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German Pages 210 Year 1993
Schriften zum Steuerrecht
Band 44
Captive-Versicherung und deutsches Körperschaftsteuerrecht Von
Karl H. Bialek
Duncker & Humblot · Berlin
KARL H. BIALEK
Captive-Versicherung und deutsches Körperschaftsteuerrecht
Schriften zum Steuerrecht Herausgegeben von Prof. Dr. Joachim Lang und Prof. Dr. Jens Peter Meincke
Band 44
Captive-Versicherung und deutsches Körperschaftsteuerrecht
Von Karl H. Bialek
DUßcker & Humblot . Berliß
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Bialek, Karl H.: Captive-Versicherung und deutsches Körperschaftsteuerrecht / von Karl H. Bialek. - Berlin : Duncker und HumbIot, 1993 (Schriften zum Steuerrecht; Bd. 44) Zug!.: Konstanz, Univ., Diss., 1992 ISBN 3-428-07797-0
NE:GT
Alle Rechte vorbehalten © 1993 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Wemer Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0235 ISBN 3-428-07797-0
Meinen lieben Eltern und Friederike
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 1992/93 von der juristischen Fakutät der Universität Konstanz als Dissertation angenommen. Sie entstand während meiner Tätigkeit im Teilprojekt A 9 des DFG-Sonderforschungsbereich 178 "Internationalisierung der Wirtschaft" an der Universität Konstanz, dessen Sprecher Prof. De. Hans-Jürgen Vosgerau ich für seine Unterstützung danke. Dieser ökonomisch-juristische Sonderforschungsbereich sieht seine Aufgabe darin, die vielfältigen Prozesse der Internationalisierung der Wirtschaft zu erfassen, zu strukturieren und zu analysieren, um einen Beitrag zur Gestaltung ihres Fortganges zu leisten. Das Teilprojekt A 9 mit seinem Arbeitsbereich "Internationaler Handel mit Dienstleistungen" wurde von meinem Doktorvater Prof. De. Werner F. Ebke, LL.M. geleitet, von dem auch die Anregung zu diesem Thema stammt. Ihm gebührt mein besonderer Dank für seine vielseitige Unterstützung. Prof. Dr. De. Carsten Thomas Ebenroth danke ich für die Übernahme des Zweitgutachtens. Wichtige Einsichten in die ökonomischen Zusammenhänge der Versicherung gewann ich durch zahlreiche Diskussionen mit meinem Kollegen im Teilprojekt, Dr.rer.pol. Luc L. Grillet. Dem Captive-Spezialisten und Direktor der Risk & Insurance Research Group (RIRG) in London Paul A. Bawcutt verdanke ich entscheidende Hintergrundinformationen über Captives. Mein Dank gilt ferner Prof. Dr. Joachim Lang und Prof. De. Jens Peter Meincke für die Aufnahme meiner Dissertation in ihre steuerrechtliche Reihe. Last not least bedanke ich mich bei Frau cand. iur. Friederike Sciuk für die engagierte Betreuung des Manuskriptes. Konstanz, im März 1993
Karl H. Bialek
Inhaltsverzeichnis Einleitung
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1. Teil Ausgangspunkt "Captive"
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1. Kapitel Gesc:hic:hte und Bedeutung von Capdves
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A. Captives deutscher Unternehmen ...................................... B. Captives US-amerikanischer Unternehmen ...............................
2. Kapitel Die Erscheinungsformen der Capdve
A. B. C. D.
Einteilung nach den Gesellschaftern und den Versicherten der Captive ........... Direletversicherung versos Rückversicherung .............................. "Domestic" versos "off-share" ........................................ Sonderfonnen ................................................... 3. Kapitel Standortbestinunung durch Abgrenzungen
A. Sozialversicherung versos Privatversicherung ............................. B. Nicht-, Selbst- und Fremdversicherung .................................. C. Sonstige Anwendungen externer Selbstversicherung ......................... D. Captive- oder In-House-Broker ....................................... E. Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (VVaG) ........................... 4. Kapitel
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Das juristisch-ökOIlomisc:he Umfeld für die Griindung von Captives in den USA
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A. Die Verschärfung des Haftpflichtrechts .................................. I. Produkthaftpflicht .............................................. 11. Umweltschadenhaftpflicht ........................................ 111. Berufshaftpflicht ............................................... B. Das US-amerikanische Verfahrenscecht .................................. C. Schadensersatzanspcüche und Punitive Damages ........................... D. Kapazitätsengpässe und steigende Prämien ............................... E. Risk Management. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis 5. Kapitel Perspektiven für Captives deutscher Konzerne in EG-Staaten autgnmd der EGFreiheiten gem. Art. 52, 58 und Art. 59 EWGV
A. Die Captive als Rückversicherungsunternehmen ........................... B. Die Captive als Direktversicherungsuntemehmen ........................... I. Zur Aufsichtspflicht bezüglich Direktversicherungs-Captives nach dem Versicherungsaufsichtsgesetz ................................................ 11. Die Herstellung eines EG-weiten Direktversicherungsmarktes ................ 1. Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit ......................... . . 2. Harmonisierung vor Liberalisierung ................................ 3. Das Dienstleistungs-Urteil des EuGH und die daran anknüpfenden RG-Richtlinien
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2. Teil Deutsches nationales Körperschaftsteuerrecht: Die Captive mit Sitz in Deutschland
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1. Kapitel Betriebsausgabenabzug von Captive-Prämien (§ 4 Abs. 4 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG)
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A. Zur Erfolgswirksamkeit risikobewältigender Maßnahmen ..................... I. Die Bildung von Rückstellungen im Unternehmen ....................... II. Exkurs: Sind Zahlungen im Rahmen externer Selbstversicherung als Rückstellungen denkbar? ..................................................... III. Betriebsausgabenabmg risikobewältigender Maßnahmen ................... B. Versicherungsunternehmen i.S.d. Körperschaftsteuergesetzes ................... I. Definitionsproblem ............................................. II. Die Ansicht der Rechtsprechung ................................... 111. Literaturmeinung .............................................. C. Fremd- oder Selbstversicherung i.S.d. Körperschaftsteuergesetzes im Konzern I. Die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs ............................. 1. Gefahrengemeinschaft trotz Organschaft ............................ 2. Weitere Voraussetzungen ...................................... 3. Ergebnis .................................................. 11. Stellungnahmen in Literatur und Finanzverwaltung ..................... . III. Zweifel an der bisherigen Rechtslage ................................ 1. Die Argumentation des Reichsgerichtshofs .......................... 2. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse und veränderte versicherungsrelevante Bedingungen ................................................. IV. Rechtsvergleichend: Captives in den USA ............................ 1. Einleitung ................................................. 2. Die Auswirkungen der alternativen steuerrechtlichen Zuordnung ........... 3. Argumentationen und Meinungsstand .............................. a) Die Betrachtung des Konzerns als Einheit ......................... b) Die Zusammensetzung des Risikoportefeuilles ...................... 4. Bewertung ................................................. V. Eigener Lösungsvorschlag ........................................ 1. Das Verhältnis des Steuerrechts zum Zivilrecht .......................
49 49 51 52 53 53 55 57 57 58 58 61 62 62 63 63 64 65 65 66 67 68 70 71 73 74
Inhaltsverzeichnis 2. Die wirtschaftliche Betrachtungsweise ............................. 3. Sinn und Zweck des Betriebsausgabenabzugs von Versicherungsprämien ..... 4. Zwischenergebnis ............................................. 5. Versicherungstechnische Erwägungen .............................. a) Inhomogene Risiken ........................................ b) Homogene Risiken ......................................... VI. Zusammenfassung ............................................. 2. Kapitel Verdeckte Vennögenszuwenduogen im Inland A. Einleitung ...................................................... I. Untersuchungsgegenstand ........................................ H. Captive-Versicherung und Konzemverrechnungspreise .................... III. Steuerechtliche Relevanz ......................................... B. Verdeckte VermögensZllwendungen auf der Mutter-Tochter-Ebene .............. I. Verdeckte Einlagen durch überhöhte Prämienzahlungen ................... 1. Wirtschaftsgut .............................................. 2. "Causa societatis" ............................................ 3. Rechtsfolge ................................................ 4. Bevor- und Benachteiligte ................................ . ..... H. Vorteilsgewährungen der MuttergeselIschaft durch Nutzungsüberlassungen ...... III. Verdeckte Gewinnausschüttungen durch überhöhte Schadensausgleichszahlungen und Prämienrückvergütungen ...................................... 1. Begriff und Anwendungsbereich ................ . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Tatbestand ................................................. a) Vermögensminderunglverhinderte Vermögensmehrung ...... . ......... b) "Causa societatis" .......................................... c) Einkommensminderung ...................................... 3. Rechtsfolge ................................................ a) Hinzurechnung bei der Captive ................................. b) Zurechnung zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb bei der Muttergesellschaft c) Bestimmung der Höhe verdeckter Gewinnausschüttungen .............. C. Verdeckte Gewinnausschüttungen auf der Geschwisterebene ................... I. Tatbestand ................................................... H. Rechtsfolge .................................................. 1. Unterpreislieferungen ......................................... 2. Nutzungsüberlassungen ........................................ III. Anwendung auf die Captive-Versicherung ............................. 1. Überhöhte Prämienzahlungen .................................... 2. Überhöhte Schadensausgleichszahlungen und überhöhte Prämienrückvergütungen D. Rückgewähr verdeckter VermögensZllwendungen .......................... I. Rückgewähr von verdeckten Gewinnausschüttungen ...................... 1. Folgen bei der Gesellschaft ..................................... 2. Folgen beim GeselIschafter ..................................... H. Rückgewähr von verdeckten Einlagen ................................ 1. Folgen bei der GeselIschaft ................... . ................. 2. Folgen beim Gesellschafter ..................................... III. Anwendung auf die Captive-Versicherung ............................. 1. Rückgewähr auf der Mutter-Tochter-Ebene .......................... 2. Rückgewähr auf der Geschwisterebene .............................
11 75 77 78 78 79 80 82
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Inhaltsverzeichnis
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a) Rückgewähr überhöhter Schadensausgleichszahlungen und überhöher Prämienriickvergütungen ........................................... b) Rückgewähr überhöhter Prämienzahlungen ........................ E. Zusammenfassung
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3. Teil Deutsches internationales Körperschaftsteuerrecht: Die Captive mit Sitz im Ausland
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1. Kapitel Die unilateralen deutschen Regelungen zur Venneidung der Doppelbesteuerung
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A. Gewinnthesaurierung .............................................. I. Zwischengesellschaft gern. § 7 Abs. 1 bis 5 AStG ....................... II. Aktive Tätigkeit gern. § 8 Abs. 1 Nr. 3 AStG .......................... 1. "Niedrige Besteuerung" gern. § 8 Abs. 1 1. HS AStG ................... 2. Die Captive als Versicherungsuntemehmen i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 3 AStG ..... a) Die Folgen des Meinungswechsels beim BAV hinsichtlich der Aufsichtspflichtigkeit von Capti ves ........................................ b) Der Sonderfall der Aow Through Captive ......................... 3. "In kaufmännischer Weise eingerichteter Betrieb" ..................... 4. Zwei Negativabgrenzungen ..................................... a) Unbeschränkt steuerpflichtige Beteiligte der ausländischen Captive und denen Nahestehende i.S.v. § 1 Abs.2 AStG ............................ b) "Geschäfte - betreiben - nicht überwiegen" ........................ 5. Zusammenfassung und Kritik .................................... 111. Aktive Tätigkeit gern. § 8 Abs. 1 Nr. 5 AStG .......................... 1. Die Aow Through Captive und der Dienstleistungsbegriff ............. . .. 2. Das ErlYingen einer Dienstleistung ................................ 3. Der Entlastungsbeweis ........................................ a) "In kaufmännischer Weise eingerichteter Geschäftsbetrieb" ............. b) "Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr" ................ c) Mitwirkungstatbestand ....................................... IV. Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter (§ 7 Abs. 6 AStG i.V.m. § 10 Abs. 6 Satz 2 AStG) ................................................. 1. Voraussetzungen ............................................. 2. Die widerlegbare Vennutung in § 10 Abs. 6 Satz 2 1. HS AStG ........... 3. Die Widerlegung der Vennutung ................................. V. Die Hinzurechnung der Einkünfte der Zwischengesellschaft gern. § IO AStG .... 1. Die Freigrenze gern. § 9 AStG ................................... a) Relative Freigrenze ......................................... b) Absolute Freigrenze ........................................ c) Exkurs: Die Captive als nachgeschaltete Zwischengesellschaft (§ 14 AStG) .. 2. Die Ermittlung des jeweils anzusetzenden Hinzurechnungsbetrages (§ 10 Abs. 2 Satz 2 AStG) ............................................... 3. Die Steueranrechnung gern. § 12 AStG ............................. B. Gewinnausschüttung ............................................... I. "Captive ist keine Zwischengesellschaft" .............................. 1. Indirekte Anrechnung (§ 26 Abs. 2 KStG) ..........................
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Inhaltsverzeichnis
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a) Anrechenbare ausländische Steuern .............................. b) Hinzurechnung des Aufstockungsbetrages ......................... 2. Direktes Abzugsverfahren (§ 26 Abs. 6 Satz 1 KStG i.V.m. § 34c Abs. 2 EStG) II. "Captive ist Zwischengesellschaft" .................................. 1. Ausschüttungsüberschuß ....................................... 2. Direkte Berücksichtigung ausländischer. der deutschen Körperschaftsteuer entsprechende Steuern ........................................... a) Direkte Anrechnung (§ 26 Abs. 1 KStG) .......................... b) Direktes Abzugsverfahren (§ 26 Abs. 6 Satz 1 KStG i.V.m. § 34c Abs. 2 EStG)
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2. Kapitel Die internationalen Regelungen zur Venneidung der Doppelbesteuerung A. Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) .................................. I. Verhältnis der Doppelbesteuerungsabkommen zu den unilateralen deutschen Regelungen ...................................................... II. Muster-Doppelbesteuerungsabkommen ............................... IIl. Ausgewählte Doppelbesteuerungsabkommen mit Mitgliedstaaten. in denen CaptiveZentren bestehen .............................................. 1. DBA Irland ................................................ 2. DBA Luxemburg ............................................ B. Multilaterales Recht der Europäischen Gemeinschaft ........................ I. Die Mutter-Tochter-Richtlinie (90/435/EWG) .......................... II. Das EG-Schiedsverfahren-Übereinkommen (90/436/EWG) ................. IIl. Aktuelle Richtlinienvorschläge .....................................
3. Kapitel Verdec:kte Vennögenszuwendungen über die Grenze A. Leistungsaustausch zwischen den Konzerngesellschaften ..................... B. Die Mutter-Tochter-Ebene ........................................... I. Verdeckte Gewinnausschüttungen ................................... II. Verdeckte Einlagen ............................................. C. Die Geschwisterebene .............................................. I. Captive im Ausland ............................................ 1. Lieferungen ................................................ 2. Nutzungen ................................................. a) Vorteilsgewährung durch die inländische Tochtergesellschaft ............ b) Vorteilsgewährung durch die ausländische Captive ................... II. Tochtergesellschaften im Ausland ................................... 1. Lieferungen ................................................ 2. Nutzungen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
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Zusammenfassung
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Verzeichnis der Gerichtsentscheidungen
187
Verzeichnis der Verwaltungsanweisungen
193
Literaturverzeichnis
196
Abkürzungsverzeichnis a.A.
AB\.
Abschn. a.E. AfP AG AktG AmJTaxPol Anm. AO arg. AStG Aufl. AVB AWD BAnz. BAV BB BdF BDI BFH BfW BGB\. BGE BT Buchst. BStB\. BVerfG BVerfGE c.A. Cir. C1.Ct. DB DBA
D.C.
ders. dies. Diss. DStR DVZ ECU EinfSchr. Ein\.
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endg.
anderer Ansicht Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Abschnitt am Ende Reichsaufsichtsamt für Privatversicherung Aktiengesellschaft Aktiengesetz American Journal of Tax Policy Anmerkung Abgabenordnung argumentativ Außensteuergesetz Auflage al1gemeine Versicherungsbedingungen Außenwirtschaftsdienst des Betriebsberaters Bundesanzeiger Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen Der Betriebsberater Bundesminister der Finanzen Bundesverband deutscher Industrie Bundesfinanzhof Bundesminister für Wirtschaft Bundesgesetzblatt Entscheidungssamm1ung des Schweizerischen Bundesgerichts Bundestag Buchstabe Bundessteuerblatt Bundesverfassungsgericht Entscheidungssamm1ung des Bundesverfassungsgericht Court of Appeals Circnit Claims Court Der Betrieb Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung District Court derselbe dieselben Dissertation Deutsches Steuerrecht Deutsche Versicherungszeitschrift European Currency Unit BdF-Schreiben vom 11.7.1974 Einleitung Eigenkapital endgültig
Abkürzungsverzeichnis Erg.Ug. EStG EuGH EuGHE EuR EWGV EWS F.A.Z. FG FGE FinMin NW Fn. FR F.R.C.P FS FIWIB GAIT GBBAV gern. GewStDV GewStG GG GmbH GmbHG GmbHR GoB GrS HdV HGB HMdF Hrsg. HS i.d.F. i.H.v.
1.R.c.
i.S.d. i.V.m. IWB JbFfSt J.LegaIStud. JuS
JZ KO KOM
KWG KStÄr KStG KStR 1985 Ug. m.w.N. Neb.L.Rev
Ergänzungslieferung Einkommensteuergesetz Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften Entscheidungssammlung des EuGH Europarecht Vertrag zur Gründung der Wirtschaftsgemeinschaft Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht Frankfurter Allgemeine Zeitung Finanzgericht Entscheidungssammlung der Finanzgerichte Finanzminister von Nordrhein-Westfalen Fußnote Finanzrundschau Federal Rules of Civil Procedure (USA) Festschrift F1icklWassermeyerlBecker. Kommentar zum ASt-Recht General Agreement on Tax and Tariffs Geschäftsbericht des BAV gemäß Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung Gewerbesteuergesetz Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz über die GmbH GmbH-Rundschau Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung Großer Senat HandwÖlterbuch der Versicherung Handelsgesetzbuch Hessischer Minister der Finanzen Herausgeber Halbsatz in der Fassung in Höhe von Internal Revenue Code (US-Bundessteuergesetz) im Sinne des in Verbindung mit Internationale Wirtschaftsbriefe Jahrbuch für Fachanwälte für Steuerrecht Journal of Legal Studies Juristische Schulung Juristenzeitung Konkursordnung Dokumente der Kommission der Europäischen Gemeinschaft Kreditwesengesetz Körperschaftsteuer-Änderungsrichtlinie Körperschaftsteuergesetz Körperschaftsteuer-Richtlinie 1985 Lieferung mit weiteren Nachweisen Nebraska Law Review
15
16 Nds.Min.d.Fin.
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OECD OFD OFH OLG o.V. RAO Rdnr(n).
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Abkürzungsverzeichnis Finanzminister von Niedersachsen Neue Juristische Wochenschrift Organization for Economic Co-operation and Development ~dfina~ektion ~rster
Finanzgerichtshof
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ohne Verfasser Reichsabgabenordnung Randnummer(n) Reidtsfinanzhof Recht der internationalen Wirtschaft Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften Rechtssache Reichssteuerblatt sogenannte Spalte Steueranpassungsgesetz Steueränderungsgesetz Steuerberater-Jahrbuch Die steuerliche Betriebsprüfung Steuerrechtsprechung in Karteikarten Steuern und Wirtschaft supplement Tax Court Teilziffer Umwelthaftungsgesetz United Nations versus Versicherungsaufsichtsgesetz Veröffentlichungen des AfP Veröffentlichungen des BAV Versicherungsrecht Versicherungsrecht Beilage Ausland Versicherungsteuergesetz vergleiche Vorbemerlrung Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit Versicherungsvertragsgesetz Versicherungswirtschaft Wertpapiermitteilung Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge Wiener Vertragsrechtskonvention Yale Law Journal Zeitschrift für handelswissenschaft\iche Forschung Zeitschrift für Versicherungswesen Zeitschrift für Unternehmens-und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht zitiert Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen Zeitschrift für die gesamte Versicherungswissenschaft
Einleitung Die Staaten der Europäischen Gemeinschaft erreichen mit der Schaffung des Gemeinsamen Marktes mit Beginn des Jahres 1993 eine weitere Etappe auf dem Weg zur europäischen Einigung. Das Zusammenwachsen der europäischen Volkswirtschaften zu einem Gemeinsamen Markt wird durch die schrittweise Verwirklichung der im EWG-Vertrag niedergelegten Freiheiten des Waren-, Personen-, Kapital- und Zahlungsverkehrs begleitet. Die europäische Integration hat das Interesse deutscher Unternehmen an Captive-Versicherung neu belebt, nachdem vereinzelte Gründungen von Captives in den 70er Jahren wie die der Pallas AG, Captive der Bayer AG, viel Beachtung gefunden haben. In den letzten Jahren ließen mehrere deutsche Unternehmen "feasibility studies" anfertigen, um herauszufinden, ob für sie die Gründung einer Captive von Vorteil ist. Die BMW AG hat in Dublin eine Captive unter dem Namen Bavaria Insurance Co. IntI. Ltd gegründet. Weitere Gründungen deutscher Unternehmen aus der Automobil-und Chemiebranche sind in naher Zukunft zu erwarten. Nur wenige deutsche Unternehmen haben eine Captive gegründet, obwohl für eine weit größere Anzahl von Unternehmen dieses vielseitig einsetzbare Instrument des Risk Managements vorteilhaft sein dürfte. Eine wesentliche Ursache für die geringe Inanspruchnahme der Captive liegt darin, daß sie in Deutschland als VersiCherungsinstrument kaum bekannt ist. Die Captive war zwar Gegenstand ökonomischer Analysen; eine juristische Auseinandersetzung mit dieser Versicherungsform stand bislang aber aus. Von der deutschsprachigen juristischen Literatur wird die Captive weitgehend ignoriert. Demgegenüber zeigt eine Reihe unveröffentlichter juristischer Gutachten und Stellungnahmen, daß ein Bedürfnis besteht, sich dieser Versicherungsform zuzuwenden. Mit der vorliegenden Arbeit wird erstmalig der Versuch unternommen, die einkommensteuerrechtIichen Folgen des Captive-Konzepts für die versicherten Gesellschaften und die Captive zu untersuchen. Die Captive war ursprünglich eine konzerneigene Versicherungsgesellschaft, die nur Risiken der Muttergesellschaft und anderer konzernzugehöriger Gesellschaften versichert hat. Das Wesen der Captive spiegelt sich in der Bedeutung des terminus technicus "captive" der US-amerikanischen Kaufleute wider: "für den Eigenbedarf, nicht für den Markt". Vielfach wird der Begriff "captive" aus der direkten Übersetzung "gefangen" abgeleitet. Eine andere praktizierte Form des "captiving" ist das Captive Banking. In diesem Fall betreibt die Captive 2 Bialek
18
Einleitung
Bankgeschäfte für einen bestimmten Kreis von Gesellschaften, die mit dem Gesellschafter der Captive verbunden sind. In Deutschland ist die Captive als Handelsgesellschaft gern. § 1 Abs. 2 Nr. 3 HGB juristische Person. Regelmäßig wird sie in der Rechtsform der Aktiengesellschaft (vgl. § 7 Abs. 1 VAG) gegründet. An dieser Stelle muß dem oft nur unterschwelligen Vorwurf widersprochen werden, die Captive sei ein Instrument, daß in erster Linie der Steuerverkürzung diene. Bei näherer Betrachtung läßt sich erkennen, daß die Möglichkeiten zur Steuerverkürzung bei weitem nicht so umfangreich sind, wie sie auf den ersten Blick erscheinen mögen. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, was kompetente Captive-BefÜfWorter wie Paul Bawcutt von der internationalen Consulting-Firma Risk & Insurance Research Group Ltd. in London gegenüber Captive-interessierten Gesellschaften nicht müde werden hervorzuheben: Steuerrechtliche Überlegungen stehen nicht an erster Stelle, wenn untersucht wird, ob es für ein Unternehmen oder einen Konzern vorteilhaft ist, eine Captive zu gründen. Die Entscheidungsfmdung in bezug auf eine Captive beginnt mit einer "feasibility study". Darin wird in einer versicherungstechnischen und versicherungsrechtlichen Analyse das aktuelle Versicherungsprogramm eines Unternehmens der alternativen Gestaltung mittels einer Captive gegenübergestellt. Zu den unerläßlichen Vorfragen einer solchen Analyse gehört unter anderem das Erfordernis nach unterdurchschnittlichen eigenen Schadensverläufen und einem Mindestprämienvolumen. Von entscheidender Bedeutung ist im Einzelfall die Einstellung des Unternehmensmanagements hinsichtlich des Captive-Konzepts. Das Captive-Konzept setzt voraus, daß die Unternehmensleitung bereit ist, die Risikobewältigung nicht ausschließlich auf die traditionellen Versicherungsunternehmen gegen Zahlung von Prämie zu übertragen. Risk Management mittels einer Captive erfordert eine aufgeschlossene Unternehmensleitung, deren Unternehmensphilosophie es zuläßt, sich aktiver als bisher den Unternehmensrisiken zuzuwenden. Steuerrechtliche Aspekte werden erst dann in Betracht gezogen, wenn sowohl die Vorfragen als auch die alternative Gestaltung des Versicherungsprogramms mit einer Captive positiv beschieden worden sind. Die steuerrechtlichen Überlegungen gipfeln in der Frage, welche gewinnsteuerrechtlichen Folgen das Captive-Konzept mit sich bringt. Das Konzept der Fremdversicherung mit einem traditionellen Versicherungsunternehmen hat eine einfache Struktur. Das versicherungsrechtliche Verhältnis aufgrund eines gegenseitigen Vertrages beschränkt sich auf das versicherungsvertragliche Synallagma: Der Versicherungsnehmer leistet an ein Versicherungsunternehmen Versicherungsprämien gegen das Versprechen, das Versicherungsunternehmen
Einleitung
19
werde im Falle eines Schadens aufgrund eines realisierten, aber versicherten Risikos den Schaden bis zur vereinbarten Höhe decken. Körperschaftsteuerrechtlich betrachtet entstehen beim Versicherungsnehmer in Höhe der geleisteten Prämien Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG i.V.m § 8 Abs. 1 KStG), die seinen Gewinn mindern. Im Versicherungsfall dagegen erhöhen die Entschädigungszahlungen als außerordentliche Erträge seinen Gewinn (§ 4 Abs.l und § 5 Abs. 1 EStG i.V.m. § 252 Abs. 1 HGB). Durch die Gründung einer Captive wird das Versicherung nachfragende Unternehmen zusätzlich Gesellschafter der Captive. Die gesellSChaftsrechtliche Verbindung zwischen Versicherungsnehmer und Captive läßt den Fiskus oftmals argwöhnen, daß kein "echtes" versicherungsrechtliches Verhältnis gewollt ist. Gesellschaftsrechtlicher Ausgangspunkt der Untersuchung ist ein Beteiligungskonzern (§ 18 AktG), dessen Gesellschaften bei der konzernzugehörigen Captive versichert sind. Die Untersuchung nimmt folgenden Gang. Teil 1 beleuchtet die Captive unter verschiedenen Aspekten. Zunächst werden Geschichte und Bedeutung der Captive sowie ihre vielfältigen Erscheinungsformen dargestellt und ihr Standort gegenüber anderen Instrumenten aus dem Bereich der Versicherung bestimmt. Weiterhin wird das juristisch-ökonomische Umfeld für die Gründung von Captives in den USA dargestellt. Daran schließt sich eine Untersuchung der Perspektiven für Captives deutscher Konzerne in EG-Mitgliedstaaten an, die sich im Rahmen der Verwirklichung der Niederlassungssowie der Dienstleitungsfreiheit ergeben. Teil 2 behandelt die relevanten körperschaftsteuerrechtlichen Fragen für den Fall, daß sowohl die Muttergesellschaft als auch die Captive ihren Sitz in Deutschland haben. Gegenstand des ersten Kapitels dieses Teils sind die Voraussetzungen, unter denen der Abzug von Captive-Prämien als Betriebsausgaben gern. § 4 Abs. 4 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG zuzulassen ist. Das zweite Kapitel behandelt die verdeckten Vermögenszuwendungen in Form von verdeckten Gewinnausschüttungen und verdeckten Einlagen, die aufgrund der Captive-Konzeption möglich sind. Dabei werden sowohl verdeckte Vermögenszuwendungen auf der vertikalen Ebene zwischen der Muttergesellschaft und der Captive als auch auf der horizontalen Ebene zwischen der Captive und anderen Tochtergesellschaften untersucht. Teil 3 behandelt den Fall, daß die Captive ihren Sitz im Ausland hat und die bei ihr versicherten konzernzugehörigen Gesellschafter sich im Inland befinden. Wegen des grenzüberschreitenden Sachverhalts ist für die Bestimmung der Höhe des Einkommens dieser inländischen Gesellschafter das deutsche internationale Körperschaftsteuerrecht heranzuziehen. Die Anwendung der einseitig gesetzten Normen des deutschen Körperschaftsteuerrechts auf den grenzüber-
20
Einleitung
schreitenden Sachverhalt ist Gegenstand des ersten Kapitels. Das deutsche internationale Körperschaftsteuerrecht enthält einerseits Regelungen, die Gewinnverlagerungen ins Ausland unterbinden sollen (§ 10 AStG). Andererseits sind Doppelbesteuerungen (§ 26 Abs. I KStG) und Doppelbelastungen (§ 26 Abs. 2 KStG) zu verhindern, die infolge des WeIteinkommensprinzips (§ 1 Abs. 2 KStG) entstehen. Der Gewinn der ausländischen Tochtergesellschaft kann thesauriert oder ausgeschüttet werden. Die Unterteilung des ersten Kapitels folgt diesen beiden Gewinnverwendungsmöglichkeiten. Das zweite Kapitel des dritten Teils behandelt internationale Regelungen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung. Diese fmden sich sowohl in Doppelbesteuerungsabkommen als auch in Vereinbarungen, die auf EG-Ebene im Rahmen der europäischen Integration getroffen worden sind. In diesem Kapitel werden die körperschaftsteuerrechtIichen Bedingungen gesondert für die Fälle untersucht, daß sich die Captive in den bevorzugten EG-Standorten Luxemburg oder Dublin befindet. Das dritte Kapitel behandelt verdeckte Vermögenszuwendungen über die Grenze. Es stellt das Pendant zu den im zweiten Kapitel von Teil 2 dargestellten verdeckten Vermögenszuwendungen im Inland dar.
1. Teil
Ausgangspunkt "Captive"
Zu Beginn dieser Arbeit über die Captive im deutschen Körperschaftsteuerrecht soll der bislang wenig bekannte Untersuchungsgegenstand dargestellt werden. Es wird sich zeigen, daß mit der Captive ein außergewöhnliches Instrument des Risk Managements bereitsteht. Im folgenden werden zunächst die Herkunft und die verschiedenen Erscheinungsformen der Captive dargestellt. Daran schließt sich eine Standortbestimmung der Captive-Versicherung an, die durch eine Abgrenzung gegenüber anderen Instrumenten der Versicherung erfolgt. Schließlich wird das juristisch-ökonomische Umfeld beleuchtet. das in den USA zur massenhaften Gründung von Captives führte.
1. Kapitel
Geschichte und Bedeutung von Captives Die Captive ist im Rahmen der Selbstversicherung eine Verselbständigung des Risikoträgers eines Konzerns, um die eigenen Risiken zu decken. Der Gedanke der Selbstversicherung fmdet sich bereits im 19. Jalubundert bei den Vorläufern des Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit. Sowohl bei dem Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (im Englischen "mutual" genannt) als auch bei der Captive sind die Versicherten die Träger des Versicherers. Damit besteht wirtschaftlich betrachtet eine Identität zwischen dem Versicherungsunternehmen und den Versicherungsnehmern!. Die Bedeutung der Captive spiegelt sich in folgenden Zahlen wider: Weltweit liegt die Anzahl der Captives bei ca. 3.000; ihr Prämienvolumen beträgt ca. $ 9,5 Mrd. 2 Die geschichtliche Entwicklung sowie die wirtschaftliche Bedeutung von Captives weisen von Staat zu Staat deutliche Unterschiede auf, die auf
I
Zum Versicherungs verein auf Gegenseitigkeit siehe unten Kapitel 3 E.
2 Siehe Ramming. wo 2.984 Captives nachgewiesen sind. ein Zuwachs von 10 vom Hundert gegenüber 1988; zu den Problemen der Zählung siehe dort S. 3.
1. Teil: Ausgangspunkt "Captive"
22
wirtschaftliche und rechtliche Besonderheiten zurückzuführen sind. Zum einen können besondere Bedingungen in dem Staat bestehen, in dem der Gesellschafter und Versicherungsnehmer einer Captive seinen Sitz hat. Zum anderen werden bestimmte ausländische Staaten insbesondere wegen ihrer vorteilhaften rechtlichen Bedingungen als Sitz für Captives ausgewählt; damit haben die Captive und die Muttergesellschaft ihren Sitz in verschiedenen Staaten3. A. Captives deutscher Unternehmen
In Deutschland sind Selbstversicherungsunternehmen, die den Namen "Captive" verdienen, zwischen den Weltkriegen erfolgreich tätig gewesen4 • Insoweit wird auch von Captives der ersten Generation gesprochen. Deutsche Konzerne sahen sich während der Phasen galoppierender Inflation zu solchen Gründungen gezwungen. Die etablierten Versicherer wurden durch die Vermögensanlagevorschriften daran gehindert, inflationsausgleichende Vermögensrenditen zu erzielen, so daß sie nicht in der Lage waren, die Schäden der Versicherungsnehmer vollständig auszugleichen5 • Die Eindeckungsspitzen der Selbstversicherungsunternehmen lagen in den Krisenzeiten 1919-1924 und 192919326 • Nach dem 2. Weltkrieg hätten die wirtschaftlichen Verhältnisse wie nach dem 1. Weltkrieg günstig für die Gründung von Captives sein können. Dem stand jedoch zunächst die Entflechtung der Großindustrie durch die Siegermächte entgegen. Später verlangten die privaten sowie die staatlichen Kreditgeber, daß der Kreditnehmer gewerblichen Versicherungsschutz zugunsten des Kreditgebers erwirbe. Die aufsehenerregenden Gründungen der Pallas AG 1973, 1
Siehe dazu unten Kapitel 2.
4
Hitzig. S. 41.
5
Siehe näher dazu Wdtke. S. 252.
• Siehe dazu Ackermonn. S. 41-42; Wdtke. S. 251; zur Entwicklung der Selbstversicherung in Deutschland siehe Grosse. ZVersWiss 1933. 123 (126-130). 1 Bei sicherungsübereigneten Kreditsicherheiten schließen die Kreditgeber aus. daß sie Versicherungsnehmer (siehe PrölssJMartin. § 69 VVG. Anm. C b) werden. Sie bevorzugen einen Vertrag zugunsten Dritter. bei dem der Sicherungsgeber Versicherungsnehmer und der Kreditgeber Versicherter ist; versicherungsrechtlich handelt es sich um einen Vertrag für fremde Rechnung (§ 74 VVG); siehe ScluuJrschmidtlEngelken. 2.726. S. 667-668. Gebäude werden nur beliehen. wenn sie bei öffentlichen Versicherungsanstalten oder leistungsfähigen privaten VersicherungsUDternehmen (vgl. Fachmitteilung Nr. 10/1958) versichert sind; siehe dazu Falter. Rdnr. 581. S. 320; Schatz. S. 25. Ziff. 28. S. 416 II 1 und S. 479 Ziff. 16. Zur Erstreckung der Hypothekenhaftung auf die Versicherungsforderung siehe PalandtIBassenge. § 1127 BGB. Anm. 2.
1. Kap.: Geschichte und Bedeutung von Captives
23
Captive der Bayer AG, und der Hoechst-Versicherungs AG 1974, Captive der Hoechst AG8 , setzten das Zeichen für einen Wandel in der Versicherungspraxis der deutschen Industrie (Captives der 2. Generation). Seither haben weitere deutsche Gesellschaften Captives gegrundee. In den letzten Jahren haben deutsche Konzerne im Zuge der europäischen Integration vennehrt Interesse an einer Captive gezeigt. Die BMW AG hat bereits eine Captive unter dem Namen Bavaria Insurance Co. Intl. Ltd in Dublin gegrundet10; andere Konzerne stehen kurz vor der Gründung einer eigenen Captivel1 • Dennoch ist die Anzahl von Captives deutscher Unternehmen verschwindend gering, gemessen an der Anzahl von Unternehmen, für die eine Captive infrage kommen dürften. Der Hauptgrund ist in den Versicherungsgewohnheiten deutscher Unternehmen zu sehen. Dazu zählt insbesondere, sich langfristig an einen Versicherer zu binden. Diese Bindung wird durch wechselseitige Beteiligungen und Entsendungen von Führungspersonen in die Aufsichtsräte noch verstärkt12• Deshalb kommt nur langsam Bewegung in die Versicherungsgewohnheiten deutscher Unternehmen. Ein weiterer Grund für einen bislang fehlenden Captive-Boom deutscher Unternehmen liegt darin, daß unternehmenseigene Captive-Broker als Mittler zwischen Versicherern und Versicherungsnehmern die Versicherungskosten für den Versicherungsnehmer senken 13 • B. Captives US-amerikanischer Unternehmen In den USA führte die verstärkte Internationalisierung der Wirtschaft ab dem Ende der SOer Jahre dieses Jahrhunderts zur Gründung von Captives. Diese Captives gehören der zweiten Generation an. Seit den 60er Jahren erlebt diese Versicherungsfonn phasenweise Zuwächse hinsichtlich Anzahl und Prämien-
8 Siehe dazu das Handelsblatt vom 14.115.12.1974. S. 6; zu den Überlegungen. die Zeichnungskapazität im Luftversicherungsmarkt durch die Gründung von Selbstversicherungsunternehmen zu erweitern. siehe Bodenscholz. VW 1970.491 (491). 9
Vgl. die Zusammenstellung bei WlItke. Anlage. S. 1 und 2.
10
Siehe Ramming. S. 33.
11 Dem Verfasser ist bekannt geworden. daß sich deutsche Unternehmen aus dem Bereich der chemischen Industrie und der Automobilindustrie zur Zeit intensiv auf die Gründung einer Captive vorbereiten. 12
So Boiler. Captive Insurance Reports 1991. 6 (6).
13 Siehe dazu Boiler. Captive Insurance Company Reports 1991.6 (6); GeraJhewohl. VW 1989. 23 (27).
24
1. Teil: Ausgangspunkt "Captive"
volumen. Insbesondere die Krise des US-amerikanischen Versicherungsmarktes Ende der 70er Jahre führte vermehrt zur GIÜndung von Captives l4 • Die Captive war aufgrund der GesellschaftersteIlung der Versicherten oft die einzige Möglichkeit, um das fehlende Versicherungsangebot innerhalb kürzester Frist entsprechend den Bedürfnissen der Versicherungsnehmer zu schaffen.
2. Kapitel
Die Erscheinungsformen der Captive Die Captive war urspIÜnglich eine eigenständige Tochtergesellschaft, die die Risiken der Muttergesellschaft und anderer konzernzugehöriger Gesellschaften versichern sollte. Im Laufe der Zeit sind verschiedene Captive-Typen entstandenls . Captives können nach verschiedenen Kriterien eingeteilt werden.
A. Einteilung nach den Gesellschaftern und den Versicherten der Captive Die Einteilung kann zunächst danach erfolgen, ob nur eine Gesellschaft oder mehrere Gesellschaften Anteile an der Captive halten. Weitere Unterschiede ergeben sich je nachdem, ob nur Risiken der Gesellschafter der Captive oder auch Risiken unverbundener Dritter übernommen werden. Hat die Captive nur einen Gesellschafter, handelt es sich um eine "Single-Parent Captive". Halten mehrere Gesellschaften Anteile der Captive, spricht man von einer "Multiple Captive". Die "Single-Parent Captive" versichert regelmäßig nur die Risiken der Muttergesellschaft und deren Tochtergesellschaften. Diese sogenannte "Pure Captive" ist der am häufigsten auftretende Captive-Typ. Übernimmt eine "Pure Captive" auch Risiken unverbundener Dritter, so handelt es sich um eine "Open-Market Captive"16.
14 Eingehend dazu Porat, National Underwriter 1984, 6 (6-12); zu den Gründen siehe Kleindorfer, ZVersWiss 1987, 1 (3-4); Niquille, S. 93-107; Viscusi, J.Legal Stud. 1991, 147 (165); siehe auch unten Kapitel 4.
IS
Vgl. dazu auch Bawcutt, S. 19; Gerathewohl, S. 628-629.
16 Open market business kann dabei durch Rückversicherungsübernahme aus einem Pool oder gegenseitigen Austausch von Versicherungsgeschäft zuwischen Versicherungsuntemehmen geschehen; siehe BawcUII, S. 2~21.
2. Kap.: Die Erscheinungsformen der Captive
25
Oft gründen Unternehmen der gleichen Branche gemeinsam eine Versicherungsgesellschaft, um ihre Risiken zu decken. Dann spricht man von einer "Industry Captive"17. Übernehmen "Industry Captives" oder "Multiple Captives" neben den Risiken der beteiligten Gesellschaften Risiken unverbundener Dritter, handelt es sich um eine "Broad Captive". Eine "Broad Captive", deren Versicherungsnehmer nicht notwendigerweise Gesellschafter der Captive sind, gleicht im wesentlichen den taditionellen unverbundenen Versicherern.
B. Direktversicberung versus Rückversicberung Captives werden sowohl als Direkt- als auch als Rückversicherer eingesetzt. Als Direktversicherer ergeben sich zwei weitere Möglichkeiten. Die übernommenen Konzernrisiken verbleiben bei der Captive oder sie werden an einen Rückversicherer zediert l8 • Eine ausschließlich Rückversicherung betreibende "Reinsurance Captive" benötigt einen vorzeichnenden Direktversicherer (Fronter). Der Fronter muß den zulassungs- und aufsichtsrechtlichen Anforderungen des Staates genügen, in dem das zu versichernde Risiko belegen ist (vgl. § 105 VAG i.V.m. § 1 Abs. 2 VAG), um den für dieses Land gültigen Versicherungsschein ausstellen zu dürfen l9 • Risiko- und Prämienteile werden vom Fronter gegen Provision an die "Reinsurance Captive" retrozediert. Auch der Rückversicherer hat wiederum die Möglichkeit, die übernommenen Risiken sowie die Prämie zu sammeln oder Teile zu retrozedieren. Die für Direktversicherer in den meisten Industrieländern geltenden strengen zulassungs- und aufsichtsrechtlichen Vorschriften 20 sowie das personalintensive Unterzeichnungs- und Schadensabwicklungsgeschäft sind der Grund dafür, daß die meisten Captives als Rückversicherer tätig sind.
11 Andere Namen dafür sind Association Captive. Multi- oder lointly-owned Captive; siehe nur Wdtke. S. 96. 11 Bei der Übertragung von Risiken im Rahmen der Rückversicherung spricht man - juristisch nicht exakt - in Anlehnung an § 398 BGB von Zession und Retrozession der Risiken; vg\. dalll Gerathewohl. S. 630 und 408; Grossmonn. S. 210. 19 Vg\. § 105 VAG i.V.rn. § 1 Abs. 2 VAG. Europarechtlich ergeben sich Änderungen durch die Umsetzung der Dienstleistungsfreiheit (Art. 59 EWGV) sowie der Niederlassungsfreiheit (Art. 52 EWGV). Siehe dazu unten Kapitel 5. 'lIl
Vg\. nur §§ 5. 81 und 53c VAG.
26
1. Teil: Ausgangspunkt "Captive"
c. "Domestic" versus "off-shore" Ist das Sitzland der Captive mit dem der Muttergesellschaft der Captive identisch, handelt es sich um eine "Domestic Captive", anderenfalls um eine "off-shore"-Captive. Direktversicherungscaptives werden regelmäßig im Sitzland der Konzernmutter gegründet, weil ein Direktversicherer bislang regelmäßig den zulassungs- und aufsichtsrechtlichen Bestimmungen des Staates unterliegt, in dem das zu versichernde Risiko belegen isrl . Die Mehrzahl der Captives ist deshalb als Rückversicherer tätig, gegründet in "off-shore"-Zentren. In den sogenannten "Steueroasen"22 bestehen vorteilhafte Rahmenbedingungen hinsichtlich Kapitalisierung und Besteuerung von Versicherungsgesellschaften. D. Sonderformen
Der Vollständigkeit halber ist auf weniger gebräuchliche Captive-Formen hinzuweisen. Als "Retention Captive" wird eine Captive dann bezeichnet, wenn die übernommenen Risiken im wesentlichen bei ihr verbleiben und nicht an Rückversicherer zediert werden. Anderenfalls spricht man von einer "Flow Through Captive". Schließlich gibt es als Sonderformen die Rent-a-captive und den Captive Account. Im Gegensatz zu den oben beschriebenen Captive-Formen ist bei diesen Formen von Captives keiner der Versicherten Gesellschafter der Captive; Rechtspersönlichkeit bzw. Infrastruktur einer untemehmensfremden Captive werden vielmehr zur Verfügung gestellt. Bei der "Rent-a-captive" werden Captives insbesondere von etablierten Versicherern oder Managementgesellschaften gegründet und dann mehreren interessierten Unternehmen überlassen. Juristisch gesehen handelt es sich um einen gemischten Vertrag, der aus wesentlichen Elementen der Pacht (§ 581 BGB) besteht. Die "Rent-a-captive" wird oft von ihren Gesellschaftern geleitet, die dann das Geschäft für jeden Versicherungsnehmer gesondert führen. Im Falle eines "Captive Account" zeichnet ein traditionelles Versicherungsunternehmen Risiken eines Versicherungsnehmers. Die Geschäftsführung erfolgt nach vorher abgestimmten Grundsätzen gegen Entgelt für Rechnung des Versicherungsnehmers. Längerfristig positive Saldi aus der Übernahme der Risiken des einzelnen Versicherungsnehmers werden gemäß einer Vereinbarung zwischen Versiche-
2'
Zu den Veränderungen im Rahmen der europäischen Integration siehe unten Kapitel 5.
21 Dazu zählen insbesondere Barbados, Bermuda, Hong Kong, Labuan sowie innerhalb Europas Guernsey, Isle of Man, Gibraltar, Malta und Zypern.
3. Kap.: Standortbestimmung durch Abgrenzungen
27
rungsuntemehmen und Versicherungsnehmer aufgeteilt. Über Stop-LossVerträge mit Rückversicherern wird das Ruin-Risk abgedecke 3•
3. Kapitel
Standortbestimmung durch Abgrenzungen Um den genauen Standort der Captive bestimmen zu können, ist die Captive gegenüber anderen Instrumenten der Versicherung abzugrenzen.
A.Sozialversicherung versus Privatversicherung Die Captive als konzerneigene Versicherungsgesellschaft versichert die im Unternehmen bestehenden Risiken. Dabei kann es sich nur um solche Risiken handeln, die privatrechtlich versicherbar sind. Die Sozialversicherung ist insbesondere in der Reichsversicherungsordnung, dem Angestelltenversicherungsgesetz sowie dem Sozialgesetzbuch öffentlich-rechtlich geregelt. Damit ist die Sozialversicherung nicht privatrechtIicher Gestaltung durch eine Captive zugänglich.
B. Nicht-, Selbst- und Fremdversicherung Zentral für das Verständnis der Probleme, die im Zusammenhang mit der Captive in der vorliegenden Arbeit behandelt werden, ist die Standortbestimmung der Captive innerhalb des Risk Managements. Mit der Captive wird die Palette unternehmerischer Risikobewältigung um ein weiteres Instrument erweitert. Systematisch gesehen bieten sich dem Risk Management neben der Risikoprävention grundsätzlich drei Möglichkeiten, mit Risiken umzugehen: Nichtversicherung, Selbstversicherung und Fremdversicherung. Nichtversicherung liegt zum einen dann vor, wenn sich ein Wirtschaftssubjekt über einen Risikoausgleich überhaupt keine Gedanken macht; möglicherweise erkennt das Wirtschaftssubjekt ein bestehendes Risiko nicht. Damit verhält es sich passiv gegenüber möglicherweise eintretenden Schäden. Kann ein Wirtschaftssubjekt keinen Risikoausgleich erwarten, ist es aber aus Mangel an
23
Siehe Meyer-Kahlen. S. 95-96: ausführlicher zum ganzen Niquille. S. 263-266.
1. Teil: Ausgangspunkt "Captive"
28
Angeboten oder aus sonstigen Gründen gezwungen. das Risiko selbst zu tragen, bedeutet das Nichtversicherung. Schäden werden aus den zur Verfügung stehenden Mitteln gedeckt; versicherungstechnische Grundsätze kommen jedenfalls nicht zur Anwendung 24 • Unter Selbstversicherung versteht man den bewußten Verzicht eines potentiellen Versicherungsnehmers auf Versicherung durch ein unverbundenes Versicherungsunternehmen in Lagen, in denen sich innerhalb des eigenen Unternehmens ein Risikoausgleich erzielen läßt2s • Der Begriff der Selbstversicherung wurde teilweise heftig bekämpft26 • Sein Vorteil ist im Zuge einer Erweiterung des Versicherungsbegriffs offensichtlich geworden21 • Zu unterscheiden ist die interne von der externen Selbstversicherung 2l!. Interne Selbstversicherung wird vom Wirtschaftssubjekt selbst durchgeführt. Es fehlt an einer versicherungsvertraglichen Grundlage mit einem anderen Rechtssubjekt, so daß keine Versicherung im Rechtssinn vorliegt. Von Versicherung kann jedoch gesprochen werden, weil die Risikotragung durch Zusammenfassung vieler ausgleichsfähiger Einzelrisiken ermöglicht werden soll. Die interne Selbstversicherung umfaßt die Schadensfinanzierung aus dem Cash Aow sowie die Auflösung von Rücklagen und Rückstellungen. Diese Form der Selbstversicherung ist gängig und wird vom Bilanzrecht ausdrücklich anerkannt (vgl. § 272 Abs. 3, 249 HGB). Der externen Selbstversicherung wird dagegen wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Sie liegt vor, wenn der Risikoträger rechtlich verselbständigt wird. Hierzu zählt Versicherung mittels einer Captive29 • Zwischen dem Versicherungsnehmer und der Captive kann ein Vertrag geschlossen werden, der alle Merkmale eines (Fremd-) Versicherungsvertrages erfüllt. Fremdversicherung
201
Siehe Müller, S. 781.
25
Vgl. Bronisch, Spalte 1889.
26 Siehe den Vergleich mit einer "Selbstehe" durch Paul Braeß, die nicht möglich sei, Nachweis in Hitzig, Vorwort; Mies, FR 1971, 387 (390), setzt Selbstversicherung mit Nichtversicherung gleich; Hess, VW 1958, 110 (110), hält das Wort "Selbstversicherung" für "in sich" verkehrt, dazu werde es für zwei verschiedene Vorgänge benutzt, für die "Isolation" des Nichtversicherungsnehmers und für das Phänomen des Selbstbehalts.
TI
Zur Fortentwicklung der Theorie der Versicherung siehe Famy, S. 869.
21
Siehe Müller, S. 781-782.
29
Zu anderen Anwendungen externer Selbstversicherung siehe unten C.
3. Kap.: Standortbestimmung durch Abgrenzungen
29
setzt jedoch voraus, daß ein Versicherungsvertrag zwischen dem Versicherungsnehmer und einem unverbundenen Versicherungsunternehmen bestehfo.
c. Sonstige Anwendungen externer Selbstversicherung Andere Anwendungen externer Selbstversicherung finden sich in Deutschland insbesondere im Bereich der Lebensversicherung in Form betrieblicher Pensions- und Unterstützungskassen sowie kommunaler Schadensausgleiche. Betriebliche Pensionskassen werden von einem oder mehreren Betrieben als Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit gegründet. Gegen Zahlung von Beiträgen übernehmen sie die Alters- und Hinterbliebenenversorgung auf Rentenbasis. Die Mitglieder erhalten entsprechend der Satzung und den Allgemeinen Versicherungsbedingungen einen Anspruch auf die Leistung (§ lAbs. 3 BetrAVG)3\. Betriebliche Unterstützungskassen sind selbständige betriebliche Sozialeinrichtungen in der Form des eingetragenen Vereins oder einer GmbH. Sie gewähren als Einzel- oder Gruppenkassen einem bestimmten Personenkreis Unterstützungsleistungen, ohne daß die Begünstigten sich an der Aufbringung von Mitteln beteiligen. Da jedoch weder die Kasse einen Beitragsanspruch gegen das Trägerunternehmen hat, noch die Begünstigten Kassenleistungen beanspruchen können, handelt es sich nicht um ein Versicherungsunternehmen im Rechtssinn (vgl. § 1 Abs. 3 Nr. I VAG)32. Kommunale Schadensausgleiche sind freiwillige Selbstversicherungseinrichtungen von Gemeinden und Gemeindeverbänden in Form nichtrechtsfäbiger Vereine. Sie tragen im Umlageverfabren die Haftpflicht- und Unfallschäden ihrer Mitglieder. Eine Gewinnerzielungsabsicht besteht nichf 3.
30 Ist ein Wirtschaftssubjekt Aktionär eines Versicherungsunternehmens, bei dem es auch versichert ist, so wird zwischen dem Aktionär und dem Versicherungsunternehmen Fremdversicherung bestehen: Der versicherte Aktionär beteiligt sich regelmäßig aus Renditegründen an dem Versicherungsunternehmen und nicht deshalb, weil er wegen des versicherungsrechtlichen Verhältnisses Einfluß auf den Versicherer nehmen will. Die Grenzen sind jedoch fließend. 31
Vgl. dazu Sieg, ZKW 1980,93 (94).
32 Siehe auch Prölss, § 1 VAG, Rdnr. 22. Zu den Voraussetzungen für ein Versicherungsunternehmen im Rechtssinne siehe unten Teil 2, Kapitell, B.
33
Siehe Maller, S. 782, Sp. 2.
1. Teil: Ausgangspunkt "Captive"
30
D. Captive- oder In-House-Broker Captive- oder In-House-Broker werden im deutschen Sprachraum als ftrmenverbundene Versicherungsvermittle~ oder konzerneigene Vermittlungsgesellschaften3S bezeichnet. Hierbei handelt es sich um Versicherungsvermittlungsgesellschaften, deren Gesellschafter Versicherungsnehmer sind. Diese Gesellschaften übernehmen selbst keine Risiken, sondern sind ausschließlich als Vermittler tätig 36• Dadurch unterscheiden sie sich wesentlich von Versicherungsunternehmen. Denn auch Erstversicherer, die Rückversicherung betreiben, haften unabhängig von ihrer Rückversicherung den Versicherten gegenüber unmittelbar aus dem Versicherungsvertrag. E. Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (VVaG) Wesensverwandt mit der Captive ist der Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (VVaG). Dabei handelt es sich gern. § 15 VAG um einen rechtsfähigen Verein, der die Versicherung seiner Mitglieder nach dem Grundsatz der Gegenseitigkeit betreiben will. Ein entscheidender Unterschied zu Versicherungsnehmern anderer Versicherungsunternehmen liegt in der Haftung der Versicherten. Zwar haftet den Gläubigem gegenüber nur das Vermögen des VVaG (§§ 19 und 50 Abs. 1 VAG). Die Vereinsmitglieder tragen jedoch das wirtschaftliche Risiko in der Weise, daß sie dem Verein gegenüber Verluste durch Beiträge, Umlagen und Nachschüsse decken müssen (§§ 19, 50 Abs. 1 V AG). Andererseits können sie einen Anteil am jährlichen Überschuß (§ 38 VAG) und am Liquidationsüberschuß (§ 48 Abs. 2 VAG) verlangen37 • Versicherungsnehmer der Captive, die gleichzeitig Aktien der Captive halten, haften nur mit ihrem Anteil an der Captive (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2 AktG, § 54 Abs. 1 AktG).
l4
Vgl. Meyer-Kahlen. S. 95.
3S
Vgl. Runge. DB 1977, 145 (145).
16 Siehe Meyer-Kahlen. S. 95; zum privatrechtlichen Status der Versicherungsvermittlungsgesellschaft der Messerschmitt-Bölkow-Blolun GmbH. MBB Wirtschaftsdienst GmbH. siehe ReichertFacilides. VW 1980.695 (696-698).
Y1
Weiterführende Literaturhinweise zum VVaG finden sich bei Prölss. § 15 VAG. vor Rdnr. 1.
4. Kap.: Die Gründung von Captives in den USA
31
4. Kapitel
Das juristisch-ökonomische Umfeld für die Gründung von Captives in den USA Die Captive hat in Deutschland bislang nur geringe Beachtung gefunden. In den 70er Jahren sowie Mitte der 80er Jahre ist es in den USA zu einem regelrechten Captive-Boom gekommen. Um das Entwicklungspotential der Captive in Deutschland abzuschätzen, lohnt es sich, einen Blick auf die auslösenden Faktoren aus dem juristisch-ökonomischen Umfeld der USA zu werfen. Die Verschärfung des Haftpflichtrechts in Deutschland38 läßt vermuten, daß einzelne dieser Faktoren auch in Deutschland auftreten können 39 • Zu den nachstehend dargestellten auslösenden Faktoren ist anzumerken, daß sie nicht nebeneinander standen, sondern miteinander verwoben waren und sich gegenseitig beeinflußten.
A. Die Verschärfung des Haftpflichtrechts Einer der Hauptgründe, der für die sprunghafte Verbreitung von Captives in den USA während der 70er und Mitte der 80er Jahre verantwortlich ist, liegt in der Verschärfung des Haftpflichtrechts. Diese Verschärfung betraf nicht nur einen Bereich, sondern erstreckte sich auf die Produkt-, die Umweltschadenund die Berufshaftpflicht. I. ProdukthaftpDicht
In einzelnen Bundesstaaten der USA40 kam es seit den frühen 60er Jahren zu Veränderungen des Haftungsmaßstabes in der Produkthaftung41 • Der Produzent von Gütern haftete für Produktionsfehler aus Gefäbrdungshaftung (strict
31 Siehe das Produkthaftungsgesetz vom 15.12.1989. BGB!. 1989 I. 2198. sowie die Verschärfung der Produkthaftung durch das Milupa·Urteil des BGH vom 12.11.1191. VI ZR 7/91. ZIP 1992. 38; siehe ferner das Gentechnikgesetz. BGB!. 1990 I. 1080. seit dem 1.7.1990 in Kraft. zu dessen Haftungsumfang siehe HirschlSchmidt-Didczuhn. VersR 1990. 1193 (1195-1196). 39 Für den Bereich der Umweltschadenhaftpflicht wird diese Ansicht von KleindorferlKunreuther. S. 20-35. vertreten.
40 Zu dem aussichtsreichen gegenwärtigen Gesetzesvorschlag für ein Bundesprodukthaftungsgesetz für die USA siehe RöhmlGrobbels-Janka. RIW 1992. 200 (204-207) .
•• Zusammenfassend Koepke. RIW 1987. 503.
32
1. Teil: Ausgangspunkt "Captive"
liability in tort4~. Die Haftung für Konstruktions- und Instruktionsfehler erforderte Verschulden. Seit Mitte der 70er Jahre ist in diesem Bereich die Haftung verschärft worden. Bei der Bewertung des technischen Kenntnisstandes fehlerhafter Produkte stellten die Gerichte nicht mehr auf den Zeitpunkt der Herstellung des Produktes ab. Sie verschoben den maßgeblichen Zeitpunkt auf den Schadenseintritt. so daß der aktuelle Stand des technisch Möglichen entscheidend werden konnte43 . Damit entwickelte sich die verschuldensabhängige Haftung zur strikten Kausalhafung ohne Exkulpationsmöglichkeit für EntwicklungsfehlerW. Eine weitere Verschärfung für Produzenten ergab sich daraus, daß die Herstellung bestimmter Produkte einen zeitlich nahezu unbegrenzten Haftungszeitraum zur Folge hat. Der Grund dafür liegt in ausgedehnten Latenzperioden bestimmter Produkte, die bis zu 40 Jahre betragen können45 . Das hatte zur Folge, daß der Haftungsumfang für die Unternehmen kaum zu berechnen war. Ein DES-Urteil aus dem Jahre 198(t6 führte auf andere Weise zu einer Verschärfung der Produkthaftpflicht. In dieser Entscheidung wurde das Prinzip der marktanteiligen Haftung für Hersteller gleichartiger Produkte angewendet. Die marktanteilige Haftung traf beklagte Verwender eines nachgewiesenermaßen schädigenden Wirkstoffes. Sie kam zum Tragen, weil der Geschädigte sich an den Hersteller des eingenommenen Präparates nicht mehr erinnern konnte. Die Hersteller der Präparate, die den im konkreten Fall schädigenden Wirkstoff enthielten, hatten dabei in gleicher Weise die Zulassung ihres Produktes betrieben. Damit trat an die Stelle des Kausalitätsnachweises eine epidemiologische Haftung der betroffenen Herstelle~1. Die haftungsrechtlichen Konsequenzen für betroffene Unternehmen wurden fast unübersehb~ .
• 2 In Kalifornien seit 1965 in § 402 A Rest. 2d ofTorts geregelt; siehe dazu Grafvon Westphalen, F., WM 1979, 542 (542-545). • 3 In der Entscheidung Beshada v. lohns-Manville Products Corp., 447 A.2d 539 (S.C!. NJ. 1982), wurde der Hersteller für Asbesteinwirkungen in den 30er Jahren haftbar gemacht, obwohl erst seit Ende der 40er Jahre der Zusammenhang zwischen Lungenkrebs und Asbest bekannt wurde. Vg\. auch Barker v. Lull Engineering Co., 573 P.2d 443, 457 (Ca\. 1978), und Foglie v. Western Auto Supply, 56 Ca\.App.3d 470, 477 (1976) .
... So von Halsen, RIW 1983, 633 (635) . .os
Das gilt z.B. für Bendectin, lUD, Formaldehyde, Dioxin, Astbest, Agent Orange und DES .
.. SindeIl v. Abholt, 607 P2d 924 (S.C!. Ca\. 1980); siehe auch die Entscheidung Bichler v. Eli Lillyand Co., New York Court of Appeals, 11.5.1982 No. 244, PSLR 1982, 328; dazu von Halsen, RIW 1982, 1 (2-3).
4. Kap.: Die Gründung von Captives in den USA
33
Daneben wird von den Gerichten zunehmend zum Hilfsmittel der gesamtschuldnerischen Haftung gegriffen, um beim Ausfall eines Beklagten den Durchsetzungserfolg des Geschädigten zu sichern ("deep pocket"-theory)49. Der Stand des Produkthaftpflichtrechts in den USA hat zu exorbitant hohen Versicherungsprämien geführt, so daß viele Produzenten zur Produktionseinstellung gezwungen waren 50• 11. Umweltschadenhaftpflicht
Der Umweltschadenhaftpflicht kommt im Rahmen der Betrachtung der Verschärfung des Haftpflichtrechts eine besondere Bedeutung zu, weil das Schadenspotential für einzustehende Schäden im Bereich der Umwelthaftpflicht noch erheblich höher liegen kann als im Bereich der Produkthaftpflicht. Im Jahre 1976 erließ der Kongreß den "Resource Conservation and Recovery Act" (RCRA). Darin wurden die mit dem Umgang und der Entsorgung von Sondermüll befaßten Unternehmen verpflichtet. Versicherungsdeckung für die durch allmähliche, nicht plötzliche (non-sudden and gradual) Umweltverschmutzung entstehenden Schäden Dritter abzuschließen. Mit dem "Comprehensive Environmental Response, Compensation and Liability Act" (CERCLA oder "Superfund") von 1980 wurde diese Verpflichtung auch den Transporteuren und Erzeugern von gefährlichen Substanzen auferleg~l. Der RCRA hatte den laufenden Betrieb im Blickfeld, dagegen befaßt sich der CERCLA mit Entschädigungs- und Haftpflichtfragen, einschließlich der Sanierungsfinanzierung bereits bestehender Deponien52•
41
So Koepke. VW 1991. 154 (158) .
.a Ebenso zur Kritik an der "Market Share"-liability siehe de Lousanoff, RIW 1983. 145 (151). 49 So Koepke. VW 91. 154 (158). Auch in der Entscheidung Ras/elli v. Goodyear Tire & Rubber Co .• 565 N.Y.S. 2d 889 (1991). urteilte der New Yorker Supreme Court zugunsten einer umfänglichen Produkthaftung; zu dieser Entscheidung siehe Ebke. RIW 1991. 772 (777-778).
50
Beeindruckende Beispiele dazu finden sich bei Gerdes. VW 1990. 247 (248).
51 Mit der Entscheidung AlU Insurance Co. v. Superior Court. 51 Ca\.3d 807 (1990). findet der CERCLA auch in Kalifomien Anwendung. nachdem er schon in Minnesota. North Carolina und Washington gilt. 52 Mit dem Oil Pollution Act 1990. 42 U.S.C.A §§ 9601-9675 (West 1983 and Supp. 1987), edährt der CERCLA seine Fortsetzung auf dem Gebiet des Gewässerschutzes; siehe dazu AndersonIWethmar, RIW 1991. 1001 (1002-1005).
3 Bialek
34
1. Teil: Ausgangspunkt "Captive"
Problematisch wurde in diesem Zusanunenhang der "Ereignisbegriff' wegen der langen Latenzzeiten bis zum Erkennen der Umweltschäden. Die Gerichte leiteten darüber hinaus aus dem CERLA eine gesamtschuldnerische Haftung von Erzeugern, Transporteuren und Entsorgern von Sondermüll her. Ferner setzten sie sich bei der Vertragsauslegung häufig über die vereinbarten Haftungsbegrenzungen hinweg. Die sogenannte "soziale Inflation" äußerte sich in der Höhe der zugesprochenen Entschädigungssummens3 . Die in den Jahren 1980 bis 1984 daraufhin explosionsartig ansteigenden Schäden in diesem Versicherungsbereich machten es den Versicherern nahezu unmöglich, ihre Eintrittspflicht der Höhe nach zu kalkulieren S4 • Infolgedessen verringerte sich die Anzahl der Versicherer drastisch. Hinzutrat, daß sich die internationalen Rückversicherer 1985/1986 fast vollständig aus diesem Markt zuruckzogen. Das Gespenst der "Unversicherbarkeit" geisterte durch die Vorstandsetagen ss. Die Angebotsseite des Versicherungsmarktes stellte sich daraufhin wie folgt dar: sehr hohe Prämien bei hohen Abzugsfranchisen und restriktiver Auswahl der Versicherungsnehmer. Erschwerend kam für die Entsorgungsunternehmen in dieser Situation hinzu, daß bis zum 8. November 1985 eine Haftpflichtdeckung nachzuweisen war. Vielen der übriggebliebenen Entsorgungsunternehmen blieb nur die Möglichkeit, zur Selbstversicherung überzugehen s6• Ähnliche Risiken könnten auch auf europäische Unternehmen zukommens7 •
53
So Kleindoifer, ZVersWiss 1987, 1 (18).
54 Siehe AlU Insurance Company v. Superior Courr, 51 Ca\. 3d 807 (1990), wonach jetzt auch in Kalifornien (nach Washington, Minnesota, North Carolina) gilt, daß der Versicherer aufgrund der a1\gemeinen Haftpflichtversicherung die Kosten für die Beseitigung von Umweltschäden nach dem CERCLA zu erstatten hat; siehe Ebke, RIW 1991, 772 (775).
55
Vg\. Koepke, RIW 1987, 503 (505); Mehlhorn, VW 1990,622 (624).
56 Siehe auch Mehlhom, VW 1990, 622 (624), der schätzt, daß durch den Übergang zur externen Selbstversicherung fast ein Drittel der Gesamtprämie des industriellen Haftpflichtgeschäftes von diesem "non-conventional-market" übernommen werden. Für KleindoiferlPfennigstorf, S. 476, sind Captives eine Antwort auf einen unflexiblen Versicherungsmarkt. Siehe .auch Dubach, S. 86, wonach Captives besonders für "heikle Risiken", beispielsweise aus dem Pharmabereich und der Berufshaftpflicht, zusätzliche Kapazität beschaffen können. 51
So KleindoiferlKunreuther, S. 20-35.
4. Kap.: Die Gründung von Captives in den USA
35
Irr. BerufshaftpOicht Zuletzt ist die Berufshaftpflicht als einer der Bereiche des US-amerikanischen Haftpflichtrechts näher zu beleuchten. Auch in diesem Bereich ist die Nachfrage nach Versicherungsdeckung gestiegen. Von einer Berufshaftpflicht sind insbesondere die typischen Freiberufe wie Arzt, Rechtsanwalt, WirtschaftsplÜfer, Architekt und Ingenieur betroffen. Die Haftung für berufliches Fehlverhalten gegenüber Dritten hat Veränderungen erfahren. Die Dritthaftung bedeutet beispielsweise im Fall beruflichen Fehlverhaltens eines WirtschaftsplÜfers im Rahmen der Prüfung einer Gesellschaft. daß plÜfungsfremde Dritte einen Ersatzanspruch erhalten. Seit Mitte der 70er Jahre wurden die Haftungsgrunde des Common Law ausgeweitet. Diese Ausweitung im Common Law als Fallrecht der US-amerikanischen Bundesstaaten entwickelte sich naturgemäß nicht einheitlichs8 • Eine entgegengesetzte Entwicklung setzte in der Rechtsprechung zu den bundesrechtlichen Haftungsnormen der "securities laws" (Kapitalmarkt-und Anlegerschutzrecht) ein. Ende der 60er bis Mitte der 70er Jahre schränkte die Rechtsprechung verschiedener Courts of Appeals die Haftung über die Verschuldensanforderungen ein59 • Der Supreme Court hatte sich in dem Fall Ernst & Ernst v. Hochfelde~ mit der Haftungsfrage zu beschäftigen. Dieser Entscheidung ist zu entnehmen, daß zumindest nicht für leicht fahrlässiges berufliches Fehlverhalten zu haften ist61 • Die unterschiedliche Entwicklung im Common Law und in den "securities laws" führte dazu, daß immer mehr Ersatzsuchende ihre Berufshaftungsklagen gegen AbschlußplÜfer auf beide Haftungsmassen stützten62 • Die Berufshaftpflicht der Ärzte betraf insbesondere Kunstfehler (malpractice). Im Laufe der 70er Jahre sprachen die Gerichte in "malpractice" -Prozessen zunehmend höhere Schadensersatzsummen zu. Das führte zu einem erlleblichen Anstieg der Prämien; einzelne Versicherungsuntemehmen zogen sich aus diesem Markt zUlÜck. Wenig später wurde die Arzthaftung in den USA zu einem fast unversicherbaren Risiko63 • Die Sparkassenkrise in den USA führte
,. Zur Dritthaftung nach dem Common Law siehe Ebke. Wirtschaftsprüfer. S. 142-179. 59
Siehe dazu Ebke. Wirtschaftsprüfer. S. 179.200 m.w.N.
60
425 U.S. 185 (1976); zu diesem Urteil siehe Ebke. Wirtschaftsprüfer. S. 201-206.
61
425 U.S. 185. 194 Fn. 12 (1976).
62
Siehe Ebke. Wirtschaftsprüfer. S. 140.
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1. Teil: Ausgangspunkt "Captive"
zu mehr als 1.800 Insolvenzen in den 80er Jahren. Infolgedessen erhöhte sich die Inanspruchnahme der Berufshaftpflichtversicherungen drastisch für solche Berufsgruppen, die mit den Kreditinstituten zusammenarbeiteten. Dazu zählen insbesondere Rechtsanwälte, Revisoren, Immobilienschätzer und Anlageberate~. Seit der Aufhebung der richterlichen Immunität für Folgen aus ihren Handlungen durch den Supreme Court der USA im Jahre 1984 ist eine weitere Berufsgruppe Nachfrager nach Haftpflichtdeckung geworden6s . B. Das US-amerikanische Verrahrensrecht
Nicht nur die Verschärfung des Haftpflichtrechts in den Bundesstaaten der USA hat zur Krise im dortigen Versicherungsmarkt geführt. Auch die Ausgestaltung des US-amerikanischen Verfahrensrechts hat erheblich dazu beigetragen. Zunächst sind die Geschworenengerichte (juries) zu nennen. Die "jury" entscheidet auch in komplexen Zivilsachen in ihrem "verdict" die Tatfrage und damit in der Regel auch die Schadenshöhe66 • Bei der Bewertung des "verdicts" ist zu berücksichtigen, daß sich ein Laiengericht eher mit dem geschädigten Kläger als mit einem Großunternehmen als Schädiger identifiziert und so als "Anwalt des kleinen Mannes" auftritt. Das gilt insbesondere dann, wenn sich die Laienrichter vornehmlich aus der Mittel- und Unterschicht rekrutieren67 • Häufig sind die "juries" außerdem eher bereit Schadensersatz zuzusprechen, wenn der Beklagte ausreichend versichert ist68 •
61 Zur Arzthaftpflichtversicherung siehe Schweisheimer. DVZ 1971. 303 (304); Gerdes. Niedergelassene Arzt 1976.76 (78-84); Sabella. VersR 1990. 1186 (1188-1192); Gerdes. VW 1991. 247 (247-248) .
.. Siehe dazu Stenberg. 'ZN 1991.530 (533-536); zu den Auswirkungen. die die Entwicklung im Berufshaftpflichtbereich bei den US-Versicherern auf europäische Rückversicherer hatte siehe Kunze. 'ZN 1991.557 (558-559). 65
Siehe Gerdes. VW 1990. 247 (248-249).
66 Siehe Schack. S. 56; zur Beteiligung von "juries" im Hauptverfahren (trial) siehe Ebke. Wirtschaftsprüfer. S. 224-227. 61
So Mehlhom. VW 1990. 622 (622).
68 So das Ergebnis des University of Chicago Jury Project aus dem Jahre 1959; siehe dazu Broeder. Neb.L.Rev. 1959.744 (753-755). Mysliwiec. Yale LJ. 1974. 1023 (1027. Fn. 26). Praß. RIW 1982. 872 (873). betrachtet kritisch den Jury-Prozeß unter besonderer Berücksichtigung von Produkthaftpflichtfällen und kommt zu dem Ergebnis. daß der Jury-Prozeß in den USA anders als in Großbritanien. wo er in Zivilsachen weitgehend abgeschafft ist, wohl weiterhin bestehen werden wird.
4. Kap.: Die Gründung von Captives in den USA
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Es ist ferner durchaus üblich, Erfolgshonorare für Rechtsanwälte (contingent fee) zu vereinbaren; das gilt insbesondere für Haftungsprozesse69 • Erfolgshonorare bilden einen besonderen Anreiz, den Prozeß für einen Kläger zu führen und zu gewinnen. Außerdem fehlt es an einer dem § 91 ZPO entsprechenden Vorschrift, die der unterliegenden Partei die Kosten auferlegt. Grundsätzlich kann die obsiegende Partei keine Kostenerstattung (cost shifting) von der unterlegenen Partei verlangen (sog. American Rule)70. Vor diesem Hintergrund und der Tatsache, daß die Rechtsanwaltsdichte pro Einwohner in den USA mittlerweile dreimal so hoch ist wie in Deutschland71 , versteht es sich fast von selbst. daß auch Prozesse mit nur geringer Aussicht auf Erfolg angestrengt werden. Teilweise werden sie als "nuissance suits" oder als sog. "strike suits" speziell im geseUscbaftsrechtlichen Bereich72 mutwillig der anderen Partei aufgedrängt, teilweise zu erpresserischen Zwecken. Schon allein die Aussicht auf einen "Vergleich" (settlement) kann ausreichender Anreiz zur Prozeßführung für einen Rechtsanwalt sein'3 . Die Hoffung des Klägers gründet sich darauf, daß der Beklagte sich auf einen Vergleich einlassen könnte, um sich vor weiteren Verteidigungskosten zu schützen, einem unkalkulierbaren Jury-Entscheid zu entgehen oder die mit einer Haftungsklage verbundene negative Publizität zu vermeiden. Die Höhe der möglichen Schadensersatzforderung wird durch das prozeßrechtliche fustrument der "dass action" gern. Rule 23 F.R.c.p vervielfacht. Aufgrund der "dass action" besteht für einen oder mehrere Kläger die Möglichkeit, Ansprüche für alle anderen Betroffenen geltend zu machen, soweit die Sachverhalte im wesentlich gleich sind74 .
c. Schadensersatzansprüche und Punitive Damages Bedingt durch die Möglichkeit der Rechtsanwälte, Erfolgshonorare zu vereinbaren, hat sich die Zahl der Schadensersatzprozesse von 1979 bis 1985 mehr als
69
Vgl. Schock, S. 8.
10 Zu den Kosten insbesondere in Berufshaftungsfällen siehe Ebke, Wirtschaftsprüfer, S. 230-232 m.w.N.; zu den Ausnahmen von der American Rule siehe Schock, S. 8-11.
11
Siehe Koepke, VW 1991, 154 (157).
12 Siehe Black's Law Dictionary, "strike suits": "Shareholder derivative action begun with hope of winning large attorny fees or private settlements, and with no intention of benefiting the corporation on behalf of which sillt is theoretically brought." Siehe auch Ebke, Wirtschaftsprüfer, S. 232-234. 1)
So Koepke, RIW 1987, 503 (504)
1~ Zur "dass action" siehe Ebke, Wirtschaftsprüfer, S. 227-229 m.w.N.
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1. Teil: Ausgangspunkt "Captive"
verdoppelt. Die Besetzung der Geschworenengerichten mit Laienrichtern75 führte zu einer explosionsartigen Erhöhung sowohl der zugesprochenen Schadensersatzansprüche an die Geschädigten als auch der Punitive Damages76• Punitive Damages sind eine Art verschärfter Schadensersatz mit Strafcharakter, eine Geldbuße zugunsten des Klägers77 • Die Zunahme der Schadensersatzansprüchen in quantitativer und qualitativer Hinsicht wirkte sich unmittelbar auf der Nachfrageseite des Haftpflichtversicherungsmarktes aus78 • D. Kapazitätsengpässe und steigende Prämien
Als Folge der zuvor beschriebenen Entwicklung zogen sich die Erst- und Rückversicherer 1985/1986 fast vollständig aus dem Markt für Industrieversicherung zurück. Das führte bei steigendem Versicherungsbedarf zu nahezu vollständigem Kapazitätsausfall. Soweit noch Versicherungsdeckung angeboten wurde, war sie nur noch gegen extrem hohe Prämien zu erhalten. Eine weitere Folge davon war, daß die zu zahlenden Versicherungsprämien am Verkaufspreis bestimmter risikobehafteter Produkte einen übermäßig hohen Anteil ausmachten79 • E. Risk Management
Die oben dargestellten Gründe erhöhten das Bewußtsein in den Unternehmen für Risiken und Versicherung. Risk Management zunächst oft als Profitcenter betrieben, um einen besseren Überblick über die Kosten der Risikobewältigung zu erhalten und um diese Kosten zu senken. Die Hervorhebung und gesonderte Betrachtung der Risikobewältigung durch Ausgliederung hat eine nicht zu
1S
Zur Problematik dieser "juries" siehe oben B.
16 In der Entscheidung Pacific Mutuallife Insurance Co. v. Haslip, III S.Ct. 1032, 1043-1044 (1991), hat der Supreme Court der USA darauf hingewiesen, daß Punitive Damages aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht in unbeschränkter Höhe zugesprochen werden dürfen; zu diesem Urteil siehe Ebke, RIW 1991, 772 (772). Zur Höhe zugesprochener Punitive Damages in Produkthaftpflichtfällen siehe Ebke, RIW 1992, 586 (591). Zu Punitive Damages siehe auch Henderson Jr.lPearson, S. 281-283. 11 Zur Anerkennungs- und Vollstreckungsproblematik von Punitive Damages außerhalb der USA siehe Thümmel, RIW 1988,613 (613). 11 Zur Versicherbarkeit von Punitive Damages und zur "liability insurance" siehe Henderson Jr.lPearson, S. 283 m.w.N. bzw. S. 284-321. 19
VgI. die Beispiele bei Gerdes, VW 1990, 247 (248).
4. Kap.: Die Gründung von Captives in den USA
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unterschätzende psychologische Wirkung. Diese Wirkung äußert sich in einem geschärften Risikobewußtsein, so daß oft bereits die Verwirklichung eines Risikos vermieden werden kann80• Der nächste Schritt infolge der Bewußtseinsschärfung in den Unternehmen für Risiken und Versicherung war die juristische Verselbständigung des Risk Managements. Es kam zur Gründung von Captives. Mitte der 80er Jahre war für viele Industrieunternehmen die juristische Verselbständigung des Risikoträgers eine notwendige Selbsthilfemaßnahme, nachdem sich die Industrieversicherer fast vollständig vom Markt zurückgezogen hatten. Nur auf dieser Basis war eine Risikobewältigung nach versicherungstechnischen Gesichtspunkten möglich. Insbesondere der Zugang zum Rückversicherungsmarkt setzt voraus, daß zunächst ein Versicherungsunternehmen die Risiken zeichnet. Ein weiterer Grund, Risikomanagement in juristisch verselbständigter Form zu betreiben, ergab sich für weltweit tätige US-amerikanische Unternehmen in den 60er Jahren im Zuge der zunehmenden Internationalisierung der Wirtschaft. Regelmäßig verlangen die aufsichts- und· zulassungsrechtlichen Normen der meisten Industriestaaten, daß nur in dem jeweiligen Staat zugelassene Direktversicherer ein dort belegenes Risiko versichern dürfen81 • Für international tätige Konzerne, die Risiken in verschiedenen Staaten zu versichern hatten, konnten die vielen erforderlichen Direktversicherungsverträge über eine Rückversicherungs-Captive zentralisiert werden. Dabei übernahmen zunächst Direktversicherer, die in den Staaten der belegenen Risiken zugelassenen waren, als Fronter die Risiken. Anschließend wurden Teile dieser Risiken mit der Rückversicherungs-Captive rückversichert82 • Die Rückversicherungs-Captive hat als Versicherungsgesellschaft wiederum Zugang zum internationalen Rückversicherungsmarkt, um sich im Bedarfsfall selber rückzuversichern.
10 Vg\. Maller. S. 783. Risk Management besteht aus Risikoanalyse. Risikobewertung und Disposition der Sicherheitsgüter. siehe dazu Mugler. S. 680-682.
8. Vg\. § 105 VAG i.V.m. § 1 Alls. 2 VAG; zu den europarechtlicben Änderungen siehe unten KapitelS. 12
Zu den Problemen des Fronting vg\. Gerathewohl. VW 1989.23 (24).
40
1. Teil: Ausgangspunkt "Captive"
5. Kapitel
Perspektiven ftir Captives deutscher Konzerne in EG-Staaten aufgrund der EG-Freiheiten gern. Art 52,58 und ART. 59 EWGV Das Interesse eines Konzerns, eine Captive für konzerneigene Risiken zu gründen, wird maßgeblich von der Frage der Wirtschaftlichkeit dieses Konzepts bestimmt. Die Attraktivität des Captive-Konzepts wird insbesondere für einen international tätigen Konzern maßgeblich dadurch beeinflußt, daß eine Captive die Risiken möglichst vieler Konzerngesellschaften in verschiedenen Mitgliedstaaten zeichnen kann. Die Wirtschaftlichkeit des Captive-Konzepts hängt wesentlich davon ab, ob die Captive unmittelbar als Direktversicherer oder mittelbar als Rückversicherer die Risiken der Konzerngesellschaften trägt. Durch die freie Standortwahl der Captive innerhalb der EG sollen die wirtschaftlichen Ressourcen und Verbältnisse bestmöglich genutzt werden. Das setzt voraus, daß ein Versicherungsunternehmen mit Sitz in einem Mitgliedstaat vorübergehend oder unter ständiger Präsenz in einem anderen Mitgliedstaat tätig werden kann. Erst mit der Verwirklichung der Dienstleistungsfreiheit (Art. 59 EWGV) und der Niederlassungfreiheit (Art. 52, 58 EWGV) werden Versicherungsdienstleistungen im Binnermarkt uneingeschränkt grenzüberschreitend handelbar sein.
A. Die Captive als Rückversicherungsunternehmen Der EG-Rückversicherungsmarkt ist seit der Umsetzung der Richtlinine 6412251EWG vom 25. Februar 196483 vollständig liberalisiert. Die Liberalisierung konnte in diesem Bereich deshalb so frühzeitig erreicht werden, weil der Rückversicherungsmarkt im Vergleich zum Direktversicherungsmarkt kaum reguliert ist. Von den nationalen Gesetzgebern wird für Rückversicherer nur eine eingeschränkte Aufsich~ und nicht wie für die Direktversicherer eine volle Aufsicht angeordnet (vgl. § 1 Abs. 2 Satz 1 V AG). Der Rückversicherungsmarkt ist hochgradig spezialisiert und steht nur Versicherungsunternehmen offen. Infolgedessen stehen sich ausnahmslos gleichwertige Vertragspartner
83 Siehe dazu auch die Richtlinie des Rats vom 25.2.1964 zur Aufhebung der Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs auf dem Gebiet der Rückversicherung und der Retrozession, 64/225/ EWG, AB\. EG vom 4.4.1964, S. 878; zur Umsetzung siehe BAnz 1965 Nr. 218, S. 1.
801
Siehe dazu Goldberg, § 1 VAG, Rdnrn. 58-66.
5. Kap.: Perspektiven für Captives deutscher Konzerne in EG-Staaten
41
gegenüber, so daß das Argument der besonderen Schutzbedürftigkeit des Schwächeren entfallt. Die insbesondere durch den Wegfall der umfangreichen Solvabilitätsvorschriften (§ 53c VAG) geringe Aufsichtsintensität für die Rückversicherungsunternehmen bedeutet für diese Unternehmen eine Kostenreduzierung bei gleichzeitig erllöhter Aexibilität. Die Geschäftstätigkeit von Rückversicherungs-Captives wird durch aufsichtsrechtliche Regelungen nur am Rande berührt (§ 1 Abs. 2 i. V .m. § 105 Abs. 1 VAG)8s. Der entscheidende Nachteil einer Rückversicherungs- gegenüber einer Direktversicherungs-Captive ist darin zu sehen, daß sie zur Übernahme von Konzernrisiken einen vorzeichnenden Direktversicherer benötigt. Die zyklischen Bewegungen am Versicherungsmarkt führen mit gewisser Regelmäßigkeit immer wieder dazu, daß für bestimmte Risiken keine Erstversicherungsdekkung zu erhalten isf!6. Ferner erhält der vorzeichnende Fronter eine Provision. B. Die Captive als Direktversicherungsunternehmen
Der Direktversicherungsmarkt ist traditionell ein staatlich regulierter Bereich; Direktversicherungsunternehmen werden durch nationale Versicherungsaufsichtsbehörden kontrollierr1 . § 1 Abs. 1 VAG unterstellt Direktversicherungsunternehmen einer umfassenden Aufsicht durch das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen (BAV). I. Zur Aufsichtspflicht bezüglich Direktversicherungs-Captives nach dem Versicherungsaufsichtsgesetz
Das BAV hat 1980 seine Auffassung bezüglich der Aufsichtspflicht von Direktversicherungs-Captives geänderr8. Bis 1980 vertrat das BAV die An-
15 Siehe zur beschränkten Aufsicht von Rückversicherungsuntemehmen Prölss, V AG, § 1 Rdnrn. 50-51. 16 Siehe dazu die Ausführungen zum US-amerikanischen Haftpflichtrecht oben Kapitel 4, A. Siehe auch die Äußerung des Vorstandsvorsitzenden der Colonia Konzern AG, F.A.Z. vom 15.6.1992, S. 18, daß die Colonia Konzern AG im Bereich der Krankenhaus-Haftpflichtversicherung und der Transportversicherung "kräftig abbauen" werde. Das Versicherungsangebot in diesen Bereichen könnte zukünftig knapp werden. 17
Siehe dazu Ellis, S. 63-66.
88
Siehe BAV, VerBAV 1980, 162 (162) sowie GB BAV 1980, 27 (27).
42
1. Teil: Ausgangspunkt "Captive"
sicht, daß Captives aufsichtsfrei sind, soweit sie nur Konzernrisiken zeichnen89 • In einer Stellungnahme aus dem Jahre 1958 hatte das BAV an der Auffassung des Reichsaufsichtsamts für Privatversicherung aus dem Jahre 1923 festgehalten, daß Selbstversichungsunternehmen nicht aufsichtspflichtig seien. Das sollte jedoch nur gelten, wenn ein kleiner, fest geschlossener Kreis privater Gesellschaften, der finanziell und wirtschaftlich eine enge Interessengemeinschaft bildet, die ihm drohenden Gefahren gemeinsam tragen will. Die notwendige enge Interessengemeinschaft wurde bei Kapitalbeteiligungen von mehr als 50 vom Hundert in der Regel angenommen90 • Das BAV sah sich 1980 durch die EG-Kommission zu einer Überprüfung seiner Haltung zur Aufsichtsfreiheit von Captives veranIaßt. In allen anderen Mitgliedstaaten unterlagen Captives bereits der Versicherungsaufsicht91 • Die EG-Kommission wollte erreichen, daß der für die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit bedeutende Begriff des "Versicherungsunternehmens" einheitlich ausgelegt wird. Das BAV hält seit 1980 nicht länger an seiner bisherigen Auffassung fest. In einer Stellungnahme vom Juni 1980 erklärte das Aufsichtsamt, es werde "'captives' dann als Versicherungsunternehmen ansehen, wenn es sich hierbei um juristisch selbständige Unternehmen handelt, die Risiken anderer Unternehmen gegen Entgelt nach versicherungstechnischen Grundsätzen decken "92. Die bisherige Beurteilung habe auf dem Gedanken beruht, daß im Falle einer Captive bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise keine fremden Risiken übernommen worden seien. Deshalb seien die Vertragspartner nicht schutzbedürftig gewesen. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei diese Ansicht nicht länger haltbar. Insbesondere sei es im Rahmen einer teleologischen Auslegung des Versicherungsbegriffs "angesichts des Gewaltenteilungsgrundsatzes auch nicht mehr zulässig, darauf abzustellen, ob für die Beaufsichtigung bestimmter Tätigkeiten tatsächlich ein Aufsichtsbedürf-
89
Siehe BAV, GB BAV 1958/1959,32 (32).
90
Siehe BAV, GB BAV 1958/1959, 32 (32); vgl. dazu AfP, VerAfP 1923, 43 (44).
9.
Siehe die übersicht zum Versicherungsaufsichtsrecht der übrigen Mitgliedstaaten bei Prölss, VAG, Vorbem., Rdnr. 99. Für die Schweiz hat das Schweizerische Bundesgericht im Urteil vom 18.11.1988, BGE 114, 244 (251-252), entschieden, daß die in der Schweiz als Direktversicherer auftretende Captive der Schweizer Kreditanstalt Inreska Ltd. mit Sitz in Guernsey gern. Art. 3 Abs. 1 Schweizerisches V AG der Versicherungsaufsicht unterliegt. 92
Siehe BAV. VerBAV 1980, 162 (162).
5. Kap.: Perspektiven für Captives deutscher Konzerne in EG-Staaten
43
nis besteht .... Es ist aber Sache des Gesetzgebers, Sachverhalte, die ihm schutzbedürftig erscheinen, von der Aufsicht freizustellen"93. 11. Die Herstellung eines EG-weiten Direktversicherungsmarktes
Die Schaffung eines EG-weiten Versicherungsmarktes setzt voraus, daß die Niederlassungs- und die Dienstleistungsfreiheit für selbständig Erwerbstätige und entsprechend die Freizügigkeit für die unselbständig Beschäftigte verwirklicht wird. Die Verwirklichung dieser Freiheiten ist unmittelbarer Ausfluß aus Art. 7 EWGV, der jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verbietet.
1. Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit Die Niederlassungsfreiheit beinhaltet die Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten sowie die Gründung und Leitung von Unternehmen nach den Bestimmungen des Aufnahmestaates für seine eigenen Angehörigen (Art. 52 Abs. 2 EWGV). Dazu zählt als sog. sekundäre Niederlassungsfreiheit auch die Gründung von Tochtergesellschaften (Art. 52 Abs. 1 Satz 2, 58 EWGV)94. Die Dienstleistungsfreiheit stellt im Verhältnis zur Freiheit des freien Warenund Kapitalverkehrs einen Auffangtatbestand dar (Art. 60 Abs. 1 EWGV)95. Sie bedeutet, daß Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb
93 BAV, VerBAV 1980, 162 (162); vg\. dazu das Urteil des BVerwG vom 10.1.1961, I C 46.57, VerBAV 1961, 126 (128). Die OFD Frankfurt geht in der Rundverfügung über die Behandlung von Captives nach dem Außensteuergesetz vom 30.5.1983, S 1351 A - I - St 11 40, noch von der Aufsichtsfreiheit von Captives aus und verwendet dieses überholte Argument weiterhin, um die Zugriffsbesteuerung :ru begründen. 94 Siehe hierzu das Urteil des EuGH vom 12.7.1984, RS. 107/83 "Klopp", EuGHE 1984, 2971 (2989-2990). Zur Sitzverlegung siehe das EuGH-Urteil vom 27.9.1988, Rs. 81/87 "Daily MaiI", EuGHE 1988, 5483 (5512), worin der EuGH entschieden hat, daß die Art. 52, 58 EWGV "einer Gesellschaft, die nach dem Recht eines Mitgliedstaates gegründet ist und in diesem ihren satzungsmäßigen Sitz hat, nicht das Recht gewähren, den Sitz ihrer Geschäftsleitung in einen anderen Mitgliedstaat zu verlegen."; siehe dazu Ebke/Gockel, The International Lawyer 1990, 239 (246-249); zur europarechtlichen Verträglichkeit der Sitztheorie siehe Ebke, ZGR 1987, 245 (246-265).
95 Die Auffangfunktion der Dienstleistungsfreiheit ergibt sich aus der Verwendung des Wortes "insbesondere" in der LiberaIisierungsvorschrift des Art. 60 EWGV; folglich fällt jede entgeltliche Tätigkeit, die weder dem freien Waren- oder Kapitalverkehr noch der Freizügigkeit der Personen zugeordnet werden kann, unter die Dienstleistungsfreiheit; siehe Seidel, M., S. 351, Fn. I; Oppermann, Rdnr. 1496.
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1. Teil: Ausgangspunkt "Captive"
der Gemeinschaft für alle Leistungen aufzuheben sind, die Angehörige eines Mitgliedstaates solchen Leistungsempfangern erbringen, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind (Art. 59 Abs. 1 EWGV). Damit wird der Grundsatz der Inländergleichbehandlung auf zeitlich beschränkte grenzüberschreitende Leistungen ausgedehnt96. Für den Tatbestand grenzüberschreitender Dienstleistungen sind drei Fallgestaltungen vorstellbar. Zunächst kann sich der Leistende vorübergehend in den Mitgliedstaat des Dienstleistungsempfängers begeben, um dort seine Leistung zu erbringen. Im umgekehrten Fall der sog. passiven Dienstleistungsfreiheit begibt sich der Empfanger der Dienstleistung in das Land des Leistenden. Schließlich besteht die Möglichkeit, daß nur die Dienstleistung die Grenze zwischen den Mitgliedstaaten überschreitet. Diese Konstellation liegt auch für den Fall vor, daß sich die Captive und der Versicherungsnehmer in verschiedenen Mitgliedstaaten befinden. Das VersicherungsrechtsverlIältnis als Dauerschuldverhälttlis zwischen Versicherungsunternehmen und Versicherungsnehmer erfordert weder für sein Zustandekommen noch für die Durchführung, daß die Vertragsparteien ihren Staat verlassen.
2. Harmonisierung vor Liberalisierung Das Ziel der Inländergleichbehandlung auf dem Versicherungsmarkt sollte anfangs in zwei Stufen erfolgen. Zunächst waren das Versicherungsvertragsund Versicherungsaufsichtsrecht zu harmonisieren. Anschließend sollte der Versicherungsmarkt liberalisiert werden. Unzureichende Harmonisierungen erwiesen sich schon bald als wertlos. Beispielsweise fiel in den Harmonisierungsrichtlinien 73/239IEWG (Nicht-Leben)97 und 79/267IEWG