8th of February 2018). Lékai, Lajos: A ciszterciek [Cistercians: Ideal and Reality], Budapest 1991, 212. The „neo-baroque” attribute origins from the historian, Gyula Szekfű, and refers to the semifeudal, authoritarian society of the interwar period. Cúthné Gyóni, Eszter: „Nem harcolunk, de nem is búcsúzunk…” A Ciszterci Rend Zirci Apátságának története a második világháború végétől Endrédy Vendel apát haláláig [„We no longer fight, but neither do we give up…” History of the Cistercian Abbey of Zirc from the conclusion of WWII until the death of Abbot Wendelin Endrédy], Budapest 2017, 42. His original name was Hadarics, which sounded like a Croat name, that’s why he has changed it to Endrédy after his birthplace Fertőendréd when he was elected abbot of Zirc. In Hungarian: Szent Imre Gimnázium.
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abbot of Zirc in the spring of 1939. Endrédy was a charismatic leader, who had to face tough challenges as abbot. His personality and leadership were decisive throughout the examined period and left a lasting legacy for Cistercian life in Hungary.
3.
After the War: on the road to dictatorship
During World War II the buildings belonging to the Abbey (the convents and the schools) suffered severe damages. The end of WWII meant a brand-new era not only for the whole Hungarian society but – as a part of it – for the Hungarian Cistercian order too. The period between 1945 and 1950, can be qualified as transitional not only from the Cistercian order’s perspective, but in relation to all Hungarian religious orders. The years between 1945 and 1948 were characteristic of pathfinding and a search for survival in the world of new opportunities. At this point, it was still possible to find, to a certain extent, opportunities for personal, intellectual and spiritual, as well as material growth within the losses that from the Church’ perspective could be labelled as ordinary.
3.1
The spiritual reforms and the new monastic branches outgrown from Zirc
As we have already mentioned, a yearning toward a deeper monastic life took shape before the war, and this intention was continued after the war when two main branches of this reform diverged: the re-creation of the Cistercian Order’s female branch, the Regina Mundi and the Monastery of Regina Pacis, a reform endeavour toward returning to original monastic roots. The Regina Mundi led by Emil Naszályi, the former novice-master of the Abbey was established on the 8th of March 1945.17 Father Naszályi and seven nuns started a new monastic life in an abandoned cow stable in Nagyesztergár, near Zirc in the Bakony. The community grew quickly until the dissolution of religious orders in 1950, and their life was continued in secret even after the prohibition by the state. Under the cover of secular jobs, they lived their religious community life in a private house in Érdliget. The establishment of Regina Mundi was approved by the Holy See in 1965.18 In 1955 one of them, Ágnes Tímár, started a new community in a Budapest,19 nowadays it works as Abbey of Kismaros as a part of the Congregation of Zirc.20 17
18 19 20
Based on account of Abbess Gemma Punk on the 14th of October 2015. József Mindszenty as Bishop of Veszprém authorise the establishment on the 29th of September 1945. Magyar Nemzeti Levéltár Veszprém Megyei Levéltára [National Archives of Hungary Veszprém County Archives], (henceforth: MNL VEML) XII. 2. b. 2. d. Report about the LVIth chapter of the monastic community on the 24th of November 1945 Őrfi, Mária: Lángolj és világíts [To be enkindled and to shine], Budapest 1997, 53. Mónika (Monica) Tímár. https://www.cistercian.org/abbey/history/our-saintly-inspiration/monikatimar.html (downloaded 17th of March 2018) Cúthné Gyóni, „Nem harcolunk, de nem is búcsúzunk…”, 288.
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The endeavour led by Piusz Halász was more radical than Naszályi’s reform: Halász and then some religious and youngsters joining him tried to return to the original monastic roots of Bernard of Clairvaux, the great twelfth-century Cistercian saint, abbot, theologian and preacher. Halász wrote a letter to Abbot Endrédy in November of 1945, wherein he informed his abbot, that he was going to leave Zirc with his companions.21 During 1946 Piusz Halász, five Cistercian religious and four novices moved to Borsodpuszta, the former grange of the Abbey.22 The aims they have chosen were very hard to accomplish; their lifestyles meant serious mental and physical challenges. Most of them could not bear it, and left the new monastery, and returned to Zirc, but time after time new entrants joined the Regina Pacis. (Not only Cistercians but lay people and a Paulist religious entered the new monastery.)23 The Regina Pacis received permission from the Holy See to work in November of 1946, and then became „monasterium sui iuris”, disaffiliated from Zirc.24 In 1950 Regina Pacis with four members was dissolved as well. Piusz Halász remained a charismatic religious and was active in the field of retreat works, that’s why he and his community were persecuted by the state security of the party-state system.25 Since the scope of this essay does not allow for a complete study of several Hungarian Cistercian communities, from that point we have resolved to place in the spotlight of our investigation the one with the largest male population in Hungary, that of the Cistercian Abbey of Zirc.
3.2
The effect of the agrarian reform in 1945
On the 17th of March 1945 the Provisional Government of Hungary adopted a decree about the long overdue „land reform”.26 According to the decree the Abbey of Zirc lost the majority of its possessions. Thanks to the relationships and the competence of Abbot Vendel Endrédy and the Cistercian estate manager Gyula Hagyó-Kovács and the negotiations between the Ministry of Agriculture and the Ministry of Ecclesiastical 21
22 23
24
25 26
Állambiztonsági Szolgálatok Történeti levéltára [Historical Archives of the Hungarian State Security] (henceforth: ÁBTL) 3.1.9. V-146835/2, 173; Badál, Ede Álmos: Endrédy Vendel – a ciszterci pedagógus és mártírsorsú zirci apát [Wendelin Endrédy – a Cistercian pedagogue and the martyr Abbot of Zirc], Budapest 2012, 226. MNL VEML XII. 2. i. 18. d. The Diaries of Konstantin Horváth, vol. VII, 78, 255; MNL VEML XII. 2. b. 2. d. Report about the LVIIth chapter of the monastic community on the 31st of October 1946. Kereszty, Rókus: Sugárzó lelke tovább világít. ˈSigmond Lóránt írásai [His radiant soul keeps on illuminating. Writings of Lóránt ˈSigmond], Budapest 2000, 18-21; MNL VEML XII. 2. i. 41. d. Lóránt ˈSigmond speak to the case of Pius and Emil in the chapter, November of 1945. MNL VEML XII. 2. i. 18. d. The Diaries of Konstantin Horváth, vol. VII, 236; Badál, Endrédy Vendel 232; MNL VEML XII. 2. b. 2. d. Report about the LVIIIth chapter of the monastic community on the 31st of October 1947; Őrfi, Lángolj és világíts, 54; Puskely, Mária: Szerzetesek: a megszentelt élet 99 intézménye [Religious: the 99 institutions of the sacred life], Budapest 1990, 30. E.g.: ÁBTL 3.1.9. V-112203; ÁBTL 3.1.9. V-151328. Balogh, Margit/Gergely, Jenő: Állam, egyházak, vallásgyakorlás Magyarországon, 1790–2005. II [State, churches, practice of religion in Hungary, 1790–2005. Vol. II.], Budapest 2005, 804-809.
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Matters and Education the Abbey of Zirc could hold on to 647 acres of land.27 The decree which stated that bishops, convents and seminaries each received only 100 acres remaining and clergy-houses could only retain 30 acres: each institutions of the Abbey became individual owners. The remaining possession, that meant the 1,4% of the former Cistercian possession after World War I, wasn’t sufficient to support the institutions of the Order; they received subsidy from abroad and from foreign exchange resources.
3.3
The lost working field: nationalization of the schools
On the 16th of June 1948 parliament adopted the bill about the nationalization of schools. This step was neither totally unexpected, nor without a prelude. After 1945 the left-wing parties took more actions that indicated that religious denominations will lose their schools and educational working field.28 To take a secular part away from education wasn’t a new invention of the period after WWII; from the enlightened absolutism in the 18th century there were efforts toward having a secular role in this field,29 but the Marxistatheist communist party which rose to power in Hungary (and also in the countries of the region) – as in the case of most endeavours toward modernization – used it for their own purposes. It was essential for the new state authority to get under control the young people’s education in order to extend total power. According to the nationalization law the Cistercians of Zirc lost all of their five secondary schools with 4616 students,30 just as their student’s hostel in Szentgotthárd, and Cistercian teachers having to leave their working field. (At least in Hungary, because some refugee religious from Zirc started a new life in USA. They moved to Texas in 1955, established their monastery in 1958, raised to the rank of abbey in 1963 and opened the Cistercian Preparatory School in 1962, modelled after the Cistercian schools of Hungary.)31 The loss of their schools destroyed the biggest working arena of the Cistercians in Hungary. Abbot Endrédy and other leaders of the Abbey had to find a way for survival, settle members of the community out of the teaching profession, and prepare for further restrictions and attacks against their religious existence. Two pastoral fields were regarded as indispensable for them: a deeper pastoral care related to parishes and to preserve the contact with young people, mostly with their former students. The importance 27 28 29
30 31
MNL VEML XII. 2. b. 2. d. Report about the LVIIIth chapter of the monastic community on the 22nd of October 1947. Cf. the author’s other paper in this volume. Balogh, Margit: Kötélhúzás a kulisszák mögött [Tug-of-war behind the scenes], in: Csaba Szabó, László Szigeti (Ed.), Az egyházi iskolák államosítása, 1948 [Secularization of schools, 1948], Budapest 2008, 65. Vendel Endrédy’s letter to Balázs Fűz on the 6th of November in 1947, quoted by Badál, Endrédy Vendel, 243. Verhalen, Peter: The founding of Cistercian Preparatory School: a story of rededications, in: Thomas Pruit (Ed.), Cistercians in Texas, Texas 1998, 50, 57; Our Lady of Dallas. https://www.cistercian.org/abbey/history/our-lady-of-dallas/index.html (downloaded: on the 22nd of May 2019)
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of these activities become clear if we take into consideration that later, after the dissolution of orders, these fields constituted the essence of their „illegal” work, and a great number of Cistercian religious had to suffer retaliation due to these activities. After 1948, however, Cistercian monastic life in Hungary continued to diminish. The leaders of the Abbey prepared for the expected dissolution of the order by the government, and also planned to salvage whatever they could of the Abbey’s material and spiritual heritage for the coming days when they would face a freer world, with more opportunities and possibilities.
3.4
Legal actions against Cistercians between 1945 and 1948
The first Cistercian religious (and the first priest in Hungary)32 who was taken into custody after the Soviet invasion was Gyula Hagyó-Kovács, an outstanding agricultural expert, the the land-steward of the biggest Cistercian estate, Előszállás. He was twice arrested in the spring of 1945. First for war crimes, because two Soviet soldiers were taken prisoners by Germans in Előszállás due to a phone call from the central building of the Cistercian estate. This charge was based on a misunderstanding, and was later dropped. Second time Hagyó-Kovács was arrested for the inadequate (at least from the point of view of the authorities) realization of the land reform in Előszállás.33 He spent about one and a half month in captivity altogether, and in addition one more month in house arrest at the convent in Székesfehérvár.34 Gellért Mészáros, a Cistercian teacher in Székesfehérvár was in captivity from the end of May till November of 1945, because of his article published in Fejérmegyei Napló in the summer of 1944. Sixtus Debreczeni, parish priest at Nagykarácsony was under police surveillance between August and October of 1945 first in Előszállás, later in Székesfehérvár. Bernardin Palos, director-general of the school district in Pécs was arrested (for the first time) between 2nd of August and 12th of October 1945, later he was under police surveillance in Pécs. Fidél Várkonyi, prior in Szentgotthárd was also under police surveillance between 29th of March 1946 and 12th of September 1946. Kelemen Papp, a Cistercian teacher in Baja suffered internment between 12th of February 1946 and 18th of June 1946, then he was under police surveillance until 12th of September.35 Konstantin Horváth prior in Zirc had police interrogations on the 21st of October 1946 and on the 2nd of April 1948. Horváth recited „adoration in the shelter” in remembrance of siege of Zirc on the 23rd of Marc 1945 in the air-raid shelter of the Abbey every year since 1946, and the authorities wanted to intimidate him, this 32 33 34 35
ÁBTL 3.1.9. V-82897/3, 120; MNL VEML XII. 2. b. 2. d. Report about the LVIth chapter of the monastic community on the 22nd of November 1945. ÁBTL 3.1.9. V-47488, 22, 30; MNL VEML XII. 2. b. 2. d. Report about the LVIth chapter of the monastic community on the 22nd of November 1945. MNL VEML XII. 2. b. 2. d. Report about the LVIth chapter of the monastic community on the 22nd of November 1945. ÁBTL 3.1.5. O-8889, 55/4. Letter from Vendel Endrédy to archbishop of Esztergom, Cardinal József Mindszenty on the 5th of March 1947.
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intention was successful: the activity of the prior ceased,36 and the „adorations” were led by Miklós Kukoda in 1949 and in 1950.37 Keresztély Gonda was detained in 1946, but we don’t know any details of his captivity.38 Bonaventura Novák, chaplain in Zirc was summoned to the police in the beginning of 1947 because of his impressive sermons, further on he had to show to the authorities his sermons’ texts in advance for checking.39 Tamás Fehér was in internment in 1947, charged with agitation against the democracy. He spent three months in custody; he was released on the 22nd of October 1947.40 When he obtained information in 1948 about the intention about a new committal, he left Hungary at Szentgotthárd. He lived in the USA from 1949 and later settled in the Cistercian abbey of Dallas.41 Tivadar Nemes was arrested on the 1st of August 1948, but we have no more details or information about this.42 In this period, before the Stalin style dictatorship was settled in Hungary eleven Cistercian religious suffered arrest and/or custody; the charges were different, but none of them amounted to a really serious case. The first serious prison sentence for a Cistercian religious was meted out to Jusztin Baranyay, a noted professor of law. He was sentenced in the Mindszenty lawsuit.
3.5
„The circus has just begun”43 – Jusztin Baranyay in the Mindszentycase
Jusztin Baranyay, the 66 year-old professor was deported on the 24th of December 1948 by the State Security Authority.44 His first interrogation was on the 25th of December,45 36 37 38 39 40 41
42 43 44
45
ÁBTL 3.1.5. O-9322. 3.; MNL VEML XII. 2. b. 2. d. Report about the LIXth chapter of the monastic community on the 21st September 1949; Badál, Endrédy Vendel, 270. ÁBTL 3.1.5. O-1783/1, 106. MNL VEML XII. 2. b. 2. d. Report about the LVIIth chapter of the monastic community from 1st to 3rd November 1946. MNL VEML XII. 2. b. 2. d. Report about the LIXth chapter of the monastic community on the 21th of September 1949; Badál, Endrédy Vendel, 213. MNL VEML XII. 2. b. 2. d. Report about the LIXth chapter of the monastic community on the 21th of September 1949. Ibid; Czike, János: A magyarországi ciszterciek üldözése a kommunista diktatúra idején [The persecution of Cistercians in Hungary during the communist dictatorship], in: Ágnes Turócziné Pesty (Ed.), „Egyre feljebb…” A Budai Ciszterci Gimnázium Évkönyve, 2008/2009 [„Always higher…” Yearbook of the Saint Emery High School in Buda, 2008/2009], 55; Hetényi Varga, Károly: Szerzetesek a horogkereszt és a vörös csillag árnyékában. I [Religious in the shadow of the swastika and the red star], Budapest 2000, 226-227. MNL VEML XII. 2. b. 2. d. Report about the LIXth chapter of the monastic community on the 21th of September 1949. József Mindszenty whispered this phrase – according to his memoirs – to Justin Baranyay, when their show trial had begun. Mindszenty, József: Emlékirataim [Memoirs], Budapest 1989, 290. Budapest Főváros Levéltára [Budapest City Archives] (henceforth: BFL) XXV. 1. a. 254/1949, 7; MNL VEML XII. 2. b. 2. d. Report about the LIXth chapter of the monastic community on the 21th of September 1949; Gergely, Jenő: A Mindszenty-per [The Mindszenty suit], Budapest 2001, 29. ÁBTL 3.1.9. V-700/2, 16.
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and was commited on the 29th of December.46 In summary we can say, that Baranyay was named as the head of the legitimist conspiracy in Cardinal József Mindszenty’s case.47 Accordingly he was accused – based on the act No. VII of 1946 – of conspiracy against democratic political system and intention to overthrow the republic.48 The trial of the Archbishop and his six companions lasted from the 3rd through the 8th of February 1949. In the first instance Jusztin Baranyay was sentenced to 15 years of imprisonment49 (but – as we have already mentioned in our other study in this volume – he and the Primate were close to be handed the death penalty),50 and in the second instance the sentence was 12 years of imprisonment and total confiscation of property for the old Cistercian religious.51 The issue Jusztin Baranyay shocked and stunned the Cistercian community in Hungary. They thought that their old companion must have been unguarded,52 but it was rather a kind of self-defence for them, they thought, if they were careful, they wouldn’t get involved in a case as serious as the case of Mindszenty and Baranyay. They were wrong, and soon it became evident for all of them. Furthermore, the monastic family didn’t forget the imprisoned old religious. In the beginning of 1949, a prayer was initiated for the imprisoned companions in the convent of Zirc,53 and Abbot Endrédy – as in the case of other captive Cistercians – followed up the Baranyay’s prison life, moreover – it emerges from the record of the chapter of the monastic community in autumn of 1949 – that they succeeded in exchanging letters.54 After investigating the documents of Mindszenty’s case we can assert that Jusztin Baranyay was an engaged legitimist between the two world wars, and his relations were deeply embedded in the legitimist community – which was a quite passive community after King Károly IV’s second failed attempt at restoration in Hungary in 1921 –, but after 1945, and mostly after the adaptation of the bill about the defence of the democratic state by penal law (the act No. VII of 1946), he became very discreet in his relationships and in his activity. However, his legitimist social network, his confident, but still formal relationship with the Cardinal and his legal profession made him fitting for the part he had to bear at the Mindszenty’s case, but his Cistercian, or his religious identity wasn’t important in the conception.
46 47 48 49 50 51 52 53 54
BFL XXV. 1. a. 254/1949, 9. Gergely, Jenő/Izsák, Lajos: A Mindszenty-per [The Mindszenty suit], Budapest 1989, 256; ÁBTL 3.1.9. V-700/7/1. Gergely/Izsák, A Mindszenty-per, 50. BFL XXV. 1. a. 254/1949, 13; Gergely/ Izsák, A Mindszenty-per, 274. Gergely/Izsák, A Mindszenty-per, 189, 215, 275; ÁBTL 3.1.9. V-700/56/A-B, 358; ÁBTL 3.1.9. V-700/7/1. BFL XXV. 1. a. 254/1949, 8-16. ÁBTL 3.1.8. Sz-222/18, 28, 65; Badál, Endrédy Vendel, 269. Badál, Endrédy Vendel, 285. E.g.: ÁBTL 3.1.5. O-8889/1, 126; VEML XII. 2. b. 2. d. Report about the LIXth chapter of the monastic community on the 21th of September 1949.
282
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Jusztin Baranyay was set free on the 25th of February 195655 a broken man,56 and his life soon ended on the 21st of June 1956 in the Retirement Home of Pannonhalma. His conviction was invalidated after the political transformation, on the 16th of April 1991.57
4.
The dissolution of the Abbacy and Cistercians in the Grősz-trial
4.1
Right before the dissolution
After Cardinal Mindszenty, the head of the Hungarian Catholic Church was removed from action, the pressure on the Church was intensified on two main fronts: by the intimidation of religious orders on the one hand, and by initiating the „progressive priests” (or peace priests) movement – which put the Hungarian Catholic Church under a threat of a split – on the other hand. Cistercians of Zirc were involved in both. One of the order’s members, Richárd Horváth became the eminent representative of the „progressive priests” movement. According to our sources Horváth joined the movement from conviction and supported it until his death. He left the Cistercian order in the summer of 1950,58 and ran an illustrious political carrier, even becoming Member of the Parliament.59 All the while he remained a priest and – as the parish priest of the former Cistercian parish church in Szentimreváros60 – aided his former order’s mates as he could.61 The year of 1950 was very determinating in Hungarian church policy. The communist government decided to bring about an agreement between the state and the Hungarian Catholic Church. Because of the nationalized education system the state-party leaders regarded the members of the religious orders as worthless members of the
55 56 57 58 59 60 61
BFL XXV. 1. a. 254/1949, 7. Székesfehérvári Püspöki és Székeskáptalani Levéltár [Archives of the Diocese of Székesfehérvár] – Archive of manuscripts – No. 1697/c, 67; Kereszty, Sugárzó lelke tovább világít, 199. BFL XXV. 1. a. 254/1949, 7. ÁBTL 3.1.5. O-8889/1, 137. Richárd Horváth’s letter to Abbot Endrédy on the 19th of July in 1950. About his excommunication by the Sacra Congregatio Concilii cf. the other study of the author in this volume. It is a famous part of the Hungarian capital in the District XI. ÁBTL 3.1.5. O-11783/1, 191; ÁBTL 3.1.9. V-112203, 52; ÁBTL 3.1.2. M-34203/2, 324; MNL VEML XII. 2. i. 20. d. The Diaries of Konstantin Horváth, vol. XIX; Reminiscences of János Aszalós O. Cist., published in: Ágnes Turócziné Pesty (Ed.), „Mi itt állunk, mi itt várunk, mi itt maradunk!” A Budai Ciszterci Szent Imre Gimnázium 100 éve [„We stand here, we are waiting here, we remain here!” Hundred years of the Saint Emery High School of Cistercians in Buda], Budapest 2013, 249-250; ÁBTL 3.1.9. V-112203, 52; ÁBTL 3.1.2. M-34203/2, 324. This attitude wasn’t unique among the leaders of the progressive priest’s movement. Szabó, Csaba: A katolikus egyház állami ellenőrzése és korlátozása az ötvenes években [The control and restriction of the Catholic Church by the state in the fifties], in: Valóság 45 (2002) No. 1, 87-96, here 91.
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283
society, the „irregular troops” and agitators of the Vatican.62 They prepared the orders’ dispersal but at the same time the actions against the orders were used in order to put pressure on the episcopacy to start negotiations with representatives of the government. The internment of religious men and nuns started on the 7th of June 1950 as the first step from the Yugoslav border and thereafter, on the night of the 9th and 10th of June from the western border.63 The next waves of internments took place on the 15th of June and on the 18th and the 19th of June.64 Three of these actions concerned Cistercian convents; altogether 60 Cistercian religious were deported in the summer of 1950. On the night of the 9th and 10th of June all the Cistercians, 37 orders’ members65 were interned from Szentgotthárd,66 from Pécs and from Baja67 to Kunszentmárton. The State Security Authority evacuated the Cistercian convent in Eger on the 15th of June, without providing new shelter for the religious.68 On the night from 18th to 19th the Cistercians were expelled from the Bernardinum, the house of formation in Budapest: ten members had to move to Előszállás, four members were sent to Pásztó. On the same night the Cistercians had to leave the religious house in Székesfehérvár, and they also were transported to Előszállás. The convent in Buda wasn’t emptied, but seven members from this house were in flight from the authorities.69 The leaders of the Hungarian Cistercian community were prepared for the forced evacuation of the Abbey in Zirc, the centre of Cistercian life in Hungary, but quite the contrary happened there: the Cistercian Abbey became the shelter for hundreds of nuns for the next few months. On the 1st of August 459 nuns from different religious orders were deported to the Abbey.70 The community, grown to about 600 people, was provided for through charity and state donation and from the Abbey’s own resources.
62 63 64 65 66
67
68 69 70
Cf. Szabad Nép, the state-party’s daily paper Vol. VIII; Cúthné Gyóni, „Nem harcolunk, de nem is búcsúzunk…”, 131-133. Bánkuti, Gábor: A szerzetesrendek feloszlatása Magyarországon, 1950 [The dispersal of the orders in Hungary, 1950], in: Rubicon 17 (2006) No. 4, 46-53, here 51. Cúthné Gyóni, „Nem harcolunk, de nem is búcsúzunk…”, 148. ÁBTL 3.1.5. O-8889/1, 125. From the dissolution of the Cistercian convent in Szentgotthárd cf.: Soós, Attila Viktor: A szentgotthárdi ciszterci szerzetesek feloszlatása 1950-ben [The dissolution of the Cistercians in Szentgotthárd], in: Barnabás Guitman (Ed.) A Ciszterci Rend Magyarországon és Közép-Európában [Cistercian Order in Hungary and in Central-Europe], Piliscsaba 2009, 419-425. Sulyok, Ignác: Ciszterciek Kunszentmártonban, in: Barnabás Guitman (Ed.), A Ciszterci Rend Magyarországon és Közép-Európában. Cistercian Order in Hungary and in Central-Europe], Piliscsaba 2009, 408-418. Cúthné Gyóni, „Nem harcolunk, de nem is búcsúzunk…”, 148. Badál, Endrédy Vendel, 311. Gianone, András: Zirc a szerzetesek feloszlatása idején [Zirc during the dissolution of the orders], in: Vigilia 65 (2000) No. 6, 450-456, here 452; MNL VEML XII. 2. i. 18. d. The Diaries of Konstantin Horváth, vol. VIII, 69; ÁBTL 3.1.5. O-8889/1, 149-150.
284
4.2
Eszter Cúthné Gyóni
The forced agreement and the dissolution
The episcopacy decided to initiate discussion with the government in favour of the deported religious and nuns. The negotiations started on the 28th of June 1950, and a forced „agreement” was signed on the 30th of August 1950. Thereafter, on the 7th of September 1950, a decree of law by the Presidential Council revoked the authorization (for work) of religious orders in Hungary. According to the agreement, wherein the government offered to return eight schools to the Catholic Church, only four orders, whose members were teaching in these schools (Benedictines, Piarists, Franciscans and Poor School Sisters named after Virgin Mary) could operate in Hungary. The remaining orders were suppressed, and their houses were nationalized.71 Afterwards all religious orders (except for the aforementioned four) have been prohibited to function for forty years in Hungary. Cistercians in Hungary were among the prohibited orders; they didn’t recover schools, and they had to leave their houses, and – because the canon law was authoritative for them – they had to carry on their lifestyle in secret, against the law of the Hungarian People’s Republic. After the 7th of September they had to empty their remaining houses within a threemonth term: they had to leave the convent in Buda by the 7th of October, Pásztó had to be emptied by the 15th of October. The heart of Cistercian life in Hungary, the Abbey of Zirc was dismembered in two steps: the 10th of October and the 20th of November were the deadlines (the second one was referred to Putrimajor, the estate directly belonging to the Abbey). The nationalization of Előszállás was postponed until 10th of November.72 Relative to the emptying of Zirc Abbot Vendel Endrédy had to take care of the financial support of the order’s members and their dispositions for the future. When the Abbot was in Rome in 1948, a decree from Pope Pius XII was given to him dispensing the members of the religious orders from their vows of poverty and obedience (in case of dispersion). Each person was given permission to acquire money and use his salary according to his best judgment, but with the obligation, of course, of helping the needy and elderly members.73 Endrédy took these actions in the spirit of this decree. Furthermore he had to work out a system for the old and ill members’ care and housing, and he had to take care of the young Cistercians’ further education including their housing as well. 71
72 73
Twenty-three male orders and forty female orders were dispersed. Balogh/Gergely, Állam, egyházak, vallásgyakorlás Magyarországon II, 947-948. In the summer of 1950 2454 male and 7673 female religious lived in Hungary according to the data found in the Central Archives of the Hungarian Province of the Piarist Order. A Piarista Rend Magyar Tartománya Központi Levéltára [The Central Archives of the Hungarian Province of the Piarist Order] IV. 149. N 1267/1, 1/a. Magyar Nemzeti Levéltár Országos Levéltára [National Archives of Hungary] (henceforth: MNL OL) XIX–A-21-e-15-18-1950 (15. d.) Cúthné Gyóni, Eszter (Ed.): Egy fogoly apát feljegyzései – Endrédy Vendel zirci apát feljegyzései az ÁVH börtönében. [Notes of a prisoner abbot – Wendelin Endrédy’s notes in the prison of the State Security Authority], Budapest 2013, 29.
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According to the documents kept in the Central Archives of the Hungarian Province of the Piarist Order right before the dissolution, on the 1st of August 1950, the Cistercian Abbey of Zirc had 215 members. 166 of them were religious priests with solemn vows, 46 had made temporary vows and three men were lay member.74 By this time 19 Cistercian religious priests have already escaped abroad, and they never returned.75 This numbers don’t contain the fives religious priests, three novices and two lay brothers of the Monastery in Borsodpuszta, led by Piusz Halász, as they belonged directly to the Abbot General’s jurisdiction, but they too were prohibited by the decree of law of the Presidential Council. During the long years of the dispersion the members of the Abbey of Zirc lived apart from monastic community (the exception was the Retirement Home in Pannonhalma next to the Benedictine Abbey, where several Cistercian religious found shelter for their elderly days), far away from each other, but a quite well organised network functioned amongst them until the trials brought up against the Catholic Church is 1961, known as „Black Ravens-case”.
4.3
The „escape” of Cistercian juniors
Under the extreme pressure in the middle of 1950’s summer (while the deportation of religious and nuns, and the negotiations between the Church’s and the State’s representatives were going on) Abbot Vendel Endrédy decided to send some young Cistercians abroad to continue their studies and to preserve the legal continuity of the Abbey of Zirc. When Abbot Endrédy had been spending some weeks in the Vatican in the end of 1948, he had spoken with the Abbot General of the Cistercian Order and the leaders of some Italian abbeys about disposition of the Hungarian order’s members in case of dissolution. Santa Croce Abbey in Rome had agreed to take over all of the members from Hungary in case of dispersion.76 With this promise in the background Endrédy and some companions from the abbey started to organize the escape for Cistercian youngsters. The most important organizer of the action – certainly besides the abbot himself – was a young Cistercian, Paszál Kis Horváth who was a relative of the abbot and knew the country’s Western border very well from his childhood.77 Finally twentyone religious had undertaken the risky action: two religious priests – Bánk Monostori and Ányos Lékai (the latter was member of the Regina Pacis) – and 19 Cistercian junior monks.
74 75 76 77
A Piarista Rend Magyar Tartománya Központi Levéltára [The Central Archives of the Hungarian Province of the Piarist Order] IV. 149. N 1267/1. Losonczi, Timót/Debreczeni, Sixtus (Eds.): A Ciszterci Rend Zirci Kongregációjának személyi elhelyezése, 1949/50 [Dispositions of the Cistercian Order, 1949/50], Székesfehérvár 1949, 2, 5-6. ÁBTL 3.1.9. V-82897/3, 57. ÁBTL 3.1.9. V-82897, 19; Necrology of Pascal M. Kis Horváth. https://www.cistercian.org/ abbey/history/our-fathers/pdf/Pascal.pdf (downloaded: on the 29th of May 2019)
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The escape was successful; they crossed the Iron Curtain and passed into Austria during the night from September 5th to 6th,78 yet eight religious were caught in the still Russian controlled part of Austria and were extradited back to Hungary. They were found guilty in the lawsuit of the Grősz-trials in 1951. Their case gave occasion for the arrest of Abbot Endrédy. The other group of fugitives went to Rome where they finished their studies. Some of them joined the overseas Cistercian community, some of them had an important role in the revival of the order’s life in Hungary after 1989 and one of them, Polikárp Zakar, became the Abbot General of the Cistercian Order between 1985 and 1995, and later, between 1996 and 2010 the Abbot of Zirc.
4.4
Cistercians in the Grősz-trials
On the 29th of October 1950, in the evening hours Abbot Endrédy and his secretary, Timót Losonczi were arrested in the outskirts of Budapest. On the 8th of November Gyula Hagyó-Kovács, former land-steward of Előszállás and administrator of the Abbey’s possession became the captive of the State Security Authority.79 The communist state-party leaders worked out a new policy against the Catholic Church, which was sketched out on the 4th of May 1951.80 This programme adumbrated the outlines of the next case against the leadership of Catholic Church, who remained „reactionary” even after signing the agreement, and against the prohibited religious orders, who continued their life-style in secret according to canon law.
4.4.1 In the main-trial On the 18th of May József Grősz, Archbishop of Kalocsa was arrested. He was one of the signatories of the agreement signed during the preceding year and served as the head of the Catholic Church since Cardinal Mindszenty had been imprisoned. The lawsuit against him and his eight companions started on the 22nd of June 1951. Endrédy and Hagyó-Kovács became co-defendants in the Archbishop’s trial. Abbot Endrédy was accused of conspiracy against the political system, espionage, trafficking in foreign currency and organization of escape; Gyula Hagyó-Kovács was accused of economic crimes. These main charged persons were designed to prove to the general public just
78 79
80
ÁBTL 3.1.9. V-51839, 3-4, 34. ÁBTL 3.1.9. V-82897/4, 103; ÁBTL 3.1.5. O-11783/1, 278-279; BFL XXV. 4. f. 001211/1951, 744/1990, 1029; Hagyó-Kovács, Gyula: Előszállás utáni éveim, [My years after Előszállás], ed. by Gábor Farkas, in: Árgus, 4 (2002) No. 1, 73-81, here 78. MNL OL M-KS 276. f. 54. cs. 142. ő. e., 1-12. The decision of the Secretariat of the Central Committee of the Hungarian Workers’ Party on 4th of May 1951; published: Ólmosi, Zoltán: Proletárdiktatúra és egyház, 1951 [Proletary dictatorship and the church, 1951], in: História, 13 (1991) No. 5-6, 23-27; Szabó, Csaba (Ed.): A Grősz-per előkészítése, 1951 [Preparation of the Grősz suit, 1951], Budapest 2001, 100-109.
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how damaging the religious orders’ members were. On the 28th of June 195181 Endrédy was sentenced to 14 years of imprisonment and Hagyó-Kovács to 13. Both were released during the 1956 revolution. Abbot Endrédy spent these days of freedom and a short period after the revolution in the Piarists’ convent in Pest, where he dictated the history of his prison-life – including the harsh torments he had to endure right after his arrest – first to a Piarist religious and later to his fellow member, Bernardin Palos.82 During the retaliation for the revolution he was again arrested: his second captivity period lasted from the 2nd of March to the 23rd of August 1957. After his second (and last) release he had to move – according to the command of the Ministry for Home Affairs – to the Retirement Home located next to the Benedictine Abbey in Pannonhalma. He lived there from the 17th of December 1957 until his death on the 29th of December 1981. He was kept under watch until his death, his correspondences and his visitors were followed, and two times, on May and on July 1964 police searched his room.83 His conviction was invalidated after the political transformation, on the 18th May 1990.84 Gyula Hagyó-Kovács was also released during the 1956 revolution, but he was arrested again on the 13th of June 1957; he was released a second time – through the instrumentality of Archbishop Grősz – together with his Abbot, on the 23rd of August 1957.85 Similarly to Abbot Endrédy he lived in the Retirement Home in Pannonhalma until his death. He passed away on the 9th of March 1960. The conviction against him was invalidated by the Budapest City Court on the 17th of February 1992.86
4.4.2 „The others” The Grősz-conception had twenty-four closed court hearings attached to the main session, which was a show trial.87 Two of these were destined to finish the Cistercian leaders’ cases. The lawsuit of the escaped youngsters and Ányos Lékai, who were arrested in Austria was held behind closed doors on the 13th of July 1951 in the Budapest County
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BFL XXV. 4. f. 001211/1951, 744/1990, 1028-1052, 1108-1118; Gáborné, Sólyom: Grősz József és társai bűnpere, 1951 [The trial of József Grősz and his compagnons, 1951], Budapest 1951, 323-330; Margit Balogh, Csaba Szabó (Eds.): A Grősz-per [The Grősz suit], Budapest 2002, 205211, 214-226. This memoir was published and it can be read in English here: Prison Memoirs by Wendelin Endrédy, Abbot of Zirc. https://www.cistercian.org/abbey/history/our-saintly-inspiration/pdf/ Memoirs%20-%20Abbot%20Wendelin.pdf (downloaded: on the 31st of May 2019) ÁBTL 3.1.2. M-37458, 218, 256; ÁBTL 3.1.2. M-33265, 196. BFL XXV. 4. f. 001211/1951, 744/1990, 302-303. MNL OL XIX-A-21-d-0038-1957 (1. d.) The letter of József Grősz, Archbishop of Kalocsa to the Presidential Council of the Hungarian People’s Republic regarding the petition for a reprieve of the Cistercian religious, Vendel Endrédy and Gyula Hagyó-Kovács and the waiver of the Jesuist provincials’ remainder prison term, on the 28th of May 1957. Balogh, Szabó (Eds.), A Grősz-per, 56. Balogh, Margit/Gergely, Jenő: Egyházak az újkori Magyarországon, 1790–1992. Kronológia [Churches in modern Hungary 1790–1992. A Chronology], Budapest 1993, 296.
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Court.88 Elizeus Bán, Farkas Katona, Emmerám Biczó, Tarján Petkó, Albin Hegedűs and Xavér Haraszti were each sentenced to four years of imprisonment for unauthorized crossing of the border. Ányos Lékai was sentenced to seven years of imprisonment for unauthorized crossing, for the organization of the escape and espionage. Paszkál Kis Horváth received four and a half years for unauthorized crossing of the frontiers and organization of the escape.89 Later he had to bear witness in the main-trial against his Abbot. Of these only Paszkál Kis HorváthElizeus Bán and Farkas Katona remained the member of the Cistercian order. Kis Horváth made his perpetual vows in prison. He was released in 1954 and left Hungary after the revolution of 1956; from 1959 he lived in the Cistercian monastery, Our Lady of Dallas, and between 1976 and 1988 he was subprior of the monastery. He died in 2013.90 Elizeus Bán was released in 1954 and made his perpetual vows on the 15th of August 1963. in Pannonhalma. He became an accountant in the Retirement Home of Pannonhalma between 1962 and 1969, later he was the parish-priest in different places. From 1988 he became the novice-master of the reunited Hungarian Cistercian community in Nagyvenyim, and the parish-priest in Apátszállás, Baracs, and from 1993 in Nagyvenyim as well. Between 1994 and 2008 he was the novice-master again, from 2004 to 2011 he became the prior in Zirc, and between 2008 and 2011 he also was the parish-priest in Zirc. He retired in 2012 and died in 2019.91 Farkas Katona made his perpetual vows during the 1956 revolution in Piarists’ Convent in Pest; he became a priest in the Diocese of Győr. From 1976 to 2007 he was the parish-priest in Hidegség, after 2007 became the pastor of the Saint Bernard Retirement Home in Zirc. He retired in 2011 and died in 2019.92 Timót Losonczi, Abbot Endrédy’s secretary and Nivárd Molnár, who was the assistant pastor and chief clerk of the Cistercian parish in Buda and the cashier of the vicariate, were the second and third co-defendants in the trial of Tamás Ipolyi-Keller. IpolyiKeller was the contact of Abbot Endrédy to the Italian Embassy, the most important channel toward the Generalate in Rome.93 On the 5th of August 195194 Losonczi was 88 89 90
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BFL XXV. 4. f. 00431/1951, 444/1990. Hetényi Varga, Szerzetesek a horogkereszt, 287; BFL XXV. 4. f. 00431/1951, 444/1990, 81-99. Halász, Tibor: „…Néhányan átmennénk az újhazába” A magyar ciszterciek külföldi tevékenysége 1945 után [„…Some would set out for the new country” Hungarian Cistercians’ overseas activity after 1945], Budapest 2019, 41; Necrology of Pascal M. Kis Horváth. https://www.cistercian.org/ abbey/history/our-fathers/pdf/Pascal.pdf (downloaded 29th of May 2019). Audiovizuális emlékgyűjtés, Bán Elizeus. https://www.youtube.com/watch?v=yUja3zQkB3c (downloaded: on the 29th of May 2019); Necrology of Elizeus Z. Bán. http://zirciapatsag.hu/component/easyblog/entry/elhunyt-ban-zoltan-elizeus-o-cist-atya?Itemid=469 (downloaded 29th of May 2019). Audiovizuális emlékgyűjtés, Katona Farkas. https://www.youtube.com/watch?v=YNchPPQNKtI (downloaded 29th of May 2019); Necrology of Fakas F. Katona. http://zirciapatsag.hu/component/easyblog/entry/elhunyt-katona-ferenc-o-cist-farkas-atya?Itemid=469 (downloaded 29th of May 2019). It was a necessary but – from the state-power’s point of view of – illegal contact to Rome, because on the 6th April 1945, the legate Angelo Rotta was expelled from Hungary by order of Allied Control Commission led by Soviets, so the legal way to the Cistercian Order’s centre was ceased. BFL XXV. 4. f. 001219/1951., 1860/1990, 86-93, 96-103.
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sentenced to three years of imprisonment for subservience of espionage, and Molnár (who was arrested on the 4th of June 1950)95 was sentenced to three and a half years for trafficking in foreign currency.96 Both of them were released in 1954. Losonczi worked as an electrician until 1965, then he obtained a teaching postion in Sellye. After retirement he moved back to the capital, and he shared a flat with his sister.97 After the prison years Molnár worked as chemist until 1975. From 1975 until his death in 1991 he was the curate of the chapel in the Emmausz street, which belonged to the former Cistercian parish in Buda, to the Saint Emery Church.98
4.4.3 The organisational principles and the structure of the „illegal order” In the mammoth trial series built around Archbishop Grősz and his companions, in total twelve Cistercians were convicted. Thereafter Lóránt ˈSigmond took over as provisional head of the Abbey. But it wasn’t an obvious succession under the confused circumstances in the summer and autumn of 1950. On the 6th of June and on the 23rd of August 1950 Abbot Endrédy requested a vote of the leaders of the Abbey about the position of vicar in case of his arrest. Lóránt ˈSigmond, the novice-master received the most votes in both occasions.99 Yet after Endrédy’s arrest it wasn’t clear which decision of the constitution was to be valid. The results of the balloting in the summer were unambiguous, but Abbot Endrédy would rather see Bernardin Palos as his successor, and according to the constitutions, Konstantin Horváth, the prior of Zirc should lead the Abbey.100 After the Abbot’s had been arrested on the 4th of November 1950 an incomplete council decided about Endrédy’s succession: Lóránt ˈSigmond, who became the Abbot’s vicar (or the provisor, as he called himself). He became responsible for taking care of all the dispersed members of the community; and this task had high priority in case of sick, old, incarcerated and young Hungarian Cistercians. The General Abbot in Rome confirmed ˈSigmond’s new position around the turn of 1950 and 1951, but it was a roundabout process on account of the „illegal” circumstances of the Order in Hungary. In December 1950 Béda Lackner, a Hungarian novice reported in Rome about the changes of the leadership of the Abbey, of the dispersal and of the arrest of Endrédy and Hagyó-Kovács. (Lackner left Hungary with a legal passport, because his family lived in Germany.)101 The confirmation from Rome arrived through Endre Hamvas, Bishop of Csanád.102 But the leadership was not the only issue decided at the November 4th council meeting. The bases of the „illegal” religious organisations were also laid on this council for 95 96 97 98 99 100 101 102
Ibid, 13, 96-97. Ibid, 96-97. Hetényi Varga, Szerzetesek a horogkereszt, 292. Ibid, 296-297. Badál, Endrédy Vendel, 304; MNL VEML XII. 2. i. 18. d. The Diaries of Konstantin Horváth, vol. VIII, 101. MNL VEML XII. 2. i. 18. d. The Diaries of Konstantin Horváth, vol. VIII, 180-182. Kereszty, Sugárzó lelke tovább világít, 198-204. ÁBTL 3.1.5. O-11783/2, 232.
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decision. Abbot Endrédy had a last circular letter which wasn’t published, but the council’s members were acquainted with its contents, so they knew the most important guide-lines for the dispersal.103 It was necessary to dispose as many members as was possible as priests (parishpriests or in pastoral function) or as teachers in order to preserve contact with the faithful and the students. After the dissolution fifteen parishes remained under leadership by Cistercian priests, but from among them the biggest ones, Eger, Buda and Zirc were divested by the State Office for Church Affairs from their active parish-priests: Sixtus Debreczeni, Ödön Kalmár and Miklós Kukoda. ’Sigmond’s right hand man became Szaniszló Kűhn, who officially was the chief clerk of the former Cistercian parish in Buda, but in the „illegal” organisation he was responsible for the practical affairs. He was responsible for the old and sick members of the order as he had to take care of their allocation and their supply.104 Furthermore Kűhn’s authority was the organisation of the deceased members’ funerals and the care and the distribution of their inheritances. The funerals were the occasions where a great many of the dispersed members could gather together. The highest provincial authority remained the „order’s council” (actually the abbatial council), which worked at full staff with ten members. Frigyes Brisits, Szaniszló Kűhn, György Zemplén, Bernardin Palos, Ferenc Wöllner, Ignác Sulyok, Kapisztrán Hegyi, Miklós Kukoda, Gilbert Hardi and János Kerekes (this latter as the prefect of the Cistercian novices in Budapest) became the council’s members right after the dissolution.105 For the „illegal” or underground Cistercian authority it was essential to pay attention to the personal affairs of the members in order to preserve them in the community and its spirituality. The order’s members living in the capital – religious with perpetual vows and the novices as well – were subject directly to the provisory. The rising of the new generation of the Cistercian religious made their vows to Zirc that was the most important task of the „illegality”, since the future of the Abbey, the survival of the Hungarian Cistercian community depended on the new professions. After 1950 Cistercian novices were sent to the seminaries in the dioceses of Székesfehérvár106 and Győr,107 and to the Central Seminary in Pest.108 The education of the other part of the novices was led by Lóránt ˈSigmond. The provisor was personally responsible for them and their teaching went on in strictest confidence with the participation of Lóránt ˈSigmond, Placid Csizmazia, Bálint Kisgergely and Cézár Marosy. Altogether eighteen novices were admitted to the secret education during the period of the state-party system, the last one started his
103 104 105 106 107 108
ÁBTL 3.1.5. O-11783/1, 275. ÁBTL 3.1.5. O-11783/1, 244. Ibid, 82. ÁBTL 3.1.9. V-146835/1, 144; Kereszty, Sugárzó lelke tovább világít, 200-201. Kereszty, Sugárzó lelke tovább világít, 201. Ibid.
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training in 1958. Eight of them would remain in the Cistercian Order, but if we take into consideration the circumstances, we can say, it was a favourable result.109 The Abbot’s vicar pursued a secret correspondence until Abbot Endrédy’s release with the Hungarian Cistercians living in the USA and in Rome. The way of these undercover letters passed through the American, the Austrian and the Italian Embassies, besides an important channel that went through one of the secret novices, Pál Rosdy’s brother living in Vienna and the provisor’s own brother, who was a Dominican religious and lived also in Vienna.110 The Order’s members living in dispersal across the country were organised into territorial units, led by the territorial leader, who was in communication with the central leadership of the Abbey and the provisor forced into undercover activity by the local or the central messenger. Besides the central unit in the capital, four territorial units evolved during 1951 and 1952 in Zirc, Eger and Székesfehérvár and next to the Lake Balaton.111 From them Zirc, Eger and Székesfehérvár had Cistercian parishes before the dispersal, and after 1950 Cistercian priests could keep these churches and their congregation, next to the Lake Balaton (in the Diocese of Veszprém) many parishes worked with Cistercian parish-priests, chaplains or others in ecclesiastical status. In the first period of the „illegality” two units in the Diocese of Veszprém (in Zirc and around the Balaton) were the most active. In Eger and in Székesfehérvár the young people’s, mostly the former Cistercian students’ religious education were in focus. In other cities, Baja and Pécs, where Cistercian schools functioned before 1948, but there were no Cistercian parishes, the underground community convergence also worked secretly as well but not in an organised form.112 In Szombathely, where around Fidél Várkonyi, former prior in the convent of Szentgotthárd, gathered a small and spontaneously evolved Cistercian community.113 There Géza Kelety was concerned with religious education in 1949 and 1950. (Later he was arrested for this activity.) The leaders of the well organised units (in Budapest, Zirc, Eger, Székesfehérvár and next to the Lake Balaton) had to hold together the members in their units, and they had to supervise the religious discipline among them, which was very important because they had to live outside the convents. The leaders regularly reported to the central leadership about the units’ members, and they had to distribute the financial supply of the order’s members. The underground units were well trailed by the State Security Authority and their destruction started almost parallel with their extension, thus the „illegal” order structure was in continuous transformation. Against them the authorities used administrative interventions, legal actions and all means for operative disintegration.
109 110 111 112 113
Ibid, 29, 286; Kereszty, Rókus: Ciszterci arcképek. [Cistercian portraits], Budapest 2014, 21. ÁBTL 3.1.5. O-11783/1, 208; ÁBTL 3.1.5. O-11783/2, 232; BFL XXV. 4. f. 9264/1961, 1119, 1258; Kereszty, Sugárzó lelke tovább világít, 199, 207. ÁBTL 3.1.2. M-34203, 9. ÁBTL 3.1.5. O-11783/2, 228. ÁBTL 3.1.2. M-34203, 9.
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5.
A short outlook
During the first decade of the dissolution most of the order’s members, as well as its new leadership, were striving to keep up the community framework by adhering to the values and principles drawn up by Abbot Vendel Endrédy in the summer of 1950. Some members suffered retaliation – since the order’s secret operation was in force at the time against government legislation and regulations. Between 1952 and 1955, thirteen Cistercians received prison sentences of various duration in criminal suits (of those thirteen, two Cistercians were not from the Abbey of Zirc but members of the Regina Pacis). These arrests and trials also transformed the underground order. The 1956 revolution brought changes for the Cistercian monks, but after the short days of freedom, during the first years of Kádár’s regime the reprisals following the revolution impacted the structure and operation of the Cistercian organisation. Thirtytwo Hungarian Cistercians were involved, and eleven members of the order were convicted (one of them was a member of the Regina Pacis) in a grandiose trial series against the Catholic Church in 1961–1962. While the secret community held together in times of its „illegal” status, the last large wave of lawsuits and trials brought a real breakthrough. Partly due to the later developments, partly because of the aging and/or deaths amongst its former seniors, a new generation of leaders gradually took over the management of the congregation for the Abbey of Zirc.
Lucian N. Leuștean
DIE RUMÄNISCH-ORTHODOXE KIRCHE UND DAS KOMMUNISTISCHE REGIME
1.
Einleitung
Das Ende des Zweiten Weltkrieges bedeutete auch das Ende Großrumäniens, das sich 1918 konstituiert hatte. Die Gebiete Bessarabiens und der Nord-Bukowina fielen der Sowjetunion zu, die Süd-Dobrudscha wurde ein Teil Bulgariens. Die Stationierung sowjetischer Truppen begann mit dem 23. August 1944, als König Michael Rumänien mit den Alliierten gegen Deutschland verbündete. Durch den militärischen und politischen Druck der Sowjetunion geriet das Land anschließend auf den kommunistischen Weg. Diesen Weg ging Rumänien vom 30. Dezember 1947 bis zum 22. Dezember 1989. Rumänien war eine überwiegend landwirtschaftlich geprägte Gesellschaft; das neue kommunistische Regime musste den Einfluss religiöser Gemeinschaften berücksichtigen. In der Zwischenkriegszeit war der rumänische Patriarch dreimal Ministerpräsident gewesen; ein bedeutender Teil des Klerus war auf der politischen Ebene aktiv. Während des Kalten Krieges zeichnete sich ein typisch rumänischer Umgang mit der Religion ab. Die rumänisch-orthodoxe Kirche (BOR), das wichtigste religiöse Bekenntnis im Land, arbeitete eng mit dem Regime zusammen und stand nicht vor einer weit verbreiteten religiösen Verfolgung. Die religiösen Gemeinschaften wurden vom Staat kontrolliert, während auf lokaler Ebene die Religiosität mit der Erhaltung der nationalen Identität verbunden war.
2.
BOR und das neue Regime1
Die Gründung der Volksrepublik fand gleichzeitig mit einem bedeutenden Wandel in der Leitung der BOR statt. Patriarch Nicodim Munteanu war krank und starb am 27. Februar 1948 unter noch umstrittenen Umständen. Obwohl es einige Spannungen zwischen dem Patriarchen und der neuen Regierung gab, hatte er sich nie öffentlich gegen das Regime geäußert. Sein Tod führte zum Aufstieg des Metropoliten Justinian Marina von Moldawien und Suceava. Dieser war mit der Unterstützung der Kommunisten in 1
Die folgenden drei Unterkapitel basieren auf dem Beitrag von Leuștean, Lucian N.: Orthodoxy and the Cold War. Religion and Political Power in Romania, 1947–65 [Orthodoxie und Kalter Krieg. Religion und politische Macht in Rumänien, 1947–1965], Basingstoke 2009.
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Lucian N. Leuștean
die kirchliche Hierarchie aufgestiegen; als Pfarrer hatte er Gheorghe Gheorghiu-Dej, den Sekretär der Kommunistischen Partei (PCR) versteckt, als dieser 1944 aus dem Gefängnis entkommen war. Archivdokumente des rumänischen Sicherheitsdienstes, der sogenannten „Securitate“, zeigen, dass die Kirchenhierarchie in den ersten Monaten nach der Gründung der Volksrepublik eine ambivalente Position gegenüber dem neuen Regime einnahm, indem sie auch die bisherige Monarchie lobte. Sie bat die Gläubigen, sich nicht in politische Streitigkeiten einzubringen und sich stattdessen auf den spirituellen Fortschritt zu konzentrieren. Dennoch wurde die Diskrepanz zwischen den spirituellen und politischen Botschaften klar, als im Mai 1948 Justinian den ersten Band einer Sammlung von Reden veröffentlichte, in dem er die neue Lehre der Kirche, das „Sozialapostolat“, offiziell vorstellte. Die Lehre schlug die Zusammenarbeit zwischen Kirche und Staat vor; die Kirche sollte zur „Dienerkirche des Volkes“ werden. Die Mischung aus kommunistischer Terminologie und religiösen Lehren war äußerst eindringlich und blieb die Norm während des Kalten Krieges.2 Am 24. Mai wählte das Wahlkollegium, das von kommunistischen Abgeordneten dominiert war, den Metropoliten Justinian Marina als Patriarchen; am 6. Juni 1948 wurde er inthronisiert. Einige Securitate-Berichte deuten darauf hin, dass Justinian allein auf Druck Moskaus zum Patriarchen ernannt worden war. Moskau habe alle anderen Nominierungen abgelehnt. Allerdings war die enge Beziehung Justinians zu den führenden Kommunisten der Hauptfaktor für seine Wahl.3 Als ein weiteres Zeichen besonderer kirchenstaatlicher Beziehungen erhielt der Patriarch sein pastorales Personal, das religiöse Symbol der kirchlichen Macht, nicht vom König (wie seine Vorgänger), sondern von Constantin I. Parhon, dem Präsidenten der Großen Nationalversammlung (MAN). Während die orthodoxe Kirchenleitung vom Regime durchdrungen wurde, wurde die katholische Kirche mit ihrer durch den Vatikan auferlegten Hierarchie als eine große Bedrohung für den Aufbau des Kommunismus in Rumänien empfunden. So verabschiedete die Regierung am 17. Juli 1948 die Abschaffung des rumänischen Konkordats mit dem Vatikan, das seit 1927 bestanden hatte. Damit war die katholische Kirche in Rumänien beeinträchtigt. Monate später, am 18. September, reduzierte ein weiteres Dekret die Zahl der römisch-katholischen Bischofsstühle in Rumänien von sechs auf zwei und alle katholischen Schulen wurden vom Staat in Beschlag genommen.4 An dem Tag, als Rumänien das Konkordat mit dem Vatikan verurteilte, unterzeichnete eine Delegation der BOR einen „Appell an alle Christen aus der ganzen Welt“. Dieser war vom Panorthodoxen Kongress formuliert; er würdigte 500 Jahre Auto2
3 4
Hitchins, Keith: The Romanian Orthodox Church and the State [Die rumänisch-orthodoxe Kirche und der Staat], in: Bohdan R. Bociurkiw, John W. Strong, Jean K. Laux (Hg.), Religion and Atheism in the USSR and Eastern Europe [Religion und Atheismus in der UdSSR und Osteuropa], Toronto 1975, 316. Tobias, Robert: Communist-Christian Encounter in East Europe [Begegnungen zwischen Kommunisten und Christen in Osteuropa], Indianapolis 1956, 325. Bucur, Marius/Stan, Lavinia: Persecuţia Bisericii Catolice în România. Documente din arhiva Europei Libere, 1948–1960 [Die Verfolgung der katholischen Kirche in Rumänien. Dokumente aus dem Archiv von Radio Free Europe, 1948–1960], Târgu-Lăpuş 2004.
Die rumänisch-orthodoxe Kirche und das kommunistische Regime
295
kephalie der russisch-orthodoxen Kirche in Moskau. Am Kongress nahmen die bedeutendsten orthodoxen Oberhäupter der kommunistischen Länder teil. Der Appell drängte die christlichen Gläubigen, sich in „gutem Verständnis, Einheit, Frieden und Brüderlichkeit“ zu vereinen. Die allmähliche Kontrolle der Religion durch das Regime in Rumänien nahm im August 1948 eine dramatische Wende. Am 2. August wurden alle ausländischen Schulen verboten5, am darauffolgenden Tag verabschiedete die Regierung ein Gesetz über die Bildungsreform, das alle religiösen Schulen auflöste und sieben Jahre kostenlose Pflichtbildung vorsah (anstatt der bisherigen vier Pflichtschuljahren).6 Am 4. August veröffentlichte die Regierung ein „Gesetz über die allgemeine Ordnung religiöser Konfessionen“, das die Basis der kirchenstaatlichen Beziehungen während der gesamten kommunistischen Epoche bilden würde.7 Nach der Abschaffung des Konkordats mit dem Vatikan und der Sicherstellung der politischen Unterwürfigkeit der BOR wandte sich die Regierung der zweitgrößten Konfession in Rumänien, der griechisch-katholischen Unierten Kirche zu. Am 3. September 1948 wurde der Unierte Bischof Ioan Suciu, Apostolischer Administrator der Erzdiözese Alba Iulia und Făgăraş, von seiner Position entfernt; ihm folgten am 18. September drei weitere Bischöfe.8 Die Abschaffung der Unierten Kirche sollte den Höhepunkt der „Religionsfreiheit“ im kommunistischen Rumänien darstellen und den historischen Moment bilden, in dem die Rumänen vollkommen vereint waren. Der kommunistischen Propaganda zufolge war die Vereinigung mit der BOR auf eine Volksbewegung zurückzuführen, die in der Unierten Kirche ihren Anfang genommen hatte. Die Abschaffung der Unierten Kirche manifestierte die Freiheit des Volkes, sich mit ihrer „Mutterkirche“ zu vereinigen, eine Chance, die nur in einem neuen, kommunistischen Rumänien überhaupt möglich werden konnte. Zudem wurde diese Vereinigung als eine symbolische Handlung der Bürger präsentiert, die endlich vom Leiden der Vergangenheit befreit waren und erneut die ersehnte Einheit schaffen konnten. Am 1. Oktober 1948, unter dem Druck der Securitate, versammelten sich 38 Unierte Priester in der Sporthalle eines Lyzeums in Cluj, von denen 37 im Namen von 430 Priestern die Vereinigung der Unierten Kirche mit der BOR unterzeichneten. Gleichzeitig appellierten sie an die Gläubigen, diese Entscheidung
5 6 7
8
Monitorul Oficial, Nr. 176/ 2. August 1948. Monitorul Oficial, Nr. 177/ 3. August 1948. Legea pentru Regimul general al Cultelor religioase [Gesetz über die allgemeine Regelung für religiöse Bekenntnisse], Monitorul Oficial Nr. 178/ 4. August 1948 in Legea şi Statutele Cultelor Religioase din Republica Populară Română [Das Gesetz und die Statuten der religiösen Bekenntnisse in der rumänischen Volksrepublik], Bukarest 1949. Vasile, Cristian: Între Vatican şi Kremlin. Biserica Greco-Catolică în timpul regimului communist [Zwischen dem Vatikan und dem Kreml: Die griechisch-katholische Kirche während des kommunistischen Regimes], Bukarest 2003; Vasile, Cristian.: Istoria Bisericii Greco-Catolice sub regimul communist, 1945–1989. Documente şi mărturii [Die Geschichte der griechisch-katholischen Kirche während des kommunistischen Regimes 1945–1989 Dokumente und Erinnerungen], Iaşi 2003.
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Lucian N. Leuștean
zu befolgen.9 Bischof Iuliu Hossu, Vorgesetzter der Unierten Kirche, erkannte diese Aktion jedoch nicht an; folglich wurden die 37 Priester exkommuniziert. Darüber hinaus sendete Gerald Patrick O'Hara, der Apostolische Nuntius in Rumänien, am 7. Oktober einen Protestbrief an das Präsidium der MAN10, während andere Unierten Oberhäupter Premierminister Groza einen weiteren Protestbrief schickten. Die BOR unterstützte die Regierung: Am 3. Oktober 1948 wurde Patriarch Justinian von einer Delegation Unierter Priester in Bukarest besucht; bei diesem Anlass begrüßte er die Vereinigung zwischen den beiden Kirchen. In einer symbolischen Geste antwortete Patriarch Justinian am 17. Oktober auf die Unierte Anathematisierung derer, die die Vereinigung akzeptiert hatten, mit der Erteilung seines persönlichen Segens. Während des Kalten Krieges blieb die Zwangsvereinigung allerdings eines der umstrittensten Probleme innerhalb der rumänischen Orthodoxie. Die Unierte Kirche tauchte bis Dezember 1989 unter.11
3.
BOR und der rumänische Weg zum Kommunismus
Der Höhepunkt im Machtkampf zwischen den verschiedenen kommunistischen Fraktionen fand am 26. und 27. Mai 1952 im Plenum des Zentralkomitees der PCR statt, als Gheorghiu-Dej die kommunistische Gruppe um Ana Pauker, die von der Parteiführung in Moskau unterstützt wurde, beseitigte. Pauker wurde weder im Sekretariat noch im Politbüro der Partei wiedergewählt.12 Mit der Konzentration der Macht in den Händen von Gheorghiu-Dej durchlief die gesamte Struktur der rumänischen kommunistischen Führung mehrere Änderungen.13 Am 2. Juni 1952 wurde Petru Groza zum Präsidenten des Präsidiums der MAN gewählt, somit ersetzte er Constantin I. Parhon. GheorghiuDej wurde Vorsitzender des Ministerrates; er blieb in dieser Position bis zum 3. Oktober 1955. Der Entwurf einer neuen Verfassung wurde am 18. Juli veröffentlicht; die Kirche stimmte den angenommenen Änderungen zu.14 Durch die Einbeziehung eines
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10
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Kom, André: Unificarea Bisericii Unite cu Biserica Ortodoxă Română în 1948 [Die Vereinigung der Unierten Kirche mit der orthodoxen Kirche im Jahr 1948], in: Ovidiu Bozgan (Hg.), Studii de Istoria Bisericii [Geschichte der Kirche], Bukarest 2000, 88-124. Bozgan, Ovidiu: Nunţiatura Apostolică din România în anii 1948–1950 [Die Apostolische Nuntiatur in Rumänien von 1948 bis1950], in: Ovidiu Bozgan (Hg.), Biserică, Putere, Societate. Studii şi Documente [Kirche, Macht, Gesellschaft. Studien und Dokumente], Bukarest 2001, 132. Stenogramele şedinţelor Biroului Politic al Comitetului Central al Partidului Muncitoresc Român, vol. 1. 1948 [Protokolle der Sitzungen des Politbüros des Zentralkomitees der Rumänischen Arbeiterpartei. Bd. 1, 1948], Bukarest 2002, 267-269. Levy, Robert: Ana Pauker. The Rise and Fall of a Jewish Communist [Ana Pauker. Aufstieg und Fall einer jüdischen Kommunistin], Berkeley 2001. Das Politbüro wurde von 13 auf 9 Mitglieder reduziert, das Organisationsbüro von 17 auf 11 und das Sekretariat von 7 auf 5 Mitglieder. Proiectul de Constituţie a Republicii Populare Române. Atitudinea Bisericii Ortodoxe Române faţă de proiectul noii Constituţii a Statului nostru democratic-popular [Der Verfassungsentwurf der rumänischen Volksrepublik. Die Haltung der rumänisch-orthodoxen Kirche gegenüber dem
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Verweises auf die Sowjetunion in der Verfassung erklärten die Kommunisten de facto die Rolle der Sowjetunion bei der Gründung der rumänischen Volksrepublik und bei der damaligen politischen Entwicklung im Land. Von diesem Moment an hatte Gheorghiu-Dej die gesamte Kontrolle über die Partei; Entscheidungen wurden fortan von einer reduzierten Anzahl von Kommunisten getroffen. Zum ersten Mal seit der Gründung des rumänischen Staates im Jahre 1859 gab es keine Erwähnung der BOR in der Verfassung. Rechtlich wurde die BOR als gleichberechtigt mit anderen Konfessionen betrachtet. Jeder Bürger konnte theoretisch seine eigene Religion bekennen. Nach dem Berliner Treffen (25. Januar-18. Februar 1954), bei dem die Außenminister Frankreichs, Großbritanniens, der USA und der UdSSR anwesend waren, begannen die kommunistischen Regime in Osteuropa, die politischen Führer, die stalinistische Methoden angewandt hatten, auszutauschen. Rumänien war einer der wenigen kommunistischen Staaten, der seine Parteiführung nicht ersetzte; trotz seiner Verbindung mit der stalinistischen Politik blieb Gheorghiu-Dej an der Macht.15 Der neue Kurs der rumänischen Politik fand in der Kirche Unterstützung. Im Mai 1954 widmete sich die offizielle Zeitschrift der Kirche „Biserica Ortodoxă Română“ [Die Rumänisch Orthodoxe Kirche] zwei rumänischen Heiligen, dem Hierarchen Calinic von Cernica und dem Märtyrer Ioan Romanul.16 Indem sie die Bedeutung zweier nationaler Heiliger unterstrich, insinuierte die kirchliche Hierarchie, dass die Rumänen ein Volk mit eigener Spiritualität innerhalb der breiten orthodoxen Gemeinschaft waren. Diese Sonderausgabe der wichtigsten Kirchenzeitschrift zeigte, dass die Kommunisten sich bewusst waren, auf welche Art und Weise die Kirche zum neuen Kurs des rumänischen Kommunismus beitragen konnte. Die BOR hielt gute Beziehungen zu den anderen orthodoxen Kirchen aufrecht. Am 3. September 1954 wurden einige Priester vom Regime mit Medaillen ausgezeichnet. Am nächsten Tag verlieh Justinian dem Metropoliten Nikolai von Krutitsy und Kolomna17 den Titel „Doktor der Theologie“ in einer Zeremonie, die am Theologischen Institut in Bukarest stattfand. Metropolit Nikolai war Mitglied der internationalen Friedensbewegung und die kommunistischen Behörden veranlassten ihn, das Nationale Komitee für die Verteidigung des Friedens zu besuchen, wo er andere rumänische religiöse Leiter traf. Die engen Beziehungen zu anderen orthodoxen Kirchen waren nicht allein auf die kommunistischen Länder beschränkt. Am 13. September 1954 begrüßte Justinian den Patriarchen Alexander III. von Antiochien am Flughafen Bukarest. Alexander III. war auf dem Weg, seinen Urlaub in Moskau mit dem Patriarchen Aleksii zu verbringen. Vor seiner Abreise feierte er die Liturgie zusammen mit Justinian und bot diesem die höchste Auszeichnung der Antiochenischen Kirche an, den Orden der Apostel Petrus und Paulus, erster Klasse. Sowohl russische als auch antiochenische Ober-
15 16 17
Verfassungsentwurf unseres demokratischen Volksstaates], Biserica Ortodoxă Română [Die Rumänisch-Orthodoxe Kirche] (im folgenden BOR) 6-8 (1952), 390-399. Ionescu, Ghita: Communism in Rumania, 1944–1962 [Kommunismus in Rumänien, 1944–1962], London 1964, 232. BOR 5 (1954), 529-547. Scînteia, 11. Dezember 1955; 13. Dezember 1955.
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häupter wurden von Petru Groza empfangen und ihre Besuche wurden in der Presse weit verbreitet.18 Der Kampf um die politische Macht innerhalb der sowjetischen Komintern im Januar 1955 führte zum Aufstieg von Nikita Chruschtschow. Die Sowjetunion verabschiedete eine offenere Haltung gegenüber dem Westen; auch erkannte sie die Unabhängigkeit Westdeutschlands an. Vom 18. bis 23. Juli 1955 tagten Vertreter der USA, der Sowjetunion, Großbritanniens und Frankreichs in Genf. Dieses Treffen markierte den Beginn einer offiziellen Entspannungspolitik zwischen den Supermächten und hatte ebenso Auswirkungen auf die Weiterentwicklung des Kommunismus in Rumänien. Während die anderen Führer innerhalb des kommunistischen Blocks ihre Vorgänger für die Anwendung der stalinistischen Methoden kritisierten, blieb Gheorghiu-Dej diesen Methoden treu und fing an, den „rumänisch geprägten“ Kommunismus aufzubauen und zu behaupten. Seiner Meinung nach musste der Kommunismus an die nationalen Interessen eines jeden Landes angepasst werden; ebenso müsse die historische Entwicklung eines jeden Landes berücksichtigt werden.19 Die Ausbildung eines rumänischen Wegs zum Aufbau des Kommunismus erreichte im Oktober 1955 eine entscheidende Dimension. Bereits 1950 und 1951 hatte die Heilige Synode die Entscheidung getroffen, einige rumänischen Heiligen zu kanonisieren, aber die Kommunisten hatten öffentliche Feierlichkeiten abgelehnt. Im neu etablierten National-Kommunismus versuchte die Partei jedoch weitere Vorteile durch die Kirche zu erlangen und erteilte ihr die Erlaubnis dafür. Die rumänischen Kommunisten versuchten, sich dadurch von den anderen kommunistischen Regimen und insbesondere von der Sowjetunion zu unterscheiden, dass jetzt öffentliche kirchliche Manifestationen erlaubt waren. Darüber hinaus war die Natur dieser Feierlichkeiten ein ideales Vehikel, die propagandistische Botschaft der Religionsfreiheit Rumäniens zu fördern und zu betonen. Es war gerade der richtige Zeitpunkt, da die Zwangsvereinigung der griechischkatholischen Kirche mit der orthodoxen Kirche zu scheitern drohte. Zudem war die Einladung der Vertreter ausländischer Kirchen zu den Feierlichkeiten eine Chance, die Offenheit des Regimes zu zeigen und das rumänisch-orthodoxe Prestige auf internationaler Ebene zu konsolidieren. Die Feierlichkeiten für die Kanonisierung der rumänischen Heiligen waren zeitlich perfekt abgestimmt mit drei Jubiläen: 70 Jahre Autokephalie der rumänisch-orthodoxen Kirche, 30 Jahre seit der Proklamation des rumänischen Patriarchats und sieben Jahre seit der „Wiedervereinigung“ der Unierten Kirche mit der orthodoxen Kirche.20 Diese Ereignisse waren propagandistisch aufgeladen und wurden zu Slogans des Regimes.21 Ziel war es, den rechtzeitigen Moment der Kanonisierung der ersten Heiligen in der 18 19
20 21
Scînteia 4., 5., 14. September 1954. Tisămneanu, Vladimir: Stalinism for All Seasons. A Political History of Romanian Communism [Stalinismus für die Ewigkeit. Eine politische Geschichte des rumänischen Kommunismus], Berkeley 2003. Marile festivităţi religioase ale Bisericii Ortodoxe Romîne din octombrie 1955 [Die großen religiösen Feierlichkeiten der rumänisch-orthodoxen Kirche], BOR 11-12 (1955), 994. Popescu, Teodor. M.: Însemnătatea canonizării sfinţilor romîni [Die Bedeutung der Kanonisierung rumänischer Heiliger], BOR, 1953, 493-502.
Die rumänisch-orthodoxe Kirche und das kommunistische Regime
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Geschichte der rumänisch-orthodoxen Kirche zu betonen. Am 20. August 1955 schickte Justinian Briefe an die wichtigsten orthodoxen Oberhäupter und lud sie ein, an den Feierlichkeiten teilzunehmen. Die orthodoxen Kirchen aus Russland, dem Ökumenischen Patriarchat, Bulgarien und Griechenland schickten Delegationen. Die politischen Beziehungen zu Jugoslawien waren angespannt und die serbisch-orthodoxe Kirche schickte keine Vertreter. In ihrer offiziellen Antwort gab sie an, die Hierarchie würde sich auf eine Reise „in ein anderes Land“ vorbereiten.22 Die wichtigsten Delegationen waren die aus Bulgarien, die vom neu gewählten Patriarchen Kiril geleitet war und die aus dem Ökumenischen Patriarchat. Zum ersten Mal seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges besuchten zwei Vertreter des Ökumenischen Patriarchats Athenagoras, die ihre religiösen Gerichtsbarkeiten in Westeuropa hatten, Rumänien. Da es Reliquien der ersten Gruppe von Heiligen in Rumänien gab, beschloss die Kirche, diese Heiligen sollten nicht wie bisher nur auf lokaler Ebene verehrt werden, sondern im ganzen Land. Darüber hinaus deklarierte die Kirche Ioan Valahul als Staatsheiligen, der in Konstantinopel gestorben war. Die Kirche kanonisierte neue Heilige, die sowohl für die Geschichte der orthodoxen Kirche als auch für die politische Entwicklung des Landes bedeutende und symbolische Rollen gespielt hatten. So wurden zwei Heilige, Joseph der Neue von Partoş, Metropolit von Timişoara (+ am 15. August 1656) und Calinic aus Cernica, Bischof von Râmnic (+ 11. April 1868), lokal verehrt und als Heilige in der kirchlichen Tradition eingetragen. Sie gehörten zur Geschichte der Kirche, da sie sowohl Mönche als auch Mitglieder der Hierarchie waren. Zwei Heilige, Ilie Iorest und Sava Brancovici, waren Hierarchien aus Siebenbürgen und wurden als Kirchenführer wahrgenommen, die im 16. Jahrhundert gegen die katholische Kirche gekämpft hatten. Mönch Visarion Sarai, Mönch Sofronie von Cioara und Oprea Miclăuş, ein Bauer, galten als Märtyrer für den orthodoxen Glauben im Kampf gegen die katholische Kirche im 18. Jahrhundert und wurden heiliggesprochen. Die Kanonisierung eines Bauern bezweckte in einem prädominant ländlichen Land wie Rumänien die Identifizierung jedes Bauern mit dem Heiligen. Seine Auswahl hatte auch eine propagandistische Botschaft gegen die katholische Kirche, denn dieser starb, um den orthodoxen Glauben zu bewahren. Die neu kanonisierten Heiligen waren ausschließlich Rumänen, die keine Verbindungen zur russisch-orthodoxen Kirche hatten. Die Kirche beabsichtigte somit, ihre eigenständige Stimme innerhalb des orthodoxen Gemeinwesens zu entwickeln. Ihr sollte nicht vorgeworfen werden können, dass sie von ihrem größeren russischen Pendant assimiliert worden sei. Die einzige ausländische Ausnahme bei den Heiligen war Ioan Valahul, der in Griechenland und nicht in Rumänien verehrt worden war. Mit der Annahme dieses Heiligen zeigte die Kirche, dass sie für Beziehungen mit anderen orthodoxen Kirchen offen war, auch wenn diese aus keinen kommunistischen Ländern stammten. Das Regime nutzte diesen Moment politisch aus: die propagandistische religiöse Literatur zeigte eine Parallele zwischen dem Leben dieser Menschen und der „religiösen Freiheit“, die unter kommunistischer Herrschaft erreicht wurde. So stellten der Staat und die Kirche ihre Bestrebungen für religiöse Rechte in Siebenbürgen im Laufe der vergangenen Jahrhunderte als vergleichbar 22
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mit der angeblichen Entscheidung der Bürger dar, die Unierte Kirche mit der orthodoxen Kirche wieder zu vereinen: „Es gab keine Kraft, die diese Volksbewegung, die ihre religiöse Freiheit durch Kampf erlangte, aufhalten konnte“23. Am 24. Februar 1956 verurteilte Nikita Chruschtschow Stalins Verbrechen auf dem 20. Kongress der KPdSU in einer „Geheimen Rede“, die den Personenkult sowie die Abweichung von der Lehre der „kollektiven Führung“ kritisierte. Chruschtschows Worte kamen wie ein Schock für Gheorghiu-Dej, der sich für seinen autoritären Regierungsstil angegriffen fühlte; Gheorghiu-Dej wurde als rumänischer Stalin wahrgenommen. Erst einen Monat nach seiner Rückkehr aus Moskau, machte er die Direktiven des sowjetischen Kongresses der PCR bekannt. In seinem Bericht an das Plenum des Zentralkomitees der PCR (20. bis 23. März 1956) ließ Gheorghiu-Dej die „Geheime Rede“ von Chruschtschow unerwähnt; er kritisierte aber einige der politischen Methoden Stalins, ohne ihn jedoch jemals grundsätzlich zu verurteilen. Um internationale Unterstützung für den rumänischen Kommunismus zu fördern, wurden die Beziehungen zu anderen kommunistischen Ländern gestärkt, die als mögliche Konkurrenten der Moskauer Hegemonie angesehen wurden. Nach der engen Kontaktaufnahme mit der chinesischen Regierung in den vergangenen Jahren bezweckten die rumänischen Kommunisten, die Beziehungen zu Jugoslawien zu verbessern. Gheorghiu-Dej sprach während seines Besuches in Belgrad die Wirkung von Chruschtschows Rede an, die im Juni 1956 zu Unruhen in Poznań und im Oktober 1956 in Budapest geführt hatte. Sein Besuch wurde durch den Ausbruch der Studenten- und Arbeitermanifestationen in Bukarest, Cluj und Iaşi unterbrochen. Die Studierenden forderten die Verbesserung der Bildungseinrichtungen und die Abschaffung des russischen Pflichtunterrichts aus den Universitäts- und Hochschulcurricula. Die Arbeiter forderten eine Erhöhung des Monatslohnes. Der Hauptunterschied zwischen den rumänischen Demonstrationen und denen in den anderen kommunistischen Staaten war, dass die rumänischen Studenten und Arbeiter keine definierte politische Agenda hatten. Das Regime stellte sicher, dass sich die Demonstrationen nicht ausbreiten würden; Emil Bodnăraş, Minister für militärische Streitkräfte, befahl die Verhaftung von rund 1.200 Menschen. Durch die Kontrolle jedes möglichen ausländischen Einflusses waren Ausländer daran gehindert, Rumänien durch die angrenzenden Gebiete zu Moldau und Siebenbürgen zu betreten. Die Zahl der Polizeipatrouillen nahm zu und am 5. November setzte das Zentralkomitee der PCR die „Arbeiterwachen“ für die „Verteidigung“ der Fabriken wieder ein. Auf Wunsch Chruschtschows besuchten Gheorghiu-Dej, Emil Bodnăraş, Valter Roman und Mihai Beniuc Budapest in dem Zeitraum vom 22. bis 25. November 1956 zusammen mit ca. 200 politischen Aktivisten ungarischen Ursprungs aus Siebenbürgen. Ziel war es, die Reorganisation der ungarischen kommunistischen Partei und die der ungarischen Staatssicherheitskräfte zu konsolidieren.24 23 24
BOR 11-12 (1955), 1126. Verona, Sergiu: Military Occupation and Diplomacy. Soviet Troops in Romania. 1944–1958 [Militärische Besatzung und Diplomatie. Sowjetische Truppen in Rumänien. 1944–1958], Durham 1992; Deletant, Dennis: Impactul revoltei maghiare în România [Die Auswirkungen des ungarischen Volksaufstands in Rumänien], in: Analele Sighet 8, Anii 1954–1960: Fluxurile şi
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Am 6. Oktober 1956, während der ungarischen Revolution, führte Patriarch Justinian den Vorsitz der Heiligen Synode in Timişoara, der größten rumänischen Stadt in der Nähe der ungarischen Grenze. Bei diesem Anlass wurde der Heilige Hierarch Joseph der Neue kanonisiert.25 Es gibt keine direkte Verbindung zwischen der Anwesenheit des Patriarchen und den Studentenprotesten in Timişoara. Doch die Verehrung der Staatsheiligen zu predigen und die Kanonisierung eines neuen Heiligen in der Nähe der Grenze zu Ungarn zu zelebrieren, konnte als direkte Unterstützung für den neuen rumänischen National-Kommunismus betrachtet werden. Am 30. Oktober 1956 traf Justinian den Patriarchen Vikentije der serbisch-orthodoxen Kirche, der von einer Moskau Reise nach Hause zurückkehrte. Vikentije hielt sich für einen Tag in Bukarest auf; das kurze Treffen sollte eine Grundlage für künftige Kontakte zwischen den beiden Kirchen schaffen. Diese Entwicklung entsprach der Verbesserung der politischen Beziehungen zwischen der rumänischen und der jugoslawischen Regierung. Die brutale Unterdrückung des ungarischen Volksaufstands hatte Auswirkungen auf die rumänische Kirchenhierarchie. Einerseits verstand die Kirche anhand der Umsetzung der sowjetischen Streitkräfte und der aktiven Einbeziehung der rumänischen Kommunisten beim Wiederaufbau der ungarischen kommunistischen Partei, dass die Positionen der Hierarchien von der Zusammenarbeit mit dem Regime abhingen. Auf der anderen Seite wollten die rumänischen Kommunisten dem Westen versichern, dass Rumänien nach diesen Ereignissen die gleiche Politik gegenüber der Kirche fortsetzten würde. So durfte Justinian am 4. Dezember 1956 Frederick William Thomas Craske treffen, den anglikanischen Bischof von Gibraltar, der für die britischen Bürger auf dem Balkan zuständig war. Seiner Exzellenz Cecil Douglas Horsley, der 1948 der letzte anglikanische Bischof gewesen war, den Justinian besuchte, wurde ein rumänisches Visum ständig abgelehnt; die Anwesenheit des neuen Bischofs zielte darauf ab, zu beweisen, dass das Regime eine offenere Haltung gegenüber der Kirche einnahm. Die besondere Stellung der rumänisch-orthodoxen Kirche im Ostblock wurde vom Pfarrer Francis House in einem vertraulichen Bericht des Ökumenischen Rates dargestellt, den er 1961 nach einer Reise in Bulgarien, Rumänien und der Sowjetunion verfasste. Laut seinem Bericht hatten die orthodoxen Kirchen dieser drei Länder ähnliche Zwecke: die Opposition gegen das Regime zu verringern oder zu beseitigen, die „religiösen Gefühle“ der Bevölkerung aufrechtzuerhalten und die staatliche „Friedenspropaganda“ sowie den politischen Triumph des Kommunismus zu unterstützen. Während die Kirchen in allen drei Ländern die gleichen Rollen zu spielen hatten, postulierten die drei Regime unterschiedliche Einstellungen gegenüber der Religion. Die Kirche in der Sowjetunion war finanziell vom Staat getrennt und die Gehälter des Klerus wurden nur von ihren Gemeinden bezahlt. In Bulgarien erhielten die Kleriker Gehälter vom Staat, die aber nur das Existenzminimum umfassten. Der rumänische Klerus genoss die beste finanzielle Lage, da die Gehälter der Kleriker den durchschnittlichen Löhnen der Bevölkerung entsprachen. Die rumänisch-orthodoxe Kirche zeichnete sich im kommunistischen Block aus, indem sie finanzielle Subventionen für die
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refluxurile stalinismului [Die Jahre 1954–1960. Ebbe und Flut des Stalinismus], Bukarest 2000, 598-602. Mitropolia Banatului 11-12 (1956), 18-123.
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Wiederherstellung und für den Bau von rund 30 neuen Kirchen seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs erhalten hatte, wobei der Staat für fast ein Drittel der Ausgaben sorgte. Sie war die einzige Kirche in Osteuropa, die bedeutende religiöse und liturgische Werke veröffentlichte und sogar einige Bücher aus dem Westen übersetzte. Darüber hinaus war Justinian im Vergleich zu anderen Patriarchen eine „öffentliche Person“ und Gast bei großen diplomatischen Empfängen.26 Die politische Entwicklung Rumäniens im kommunistischen Block trat im Juni und Juli 1958 in eine neue Etappe, als die sowjetischen Truppen, die seit 14 Jahren in Rumänien stationiert waren, abgezogen wurden. Der Abzug der sowjetischen Truppen führte zur Besorgnis unter den Kommunisten, dass die Opposition gegen das Regime zunehmen würde. Um Widerstand entgegenzuwirken, verhaftete das Regime die Intellektuellen und die Verdächtigen der Opposition. In diesem Zusammenhang änderte das Regime am 21. Juli 1958 das Strafgesetzbuch, um die Beleidigung von Insignien, von nationalen Symbolen anderer Länder, der Regierung oder der Armee als Vergehen zu implementieren, welche mit Gefängnisstrafen geahndet werden konnten. Zudem wurde die Todesstrafe für diejenigen eingeführt, die versuchen würden, das kommunistische System durch ein anderes System zu ersetzen. Der kommunistische Druck auf die Kirche nahm zu. Während sie offiziell weiterhin den Staat unterstütze – ein Beispiel dafür ist die Veröffentlichung des vierten Bandes des Buches „Das Sozialapostolat. Im Dienst der Kirche und des Vaterlandes“ – erlebte die Kirche eine der bedeutendsten Verhaftungswellen. Im August 1958 wurde eine Reihe von Intellektuellen und Theologen, die Teil der sogenannten Gruppe „Rugul aprins“ [Brennender Scheiterhaufen] waren, aufgrund des Vorwurfs verhaftet, dass sie mystische Treffen im Kloster Antim organisiert hätten.27 Die Kommunisten behaupteten, dass sich hinter diesen mystischen Diskussionen eine gefährliche Haltung gegenüber der damaligen Staatsordnung verstecke. In den folgenden Monaten wurden wichtige Theologen wie Dumitru Stăniloae28 und Theodor M. Popescu29 verhaftet und wegen „Mystik“ verurteilt. Das Regime verhaftete sogar Justinians Schwiegersohn. Durch die Intervention des Patriarchen wurde er jedoch vor dem Prozess freigelassen. Die Verhaftungen bestätigten die Befürchtung des Regimes, dass die Jugend durch das monastische Leben beeinflusst werden konnte, eine oppositionelle Haltung zu 26
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House, Francis H.: Summary of Comparisons of the Situation and Life of the Orthodox Churches in Bulgaria, Romania and the USSR [Zusammenfassung der Situation der orthodoxen Kirchen in Bulgarien, Rumänien und der UdSSR], von WCC, Strictly Confidential, Not To Be Quoted or Published [Streng vertraulich, nicht zu zitieren oder zu veröffentlichen], 21. April 1961, The Lambeth Palace Archives, CECFR File 159. Vasile Cristian: Biserica Ortodoxă Română în primul deceniu comunist, Bukarest 2008, 257-260. Der Priester Dumitru Stăniloae wurde 1958 verhaftet und zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Er wurde im Jahr 1963 freigelassen. Caravia, Paul/Constantinescu, Virgiliu/Stanescu, Flori: The Imprisoned Church: Romania, 1944–1989 [Die gefangene Kirche, 1944–1989], Bukarest 1999, 367. Professor Theodor M. Popescu wurde 1959 verhaftet und zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt. Er wurde im Jahr 1963 freigelassen. Petcu, Adrian. N.: Profesorul Theodor M. Popescu şi regimul comunist [Professor Theodor M. Popescu und das kommunistische Regime], in: Consiliul Naţional pentru Studierea Arhivelor Securităţii, Arhivele Securităţii [Securitate Archiv], Bd. 1, Bukarest 2002, 80-96.
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entwickeln.30 Es gab sogar Gerüchte im Westen, dass Patriarch Justinian unter Hausarrest stand und dass er bald durch den Metropoliten Justin ersetzt werden sollte. Die Ungewissheit dieser Ereignisse hing mit der bedeutendsten religiösen Verfolgung zusammen, die BOR beeinträchtigte. Die Regierung veränderte das Dekret vom 4. August 1948 und stellte am 28. Oktober 1959 das berühmte Dekret 410 aus. Dieses erklärte, dass Mönche, welche in Klöster eintreten, mindestens 55 Jahre alt sein sollten; Nonnen sollten mindestens 50 Jahre alt sein. Sie mussten auf die Rente oder Gehalt vom Staat verzichten und durften nicht verheiratet sein. Studenten der Theologie durften erst nach Abschluss des Militärdienstes in die Klöster eintreten. Das Dekret war das offizielle Mittel der Kommunisten, Klöster im größten Umfang nach dem Zweiten Weltkrieg zu schließen und ihre religiösen Bewohner zu vertreiben.
4.
BOR und der Nationalkommunismus
Wenn sich das Regime in den 1950er Jahren mit der Erlangung der Macht über die kirchlichen Hierarchien befasste, war Anfang der 60er Jahre der Kirche eine internationale Mission zugewiesen worden. Durch die Nutzung der internationalen religiösen Kontakte der Kirche wollte das Regime bessere Beziehungen zum Westen aufbauen, um dadurch die politischen und wirtschaftlichen Interessen Rumäniens zu fördern. Die internationale Vernetzung der Kirche ging Hand in Hand mit dem Aufstieg des nationalen Kommunismus in Rumänien. Während der 1950er Jahre hatte die Kirche ihre Unterstützung für das Regime öffentlich gezeigt, indem sie den Westen kritisierte und die politischen Errungenschaften der Sowjetunion pries. Eine zunehmend nationalistische Tendenz der Kirche zeigte sich in den Aktionen der Hierarchie in den frühen 1960er Jahren. Obwohl das Regime weiterhin alle möglichen Dissidenten verhaftete, nahm Patriarch Justinian einen anderen Ton in seinen Predigten und in seinen Hirtenbriefen an. Während die Predigten zuvor einen starken politischen Inhalt hatten, fokussierten sie sich nun mehr auf theologische Fragen, die mit nationalistischen Elementen kombiniert waren. Der Patriarch erwähnte weiterhin die wichtigsten propagandistischen Themen des Regimes, wie den Kampf um den Frieden, aber im Allgemeinen verschwand der bisher feindliche Ton gegenüber Katholiken und dem Westen.31 Justinians Gesinnung veränderte sich sichtbar um die Zeit des Dritten Kongresses der PCR (20. bis 25. Juni 1960). Der Kongress wiederholte die politische Rolle von Gheorghiu-Dej, der zum ersten Sekretär des Zentralkomitees der Partei gewählt 30
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Vasile, Cristian: Autorităţile comuniste şi problema mânăstirilor ortodoxe în anii ’50’ [Die kommunistischen Behörden und das Kloster-Problem in den 1950er Jahren], in: Analele Sighet 8, Anii 1954–1960: Fluxurile şi refluxurile stalinismului [Die Jahre 1954–1960: Ebbe und Flut des Stalinismus], Bukarest 2000, 179-189. Pastorala de Sfintele Paşti a Prea Fericitului Patriarch Justinian [Hirtenbrief des Patriarchen Justinian zu Ostern], BOR 3-4 (1960), 187-191; Pastorala de Sfintele Paşti a Prea Fericitului Patriarh Justinian [Hirtenbrief des Patriarchen Justinian zu Ostern], BOR 3-4 (1961), 217-220.
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wurde.32 In seiner Botschaft betonte Gheorghiu-Dej die Notwendigkeit der Fortsetzung der Industrialisierung des Landes. Dies war ein direkter Widerspruch gegenüber den sowjetischen Richtlinien, die vorsahen, dass Rumänien zu einem landwirtschaftlichen Satelliten werden sollte.33 Der Kongress analysierte die bisherigen Errungenschaften des Regimes und kam zu dem Schluss, „der Sozialismus hat in Rumänien gesiegt. Wir treten eine neue Entwicklungsstufe für unser Land ein: Die Etappe der Vollendung des Aufbaus des Sozialismus“34. Die zunehmenden Zeichen einer unabhängigen Politik unter Gheorghiu-Dej und die Bemühungen der rumänischen Regierung, Kontakte mit nichtkommunistischen Ländern zu knüpfen, wurden vom Westen gefördert. Am 27. September 1960 wurde Gheorghiu-Dej eingeladen, auf der 15. Sitzung der Generalversammlung der Vereinten Nationen eine Rede zu halten. Am 9. Dezember 1960, zum ersten Mal nach dem Zweiten Weltkrieg, unterzeichnete die rumänische Regierung ein Abkommen mit den Vereinigten Staaten von Amerika über kulturelle, pädagogische und wissenschaftliche Angelegenheiten. Änderungen in der Parteiordnung machten eine neue Form der kollektiven Führung möglich, die transparenter erscheinen sollte. Am 21. März 1961 gründeten die Kommunisten einen Staatsrat als höchste politische Autorität des Landes. GheorghiuDej wurde zum Präsidenten des Staatsrates, Ştefan Voitec zum Vorsitzenden der MAN gewählt. Darüber hinaus wählte die MAN Ion Gheorghe Maurer als Vorsitzenden der Regierung – eine Position, die er bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1974 einnahm. Die Zusammenarbeit von Kirche und Kommunisten erreichte nach dem 22. Kongress der KPdSU (17. bis 31. Oktober 1961) eine neue Dimension. In seinem Versuch, die Partei zu transformieren, verurteilte Nikita Chruschtschow erneut die Verbrechen, die unter der Führung Stalins begangen worden waren. Der Kongress entschied sich, Stalins menschliche Überreste aus dem speziell für ihn gebauten Mausoleum, zu entfernen. Der Kongress hatte einen bedeutenden Einfluss auf die rumänische Politik, da die rumänische Führung unter Gheorghiu-Dej mit stalinistischen Methoden assoziiert wurde. In einem Versuch, die Situation zu mildern, wiederholte Gheorghiu-Dej im Plenum des Zentralkomitees der PCR (30. November bis 5. Dezember 1961) die Idee, dass der Prozess der Entstalinisierung in Rumänien bereits stattgefunden habe und dass die Partei niemandem zu rehabilitieren hätte. Er kritisierte Ana Pauker, die im Jahr zuvor verstorben war, sie sei stalinistischen Methoden treu gewesen und Teohari Georgescu, den ehemaligen Innenminister, der zur Zeit der Rede im Gefängnis war, für die Verhaftung von mehr als 80.000 Bauern, von denen 30.000 vor Gericht gestellt worden
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Partidul Muncitoresc Romîn, Congresul al III-lea al PMR, 20-25 iunie 1960 [Der Dritte Kongress der Rumänischen Arbeiterpartei], Bukarest 1960. Directives of the Third Congress of the Rumanian Workers’ Party for the Plan of Development of the National Economy in the Years 1960–1965 and for the Long-Term Economic Programme [Richtlinien des Dritten Kongresses der Rumänischen Arbeiterpartei für die Entwicklung der Nationalwirtschaft in den Jahren 1960–1965 und für das langfristige Wirtschaftsprogramm], Scînteia, 19. Mai 1960. Scînteia, 26. Juni 1960.
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waren.35 Gheorghiu-Dej schlug vor, öffentliche Räume, wie Straßen und Museen, künftig nicht mehr nach lebenden kommunistischen Führern zu benennen. Unterstützung der rumänischen politischen Unabhängigkeit zeigte sich auch in den kirchlichen Veröffentlichungen. Ein Artikel in der Zeitschrift „Glasul Bisericii“ [Die Stimme der Kirche] propagierte die Idee, dass im gegenwärtigen Zusammenhang, das alte Patriarchat den religiösen Vorrang nicht mehr beanspruchen könne. Der Artikel behauptete, dass „Konstantinopel und Rom ihre heutige politische Bedeutung nicht mehr rechtfertigen können“ und dass „nur Jerusalem, da wo Christus gearbeitet und gelitten hat, seine frühere Bedeutung beibehalten hat, denn diese einer religiösen und nicht einer politischen Natur ist […] Jerusalem hat Vorrang im Leiden und nicht in Sachen der Macht und Ehre“36. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatten alle orthodoxen Kirchen das russische Patriarchat als die Kirche mit der wichtigsten Stellung im orthodoxen Gemeinwesen anerkannt; der Artikel zeigte aber einen Wechsel in der Haltung der rumänischen Kirche gegenüber Moskau. Indem sie nun die Kirche Jerusalems, eine Kirche, die als politisch neutral galt, als wichtigstes Patriarchat unter den orthodoxen Kirchen behauptete, wollte die rumänische Hierarchie suggerieren, dass die Rolle Moskaus unbedeutender wurde. Die BOR nahm während des zweiten offiziellen Besuchs des Patriarchen Aleksii eine noch distanziertere Haltung gegenüber Moskau ein. Am 31. Mai 1962 begrüßte ihn Justinian am Flughafen Bukarest. Aleksii befand sich auf Rückweg von einer Reise nach Jugoslawien und Bulgarien. Während seines Besuchs wurde er von Ion Gheorghe Maurer, dem Präsidenten des Ministerrates, von Emil Bodnaraş, dem Vizepräsidenten des Ministerrates und von Dumitru Dogaru, Generalsekretär der Abteilung für religiöse Konfessionen, begrüßt.37 Berichte der Securitate deuten darauf hin, dass zu diesem Zeitpunkt die Beziehungen zwischen dem russischen und dem rumänischen Patriarchen problematisch wurden. Bei einem ihrer Treffen äußerte Justinian Kritik an der sowjetischen Politik der Entstaatlichung der rumänischen Bevölkerung in Moldawien, dem ehemaligen rumänischen Territorium, das nun Teil der Sowjetunion war.38 Während Chruschtschows Regime wurde die Kirche in Moldawien Opfer einer schweren Verfolgung; gleichzeitig wurden Ukrainer und Russen ermutigt, sich in diesem Gebiet niederzulassen. Die Spannungen zwischen Rumänien und der Sowjetunion wurden während des Besuchs von 35
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Gheorghiu-Dej, Gheorghe: Report of the Delegation of the Rumanian Workers Party Which Attended the 22nd Congress of the CPSU. Submitted to the Plenum of the CC, RWP Held Between November 30 and December 5, 1961 [Bericht der Delegation der Rumänischen Arbeiterpartei, die am 22. Kongress der KPdSU teilnahm. Übermittelt an das Plenum des Zentralkomitees der Arbeiterpartei Rumäniens im Laufe des Kongresses vom 30. November bis 5. Dezember 1961], in: Gheorghe Gheorghiu-Dej, Articles and Speeches. June 1960-December 1962 [Gheorghiu-Dej, Artikel und Reden. Juni 1960-Dezember 1962], Bukarest 1963, 286. Glasul Bisericii, März-April 1962. Scînteia, 3. Juni 1962. Enache, George/Petcu, Adrian. N.: Biserica Ortodoxă Română şi Securitatea. Note de lectură [Die rumänisch-orthodoxe Kirche und die Securitate. Notizen], in: Gheorghe Onişoru (Hg.), Totalitarism şi rezistenţă, teroare şi represiune în România comunistă [Totalitarismus und Widerstand, Terror und Repression im kommunistischen Rumänien], Bukarest 2001, 108-137.
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Chruschtschow vom 18. bis 25. Juni 1962 sichtbar. Chruschtschow weigerte sich, eine wichtige Fabrikanlage in Craiova zu besuchen und beschuldigte die rumänischen Kommunisten, eine unabhängige wirtschaftliche Tätigkeit im Ostblock zu verfolgen und sich somit von der „wahren“ kommunistischen Führung entfremdet zu haben. Durch die Gründung des rumänischen National-Kommunismus verstärkten die politischen Oberhäupter des Landes ihre Beziehungen zu denjenigen Kommunisten, die eine eigenständige Haltung eingenommen hatten. Im November 1963 besuchte Gheorghiu-Dej Jugoslawien. Die Beziehungen zwischen Rumänien und Jugoslawien waren äußerst positiv, und Gheorghiu-Dej hatte sogar das Privileg, als erstes ausländisches kommunistisches Oberhaupt, vor der Jugoslawischen Parlamentarischen Versammlung, zu sprechen. Jugoslawien war kein Mitglied im Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) und Gheorghiu-Dejs Geste wurde als ein möglicher Hinweis darauf gesehen, dass Rumänien sich aus dieser Organisation zurückziehen wolle. Zudem wurden die rumänischen Gesandtschaften in London und Paris im Dezember 1963 zum Rang von Botschaften erhöht, als Resultat der engen Beziehungen zwischen Rumänien und dem Westen. Die Kirche unterstütze auch die wirtschaftliche Entwicklung des Landes. Um eine Ausdehnung der Märkte zu erreichen, erweiterte Rumänien seine Zusammenarbeit mit anderen Ländern, unabhängig von ihrer Regierungsform. 1964 besuchte Kaiser Haile Selassie I. von Äthiopien Rumänien. Begleitet von hochrangigen rumänischen Kommunisten, besuchte er einen besonderen Gottesdienst ihm zu Ehren, das Te Deum. Äthiopien war das einzige orthodoxe Land in Afrika; die Kommunisten ermutigten die Delegation, ihre Kontakte mit der Kirche in Rumänien zu vertiefen. Obwohl vor diesem Besuch die orthodoxen Kirchen in Rumänien und Äthiopien keine starken offiziellen Beziehungen hatten und in der Kaiserdelegation kein religiöses Oberhaupt anwesend war, wies Justinian darauf hin, dass beide Kirchen denselben apostolischen Ursprung hatten und dass ihre Kirchen die gleiche Haltung gegenüber der Errichtung der Nationalen Unabhängigkeit einnahmen.39 Die politische Distanzierung Rumäniens von der Sowjetunion hat das Regime nicht grundlegend verändert; auch hielten die rumänischen Kommunisten nach der Beseitigung Chruschtschows weiterhin den offiziellen Kontakt mit ihren sowjetischen Pendants. Eine rumänische Delegation unter der Leitung von Maurer traf am 7. November 1964 Leonid Breschnew, den neuen sowjetischen Führer. Maurer versicherte ihm, dass – trotz der Verfolgung einer unabhängigen Politik – das Regime nach wie vor dem Kommunismus treu war. Es ist noch unklar, ob der Wechsel der Führung in der Sowjetunion mit der Unzufriedenheit über die Lage Rumäniens im kommunistischen Block verbunden war. Allerdings ergab sich auch innerhalb der rumänischen politischen Führung nur wenige Monate nach dem Sturz Chruschtschows, am 19. März 1965, eine große Veränderung. Gheorghiu-Dej starb unerwartet nur einen Tag nach seiner automatischen Wiederwahl von der MAN als Präsidenten des Staatsrates. Maurer und Voitec behielten ihre bisherigen Positionen. Drei Tage nach dem Tod von Gheorghiu-Dej 39
Vizita Majestăţii Sale Haile Selassie I, Împăratul Etiopiei, la Prea Fericitul Patriarch Justinian [Der Besuch Seiner Majestät Haile Selassie I, Kaiser von Äthiopien beim Patriarchen Justinian], BOR 9-10 (1964), 799-800.
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wurde Nicolae Ceauşescu zum ersten Sekretär des Zentralkomitees der PCR gewählt und am 24. März wählte die MAN Chivu Stoica zum Präsidenten des Staatsrates. Das Land wurde in die Sozialistische Republik Rumänien umbenannt – einen Namen, den es bis Ende 1989 behielt.
5.
Fazit
Im Kommunismus wurde die Kirche vom Regime als Instrument für die Kontrolle der Bevölkerung benutzt. Die Kirche trug dazu bei, die kommunistische Propaganda zu erweitern und mögliche Dissidenten zu identifizieren. Das Regime verfügte über gute Beziehungen zur kirchlichen Hierarchie. Auch stellte es sicher, dass diejenigen Kleriker, die antikommunistischer Aktivitäten verdächtigt wurden, umgehend ersetzt wurden. Zur gleichen Zeit verfolgte der Staat jedoch eine starke antireligiöse Propaganda, deren Ziel es war, den kirchlichen Einfluss in der Gesellschaft zu reduzieren. In der Volksrepublik erlaubte das Regime der Kirche, ihre Tätigkeit fortzusetzen, hauptsächlich weil die Hierarchie politisch kontrolliert war. Indem die Kommunisten ihre eigenen Leute in die Hierarchie implementierten und interne Zusammenstöße innerhalb der kirchlichen Führung förderten, beabsichtigten sie, die Kirche ganz im Beschlag zu nehmen. Die Kirche engagierte sich aktiv in der propagandistischen Botschaft des Kampfs um den Frieden; die Heilige Synode verabschiedete Regulierungen und wählte Hierarchien, die vom Regime als „Wille der Kirche“ präsentiert wurden. Trotz der öffentlichen Zusammenarbeit zwischen der Kirche und dem Regime wurden etwa 2000 Mitglieder des Klerus während des Kalten Krieges verfolgt. Im Vergleich zur griechischkatholischen Kirche (die verboten war und deren Führer im Gefängnis starben) ist diese Zahl allerdings niedrig. Während die Kirche ihre Organisation umstrukturierte und wichtige Kleriker abgesetzt wurden oder plötzlich starben, blieb die Orthodoxie im Leben der Bürger verwurzelt. Obwohl die Kommunisten sich in die Auswahl der kirchlichen Hierarchien sehr oft einmischten, blieb der orthodoxe Glaube stark und die Menschen an die Kirche gebunden.
6. 6.1
Anhang
Archive
Das Archiv der Heiligen Synode der rumänisch-orthodoxen Kirche, Antim Kloster, Bukarest40 Der Nationalrat für die Erforschung der Securitate-Archive, Bukarest Das Nationale Zentralstaatsarchiv, Bukarest
40
Der Zugang ist auf die Zustimmung des Patriarchen beschränkt.
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6.2
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Veröffentlichungen
Biserica Ortodoxa Română (ab 1954, Biserica Ortodoxă Romînă) [Die rumänisch-orthodoxe Kirche], BOR Glasul Bisericii [Die Stimme der Kirche] Studii Teologice [Theologische Studien] Ortodoxie [Orthodoxie] Mitropolia Banatului [Die Metropolie des Banats] Mitropolia Moldovei şi Sucevei [Die Metropolie von Moldawien und Suceava] Mitropolia Olteniei [Die Mitropolie von Oltenia] Die Nachrichten der rumänisch-orthodoxen Kirche
6.3
Bevölkerung
1948: 14.872.624 Gesamtbevölkerung (Volkszählung) (85,7% Rumänen, 9,4% Ungarn, 2,2% Deutsche, 0,9% Juden, 0,3% Roma, 0,2% Russen, 0,2% Ukrainer, 1,1% andere)41 1992: 22.810.035 Gesamtbevölkerung (Volkszählung) (89,5% Rumänen, 7,1% Ungarn, 1,8% Roma, 0,5% Deutsche, 0,3% Ukrainer, 0,2% Russen, 0,6% andere) (86,8% orthodoxe Gläubige, 5,1% römisch-katholische Gläubige; 3,5% reformierte Gläubige, 1,0% griechisch-katholische Gläubige, 3,6% andere einschließlich Atheisten)42
6.4
Kirchengemeinden und Ordensgemeinschaften
1930: 8.279 Kirchen; 8.257 Priester; 75 Klöster; 2.842 Mönche und Nonnen43 1949: 1,528 Mönche; 3.807 Nonnen, 178 Klöster44 1957: 1.773 Mönche; 4,041 Nonnen; 190 Klöster45 1972: 8,185 Pfarreien; 11.722 Kirchen; 8.564 Priester und 78 Diakone46 1987: über 9.000 Pfarreien; etwa 9000 Priester und Diakone; ca. 12.300 Kirchen; 140 Klöster; 2.600 Mönche und Nonnen47 41
42 43 44
45 46 47
No data on religion [Keine Informationen über Religion], in: Ioan Scurtu, Ion Alexandrescu, Ion Bulei, Ion Mamina, Enciclopedie de Istorie a României [Die rumänische Geschichtsenzyklopädie], Bukarest 2002, 375. Ebd., 436, 457. Zentralinstitut für Statistik, 1938. ASRI, Fond D, Dossier 7755, Band. 5, 97 in: Cristina Păiuşan, Radu Ciuceanu (Hg.), Biserica Ortodoxă Română sub regimul communist 1945–1958 Vol. 1 [Die rumänisch-orthodoxe Kirche während des kommunistischen Regimes 1945–58 Bd. 1], Bukarest 2001, 315. Ibid. Diese Zahlen wurden von der rumänischen Kirche in einer englischsprachigen Veröffentlichung, die im Westen erschienen ist, offiziell verkündet, BOR 2 (1) (1972), 19. Păcurariu, Mircea: Istoria Bisericii Ortodoxe Române. Pentru Seminariile Teologice [Die Geschichte der rumänisch-orhtodoxen Kirche. Für theologische Seminare], Bukarest 1987, 406. Änliche Daten wurden von dem Keston Institut 1998 bestätigt: ca. 8,000 Kirchengemeinden; ca. 9,000 Priester; 122 Klöster; ca. 2,000 Mönche und Nonnen. Romania [Rumänien] in: Philip
Die rumänisch-orthodoxe Kirche und das kommunistische Regime
6.5
309
Religiöse Oberhäupter
Titel: Patriarch von ganz Rumänien, Locum Tenens von Caesarea in Kappadokien, Metropolit der Walachei, Erzbischof von Bukarest Nicodim Munteanu, 1939–48 Justinian Marina, 1948, locum tenens Justinian Marina, 1948–77 Justin Moisescu, 1977, locum tenens Justin Moisescu, 1977–86 Teoctist Arăpaşu, 1986, locum tenens Teoctist Arăpaşu, 1986–2007
6.6
Politische Führer
Petru Groza (1884-1958), Ministerpräsident, 1945–52; Präsident der MAN, 1952–8 Gheorghe Gheorghiu-Dej (1901–65), alleiniger Parteiführer als Erster Sekretär und Präsident des Staatsrates, 1953–65 Chivu Stoica (1908–75), Ministerpräsident, 1955–61; Präsident des Staatsrates, 1965–7 Ion Gheorghe Maurer (1902–2000), Präsident der MAN, 1958–61; Premierminister, 1961–74 Nicolae Ceauşescu (1918–89), Staatsoberhaupt, 1967–89
Walters (Hg.), World Christianity: Eastern Europe [Christentum in der Welt: Osteuropa], Eastborne, 1988.
Cristian Vasile
ROMANIAN GREEK CATHOLIC CHURCH AND THE STATE: AN UNDERGROUND EXISTENCE DURING THE COMMUNIST REGIME
The Romanian Greek Catholic Church (also called Romanian Church United with Rome, Greek Catholic or Uniate)1 was established in Transylvania between 1697–1701 when a part of Romanian Orthodox community left Orthodoxy and established spiritual and dogmatic links with the Holy See in exchange of some social and national rights; 38 Orthodox priests as delegates endorsed this union and one will see why it is important such number especially for understanding future communist manipulative actions and instrumentalization. This religious Union with Rome made also Western centers of Roman Catholic learning accessible to Romanians – previously discriminated by Hungarian ruling class –, and produced an educated elite which stimulated the development of national consciousness.2 However, another consequence was the discord between the Orthodox and Greek Catholic Romanians. First of all, I will discuss the political attitude of the Greek Catholic Church at the end of the World War Two and the efforts made by the communist authorities either to co-opt the Church or to restrain its actions. Then I will tackle with the preparations made in order to annihilate the Greek Catholics, and finally the period of their underground existence. Among other things I will talk also about sensitive issues such as the removal of the Romanian language from the Transylvanian Catholic Latin-rite churches in the 1950s and 1960s. After the political union of all Romanians on December 1, 1918, the Orthodox hierarchy, especially Nicolae Balan, the Orthodox metropolitan of Transylvania, claimed 1
2
The Romanian Greek Catholic Church is an Eastern Catholic Church in full union with the Roman Catholic Church. From its foundation it uses the Byzantine liturgical rite in the Romanian language. Such type of religious union was accepted also by Ukrainians, Ruthenians and others in Eastern Europe (Union of Brest, 1596; Union of Uzhgorod, 1646, etc.). I will use in this article some of the ideas presented in previous writings: Vasile, Cristian: The Suppression of the Romanian Greek Catholic (Uniate) Church, in: East European Quarterly 36 (3) (2002), 313-322; and Idem.: Intre Vatican si Kremlin. Biserica Greco-Catolica in timpul regimului comunist [Between Vatican and Kremlin: Greek Catholic Church During the communist regime], Bucharest 2003. See Deletant, Dennis: Between Tradition and Modernity, in: Dennis Deletant, Maurice Pearton (Ed.), Romania Observed. Studies in Contemporary Romanian History, Bucharest 1998, 318.
312
Cristian Vasile
the religious reunion of the two Churches but the Greek Catholic clergy were more reserved because they did not want to break their spiritual and dogmatic links with the Vatican. The Romanian Greek Catholic Church did not have a Church leader and such situation has weakened its position facing the communist offensive and aggressive behavior. The communist authorities tried to influence the Election Council of the Greek Catholic Church (GCC) in March 1946. The government was interested in placing in the high ranks of the Church a docile person who could be easily manipulated but the Election Council appointed an anticommunist bishop – Alexandru Rusu from Baia Mare, Maramuresh, Northern Transylvania – as metropolitan and archbishop of Alba Iulia and Fagaras.3 Unsatisfied with such ecclesiastical electoral results the government did not accept to sanction the Greek Catholic Church’s elections. Therefore, until its dissolution, that is its official suppression in October–December 1948, the Greek Catholic Church remained without a state-recognized metropolitan. At its provisional leadership between 1947 and 1948 was established by the Vatican the youngest Greek Catholic bishop Ioan Suciu. Bishop Suciu had the title of apostolic administrator4. Some authors even suggested that in a way the origins of the underground existence of the church are to be found in March 1946. In 1946 the Soviet authorities decided the liquidation of the Greek Catholic Church in the newly Soviet province of Galicia (Western Ukraine),5 and possibly the Romanian communists were influenced by such decision when they refused to recognize the Election Council’s choice. In the meantime, the procommunist government has declared the apostolic nuncio Msgr. Andrea Cassulo as persona non grata and put pressure on Vatican for his expulsion. Another serious reason of anxiety for the Greek Catholic clergy was the constant pressure exerted on the Romanian Orthodox Church (ROC), especially on the patriarch Nicodim by the Moscow Patriarchate, a tool in the hands of the Soviet leadership. Between May 30 and June 12, 1947, patriarch Alexis of Moscow and All Russia visited Romania and met the local Orthodox hierarchy in order to discuss the plans for the future pan-Orthodox Congress, reunion which was meant to show the Russian Orthodox Church’s hegemony over the Orthodox „Commonwealth“. Some historical sources alleged that in a conversation with prime-minister Petru Groza, Alexis pleaded for the necessity of destroying the Greek Catholic Church in Romania after the Soviet model put into practice in Western Ukraine one year ago.6 „This Church (the Romanian Greek Catholic Church) – it seems that the Russian Church leader said to Romanian primeminister Petru Groza – must disappear! After two years I do not want to hear that this Church is alive!” This statement is not confirmed by official documents. We do know however, that some months ago, the Council for the Affairs of the Russian Orthodox 3
4 5 6
Bucur, Ioan Marius: Tentative de manipulare a Bisericii Romane Unite. Sinodul electoral din martie 1946, [Manipulative Attempts against the Romanian Greek Catholic Church], in: Studia Universitatis Babes Bolyai Theologia Catholica 1 (1998), 77. Bucur, Ioan Marius: Din istoria Bisericii Greco-Catolice [Pages from the History of the Romanian Greek Catholic Church, 1918-53], Cluj Napoca 2003, 167. Bociurkiw, Bohdan R.: The Ukrainian Greek Catholic Church and the Soviet State, Toronto 1996, 148. Prundus, Silvestru A./Plaianu, Clemente: Catolicism si ortodoxie romaneasca, Cluj Napoca 1994, 79.
Romanian Greek Catholic Church and the State
313
Church (CAROC) adopted important measures for the anti-Vatican struggle, and one of the main points was the total liquidation of all Greek Catholic parishes from the Soviet Union and from some Communist-dominated countries.7 Faced with these realities, the Greek Catholic bishops tried to establish tight relations with Gerald Patrick O’Hara, the newly named apostolic nuncio, successor of Andrea Cassulo; in fact, O’Hara was only regent of the Apostolic Nunciature, the diplomatic legation of the Holy See in Romania. An interesting report of the Romanian General Police Department (procommunist secret police) from February 28, 1947 noted that „O’Hara is an American, and his appointment generated – among the „resistance” circles, mostly Transylvania’s pro-Iuliu Maniu8 Greek Catholics – great hopes concerning a firm action [of the Vatican]”. The problem of the numerous arrested priests and the precarious state of the Greek Catholic Church (which had only a provisional leadership) were the main topics of the discussion from December 1947 between Nuncio Gerald P. O’Hara and representatives of the Romanian government. At the end of the meeting, O’Hara did not obtain much, and he declared openly that the real truth was hidden. It is clear that the Groza government began to promote a more rigid religious policy after September 1947 and its main objective was the subordination of all the Churches, the last obstacle for the Romanian Communists after the suppression of the democratic opposition and abolition of the monarchy. In July 1948, the Russian Church celebrated the 500th anniversary of its autocephaly in the presence of the representatives of its sister Churches from Eastern Europe.9 All of them adopted a vehement anti-Catholic attitude, useful prelude in the eyes of the Kremlin for the liquidation of the Eastern Rite Catholic Churches and for the transformation of the Roman Catholic Churches into „national” (pro-Soviet) Churches. In the same time, on July 17, the Romanian government adopted the law for denunciation of the Concordat and prime-minister Petru Groza revealed, at the cabinet reunion, that one of the reasons of this act was to give the ROC the possibility to „invite” the Greek Catholics into the Orthodox community.10 The Communist press stated, too, that the denunciation of the Concordat represented the last obstacle in gaining the Romanian religious unity, and started to attack the Vatican (considered „a Secret Service of the Anglo-American imperialists“) and the historical moment of 1700, when a part of Transylvanian Romanians decided to join the Roman Catholic Church.11 The Greek Catholic episcopate reacted firmly, and on July 19 Bishop Iuliu Hossu declared that the 7
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11
Volokitina, Tatiana V.: The Soviet Leadership and the Orthodox Churches Block Formation in Eastern Europe, 1943–1948; paper presented at the conference of Romanian-Russian bilateral historical commission held in Bucharest on October 25, 2000. Iuliu Maniu was the leader of the National Peasant Party, the main party of the democratic anticommunist opposition. He was Greek Catholic faithful. Hintikka, Kaisamari: The Romanian Orthodox Church and the World Council of Churches, 1961– 1977, Helsinki 2000, 34. Arhivele Nationale Istorice Centrale, București [Central Historical National Archives, Bucharest], (hereafter: ANIC), Fond Presedintia Consiliului de Ministri – Stenograme 1944–1959 [Fund Presidency of the Ministers’ Council – Stenograms], file no. 7/1948, 15. Arhivele Serviciului Roman de Informatii, București [Archives of the Romanian Intelligence Service, Bucharest] (hereafter: ASRI), fond Documentar [Documentary Fund], file no. 2325, 116-118.
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Cristian Vasile
soul link between the Holy See and the Greek Catholic believers had not been broken.12 The legislative offensive against Greek Catholic Church continued with the nationalization of the Church schools and with a new law of Religious Cults (August 4), which regulated the cases when the authorities could forbid an undesirable Church and the proceedings of abandoning one religious cult for another.13 1948 was dominated by the East-West confrontation at the beginning of the Cold War. The contact between the Catholic Church from Romania and the Holy See was effectively cut off under article 40 from the Law concerning Religious Denominations and none of its officials may have relations with religious communities abroad except with permission of the Ministry of Religious Denominations and through the agency of Ministry of Foreign Affairs14. Moreover, in September 1948 four Greek Catholic bishops were removed from their offices15 and the Communist representatives, supported by the new-born Secret Police (General Department of People’s Security, later known as Securitate) and other repression forces from the Ministry of Internal Affairs, began a brutal campaign against the clergy and faithful who did not want to sign the documents of returning to Orthodoxy.16 It was a huge paradox that a new born Atheistic state such as the Soviet-oriented Romania carried on such proselytism campaign favoring a certain Religious Denomination that is the majoritarian Orthodox Church, to the detriment of another, this time undesirable. After several days of terror, blackmail, and threats, the Communist authorities succeeded in „convincing” 38 priests to join the Orthodox ranks and to vote, in the name of the Greek Catholic Church the adhesion to the Romanian Orthodox Church. These priests were brought by the state authorities to Cluj where they formed – under Police supervision – an ecclesiastical „Council” (a synod) which infringed the canon law. This Council proclaimed the return to Orthodox Church and decided to present the documents of adhesion to the patriarch Justinian Marina in Bucharest. Only 36 from the 38 delegates went to Bucharest, where on October 3, their reception into the Romanian Orthodox Church took place before the Holy Synod of ROC. On October 21 the „completing” of the spiritual unity of the Romanian people was celebrated under Communist guidance in the Transylvanian town of Alba Iulia, the main center of the National Romanian Movement of 1918. After a week all the Greek Catholic bishops were arrested and imprisoned for some months in the Orthodox Patriarchate villa from Dragoslavele,17 where they received at the beginning of December 1948 the visit of patriarch Justinian and archimandrite Teoctist (future patriarch between 1986 and 2007) who tried in vain to convince them to accept the return to the fold of Orthodoxy.18 Several 12 13 14 15 16 17
18
ASRI, fond Documentar, file no. 7754, vol. 1, 19. Monitorul Oficial [The Official Gazette], no. 178, August 4, (1948). Monitorul Oficial, no. 178, Part I, August 4 (1948), 6394. Vasile, The Suppression of the Romanian Greek Catholic (Uniate) Church, 313-322. Ibidem. Bucur, Ioan Marius: Situatia Bisericii Romane Unite cu Roma (Greco-Catolice) in perioada 1949– 1964, [The Situation of the Greek Catholic Church United with Rome, 1949–64], in: Studia Universitatis Babes Bolyai Theologia Catholica 1 (1998), 88. ASRI, fond Documentar, file no. 7755, vol. 3, 61.
Romanian Greek Catholic Church and the State
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hundreds of Greek Catholic clergy who denounced and stood against the adhesion to Romanian Orthodox Church were imprisoned, too, but those who managed to avoid imprisonment maintained the activity of their Church in secret. In twenty years, all of the six bishops died in prisons (Sighet and Gherla), in an Orthodox monastery (Ciorogârla) or in house arrest. According to its Byzantine tradition, ROC did not challenge secular authority and, even more it supported the anti-Greek Catholic State campaign. However, the adaptation of the Orthodox prelates to the new course imposed by the Groza government took place gradually and after many Communist warnings which included blackmail and threats. Moreover, somehow to their surprise, the Communists discovered that even some Orthodox prelates and clergy were moved and shocked by the Greek Catholic tragedy. The Holy See vehemently protested against the suppression of the Romanian Greek Catholic Church and condemned the violation of the religious freedom, but the Communist authorities decisively rejected these accusations as interferences in the internal affairs of a sovereign and independent state. The law on the suppression of the Greek Catholic Church came into effect on December 1, 1948, and it stipulated that all local parishes and administrative organs were united under the jurisdiction of the Romanian Orthodox Church, while the Greek Catholic property was put under the state ownership. Nevertheless, the Vatican managed to ordain in secret other six bishops in order to replace the old guard. They will contribute together with the underground clergy to the survival of the forbidden Church for more than 40 years, between December 1948 and December 1989. It must be stressed that the Apostolic Nunciature has anticipated both the persecution of the Greek Catholic Church, and the imprisonment of its bishops. Therefore, in the summer of 1948 suggested to all Greek Catholic prelates to create a leading council of three high clergy (ternare de conducere) in order to assure Bishopric’s/Diocese’s jurisdiction in case of forced vacancies19 due to possible communist aggressions. The Nunciature offered either moral support, or financial, logistical one. However, after July 1950 the underground Greek Catholics had to survive on their own; the nuncio Gerald Patrick O’Hara was forced to leave Romania on July 7 being officially expelled. The decision of suppressing the Eastern Rite Catholics from Romania (1948) and Czechoslovakia (1950) was certainly inspired by the religious policy of Soviet Union, and it provoked much suffering for the Greek Catholic clergy and believers as well as many resentments among them because almost the entire hierarchy of the Romanian Orthodox Church supported the Stalinist act of destroying a sister Church. These resentments also increased because in the course of the Communist period (1948–1989) the Greek Catholic problem was a closed one both for the Communist Party and Romanian Orthodox Church. When the Holy See or other international political bodies
19
Bucur, Situatia, 212.
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mentioned the existence of the underground Greek Catholics, the dialogue between them and the Romanian political and religious authorities became almost impossible.20 After December 1, 1948, the Romanian Greek Catholic Church was banned and many of its clergy were jailed under the pretext of political offences or even „spying activity”, but in fact their only „fault” was the fidelity for the old Greek Catholic faith. Starting with the fall of 1948 all regional departments of the Securitate (political police) had to draft of all categories of Greek Catholic priests, that is resistant, opponents of the religious union, those who initially signed (approved) the union but afterwards retracted, that is withdrew their endorsement. Another category was represented by the Roman Catholic clergy who supported the underground Greek Catholics.21 This aforementioned retraction reached its climax in 1949. The Securitate talked both about re-conversion to Greek Catholicism, and Greek Catholic proselytism. Such phenomenon of retraction was widespread even in Southern Transylvania where Greek Catholics were less numerous, being a minority before December 1948. For example, the political police found out that in Brasov (Kronstadt) approximately newly converted 4.000 Orthodox faithful (together with their priest Fr Ioan Florea) returned in secret to the Greek Catholic faith.22 Moreover, at the liturgies in many Orthodox churches (former Greek Catholic) was mentioned and honored the name of the Pope (Pius XII).23 According to the Securitate’s estimates, in 1949, 13% of the clergy who endorsed in 1948 the religious union has retracted (and one must add that in 1948 probably less than 60% supported the returning to the Orthodox Church). The number of believers who retracted was 480 000.24 It is important to focus also a little bit on the Roman Catholic clergy’s reactions after the suppression of the Greek Catholic Church in October-December 1948. The Catholic clergymen either Hungarian or German were very concerned, and they feared that their Church will suffer similar type of persecution, too. In Cluj (Klausenburg/Kolozsvár) at the end of October 1948 some Latin-Rite faithful believed that the next step of the communist power will be the liquidation of the Roman Catholic Church25. The same perception was spread in Timişoara (Temeswar) among the German and Hungarian speaking Roman Catholics26. However, some Latin Rite Catholic prelates offered some help. After the suppression of the Greek Catholic Church, the Roman Catholic bishop of Satu Mare Janos Scheffler advised his clergy to support the Greek Catholic underground. Janos Scheffler’s auxiliary bishop Szilard Bogdanffy was also in contact with some Greek Catholics. Recently, in October 2010 the Holly See proclaimed Szilard Bogdanffy blessed being recognized as a martyr of the communist period. 20
21 22 23 24 25 26
Vasile, Intre Vatican si Kremlin, 302; Bozgan, Ovidiu: Cronica unui esec previzibil. Romania si Sfantul Scaun in epoca pontificatului lui Paul al VI-lea [The Chronicle of a Predictable Failure. Romania and the Holy See during Pope Paul VI Pontificate], Bucharest 2004, 214-288. Vasile, Intre Vatican si Kremlin, 218-219. ASRI, fond Documentar, file no. 7754, vol. 2, 130. Idem., fond Documentar, file no. 7754, vol. 3, 18. Idem., fond Documentar, file no. 9051, 13. Idem., fond Documentar, file no. 2541, 327. Idem., fond Documentar, file no. 2541, 365.
Romanian Greek Catholic Church and the State
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The young Greek Catholic students remained at the end of 1948 without their Theology Departments. After few years some of them started to attend the only Roman Catholic Theology Institute from Alba Iulia. After 1948, Archbishop Márton Áron, Roman Catholic Hungarian prelate, offered them some support, but finally they were forced to leave.27 Recently a much debated issue in Romanian historiography was the impact of the 1956 Hungarian reformed movement and Revolution on both Religious Life in Romania (especially on Greek Catholic revival, the so called petitioning movement in August 1956), and on the trial of Bishop Alexandru Rusu. Some historians inclined to stress the 1956 Hungarian influence while others underlined both the impact of the Soviet new course after March 1953 and the détente in the mid 1950s. As historian Marius Bucur said, „the changes that occurred in the USSR after the death of Stalin, as well as the limited détente between the two blocks, illustrated by the so-called ‚Geneva spirit’, also had echoes in communist Romania, were certain measures were taken, such as the liberation of a significant number of political prisoners“,28 and among them were – in 1955 – the three Greek Catholic bishops alive (Alexandru Rusu, Iuliu Hossu, Ioan Balan), and other clergy. After the spring of 1955 the Greek Catholic priests and believers could visit their bishops in Bucharest and in Orthodox monastery of Curtea de Arges. In the meantime, some hopes regarding the rehabilitation of their Church grew. The bishops (especially Alexandru Rusu) wrote few petitions and aide memoirs addressed to the government, Ministry of Religious Denominations, and communist leadership suggesting the revocation of the 1948 Decree which suppressed the Greek Catholic Church.29 Some communities abandoned fears and in the context of the Greek Catholic petitioning movement – i.e. during April and August 195630 – they attended religious services in private houses, in other places, or – at its climax – even in public places (squares) as it was on 12 August 1956 in the main square of Cluj; the last was an impressive public gathering of almost 5000 people or more praying in the street. Moreover, for the communist officials appeared the Roman Catholic factor/challenge. The communist authorities tried to break the Greek Catholic faithful resistance even through the agency of absurd measures, including the persecution of the use of Romanian language in some churches. In short, mainly in late 1950s and early 1960s the Greek Catholic believers and even underground priests who kept their religion boycotted the former Greek Catholic church building turned Orthodox and especially in urban areas of Banat and Transylvania, in towns such as Timişoara (Temeswar), Cluj (Klausenburg) and others started to attend Roman Catholic churches belonging to German and Hungarian Roman Catholic communities. Some German and Hungarian 27 28
29 30
Author’s Interview with Greek Catholic priest Fr Vasile Mare. Bucur, Ioan Marius: Culpa de a fi greco-catolic. Procesul episcopului Alexandru Rusu (1957) [The Guilt of Being Greek Catholic. The Trial of Bishop Alexandru Rusu, 1957], Cluj Napoca 2015, xlvi. Idem., xlvii. Bozgan, Ovidiu: Miscarea petitionara greco-catolica din 1956 [The Greek Catholic Petitioning Movement in 1956], in: Ovidiu Bozgan (Ed.) Studii de istoria Bisericii [Studies on the History of the Church], Bucharest 2000, 168-184.
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Cristian Vasile
parish priests even allowed the public worship in Romanian for those Greek Catholics who sought refuge from the religious persecution.31 Probably after the political police and the Ministry/Department for Religious Denominations found out at the beginning of the 1956 about these religious practices they put pressure for the ban of using Romanian within minorities’ church buildings and succeeded in their attempt. Therefore, one can talk about another huge paradox: in the same time Romania distanced itself from USSR, proclaimed its independence in 1964 through the April Declaration, limited the use of Russian in public schools, dismantled the Hungarian Autonomous Region in Transylvania, but on the other hand in religious matters decided to restrict, to contain the very use of Romanian language, the only official language of the country. It is useful to offer some details concerning the temporary use of Romanian language in few national minorities’ churches. In order to maintain contact with their faithful, to be closer to their former parishioners, some of the underground priests decided to adopt the Latin-Rite of the Catholic Church. Thus, they could celebrate in Romanian the liturgy within Roman Catholic Church buildings. Such an example was Father Vasile Borda, former Greek Catholic priest turned Roman Catholic who gathered a community from Temeswar areas. Having in mind his example, his superior Vicar general, in fact Auxiliary Bishop Ioan Ploscaru tried to introduce underground Greek Catholic priests in all towns from Banat which had Latin Rite churches (or places of worship, chapels). Vasile Borda and other priests received permission from the Catholic Bishop of Temeswar to celebrate in the Roman Catholic Cathedral. In fact, they presided, they officiated the liturgy in Romanian for the Greek Catholics between December 19, 1955, and March 15, 1956, when Roman Catholic Bishopric of Temeswar was forced to put an end to this religious practices.32 In other cases the representatives of the Roman Catholic Church refused such kind of spiritual and logistical support in order to avoid predictable retaliation and repression ordered by political police. I was talking about the bishops’ (especially Alexandru Rusu’s) memoirs addressed to the government, demanding the annulment of the 1948 Decree. It generated waves of optimism among Greek Catholic communities (especially the bishops’ petition from 23 April 1956 wrote in the context of their hopes regarding the Khrushchev’s Secret Speech and the outcomes brought by the 20th Congress of the Communist Party of the Soviet Union).33 Encouraged by their bishops, the underground priests initiated and collected petitions signed by faithful requesting the reestablishment of Greek Catholic Church.34 Other clergy even publicly organized various religious services, including mass. As I mentioned before, on August 12, 1956, Greek Catholics from Cluj gathered in the University square in front of a Catholic church while two priests (Vasile Chindris, and Isidor Ghiurco) celebrated the mass. This act of defiance generated the fierce reaction of the Securitate which arrested many people. Moreover, especially after the end of the Hungarian revolution in November 1956, Bishop Alexandru Rusu was linked 31 32 33 34
Ploscaru, Ioan: Lanturi si teroare [Prison Chains and Terror], Timisoara 21994, 228-229. Idem. Bucur, Culpa de a fi greco-catolic, xlix. Bozgan, Miscarea petitionara greco-catolica din 1956, 168-184; Bucur, Culpa de a fi greco-catolic, li.
Romanian Greek Catholic Church and the State
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with those events; he was accused of being an instigator, the moral author of the movement in Cluj and in other areas.35 In the summer of 1957 he was sentenced to life imprisonment. Alexandru Rusu he was the only bishop in 1948 who was arrested, sentenced and condemned by the judiciary system. He died in 1963. The other bishop Ioan Balan died in 1959. The only prelate survivor of the Gheorghiu Dej era was Bishop Iuliu Hossu. The Greek Catholics, especially priests and prelates (honorable persons like Iuliu Hossu, Alexandru Todea and Ioan Ploscaru), were considered even after 1965 „dangerous elements” and they were put under strict surveillance.36 Apparently Ceausescu regime supported the Prague Spring in 1968. Romania was the only Warsaw Pact country which refused to send troops for invading Czechoslovakia in August 1968. But Ceausescu did proceed in such manner due to his fear of being removed by the Soviets, not because he was an anti-Stalinist and dedicated to reforming Communism in Romania. It was obvious the different nature of the political regime in Romania in comparison with Prague Spring Czechoslovakia which experienced a real liberal and reformoriented regime. Among other things, the Prague Spring reestablished the Greek Catholic Church in Czechoslovakia in 1968,37 while Ceauşescu regime refused to reconsider the 1948 decision. On the contrary it intensified the informative surveillance of the Greek Catholic milieus. Therefore, the organs of the Securitate continued to operate with political police methods like beatings, arbitrary investigations or house searches, convocations to the political police headquarters with brutal warnings and even arrests. Especially after 1971 the Securitate aversion to contacts between Romanian Greek Catholics and foreigners visiting the country made many victims38. Also, in the 1980’s the Securitate encouraged the feud between the Greek Catholic hierarchy, recognized by the Holy See, and a dissident movement led by Justin Ştefan Paven, a contested bishop. The internal crisis was triggered in fact by the case of Sister Ionela (Maria Cotoi) and it affected the internal cohesion of the GCC before and after 1989. Her case is connected with the issue of three unrecognized bishops of the GCC: Emil Riti, Octavian Cristian, and the aforementioned Justin Ştefan Paven. The well-known Greek Catholic Sister Ionela (Maria Cotoi) was a nun belonging initially to the Congregation of the Sisters of the Mother of God (Congregaţia Maicii Domnului – CMD). In 1946 Sister Ionela publicly stated that the unrecognized metropolitan Alexandru Rusu will die in jail, he will be confessed by the youngest Greek Catholic priest. Sister Ionela also had visions after 1945 and wrote, apparently, a document the authorities had interpreted as instigating against communist social order.39 Later, she was investigated by Apostolic Nunciature, 35 36 37 38 39
Bucur, Culpa de a fi greco-catolic, li-lii. Vasile, Intre Vatican si Kremlin, 262-269. Coranič, Jaroslav: Legalization of Greek Catholic Church in Czechoslovakia in 1968, in: E-Theologos 1(2) (2010), 192-202. See the case of Maria Angelin, a zealous faithful woman from Bucharest; Vasile, Intre Vatican si Kremlin, 276-277. Birtz, Remus Mircea/Kierein, Manfred: Alte fărâme din prescura prigoanei, 1948–1989 [Another Fragments from the Persecution’s Prosphora, 1948–1989], Cluj Napoca 2010, 29-30.
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Cristian Vasile
which sought to prevent an anti-Catholic persecution due to her visions and stigmata. She was arrested with various occasions by the Securitate throughout 1950s and the Prosecution’s Office tried to use her intensively in order to compromise the Vatican and the Roman Catholic hierarchy in Romania.40 Some scholars considered that Sister Ionela Cotoi was a true spiritus rector of ecclesiastical resistance in front of communist persecution due mainly to her activity as spiritual guide of the Immaculate Heart Congregation (CIN). Initially, Bishop Alexandru Todea – successor of Bishop Iuliu Hossu at the leadership of GCC after 1970 – was very empathic with Sister Ionela’s visions, but mainly in the 1980s a split occurred between the metropolitan of the GCC and CIN, the congregation of Sr Ionela. Their views regarding the GCC were different. Among other things Sr Ionela supported three aforementioned unrecognized bishops: Justin Stefan Paven, Emil Riti, and Octavian Cristian. The Sister Ionela’s case produced a sort of organizational chaos within clandestine GCC weakening the church. As a conclusion, or more like an epilogue, although the Greek Catholic problem was a close one both for the Romanian Orthodox Church and Romanian Communist Party, faced with the „Hungarian chauvinist” danger, the political authorities and the tried, preeminently at the end of 1970’s, to attract the Greek Catholic intellectuals toward cooperation with the communist regime, a nationalistic drive in total contrast with the 1950s policy of banning the Romanian language in Hungarian Roman Catholic Churches. Such collaboration suggested by the regime failed and the Greek Catholics, encouraged by the signing of the 1975 Final Act of the Conference on Security and Cooperation in Europe (CSCE), continued to draw up petitions which demanded the formal recognition of their Church. Although after 1989 the Romanian Greek Catholic Church gained the right of existence, its churches and other properties remained preeminently Orthodox with the exception of Banat region. Thus, the conflict between the two Romanian Churches continued and it was attenuated only after the Pope John Paul II visit in the country (May 7–9, 1999). Nevertheless, the „Greek Catholic” problem is far to be solved.41
40
41
Totok, William: Episcopul, Hitler şi Securitatea. Procesul stalinist împotriva „spionilor“ Vaticanului în România [The Bishop, Hitler, and Securitate. the Stalinist Trial against Vatican’s Spies in Romania], Jassy 2008, 42. Vasile, The Suppression of the Romanian Greek Catholic (Uniate) Church, 322.
Gábor Bánkuti
DIE JESUITEN IN UNGARN UND RUMÄNIEN IN DER ZEIT DER KOMMUNISTISCHEN DIKTATUR – EIN VERGLEICH1
1.
Methodologische Überlegungen
Primäres Ziel des historischen Vergleiches ist es, zwei oder mehr geschichtliche Ereignisse oder Phänomene in Beziehung zu setzen, dabei Ähnlichkeiten und Unterschiede aufzudecken und so zu einer möglichst genauen Bestimmung der untersuchten Fälle sowie einer möglichst zuverlässigen Beschreibung der Prozesse und Strukturen zu gelangen.2 Die vergleichende Methode hilft bei der Erklärung der historischen Kausalität auf der Basis konkreter geschichtlicher Bedingungen, des Weiteren lassen sich, indem man die Offensichtlichkeit des „eigenen“ Horizontes hinterfragt, auch die Hypothesen der nationalen Narrative, die auf lokalen Zusammenhängen von Ursache und Wirkung beruhen, testen: Wir können zwischen den lokalen und allgemeinen Bezügen eines Problems unterscheiden. Zieht man all dies in Betracht, so ist das Fehlen an historischen Arbeiten auffallend, die den vergleichenden Ansatz anwenden und die Methode konsequent geltend machen. Wenn der Vergleich der „Königsweg“ der Geschichts1
2
Die Forschungarbeit fand im Rahmen des Projekts mit dem Titel Nemzeti Kiválóság Program – Hazai hallgatói, illetve kutatói személyi támogatást biztosító rendszer kidolgozása és működtetése konvergencia program unter der Registriernummer TÁMOP-4.2.4.A/2-11/1-2012-0001 statt. Das Projekt wurde von der Europäischen Union gefördert und mit der Kofinanzierung des Europäischen Sozialfonds realisiert. Aus der überaus umfassenden Literatur zur Methodik stützen sich meine Überlegungen in erster Linie auf folgende Aufsätze: Haupt, Heinz-Gerhard/Kocka, Jürgen: Historischer Vergleich. Methoden, Aufgaben, Probleme. Eine Einleitung, in: Heinz-Gerhard Haupt, Jürgen Kocka (Hg.), Geschichte und Vergleich. Ansätze und Ergebnisse international vergleichende Geschichtsschreibung, Frankfurt am Main 1996, 9-45; Kaelble, Hartmut: Der historische Vergleich. Eine Einführung zum 19. und 20. Jahrhundert, Frankfurt am Main-New York 1999; Kaelble, Hartmut/Schriewer, Jürgen (Hg.): Vergleich und Transfer. Komparatistik in den Sozial-, Geschichtsund Kulturwissenschaften. Frankfurt am Main-New York 2003. Tilly, Charles: Big Structures, Large Processes, Huge Comparisons, Michigan 1983. Unter: http://deepblue.lib.umich.edu/bitstream/handle/2027.42/51064/295.pdf (Stand: 2. Mai 2014).
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Gábor Bánkuti
schreibung sein könnte, warum scheint dieser Weg dann doch eher ungenutzt zu sein? Unter den zahlreichen Faktoren will ich hier nur einige praktische und methodische Aspekte nennen, die diese Vernachlässigung des vergleichenden Ansatzes erklären können und zugleich die Wahl meines Themas begründen. Der erste Faktor ist, dass der Vergleich zwar eine der grundlegenden Vorgehensweisen ist, sich Wissen anzueignen, man historisch dennoch nicht alles mit allem vergleichen kann, beziehungsweise lohnt sich nicht jeder Vergleich. Fällt unsere Wahl tatsächlich auf verschiedene Milieus, so muss man auch von einem abweichenden sprachlichen und kulturellen Umfeld ausgehen, was unsere Möglichkeiten selbstverständlich einschränkt. Die untersuchten Einheiten müssen über identische Züge verfügen, denn zwei vollkommen unterschiedliche Dinge lassen sich nicht vergleichen, wie auch das nicht als vergleichbar zu betrachten ist, wenn ich die Identität zweier Dinge feststelle. Damit sich die zu vergleichenden Einheiten im Hinblick auf ihre Unterschiede untersuchen lassen, müssen sie über ein gewisses Minimum an Gleichheit verfügen. Ganz zu schweigen davon, dass der Vergleich nicht unbedingt mit dem Wandel der Zeit in Beziehung steht, sondern viel mehr mit den Ähnlichkeiten und Unterschieden, die sich aus den Phänomenen an sich ergeben. Diese aber werden im Wesentlichen durch die Fragestellung miteinander in Zusammenhang gebracht. Phänomene lassen sich nicht in ihrer vollkommenen Komplexität miteinander vergleichen, sondern immer nur anhand ausgewählter Gesichtspunkte. Die Vergleichbarkeit wird vor allem durch die Fragestellung belegt, durch die Klärung der Fragen: was, mit was, warum und wie.3 Gegenstand meiner vergleichenden Untersuchung ist die Geschichte der Gemeinschaften der Gesellschaft Jesu in Ungarn und Rumänien.4 Bei den von mir ausgewählten Fällen handelt es sich um tatsächlich existierende historische Entitäten, die sich in einem unterschiedlichen Milieu herausgebildet haben, um Strukturen, die eine Tradition in ihren Konturen geformt hat, die einer gemeinsamen Quelle entspringen, zeitgleich und dank ihrer bedeutenden Anpassungsfähigkeit auch „formbar“ sind. Unter methodologischem Gesichtspunkt entspricht mein Vergleich dem Typ des „immanenten“ oder „umfassenden“ Vergleichs. Das Wesentliche der Methode liegt darin, dass sie die Gleichheiten oder Unterschiede innerhalb einer identischen Struktur (der Gesellschaft Jesu beziehungsweise der katholischen Kirche) und auf der Grundlage ihrer Beziehung zum „Ganzen“ (Gesellschaft, Staat, Kirche) erklärt.5 Als Untersuchungseinheiten betrachte ich die einzelnen Provinzen gemäß Charles Tilly als ein solches „catnet“ (category+network), das aus gemeinsamen Merkmalen und Bindegliedern besteht.6 Was ich als Gemeinsamkeit der untersuchten Gemeinschaften betrachte, beruht vor allem auf den Interaktionen, auf der Rezeption und Aufarbeitung der Einflüsse auf 3 4
5 6
Haupt/Kocka, Historischer Vergleich, 23–25. Eine besondere Möglichkeit bedeutete für mich, dass ich die beiden Geschichten in den vergangenen fünfzehn Jahren anhand von Quellen aufarbeiten konnte. Siehe Bánkuti, Gábor: Jezsuiták a diktatúrában. A Jézus Társasága Magyarországi rendtartománya története 1945–1965 [Jesuiten in der Diktatur. Die ungarische Ordensprovinz der Gesellschaft Jesu in den Jahren 1945–1965], Budapest 2011; Ders.: A romániai jezsuiták a 20. században [Die Jesuiten im Rumänien des 20. Jahrhunderts], Budapest 2016. Tilly, Big Structures, 104. Tilly, Big Structures, 28–30.
Die Jesuiten in Ungarn und Rumänien in der Zeit der kommunistischen Diktatur
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die Gemeinschaft, beziehungsweise auf den Charakteristika der Antworten, die auf die Herausforderungen gegeben werden. Veranschaulicht an einem Beispiel, das der Historiografie fernsteht: Die Unterschiede zwischen zwei Äpfeln bestimmt nicht nur die Beschaffenheit des gepflanzten Kerns, sondern bestimmen auch die äußeren Einflüsse auf den Boden und den jungen Baum. Das Wesentliche ist, wie sich infolgedessen die ursprünglichen Merkmale des Kerns verändern, warum der Baum schließlich solche Früchte trägt, wie er sie trägt. Die Auswirkungen der Gegebenheiten, Zwänge und Motivationen habe ich versucht, in konkrete zeitliche und räumliche Rahmen zu fassen. Diese diktierten die Möglichkeit, die diesbezüglichen Quellen aufzuarbeiten, und jene Zielsetzung, den Vergleich mit möglichst wenig Abstraktionen und im weitesten Kontext durchführen zu können. Um diesen Kontext aufzudecken, habe ich im ersten Schritt die Struktur der lokalen Kirchen und den Prozess der Bolschewisierung in beiden Ländern verglichen. Bei der Untersuchung interessierte mich, wie die Einflüsse und Spannungen der Gewalt (das Projekt des Kommunismus) sowie der internen Disziplinarmechanismen (Instruktionen des Heiligen Stuhls, beziehungsweise des Ordens) sich auf das alltägliche Leben auswirkten. Es stellte sich jedoch bald heraus, dass diese Geschichte sich nicht mit dem Instrumentarium jener Modelle von Unterdrückung und Widerstand, wie es bei der kommunistischen Machtausübung allgemein angewandt wird, beschreiben lässt, sondern einen solchen Ansatz erfordert, bei dem auch die Interaktion zwischen herrschender Schicht und „Untertanen“ berücksichtigt wird. Und zwar in seiner eigenen Geschichtlichkeit und Kontinuität, da die alltägliche Praxis keinen statischen Zustand darstellt. Im Laufe dessen musste ich auch in Betracht ziehen, dass die innere Dynamik im Leben der jesuitischen Gemeinschaft nur dann analysiert werden kann, wenn man diese im Kontext der jesuitischen Tradition, der mit einer theologischen Bewertung einhergehenden Daseins- und Geschichtsbetrachtung untersucht und auch die Verflechtungen mit den Prozessen in der lokalen Kirche und der Weltkirche einbezieht. Zur Veranschaulichung all dessen war es notwendig, auch die Situation der Jesuiten in den lokalen Kirchen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu untersuchen. Welche Unterschiede weist die Entwicklung der Gemeinschaften gemeinsamen Ursprungs auf, die sich in verschiedenen Milieus nach identischen Prinzipien organisieren? Welche Faktoren gestalten ihre Merkmale zu individuellen Charakteristika? Wie lässt sich das immanente Allgemeine vom Individuellen abgrenzen?
2.
Die Entstehung und Geschichte der Missio Rumaenica
Die Geschichte der rumänischen Jesuiten im 20. Jahrhundert wurde durch verschiedene Einwirkungen und eine Reihe von aufeinander folgenden Herausforderungen geprägt. Diese verwischten zuweilen die durch die Tradition geformten Konturen, andere Male entfalteten sich – beeinflusst durch die Anpassung an aktuelle Situationen – neue und individuelle Besonderheiten. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Rumänien zu dem Staat der Region, der die breiteste ethnische, kulturelle und konfessionelle Palette aufwies. Die konfessionelle Aufteilung der hier lebenden Völker deckte sich im Großen
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Gábor Bánkuti
und Ganzen mit der nationalen Gliederung; die durch Sprache und Religion determinierten Gemeinschaften schlossen sich unterschiedlichen Mustern in der wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Struktur an.7 In diesem Umfeld organisierte sich die ethnische und konfessionelle Grenzen überschreitende Gemeinschaft der Jesuiten. Die Darstellung der Tätigkeit der Ordensmitglieder rumänischer (griechisch-katholisch), ungarischer (römisch-katholisch) und polnischer Nationalität bietet somit einen solchen Schnitt dar, der fast jeden problematischen Bereich der rumänischen Verhältnisse im 20. Jahrhundert – und innerhalb dieser die Situation Siebenbürgens – betrifft. Welche Gesichtspunkte bestimmten nach dem Ersten Weltkrieg die Pläne des Heiligen Stuhls in seiner östlichen Mission? Welche Rolle kam in diesen Vorstellungen Rumänien zu? Wie verhielten sich die lokalen Akteure in Bezug auf die Vorstellungen Roms? Wie gestalteten die Erwartungen und Gegebenheiten die Gemeinschaft der Jesuiten in Rumänien? Welche Antworten gaben sie in der Schusslinie ethnischer und konfessioneller Gegensätze auf die durch Imperienwechsel und politische Wenden verursachten Herausforderungen? Die Organisation der Jesuiten wurde im 20. Jahrhundert in Rumänien durch geopolitische und missionarische Absichten des Heiligen Stuhls ins Leben gerufen, auf lange Sicht erwartete man sich den Übertritt griechisch-orthodoxer Rumänen. Für die Ambitionen der westlichen Kirche im Osten schuf die auf den Ersten Weltkrieg folgende Umstrukturierung in den Machtverhältnissen den historischen Rahmen, durch den sich für die katholische Mission bislang unberührte Gebiete eröffneten. Rumänien war ein besonderes Terrain für die Unionsbestrebungen, denn im Gegensatz zu Russland konnten sich die Vertreter der östlichen Mission hier auf eine bedeutende unierte Gemeinschaft stützen, zudem wurden ihre Pläne auch nicht durch den atheistischen Bolschewismus verhindert. Die hier lebenden römisch-katholischen Gläubigen erlebten und beurteilten die Situation allerdings ganz anders: Der römisch-katholische Erzbischof von Bukarest, Raymund Netzhammer, hielt die Visionen der Diplomatie des Heiligen Stuhls, die Rumänien als das Vorzimmer zu einem großen rumänischen Kraftfeld betrachtete, für vollkommen irreal und zudem gefährlich.8 Die Mehrzahl der Katholiken nahm in der Wirklichkeit gerade das Gegenteil dieses Prozesses wahr: Die Positionen der orthodoxen Kirche wurden seit dem Weltkrieg zunehmend stabiler, und der Staat machte offensichtlich die rumänischen nationalen Gesichtspunkte geltend. Somit war nicht nur die Union nicht greifbar, vielmehr wurden die universalen Prinzipien des Katholizismus zunehmend verletzt und die Interessen der Menschen römisch-katholischen Glaubens in den Hintergrund gedrängt.9 Die Zusammensetzung der römisch-katholischen 7
8
9
Über die Aufteilung von Nation und Religiosität: Brandt, Julianne: Konfessionelle und nationale Identität in Ungarn, in: Hans-Christian Maner, Martin Schultze Wessel (Hg.), Religion im Nationalstaat zwischen den Weltkriegen, 1918–1939, Stuttgart 2002 (Forschungen zur Geschichte und Kultur des Östlichen Mitteleuropa Band 16), 32-42. Netzhammer, Raymund: Bischof in Rumänien. Im Spannungsfeld zwischen Staat und Vatikan. Bd. I–II. Hg. von Nikolaus Netzhammer i.V.m. Krista Zach, München 1995–1996 (Veröffentlichungen des Südostdeutschen Kulturwerks, Reihe B: Wissenschaftliche Arbeiten 70–71), 260, 558. Grundlegend zu dem Thema: Maner, Hans-Christian: Die griechisch-katholische Kirche in Siebenbürger/Rumänien 1918–1939. Zwischen nationalem Anspruch und interkonfessioneller Wirklichkeit, in: Hans-Christian Maner, Norbert Spannenberger (Hg.), Konfessionelle Identität und
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Kirche nach Nationalitäten, ihr überwiegend ungarischer, beziehungsweise deutscher Charakter und ihre autonome Organisation, die sich im katholischen Status Siebenbürgens verkörperte, machte den römischen Katholizismus zu einem nationalen und staatlichen Problem Rumäniens. Die Bedingungen zur Unterstützung der Ambitionen des Heiligen Stuhls waren vonseiten der Jesuiten durch eine unvergleichlich dynamische Entwicklung des Ordens in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts geschaffen worden. Indem der Orden sie an die neue Situation anpasste, ermöglichte er, um die östliche Mission zum Erfolg zu führen, die Aufnahme von Mitgliedern orthodoxen Ritus beziehungsweise den Übertritt von Gläubigen des lateinischen Ritus zum orthodoxen Ritus, zuweilen auch den Biritualismus.10 Das im 20. Jahrhundert entstandene Profil der rumänischen Provinz erlangte seine Gestalt nicht bloß infolge des besonderen Ziels ihrer Gründung. Ihre Besonderheit rührte auch daher, dass mit der Gründung die Fusion von zwei Provinzen mit unterschiedlichen Wurzeln, der galizischen und der ungarischen, realisiert wurde. Die Provinz Galizien (Provincia Galiciana) wurde 1820 ins Leben gerufen, nachdem Zar Alexander I. die Ordensmitglieder, die die Zeit der Auflösung (1773–1814) auf dem Gebiet des Russischen Reiches überlebt hatten, des Landes verwiesen hatte. Die ab 1832 mit Österreich gemeinsame galizisch-österreichische, später österreichisch-galizische (Galiciae-Austriacae, Austriaco-Galiciana) Provinz erlangte mit der Gründung der österreichischen Ordensprovinz im Jahr 1846 ihre Eigenständigkeit und existierte bis 1918, als sie zur polnischen Provinz (Provincia Poloniae) umgetauft wurde. Der polnischen Provinz untergeordnet entstand die rumänische Mission, die nach deren Zweiteilung im Jahr 1926 innerhalb der Provincia Poloniae Minoris, später von ihr unabhängig weiter wirkte.11 Die nach der Wiederzulassung der Gesellschaft neu zu Leben erwachten siebenbürgischen Ordenshäuser waren Teil der österreichischen (Provincia Austriaca), ab 1871 der österreichisch-ungarischen (Provincia Austriaco–Hungarica) und ab 1909 der eigenständigen ungarischen Provinz (Provincia Hungariae).12 Ihre Geschichte kann also nur im Zusammenhang mit der Geschichte der ungarischen Provinz gedeutet werden. Die als Teil der polnischen Ordensprovinz 1924 ins Leben gerufene, sich auf das gesamte Königreich Rumänien erstreckende Missio Rumaenica bildeten anfangs zwei Ordenshäuser: die im bukowinischen Czernowitz tätige, vor allem aus polnischen und deutschen Mönchen bestehende Gemeinschaft sowie die von der ungarischen Provinz
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11 12
Nationsbildung. Die griechisch-katholischen Kirchen in Ostmittel- und Südosteuropa im 19. und 20. Jahrhundert, Stuttgart 2007 (Forschungen zur Geschichte und Kultur des Östlichen Mitteleuropa Band 25), 177-187. Im Fall Rumäniens: AR VII. 361. Peculiaris Facultas pro Viceprov. Rumaenica. 13. Dezember 1933. Patribus Viceprov. Rumaenicae (Prov. Polon. Min.) conceditur facultas Sacrum celebrandi in antemensiis Graecorum. – Rescript. S. C. Rit. Synopsis historiae Societatis Jesu, Louvain 1950, 702-703, 708. Fejérdy, András: Provincia Hungariae – az 1909. évi alapítás története [Provincia Hungariae – die Geschichte der Gründung im Jahr 1909], in: Antal Molnár, Csaba Szilágyi (Hg.), Múlt és jövő. A magyar jezsuiták száz éve (1909–2009), és ami abból következik [Vergangenheit und Zukunft. Hundert Jahre ungarische Jesuiten (1909–2009), und was daraus folgt], Budapest 2010, 13-22.
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abgetrennte und der rumänischen Mission zugeordnete Gemeinschaft der Sathmarer.13 Mit der Gründung realisierte sich die Fusion zweier jesuitischer Provinzen, der galizischen und der ungarischen, die über ganz unterschiedliche Wurzeln verfügten. Der erste rumänische Jesuit griechisch-katholischen Ritus, Cornel Chira, trat 1927 schon als geweihter Pfarrer dem in Szatmárnémeti (dt. Sathmar / rum. Satu Mare) eröffneten Noviziat der Mission bei. Die rumänischen Ordensmitglieder gehörten bis 1937 unter die rechtliche Zuständigkeit des polnischen Provinzials mit Sitz in Krakau. Die Unabhängigkeit erlangten sie unter dem Vorstand von Gheorghe Fireza, der die Ordensprovinz von 1934 bis 1937 dem polnischen Provinzial unterstellte, doch ab 1937 schon eigenständig führte. Das Zentrum der Ordensprovinz befand sich bereits in Totesd (rum. Totești) im Komitat Hunyad (rum. Județul Hunedoara), und ab 1935 wurde die Ausbildung des Nachwuchses, um den „rumänischen Zweig“ weiterzuentwickeln, aus Szatmár ebenfalls hierher verlegt. In dieser Zeit waren die Jesuiten an fünf Orten in Rumänien aktiv: in der Station von Bukarest und Kolozsvár (dt. Klausenburg / rum. Cluj-Napoca), im Ordenshaus von Czernowitz, bis 1939 im Seminar des Bistums Jászvásár (dt. Jassenmarkt / rum. Iași) und im Ordenshaus in Szatmárnémeti.14 Die 1919/20, 1940 und 1944/45 erfolgten Imperienwechsel haben die Geschichte der einzelnen Ordenshäuser ebenfalls grundlegend bestimmt. 1940 annektierte die Sowjetunion die Nord-Bukowina und löste das Ordenshaus in Czernowitz auf. Der Zweite Wiener Schiedsspruch schloss Szatmárnémeti und Kolozsvár wieder Ungarn an, die dort aktiven Ordensmitglieder gelangten somit zur ungarischen Provinz. Die geschrumpfte rumänische Vizeprovinz verlegte ihr Zentrum 1942/43 – nun bereits unter der Leitung von Cornel Chira – nach Bukarest.15 In der Zwischenkriegszeit wurde die Tätigkeit der rumänischen jesuitischen Mission im Grunde nicht eingeschränkt. Ihr östlicher Zweig öffnete neuen Möglichkeiten die Tore, die Initiative unterstützten auch die jeweiligen Bukarester Nuntien, der Bukarester Erzbischof Alexandru Cisar und auch die griechisch-katholischen Bischöfe. Aus dem Blickwinkel der zur Minderheit gewordenen katholischen Ungarn in Siebenbürgen und aufgrund ihrer Erfahrungen signalisierte all das natürlich eher eine Gefahr. Die Zugehörigkeit des neu entstandenen hybriden Gebildes konnte in der Schusslinie der immer wieder auftretenden ethnisch-konfessionellen Gegensätze nicht mit Gewissheit festgestellt werden.16 Die Spannungen, die den Alltag der Menschen in Siebenbürgen bestimmten, beeinflussten offensichtlich auch die Beziehungen unter den Ordensmitgliedern, dennoch verursachten sie keine Störung auf Systemebene. Grund dafür war, über die einheitliche Erziehung und die Erfahrungen beim Studium im Ausland hinaus, einerseits, dass die überschaubare Anzahl an Mitgliedern der Provinz eine Art Untergrundarbeit möglich machte, andererseits waren die Ordensmitglieder nach 13 14 15 16
AR V., 92-93. Romaniae Provincia [Romania], 6. Januar 1924. E domibus quibusdam Pr. Hung, et Polon. conditur M. Rumenica a Pr. Poloniae dependens. [Vgl. auch Moldavia]. Catalogus Provinciae Poloniae Minoris Societatis Iesu, ineunte anno 1937, Krakau 1937; Catalogus Vice-Provinciae Romaniae Societatis Iesu, ineunte anno 1940, Klausenburg 1940. Catalogus Vice-Provinciae Romaniae Societatis Iesu, anni 1947. Salacz, Gábor: A magyar katolikus egyház a szomszédos államok uralma alatt [Die ungarische katholische Kirche unter der Herrschaft der benachbarten Staaten], München 1975, 84-86.
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Abschluss ihres Studiums in ihrem eigenen sprachlich-kulturellen Umfeld aktiv. Die im Zaum gehaltenen Spannungen traten erst nach den Imperienwechseln an die Oberfläche, als sich immer wieder aufs Neue die Frage stellte, welche Provinz für die Ordenshäuser von Kolozsvár und Szatmárnémeti zuständig sei.
3.
Die Geschichte der Provincia Hungariae
Nach den erfolglosen Versuchen der Gesellschaft Jesu, sich im 16. Jahrhundert im ungarische Ungarn niederzulassen, setzte ihre Verbreitung in Ungarn mit dem von Péter Pázmány 1615 gegründeten Kolleg in Nagyszombat (dt. Tyrnau, slow. Trnava) ein. Die Jesuiten, die bei der Rekatholisierung des ungarischen Hoch- und Mitteladels eine bedeutende Rolle spielten, waren in der Zeit danach in einem Umfeld aktiv, das ihre Niederlassung sowohl materiell als auch rechtlich garantieren konnte. Zur Zeit des Breves, das die Auflösung der Jesuiten aussprach, waren auf dem Gebiet der Länder der heiligen ungarischen Krone insgesamt 838 Jesuiten tätig, die in 50 Ortschaften, 15 Kollegien, 19 Ordenshäusern und 10 ständigen Missionsstationen arbeiteten. Die wiederhergestellte Gesellschaft nahm ihre Arbeit nach jahrzehntelangen Verhandlungen mit der Eröffnung des Novizenhauses in Nagyszombat im Jahr 1853 wieder auf, und zwar im Rahmen einer gemeinsamen Ordensprovinz mit den Österreichern. Die eigenständige ungarische Provinz wurde 1909 mit 182 Jesuiten gegründet. Das politische System nach dem Scheitern der „bürgerlichen“ und später kommunistischen Revolution, die auf den Zusammenbruch nach dem Ersten Weltkrieg folgte, definierte sich selbst als „gegenrevolutionär“, „christlich-national-konservativ“. In der Zwischenkriegszeit, der sog. Horthy-Ära, spielten die Kirchen, darunter die Katholiken, die mehr als 60 % der Gesellschaft ausmachten, eine bedeutende Rolle im öffentlichen Leben und wirkten – abgesehen von einigen Kritiken, vor allem die „soziale Frage“ betreffend – intensiv an der ideellen Untermauerung des Systems mit.17 Das Profil der jesuitischen Provinz bestimmten in erster Linie die Seelsorge und die gymnasiale Erziehungsarbeit. Eine große Rolle kam der Leitung von religiösen Vereinen zu: den Marianischen Kongregationen sowie dem sich zu einer Massenbewegung entwickelnden Herz-Jesu-Bund, aber auch die volksmissionarische Arbeit war von großer Bedeutung. Unter den neuen Initiativen großer Tragweite hoben sich in der katholischen Presse die Zeitschrift Magyar Kultúra [Ungarische Kultur] in der Redaktion von Béla Bangha und das 1915 von Ferenc Bíró gegründete Wochenblatt A Szív [Das Herz] hervor. Die Organisation der Bauernjugend, KALOT [Katolikus Agrárifjúsági Legényegyletek Országos Testülete, Landesverband der Burschenvereine der Katholischen Agrarjugend],
17
Über die katholische Orientierung in den 1930er Jahren siehe Petrás, Éva: „A Splendid Return”. The Intellectual Recepcion of the Catholic Social Doctrine in Hungary (1931–1944), Budapest 2011 (Complementa Studiorum Historiae Ecclesiasticae 1).
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war zwar von kurzer Dauer, doch umso bedeutender.18 Alles in allem konnten die ungarischen Jesuiten – auch gemessen an ihrer früheren Geschichte – eine alles Bisherige übersteigende Mitgliederzahl, eine dynamische Erneuerung sowie zukunftsweisende Initiativen vorweisen. Die Aktivität der Ordensmitglieder baute auf einer breit angelegten institutionellen Basis auf. Die Anzahl der Mitglieder der seit den 1920er Jahren rasant anwachsenden Ungarischen Ordensprovinz erreichte 1950 ihren Höhepunkt: Mit 417 Angehörigen war sie eine der größten Gemeinschaften unter den Orden in Ungarn. Das Rückgrat des personalen Bestandes bildete eine Gruppe von 30- bis 40-Jährigen, die dem Orden zu Beginn der dreißiger Jahre, inspiriert durch die Zeit der „katholischen Renaissance“ in Ungarn, beigetreten waren.19
4.
Die Situation der katholischen Kirche in Rumänien nach 1945
In Rumänien bestimmte statt des säkularistischen Modells, das die Trennung von Kirche und Staat propagierte, der staatliche Anspruch an Kontrolle die Beziehungen, so legte der Staat als Bedingung der Partnerschaft schon von Beginn an fast offen fest, dass seine Vorherrschaft anzuerkennen sei. Diese Hauptbestrebung der Kirchenpolitik erreichte im Fall der orthodoxen Kirche – nach zeitweiligen Störungen20 – mit der aktiven Kooperation des Moskauer Patriarchats ihr Ziel: Der am 6. Juni 1948 im Rahmen einer feierlichen Zeremonie inaugurierte Patriarch Justinian nahm seinen Hirtenstab, das Symbol der religiösen Macht, bereits von Constantin Ion Parhon, dem Vorsitzenden der Großen Nationalversammlung, entgegen. Die Kooperation zwischen Orthodoxie und Staat schuf ein solches Muster, einen solchen Bezugspunkt, indem sie die Freiheit der Religion auf eine Weise demonstrierte, dass diese Darstellung zugleich als Argumentation dazu dienen konnte, jene Konfessionen, die sich einer Zusammenarbeit enthielten, als „reaktionär“ abzustempeln. Die Beziehungen zu Moskau, zum Weltzentrum der orthodoxen Religion, vermehrten die Stimmen gegen den Vatikan und projizierten zugleich das Schicksal der griechisch-katholischen Gläubigen in Rumänien. Die Möglichkeit oder Unmöglichkeit einer Kooperation mit der weltlichen Macht beeinflussten außer der Glaubensüberzeugung auch die gesellschaftlichen, ethnischen und konfessio-
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Zu der katholischen Wegsuche siehe Balogh, Margit: A KALOT és a katolikus társadalompolitika 1935–1946 [Die KALOT und die katholische Gesellschaftspolitik 1935–1946], Budapest 1998 (Társadalom és művelődéstörténeti tanulmányok 23.). Die Entwicklung des personalen Bestandes wurde aufgearbeitet von: András, Imre SJ: Az önállósult Magyar Jezsuita Provincia első negyven éves életének és munkásságának statisztikai mérlege 1909–1949 [Die statistische Bilanz der Existenz und Tätigkeit der eigenständigen Ungarischen Jesuitischen Provinz in den ersten vierzig Jahren, 1909–1949] 1968, 3-8. Der am 27. Februar 1948 verstorbene rumänische Patriarch Nikodim verhielt sich dem Vorstoß der Kommunisten gegenüber anfangs verhalten. Siehe dazu: Leustean, Lucian N.: Ortodoxia és állam. A kommunizmus építése a Román Népköztársaságban (1948–1949) [Orthodoxie und Staat. Der Aufbau des Kommunismus in der Volksrepublik Rumänien (1948–1949)], in: Pro Minoritate Herbst–Winter (2007), 91-92.
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nellen Verflechtungen, das Auftreten den Kirchen gegenüber war durch die Komplexität der ethnisch-konfessionellen Verhältnisse differenziert. Für die griechisch-katholischen Gläubigen bedeutete die Beziehung zum Osten, die mit dem sowjetischen Einfluss einherging, bereits ab 1945 eine beängstigende Perspektive. Nach einer etwa dreijährigen Periode der Unsicherheit bildete sich eine Situation heraus, in der die Ziele der Sowjetunion, des Moskauer Patriarchats, der rumänischen orthodoxen Kirche und des rumänischen Staates restlos übereinstimmten. Wie der angesehene Forscher zu diesem Thema, Lucian N. Leustean, formuliert: „Nach 1947, als die Kommunisten bereits die vollkommene Macht innehatten, betrachteten sie die rumänische orthodoxe Kirche als Teil der gesamten orthodoxen Gemeinschaft, die die guten Beziehungen Rumäniens zu der Sowjetunion fördern sollte sowie dabei behilflich wäre, den Massen den Kommunismus aufzuzwingen“.21 Unterstützt von Moskau und assistiert vom Staatsapparat übten die Griechisch-Orthodoxen einen massiven Druck auf die rumänischen Uniaten aus, durch den beide Pfeiler ihrer Identität angegriffen wurden. Aufgrund ihrer Treue zu Rom trugen sie den Stempel des Hochverrats, galten sie als Verräter an der rumänischen Nation. Man betrachtete sie als Fremdkörper, als naturwidrige Formation, die eine weitere Expansion der katholischen Kirche zum Schaden der Prawoslawen förderte, im milderen Fall als die Opfer der Jesuiten. Die „Rückbekehrung“ der griechisch-katholischen Kirche zur Orthodoxie war in der Praxis eins mit der brutalen Auflösung dieser Gemeinschaft von besonderer Identität, die über individuelle Merkmale verfügte. Die Maßnahme war für die rumänischen Kommunisten nicht nur eine erste wichtige Station bei ihrem Programm des „Kampfes gegen den Vatikan“, nicht nur „ein Schlag gegen den Imperialismus“, „sondern auch die Erschaffung der einheitlichen nationalen Religion der Rumänen“.22 Die Reihe der Maßnahmen gegen die Kirche begann mit der am 13. April 1948 verabschiedeten Verfassung der Volksrepublik Rumänien, die den Konfessionen das Recht entzog, als Träger von Schulen aufzutreten. Am 4. August erließ die Regierung das Dekret zum „allgemeinen System der religiösen Konfessionen“, das während der kommunistischen Periode die Basis für die Beziehung zwischen Kirche und Staat darstellte.23 Die Maßnahme ordnete die Kirchen formal dem Wirkungsbereich des Staates unter, indem – abweichend vom Separationsmodell, das für die Länder der Region kennzeichnend war – die Tätigkeit der Konfessionen an ein Statut geknüpft war, das 21 22
23
ebd., 89. Den Prozess der Einschmelzung analysiert detailliert Vasile, Cristian: Între Vatican și Kremlin. Biserica Greco-Catolică în timpul regimului comunist [Die griechisch-katholische Kirche während des kommunistischen Regimes], Bukarest 2003, 103-212. Die Meinung von Luka László (Vasile Luka) bei der Sitzung des Sekretariats der Rumänischen Arbeiterpartei am 25. November 1948 zitiert Csendes, László: Párbeszéd a börtönben. Gheorge Gheorgiu-Dej második kormányának viszonyulása a Római Katolikus Egyházhoz [Dialog im Gefängnis, das Verhältnis der zweiten Regierung von Gheorge Gheorgiu-Dej zur römisch-katholischen Kirche], in: Zoltán Nagy Mihály, István Zombori (Hg.): Állam és Egyház kapcsolata Kelet-Közép-Európában 1945 és 1989 között. Intézmények és módszerek [Die Beziehung von Staat und Kirche in Mittelosteuropa zwischen 1945 und 1989], Budapest 2014, 52. Decret Nr. 177 din 4 august 1948 pentru regimul general al cultelor religioase. Monitorul Oficial nr. 178 din 4 august 1948.
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vom Staat genehmigt werden musste. Unter den Bedingungen des Dekrets war es nur zwei Bistümern lateinischen Ritus und zwei griechischen Ritus erlaubt, tätig zu sein, zudem untersagte Artikel 41 jegliche unmittelbare Gerichtsbarkeit, die vom Ausland ausgeübt würde, womit man in der Praxis die Gültigkeit des päpstlichen Primats ausschaltete. Damit stellte man Bedingungen, die dem kirchlichen Gesetzbuch und den Traditionen der Kirche vollkommen widersprachen, und hinterfragte die katholische Kirche an sich. Auf diese Weise existierte die katholische Kirche abweichend von den vierzehn bewilligten Religionskonfessionen bis 1990 ohne genehmigtes Statut als geduldete Kirche. Hinter Paragraph 37, der die Frage des Konfessionswechsels regelte, verbarg sich bereits die Absicht, die griechisch-katholische Kirche aufzulösen. Am 21. Oktober 1948 verkündete Patriarch Justinian beim 250. Jahrestag der Unierten Kirche in Gyulafehérvár [dt. Karlsburg, rum. Alba Iulia] die Vereinigung, das heißt, die rumänische orthodoxe Kirche verleibte sich die unierte Kirche ein. Die Auflösung der griechisch-katholischen Konfession wurde am 1. Dezember 1948, am Nationalfeiertag Rumäniens, in einer Regierungsverordnung festgehalten.24 In den Jahren darauf starben sieben griechisch-katholische Bischöfe im Gefängnis. Am 21. Juni 1949 verhaftete man Áron Márton, den römisch-katholischen Bischof von Gyulafehérvár, und fünf Tage später Anton Durcovici, den römisch-katholischen Bischof von Jászvásár. Im Sinne des Dekrets des Heiligen Stuhls wurden die Aufgaben der verhinderten Bischöfe von den für die internen Angelegenheiten der Kirche heimlich ernannten Ordinaria (ordinarius substitutus), die keiner staatlichen Anerkennung bedurften, übernommen.25 Der Ministerrat verfügte in seiner Verordnung Nr. 810 vom 29. Juli 1949 das Verbot von fünfzehn katholischen – sich vor der Verstaatlichung mit der Lehre und Heilung beschäftigenden – Orden.26 Aufgrund ihrer pastoralen Tätigkeit wurden die Jesuiten und die Franziskaner in der Verordnung nicht benannt.27 Das Verhalten der Bukarester Behörden gegenüber der katholischen Kirche war – im Vergleich zu anderen Ländern, die unter sowjetischen Einfluss gelangt waren – von 24 25
26
27
Decret nr. 358 din 2 decembrie 1948 pentru stabilirea situației de drept a fostului cult grecocatolic. Buletinul Oficial nr. 281 din 2 decembrie 1948. Über die Verfügung und die diesbezüglichen außerordentlichen Ermächtigungen schreibt Tempfli, Imre: Sárból és napsugárból. Pakocs Károly püspöki helynök élete és kora 1892–1966 [Aus Lehm und Sonnenstrahlen. Leben und Zeit des bischöflichen Stellvertreters Károly Pakocs, 1892–1966], Budapest 2002, 963-969. Hotărâre nr. 810 din 29 iulie 1949 privind interzicerea functionarii pe întreg teritoriu al Republicii Populare Romane, a mai multor formaţiuni şi organizatiuni, ce formează diferite ordine şi congregatiuni romano-catolice. Buletinul Oficial nr. 51 din 29 iulie 1949 [Beschluss Nr. 810 vom 29. Juli 1949 über das Verbot der Tätigkeit mehrerer Formationen und Organisationen, die verschiedene römisch-katholische Orden und Kongregationen bilden, auf dem gesamten Gebiet der Rumänischen Volksrepublik. Amtliches Mitteilungsblatt Nr. 51 vom 29. Juli 1949]. Auf der Grundlage eines Vergleichs der verschiedenen Statistiken kam Ovidiu Bozgan, der anerkannte Forscher dieses Themas, bei den Mitgliedern des römisch-katholischen Ordens in Rumänien im Januar 1948 auf eine Zahl von etwa 2.500 Personen. Die nahezu fünfhundert Mönche lebten damals in 81, die mehr als zweitausend Nonnen in 134 Klöstern beziehungsweise Ordenshäusern. Bozgan, Ovidiu: Rezistenţă, represiune, destindere iluzorie: Biserica romano-catolică în România comunistă [Widerstand, Unterdrückung, Scheinentspannung: Die römisch-katholische Kirche im kommunistischen Rumänien], in: Dosarele istoriei VIII Nr. 9 (2003), 42.
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dramatischer Wirkung. Mit der Verhaftung von Áron Márton und Anton Durcovici erlosch jegliche vom Heiligen Stuhl bestimmte öffentliche Hierarchie. Die Auflösung der Bistümer durch den Staat war ebenfalls beispiellos. Die Bukarester Führung galt auch auf dem Gebiet der Unterdrückung der römisch-katholischen Mönche und Nonnen als „bahnbrechend“.28
5.
Jesuiten in der Diktatur: Rumänien
Der kirchenfeindliche Feldzug der kommunistischen Diktatur bestimmte das Schicksal der Ordensmitglieder Rumäniens in zweierlei Hinsicht: im Allgemeinen dadurch, dass die Bedingungen es unmöglich machten, als Orden tätig zu sein, und – was in den Konsequenzen vielleicht sogar tragischer war – durch die brutale Auflösung der griechischkatholischen Kirche. Zwar waren die Jesuiten von der Verordnung, die das Wirken von fünfzehn katholischen Orden verbot, nicht konkret betroffen, jedoch hatte man die im Ordenshaus Totesd lebenden Mönche aufgrund ihrer griechisch-katholischen Konfession bereits früher, nämlich im Oktober 1948, vertrieben, das Ordenshaus in Szatmárnémeti war am 1. Juli 1949 verstaatlicht worden. Am 12. Dezember 1950 wurden, mit einigen Ausnahmen, alle jesuitischen Mönche (29 Personen) in das Franziskanerkloster von Szamosújvár verschleppt, erst 1957 konnten sie ihren Zwangswohnort verlassen. Die Aktivität der Mitglieder der Gemeinschaft konzentrierte sich während der Zeit der Überwachung auf zwei Hauptbereiche: Sie organisierten die geheime Pastoration der griechisch-katholischen Gläubigen und leisteten gemeinsam mit den Franziskanern Widerstand gegen die kirchliche Führung, die ihre Position nach der Verhaftung von Áron Márton eingenommen hatte und als abtrünnig galt, sowie gegen die Bewegung der Friedenspfarrer. Praktisch unterhielten sie eine Katakombenkirche, die sich auf fast das gesamte Gebiet der Bistümer Szatmár und Gyulafehérvár ausdehnte.29 Um die Ziele ihres Handelns festzulegen, brauchten die Jesuiten weder vom Heiligen Stuhl noch vom Ordenszentrum in Rom konkrete Anweisungen. Auf eine derartige Bekräftigung beriefen sich die Jesuiten auch nie. Dennoch eignete sich ein bedeutender Teil der Gläubigen und Priester ihre Normen an und anerkannte ihre Autorität auch ohne die oberste kirchliche Amtsbefugnis. In jener Situation, in der die Instruktionen des Heiligen Stuhls, die als Orientierungspunkt betrachtet wurden, aufgrund des Mangels an legitimer 28
29
Die gewalttätige Auflösung der Orden nahm in der Tschechoslowakei in der Nacht vom 13. auf den 14. April 1950 mit der sogenannten K-Aktion ihren Anfang. Die in mehreren Wellen durchgeführte Aktion betraf bis zum Mai 2.376 Mitglieder von 28 Orden. Über die Aussiedlung der tschechoslowakischen Ordensmitglieder hat Ján Dubovský eine ausführliche Arbeit verfasst: Dubovský, Ján: Akcia kláštory. Komunistický režin na Slovensku v boji proti mužským reholiam v rokoch 1949–1952 [Aktion Klöster. Das kommunistische Regime in der Slowakei im Kampf gegen die Männerklöster in den Jahren 1949–1952], Martin 1998; In der Tschechoslowakei gab es keinerlei Rechtsvorschrift oder Verordnung zur Einschränkung oder zum Verbot der Tätigkeit der Orden. Der Hauptorganisator des Widerstandes von Szamosújvár war Mihály Godó SJ. In seinen Memoiren hielt er auch diese Zeit fest: Godó SJ, Mihály: Testamentum, Budapest 2015, 245-255.
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Hierarchie über keine lokale Deutung verfügten, die durch eine offizielle und anerkannte Autorität bekräftigt worden wäre, erwies sich jene Auffassung als stärker, die tiefer in den Grundlagen wurzelte. Beeinflusst durch die Jesuiten (und Franziskaner) hielt ein bedeutender Teil des Priestertums und der Gläubigen das Zentrum von Gyulafehérvár für abtrünnig und seine Führungspersönlichkeiten für ausgestoßen. Aus den Berichten der Staatssicherheit und der Ministerien geht auch hervor, dass die Ordensmitglieder an ihrem Zwangswohnort von den Gläubigen aus der Umgebung versorgt wurden. Szamosújvár suchten wochentags durchschnittlich vierzig bis fünfzig Menschen auf, während diese Zahl an Markt- und Feiertagen auf hundert bis zweihundert Personen anstieg. Die Mönche hielten ihre Messen regelmäßig gemäß dem orthodoxen Ritus (!), den protestierenden Kultusbeauftragten der Provinzen und Rajone hingegen antworteten sie, sie würden alles wie bislang fortsetzen und niemand könne sie aufhalten, da das Volk mit ihnen sei. Auch die staatlichen Organe waren nicht in der Lage, mit den anarchischen Zuständen entsprechend umzugehen, der offene Konflikt zwischen der vom Staat unterstützten kirchlichen Führung und den Mönchen behinderte auch die Realisierung der staatlichen Zielsetzungen. In dieser – durch mehrere internationale Faktoren beeinflussten – Situation entschieden sich die rumänischen Behörden schließlich dafür, die Haftstrafe von Áron Márton auszusetzen.30 Womit ist der verblüffende Einfluss der Ordensmitglieder zu erklären? Wie kann dies einer Gemeinschaft in der täglichen Praxis und in einem fast gesellschaftlichen Ausmaß als Muster dienen? Der eindeutige und unerschütterliche Widerstand kann dafür nicht Grund genug sein. All dies ist nur bei einem solchen Ansehen und einer solchen Einbettung möglich, die aus einem Prozess von mehreren Jahrzehnten resultieren. Den bedeutenden Teil des rumänischen Priestertums machten in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Jesuiten aus, der Klerus von Szatmár absolvierte seine Ausbildung fast ausnahmslos im bischöflichen Konvikt, die in Jászvásár tätigen Mönche bestimmten das Weltbild mehrerer Generationen von moldawischen Priestern. Die missionarischen Ambitionen der zwanziger Jahre entfalteten sich zu der Zeit in einer Weise, mit der man zuvor ganz sicher nicht gerechnet hatte: Die Identifikation mit der durch die Diktatur unterdrückten rumänischen Gesellschaft machte die alten Gegensätze zunehmend irrelevanter und eröffnete eine neue, zuvor unbekannte, auf einer Schicksalsgemeinschaft basierende personalistische Dimension der ersehnten Einheit. Hinsichtlich des internen Lebens der Gemeinschaft löste der Zwangswohnort Szamosújvár eine geradewegs entgegengesetzte Wirkung aus. Die sieben Jahre, in denen sie dort zusammengepfercht waren, riefen nicht ein allmähliches Zugrundegehen hervor, sondern verstärkten viel eher das Gefühl, aufeinander angewiesen zu sein, und den gemeinschaftlichen Zusammenhalt. Die im Jahr 1957 erfolgte Zerstreuung der Mönche versuchte gerade diesen Misserfolg der „gemeinsamen Unterbringung“ zu korrigieren. Von den 1949 gezählten 29 Mitgliedern der Vizeprovinz verbrachten zehn – den Zwangswohnort nicht mitgerechnet – zusammen mehr als sechzig Jahre in Gefangenschaft: 30
Nagy, Mihály Zoltán: Márton Áron püspök szabadon bocsátása 1955-ben. Kísérlet a romániai katolikus egyházrész helyzetének rendezésére? [Die Freilassung des Bischofs Áron Márton im Jahr 1955. Ein Versuch, die Situation der katholischen Kirche in Rumänien?], in: Nagy, Zombori (Hg.), Állam és Egyház kapcsolata, 141-144.
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Rafael Haag und Otto Farrenkopf waren die längste Zeit, vierzehn Jahre, Mihály Godó elf Jahre und Ladis Kumorowitz zehn Jahre in sowjetischen Arbeitslagern inhaftiert. Der Provinzial Cornel Chira starb 1953 in Untersuchungshaft. Dieses Bewusstsein des Zusammenhalts im Orden bewahrte die schrumpfende Mitgliederschaft der verstreuten Gemeinschaft ab 1958 38 Jahre lang unter der Leitung von Emil Puni. Den Sturz der Diktatur erlebten schließlich nur sieben Angehörige der Ordensprovinz – zwei Pater, Emil Puni und Mihály Godó sowie fünf helfende Brüder.
6.
Die Situation der katholischen Kirche in Ungarn nach 1945
In dem halben Jahrzehnt nach dem Zweiten Weltkrieg knüpften sich die schwerwiegenden Zäsuren im Prozess der Zurückdrängung der Kirche(n) in Ungarn an politikgeschichtliche Ereignisse. Die wichtigsten Stationen dieser aufgezwungenen Rolle des „corpus non gratum“ waren: das Brechen der wirtschaftlichen Macht der Kirchen durch die Beschlagnahmung ihrer Grundstücke ohne Entschädigung, 1945; die Einschränkung der öffentlichen, kulturellen und politischen Aktivitäten der Kirchen, 1946/47; die Einstellung der lehrenden und erzieherischen Tätigkeit der Kirchen, Juni 1948; die Verhaftung und Verurteilung von Kardinal Mindszenty, Dezember 1948 – Februar 1949; die Organisation der Bewegung der Friedenspfarrer, das sog. „Abkommen“ zwischen Staat und Kirche, August 1950; der Entzug der Genehmigung der Orden, September 1950. Das Auftreten gegenüber den Mönchen und Nonnen war als ein Schritt von großer Tragweite Teil jenes politischen Schachzugs, der den Widerstand des ungarischen Episkopats brechen sollte und schließlich sein Ziel erreichte: Das seines Kardinals beraubte Episkopat akzeptierte ohne Zustimmung des Heiligen Stuhls im August 1950 das vom Staat erzwungene „Abkommen“. Die Verordnung, die den Orden ihre Genehmigung entzog, betraf 2.582 Mitglieder aus 23 Männerorden und nahezu 9.000 Nonnen aus vierzig Frauenorden.31 Der primäre Grund für das gewaltsame Auftreten gegen die Kirchen lag in der staatsorganisatorischen Logik der Diktatur, da diese ab ovo keine unkontrollierbaren Gemeinschaften dulden konnte. Den Konflikt verstärkte zudem der ideologische Voluntarismus der Staatspartei, da sie die Religiosität als eine historische Eventualität betrachtete, die von der Diktatur des Proletariats so rasch wie möglich ausgemerzt werden musste. Die Staatspartei, die mit dem ausschließlichen Anspruch der Meinungsbildung und Welterklärung auftrat, strebte, über die Trennung von Staat und Kirche hinaus, sehr viel stärker nach der Trennung von Gesellschaft und Kirche.
31
Balogh, Margit/Gergely, Jenő: Egyházak az újkori Magyarországon 1790−1992. Kronológia [Kirchen im neuzeitlichen Ungarn, 1790–1992. Chronologie], Budapest 1993, 293.
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7.
Jesuiten in der Diktatur: Ungarn
Nach dem Zusammenbruch durch den Krieg gingen die veränderten Umstände mit einer Erwartung eines „neuen Frühlings für die Kirche“ einher. Die drängende Aufgabe der Vorbereitung einer „christlicheren Zeit“ sowie das Bedürfnis, in einem zunehmend engeren Spielraum zu Geltung zu gelangen, inspirierten neue Herangehensweisen und hatten ein reges Ordensleben zur Folge.32 Psychologisch ist zu verstehen, dass die Mehrzahl der Ordensmitglieder in dieser Situation die unheilverkündenden Signale, auf die unter anderem auch das Ordenszentrum in Rom ab 1946 hinwies, – trotz der zunehmenden Verhaftungen und Internierungen – nicht ernst nahm. „Diese Italiener haben Muffensausen, dabei gibt es hier gar kein Problem, es geht aufwärts. Wir glaubten: Der Katholizismus sei so stark, dass uns der Staat nichts anhaben könnte“ – erinnerte sich Antal Pálos,33 der damalige Redakteur von A Szív, an die Stimmung der Zeit.34 Obwohl sich mehrere Möglichkeiten anbieten, die Geschichte der Ungarischen Jesuitischen Provinz nach 1945 zu gliedern, schließt unter dem Gesichtspunkt der Ordensgeschichte die Wende 1948/49 auf jeden Fall eine Epoche ab. Zu dieser Zeit entschloss sich Alajos Tüll, da er erkannte, dass die Ausbildung des Nachwuchses für den Orden unmöglich war, zu einem radikalen Schritt: Auf Empfehlung des römischen Zentrums der Gesellschaft gab er die Anweisung, den Ordensmitgliedern, die sich in der Ausbildung befanden, zu einer Flucht ins Ausland zu verhelfen.35 Die alles in allem erfolgreiche Aktion mündete schließlich in die erste, den Orden als Ganzes betreffende große Verhaftungswelle. Die als Folge des Falles Mindszenty stattfindenden Verhaf32
33
34 35
Das Warten auf das Eintreffen einer neuen, christlichen Epoche war in den Jahren nach dem Trauma des Zweiten Weltkriegs ein allgemeines Phänomen. Pius XII. sprach von einem „neuen Frühling für die Kirche”; der namhafte Jesuit Lombardi hingegen hielt 1950 beim Ordenskongress in Rom einen Vortrag über das Eintreffen der Epoche Christi. Antal Pálos SJ (1914–2005) gehörte zu der dritten, in Ungarn herangezogenen Generation der ungarischen Ordensgemeinschaft und wurde 1943 zum Pfarrer geweiht. Ab 1944 war er Hilfsredakteur von A Szív an der Seite von Ferenc Kollár, ab Dezember 1948 der Provinzialsekretär von Alajos Tüll und später Elemér Csávossy, einer der Koordinatoren bei der Fluchthilfe der studierenden Ordensmitglieder in das Ausland. Von Mai 1951 bis zu seiner Verhaftung am 30. Juni 1954 dann Provinzial. Pálos kam am 27. Oktober 1956 während der Revolution frei, wurde am 9. Januar 1957 erneut verhaftet und am 15. Mai 1963 schließlich entlassen. Bis 1991 war er in Piliscsaba im Altersheim der Missionsschwestern vom Heiligsten Erlöser tätig, anfangs als „Faktotum”, später als gelegentlicher Seelsorger und seelischer Leiter der Schwestern. Nach der Wende war er aktiv an der Reorganisation des Ordenslebens beteiligt und verstarb am 3. Februar 2005 in Pilisvörösvár. Petőfi, Ágnes B.: Pálos Antal életútja [Der Lebensweg von Antal Pálos], in: Ferenc Szabó S.J., Ákos Lázár Kovács (Hg.), Pálos Antal emlékezete [In Gedenken an Antal Pálos], Budapest 2009, 32. Im Laufe der Aktion gelang es unter dramatischen Umständen, 68 Personen ins Ausland zu bringen. In Anpassung an die entstandene Situation ernannte die Zentrale der Gesellschaft in Rom einen eigenständigen Vorsteher für die im Ausland lebenden Ordensmitglieder. Die Provinz teilte sich so auch offiziell in zwei Sektionen: I. Sektion: in Ungarn lebende Ordensmitglieder; II. Sektion: im Westen lebende Ordensmitglieder. Zusammen mit den Novizen und Skolastikern der Mission, die zu einem großen Teil, ins Ausland gebracht worden waren, sowie mit den Ordensmitgliedern, die aufgrund ihres Studiums oder aus anderen Gründen bereits im Ausland dienten, wurden bei der Gründung der I. Sektion etwa 150 Personen gezählt.
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tungen hatten den Orden auch in dem Sinne empfindlich getroffen, dass mit der Beugung des offenen Widerstandes zugleich auch der Weg eines Kompromisses abgeschnitten worden war. Die ungarische Staatssicherheit betrachtete den Jesuitenorden als einen konkurrierenden Geheimdienst, als eine unter der Leitung des Vatikans tätige Spionageorganisation, deren Mitglieder als verbindender „Zement“ auch im Zusammenhalt der klerikalen Reaktion eine führende Rolle einnahmen. Um ihr Wirken zu vereiteln, wurden neben den Methoden der typisch gefängnisorientierten Zeit in den „klassischen 50er Jahren“ ab 1953/54 spürbar jene Methoden der Staatssicherheit bevorzugt, die operative Gesichtspunkte zur Geltung brachten. Da den Orden die Genehmigung vonseiten des Staates einseitig entzogen worden war, betraf dieser Schritt nicht das interne Gelübde der Ordensmitglieder. All das hatte die Gestaltung eines alternativen Zustandes der Existenz zur Folge, der – auch von dem sich in der Weltkirche entfaltenden fundamentaltheologischen Anschauungswandel inspiriert – der Bewahrung des Daseins als Mönch selbst ohne den Rahmen einer Institution eine Möglichkeit gab.36 Die gravierenden Herausforderungen, die die gesamte Existenz des Ordens bedrohten, zwangen die Führung der ungarischen jesuitischen Ordensprovinz dazu, alternative Überlebensstrategien zu entwickeln. Anfangs setzte – sozusagen selbstverständlich – das dem Regime gegenüber konsequent intransigente Verhalten die inneren Kraftquellen des Ordens frei. Trotz der reihenweise erfolgenden Verhaftungen hatten die Ordensmitglieder weiterhin Kenntnis voneinander, für die jungen Leute, die Interesse am Orden bekundeten, organisierten sie geheime Noviziate, im Internierungslager von Kistarcsa wurde – gemeinsam mit anderen inhaftierten Pfarrern – im Grunde eine theologische Hochschule betrieben. Obwohl die Autorität der Bischöfe, die im Amt waren (und sich auf freiem Fuß befanden), anerkannt wurde, arbeiteten sie im Interesse der missionarischen Arbeit den Plan zur Organisation einer Katakombenkirche aus, den sie dem Heiligen Stuhl zur Genehmigung zukommen lassen wollten. Diesen, von Provinzial Antal Pálos und seinen Vorgängern markierten Weg löste nach einer mehrfachen Verhaftungswelle ab 1955 die – notgedrungene – Einstellung ab, die weitere Arbeit des Ordens mit der Akzeptanz des Vorstandes nur gewährleisten zu können, indem man einen Dialog mit dem unterdrückenden Apparat einging. Diese Überlebensstrategie wurde nach der Niederschlagung des Volksaufstands von 1956 bestimmend und ab den 1970er Jahren, obwohl sich eine Reihe der Ordensmitglieder nie mit ihr identifizierte, allgemein akzeptiert. Die Jesuiten gelangten überaus schnell ins Fadenkreuz der kommunistischen Kirchenverfolgung, bei der die Mitglieder des Ordens unter den Geschädigten in Ungarn überrepräsentiert waren. Ein beachtlicher Teil der Ordensmitglieder wurde in Schauprozessen verurteilt, in Internierungslager verschleppt oder auf andere Weise einem Verfahren unterzogen. 67 Mitglieder der Provinz – nahezu ein Viertel der Sektion der ungarischen Ordensprovinz – verbrachten insgesamt fast 280 Jahre in Gefängnissen oder Internierungslagern.37 Sie wurden zu insgesamt mehr als 1000 Jahren Haftstrafe 36
37
Einen Anreiz zu diesem Erwachen gab die Enzyklika Mystici Corporis von Papst Pius XII., beziehungsweise zollte die 1947 herausgegebene apostolische Konstitution Provida Mater Anerkennung, die die neuen Möglichkeiten apostolischen Lebens darlegte. Zur Chronologie der Prozesse und den Anklagepunkten, siehe Bánkuti, Jezsuiták a diktatúrában.
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verurteilt. Im Vergleich zu alldem kann dennoch von einer aktiven Tätigkeit des Ordens gesprochen werden, da die Jesuiten, allen Schwierigkeiten zum Trotz, ihre organisatorische Zusammengehörigkeit bewahrten und auch inmitten der mehrfachen „Enthauptung“ den illegalen Erhalt der internen Hierarchie sicherten. Die Wende erlebten schließlich 75 Ordensmitglieder.
8.
Vergleich – Zusammenfassung
Die Struktur und die kulturellen Merkmale einer Gesellschaft sind – mit den Worten Joseph Schumpeters – „wie Metall“, das sich biegt, schmilzt, aber nicht leicht verdampft.38 Meine vergleichende Analyse bekräftigt jene Diagnosen, nach denen sich die alltägliche Präsenz der Diktatur mit dem Instrumentarium der üblichen Top-down-Modelle zur ideologisch gelenkten kommunistischen Machtausübung nicht aussagekräftig beschreiben lässt.39 Die Feststellung von Andrew C. Janos, nach der, unabhängig davon, wie stabil die Struktur der Hegemonie ist, die äußere Macht nur einen Teil der Konstruktion darstellt, und die hegemonialen Programme mit großer Wahrscheinlichkeit in Konflikt mit den lokalen Gewohnheiten und Interessen geraten, die „in den lokalen wirtschaftlich-gesellschaftlichen und kulturellen Konfigurationen verwurzelt sind“,40 kann ich in Kenntnis der Geschichte meiner untersuchten Einheiten voll und ganz bekräftigen. Betrachtet man die durch ähnliche Einflüsse ausgelösten Reaktionen in unterschiedlichen Milieus, so wird offensichtlich, welcher Faktor worauf eine Wirkung ausübt. Zudem kann ich als Ergebnis meiner Forschungsarbeit feststellen, dass die Praxis der Sowjetunion zwar jedes der osteuropäischen Regimes inspirierte, doch die Kirchenpolitik der lokalen kommunistischen Parteien – auch hinsichtlich der Konfessionen und Regionen – individuelle Merkmale aufwies. Über den gemeinsamen Nenner der atheistischen Staatsräson hinaus gibt es auf dem Gebiet der Maßnahmen in Bezug auf die Kirchen kein solches „sowjetisches Modell“, das in diesen Ländern restlos nachgeahmt worden wäre.41 Die östlich des Eisernen Vorhangs entstandenen Diktaturen stellten – neben ihren typisierbaren Merkmalen – sowohl im Vergleich mit dem „sowjetischen Modell“ als auch im Vergleich zueinander unterschiedliche Varianten
38 39
40 41
Schumpeter, Joseph: Capitalism, Socializm and Democracy, New York 1947, 12-13. Gieseke, Jens: Állambiztonság és társadalom – érvek az együttes vizsgálat szükségessége mellett [Staatssicherheit und Gesellschaft - Argumente für die Notwendigkeit einer gemeinsamen Untersuchung], in: Betekintő, 03 (2010), 1. Janos, Andrew C.: Haladás, hanyatlás, hegemónia Kelet-Közép-Európában [Fortschritt, Verfall, Hegemonie], Budapest 2003, 33-34. Zu dieser Feststellung gelangt Rumänien betreffend Bozgan, Ovidiu: Rezistenţă, represiune, destindere iluzorie: Biserica romano-catolică în România comunistă [Widerstand, Unterdrückung, Scheinentspannung: Die römisch-katholische Kirche im kommunistischen Rumänien], in: Dosarele istoriei VIII Nr. 9 (2003), 39-52. Zum Schicksal der Ordensmitglieder siehe ders.: Ofensiva împotriva monahismului catolic din România (1948–1951) [Offensive gegen das katholische Mönchtum in Rumänien (1948–1951)], in: Revista istorică Nr. 1-2 (2002), 91-119.
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dar.42 Die Adaption des Vorbilds fand je nach Land abhängig von den abweichenden inneren Gegebenheiten und äußeren Zwängen statt, die äußeren Einflüsse fügten sich mit dem Dualismus von Rezeption und Mutation in die lokalen Kontexte. In ihren Absichten verfolgten sie im Grunde dasselbe Ziel, jedoch waren die angewandten Mittel überaus vielfältig und das Ergebnis weist – von Ort und Situation abhängig – ein noch mosaikartiges Bild auf. Das Verhältnis der Kirchen zum Staat zeigt auf dem Gebiet der untersuchten Länder sowohl identische als auch abweichende Entwicklungen. Wie sie sich gestalteten, war von jeweils anderen Einflüssen abhängig. Diese waren teils strukturell gegeben, teils entsprangen sie der jeweiligen Situation. So wie sich je nach Land das Verhältnis von Staat und Kirche unterschied, so differierte auch das Verhältnis von Kirche und Orden zu ihrer eigenen „nationalen“ Gesellschaft. Infolge all dessen zeigen sich derart wesentliche Unterschiede, dass sie schon fast als grundlegende Abweichungen zu betrachten sind und auf jeden Fall auf charakteristische Differenzen der betroffenen Gesellschaften verweisen. Diese Unterschiede wurden in den Wegen, die sich in den 1950er Jahren voneinander trennten, allmählich zunehmend offensichtlicher. Im Laufe der Untersuchung bin ich von dem, von Ort und Situation der einzelnen Provinzen geprägten, eigenartigen Stil und der jeweiligen analogen Charakteristik ausgegangen und habe diese in erster Linie aus dem Blickwinkel der verglichenen Fälle betrachtet. Meine Gesichtspunkte ergaben sich aus der Andersartigkeit des abweichenden Milieus, dem Verstehen der inneren Logik der Institutionen, Mentalitäten und Strukturen sowie der sich aus den Quellen entfaltenden Zusammenhänge. Egal wie verlockend es auch wäre, die Gesellschaft Jesu als eine isolierte Einheit zu untersuchen, es ist offensichtlich, dass weder die hierarchische Gliederung noch die identische Norm die Haltung einhellig machten. Die Jesuiten Ungarns exponierten sich beispielsweise bis zur Verhaftung József Mindszentys im Dezember 1948 gerade in der Suche nach dem modus vivendi, auch gegen den Kardinal. In Rumänien kam die Möglichkeit eines Kompromisses aufgrund des Todeskampfes der griechisch-katholischen Kirche vonseiten des Ordens gar nicht erst in Frage. Die aktuelle Einstellung wird nur im System von Wirkung und Gegenwirkung verständlich. Das Ergebnis zwingt unvermeidlich dazu, die Offensichtlichkeit des eigenen Horizontes zu hinterfragen, zwischen den lokalen und allgemeinen Bezügen eines Problems zu unterscheiden. Knüpft man das Auftreten einer Hypothese „A“ an die Bedingung einer Ursache „B“ („B“ verursacht „A“), so lässt sich die Behauptung so lange aufrechterhalten, bis man eine Situation findet, in der das Phänomen „A“ ohne die Bedingung „B“ existiert, oder „B“ so existiert, dass es „A“ nicht verursacht.43 Die Jesuiten unterhielten in Rumänien beispielsweise gemeinsam mit den Franziskanern im Grunde eine Katakombenkirche, weil kein einziger, vom Heiligen Stuhl ernannter, Bischof auf freiem Fuß geblieben war. In Ungarn dachten die Jesuiten über eine ähnliche Organisation nach, obwohl eine legale Hierarchie existierte. Oder: Die ungarischen Bischöfe erwarteten von den offiziellen Beziehungen zum Staat ein mehr oder weniger freies Wirken der Kirche. In Rumänien erschuf ein 42 43
Andrew C., Haladás, 33-34. In Bezug auf die Kirchengeschichte grundlegend Ramet, Sabrina P.: Nihil Obstat. Religion, Politics, and Social Changes in East-Central Europe and Russia, Durham 1998. Haupt/Kocka, Historischer Vergleich, 13.
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vier Jahrzehnte andauernder Exlex-Zustand das mehr oder weniger freie Wirken der Kirche. All dies lässt sich nur im Zusammenhang von Prozessen verstehen, die die politikhistorischen Zäsuren überspannen. Die katholische Kirche Siebenbürgens war im Laufe der Jahrhunderte mit einer ganzen Reihe von Herausforderungen konfrontiert, die ihre Existenz gefährdeten. Diese Belastungen wirkten sich auch auf das Denken des Priestertums und sein Verhältnis zu den Gläubigen aus. Die Überwindung der Krisen führte zu innovativen und flexiblen Strategien der Anpassung, „trainierte“ die lokale Kirche und trug damit auch zum Umgang mit der folgenden Krise bei. Die Mentalität der durch die weltliche Macht weniger domestizierten oder bestimmten Kirche wies im Vergleich zu jener in Ungarn in sehr viel geringerem Umfang josefinistische Merkmale auf. In der Beziehung von Staat und Kirche neigte sie zum passiven, im Verhältnis von Kirche und Gesellschaft zum aktiven Modell. Ihre zweifache Minderheitensituation brachte eine alternative Gesellschaft hervor, aufgrund derer sie gegenüber der Politik doch nicht vollkommen abstinent sein konnte. Über die individuellen Entscheidungen hinaus konnte ihre konfrontative Position auch deshalb flexibler, ihre Unterwerfung gemäßigter sein. Obwohl die Charakteristika des einstigen Bistums Siebenbürgen die Entwicklung der katholischen Kirche Rumäniens zweifelsohne dominierten, erscheint die Optik im Falle meines Forschungsgegenstands, der rumänischen jesuitischen Provinz, als zu eng, selbst wenn ich mit gewisser Mogelei die Gläubigen aus Bihar (rum. Bihor), Szatmár, dem Banat und der Region Temesköz hinzuzähle. Die Organisation der Jesuiten in Rumänien, die die Grenzen von Konfession und Ethnie aufbrach und diese überschritt, war eine spezielle südosteuropäische Variante der Inkulturation, die durch die missionarischen Absichten des Heiligen Stuhls – von den ungarischen Katholiken häufig verpönt – ins Leben gerufen wurde. In ihrem Fall können weder der griechische noch der römische Ritus, beziehungsweise die ungarische oder deutsche Ethnie voneinander isoliert werden. Dieses eigenartige Phänomen, die primäre Identität der kleinsten Provinz der Welt, resultierte aus dem Bewusstsein, zu der jesuitischen Weltordnung zu gehören, sowie aus der Treue zum Papst. Das ist auch der Grund dafür, dass das Ende des Jahres 1948, die Auflösung der griechisch-katholischen Kirche, für sie eine eindeutige Situation erschuf und zu einer Lagebestimmung führte, die von der jahrhundertealten, im Interesse des Überlebens zu Kompromissen neigenden Praxis der „siebenbürgischen Politik“ gewissermaßen abwich. Wenn man die Geschichte der Jesuiten im 20. Jahrhundert betrachtet, kann die Bedeutung der Geschichtlichkeit kaum überbewertet werden. Das Problem der historischen Veränderung ist nicht nur unumgänglich: Ohne seine Bewusstmachung ist kein Schlüssel zum Verstehen der Lebenswelt der Gemeinschaft zu finden. Die rumänische jesuitische Provinz wurde durch verschiedene Einflüsse gestaltet. Einige von diesen sind das Ergebnis interner Entscheidungen, andere erfolgten durch die Einwirkung äußerer Kräfte. Es gab Wendepunkte, an denen die Mitglieder der Gemeinschaft ihre Berufung sowohl auf individueller als auch gemeinschaftlicher Ebene neu deuten mussten. Diese Neuanfänge schöpften ihre Kraft stets aus der spirituellen Basis und den Traditionen der Gesellschaft Jesu, während sie die Vergangenheit teils umwerteten, teils auch überwanden. Es kann sein, dass die Fakten der historischen Existenz der Jesuiten Rumäniens die anfängliche missionarische Konzeption nicht bestätigten, dennoch
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genügt es nicht, dieses missionarische Programm des ersten Drittels des 20. Jahrhunderts als eine Utopie des Heiligen Stuhles, als eine „rumänische Fata Morgana“ zu werten. Bei der Untersuchung der Interaktionen von Kirche und Gesellschaft ist die Frage, die sich uns stellt, nicht, was von den anfänglichen Zielsetzungen realisiert wurde, sondern wie währenddessen die Entwicklung verlief, zu was sich die betroffene Gemeinschaft entwickelt hat. Die Ambitionen der 1920er Jahre verwirklichten sich zur Zeit der Diktatur auf eine Weise, mit der man zuvor ganz sicher nicht gerechnet hatte: Die Verfolgung und der Umstand, dass sie eine Gemeinschaft mit der unterdrückten rumänischen Gesellschaft eingingen, machte die konfessionellen und ethnischen Gegensätze zunehmend irrelevanter und eröffnete eine neue, zuvor unbekannte, auf einer Schicksalsgemeinschaft basierende personalistische Dimension der ersehnten Einheit.
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THE CATHOLIC COMMUNITY IN SLOVENIA AFTER WORLD WAR II – BETWEEN CONFORMITY AND CONFLICT
By comparison, the status of the Roman Catholic Church in Slovenia – one of the six constitutive republics of the Yugoslav federation – before the beginning of World War II and after the War’s end, was radically different. Although in the pre-war times there were conflicts with the political establishment, the Church was not considered an enemy of the State and was allowed to operate within more or less a defined framework.1 Her legal status had not been regulated with an international agreement because of the opposition of the Serbian Orthodox Church. In the prevailing Orthodox State, the Roman Catholic Church was nevertheless recognized as the second largest religious community, although her international status with the pope as the head of the Church was seen as an obstacle.
1.
Introduction
In order to understand the situation of the Catholic Church in Slovenia after WW II it is necessary to take into account the years during the war as well as, to a certain extent, the period before the war. Prior to the war which started on April 6, 1941, with the attack on main cities and the infrastructure, Slovenian society was deeply divided. 1
As a sort of overall review of the Catholic Church in Slovenia in the 20th Century Cf. Metod Benedik/Janez Juhant/Kolar, Bogdan (eds.): Cerkev na Slovenskem v 20. stoletju [The Church in Slovenia in 20th Century], Ljubljana 2002; Griesser-Pečar, Tamara: The Roman Catholic Church in Slovenia under Three Totalitarian Regimes, in: Crimes Committed by Totalitarian Regimes, Ljubljana 2008, 71-80. For further basic orientation in this thematic field, cf. among others: Klieber, Rupert/Hold, Hermann (eds.): Impulse für eine religiöse Alltagsgeschichte des Donau-Alpen-Adria-Raumes. Wien-Köln-Weimar 2005; Kvaternik, Peter (ed.): V prelomnih časih. Rezultati mednarodne raziskave Aufbruch [Zu einem entscheidenden Zeitpunkt. Ergebnisse der internationalen Aufbruch-Umfrage] (1995–2000). Cerkev na Slovenskem v času komunizma in po njem (1945– 2000) [The Church in Slovenia in the Time of Communism. 1945–2000]. Ljubljana 2001; Mikrut, Jan (ed.): Die katholische Kirche in Mitteleuropa nach 1945 bis zur Gegenwart. Wien 2006; Veen, Hans-Joachim/März, Peter/Schlichting, Franz-Josef (eds.): Kirche und Revolution. Das Christentum in Ostmitteleuropa vor und nach 1989. Köln, Weimar, Wien 2009.
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Bogdan Kolar
Some groups were strongly influenced by ideas of the socialist and communist parties emerging chiefly from the Soviet Union and from Spain, which greatly impacted many catholic youths. Drastic changes occurring during the war set conditions for the history that followed. The Kingdom of Yugoslavia was divided among the neighbouring countries and some artificial entities were created. The fact that Slovenia was occupied by German, Italian, and Hungarian forces impacted each region and introduced different measures concerning various means of dealing with religious communities. The Catholic Church to which the majority of the population belonged was particularly impacted. In zones occupied by German forces the Church could not operate freely and was subjected to very repressive measures, including the expulsion of the great number of priests, and a complete isolation of the bishop of Maribor, msgr. Ivan Jožef Tomažič. In the places occupied by Italian and Hungarian forces, the Church had limited possibilities of carrying out her mission. Initial attempts were made for liberation in places that were occupied by Italian forces. These attempts were guided by the Slovenian Communist Party, which at that time was illegal; it was a forbidden political party in Yugoslavia in 1920. By 1941 the Communist Party had the support of approximately 1280 members. This party was successful in creating a very loose alliance of political groups, a sort of umbrella organization, which was first called the ‘Anti-imperialist Front’ (i.e. against the imperialists such as Great Britains, Americans, French). Subsequently, after the German attack on the Soviet Union, the name was changed to the ‘Liberation Front.’ By 1942 it had fallen almost exclusively under the influence of the Communist Party.2 By September 1941 the ‘Liberation Front’ monopolized the resistance against the enemy and declared everyone who was associated with any movement or party outside the ‘Liberation Front’ to be a traitor – including those who worked underground against the occupiers. Thus, for the Slovenian population WW II became not only a time to fight for liberation from the occupying powers, but also a time to fight against emerging communism. In other words, Slovenia saw within its borders occupation and resistance, as well as revolution and counter-revolution.3 An essential component of these latter dynamics were evident the many cruelties against the Christian population, in particular against priests, and anyone who had courage to oppose the new ideology. Despite the fact that the greatest majority of the partisans were Catholics, many of them belonged to the so called ‘Christian Socialist’ group, they had no importance in the leading structures. The Communist Party decided to eliminate all anti-Communist leaders, even if only perceived as potential leaders. The partisans’ first goal was to eliminate their domestic opponents and not the fight against the occupiers. Among the victims of communist violence during the war, were 52 priests: 46 diocesan and 6 belonging to various religious orders. Some of these disappeared and were presumably killed in officially unexplained circumstances. By contrast to the violence perpetrated
2 3
Arnez, John A.: Slovenia in European Affairs. Reflections on Slovenian Political History, New York-Washington 1958, 96. Griesser-Pečar, Tamara: The Secret Police After the Tito-Stalin Break, 234.
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by the partisans, the occupiers throughout the Slovenian territory, killed 34 priests: 24 diocesan and 10 from religious orders including the Slovenian Littoral.4 In attempts to prevent new victims intentionally executed by the Communist Party, Catholic communities and parishes, with their pastors and the bishop of Ljubljana msgr. Gregorij Rožman tried to establish some way of collaboration with members of the Italian occupation. Bishop Rožman’s attempts enabled him to intervene in favor of those imprisoned by the Italian Martial Courts, in favor of those sent to different concentration or forced labor camps. For the purpose of self-defense, many people organized the so called 'home guards' since summer 1942, which remained outside the control of the ‘Liberation Front.’ According to official teaching, prevailing in Slovenia until now, these groups represented an important and historic mistake. Actions taken by divergent groups including two sessions of AVNOJ (Anti-Fascist Council of National Liberation of Yugoslavia) the supreme political institution of the communist led party, cultural, military, and political factions were apprehended during the war years. In July 1944 on the island of Vis, by some of these groups, in cooperation with the Yugoslav Communist Party under the leadership of Tito, and under the auspices of Western Allies, an agreement was signed by Dr. Ivan Šubašič, President of the exiled Royal Government in London, and Josip Broz Tito, leader of the AVNOJ Government.5 If it is true that some of the clergy, mainly from the part of diocese of Ljubljana, supported the counter-revolution, „it is also true that after the war, the Communists imprisoned numerous Priests who had played an important role in the anti-Fascist movement in Primorska or who had been expelled from Štajerska and Gorenjska during the Second World War”.6 During the war time the Catholic population in Slovenia was faced with a dilemma: to find a sort of conformity with the governing authorities (German, Italian, Hungarian) and to be accused of the collaboration afterwards or, to go in direct conflict with them. The leaders of the catholic community and of the underground political groups decided for the first possibility, they chose lesser of the two evils.
2.
The Situation After May 1945
This very same dilemma continued after the end of the war. On May 5th, 1945, the Communist Party usurped all political power in Slovenia by the declaration of a new socialist order. Thousands of Slovenians decided to leave their country and to take refuge in British zones in Austria and/or in Italy. Among the refugees were bishop msgr. Gregorij Rožman, a significant number of priests – 275 both secular and religious. Of these, 47 priests along with 62 seminarians – 16 from the last year of the study of theology, and approximately 12 thousand of the 'Domobranci' or ‘Home Guards’ were 4 5 6
Cf. Griesser-Pečar, Tamara, The Roman Catholic Church in Slovenia under Three Totalitarian Regimes, 77. Prunk, Janko: A Brief History of Slovenia. Historical Background of the Republic of Slovenia, Ljubljana 1996, 106. Granda, Stane: Slovenia. An Historical Overview, Ljubljana 2008, 234.
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declared war criminals by the Slovenian secret service. The soldiers together with some civilians were sent back by the British and handed over to the partisans at the end of May and in the beginning of June 1945. All of them were executed. The mass murder of prisoners of war and of civilians was ordered and executed by the Tito regime. This was and continues to be the biggest crime ever perpetrated in Slovenia during peace time. Within this massacre more than 15,000 unarmed inhabitants of Slovenia were murdered – the largest number of those executed in Slovenia of all times. Slovenia was also the largest killing ground of Croatians of all times. Sadly, up to present day over 600 concealed execution and burial sites have been discovered – the so-called hidden graves.7 „The former Communist government, which kept a precise record of them, did not hand these records over to the new government. It never even regretted the postwar extra-judicial killings as it never denounced those who had ordered them or who had directly led them.”8 Among the soldiers sent back by the British were twelve chaplains who along with other three priests were killed without a trial. Until now, nobody has been condemned for those crimes. After the war, between the years of 1945–1957, 39 priests: 36 diocesan and 3 of religious orders; 30 consecrated persons – 27 brothers and three sisters – and, 54 students of theology were killed.9 Many historians, even those who sympathized with the leftist movement, recognized that the communists abused their power in Slovenia, not only during the war, but even immediately following the end of war when they exterminated undesirable elements. „It is important to realize that around 15,000 of them were killed without a trial after the Second World War had finished and when military victory was already secure. They were formally accused of collaboration but their guilt was never proven in a Court. The Partisan movement had organized a court system even before Italy’s capitulation, and this would therefore have been possible.”10 The findings of the recent years show that during the war in Slovenia approximately 83,000 people died a violent death. Between the end of the Second World War and the end of January 1946, a further 15,000 were executed which indicates that close to 98,000 people – about 6.5% of the total population were exterminated. These figures would put Slovenia in the third place in Europe – after Soviet Union and Poland for the number of politically motivated violent deaths.11 A multi-year project Fatalities among the population in Slovenia during the Second World War and its aftermath was initiated and conducted by the Institute of Contemporary History of the Republic of Slovenia.12 This research project which was initiated 7
8 9 10 11 12
Cf. Corsellis, John/Ferrar, Marcus: Slovenia 1945. Memories of Death and Survival after World War II [slov. translation: Slovenija 1945. Smrt in preživetje po drugi svetovni vojni], Ljubljana 2006; Griesser-Pečar The Secret Police After the Tito-Stalin Break, 236. Granda, Slovenia. An Historical Overview, 219. Cf. Griesser-Pečar, Tamara: The Roman Catholic Church in Slovenia under Three Totalitarian Regimes, 78. Granda, Stane: Slovenia. An Historical Overview, 219. Cf. Kolar, Bolar: Consequences of the Communist Revolutionary Ideology for the Catholic Community in Slovenia, in: The Person and the Challenges 3(2013), 97. Cf. Švagelj, Tomaž: Vojna je postajala iz leta v leto bolj krvava. Statistika 1941–1946. Končno imamo seznam vseh žrtev na območju Slovenije, za katere je bilo mogoče izvedeti [The war has become bloodier every year. Statistics 1941-1946. Finally, we have a list of all the victims in the
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in 1997, produced the most accurate data on violent deaths in Slovenia during the above mentioned period. The results are particularly glaring for they show that the executions did not occur in individual cases, as actions of arbitrary decisions of military commanders, but that decisions to kill political opponents were taken at the highest level. „More than 100,000 Slovenians, Germans, Italians and Hungarians were expatriated or escaped from Slovenia during the ten years following the end of the war. They settled all over the world (in Austria, Germany, Great Britain, France, Belgium, Italy, United States, Canada, Argentina, Australia, etc.).”13 According to official communist policy (i.e. at the same time of the State doctrine), the behavior of the Slovenian Catholic Church, of priests, and particularly of bishop msgr. Gregorij Rožman of Ljubljana, during WW II, was unacceptable and deserving condemnation. The reproach of deplorably egregious behavior and of very bad decisions taken during the war – a sort of ‘original sin’ – had been the leading principle by the Communist Party for the establishment of relations with the Catholic Church for decades up to the recent times. The claim of rejecting the partisan movement and alleged cooperation with the occupiers committed by the Catholic Church became a source of contention in relations between the State and the Catholic community after the war.14 For that reason, after the war and after the establishment of the new socialist regime, the Church, her laity, priests, religious orders, and in a particular way, the leader of the Ljubljana diocese msgr. Anton Vovk, had to undergo a continuous and systematic persecution. Special institutions were set up in order to prevent Church activities, to damage her reputation, and to put obstacles in her activity in the new political order – one of them being the notorious Office for Religious Affairs. The intention of the original project was to suppress all religious communities and to minimize the significance of the Church as it was considered the ‘back-bone of the opposition’. Until the time when the ‘People's Regime’ finally collapsed between 1990 and 1991, the Catholic Church was considered the Communist’s most significant internal enemy, because it remained the only organization that was not controlled by the Communist party. Furthermore, it exercised great influence on the population. The communist government regarded religion as a symbol of the reactionary past, and saw the basic duty of a true communist as one to fight the religious communities and their representatives.15 Bishop msgr. Gregorij Rožman of Ljubljana was issued the sentence of not only 18 years in prison, but also the deprivation of his rights as a citizen and to the confiscation of both his ecclesiastical and personal property. The trial by which he was condemned had an important motivation for propaganda publicity against the Church, but it was
13 14 15
territory of Slovenia for whom it was possible to find out], in: Delo, 17. maj 2012, 16. See the database: Death Toll in the population on the territory of the Republic of Slovenia during WWII and immediately afterwards. Griesser-Pečar, Tamara: The Secret Police After the Tito-Stalin Break, in: Slovenia in 20th Century: the Legacy of Totalitarioan Regimes, 236-237. Cf. Kolar, Bogdan: Consequences of the Communist Revolutionary Ideology for the Catholic Community in Slovenia, in: The Person and the Challenges 3 (2013), 97. Cf. Griesser-Pečar: The Roman Catholic Church in Slovenia under Three Totalitarian Regimes, 78.
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also a sort of vengeance or retribution for the prelate who during the war did not want to support the partisan movement. As previously mentioned, by November 1945, an internal report of the Ministry of Interior characterized the Church as ‘the backbone of the opposition.’ Moreover, the last ‘Manual for Police Work’ issued in 1985 described the Church as the main inner enemy that needed special attention. Police manuals of 1970s and 1985s explicitly listed the efficient local control of priests and influential lay people as one of the most important police tasks. In the period from 1945 to 1990, the so-called People's Government monitored all Church representatives and all the outstanding catholic lay people. The principle of State-Church separation that became part of the new Yugoslav constitution in 1946, was used to exclude the Church from public life. But of course, the legal status of the Catholic Church in particular was not only determined by generally known and published legal rules, but also and above all, by other confidential regulations that were part of a parallel secret legal system. „Although the Yugoslav Communist regime later softened up on the domestic front, it never abolished the special divisions within the secret police which focused on the Catholic Church. There were also attempts to organize a Catholic Church to counter Rome, but they were unable to convince priests or the faithful to join it.”16
3.
The first years
The period from May 1945 to 1961 was a period of total loss of rights for the Catholic Church when the biggest physical and psychological attacks against her representatives in Slovenia took place. Tensions were created immediately after the end of the war when the new social and economic system was announced. „The regime focused on three main groups in particular: the Roman Catholic Church, peasants, and the so-called enemies among their own ranks. Group trials against real and imaginary opponents were held, particularly against the Clergy, representatives of political opposition, the economy, and banks. Many were sentenced to long years of forced labor. Concentration and labor camps emerged, and people belonging to the German and Hungarian minorities were expelled from Slovenia. Agrarian reform, nationalization and the confiscation of property were carried through.”17 The Catholic Community was effectively decapitated. Besides among the 15,000 who were killed, a great majority of them Catholics, were fathers, young men, girls and whole families who refused to cooperate with communism for religious reasons. Seven thousand people emigrated mainly to Argentina, to the USA, and to other countries. This resulted in a further impoverishment of the Church in Slovenia. Many intellectuals who recognized the evil of communism and had already opposed it during the war, escaped violent death by crossing the border and then leaving for different parts of the
16 17
Granda, Slovenia. An Historical Overview, 234-235. Griesser-Pečar, The Secret Police After the Tito-Stalin Break, 240-241.
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world.18 For a nation of 1.5 million that exodus was a terrible loss, the country and the Church suffered a great human deficit in both a biological and political sense.19 The measures that mostly influenced a new situation were the separation of State and Church, the complete elimination of the Church from the education system, and the agrarian State reform which reduced the Church property to 10 hectares while other owners could have kept 20 hectares. In this way, many Churches and segments of Slovenian cultural heritage, lost every economic basis for their existence. The Church lost all her property and ceased to be a land-owner. The process of nationalization was of a particular consequence for the Church and its institutions. It was a systematic means to destroy the Church economically. „They took away her property, and priests who did not receive wages, were forbidden from receiving money or any other kind of gift. They even forbade giving money to charity. Renovating churches which had been damaged during the war was punished. Constructing new Churches was completely out of the question.”20 The reaction of the Yugoslav Episcopacy, as promulgated in the pastoral letter of September 20, 1945, was a protest. It was the only logical and historically possible response after four months of the new regime’s repressive measures taken by its authorities towards the Church. In the pastoral letter, the leaders of the local Churches voiced sharp criticism of the new government’s introduction of a new order including human rights abuse and in particular the suppression of Church institutions. „All Bishops took responsibility for the contents of the letter; it was known, however, that one of the main authors, proponents, and driving forces was Zagreb Archbishop Alojzije Stepinac (1898–1960). The letter was translated into all the official languages of Yugoslavia; it was copied and distributed in the greatest secrecy to all parishes. Parish priests were mandated to read it without commentary at all masses on Sunday, September 30, 1945. Few priests did not want, or did not have the courage, to read it. Those who did read it, experienced a new wave of repression, imprisonment and interrogations.”21 All Church organizations, confraternities and other institutions that escaped State control were suppressed and their property confiscated. A great number of monasteries were shut down and the monks and nuns were expelled. The female communities were particularly targeted, because there were no more private hospitals and schools. All sisters had to give up their religious habit and were forced to become public employees. The sisters in hospitals were allowed to stay until new employees were educated, but were subsequently dismissed in violation of all contracts and agreements. On March 8, 1948, all religious sisters, among whom were Sisters of Mercy and School Sisters, had to leave the hospitals unless they decided to leave their religious houses. They were welcomed in Serbia, Macedonia, and Montenegro, where they took over important 18 19 20 21
Cf. Kolar, Consequences of the Communist Revolutionary Ideology, 97. Cf. Granda, Slovenia. An Historical Overview, 219. Granda, Slovenia. An Historical Overview, 234. Kolar, Consequences of the Communist Revolutionary Ideology, 99-100; Cf. Pastirsko pismo katoliških škofov Jugoslavije, izdano na vsesplošnih škofovskih konferencah v Zagrebu dne 20. septembra 1945 [Pastoral letter of the Yugoslav Catholic Bishops issued by the Bishops' Conference Meeting in Zagreb on September 20, 1945].
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roles even in the military hospitals. They were working among the Orthodox and Muslim people until the disintegration of the Yugoslav Federation in the early nineties. Several male and female religious orders were liquidated, thus some religious orders disappeared from the Slovenian Church. Just a few weeks after the end of the war and the onset of the new regime, plans were prepared for the deportation of certain religious orders, for the confiscation of their property and for the arrest of their members.22 Among the male religious, priests from Jesuit, Vincentian, and Salesians of Saint John Bosco orders were considered to be the strongest opposition to the new authorities because these three orders were known for their anti-communist activities both before and after the war. Priests and seminarians were constrained into military service, as a means of re-education. The purpose of this coerced intense pressure was to force priests to abandon the priesthood and/or to change the course of their study. With few exceptions the Church press was forbidden. Two main reasons were given for this prohibition: lack of paper, and the opposition of workers in the public printing houses to print religious matters.23 But as the first step of the ideological cleansing, all the public libraries were checked and lists of prohibited books as well as those of the suspicious authors were removed. These books were destroyed, and their authors were banned from public life, the religious press was greatly limited until the time when the political change was to take place. As a consequence of State-Church separation the religious education and the catechism of the Catholic Church were more and more difficult to be performed. Parents had to enroll their children for the religious Instruction in the Church premises. A special permit to teach in the schools was required from the priests. This permit was revoked if a priest fell out of favor with local party officials. Starting in late forties the catechism was transferred from school premises to churches and to rectories. Finally, in 1952 religious instruction disappeared from the public school system in Slovenia. Particularly painful for the Church was the prohibition of any kind of private schools. The only ones allowed according to the federal constitution were schools for priests, but with no publicly valid documents; the students were not recognized for their academic achievement, standing or status. The Faculty of Theology, one of the founding faculties of the University of Ljubljana established in 1919, was eliminated from the University in 1949. Three years later, this faculty was also excluded from the public school system, and it became a private Church school in Slovenia. In 1952 the first small seminary was founded in Vipava by Mihael Toroš,24 who showed his willingness to cooperate with the regime and was thus granted a sort of reward, again without publicly valid certificates. Together with the Salesian private high school in Želimlje, founded in 1966, all three schools were recognized in 1992 and their documents were granted legal validity. In a way, the three Church schools carried on the tradition of 22 23 24
Cf. Kolar, Consequences of the Communist Revolutionary Ideology, 103. Cf. Gabrič, Aleš: Boj proti katoliškemu tisku [Fight against the Catholic press], in: Miscellanea. Acta Ecclesiastica Sloveniae 38(2016), Ljubljana , 307-308. Dr. Mihael Toroš (1884–1963), a canon lawyer, was the Apostolic administrator of those parts of dioceses Trieste-Koper and Gorizia which were included into the new Yugoslav State after the end of WWII.
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private schools in Slovenia for four decades. Teachers were particularly affected by the rigid political control. „It is interesting that the people’s state, or rather its leaders, never trusted the people. They were particularly suspicious of people educated in the humanities. The university and secondary and primary schools were under strict ideological supervision. Teaching staff were very carefully chosen.”25 In reference to the end of the war and the liberation of the country that followed the term 'liberation' may only be used in reference to the Catholic Church by way of quotation marks. Together with the country, the Church was liberated from the occupation, but entered a new period of suppression and was exiled from the public life. Effectively, the Church was placed under a lasting ban – to quote a symptomatic phrase of S. Granda – „the country was liberated but not free”.26 That occurred in spite of the fact that in July 1945 a delegation of priests lead by the vicar general of Ljubljana msgr. Vovk presented a loyalty declaration to the Slovenian prime minister by which they jointly inaugurated the end of the war. Two crucial elements of that declaration were – the condemnation of the activities of some priests during the war, and the recognition of the new State`s authority, hence, expressing their willingness to work with the new authorities. Similar declarations were presented by the subsequent bishops of Ljubljana in the following years.27 The first years after the war were marked by judicial processes or show trials in which many priests, religious, and active lay Catholics were condemned – some of them even to death. The same scheme was followed in all communist countries: „Put a famous archbishop or a troublesome pastor into the dock, produce squalid evidence about his behavior, perhaps torture him in prison to extract a confession which could be used in Court, then control the reports of the newspapers and radio to make the maximum disgrace for the Church.”28 One of the reasons for this systemic extreme rigidity was the intention of the new authorities to confiscate all Church property, printing houses, factories, forests, and land thereby stripping away the material basis for her activities. In order to perform the nationalization of private property new legislation was passed.
4.
Elimination of the Church from the public life
One of the first goals of the new regime was to diminish the influence of the Church, priests, bishops, and influential lay people. In spite of all propaganda promulgated against the Church already during the war, her reputation was still very high and the influence of priests still had a significant value. Trying to lessen her role among the people an intensive propaganda was initiated. Part of it were the different trials, many 25 26 27
28
Granda, Slovenia. An Historical Overview, 224. Granda, Slovenia. An Historical Overview, 220. Cf. Griesser-Pečar, Tamara: La Chiesa cattolica in Slovenia durante il periodo della dominazione comunista (1945–1990), in: Jan Mikrut (ed.), La Chiesa cattolica e il comunismo in Europa Centro-orientale e in Unione Sovietica, San Pietro in Cariano 2016, 393. Chadwick, Owen: The Christian Church in the Cold War, London 1993, 60.
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of them organized as show trials in order to prevent people from engaging in any wrong doing or thinking. „There were collective trials against so-called enemies of the new regime, into which was included also Catholic clergy. They also staged a number of mass trials against religious orders and diocesan priests.”29 Faithful lay Catholics were also exposed, apprehended and put on trial. Immediately after the end of war in May 1945, fifty priests were sent to prison. Certainly, the most famous trial was that against bishop Rožman in August 1946.30 He was treated together with the most exposed leaders of the counter-revolutionary forces, police, secret services, and a German general, with which Rožman’s function and his personal role was put in a well-defined context. The trials were usually conducted around a Church’s feast day, or, for a special group – they were called the 'Christmas trial', 'Franciscan trial', 'Cistercian trial', for the feast of St. Peter and Paul, and similar. „The trials were not in line with the legal norms of democratic states. During the countless interrogations, often held at night, the accused were forced (also by being put in dark cells and solitary confinement) to sign false statements. They were not given an opportunity to consult their legal counsel; some met their lawyers at the trial for the first time. Their defenders were helpless and their suggestions were immaterial. Indictments and sentences were pre-arranged, based on false evidence or testimony, while witnesses and documents speaking for the defendant were ignored by the court.”31 Due to the fact that the mass media were completely under the control of the governing Communist Party, people were prevented from being correctly informed of the unfolding unfortunate event. Extensive reports about similar trials in other Communist countries were also published, like that of Archbishop Alojzije Stepinac of Zagreb, or against Cardinal Joseph Mindszenty in Hungary. The main accusations were the very same as in the Nazi Germany: priests, monks and nuns were accused of helping both the enemy during the war, and the adherents of the counter-revolution after the war. Many of these were accused of keeping links with the foreign secret services and with the Vatican – which was alleged to be an agent of imperialism and capitalism. Quite often they were accused of organizing secret societies among them being the most suspicious the Catholic Action. Priests were reproached for moral failures, for handling foreign currencies, for propaganda against people, and for the religious intolerance. So many priests were put on trial that an axiom become common among the population: „All good Priests were at least once in jail.” Those who were not had a dubious reputation. When we compare the number of all trials with the number of approximately 1,000 Priests in Slovenia, we may conclude that almost every priest had a problem with the regime. In the period between the end of the war and 1961, 630 diocesan priests, members of religious orders, and students of theology were arrested. Of these 429 priests had been put on trial, 339 of these were sentenced to jail and 73 had to pay a fine. Because some of them were punished several times, 1,411 priests had been 29 30
31
Griesser-Pečar, The Roman Catholic Church in Slovenia under Three Totalitarian Regimes, 79. Cf. Griesser-Pečar, Tamara/Dolinar, France Martin: Rožmanov proces (Rožman's Trial), Ljubljana 1996; Jagodic, Jože: Proces proti škofu dr. Gregoriju Rožmanu [Trial against Bishop Gregory Rožman], in: Zbornik Svobodne Slovenije (ZSS), Buenos Aires 1965, 57-72. Griesser-Pečar, The Roman Catholic Church in Slovenia under Three Totalitarian Regimes, 79.
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given administrative punishments. Their sentences were uncommonly high – some were put on trial more than twice, while murderers and robbers received lighter sentences. Nine Slovenian priests, a Croatian priest, one Salesian brother, and one Sister of Mercy from Slovenia were sentenced to death, of these four priests were executed.32 The attention of the authorities of the new regime was not dedicated exclusively to persons, Church officials, and to active faithful. It was further extended to include „numerous sacred objects and properties – churches, chapels, shrines and monuments, crosses, and cemeteries which were desecrated, destroyed or demolished under some 'scientific' pretense. After the cessation of the diplomatic relations with the Holy See in 1952, a number of chapels, shrines and monuments were systematically destroyed.”33 In the so called Kočevje region, from where the population left at the outbreak of World War II, out of 149 settlements before the war, 93 were completely destroyed and 13 only partially. During the war and immediately after it 95 out of 123 churches were demolished, the others which survived were abandoned and underwent a slow process of decay because there were very few inhabitants and means of maintenance.34
5.
Isolation from the outside world
As part of the control of the Catholic Church in Slovenia and throughout Yugoslavia, the State wished to cut the Church's links with the outside world, with the Pope, and with the Vatican – which was considered the main ally of not only American Imperialism, but also of other bishops and Churches. It was considered a very suspicious activity to have contacts with the priests, and with lay Catholics who left the country in May and June of 1945 and stayed for years in Austria before leaving for the New World. It was conceived a crime against the State and against the 'achievements of the National Liberation struggle' to be in touch with the person who was considered to be the number one 'national traitor' – bishop Gregorij Rožman. During the long and numerous penal proceedings performed during the late forties and fifties as show trials, maintaining links with the western imperialists, ‘their servant’ – the Vatican, and with the Slovenians who left the country, was a significant accusation and a sufficient reason to be sentenced to years of long imprisonment. Needless to add that evidence was collected in illicit legal ways, in controlling the post, in infiltrating undercover agents, in breaking into houses and apartments, and, in installing bugging devices in offices … Even though it was in the interest of the State of Yugoslavia to re-establish diplomatic relations with the Holy See, the motivation was not to favor the Church but rather, 32 33 34
Cf. Griesser-Pečar, Tamara: Zur Problematik der katholischen Kirche in Slowenien unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg, in: Österreichische Osthefte 37 (1995), Nr. 1, 221-235. Griesser-Pečar, The Roman Catholic Church in Slovenia under Three Totalitarian Regimes, 80. Cf. Mitja, Ferenc: Zaprto območje Kočevska Reka in rušenje sakralnih objektov [The closed zone of Kočevska Reka and the destruction of religious buildings], in: V objemu stoletij. Kronika župnije Kočevska Reka [Within the embrace of centuries. The chronicles of the Kočevska Reka parish], Ljubljana 2007, 179-214.
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for the purpose of the international promotion of the State and its leading class. That was also the basic reason why the Yugoslav authority asked Pope Pius XII to send a representative to Belgrade in 1945. The appointment was publicly announced on October 22, 1945. American bishop msgr. Joseph P. Hurley (1894–1967) was appointed as Pope’s personal envoy or Regens Nuntiaturae Apostolicae, the first American „to be raised to the rank of Nuncio in the history of Papal diplomacy”.35 According to Gallagher, „In appointing Hurley to Yugoslavia, the Holy See sought someone who could work smoothly with the Americans in the overall struggle against Communism”. Msgr. Hurley stayed in his service until med-summer 1950; during his tenure the reorganization of the catholic community in Slovenia was set in place. Three new apostolic administrations were founded on the western border of the republic; their leaders were appointed without the State’s approval. These appointments became a great source of friction between the State and the Holy See, and a reason for more pressure on the leaders of the local Church. The same happened with the nomination of the two auxiliary bishops, one for Ljubljana msgr. Anton Vovk and one for Maribor msgr. Maksimilijan Držečnik; their nomination was not approved by the State which claimed the right to approve any appointment. Such a strategy which was followed by the Belgrade Vatican representative became the source of serious tension between the Church and the State and rendered the work of the appointed individuals more difficult. To prevent the ordination of msgr. Anton Vovk at the cathedral of Ljubljana on December 1, 1946, tear gas was used. It was forbidden to ring the Church’s bells, and no printing house was allowed to print memorial images. Msgr. Hurley’s activities were very closely followed by the Yugoslav and Slovenian secret service. Slovenian bishops recognized msgr. Hurley as a strong tie with the Pope. Furthermore, he was considered a strong means of support in their struggle for the independence. He stayed in touch with Church leaders in Slovenia even after his return to his home of Diocese of St. Augustine, in Florida. Moreovoer, he organized a variety of aid for the Slovenian Church in need.36 During a short period of transition, the Apostolic Nunciature in Belgrade was led by msgr. Silvio Oddi (1910–2001), the Chargé d’Affaires ad Interim, who was appointed to that post in the summer of 1949. He continued the same system of relations and actions as his predecessor and caused tensions with the Yugoslav authorities from the very beginning of his service in Belgrade; in December 1952 relations between State and the Holy See were broken. According to the Yugoslav official interpretation, and the steadily repeated by the official historiography, two main reasons for this breach were given: 1) uninterrupted interference of the Holy See in the internal affairs of Yugoslavia; and 2) the creation of the Zagreb archbishop msgr. Alojzije Stepinac as
35 36
Gallagher, Charles R.: Vatican Secret Diplomacy. Joseph P. Hurley and Pope Pius XII. New Haven-London 2008, 155. Cf. Kolar, Bogdan: Regens nuntiaturae mons. Joseph Patrick Hurley in katoliška Cerkev v Sloveniji [Regens Nuntiaturae Mons. Joseph Patrick Hurley and the Catholic Church in Slovenia], in : Bogoslovni vestnik 77 (2017), Nr. 1, 7-38.
The Catholic Community in Slovenia after World War II
353
a cardinal.37 The Church in Slovenia and in Yugoslavia was completely sealed off from the universal Church during the next decade.
6.
The question of Church leaders
Church appointments were one of the first problematic issues emerging after the end of the war. As pointed out by O. Chadwick the choice of bishops was a source of endless friction between the State and the Roman Catholic majority. After bishop msgr. Gregorij Rožman left the country there was only one bishop in Slovenia, namely msgr. Ivan Jožef Tomažič in Maribor, who was elderly and infirm. When the vicar general Ignacij Nadrah was arrested in Ljubljana in June of 1945, a young canon Anton Vovk was elected in his place. In autumn of 1946 two auxiliaries were appointed, Maksimilijan Držečnik for Maribor and Anton Vovk for Ljubljana, the latter was at the same time named apostolic administrator of the diocese. He held that office until bishop's Rožman death in 1959. Both appointments had been made without the approval of the State, for the State claimed the right to approve every appointment of a bishop despite the fact that there had been no concordat under which the State would have such right. Their appointments without State approval were one of the crucial reproaches presented to both bishops. For the first years, the State did not recognize them as bishops; when they were called to different interrogations they were considered as common citizens. Bishop msgr. Anton Vovk not willing to make a compromise with the atheist State had to undergo long and painful night-interrogations. The agents were trying to pressure him to sever his allegiance to the Vatican, to condemn his predecessor, and to admit his participation in a priestly patriotic society. During one of his hearings, while he was being tortured and threatened, he was known to have said: „You and I will be no more, but the Church will remain.” Msgr. Vovk was not condemned but subjected to long and tiring interrogations – especially during the night – by the secret police for many years.38 His tour for conferring the sacrament of confirmation was restricted and marred by physical assaults upon him and his priest-companions. He had a can of petrol thrown over him at the Novo Mesto railway station on January 20, 1952, which was ignited; this could be considered as the culmination of the persecution times.39 Msgr. Vovk narrowly escaped being killed while police officers who were on site did not intervene or prevent the mob from executing this horrendous act. Because of the negative echo worldwide, as much as 45 American bishops sent sympathy telegrams to Vovk, the central authorities in Belgrade disapproved overly great zeal of the Slovenian colleagues in
37
38 39
Cf. Kolar, Bogdan: Odpravnik poslov mons. Silvio Oddi in katoliška Cerkev v Sloveniji [Chargé d'Affaires Msgr. Silvio Oddi and the Catholic Church in Slovenia], in: Bogoslovni vestnik 78 (2018), Nr. 2, 557-590. Cf. Vovk, Anton: V spomin in opomin. Zapisi škofa Antona Vovka od 1945 do 1953 [A Reminder and a Warning. Personal Records of Bishop Anton Vovk from 1945 to 1953], Ljubljana 2003. Cf. Granda, Slovenia. An Historical Overview, 234.
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Bogdan Kolar
their fight against the Church; it is interesting to note that one of the assailants was given a suspended sentence of ten days in prison.40 The procedure for obtaining 'approval' was particularly painful for parish priests. No priest was allowed to move between parishes without the permission of the Ministry of Interior which previously investigated priest's history and his behavior during the war. The local Party committee investigated a priest’s activity, and the decisive authority decided whether he was reliable or not, or whether he had a positive attitude toward the new social order. Unless a priest had such an approval, he was not allowed to preach in public, to teach catechism, or to collect money for Church needs etc. Out of all the Yugoslav republics, Slovenia was the only one to require such an approval. This procedure was particularly felt as injustice by those priests of the Ljubljana and Maribor dioceses who had been expelled from their parishes by the Germans in 1941 and sent to Croatia and Serbia; when the war was over, they were not allowed to return to their communities. On the other hand, priests who were brought to Slovenia by the Germans and had been successful in establishing good relations with partisan units during the war were allowed to stay and to carry on their priestly office. Obviously, intervening on behalf of priests before appointing them for a certain Church office was one the most difficult duties of the two bishops, because in each case they had to make concessions, and listen to very offensive accusations. Besides the Government Office for Religious Affairs – a special department in the Ministry of Interior – was in charge of conducting those hearings and interrogations. In both places there emerged future experts of religion, teachers at the University, and diplomats.
7.
The Priestly Patriotic Association
Even before the beginning of the War there were Christians who were dedicated socialists or Christian socialists among whom also were priests. In the seminary of Maribor existed a Marxist circle.41 These Christian socialists continued their endeavors during the war when they joined the partisan movement and became part of the ‘Liberation Front.’ Some priests, called also 'Progressive Priests', worked as chaplains in the communist led liberation movement and helped to advance the socialist revolution. After the War they tried to carry on their presumably conciliatory work between the State and the Church, working as mediators between the State and the Church, and trying to find a compromise with the new authorities. From that point of view, an association of clergy friendly to Communism was formed. It was called 'Slovenian Cyril-Methodius Priestly Patriotic Association', the founding general assembly of the society was held on September 20, 1949. The Association was founded on the initiative of the secret service UDBA and was subsidized by the State. Its members had social benefits: pension for the time of retirement; they were allowed to teach catechism in the public schools (until 1952) and were allowed to collect contributions from the churchgoers for 40 41
Griesser-Pečar, The Secret Police After the Tito-Stalin Break, 248. Cf. Kolar, Consequences of the Communist Revolutionary Ideology, 103.
The Catholic Community in Slovenia after World War II
355
the maintenance of the Church buildings. Furthermore, they were allowed to travel abroad and to order theological books from abroad. State grants helped the society to run a newspaper – initially called Bilten but later known as Nova pot, but also to print religious books which had not been permitted to non-affiliated priests or even bishops. The religious magazine called Družina was allowed to be printed in Nova Gorica since 1952. The Association strongly interfered with the life of the Church, her internal relations, the relations between the clergy, and the work of the Church in general. The association was to serve simultaneously as the beginning of a National Church. „At the end of the 1940s and in the beginning of 1950s the State authorities tried to establish some kind of National Catholic Church, cut off from the Vatican and dependent on Communist regime. The project was unsuccessful.”42 O. Chadwick: „In Yugoslavia, the government at first encouraged priests' associations. These were like guilds or trade unions of progressive or radical priests who had the normal instinct that it was their duty to honor bishops and simultaneously to stop them running the Church. For a time, these associations were important in all parts of Yugoslavia, for, when Tito first won power, the Clergy with authority were not the bishops but the former chaplains to the partisan guerillas armies. […] But, as in other countries, the influence of such associations declined steadily, partly because the bishops slowly reasserted their authority in the constitution and partly because Communist leaders lost interest in their effectiveness.”43 The Slovenian Priestly Society had never been approved by the bishops, but it had neither been banned as opposed to similar priestly associations in Croatia or in Bosnia and Herzegovina, in spite of the fact that the Yugoslav Bishops' Conference had agreed to such a decision: the Non expedit was passed by the Yugoslav bishops in 1950 and the Non licet was published in September 1952. The Slovenian Church leaders thought it a lesser evil not to pay attention to the association and thus not cause further discord among the clergy.44 Only three priests – leading figures in the association – were excommunicated. Statistics clearly indicate how far the association was linked to the secret service. In 1950, out of 142 delegates to the general assembly, 75 % were more or less formal collaborators of the service. In year 1949, 346 priests joined the association. In the year 1950 there were approximately 500 members, and in the year 1952, the number reached its peak with 526 members – it had surpassed more than half of the total number. Afterwards the number declined. The Association of Slovenian Clergy, which had convened several times, ultimately passed a decision for self-dissolution in 1990, after it had changed its name to The Slovenian Priestly Society, as it had been known since 1970. Rights granted to the members of the association by the Communist authorities were later on expanded to all officials of religious communities – not only those of the Catholic Church. The most important documents from the first decade of the Association’s existence were destroyed. Remnants of the documents were handed over to the 42 43 44
Griesser-Pečar, The Secret Police After the Tito-Stalin Break, 245; Griesser-Pečar, La Chiesa cattolica in Slovenia, 404-405. Chadwick, The Christian Church in the Cold War, 37. Cf. Kolar, Bogdan: The Priestly Patriotic Associations in the Eastern European Countries, in: Bogoslovni vestnik 68 (2008), 231-256; Griesser-Pečar, La Chiesa cattolica in Slovenia, 404-405.
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Bogdan Kolar
diocesan archives. The founding of the association was considered a direct attack on the Church. The new authorities were striving to destroy the Church, to cause dissention and distrust among her priests, to separate priests from their bishops, to divide bishops among themselves, to separate the faithful from the clergy, to minimize the influence of the Holy See, and to work in the direction of creating a National Church distinct from the Pope, as had been accomplished in the political sphere with the separation from Moscow by the Communist Party leaders. In other words, the main goal was to bring division from within the Church thus trying to destroy it, its role, and its reputation among the faithful. As noted by S. Granda, there were even attempts to deepen rifts among the Protestant and Orthodox Churches.45
8.
Conclusion
The history of the Catholic Church in Slovenia after World War II, and her relations with the new Communist State should be divided in the following stages: 1.) the stage of creating of a new political system hostile towards the Church in the first three years after 1945, when a State terrorism was inaugurated; 2.) the critical period between 1948 and 1953 – in 1952 when archbishop Stepinac of Zagreb was appointed cardinal, and the Yugoslav authorities broke off their relations with the Holy See. In Slovenia there was no sincere cooperation between the State and the Church – Slovenia was an exception within Yugoslavia in this respect; 3.) the period of attempts for co-existence (1954–66) between the State and the Church, which came to an end in 1966 when a semi-agreement between the Holy See and Yugoslavia was signed, the so-called Belgrade Protocol; and, 4.) the period of gradual improvement of relations between the Church and the State which permitted the possibility of Church freedom. After 1966, pressure on clergy somewhat decreased and relations slightly improved, nevertheless considerable pressure was exerted upon religious laity, especially teachers, professors, and civil servants. Many teachers who lived according to their religious beliefs had serious problems and were removed from schools. Although free profession of religion was constitutionally guaranteed after 1970, the free exercise of religion was not allowed in public.
45
Cf. Granda, Slovenia. An Historical Overview, 235.
Aleksandar Jakir
POLITIK UND VORGEHEN DER JUGOSLAWISCHEN KOMMUNISTEN GEGENÜBER DER KATHOLISCHEN KIRCHE IN KROATIEN NACH DEM ENDE DES ZWEITEN WELTKRIEGES
Betrachtet man Politik und Vorgehensweise der jugoslawischen Kommunisten gegenüber der römisch-katholischen Kirche in Kroatien nach dem Zweiten Weltkrieg, so ist die Radikalität und Tiefe der Zäsur von 1945 kaum zu überschätzen. Ziel dieses Beitrags1 ist es, in einem knappen historischen Abriss einige wesentliche Merkmale des Verhältnisses der kommunistischen Machthaber zur katholischen Kirche in Kroatien in den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg aufzuzeigen, welche die Darstellung der politischen Entwicklungen in neueren deutschsprachigen historischen Werken versucht zu ergänzen, da in dieser Themen wie Kirche und Kirchlichkeit (ebenso wie Religion und Religiosität) eher selten Gegenstand eigener Untersuchungen geworden sind.2 Aus Platzgründen kann im vorliegendem Beitrag nur auf das Verhältnis der römisch-katholischen Kirche zum kommunistischen Regime in den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg in Kroatien eingegangen werden, und die anderen (in Kroatien deutlich kleineren) Religionsgemeinschaften bleiben ausgespart.3 Da die Beziehung zwischen dem System, Partei und Staat, einerseits und Kirche andererseits im genannten Zeitraum im Vordergrund stehen soll, müssen auch wesentliche Aspekte des viel umfassenderen und komplexeren Verhältnisses von Religion und Gesellschaft 1
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Sehr dankbar bin ich Ludwig Steindorff (Kiel) für die Lektüre und die hilfreichen Hinweise zu diesem Text, welcher im Kapitel „Kirchenpolitik“ in der neuen Auflage seiner beeindruckenden „Geschichte Kroatiens. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart“ (Verlag Friedrich Pustet Regensburg 2020, 198-199) auf knappstem Raum eine überaus dichte und ausgewogene Darstellung dieser Problematik vorgelegt hat. Eher Ausahmen stellen Publikationen dar wie diejenigen von Buchenau, Klaus: Kämpfende Kirchen. Jugoslawiens religiöse Hypothek, Frankfurt am Main. 2006 u. ders.: Orthodoxie und Katholizismus in Jugoslawien 1945–1991. Ein serbisch-kroatischer Vergleich, Wiesbaden 2004 oder Perica, Vjekoslav: Balkan Idols. Religion and Nationalism in Yugoslav States, Oxford 2002. Auch den anderen christlichen Kirchen erging es im hier in Frage stehenden Zeitraum in Kroatien kaum besser als der katholischen. Durch die Konzentration auf das Verhältnis System – katholische Kirche sollte jedoch nicht den Eindruck einer monokonfessionellen Nation und eines monokonfessionellen Landes entstehen.
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Aleksandar Jakir
im Rahmen dieses Beitrags unberücksichtigt bleiben.4 Der wichtigen Frage beispielsweise, wie sich unter den Bedingungen „repressiver Religionspolitik“ Religion erhalten hat und ob nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Ideologie Tendenzen einer Rechristianisierung in den postsozialistischen Staaten zu erkennen sind, kann hier ebenfalls nicht näher nachgegangen werden.5 In der verfügbaren Literatur scheint die Argumentation zu überwiegen, die von bestimmten historischen Grundzügen im östlichen Teil Europas ausgeht, u.a von einer (nicht unbedingt wertneutral formuliert, da aus sekulärer Perspektive) „verspäteten Säkularisierung“ und von verzögerten Urbanisierungs- und Alphabetisierungsprozessen. Diese hätten dazu geführt, dass die agrarische, partikulare, vielfach zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch analphabetische und nach verspäteter rechtlicher Befreiung noch immer dem Land verbundene Bevölkerung Osteuropas weitaus weniger Veranlassung gesehen habe, ihre traditionelle Religiosität zu verlassen, als dies in innerlich aufgebrochenen, differenzierten und dynamischen Gesellschaften der Fall gewesen sei.6 Für den überwiegenden Teil der stark mit dem Katholizismus verbundenen bäuerlichen kroatischen Gesellschaft scheint dies zutreffend für den Zeitraum, um den es hier gehen soll, also um die Mitte des 20. Jahrhunderts. Zudem sei auf den Befund des Theologen Tomislav Janko Šagi-Bunić hingewiesen, der plausibel von einem tief verwurzelten Volkskatholizismus im kroatischen Fall gesprochen hat.7 Gleichzeitig ist jedoch eben auch festzustellen, dass sich Teile der „säkularisierungs4
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Fallbeispiele aus Südosteuropa in Jakir, Aleksandar/Trogrlić, Marko (Hg.): Klerus und Nation in Südosteuropa vom 19. bis zum 21. Jahrhundert., Frankfurt am Main 2014 (Pro oriente Schriftenreihe der Kommission für südosteuropäische Geschichte, Band 6). Aus der schier unübersehbaren Fülle an Literatur, die sich mit diesem Themenkomplex beschäftigt, seien hier genannt: Berger, Peter L. (Hg.): The desecularization of the World. Resurgent religion and world politics, Washington 1999; Bruce, Steve: God is dead. Secularization in the West. [Nachdr.], Malden 2007; Gabriel, Karl/Gärtner, Christel/Pollack, Detlef (Hg.): Umstrittene Säkularisierung: Soziologische und historische Analysen zur Differenzierung von Religion und Politik, Berlin 2012; Lehmann, Hartmut: Säkularisierung. Der europäische Sonderweg in Sachen Religion, Göttingen 2004 (Bausteine zu einer europäischen Religionsgeschichte im Zeitalter der Säkularisierung 5); von Braun, Christina u.a. (Hg.): Säkularisierung. Bilanz und Perspektiven einer umstrittenen These, Berlin 2007 (Religion – Staat – Kultur 5); Kallscheuer, Otto (Hg.): Das Europa der Religionen. Ein Kontinent zwischen Säkularisierung und Fundamentalismus, Frankfurt am Main 1996; Lynch, Gordon: The sacred in the modern world. A cultural sociological approach. Oxford 2012; Habermas, Jürgen: Die Dialektik der Säkularisierung, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, 4 (2008), 33-46; Willems, Ulrich/Pollack, Detlef/Basu, Helene/Gutmann, Thomas/Spohn, Ulrike (Hg.): Moderne und Religion. Kontroversen um Modernität und Säkularisierung, Bielefeld 2013. Vgl. Plaggenborg, Stefan: Dechristianisierung und Rechristianisierung in Osteuropa, in: Kirchliche Zeitgeschichte. Internationale Halbjahreszeitschrift für Theologie und Geschichtswissenschaft, 11. Jahrgang, Heft 1 (1998), 94-103, hier 96. Plaggenborg, Dechristianisierung und Rechristianisierung, 95-96. Zur Rolle der Religionsgemeinschaften in Bezug auf die gesellschaftlichen Entwicklungen während der Zeit des jugoslawischen Sozialismus vgl. Mojzes, Paul: The Role of Religious Communities in the Development of Civil Society in Yugoslavia, 1945–1992, in: Melissa K. Bokovoy, Jill A. Irvine, Carol S. Lilly (Hg.), StateSociety Relations in Yugoslavia 1945–1992. New York 1997, 211-231. Vgl. Šagi-Bunić, Tomislav Janko: Katolička crkva i hrvatski narod. [Die katholische Kirche und das kroatische Volk], Zagreb 1983.
Politik und Vorgehen der Kommunisten gegenüber der katholischen Kirche in Kroatien 359
fähigen“ Gruppen innerhalb der kroatischen Gesellschaft während des Übergangs zur Moderne als zuweilen radikal antiklerikal erwiesen haben, wie beispielsweise der charismatische Führer der Bauernpartei in den kroatischen Gebieten, Stjepan Radić, wobei aber kaum Quellen vorliegen, die den Schluss nahelegen würden, dass für die hier in Frage stehenden Zeit von einer massenhaften Aufgabe des Glaubens zu sprechen ist, was nach heutigem Erkenntnisstand wohl gleichfalls mehrheitlich für die erwähnten säkularisierungsfähigen Gruppen in der Gesellschaft gilt.
1. Das im April 1941 nach dem Überfall NS-Deutschlands zerschlagene und aufgrund zahlreicher struktureller Probleme, nicht zuletzt wegen mehrer ungelöster „nationaler Fragen“, äußerst instabile Königreich Jugoslawien8 ging unter in einem Krieg, der sich mit guten Gründen als vielschichtiger Krieg begreifen lässt. Als Ergebnis des Zweiten Weltkrieges, welcher gleichzeitig ein von allen Seiten mit äußerster Brutalität geführter Bürgerkrieg war, gelang es derjenigen (zahlenmäßig kleinen9) politischen Gruppierung, die alleinige Macht zu erobern, in der antiklerikale Vorstellungen10 am stärksten ausgeprägt waren, also der zu jener Zeit dem eigenen Selbstverständnis nach monolithischen bolschewistischen Kommunistischen Partei Jugoslawiens. Studien wie die von Jozo Tomasevich11 haben quellenmäßig dicht dokumentiert den Krieg 1941–45 beschrieben, der zwischen den Besatzungsmächten und ihren lokalen Verbündeten und 8
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Zu den Integrationsproblemen im Zwischenkriegsjugoslawien vgl. Banac, Ivo: The National Question in Yugoslavia. Origin and History. Ithaca 1984 u. lokal, am Beispiel der Region Dalmatien; Jakir, Aleksandar: Dalmatien zwischen den Weltkriegen. Agrarische und urbane Lebenswelt und das Scheitern der jugoslawischen Integration, München 1999. Nach den Angaben ihres Generalsekretärs, und späteren jugoslawischen Staats- und Parteiführes, Josip Broz Tito (vgl. Tito, Josip Broz: Sabrana djela. [Gesammelte Werke]. Bd. VII Kraj aprila – 28. novembar 1941, Beograd 1982, 23) hatte die Kommunistische Partei Kroatiens vor dem Krieg nicht mehr als 2500 Mitglieder. Im September 1939 ist von insgesamt nur 4300 KP-Mitgliedern in ganz Jugoslawien auszugehen. In der kroatischen Hauptstadt Zagreb waren im Zeitraum AprilJuni 1941 wohl an die 90 kommunistische Zellen aktiv, deren Mitgliederzahl mit 530 angegeben wird. Vgl. Globačnik, Matko: Vrijeme ideoloških kolebanja. Komunistička partija Jugoslavije u Nezavisnoj Državi Hrvatskoj od Travanjskog rata do napada Nacističke Njemačke na Sovjetski Savez [Die Zeit des ideologischen Schwankens. Die Kommunistische Partei Jugoslawiens im Unabhängigen Staat Kroatien vom Aprilkrieg bis zum Angriff des Nationalsozialistischen Deutschland auf die Sowjetunion], Zagreb 2019. Novak, Viktor: Magnum crimen: Pola vijeka klerikalizma u Hrvatskoj [Das große Verbrechen. Eine halbes Jahrhundert Klerikalismus in Kroatien], Zagreb 1948 ist dabei sicher die bekannteste Schrift, in der antiklerikale Ressentiments ihren Niederschlag gefunden haben, vgl. Horvat, Joža/Štambuk, Zdenko (Hg.): Dokumenti o protunarodnom radu i zločinima jednog dijela katoličkog klera [Dokumente zur Tätigkeit gegen das Volk und zu den Verbrechen eines Teils des katholischen Klerus], Zagreb 1946. Vgl. Tomasevich, Jozo: War and Revolution in Yugoslavia, 1941–1945: The Chetniks. 1., Stanford 1975 u. ders.: War and Revolution in Yugoslavia, 1941–1945: Occupation and Collaboration. 2., Stanford 2001.
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Aleksandar Jakir
Widerstandsbewegungen tobte, der aber gleichzeitig ein ideologischer Krieg zwischen Kommunisten und Antikommunisten, zwischen „Faschisten“ und „Antifaschisten“ und, nicht zuletzt, auch ein ethno-nationaler Krieg war.12 Gleichzeitig gab es freilich viele, die eigentlich am liebsten mit dem Krieg nichts zu tun haben wollten, aber immer mehr gezwungen wurden, sich für eine Seite zu entscheiden.13 Während des Krieges griff die führende Kraft der entstandenen antifaschistischen Widerstandsbewegung, die Kommunistische Partei Jugoslawiens (KPJ), die Hierarchie der katholischen Kirche scharf wegen der Zusammenarbeit der Kirche mit dem Regime des 1941 auf dem Gebiet Kroatiens und Bosnien-Herzegowinas gebildeten Satellitenstaates der Achsenmächte, des Unabhängigen Staates Kroatien (USK bzw. in kroatischer Abkürzung NDH) an. Die Kirche wiederum verurteilte die kommunistische Partisanenbewegung für verübte Verbrechen in ihrem Kampf und wegen der in ihren Augen offensichtlichen Bestrebungen, einen kommunistischen Staat nach dem Modell der Stalinschen Sowjetunion zu errichten. Der offen propagierte Atheismus der KP war Teil der von der Partei vertretenen marxistisch-leninistischen Weltanschauung. Die siegreichen Kommunisten legitimierten 1945 ihre Machtübernahme, auf die sie sich, wie die Historikerin Marie-Janine Calic in ihrer Geschichte Jugoslawiens im 20. Jahrhundert zu Recht betont, „in jeder Hinsicht vorbereitet“ hatten14, als Revolution. Die treibende Kraft im Volksbefreiungskrieg unter dem Oberkommando des Generalsekretärs der Kommunistischen Partei, und noch während des Krieges 1943 zum Marschall Jugoslawiens ernannten überragenden Führungsgestalt Josip Broz, genannt Tito, strebte nicht nur die „schnelle und vollständige Vernichtung aller Banden“ an, sondern eine Umgestaltung der Gesellschaft im Sinne der marxistisch-leninistischen Ideologie in ihrer stalinistischen Ausprägung.15 Kirche und Religion waren für die KP Relikte der zu überwindenden bürgerlichen Klassengesellschaft. Das Praktizieren des Glaubens schloss in der unmittelbaren Nachkriegszeit die Tätigkeit in staatlichen Institutionen so gut wie aus, die katholische Kirche wurde als gefährlichster politischer Feind im Inneren betrachtet.16 Auch in den Augen der siegreichen Kommunisten in Kroatien stellte die katholische Kirche den stärksten Pfeiler der reaktionären Kräfte dar, so dass das Verhältnis des neuen Regimes zur Kirche von Anfang an durch offene Feindseligkeit
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Vgl. Sundhaussen, Holm: Jugoslawien und seine Nachfolgestaaten 1943–2011. Eine ungewöhnliche Geschichte des Gewöhnlichen, Köln 2012, 37. Dies mit Bezug auf Slowenien gut herausgearbeitet worden in: Griesser-Pečar, Tamara: Das zerrissene Volk. Slowenien 1941–1946. Okkupation, Kollaboration, Bürgerkrieg, Revolution, Wien 2004. Vgl. Calic, Marie-Janine: Geschichte Jugoslawiens im 20. Jahrhundert, München 2010, 172. Vgl. Jakir, Aleksandar: Der Partisanenmythos im sozialistischen Jugoslawien und aktuelle Interpretationen des „Volksbefreiungskrieges“ 1941–1945, in: Bernhard Chiari, Gerhard P. Groß (Hg.), Am Rande Europas? Der Balkan – Raum und Bevölkerung als Wirkungsfelder militärischer Gewalt, München 2009, 287-300. Vgl. Bilandžić, Dušan: Hrvatska moderna povijest [Kroatische moderne Geschichte], Zagreb 1999, 254-258. Zum Verhältnis von Kirche und Staat ist auch manch ältere Literatur noch informativ, vgl. Alexander, Stella: Church and State in Yugoslavia since 1945, Cambridge 1979.
Politik und Vorgehen der Kommunisten gegenüber der katholischen Kirche in Kroatien 361
geprägt war.17 Ziel der revolutionären Kader der KP war die Abrechnung mit dem in ihren Augen überlebten Kapitalismus und allen ihn stützenden Kräften und der Aufbau des Sozialismus durch die Diktatur des Proletariats, genauer durch die Diktatur seiner mit dem richtigen Bewusstsein ausgestatteten Avantgarde, um eine neue und vermeintlich gerechtere Gesellschaft aufzubauen. Die Revolution sollte dabei aus dem Sieg im Krieg hervorgehen. Wie radikal beim Versuch, einen jugoslawischen Sozialismus zu etablieren, vorgegangen wurde, lässt sich an der Zahl der am Ende des Krieges getöteten „Volksfeinde“ und „Verräter“ ersehen, wie jene tituliert wurden, welche die KP als tatsächliche oder potentielle Feinde und Hindernis für ihre Pläne erachtete. Selbst konservative Schätzungen, wie sie beispielsweise Marie-Janine Calic in der genannten Monographie anführt, geben die Zahl der von Titos Partisanen im Abrechnungsfuror des Mai 1945 Getöteten mit „70.000“ an, und Calic fügt hinzu, dass weitere „60.000“ bei „letzten Gefechten ums Leben“ kamen. Einer der wohl besten Kenner dieser Thematik, der Historiker Vladimir Geiger aus Zagreb, der sich seit Jahrzehnten mit dieser Frage befasst, spricht nach der Analyse zugänglicher Quellen und der existierenden wissenschaftlichen Literatur, unter Berücksichtigung verschiedener methodischer Berechnungsarten, was die Zahl der Opfer in der unmittelbaren Nachkriegszeit anbelangt, welche nicht (!) die Kriegstoten bis zum Ende des Krieges umfasst, von „mindestens 70.000 bis 80.000 Toten“, darunter „um die 50.000 bis 55.000“ Kroaten.18 Die Schätzung, zu der Michael Portmann in seiner Arbeit Kommunistische Abrechnung mit Kriegsverbrechern, Kollaborateuren, „Volksfeinden“ und „Verrätern“ in Jugoslawien während des Zweiten Weltkriegs und unmittelbar danach, nach sorgfältiger Diskussion der verfügbaren Literatur gelangt, beläuft sich ebenfalls auf
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Zur katholischen Kirche in Kroatien während des in Frage stehenden Zeitraums vgl. Akmadža, Miroslav: Katolička crkva u Hrvatskoj i komunistički režim 1945–1966 [Die katholische Kirche in Kroatien und das kommunistische Regime 1945–1966], Zagreb 2004; Ders.: Oduzimanje imovine Katoličkoj crkvi i crkveno-državni odnosi od 1945. do 1966. godine. Primjer Zagrebačke nadbiskupije [Enteignung der katholischen Kirche und das Verhältnis Kirche-Staat von 1945 bis 1966. Das Beispiel der Erzbistums Zagreb], Zagreb 2004; Kožul, Stjepan: Martirologij Crkve zagrebačke [Martyrologium der Zagreber Kirche], Zagreb 1998; Ders.: Stradanja u Zagrebačkoj nadbiskupiji za vrijeme Drugoga svjetskoga rata i poraća [Leid und Verfolgung im Erzbistum Zagreb während der Zeit des Zweiten Weltkriegs und in der Nachkriegszeit], Zagreb 2004. Vgl. Geiger, Vladimir: Brojčani pokazatelji o ljudskim gubicima Hrvatske u Drugom svjetskom ratu i poraću [Zahlenmäßige Indikatoren der menschlichen Verluste Kroatiens im Zweiten Weltkrieg und der Nachkriegszeit], in: Romana Horvat (Hg.), Represija i zločini komunističkog režima u Hrvatskoj. Zbornik radova [Repression und Verbrechen des kommunistischen Regimes in Kroatien. Sammelband], Zagreb 2012, 51-90, hier 77 mit Verweis auf Ravančić, Martina Grahek: Razmišljanje o broju pogubljenih i stradalih na Bleiburgu i Križnom putu [Nachdenken über die Zahl der Hingerichteten und zu Tode Gekommenen in Bleiburg und auf dem Kreuzweg], in: Časopis za suvremenu povijest, Jg. 40/3, Zagreb 2008, 851-868 u. Dies.: Bleiburg i Križni put 1945. Historiografija, publicistika i memoarska literatura [Bleiburg und der Kreuzweg 1945. Geschichtsschreibung, Publizistik und Memoirenliteratur], in: Časopis za suvremenu povijest, Jg. 40/3, Zagreb 2008, 317-333; Dies: Bleiburg i Križni put [Bleiburg und der Kreuzweg], Zagreb 2009; vgl. auch Geiger, Vladimir: Josip Broz Tito i ratni zločini: Bleiburg – Folksdojčeri [Josip Broz Tito und Kriegsverbrechen: Bleiburg – Volksdeutsche], Zagreb 2013.
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80.000 Tote.19 Nach Sichtung der relevanten Literatur scheint es, als ob dies wohl tatsächlich die realistischsten Annahmen sind (die vorzufindenden Über- und Untertreibungen in der Historiographie und v.a. in der Publizistik, und ihre Funktionen – und katastrophalen Folgen – im öffentlichen Diskurs sind ein gesondertes Thema20). In der Zeitgeschichtsforschung zu Südosteuropa bestehen mittlerweile kaum Zweifel daran, dass die exzessive Gewalt bei der Machteroberung der jugoslawischen Kommunisten ein exorbitantes Ausmaß erreichte. Das brutale massenhafte Töten tatsächlicher oder auch nur vermeintlicher Gegner lässt sich schwerlich anders bezeichnen denn als „Terror bei Kriegsende“21. Dieser Terror richtete sich auch gegen Vertreter der katholischen Kirche, welche der Kollaboration mit den Feinden des Volkes bezichtigt wurde. Das Verhältnis des kommunistischen Regimes im Nachkriegsjugoslawien zur katholischen Kirche wird in deutschsprachigen historischen Gesamtdarstellungen meist nur sehr knapp abgehandelt, wie folgendes Zitat deutlich macht: „Auch Erzbischof Aloizije Stepinac musste sich im Herbst 1946 vor Gericht verantworten. Die Kommunisten wollten ihn nicht nur wegen seiner zweifelhaften Rolle während des Zweiten Weltkrieges zur Rechenschaft ziehen, sondern zugleich ein Exempel gegen die Katholische Kirche statuieren, um die sich die nationalistische Opposition in Kroatien jetzt gruppierte. Im Herbst 1945 hatten die Bischöfe einen Hirtenbrief gegen die kommunistische Macht verfasst. Das Gericht verurteilte Stepinac wegen Kollaboration und Vertuschung von Verbrechen zu 16 Jahren Gefängnis, die er im Hausarrest absaß. Neben zehntausenden politischen Oppositionellen und Anhängern des alten Regimes gingen jetzt auch Hunderte katholischer Geistliche aus Angst vor Repressionen ins Exil.“22 In der 2011 veröffentlichten Geschichte Südosteuropas wird betont, dass sich die „alten bürgerlichen und konservativen Kräfte […] durch ihre Zusammenarbeit mit den Nationalsozialisten nachhaltig desavouiert“ hatten und „durch ihr politisches Scheitern in der Zwischenkriegszeit in Erinnerung geblieben“ waren. Der siegreichen Kommunistischen Partei wird zudem die „klarste politische Vision“ attestiert, welche „Fortschritt, Gleichheit und Freiheit“ zum Inhalt gehabt habe. Dabei hätten sich die Kommunisten „insbesondere an jene Bevölkerungsgruppen“ gewandt, welche „bis dahin von politischer Teilhabe formell oder faktisch ausgeschlossen waren, wie Frauen,
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Portmann, Michael: Kommunistische Abrechnung mit Kriegsverbrechern, Kollaborateuren, „Volksfeinden“ und „Verrätern“ in Jugoslawien während des Zweiten Weltkriegs und unmittelbar danach, Wien 2002; Ders.: Die kommunistische Revolution in der Vojvodina 1944–1952. Politik, Gesellschaft, Wirtschaft, Kultur, Wien 2008. Zur Rezeption vgl. Jakir, Aleksandar/Vulić, Paulinka: Recepcija Bleiburga u hrvatskoj javnosti kao tema povijesnog istraživanja [Die Rezeption des Topos Bleiburg in der kroatischen Öffentlichkeit als Thema historischer Forschung], in: Zbornik radova Filozofskog fakulteta u Splitu, Nr. 6/7, Split 2015, 195-206. Calic, Geschichte Jugoslawiens, 173. Ebd., 177-178.
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Arbeiter, Angehörige ethnischer Minderheiten und die Jugend.“23 Wie nun aber die so bezeichnete „endgültige Befreiung“ 1945 im Falle Kroatiens aussah, wird deutlich aus heute vorliegenden zahlreichen Dokumentenbänden24, Darstellungen und Sammelbänden25. Die Vielzahl zugänglicher Quellen lässt schwerlich einen anderen Schluss zu als den, dass seitens der Sieger 1945 tatsächliche und vermeintliche Gegner mit massenhaftem Terror überzogen wurden, worüber in den Jahrzehnten nach dem Krieg im Land selbst nicht gesprochen werden durfte. Die Organisation der Durchführung besorgte der bereits während des Krieges unter der Führung des späteren jugoslawischen Innenministers Aleksandar Ranković aufgebaute Geheim- und Sicherheitsdienst der Partei unter dem Namen Abteilung für den Schutz des Volkes (Abkürzung OZNA für serb. Одељење за заштиту народа bzw. kroat. Odjeljenje za zaštitu naroda). Bereits vor dem offiziellen Gründungsdatum dieses Polizei- und Geheimdienstes nach sowjetischem Vorbild im Dienst der Partei, wie auch aus einem unlängst veröffentlichten Dokument aus dem Jahr 1943 der auf slowenischem Gebiet aktiven Befreiungsfront (Osvobodilna fronta) hervorgeht, die Teil von Titos Volksbefreiungsarmee war, gab es offensichtlich Listen derjeniger, die es zu liquidieren galt. In diesem Dokument waren sie benannt als: Anführer der antikommunistischen und nationalen Bewegungen vor Ort, Priester, Angehörige verschiedener katholischer Orden. Weiter ist die Rede davon, falls aus taktischen Überlegungen heraus bestimmte Priester nicht zu liquidieren seien, dass Sorge getragen werden müsse, dass ihnen der ihnen zustehende Platz in der Gesellschaft zugewiesen wird. Abzurechnen sei mit aller Intelligenz, die nicht zu 100% an die Partei gebunden ist, mit den Angehörigen der Bourgeoisie, den Rentiers,
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Vgl. Brunnbauer, Ulf: Politische Entwicklungen Südosteuropas von 1945 bis 1989/1991, in: Konrad Clewing, Oliver Jens Schmitt (Hg.), Geschichte Südosteuropas. Vom frühen Mittelalter bis zur Gegenwart, Regensburg 2011, 597-650, hier 599-600. Neuere Quellenbände sind beispielsweise: Vojnović, Branislava/Hrvatski državni arhiv (Hg): Zapisnici Politbiroa Centralnoga komiteta Komunističke partije Hrvatske 1945–1952, Svezak 1 1945–1948 [Protokolle des Politbüros des ZK der Kommunistischen Partei Kroatiens 1945–1948, Band 1 1945–1948], Zagreb 2005; Vojnović, Branislava/Hrvatski državni arhiv (Hg): Zapisnici Politbiroa Centralnoga komiteta Komunističke partije Hrvatske 1945–1952, Svezak 2 1949–1952 [Protokolle des Politbüros des ZK der Kommunistischen Partei Kroatiens 1945–1948, Band 2 1949–1952], Zagreb 2006; Hrvatski institut za povijest – Podružnica za povijest Slavonije, Srijema i Baranje (Hg): Partizanska i komunistička represija i zločini u Hrvatskoj 1944–1946. Dokumenti, knjiga 4 Dalmacija [Repression durch Partisanen und kommunistische Repression und Verbrechen in Kroatien 1944–1946. Dokumente, Band 4 Dalmatien], Zagreb 2011; Hrvatski institut za povijest – Podružnica za povijest Slavonije, Srijema i Baranje (Hg): Partizanska i komunistička represija i zločini u Hrvatskoj 1944–1946. Dokumenti (drugo izdanje) [Repression durch Partisanen und kommunistische Repression und Verbrechen in Kroatien 1944–1946. Dokumente (zweite Auflage)], Slavonski Brod 22005. Vgl. Starič, Jera Vodušek: Kako su komunisti osvojili vlast 1944–1946 [Wie die Kommunisten die Macht eroberten 1944–1946], Zagreb 2006; Horvat, Romana/Lukić, Zorislav/Vukušić, Luka/Zednik, Vesna (Hg.): Represija i zločini komunističkog režima u Hrvatskoj. Zbornik radova [Repression und Verbrechen des kommunistischen Regimes in Kroatien. Sammelband], Zagreb 2012; Matkovich, Blanka: Croatia and Slovenia at the End and After the Second World War (1944–1945). Mass Crimes and Human Rights Violations Committed by the Communist Regime, in: Brown Walker Press (2017).
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den Industriellen, den reichen Landbesitzern, Kulaken usw.26 Tatsächlich war der Terror von 1945 vorbereitet. Unter der Überschrift Edler Hass (Plemenita mržnja) hatte in der Borba (Der Kampf), dem Organ der Kommunistischen Partei Jugoslawiens, einer der damals engsten Mitarbeiter Titos, Milovan Đilas, bereits am 8. Oktober 1942 aufgerufen: „Besinnt euch darauf, was der große Führer der fortschrittlichen Menschheit, Genosse Stalin, gesagt hat: den Feind kann man nicht besiegen, solange man nicht gelernt hat – ihn zu hassen.“27 In der Ausgabe der Borba vom 8. Februar 1943, unter der Überschrift Ihre Pläne werden scheitern, war zu lesen: „Die faschistischen Hunde fühlen, daß sie Hunde sind, tollwütige Hunde, daß sie auf der untersten Stufe aller lebenden Geschöpfe stehen, daß sie sich mit unschuldigem Blut schmutzig gemacht haben und deshalb Feiglinge, niederträchtig und nichtig sind. […] Erzieht sie nicht um. Verschwendet nicht vergeblich eure Zeit. Belehrt sie nicht eines Besseren. Sie wissen, was sie tun. Tötet sie wie Hunde, so wie sie es verdient haben. Rächt die unschuldigen Opfer, die in Brandstätten verwandelten Dörfer und Städte! Möge jeder von ihnen wissen, daß er für (seine) Verbrechen bestraft wird! Seid ohne Gnade gegenüber diesem Gesindel […]. Sie sind nicht nur Mittäter. Sie sind Verbrecher. Unter ihnen gibt es keinen Einzigen, der nicht mit unschuldigem Blut bespritzt ist […] Rottet sie ohne Gnade aus. Möge ihnen von dem kühnen, überraschenden Partisananstoß das Blut in den Adern gefrieren.“28 Es wäre, so Ulf Brunnbauer in seinem Text zu den „politische(n) Entwicklungen Südosteuropas von 1945 bis 1989/1991“, „eine Vereinfachung, würde man die kommunistische Machtausübung, selbst in den Jahren des Stalinismus, nur auf Gewalt, Terror und Unterdrückung reduzieren. Denn die neuen Machthaber entwickelten auch Formen der positiven Identifikation […].“29 Doch nichtsdestotrotz lässt sich wohl feststellen, dass ohne Gewalt, Terror und Unterdrückung die KP weder die Macht erobert noch sie hätte bewahren können – was vielleicht keine große neue historische Erkenntis ist, aber deswegen nicht falsch. Doch solch ein Satz findet sich nicht in den erwähnten neueren Werken der deutschsprachigen Südosteuropaforschung. Sicher ist dabei aber richtig, dass sich die regierenden Kommunisten „als Exekutoren der durch den dialektischen Materialismus bestimmten historischen Gesetzmäßigkeiten sahen“. Ebenso lässt sich gewiss die Feststellung treffen, in den Worten Brunnbauers, dass die siegreichen Kommunisten „keine Notwendigkeit der Rückbindung politischer Entscheidungen an ein 26
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Vgl. DOKUMENT OZNA-e: „Pobiti svećenike, seljake, trgovce, bogataše…“ [Dokumente der OZNA; „Geistliche töten, Bauern, Händler, Reiche…“], http://www.maxportal.hr/vijesti/ dokument-ozna-e-koji-mijenja-povijest-pobijte-svecenike-seljake-trgovce-bogatase/, aufgerufen am 26. 07. 2017, ebenso abrufbar über http://www.index.hr/indexforum/postovi/239025/ dokumentozna-e-mijenja-povijest-pobiti-svecenike-seljake-trgovce-bogatase-/2, aufgerufen am 11. 01. 2020. Vgl. Đilas, Milovan: „Plemenita mržnja“ [Edler Haß], in: Borba. Organ Komunističke partije Jugoslavije, br. 21, 8. oktobar 1941. Ebenfalls abgedruckt in Đilas, Milovan: Članci 1941–1946 [Artikel 1941–1946], Beograd 1947, 27-30; dt. Übersetzung abgedruckt als Anlage 15 in: Sojčić, Tvrtko P.: Die ‚Lösung‘ der kroatischen Frage zwischen 1939 und 1945. Kalküle und Illusionen, Stuttgart 2008, 424-426. Vgl. Sojčić, ‚Lösung‘ der kroatischen Frage, Anlage 15, 426-428. Brunnbauer, Politische Entwicklungen Südosteuropas, 608.
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populäres Mandat“ sahen, da es ihnen ja schließlich darum gegangen sei, „ein als wahr definiertes Ziel zu realisieren“. Zusätzliches Verständnis soll dann wohl auch folgende Annahme vermitteln: „Darüber hinaus hatten ihre führenden Persönlichkeiten durchweg die Erfahrung der Untergrundarbeit und der Verfolgung gemacht, was einem revolutionären habitus Vorschub leistete, der Gewalt als legitimes Mittel der Politik begriff. […]“.30 Auffallend ist jedenfalls, dass der sog. „Mobilisierung der Massen“ in besagter Geschichte Südosteuropas deutlich mehr Raum eingeräumt wird als den massenhaften, zehntausenden Opfern der kommunistischen Machtergreifung.31 Das Verhältnis zur Kirche wiederum wird, in äußerster Verknappung, im Kapitel „Gesellschaft und gesellschaftlicher Wandel in Südosteuropa nach 1945“ berührt, wo sich dem Abschnitt „Kultureller Wandel“ entnehmen lässt, dass die regierenden Kommunisten „keine große Sympathie für kulturelle Vielfalt hegten“. Der „Monopolanspruch der Kommunisten auch im Feld der Kultur“ habe sich „unter anderem im Kampf gegen Religion und Kirche“ ausgedrückt.32 Der Stand der Forschung wird dann folgendermaßen präsentiert: „Insbesondere in den Jahren des Stalinismus gingen die kommunistischen Regime gewaltsam gegen Kirchenorganisationen und ihre Vertreter vor. Mit Kirche assoziierten sie nicht nur Aberglaube und eine falsche Weltsicht, sondern einen Rivalen im Kampf um die „Seele“ der Menschen. Die Kirchen wurden enteignet und mussten nolens volens die Autorität des Staates über sie akzeptieren. Regimetreue Klerikerverbände […] sollten die Verbundenheit der Religionsgemeinschaften mit der neuen Ordnung symbolisieren und propagieren. Der Staat entzog den Kirchen zentrale Instrumente ihres sozialen Einflusses wie die Registrierung von Geburten und Heiraten sowie die Schulbildung.“ Die angewandte Gewalt in diesen Prozessen wird beschrieben mit dem Satz: „Vielfach wurden Kleriker auch Opfer staatlicher Repression […] Generell war es insbesondere die katholische Kirche wegen ihres inhärent transnationalen Charakters, die in den Fokus staatlicher Verfolgung kam […] Der Kampf gegen die Kirchen war begleitet von atheistischer Propaganda und Druck auf die Gläubigen. Der Höhepunkt der Agitation für die Gottlosigkeit war zwar rasch überschritten, und ab Mitte der 1950er Jahre zeigten auch in diesem Bereich die herrschenden Parteien eine zunehmende Konzessionsbereitschaft (insbesondere in Jugoslawien).“33 Folgendes Bild entsteht also auf der Grundlage der neuesten deutschsprachigen Historiographie: Nach 1945 kommt es zu einem revolutionären Umbruch und zur kommunistischen Machtergreifung. Aufgrund seiner „zweifelhaften Rolle während des Krieges“ wird der Zagreber Erzbischof zur Rechenschaft gezogen und wegen Kollaboration und 30 31
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Ebenda. Sogenannte „Jugendbrigaden“ werden angeführt, die „den Aufbau des Sozialismus wortwörtlich nahmen und auf Baustellen im ganzen Land an Bauprojekten arbeiteten: für viele Jugendliche ergab sich damit zum ersten Mal die Möglichkeit, der engen Welt ihrer patriarchalisch geprägten Heimatdörfer zu entkommen. Identifikation mit dem neuen Regime stellte sich auch durch die sich bietenden Aufstiegsmöglichkeiten her: [...]“ Vgl. Brunnbauer, Politische Entwicklungen, 608-609. Vgl. Brunnbauer, Ulf: Gesellschaft und gesellschaftlicher Wandel in Südosteuropa nach 1945, in: Clewing/Schmitt (Hg.), Geschichte Südosteuropas, 651-702, hier 696. Ebd., 696-697.
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Vertuschung von Verbrechen verurteilt. Um die katholische Kirche in Kroatien „gruppiert“ sich die nationalistische Opposition, die „Mobilisierung der Massen“ ermöglicht jedoch auch „Identifikation mit dem neuen Regime“, was u.a. durch „sich bietende Aufstiegsmöglichkeiten“ erklärt wird, all dies, so scheint es demnach, ist dann im Kontext des „kulturellen Wandels“ und der sozialistischen Modernisierung und Säkularisierung der Gesellschaft zu verstehen. Auf der anderen Seite lässt sich die historische Bilanz anführen, welche Vertreter einer (klar antikommunistisch ausgerichteten) wesentlichen Strömung innerhalb der kroatischen Geschichtswissenschaft ziehen. Demnach war die Situation nach Übernahme der Macht durch die KP 1945 gekennzeichnet durch die „massenhafte und systematische Tötung aller, die als mögliche Gegner des kommunistischen Systems wahrgenommen wurden“, sowie durch das „Verbot aller katholischer Organisationen, Abschaffung aller Erziehungs- und Bildungseinrichtungen wie auch der karitativ-humanitären Institutionen innerhalb der kirchlichen Orden, durch die Wegnahme vieler Nonnenklöster, wie auch von Bistums- und Gemeinde-Gebäuden, die ganz oder teilweise enteignet und anderen zur Nutzung übergeben wurden“, weiterhin dadurch, dass „Religionsunterricht nur in kirchlichen Räumen“ erteilt werden durfte, als auch durch die „Agrarreform und Konfiskation und Nationalisierung, die der Kirche einen Großteil des Bodens und anderer Besitztümer entzog und die Priester in den Gemeinden übermäßig steuerlich belastete, die Schließung eines Großteils der Schulen und Lehranstalten für Priesterkandidaten, das so gut wie vollständige Verbot der Kirchenpresse“, wie auch durch die „Einführung eines Spitzelsystems, so dass alle Priester unter ständiger Beobachten standen. […].“34 Im Folgenden soll nun ein Blick darauf geworfen werden, wie konkret sich das Verhältnis des Regimes und der katholischen Kirche in Kroatien nach 1945 gestaltete. Leider kann im Rahmen dieses Beitrags nicht auch näher der Frage nachgegangen werden, warum Erträge der neueren Forschung, die deutlich machen, dass z.B. die Rolle der katholischen Kirche während des Zweiten Weltkrieges im sog. Unabhängigen Staat Kroatien differenzierter zu betrachten ist als es der pauschale Vorwurf der Kollaboration nahelegt, so schwer Eingang in deutschspachige synthetische Überblicksdarstellungen finden? So haben beispielsweise Tvrtko Sojčić und Tomislav Vujeva in ihren Dissertationen, quellenmäßig akribisch belegt, am Beispiel des Erzbischofs von Zagreb, Alojzije Stepinac35, zeigen können, dass in den Reihen des kroatischen katholischen 34 35
Vgl. unlängst z.B. Krišto, Jure: Zločinačka narav komunizma, in: Hercegovina 5 (2019), 153-175, hier 163. „Kaum eine andere Person der kroatischen und jugoslawischen Geschichte ist in der Forschung und Öffentlichkeit umstrittener als Stepinac. Er wurde gleichzeitig als Heiliger, Märtyrer oder Kriegsverbrecher eingeordnet“, lautet die Einschätzung bis heute in vielen wissenschaftlichen Arbeiten (hier zit. nach Simon, Daniela: Religion und Gewalt. Ostkroatien und Nordbosnien 1941– 1945, Stuttgart 2019, 42, Fn. 101). Für ein ausgewogenes Urteil unverzichtbar die vom jugoslawischen Geheimdienst beschlagnahmten Tagebuchaufzeichnungen von Alojzije Stepinac, nun veröffentlicht als: Karaula, Željko (Hg.): Dnevničke zabilješke Alojzija Stepinca 1934–1945. iz arhiva UDBA-e [Die Tagebuchaufzeichnungen von Alojzije Stepinac 1934–1945 aus dem Archiv der UDBA], Zagreb 2020. Nach wie vor zum Verständnis hilfreich auch die älteren (Stepinac
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Klerus – mit einigen Ausnahmen – keine vorbehaltlose Unterwerfung unter das UstašaRegime vorgeherrscht hat. Sicherlich waren Antikommunismus und Unterstützung für den kroatischen Nationalstaat vorherrschend unter den Angehörigen des Klerus, doch demonstrativer Patriotismus ging durchaus einher mit kirchlichem Protest36 gegen die Gewaltpolitik der Ustaša – gegen die Ermordung von Serben, Juden und anderen, gegen Zwangstaufen, Vertreibungen und Verfolgungen.37 Entsprechende Belege finden sich auch in historischen Darstellungen, die ansonsten durchaus kritisch intoniert sind.38 Thema des vorliegenden Beitrags ist aber die Zeit nach 1945 und das Verhältnis des kommunistischen Regimes zur katholischen Kirche in Kroatien.39
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gegenüber positiv inonierten) Biographien von Benigar, Aleksa: Alojzije Stepinac, Hrvatski kardinal [Alojzije Stepinac, kroatische Kardinal], Rom 1974; Alexander, Stella: The Triple Myth. A Life of Archbishop Alojzije Stepinac, Boulder 1987; Horvat, Vladimir: Kardinal Alojzije Stepinac. Mučenik za ljudska prava [Kardinal Alojzije Stepinac. Märyrer für die Menschenrechte], Zagreb 2008; Batelja, Juraj: Blaženi Alojzije Stepinac – svjedok Evanđelja ljubavi. Životopis, dokumenti i svjedočanstva – prije, za vrijeme i nakon Drugog svjetskog rata, Postulatura blaženog Alojzija Stepinca [Der selige Alojzije Stepinac – Zeuge des Evangeliums der Liebe. Biographie, Dokumente und Zeugnisse – vor dem, während des und nach dem Zweiten Weltkrieg], Zagreb 2010. Zuletzt, sehr detailliert und auf dem neuesten Forschungsstand, vgl. Stahl, Claudia: Alojzije Stepinac. Die Biografie, Paderborn 2017. Sicherlich ist dabei zu berücksichtgen, dass einerseits selbst die Proteste von Erzbischof Stepinac die Täter nie beim Namen genannt haben, andererseits dies notwendig war, um seine Rolle als Vermittler und Fürsprecher nicht zu gefährden. Hatte er seine erzbischöfliche Autorität genutzt, um Ustaša-Sympathisanten in den eigenen Reihen zu kritisieren, wie z.B. Bischof Šarić? Offensichtlich wollte in den Jahren 1941-45 Stepinac keinen Konflikt mit dem ustašophilen Teil des Klerus. Vgl. Sojčić, Die ,Lösung‘ der kroatischen Frage u. Vujeva, Tomislav: Kollaboration oder begrenzte Loyalität? Die historiographische Diskussion um Erzbischof Alojzije Stepinac von Zagreb und den katholischen Klerus im Unabhängigen Staat Kroatien (1941–1945), Wien 2009. Zur Geschichte des Unabhängigen Staates Kroatien vgl. Korb, Alexander: Im Schatten des Weltkriegs. Massengewalt der Ustaša gegen Serben, Juden und Roma in Kroatien 1941–1945, Hamburg 2013; Hory, Ladislaus/Broszat, Martin: Der kroatische Ustascha-Staat 1941–1945, Stuttgart 1964; Sundhaussen, Holm: Wirtschaftsgeschichte Kroatiens im nationalsozialistischen Großraum 1941–1945. Das Scheitern einer Ausbeutungsstrategie, Stuttgart 1983; Ders.: Der Ustascha-Staat. Anatomie eines Herrschaftssystems, in: Österreichische Osthefte 37 (1995), 497-533. Vgl. Goldstein, Ivo: Kontroverze hrvatske povijesti 20. stoljeća [Kontroversen aus der kroatischen Geschichte des 20. Jahrhunderts], Zagreb 2019, hier bes. das Kapitel 9: „Nadbiskup i kardinal Alojzije Stepinac – svetac ili kolaboracionist“ [Erzbischof und Kardinal Alojzije Stepinac – Heiliger oder Kollaborateur], 133-148. Sehr instruktiv der synthetische Überblick und die Interpretation von Banac, Ivo: Hrvati i crkva. Kratka povijest hrvatskog katoličanstva u modernosti [Die Kroaten und die Kirche. Kurze Geschichte des kroatischen Katholizismus in der Moderne], Zagreb 2013. In diesem Zusammenhang insbes. Kapitel 14: Krvava kupelj [Blutbad], 95-99, Kap. 15: Komunistička diktatura [Die kommunistische Diktatur], 101-105 u. Kap. 16: Dole papa, dole Rim! [Nieder mit dem Papst, nieder mit Rom!], 107-112. Ebenso sei auf den „Bibliographischen Essay“ im Band verwiesen, auf den Seiten 157-167, u. auf die im Anhang für die Thematik wesentlichen abgedruckten Quellen unter der Überschrift „Dokumente“ auf den Seiten 170-272.
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2. Auf der Grundlage zugänglicher Quellen, von denen etliche mittlerweile auch veröffentlicht vorliegen40, und der verfügbaren Literatur41, lässt sich das Verhältnis zwischen kommunistischem Regime und römisch-katholischer Kirche auf dem Gebiet Jugoslawiens für den Zeitraum zwischen 1945 bis ca. 1960 schwerlich anders beschreiben denn als extrem belastet.42 Schwarz-Weiß-Darstellungen sind natürlich generell beim Versuch, vergangenes Handeln zu verstehen, wenig hilfreich. So ist beispielsweise ebenso historisch belegt, dass katholische Priester aktiv die sog. Volksbefreiungsarmee unter der Führung der KP während des Krieges unterstützten (namentlich lassen sich 118, nach anderen Angaben 75, Geistliche anführen, die aktiv den Widerstand unterstützen) und dass 43 katholische Priester ihr Leben als Mitglieder des antifaschisti40
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Vgl. Akmadža, Miroslav: Crkva i država: Dopisivanje i razgovori između predstavnika Katoličke crkve i komunističke državne vlasti u Jugoslaviji [Kirche und Staat: Korrespondenz und Unterredungen zwischen den Vertretern der Katholischen Kirche und der kommunistischen staatlichen Gewalt in Jugoslawien], Band 1: 1945–1952, Band 2: 1953–1960, Band 3: 1961–1963, Zagreb – Slavonski Brod 2008–2012. Akmadža, Miroslav: Katolička crkva u Hrvatskoj i komunistički režim 1945–1966 [Die Katholische Kirche in Kroatien und das kommunistische Regime 1945–1966], Rijeka 2004; Ders.: Oduzimanje imovine Katoličkoj crkvi i crkveno-državni odnosi od 1945. do 1966. godine: Primjer Zagrebačke nadbiskupije [Die Konfiskation von Kirchenbesitz und die Beziehungen Kirche-Staat von 1945 bis 1966: Das Beispiel des Erzbistums Zagreb], Zagreb 2003; Ders: Stradanja svećenika Đakovačke i Srijemske biskupije 1944–1960 [Die Verfolgung der Priester in den Bistümern Đakovo und Syrmien 1944–1960] Slavonski Brod – Đakovo 2012; Ders.: Položaj Katoličke crkve u Hercegovini u prvim godinama komunističke vladavine [Die Stellung der katholische Kirche in der Herzegowina in den ersten Jahren der kommunistischen Herrschaft], in: Ivica Lučić (Hg.), Hum i Hercegovina kroz povijest: Zbornik radova s međunarodnog znanstvenog skupa održanog u Mostaru 5. i 6. studenoga 2009., knj. II [Hum und die Herzegowina in der Geschichte: Sammelband zur internationalen Konferenz in Mostar vom 5. u. 6. November 2009], Zagreb 2011, 491508; Alexander, Stella: Church and State in Yugoslavia since 1945. Cambridge 1979; Baković, Anto: Stradanje Crkve u Hrvata u Drugom svjetskom ratu: Svećenici žrtve rata i poraća [Die Verfolgung der Kirche unter den Kroaten im Zweiten Weltkrieg: Priester als Opfer des Krieges und der Nachkriegszeit], Zagreb 1994; Ders.: Hrvatski martirologij XX. stoljeća: Svećenicimučenici Crkve u Hrvata [Das kroatische Verzeichnis der Märtyrer des 20. Jahrhunderts. PriesterMärtyrer der Kirche unter den Kroaten], Zagreb 2007; Karaula, Marijan: Žrtve i mučenici stradanja bosanskih franjevaca u Drugom svjeskom ratu i komunizmu [Opfer und Märtyrer der Verfolgung der bosnischen Franziskaner im Zweiten Weltkrieg und während des Kommunismus], Sarajevo 1999; Kožul, Stjepan: Stradanja u zagrebačkoj nadbiskupiji za vrijeme Drugoga svjetskoga rata i poraća [Verfolgungen im Erzbistum Zagreb zur Zeit des Zweiten Weltkieges und der Nachkriegszeit], Zagreb 2004; Krišto, Jure: Katolička crkva u totalitarizmu 1945–1990.: Razmatranja o Crkvi u Hrvatskoj pod komunizmom [Die Katholische Kirche während des Totalitarismus 1945–1990: Betrachtungen über die Kirche in Kroatien unter dem Kommunismus], Zagreb 1997. Manche Autoren haben gar vom „Krieg gegen die organisierte Religion“ in Tito-Jugoslawien gesprochen und betont: „Die Tiefe der kommunistischen Feindschaft gegen die Religion sollte nicht unterschätzt werden, und dies gilt vielleicht ganz besonders im Hinblick auf die Römisch-Katholische Kirche, die nach der – keineswegs völlig unberechtigten – Ansicht des kommunistischen Regimes Sympathien für die Ustaše gehabt hatte.“ Vgl. Ramet, Sabrina P.: Die drei Jugoslawien. Eine Geschichte der Staatsbildungen und ihrer Probleme, München 2011, 277.
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schen Widerstands verloren.43 Unter den Opfern des Ustaša-Lagers Jasenovac beispielsweise befanden sich auch acht katholische Geistliche. Monsignor Svetozar Rittig, in der Zwischenkriegszeit Seelsorger und Gemeindepfarrer in der Markus-Kirche in Zagreb, war ab 1943 einer dieser aktiven Teilnehmer am antifaschistischen Kampf, Mitglied des Partisanenparlaments ZAVNOH (Antifaschistischer Landesrat der Volksbefreiung Kroatiens) und Mitglied der Regierung in der Volksrepublik Kroatien zwischen 1946 und 1954.44 Das Protokoll der 2. Sitzung dieses Partisanenparlaments in Plaško vom 12. Oktober 1943 verzeichnet Monsignor Rittigs Worte, dass er „noch niemals“ an einer Versammlung teilgenommen habe, auf der „so gesunde Ideen, so große politische Ideen, wie auf unserer heutigen Versammlung“ geäußert worden seien. Mitten im Krieg drückte dieser katholische Geistliche seine Hoffnung auf den Sieg der antifaschistischen Kräfte folgendermaßen aus: „Ich glaube, dass die Auferstehung unseres Volkes nicht mehr weit ist. Gott wird sie uns schenken!“ Solche Verbündete innerhalb der Volksfront sahen die Kommunisten natürlich gerne45, aber nichtsdestotrotz lässt sich an der generellen Einstellung der KP gegenüber Glauben und Kirche kaum zweifeln – wenngleich nach außen hin jeglicher militantee Atheismus zurückgehalten wurde, während eine Volksfront-Taktik verfolgt wurde. Die Zahl der propagandistischen Texte aber dann in der ersten Nachkriegszeit, als die Schlüsselpositionen der Macht erobert waren, mit denen das Regime versuchte einen „wissenschaftlichen Atheismus“ ins Volk zu tragen, sind Legion. Mit Verweis auf Marx wurde die Religion als falsches Bewusstsein und ideologische Waffe der Ausbeuter im Kampf gegen die ausgebeuteten Voksmassen bezeichnet. Die Befreiung ebendieser Massen konnte folglich nur durch die Durchsetzung des „wissenschaftlichen Marxismus“ gelingen. Religion wurde offiziell zur Privatsache des Einzelnen erklärt, keinesfalls durfte die Autorität der Partei in Frage gestellt werden, die einzig und allein bestimmte, was als „politisch“ zu gelten hatte. Ein unabhängiges alternatives Machtzentrum, möglicherweise als Kristallisationskern für Opposition, war den jugoslawischen Kommunisten mehr als verdächtig. Sieht man sich die in der Literatur genannten Zahlen der während des Krieges durch Angehörige der Partisanen getöteten katholischen Priester an, die bereits Jozo Tomasevich in seiner in der Emigration entstandenen Studie zu Krieg und Revolution in Jugoslawien anführt, 43 44
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Vgl. Petešić, Ćiril: Katoličko svećenstvo u NOB 1941–1945 [Die katholische Priesterschaft im Volksbefreiungskrieg 1941–1945], Zagreb 1982, 274-276. Vgl. Matijević, Margareta: Između partizana i „pristojnosti“. Život i doba Svetozara Rittiga (1873–1961.) [Zwischen Partisanen und „Anstand“. Leben und Zeitalter Svetozar Rittigs (1873– 1961)], Zagreb 2019. Der Schriftsteller Miljenko Jergović hat unlängst in seiner Besprechung von Margareta Matijevićs Biographie Rittigs treffend formuliert: „Svetozar Rittig konnte unter den Partisanen nicht nur Antifaschist bleiben – was er tatsächlich schon vorher gewesen war – und kroatischer Jugoslawe – was er ebenfalls war – und, eventuell, christlicher Sozialist, was er nur eingeschränkt war […], sondern er wurde auch zum politischen Agitator, Propagandisten und nützlichen Idioten der sozialistischen Revolution und der Kommunistischen Partei, und von Josip Broz Tito, den er bei jeder Gelegenheit feierte und hochleben ließ, exakt so sehr und auf solche Weise wie, und wie sehr, (beispielsweise) der bosnische Erzbischof Ivan Evanđelista Šarić Ante Pavelić feierte und hochleben ließ, bisweilen, bei Gott, auch Adolf Hitler selbst.“ Vgl. Jergović, Miljenko: Pokušaj Svetozara Rittiga da svoje stado i sebe nauči vještini stida [Der Versuch Svetozar Rittigs, seiner Herde und sich selbst die Kunst der Scham beizubringen], in: Jutarnji list, 25. 01. 2020., 58-59, hier 59.
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so wird deutlich, dass das Fundament für die katastrophale Beziehung zwischen Regime und Kirche nach 1945 natürlich bereits während des Krieges gelegt wurde.46 Tomasevich führt 354 getötete katholische Priester während des Krieges und 31 nach Kriegsende an, insgesamt 385.47 Miroslav Akmadža erwähnt in seiner Untersuchung die Berechnungen von Ivo Omrčanin, der die Zahl der getöteten katholischen Geistlichen bis Ende 1945 auf insgesamt 330 beziffert und bis 1946 auf die Zahl von 380 getöteten Geistlichen kommt (nur für das Jahr 1945 nennt er die Zahl von 206 getöteten Geistlichen, bis Ende 1951 noch 30).48 Lucijan Kordić führt die Zahl von 320 getöteten Geistlichen an, Ante Beljo von 330, Vinko Nikolić von 384. Der damalige Erzbischof Alojzije Stepinac selbst sprach in seinem Hirtenbrief, von dem später noch die Rede sein wird, im September 1945 von 243 getöteten und 89 vermissten Priestern. Auch diese schrecklichen Zahlen (ebenso wie die oben angeführten über die Zahl der Opfer bei Kriegsende) sprechen eine deutliche Sprache, ungeachtet der Tatsache, dass sie variieren. So gut wie nie wurden die Schuldigen auch nur einem Verfahren unterzogen. In den allermeisten Fällen zog die Tötung eines Priesters, ebenso wie die eines „Volksfeindes“ überhaupt keine Sanktionen nach sich. Falls es bei Morden an Geistlichen doch in seltenen Fällen zu Verurteilungen kam, so waren diese oft, wie es Miroslav Akmadža nennt, nur pro forma. In der Lokalstudie von Ante Bralić über die Situation in Zadar wird das Beispiel von Eugen Šutrina geschildert, der Prieser des Erzbistums Zadar war und am 26. November 1945 von zwei, wie es hieß, kommunistischen Sympathisanten, Petar Ćurko und Ivan Pavlović Đani, getötet wurde. Obwohl die beiden Täter vom Gericht zu 14 Jahren Haft und 8 Jahre Verlust der Bürgerrechte verurteilt wurden, kamen sie bereits 1947 auf Bewährung frei, und 1950 bzw. 1951. wurde ihnen die Haftstrafe vollkommen erlassen.49 In seiner Studie über die katholische Kirche im sozialistischen Kroatien 1945–198050 hat Miroslav Akmadža detailliert heraus46
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Ebenso ließen sich freilich auch zahlreiche antikommunistische kirchliche Aufrufe, Verlautbarungen und Texte aus der Kirchenpresse der Jahre 1941-45 anführen, die deutlich machen, dass es sich um beiderseitige komplette Ablehnung handelte. Tomasevich, Jozo: War and Revolution in Yugoslavia, 1941–1945. Occupation and Collaboration, Stanford 2001, 572. Zahlen auch bei Akmadža, Miroslav: Primjena represivnog sustava prema Katoličkoj crkvi [Anwendung des Repressionsapparats gegenüber der katholischen Kirche], in: Komisija Hrvatske biskupske konferencije i Biskupske konferencije Bosne i Hercegovina za hrvatski martirologij (Hg.): Hrvatski mučenici i žrtve iz vremena komunističke vladavine. Zbornik radova s međunarodnog znanstvenog skupa održanog u Zagrebu 24. i 25. travnja 2012. [Kommission der Kroatischen Bischofskonferenz und der Bischofskonferenz von Bosnien und Herzegowina für die kroatische Martirologie (Hg.): Kroatische Märtyrer und Opfer aus der Zeit der kommunistischen Herrschaft. Tagungsband der internationalen wissenschaftlichen Tagung vom 24. und 25. März 2012 in Zagreb], Zagreb 2013, 85-106, hier 86. Vgl. Akmadža: Primjena represivnog sustava, 87 mit Verweis auf Kožul, Stjepan: Martirologij Crkve zagrebačke. Spomenica žrtvama Zagrebačke nadbiskupije [Martyrologium der Zagreber Kirche. Gedenkschrift für die Opfer des Erzbistums Zagreb], Zagreb 21998, 225. Vgl. Bralić, Ante: Odnos državnih vlasti prema Katoličkoj crkvi u Zadru od 1944. do 1948. godine [Das Verhältnis der Regierungsbehörden gegenüber der katholischen Kirche in Zadar 1944 bis 1948], in: Zadar i okolica od Drugog svjetskog rata do Domovinskog rata, Zadar 2009, 18-19. Vgl. Akmadža, Miroslav: Katolička crkva u komunističkoj Hrvatskoj 1945–1980 [Die katholische Kirche im kommunisischen Kroatien 1945–1980], Zagreb 2013.
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gearbeitet, dass sich die KP des Einflusses der Kirche in breitesten Schichten unter den Kroaten sehr wohl bewusst war. Nicht nur als Religionsgemeinschaft und ideologischen Antipoden, sondern fast noch mehr als unabhängige Institution und als möglicher Kristallisationspunkt von Opposition wurde die katholische Kirche von den regierenden Kommunisten als Bedrohung perzipiert, und das Vorgehen der KP, nachdem die erste Welle des Terrors verebbt war, unterlag stets einem taktischen Kalkül. In kirchlichen Kreisen um Erzbischof Stepinac wurde der Versuch des Regimes, eine Abspaltung einer katholischen Volkskirche von Rom durchzusetzen, die dann, so die Erwartung, sehr viel leichter vom Staat kontrollierbar wäre, ebenfalls als akute Bedrohung wahrgenommen.51 Als es der radikalsten anti-kirchlichen und antichristlichen Gruppierung in Gestalt der Kommunistischen Partei 1945 gelang, an die Macht zu kommen, war das Misstrauen auf beiden Seiten bereits tief verwurzelt. Der Kommunismus war als Ideologie von der größten Autorität der katholischen Kirche, durch Papst Pius XI., unmissverständlich verurteilt worden. In seiner Enzyklika Divini Redemptoris hatte der Papst 1937 betont, dass der Kommunismus „seinem Wesen nach“ schlecht sei. Noch vor der Veröffentlichung dieser Enzyklika hatte in Kroatien Alojzije Stepinac unmittelbar vor seiner Ernennung zum Zagreber Koadjutor in einem Gespräch mit dem jugoslawischen König Aleksandar, dessen diktatorisches Regime strikt antikommunistisch ausgerichtet war und die Sympathisanten der illegalen KP hart verfolgte, 1934 in Belgrad gesagt, dass die katholische Kirche dem Kommunismus gewachsen und imstande sei mit ihm zu ringen, woraufhin der König geantwortet hatte, dass es auch seine Überzeugung sei, dass allein die katholische Kirche imstande ist, die Front gegen den Kommunismus zu halten. Tatsächlich waren der Widerstand gegen den Kommunismus und die Verurteilung der kommunistischen Ideologie ein sehr häufiges Thema in den Kirchenzeitungen, so auch im Katolički list (Katholisches Blatt), dem offiziellen Organ des Zagreber Erzbistums. In der Zeit von 1941 bis 1945 veröffentlichte diese Zeitung zahlreiche scharf-antikommunistische Artikel, in denen dieser nicht nur als der größte Feind der katholischen Kirche, sondern auch aller anderen Religionen bezeichnet wurde. Ferner wurde betont, dass der Kommunismus in seinem Kampf gegen die Christen sogar noch die Verfolgungen der Urchristen übertreffe, kurzum, dass niemals in der Geschichte […] ein Irrtum so vielseitig und gründlich organisiert gewesen sei wie der Kommunismus. Wie gestaltete sich nun das Verhältnis zwischen dem neuen kommunistischen Regime und der katholischen Kirche in Kroatien, nachdem die siegreiche Tito-Armee in Zagreb eingezogen war?52 Bereits am 2. Juni 1945, sofort nach seiner Ankunft in Zagreb, bestellte Tito, zusammen mit dem Mitte April in Split zum Regierungschef der kroatischen Teilrepublik 51 52
Ebd., 18-19. Die folgende Darstellung stützt sich auf die hier angegebene Literatur und in den angegebenen Werken abgedruckte Dokumente, insbesondere auf die einschlägigen Arbeiten von Miroslav Akmadžda und Ivo Banac. Die im Text verwandten wörtlichen Zitate sind alle von mir übersetzt. Vgl. auch KisićKolanović, Nada: Pisma zagrebačkog nadbiskupa Alojzija Stepinca predsjedniku narodne vlade Hrvatske Vladimiru Bakariću [Briefe des Zagreber Erzbischofs Alojzije Stepinac an den Präsidenten der Volksregierung Kroatiens], in: Croatica Cristiana Periodika, Nr. 29, XVI, Zagreb 1992, 143-155.
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bestimmten Vladimir Bakarić, Vertreter des Zagreber Erzbistums zu einem Treffen ein. Erzbischof Stepinac war seit dem 17. Mai in Haft. Vertreter des Kirche waren die Bischöfe Franjo Salis-Seewis und Josip Lach, wie auch die Kanoniker Nikola Borić, Stjepan Bakšić, Nikola Kolarek, Andrija Živković, der Jesuitenpater Karlo Grimm, der Priester Mijo Selec sowie die Vorsteher des Franziskaner- und Dominikanerordens. Anwesend war auch der bereits erwähnte Monsignor Svetozar Rittig. Bei diesem Treffen gab Bischof Salis-Seewis seiner Hoffnung Ausdruck, dass der internierte Erzbischof Stepinac alsbald wieder seinen Amtspflichten würde nachgehen können, und betonte die Wichtigkeit der katholischen Kirche für das kroatische Volk. Auch unter den neuen Bedingungen, so betonte er, sei die geistliche Mission der Kirche der Nutzen jedes Einzelnen, aller Gläubigen, Familien und des gesamten Staatswesens. Ebenfalls drückte er seine Hoffnung aus, dass die von der antifaschistischen Volksfront-Regierung verkündete „Deklaration über die Freiheit des Glaubens und Gewissens, der christlichen Erziehung im Schulunterricht und des Privateigentums“ weiterhin Gültigkeit besitze. Tito verlangte im Gespräch die Ausarbeitung einer Denkschrift, aus der die Stellung der Kirche zu ihrer zukünftigen Rolle in Kroatien hervorgehen müsse, und kritisierte den Vatikan wegen seiner, wie er sich ausdrückte, Sympathien für den italienischen Staat. Er vertrat die These, dass die katholische Kirche in Kroatien eine nationale sein müsse und forderte größere Unabhängigkeit im Verhätnis zum Heiligen Stuhl. Weiterhin sprach Tito über die Schaffung des neuen Jugoslawien und betonte, dass es in dieser Gemeinschaft mehr Orthodoxe als Katholiken geben werde und drückte seine Erwartung aus, dass das Verhältnis der beiden Konfessionen zueinander mit der Idee einer Annäherung der slawischen Völker einhergehen werde. Offensichtliches Ergebnis des Treffens war die Freilassung von Erzbischof Stepinac am nächsten Tag. Am Tag danach, dem 3. Juni 1945, empfing Tito, wiederum zusammen mit Vladimir Bakarić, den Gesandten des Papstes, Abt Giuseppe Ramiro Marcone, und dessen Sekretär Giuseppe Masucci. Marcone bezeichnete bei dieser Begegnung Tito gegenüber die kommunistische Politik als verfehlt und verurteilte die Pressekampagne gegen den Heiligen Stuhl. Auch verwies er auf die Unzufriedenheit im Volke mit der vom Regime verfolgten atheistischen Politik. Am 4. Juni 1945 fand dann in Zagreb das Treffen mit Erzbischof Stepinac statt, bei dem dieser Tito gegenüber unmissverständlich klarstellte, dass nur der Heilige Stuhl für die Kirche Entscheidungen treffen könne. Weiterhin verteidigte Stepinac die Rolle des Vatikans während des Krieges und schlug Tito ein Treffen mit der Führung der Kroatischen Bauernpartei und mit anständigen Anhängern der Ustaša-Bewegung vor und bat darum, menschliche Leben zu schonen, wo immer das möglich sei. Tito verlangte die Unterstützung der katholischen Kirche in der Istrien-Frage, bezüglich der neuen Grenzen mit Italien. Stepinac betonte, dass die katholische Kirche die größten Verdienste habe, dass Istrien überhaupt Teil Kroatiens geblieben sei. Am Ende des Gesprächs gab der Erzbischof seiner Hoffnung Ausdruck, dass es möglich sei, bei beidseitigem gutem Willen, alle Schwierigkeiten im Verhältnis zu lösen. Doch die Spannungen im Verhältnis der neuen Machthaber und der Kirche nahmen mit jedem Tag zu. Aus dem Schreiben des Erzbistums vom 5. Juni 1945 an die Regierung des Föderativen Kroatien geht die Klage der Kirchenleitung über die atheistische Propaganda
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unter der Jugend hervor und über die Entfernung christlicher Symbole aus den Schulen, ebenso wurden öffentliche Versammlungen angesprochen, bei denen der Erzbischof und Kleriker in übelster Form angegriffen und verleumdet worden seien. Im Brief wurde angeführt, dass mehr als 100 Priester und Ordensleute schuldlos in Haft säßen. Nachdem auf das Schreiben keine Antwort erfolgt war, schrieb der Erzbischof am 25. Juni noch einmal an Vladimir Bakarić. Nun war die Rede von 3 Bischöfen und über 200 Priestern und Ordensleuten, die in Lagern interniert seien. Tatsächlich waren einige von ihnen zu diesem Zeitpunkt bereits hingerichtet worden. Weiterhin wurde in diesem Schreiben die Möglichkeit verlangt, dass die Kirche ungestört Religionsunterricht anbieten könne, und es wurde gegen die Abschaffung des Religionsunterrichts in den höheren Klassen der Mittelschulen protestiert, ebenso wie gegen die unmenschliche Behandlung gegenüber militärischen und zivilen Gefangenen in den Lagern. Weiterhin wurde gefordert, den Zutritt von Geistlichen zu diesen Gefangenen zu ermöglichen. Beim Treffen am 28. Juni 1945 zwischen Stepinac und Bakarić in Zagreb übergab der Erzbischof eine Liste mit verhafteten Zivilisten, wobei er von der großen Ungerechtigkeit sprach, die mit diesen Massenverhaftungen begangen würden. Wiederum erfolgte auf das Schreiben des Erzbischofs keine offizielle Antwort seitens der Regierung. Nochmals wandte sich Stepinac mit einem scharfen Brief vom 21. Juli 1945 direkt an Bakarić, in dem er auf die Situation der Priester in Haft verwies. Als Probleme wurden in diesem Schreiben weiterhin angesprochen: Erziehungsfragen, Konfiskation von Kirchenbesitz, Zerstörung von katholischen Friedhöfen, Beschlagnahme von katholischen Presseerzeugnissen und Schließung von Druckereien. Von Tito und der neuen Regierung wurde verlangt, der katholischen Presse die Tätigkeit zu ermöglichen, ebenso die freie Betätigung katholischer Schulen, die volle Freiheit des Religionsunterrichts in allen Klassen der Grund- und Mittelschulen, generell die volle Achtung der unveräußerlichen individuellen Rechte und der Menschenrechte, die Achtung der kirchlichen Eheschließung, die Rückgabe aller beschlagnahmten Werte und die Wiedereröffnung aller geschlossenen kirchlichen Einrichtungen und Institutionen. Wiederum erfolgte keine Antwort seitens der neuen kommunistischen Regierung. Vom 17.-22. September 1945 kamen in Zagreb alle katholischen Bischöfe aus dem Gebiet Jugoslawiens zusammen.53 Sechs Jahre waren seit dem letzten Treffen vergangen, noch zu Zeiten des damaligen Königreichs Jugoslawien. Die Verhältnisse waren nun vollkommen andere. Am ersten Sonntag nach der Bischofskonferenz, dem 30. September 1945, wurde dann der Bischöfliche Hirtenbrief von Erzbischof Stepinac an alle katholischen Gläubigen in allen katholischen Kirchen auf dem Staatsgebiet
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Alojzije Stepinac, der Erzbischof von Zagreb, war Vorsitzender der Bischofskonferenz, die weiteren Mitglieder waren die Bischöfe Nikola Dobrečić (Bistum Bar und serbischer Primas), Josip Ujčić (Bistum Belgrad und apostolischer Administrator des Banat), Jerolim Mileta (Bistum Šibenik), Kvirin Klement Bonefačić (Bistum Split), Josip Srebrnić (Bistum Krk), Miho Pušić (Bistum Hvar), Josip Tomažić (Bistum Maribor), Viktor Burić (Bistum Senj-Modruš), Smiljan Čekada (Bistum Skopje), Petar Čule (Bistum Mostar), Antun Akšamović (Bistum Đakovo), Lajčo Budanović (Subotica), Antun Buljan (Sarajevo), Božo Ivaniš (Banja Luka), Anton Vovk (Ljubljana), Ivan Jerić (Übermurgebiet), Ivan Djuro Višošević (Križevci).
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verlesen.54 Nachdem zunächst angeführt wurde, dass der neue Staat die „Freiheit der Religionsausübung und die Gewissensfreiheit wie auch den Privatbesitz“ versprochen hätte zu achten, hörten die katholischen Gläubigen im ganzen Land nun von den Kanzeln von 243 toten Geistlichen, 169 in Gefängnissen und Lagern internierten, von 89 Vermissten, von 19 getöteten Klerikern, 3 getöteten Laienmönchen, 4 getöteten Ordensschwestern, 28 getöteten Franziskanermönchen, und es wurden noch weitere Verhaftungen von Kirchenleuten und Beispiele für Repression aufgezählt. Deutlich wurden auch die Schikanen benannt, denen Kirchenleute und der Kirche Nahestehende ausgesetzt seien. Auch wurde konstatiert, dass die Publikation katholischer Presseerzeugnisse vollkommen verunmöglicht worden sei: Druckereien seien geschlossen worden, das Papier beschlagnahmt, kein einziger der vor dem Krieg hundert Titel könne mehr erscheinen. Der Religionsunterricht in der Schule sei degradiert worden zu einem Wahlfach, Priesterausbildungsseminare seien geschlossen worden, wie auch andere kirchliche Institutionen. Über die Lehre der Kirche werde sich in der Öffentlichkeit lustig gemacht, es sei die Zivilehe eingeführt worden, selbst die karitativen Aktivitäten der Kirche würden behindert. Gleichfalls wurde hingewiesen darauf, dass die vom Staat verordnete Agrarreform nicht nur ein „großes Unrecht“ sei, sondern eine „normale Ausübung des kirchlichen Lebens“ verunmögliche. Ebenfalls fand die Verwüstung Grabstätten feindlicher Soldaten Erwähnung, wo doch selbst der Feind nach dem Tod aufhöre, ein Feind zu sein. Auch diesem gebühre „nach den ungeschriebenen Gesetzen der menschlichen Zivilisation, die der christlichen Liebe entspringen, das Recht auf eine anständige Grabstätte.“55 Diese offenen Worte riefen in den Reihen der Machthaber zunächst so etwas wie einen Schock hervor. Der Hirtenbrief wurde als frontaler Angriff auf den neuen Staat und die Partei wahrgenommen. Trotz des Versuchs der staatlich gelenkten Presse eine Spaltung innerhalb der Kirche hervorzurufen, durch den Verweis auf einzelne Geistliche, die sich geweigert hätten diesen Hirtenbrief zu verlesen, war die Resonanz auf diesen Hirtenbrief im In- und Ausland groß. So protestierte der Heilige Stuhl am 18. Oktober 1945 offiziell bei der jugoslawischen Regierung gegen die Glaubensverfolgungen und nutzte dabei Formulierungen aus dem Hirtenbrief. Die katholischen Bischöfe auf dem Gebiet des jugoslawischen Staates hatten beklagt, dass „vor unseren Augen sozusagen alles verschwindet, was einst das Fundament des alltäglichen Lebens ausgemacht“ habe. Die „Staatsgewalt und die Rechtsprechung, das Schulwesen und die Wirtschaft“ seien „von neuem, revolutionären Geist durchsetzt.“ Besonders schmerze „der materialistische und gottlose Geist, der sich heute öffentlich und geheim, offiziell und inoffiziell in unserer Heimat breitmache. „Wir“, hieß es, „die katholischen Bischöfe Jugoslawiens, als Lehrer der Wahrheit und Vertreter des Glaubens, verurteilen entschieden diesen materialistischen Geist, von dem die Menschheit nichts Gutes zu erwarten hat.“56
54 55 56
Vgl. Pastirsko pismo katoličkih biskupa Jugoslavije, abgedruckt u.a. bei Banac, Hrvati i crkva, 202-212, auch bei Batelja, Bd. III, dokumenti. Ebenda. Ebenda, 202 u. 210.
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Über die Verlesung des Hirtenbriefes des Zagreber Erzbischofs Stepinac wurde auch von Radio London und in einigen französischen Nachrichtensendern berichtet. Im Hausarrest, den er in seiner Heimatgemeinde Krašić verbrachte, vertrat Stepinac 1957 bei einem Gespräch mit dem Ortspfarrer auch im Rückblick die Position: Niemals habe ich es bereut, dass wir so aufgetreten sind. Hätten wir geschwiegen, wäre es noch schlimmer gekommen. Alles hätten sie mir verziehen, wenn es nur nicht diesen für sie ‚unglücklichen Brief’ gegeben hätte. Für das kommunistische Regime hingegen war das Hirtenschreiben der gebotene Anlass, den Kampf gegen die katholische Kirche zu intensivieren. Titos öffentliche Antwort erfolgte am 25. Oktober 1945. Er griff die Bischöfe scharf an und stellte die Frage, warum solch ein Brief nicht zu Zeiten des Ustaša-Staates ausgegeben worden sei und warum die Bischöfe ihre Stimme nicht gegen die Verfolgung und Tötung der Serben in Kroatien auf diese Weise erhoben hätten? Offensichtlich, so Tito, seien die Bischöfe nun zu Opfern bereit, und zu Zeiten der Ustaša hätten sie nicht aus Angst geschwiegen, sondern weil sie die Ustaša unterstützt hätten. Von Verfolgung der katholischen Kirche in Kroatien könne keine Rede sein, es würden nur die Schuldigen bestraft. Zusammen mit einer ganzen Reihe von Maßnahmen, die bereits vorher ergriffen worden waren, kam es nun zur direkten Konfrontation zwischen dem kommunistischem Regime und der katholischen Kirche. Bereits das Gesetz über die Durchführung der Agrarreform auf dem gesamten Staatsgebiet vom 23. August 1945 (noch bevor die verfassungsgebende Versammlung formal gewählt war), hatte die katholische Kirche als einen der größten Landbesitzer schwer getroffen. Alle kirchlichen Güter, die größer waren als 10 ha, wurden expropriiert (die Obergrenze betrug ansonsten 35 ha), was bedeutete, dass ca. 85% aller kirchlichen Besitzungen enteignet wurden. In der Öffentlichkeit wurde der Konflikt mit der Kirche seitens des Regimes als Konflikt erklärt, zu dem es in erster Linie aufgrund des Kampfes der Kirche um ihre Privilegien gekommen sei, und dass es sozial und gerecht sei, der Kirche das Land zu nehmen, um es den landlosen Bauern zu geben. Der christliche Glaube sei Privatsache. Auch die Kirche in Kroatien hatte feststellen müssen, dass sie Titos Beteuerungen zum Trotz, der bei den Gesprächen mit Stepinac in Zagreb versprochen hatte, die Kirche vorab über den genauen Wortlaut des Gesetztes zu informieren, vor vollendete Tatsachen gestellt worden war. Damit nicht genug, für die Flächen, die in Kirchenbesitz verblieben waren, waren so hohe Steuern zu zahlen, dass die Mehrheit der Gemeinden diese nicht aufbringen konnte, was zu zahlreichen Eingaben an den Erzbischof führte, in denen örtliche Geistliche um Erlaubnis baten, das Land an Bauern oder Genossenschaften verkaufen zu dürfen, wofür die Zustimmung in vielen Fällen direkt vom Heiligen Stuhl gegeben wurde. Der katholische „Episkopat des Demokratischen Föderativen Jugoslawien“, wie der Staat in jener Zwischenphase, während das Königreich noch nicht offiziell abgeschafft und durch die Republik ersetzt war, hieß, hatte im Hirtenbrief auch seine Besorgnis über die Zustände und die unmissverständliche Ablehnung der Ideologie der neuen Machthaber ausgesprochen. „Im Namen der ewigen Wahrheit“, hatte es im Schreiben geheißen, „erheben wir unsere Stimme vor euch allen, teure Gläubige, zur Verteidigung
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der ungerecht verurteilten Geistlichen. Doch nicht nur für diese, sondern auch für jene abertausende eurer Söhne, eurer Brüder, die wie sie zum Tode verurteilt wurden, ohne sich verteidigen zu können, wie es jeder Kulturstaat erlaubt.“ Der kommunistischen Ideologie war auch folgender Passus gewidmet, in der „all jene Ideologien, und all jene gesellschaftlichen Systeme“ verurteilt wurden, welche „ihre Lebensformen nicht erbauen auf den ewigen Grundsätzen der Offenbarung und des Christentums, sondern auf dem hohlen Fundament einer materialistischen, also gottlosen philosophischen Lehre.“57 Geendet hatte der Hirtenbrief mit den Worten: „Deswegen fordern wir, und davon werden wir niemals und unter keinen Umständen Abstand nehmen: volle Freiheit für die katholische Presse, volle Freiheit für die katholischen Schulen, volle Freiheit des Religionsunterrichts in allen Klassen der unteren Mittelschulen, volle katholische Assoziationsfreiheit, Freiheit für die katholische karitative Tätigkeit, volle Freiheit der menschlichen Person und ihrer unveräußerlichen Rechte, volle Achtung der christlichen Ehe, Rückgabe aller entzogener Anstalten und Institutionen.“ Nur so, machten die Bischöfe deutlich, könnten „die Dinge in unserem Staat in Ordnung gebracht werden“, und nur so könne es „zu einem dauerhaften inneren Frieden kommen […].“58 Die Staats- und Parteiführungen Jugoslawiens und Kroatiens interpretierten den Hirtenbrief, wie es u.a. der kroatische Historiker Dušan Bilandžić feststellt, der damals überzeugter Kommunist war, als „politische Rechtfertigung des Unabhängigen Staates Kroatien und als Verteidigung und Einsatz für seine Rechte im In- und Ausland“. Gleichzeitig war es in den Augen der Partei der Kampf der Kirche um ihre materiellen Güter. In den Augen der neuen Macht verteidigte die Kirche zäh ihre „alte Rolle in der Gesellschaft“. Das Ziel der katholischen Kirche sei, so waren die Kommunisten überzeugt, „die neue Ordnung zu stürzen, in Koordination mit dem allgemeinen Angriff der ehemaligen bürgerlichen Politiker im In- und Ausland, die mit den westlichen Staaten verbunden waren.“ Tatsächlich liegt die Schlussfolgerung nahe, dass ein Kompromiss zwischen Kommunisten und Klerus zu jener Zeit „offensichtlich unmöglich“ war.59 Der Druck des Regimes auf die katholische Kirche nahm stetig zu. Schließlich erfolgten am 18. September 1946 die Anklage und Verhaftung von Erzbischof Stepinac. Tatsächlich besteht in der Forschung heute „kein Zweifel mehr daran“, dass der Prozess und die Verurteilung von Stepinac 1946 als Kollaborateur und mittelbar Verantwortlicher für Verbrechen des Ustaša-Regimes montiert60 waren. Tatsächlich ging es darum, „den in Stepinac verkörperten Widerstand der katholischen Kirche gegen die forcierte Säkularisierungspolitik nach Möglichkeit zu schwächen und den Erzbischaf abzustrafen für sein Beharren auf unbedingter Romtreue.“61 Die Verteidigung bei die57 58 59 60
61
Ebenda, 210. Ebenda, 211. Bilandžić, Hrvatska moderna povijest, 257. Vgl. die Quellenpublikationen Pattee, Richard: The case of Cardinal Aloysius Stepinac, Milwaukee 1953 u. Štambuk-Škalić, Marina: Gradivo: Dokumenti obrane u sudskom postupku protiv nadbiskupa Alojzija Stepinca I/II/III [Quellen: Dokumente zur Verteidigung im gerichtlichen Prozess gegen Erzbischof Alojzije Stepinac I/II/III], in: Fontes: izvori za hrvatsku povijest 2. Jg., Nr. 1 (1996). So unlängst Ludwig Steindorff in seiner Rezension von Stahl, Claudia: Alojzije Stepinac. Die Biografie, Paderborn 2017 (Jahrbüchern für Geschichte Osteuropas (2020)).
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sem Prozess wurde vom Gericht stark behindert, so wurden z.B. von den 47 geladenen Zeugen nur sieben zugelassen. Der Vorwurf lautete summarisch auf die Zusammenarbeit mit dem Ustaša-Regime, Zwangskonvertierung der orthodoxen Christen und Widerstand gegen die neue Staatsgewalt. Vor dem Prozess, der vor allem vom Vatikan stark kritisiert wurde, bot die jugoslawische Regierung dem Apostolischen Nuntius an, Stepinac möge versetzt werden, erhielt jedoch keine Antwort. Papst Pius XII. bezeichnete das Verfahren gegen Stepinac als „den traurigsten Prozess in der Kirchengeschichte“ (tristissimo processo). Neben dem Vatikan protestierten auch westliche Staatsmänner und Geistliche gegen die Inhaftierung. Das Urteil, 16 Jahre Haft, wurde am 11. Oktober 1946 gesprochen. Stepinac wurde nach fünf Jahren in der Haftanstalt Lepoglava in seine Heimatgemeinde Krašić entlassen und dort im örtlichen Pfarrhaus unter Hausarrest mit ständiger Beobachtung durch die Polizei gestellt. Der Arrest bestand bis zu seinem Tode und hinderte ihn auch daran, das Amt des Kardinals auszuüben, zu dem er am 29. November 1952 ernannt wurde. Die Tatsache, dass Stepinac Titos Vorschlag einer national-kroatischen katholischen Kirche abgelehnt hatte, die unabhängig vom Vatikan zu sein habe, und der offen geäußerte Protest gegen die von den Kommunisten eingeleiteten anti-kirchlichen Maßnahmen, waren für die KP Grund genug, ein Exempel zu statuieren. Als zusätzliche Provokation wurde von Tito und dem Regime der Umstand gewertet, dass Papst Pius XII. Alojzije Stepinac am höchsten jugoslawischen Feiertag, der als Tag der Republik am 29. November begangen wurde, die Kardinalswürde verliehen hatte. Infolge dessen brach Jugoslawien sogar die diplomatischen Beziehungen mit dem Vatikan ab. Kardinal Stepinac starb am 10. Februar 1960 in seinem Haus, er wurde unter Teilnahme von 18 Bischöfen, 500 Priestern und mehr als 100.000 Gläubigen in der Zagreber Kathedrale beigesetzt. In der Literatur findet sich die Auffassung, dass Stepinac konsequent die antikommunistische Politik von Papst Pius XII (1939–1958) verfolgt habe. Sein Biograph Aleksa Benigar zitiert Stepinac mit der Ausssage, dass es „mit den Kommunisten keine Zusammenarbeit geben kann, solange sie nicht ihrer Lehre entsagen und ihren Verbrechen, womit sie aufhören würden zu sein, was sie sind […] Wir haben die Erfahrungen des katholischen Spanien nicht vergessen“.62 Im selben Werk findet sich aber auch die Aussage, dass Stepinac vor Zeugen gesagt habe: „Auch die Kommunisten sind unsere Brüder, wir müssen sie lieben. Habt ihr mich verstanden? Wir müssen sie lieben!“63 Im September 1946 sprach Tito in öffentlichen Auftritten davon, dass während des Krieges ein großer Teil der katholischen Geistlichen aktiv an der Seite des Feindes gegen die Volksbefreiungsbewegung gekämpft habe. Solche Fälle habe es auch seitens anderer Religionsgemeinschaften gegeben – bei Orthodoxen und Muslimen – aber am meisten bei der katholischen Kirche. Eine der führenden Persönlichkeiten der kroatischen Kommunisten, Andrija Hebrang, später selbst ein Opfer Titos, machte 62
63
Vgl. Benigar, Aleksa: Alojzije Stepinac – hrvatski kardinal [Alojzije Stepinac – Der kroatische Kardinal], Rom 1974 (2. Ausgabe Zagreb 1993). Ebenso zitiert in Darstellungen aus nicht- bzw antikirchlicher Perspektive z.B. bei Vonta, Zvonimir Ivanković: Slučaj Stepinac [Der Fall Stepinac], digital zugänglich unter https://radiogornjigrad.wordpress.com/2015/06/24/zvonimirivankovic-vonta-slucaj-stepinac/, aufgerufen am 25.2.2022. Benigar, Alojzije Stepinac, 708.
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öffentlich deutlich, wie wichtig die Frage des Klerikalismus besonders in Kroatien sei, und beklagte die feindliche Tätigkeit gegen uns und unser Land. Nicht nur Hebrang forderte innerhalb der KP eine entschiedene Abrechnung mit diesen Volksfeinden. Dass diese Politik aber von manchen innerhalb der Partei auch als kontraproduktiv engeschätzt wurde, geht beispielsweise aus dem Protokoll der Sitzung des Politbüros des Zentralkommitees der Kommunistischen Partei Kroatiens vom 5. Oktober 1945 hervor. Dort hieß es: „Zahlreiche Mitglieder der Parteiführung treten frontal gegenüber der Kirche auf und isolieren sich von den Massen. Es ist eine häufige Erscheinung, dass sie sagen: „Nach dem Sieg bei den Wahlen werden wir die Kirche vernichten.“64 Die Ankündigung einer „radikaleren“ antikirchlichen Politik war bereits im Dezember 1945 erfolgt. Die Kampagne gegen die Pfaffen und die reaktionären Teile des Klerus zeichnete in der kontrollierten Presse das Bild, wonach jene reaktionären Teile des Klerus unter Anleitung der Hierarchie sich zahlreicher Verbrechen während des Krieges schuldig gemacht hätten. Der Regierungschef der kroatischen Teilrepublik, Vladimir Bakarić, griff die Kirche frontal an als Hort der Ustaša-Gesinnung und Agentur des Imperialismus. Dies war der Startschuss für eine Serie von Prozessen gegen Mitglieder des Klerus, die als Terroristen und Spione fremder Mächte beschuldigt wurden, denen verschiedene staatsgefährdende Aktivitäten zur Last gelegt wurden. Aus dem Brief von Stepinac an Tito vom 24. Dezember 1945 geht hervor, wie der Erzbischof von Zagreb die Situation einschätzte: „Ich denke, dass wir hier, Herr Marschall, offen und ehrlich sein können. Alles läuft auf die Frage hinaus, ob sich die Kommunistische Partei losgesagt hat von ihrer programmatischen Auffassung in Bezug auf die Religion allgemein und in Bezug auf die katholische Kirche gegenüber, oder ob sie diese nur suspendiert hat bis ´günstigere Zeiten´ anbrechen, um sie dann in Etappen vollständig umzusetzen? Darin liegt der Kern des heutigen Konflikts zwischen Kirche und Staat im Demokratischen Föderativen Jugoslawien.“65 Ivo Goldstein weist darauf hin, dass als „einzige Ausnahme“ bei der „Repression des Regimes gegenüber der katholischen Kirche“ die Situation in Istrien zu gelten habe66, auch wenn andere Studien nahelegen, dass auch dort die Politik der KP gegenüber der katholischen Kirche insgesamt schwerlich als benevolent zu beschrieben ist.67 Tatsache ist aber, dass es bereits im Juli 1945 in Triest zur Begegnung zwischen Vertretern des neuen kommunistischen Regimes in Istrien (Dušan Diminić und Ivan Motika) mit dem weithin bekannten und angesehenen katholischen Priester Božo Milanović gekommen war, bei der die Art des Umgangs und die zukünftige Zusammenarbeit 64
65 66 67
Zitiert bei Spehnjak, Katarina: Javnost i propaganda. Narodna fronta u politici i kulturi Hrvatske 1945–1952 [Die Volksfront in Politik und Kultur in Kroatien 1945–1952], Zagreb 2002, 260 u. bei Akmadža, Miroslav: Politika komunističkog režima u Jugoslaviji prema vjerskim zajednicama 1945. godine [Die Politik des kommunistischen Regimes in Jugoslawien gegenüber den Religionsgemeinschaften 1945], in: Nada Kisić Kolanović, Mario Jareb, Katarina Spehnjak (Hg.), 1945. Razdjelnica hrvatske povijesti [Nachrichten aus Kroatien], Zagreb 2006, 257-270, hier 262. Hier zit. nach Akmadža, Politika komunističkog režima, 262. Vgl. Goldstein, Ivo: Hrvatska 1918–2008 [Kroatien 1918–2008], Zagreb 2008, hier 426. Vgl. Trogrlić, Stipan: Represija jugoslavenskog komunističkog režima prema Katoličkoj crkvi u Istri 1945–1971 [Repression des jugoslawischen kommunistischen Regimes gegenüber der katholischen Kirche in Istrien 1945–1971], Pazin 2014.
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zwischen Regime und Kirche in dieser Region definiert wurden. Den Vertretern der Volksbefreiungsbewegung wurde bei diesem Treffen versichert, dass der Klerus in Istrien in einer gesonderten Erklärung seine Unterstützung für die Partisanenarmee öffentlich machen werde, wofür im Gegenzug der katholischen Kirche in Istrien durch die Volksbefreiungsbewegung Handlungsspielräume ermöglicht wurden, wie sie in anderen Teilen Kroatiens und Jugoslawiens zu jener Zeit undenkbar waren. Diese Vereinbarung wurde von beiden Seiten bis 1947 beachtet. Die neue Macht stellte der Kirche sogar das Gebäude des ehemaligen Schülerkonvikts in Pazin für die Eröffnung eines Priesterseminars zur Verfügung und unterstützte diese Institution finanziell. Auch die Verbreitung einer kirchlichen Wochenschrift Gore srca (Die Herzen hoch), als einzige religiöse Publikation zu jener Zeit, wurde ermöglicht, die Gesellschaft des Hl. Kyrill und Method gegründet usw. Das gemeinsame strategische Ziel von Kommunisten und Vertretern der katholischen Kirche in Istrien war der Anschluß Istriens an Kroatien und Jugoslawien. Dies stiftete den Kitt für diese Zusammenarbeit. Insgesamt betrachtet, war für den hier betrachteten Zeitraum aber eine stark konfliktbelastete Politik für die Politik des Regimes gegenüber der katholischen Kirche weitaus typischer. Željko Radelić hat in seiner Gesamtdarstellung „Kroatien in Jugoslawien 1945–1991“ darauf hingewiesen, wie sehr die katholischen Bischöfe durch die staatlich propagierte atheistische Weltanschauung irritiert waren. Am 27. August 1946 verfassten 8 Bischöfe eine weitere Stellungnahme über die „christliche Erziehung der Jugend“, ebenso wie eine Denkschrift, die knapp ein Jahr später den staatlichen Behörden zugestellt wurde (am 29. Juli 1947). Dort war die Rede davon, dass in der vermeintlich demokratischen jugoslawischen Volksrepublik grundlegende Menschenrechte mit Füßen getreten werden. Nach dem Urteil von Ivo Banac, war das Jahr 1947 „sicherlich das schwärzeste“ Nachkriegsjahr, was das Ausmaß der Repression anbelangte.68 Ein Beispiel von vielen, das zeigt, wie die Interessen des Staates und der Kirche vollkommen auseinanderliefen, war die Frage des Religionsunterrichts. Auch wenn der Religionsunterricht zunächst nicht offiziell verboten war, so mussten die katholischen Geistlichen doch eine besondere Erlaubnis seitens der sog. „Volksausschüsse“ einholen, die nur sehr spärlich (wenn überhaupt) erteilt wurde. Dort, wo Religionsunterricht stattfinden konnte, wurden die Religionslehrer durch staatliche Stellen streng überwacht. Auf einer Sitzung des ZK der KPJ vom 15. Januar 1949 hieß es, dass „in Kroatien 15% der Popen“ (womit pejorativ die katholischen Priester gemeint waren) im Schulunterricht „zugelassen seien“. Selbst das erwähnte einzige katholische Wochenblatt aus Istrien, Gore srca, mit seiner Auflage von 40.000 Exemplaren, das neben einigen sporadischen bischöflichen Blättern kontinuierlich erscheinen konnte, musste schließlich 1952 sein Erscheinen einstellen.69 Mit dem Gesetz über die Volksschulen vom 26. November 1951 wurden die gesetzlichen Grundlagen geschaffen, den Religionsunterricht ganz aus den staatlichen Schulen zu verbannen, was ab dem 1. Februar 1952 auch offiziell geschah. Von diesem Datum an war der Religionsunterricht in kroatischen Schulen eingestellt. 68 69
Banac, Hrvati i crkva, 108. Radelić, Željko: Hrvatska u Jugoslaviji 1945–1991. od zajedništva do razlaza [Kroatien in Jugoslawien 1945–1991. Von der Gemeinschaft zum Auseinandergehen], Zagreb 2006, Kap. „Katolička crkva i komunisti“ [Die katholische Kirche und die Kommunisten], 97-124, hier 113f.
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Bereits Anfang 1951 war eine neue „Offensive gegen die katholische Kirche“ seitens der höchsten Parteigremien ausgerufen worden. Der katholische Episkopat schickte Tito am 26. September 1951 ein weiteres Protestschreiben wegen der Begrenzung der Freiheit der Religionsausübung und beklagte die zunehmende „Atheisierung“ in Schulen, Armee, Presse etc. Zweifelsohne sahen die Kommunisten in der Religion eine Weltanschauung der Rückständigkeit, Dunkelheit, des Pessimismus etc., die sie in vollkommenen Gegensatz zu der offiziell vertretenen Ideologie des Aufbaus des Sozialismus und der angekündigten besseren Zukunft wähnten. Religion wurde, wie gesagt, zur Privatsache erklärt, doch Tito betonte in seiner Rede auf dem Kongress des Bundes der Studenten Jugoslawiens Mitte März 1952: „Wir dürfen nicht zulassen, dass unter dem Deckmantel der Ausübung religiöser Zeremonien die Jugend politisch vergiftet wird!“ Verhöre und Drohungen gegenüber zahlreichen Geistlichen machten deutlich, dass der Druck des Staates weiterhin kaum nachgelassen hatte. In den Worten Sabrina Ramets: „Verhaftungen katholischer Kleriker fanden in den 1950er Jahren unausgesetzt statt. […] Nach Angaben des Vatikans befanden sich im September 1950 300 katholische Prieser in Haft, wo sie auf ihre Verhandlungen wegen der ihnen vorgeworfenen politischen Vergehen warteten; diese Zahl schließt diejenigen nicht ein, die bereits abgeurteilt waren. In der Folge waren zahlreiche katholische Pfarreien verwaist.“70 Franjo Šeper, der spätere Zagreber Erzbischof, wurde am 19. Februar 1952 wegen „illegalen Sammelns finanzieller Mittel“ verhaftet (da er Zuwendung seitens von Gläubigen angenommen hatte), zahlreiche organisierte Demonstrationen gegen Bischof Ćiril Banić in Šibenik, Bischof Frane Franić aus Metković und Makarska, Bischof Josip Lach aus Varaždin, Bischof Pavlišić in Čabar und Bischof Miho Pušić in Hvar und zahlreiche andere Geistliche fanden statt. Es kam auch zu physischen Übergriffen auf Geistliche. Am 11. Juli 1952 wurde sogar die traditionelle Marienwallfahrt in Marija Bistrica verboten. Selbstredend kann das Verhältnis Jugoslawiens zum Vatikan in dem hier in Frage stehenden Zeitraum nur als äußerst schlecht beschrieben werden. Wie bereits erwähnt, kam es schließlich sogar ganz zum Abbruch der diplomatischen Beziehungen Jugoslawiens mit dem Heiligen Stuhl am 17. Dezember 1952, nachdem Papst Pius XII den Zagreber Erzbischof Stepinac in den Kardinalsrang erhoben hatte. Tito sprach öffentlich davon, dass der Vatikan die italienische imperialistische Politik betreibe. Der italienische Staat und der Vatikan würden sich in dieser für Jugoslawien schädlichen Politik ergänzen. Die italienische Regierung trage zur Dominanz des Vatikans bei und stärke die reaktionären Kräfte in der Welt. Der Vatikan helfe Italien bei seinen imperialistischen Absichten gegenüber Jugoslawien und anderswo. Außerdem sei der Vatikan erfüllt mit Bitternis gegenüber unserem sozialistischen Land, er hasst den Sozialismus und arbeitet gegen uns, wo er nur kann. Er hat auch solch eine Schandtat vollbracht, dass er den Kriegsverbrecher Stepinac zum Kardinal erklärt hat und ihm den Kardinalshut aufsetzten will! Nach erfolgten zahlreichen Verhaftungen, Prozessen, körperlichen Übergriffen auf Angehörige der katholischen Kirche (auch viele Angehörige von Priesterseminaren wurden mit Anklagen überzogen), gebot Tito in einem öffentlichen Auftritt am 27. 70
Vgl. Ramet, Die drei Jugoslawien, 277f. mit Verweis auf Berichterstattung in der New York Times u. auf die Monographie von Alexander, Church and State in Yugoslavia, 132f.
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September 1953 in Ruma in der Vojvodina dann, dass mit Exzessen nun Schluss sein müsse, dass gesetzlose Angriffe auf Kleriker einzustellen seien und dass der Kampf gegen die Politik der katholischen Kirche fortan mit politischen Mitteln und durch Ignorieren zu führen sei. Verantwortlich für die Übergriffe seien, so Tito, die bitteren Erinnerungen an das Verhalten einiger Geistlicher während des Krieges. Die organisierten Angriffe auf Bischöfe und Priester im ganzen Land zwischen Juni und August 1953 hatten jedoch das ohnehin schlechte Verhältnis noch weiter verschlechtert. Dabei war auch nicht davor zurückgeschreckt worden, Bischöfe während der Messe mit Steinen zu bewerfen oder, wie im Fall des Bischofs Franić im Franziskanerkloster in Makarska, geistliche Würdenträger zusammenzuschlagen, wie es auch dem Bischof Lach in Križevci widerfahren war. Bischof Pušić in Hvar wurde physisch daran gehindert, eine Firmung vorzunehmen usw. Zahlreiche solcher Vorfälle sind im Schreiben der Bischofskonferenz vom 7. Oktober 1953 an die Regierung aufgelistet. Auch wurden weiterhin etliche (in der Literatur ist die Rede von „hunderten“) Prozesse gegen Angehörige der Kirche geführt, die zu Haftstrafen zwischen 2 und 20 Jahren verurteilt wurden. Am Beispiel der Anklage und des Prozesses gegen die Professoren, Geistlichen und Seminaristen des Priesterseminars von Đakovo 1959/60 lässt sich zeigen (ebenso wie beim Vorgehen und der Schließung der Seminare in Zagreb 1951, Rijeka 1955 und Split 1956, wo es zu einer achtjährigen Schließung des Seminars kam, bzw. im Falle des Bischöflichen Klassischen Gymnasiums und der Franziskanerschule von 5 Jahren), dass von diesen Methoden nicht abgelassen wurde, trotz einer vorsichtigen Entspannung im Verhältnis zwischen katholischer Kirche und kommunistischer Regierung, die zwischenzeitlich mit zunehmender Annäherung Jugoslawiens an den Westen eingetreten war. Wie anders könnte man interpretieren, als dass auch weiterhin repressive Methoden seitens des Regimes angewandt wurden, wenn wie in den frühen Morgenstunden des 5. Oktober 1959 50 Polizisten ein Priesterseminar, wie jenes in Zagreb, abriegelten und eine ganztägige Hausdurchsuchung durchführten, die mit der Verhaftung von 10 Personen endete, einschließlich einiger Schüler? Anschuldigungen, dass es sich bei der Tätigkeit der katholischen Priester und Seminaristen um feindliche Tätigkeit und einen Anschlag auf das staatliche und gesellschaftliche System handeln würde oder um Agitation gegen die „Brüderlichkeit und Einigkeit unserer Völker und Völkerschaften“ bzw. um das „Verächtlichmachen der Jugoslawischen Volksarmee“, um das „Singen von nationalistischen Liedern“, das „Hören von ausländischen Radiosendern“, die „Aufbewahrung und Lektüre von Werken, die während der Zeit des Unabhängigen Staates Kroatien erschienen sind“ etc. konnten jederzeit aktiviert werden. Die Kirche konnte während des hier in Frage stehenden Zeitraums in der Öffentlichkeit kaum aktiv werden, die Verhaftungen von Priestern gingen weiter, gegen einzelne Priester wurden Todesurteile verhängt, auf den Dörfern wogte der Kampf gegen die „klerikalen Einflüsse“, verschiedene Methoden der Einschüchterung schufen ein Klima des Terrors. Doch, wie gesagt, innerhalb der Strukturen des Regimes tauchte auch die Frage auf, ob solch eine repressive Politik langfristig nicht kontraproduktiv sei. Bereits 1952 taucht in internen Memoranden der Geheimpolizei Kritik an unverantwortlichen Elementen auf, die auf eigene Faust aus politischen Gründen Priester getötet hätten, was selbst Kreise der liberalen und reaktionären Bourgeoisie, die früher der
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Kirche als dem Sammelpunkt und Zentrum der Gegner des Staates und der Partei gleichgültig gegenüberstand, der Kirche zutreiben würde, und es finden sich im Dokument die Sätze: „Eine ganze Reihe von Versuchen der Tötung von Priestern konnte die Staatsgewalt rechtzeitig verhindern. Vier Priester wurden Opfer der Exzesse. Die Folge dessen war Panik unter der Priesterschaft und eine absolut negative Wirkung unter dem Volk.“71 Die Überstellung von Erzbischof Stepinac aus dem Gefängnis in den Hausarrest, kurz vor Weihnachten des Jahres 1951, steht zwar in keinem direkten Zusammenhang mit dem Zerwürfnis von Tito und Stalin 1948 und dem Hinauswurf der jugoslawischen Kommunisten aus dem Kominform und dem Bruch mit Moskau, aber die Annäherung Jugoslawiens an den Westen läutete schlussendlich doch das Ende der Zeit der akuten Verfolgung ein, auch wenn es zu Beginn der 50er Jahre noch einmal so schien, als ob sich die Konfrontation des Regimes mit der katholischen Krche noch einmal intensivieren würde. Am 8. Januar 1953 empfing Tito schließlich eine Delegation der katholischen Bischöfe, aber das grundsätzliche Misstrauen und die nur als feindlich zu bezeichnende Einstellung des Regimes zur Kirche änderten sich nur langsam. Die Zahl inhaftierter Geistlicher in den jugoslawischen Gefängnissen ging jedenfalls in den 1950er Jahren zurück, auch wenn es im Zuge von außenpolitisch motivierten Ereignissen wie der zweiten Triest-Krise im Herbst 1953 wiederum zum Aufflackern antikirchlicher Ausschreitungen kam, da der Papst in Rom als Verbündeter des christdemokratischen italienischen Premierministers Giuseppe Pelli gesehen wurde. Das Verhältnis des Regimes zur Kirche in Kroatien muss im historiographischen Rückblick sicher mit der nötigen Differenziertheit betrachtet werden. Dass es sich um ein konfliktbelastetes Verhältnis gehandelt hat, steht m.E. aber außer Frage. Aus den zugänglichen Quellen geht eindeutig hervor, dass die katholische Kirche in der ersten Zeit der kommunistischen Machtausübung in Jugoslawien starker Repression ausgesetzt war. Das kommunistische Regime nahm den Hirtenbrief vom 20. September 1945 zum Anlass, einen kompromisslosen Kampf gegen die katholische Kirche zu initiieren. In den staatlich kontrollierten Medien fand eine zentral gesteuerte propagandistische Abrechnung mit der katholischen Kirche statt, zahlreiche antikirchliche Demonstrationen wurden organisiert, die Kirche wurde vielfach als Hort der Reaktion und Helfershelfer des faschistischen Ustaša-Regimes verunglimpft. Kirche und Kleriker wurden in möglichst negativem Licht dargestellt. Dem allen lag zweifellos die programmatische Ausrichtung der kommunistischen Führung zu Grunde, die ihre Ziele durch die Bekämpfung von Religion und Kirche zu erreichen suchte, und erst später von den zunächst gewählten Methoden Abstand nahm. Der ideologische Monopol- und Alleinherrschaftsanspruch der Kommunisten hatte in allen neuen sozialistischen Ländern zu Konflikten und Prozessen gegen hohe Geistliche geführt, im kroatischen Fall waren die ersten Jahre nach 1945, wie gezeigt, im Verhältnis von Regime und katholischer Kirche von Feindschaft und Konfrontation gekennzeichnet.
71
Banac, Hrvati i crkva, 109.
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ORTSREGISTER
Akmolinsk 187 Alba Iulia (Karlsburg) 330f. Asuny (Assaunen) 85f. Auschwitz-Birkenau 262 Babice (Babitz) 158 Bad Kissingen 10 Bad Saarow 10 Baja (Frankenstadt) 275, 279, 283, 291 Balmazújváros 262 Baracs 288 Bartoszyce (Bartenstein) 85-87 Beograd (Belgrad) 24, 300, 371, 373 Bergen-Belsen 262 Berlin 50, 53-57, 59, 66f., 69f., 73f., 77, 79f., 234 Berlin (Ost) 50, 59f., 71, 74 Bielsko (Bielitz) 114, 120 Biskupiec Reszelski (Bischofsburg) 93, 95f. Borsodpuszta 277, 285 Boziuk 93, 95f. Brno (Brünn) 139 Buchenwald 262 București (Bukarest) 22, 296f., 300, 301, 305, 307, 309, 314, 317, 324, 326 Buda (Teil von Budapest) 275, 283, 284, 288, 290 Budapest 21f., 76, 246, 248f., 251f., 256, 258, 264, 273, 275f., 283, 286288, 290f., 300 Bukowiec (Buchholz) 86 Bytom-Miechowice (BeuthenMiechowitz) 111, 122
1
1
Český Těšín/Cieszyn (Teschen) 102f., 105, 107, 119f. Cheb (Eger) 251, 255, 274, 283, 290f. Chorzów (Königshütte) 104 Chrzanowo (Chrzanowen) 93f., 95, 100 Čihošť 157 Ciorogârla 315 Cluj (Klausenburg) 262, 295, 300, 314, 316-318, 326f. Curtea de Arges (Argisch) 317 Dachau 79, 262 Dragoslavele 314 Drohobytsch 206 Duschanbe 192 Eberswalde 71 Ełk (Lyck) 93f., 100 Előszállás (Neuhof) 275, 279, 283f., 286 Erfurt 16f., 39, 44-47, 57 Esztergom (Gran) 247, 252, 254f., 258 Freising 55 Frunse 191f. Genève (Genf) 298 Gera 61, 63 Gherla (Neuschloss) 331 Giżycko (Lötzen) 85f., 88, 98 Gleiwitz 136 Görlitz 58 Górowo Iławeckie (Landsberg) 85, 87f., 91f. Győr (Raab) 252, 288, 290 Hajdúböszörmény (Betschermen) 262 Hejce 254 Henryków (Heinrichau) 274
In diesem Register werden durchgängig an erster Stelle heutige Ortsnamen in den heutigen Staatsgebieten sowie in Klammern deren deutsche Namen, so vorhanden, genannt.
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Ortsregister
Heroldsbach bei Würzburg 65 Hołdunów (Anhalt O.S.) 104 Hvar 373, 380f. Iaşi (Jassenmarkt) 300, 326, 330, 332 Ilmenau 41f. Istanbul (Konstantinopel) 205, 237, 299, 305 Iwano-Frankiwsk (Stanislau) 213, 215f., 221, 225, 234 Jaltyr 186 Jasov (Jossau) 175 Jaworzno 84, 93-95, 97, 99 Kaliningrad (Königsberg) 183 Kalocsa (Kollotschau) 251, 253, 255f., 273, 286 Kandyty (Kanditten) 86, 91 Karaganda 181, 190-192, 201, 240 Katowice (Kattowitz) 18, 102-104, 106f., 119, 120, 126, 128, 132, 135 Kiev 197f., 201, 204 Kistarcsa 255, 335 Komorniki 109 Königstein 9 Kraków (Krakau) 92, 103, 111f., 121, 135, 326 Krašić 375, 377 Križevci (Kreutz) 373, 381 Kunszentmárton 283 L’viv (Lemberg) 20, 193, 203, 205 Ljubljana (Laibach) 23, 343, 345, 348f., 352-354, 373 Łomża (Lomscha) 96 Lublin 96 Lutsk 96, 217 Luxemburg (Kirgisistan) 192 Lyshniv 218 Magdeburg 54 Makarska 380f. Malojaroslawez 184 Márianosztra (Naßraden) 263, 266 Maribor (Marburg an der Drau) 342, 352-354, 373 Mariinsk 213 Marija Bistrica 380
Meiningen 61, 63 Mezhyrichchia 224 Mikołów (Nikolai) 114 Młynary (Mühlhausen i. Ostpr.) 90 Moskwa (Moskau) 16, 34, 96, 184, 195-197, 204f., 216, 232, 237f., 246, 255, 294-297, 300f., 305, 312, 328f., 356, 382 München 55, 58f., 69, 76, 141 Nadorozhna 221, 225 Nagykarácsony 279 Nagyvenyim 288 Nagyvisnyó 262 Neuendettelsau 66 Nidzica (Neidenburg) 87, 93, 95, 99 Niederaltaich 65 Olsztyn (Allenstein) 17, 84-89, 92, 9496, 98 Orlovo-Rosovoje 213 Orneta (Wormditt) 93, 95, 98 Pannonhalma (Martinsberg) 252, 274, 282, 285, 287f. Paris 55, 306 Pásztó 274f., 283f. Pécs (Fünfkirchen) 23, 256, 274f., 279, 283, 291 Perwomaiskoje 188 Pezinok (Bösing) 175 Pilis 273-275 Plaško 369 Pócspetri 249 Pößneck 63 Poznań (Posen) 84f., 300 Prabuty (Riesenburg) 99 Praha (Prag) 19, 141, 143f., 146, 153f., 156, 165, 173 Przemyśl (Premissl) 93, 201 Pszczyna (Pless) 104 Putrimajor 284 Riga 183 Rijeka 381 Roma (Rom) 24, 74, 142f., 155, 162, 198, 205, 209, 229, 233, 235, 237f.,
Ortsregister
260, 284-286, 288f., 291, 305, 311, 329, 331, 334, 346, 371, 382 Ruma 381 Saalfeld 61 Saratow 182, 184 Šaštín (Schoßberg) 175 Satu Mare (Sathmar) 326f., 331 Seljony Gai (Drebnau) 189f. Solinka 97 Split 24, 371, 373, 381 Starý Smokovec (Altschmecks) 155 Suhl 61f. Svätý Beňadik 175 Świętochłowice (Schwientochlowitz) 114 Szczytno (Ortelsburg) 85-87 Székesfehérvár (Stuhlweißenburg) 251, 254, 256, 274f., 279, 283, 290f. Szengotthárd 274 Szentimreváros 282 Ternopil 197, 204, 215f., 219, 223, 234 Timişoara (Temeswar) 299, 301, 316f. Tiraspol 20, 182, 184 Tólápa 268 Tomsk 183, 187, 192 Totești 326, 331
391
Trieste (Triest) 378, 382 Trnava (Tyrnau) 327 Tscherniwzi (Czernowitz) 325f. Ulm 3, 10 Ustroń (Ustron) 105, 110 Valdice (Karthaus Walditz) 157 Veszprém (Wesprim) 247, 255,f., 276, 291 Vilnius (Wilna) 96, 183 Vipava (Wippach) 348 Vis (Lissa) 343 Warszawa (Warschau) 18, 84, 96, 108, 122f., 127, 135f. Wisła (Weichsel) 120 Wołkowyja 95 Workuta 238 Wrocław (Breslau) 77, 85, 125, 127f. Würzburg 55, 57, 61, 64, 66, 70 Zabrze (Hindenburg) 106, 112, 116 Zagreb 201, 347, 350, 352, 356, 359, 361, 366, 369, 371-373, 375, 378, 381 Želimlje (Schelimle) 348 Zirc (Sirtz) 6, 22, 253, 273-279, 281286, 288-292 Zymna Voda (Kaltwasser) 214, 219
VERZEICHNIS DER MITARBEITERINNEN UND MITARBEITER
Gábor Bánkuti, Dr. hab., Dozent des Historischen Instituts an der Universität Pécs. Er leitet das Doktoratsprogramm „Europa und das Ungarntum im 19. und 20. Jahrhundert“ in der Interdisziplinären Doktorschule der Philosophischen Fakultät der Universität Pécs. Forschungsschwerpunkte: Kirchen- und Gesellschaftsgeschichte des 20. Jahrhunderts. Grzegorz Bębnik, Dr. hab., Historiker, Politikwissenschaftler und Soziologe, promoviert in Geschichte. Mitarbeiter des Büros für Historische Forschungen des Instituts des Nationalen Gedenkens in Kattowitz. Schwerpunkt: Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, insbesondere in Bezug auf Oberschlesien. Katrin Boeckh, Prof. Dr., wissenschaftliche Mitarbeiterin am Leibniz-Institut für Ost- und Südosteuropaforschung in Regensburg; apl. Professorin für Ost- und Südosteuropäische Geschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Forschungsschwerpunkte: Politische und Kirchengeschichte im 20. Jahrhundert im östlichen Europa (Ukraine, Russland, Balkan), ethno-nationale Konflikte, Institutionen im späten Stalinismus und Wertediskurse während der post-sowjetischen Transformation. Klaus Buchenau ist Professor für Geschichte Südost- und Osteuropas an der Universität Regensburg. Studium der Geschichte und Slawistik und wissenschaftliche Ausbildung führten ihn von Berlin nach Russland, Polen, in die Ukraine, nach Tschechien und in das ehemalige Jugoslawien. Schwerpunkte: Soziolinguistik, Religionsgeschichte des östlichen Europas. Ressourcenverteilung, Staatsmisstrauen und Geschichte der Korruption. Eszter Cúthné Gyóni, historian, assistant professor, between 2011 and 2014 lecturer at the History Department of the Faculty of Humanities at ELTE and at the History Department of the Kodolányi János College. Between 2014 and 2021 she taught history at the Faculty of Primary and Pre-school Education at ELTE, and since September 2021 she has been teaching at the Department of Modern and Contemporary Hungarian History at the Faculty of Humanities at ELTE. Svitlana Hurkina, Dr. phil., Associate Professor at the Institute of Church History, the Ukrainian Catholic University and the former Director of the Institute of Church History (2013-2016). Participant of the scholarly project „Aufbruch: Conditions of the Churches of Eastern and Central Europe in Posttotalitarian Societies” (Vienna University, 1997-2001). PhD in History from the Lviv National University (2012). Research fellow at the Nanovic Institute for European Studies of the University of Notre Dame (IN, USA, 2015). Aleksandar Jakir, Studium der Geschichte und Slawistik an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen Nürnberg seit 2007 Professor für Zeitgeschichte an der
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Verzeichnis der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
Abteilung für Geschichte der Philosophischen Fakultät der Universität Split (Kroatien). Forschungsschwerpunkte: Zahlreiche Publikationen zur Geschichte Kroatiens und Jugoslawiens im 20. Jahrhundert. Bogdan Kolar, prof. emeritus at the Faculty of Theology, University of Ljubljana. He was head of the Archdiocesan archives in Ljubljana (1987-2000), teacher of Church History at the Faculty of Theology of Theology in Ljubljana (1993-2019), its dean (2004-2008), head of the department of Church History and Patrology (2009-2019) and head of the Institute for Church History (2013-2019). His scholarly work is dedicated to the history of the Slovenian emigration, history of religious orders in Slovenia as well to the relations between the State and Church in Slovenia. Andrzej Kopiczko, Prof. Dr. habil. Professor für Kirchengeschichte an der Universität von Ermland und Masuren in Olsztyn und Direktor des Archivs der Erzdiözese Ermland. Lucian N. Leustean, apl. Professor für Politik und internationale Beziehungen an der Aston University, Birmingham, Vereinigtes Königreich. Publikationen zur Religionsgeschichte und den Beziehungen von Kirche und Politik im 20. Jahrhundert. Er ist Gründungsherausgeber der Routledge Book Series on Religion, Society and Government in Eastern Europe and the Former Soviet States. Bernard Linek, Dr., Historiker, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Schlesischen Institut in Opole. Forscher der politischen, sozialen und kulturellen Geschichte mit besonderem Schwerpunkt auf Oberschlesien im 19. und 20. Jahrhundert und den deutschpolnischen Beziehungen. Sekretär des Redaktionsausschusses der „Studia Śląskie“ [Schlesische Studien] von 2002 bis 2013, Chefredakteur der Zeitschrift von 2013 bis 2019. Zusammen mit Adam Dziurok, Herausgeber der Reihe "Oberschlesien im Volkspolen" (vierter Band in Vorbereitung). Autor und Herausgeber mehrerer Buchveröffentlichungen. Olga Litzenberger, Dr., Prof (Russland), Vize-Rektorin, die Leiterin des Lehrstuhls für Geschichte und Professorin des Verwaltungs-Instituts der Staatsdienstakademie (Saratow). Seit 2019 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin des Bayerischen Kulturzentrums der Deutschen aus Russland (Nürnberg). Forschungsschwerpunkt: Geschichte der Russlanddeutschen und der christlichen Bekenntnisse in Russland. Andriy Mykhaleyko, Dr., Privatdozent am Lehrstuhl für Mittlere und Neue Kirchengeschichte an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, Mitherausgeber der Reihe "Eastern Church Identities" und Repetitor im Collegium Orientale (Eichstätt). Ivan A. Petranský, doc. Mgr., PhD., graduated from Univerzita Komenského (Comenius University) in Bratislava (2000). He is currently a scientific researcher at Istituto Storico Slovacco di Roma (Slovak Historical Institute in Rome). As a historian, he deals with the Slovak history of the 20th century, with special attention to the relations of the state and churches, anti-religious persecutions, and the biographies of important historical figures. Éva Petrás, PhD, studied at Pécs University with specialization in history and English, and subsequently received her MA degree in modern history at Central European University. She obtained her PhD in history at the European University Institute in Florence in 2003. Between 2009 and January 2020 she worked as a researcher in the
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Historical Archives of the Hungarian State Security (ÁBTL), Budapest. Since February 2020 she works as a senior research fellow of the Committee of National Remembrance (NEB), Budapest. Josef Pilvousek, Prof. Dr., geb. 1948; Theologiestudium in Erfurt, Neuzelle und Rom; Priesterweihe 1977, Promotion 1985; 1988 Dozent; 1994 Professor für mittlere und neuere Kirchengeschichte am Phil.-Theol.- Studium Erfurt (Universität Erfurt); 2013 emeritiert. Forschungsschwerpunkt: Kirchl. Zeitgeschichte. Otfrid Valentin Pustejovsky, Dr.phil., Studium der Geschichte, Germanistik und kath. Theologie mit Staatsexamen und anschließend Osteuropäische Geschichte, Slavistik (Bohemistik) und Bayer.-mittelalterliche Geschichte mit Promotion 1967; wiss. Assistent, Gymnasiallehrer, Ministerialbeamter, Stiftungs-und Studienseminardirektor; seit 1960 zahlreiche Publikationen, v.a. zur Gesamtgeschichte der Böhmischen Länder und zur Zeitgeschichte. Jaroslav Šebek, Doc. Mgr., Ph.D., DSc., ist seit 1995 wissenschaftlicher Mitarbeiter im Institut für Geschichte der tschechischen Akademie der Wissenschaften in der Abteilung für moderne transnationale und intellektuelle Geschichte. Seine Forschungsinteressen umfassen die ideologische, politische und kirchliche Geschichte des 20. Jahrhunderts, die Geschichte der tschechisch-deutschen Beziehungen, die Geschichte des modernen Papsttums und die Fragen der Erinnerungskultur und der Geschichtspolitik. Jörg Seiler, Prof. Dr., studierte an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg die Fächer Theologie (Dipl.) und Geschichte (M.A.). Nach seiner Promotion über die Deutschordenskommende Frankfurt (2001) war er seit 2003 Juniorprofessor für Kirchengeschichte an der Universität Koblenz. Es folgten Jahre als Lehrer und als Leiter des Religionspädagogischen Amtes Frankfurt. Seit 2015 ist er Professor für Kirchengeschichte des Mittelalters und der Neuzeit an der Kath.-Theol. Fakultät der Universität Erfurt. Oleh Turiy, Prof. Dr., Prorektor für Außenbeziehungen, Direktor des Instituts für Kirchengeschichte an der Ukrainischen Katholischen Universität in Lviv (Lemberg).Forschungsschwerpunkte: zwischenkonfessionelle Beziehungen in der Ukraine, ekklesiale und nationale Identität, Christenverfolgung durch totalitäre Regime des 20. Jahrhunderts. Autor und Herausgeber mehr als 120 Publikationen. Gastvorlesungen in Lublin, Wien, Innsbruck, Edmonton, Mainz, Notre-Dame (Indiana). Cristian Vasile is Senior Researcher at N. „Iorga” Institute of History (Romanian Academy), Bucharest. He was Project Director of the grant Fragmented Modernities: Intellectual Elites and Historical Transformation in Contemporary Romania, 20152017).