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German Pages 559 [562] Year 2022
Hansjoachim Andres
Bruderzwist Strukturen und Methoden der Diplomatie zwischen Rom und Iran von der Teilung Armeniens bis zum Fünfzigjährigen Frieden
ORIENS E T OCCIDENS Studien zu antiken Kulturkontakten und ihrem Nachleben | 40 Franz Steiner Verlag
Oriens et Occidens Studien zu antiken Kulturkontakten und ihrem Nachleben Herausgegeben von Josef Wiesehöfer in Zusammenarbeit mit Pierre Briant, Geoffrey Greatrex, Amélie Kuhrt und Robert Rollinger Band 40
Hansjoachim Andres Bruderzwist Strukturen und Methoden der Diplomatie zwischen Rom und Iran von der Teilung Armeniens bis zum Fünfzigjährigen Frieden
Franz Steiner Verlag
Umschlagabbildung: Barberini Diptych, Musée du Louvre, Paris, OA 9063 (MND 211), Detail: Defeated enemies bringing tribute © Genevra Kornbluth Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2022 Druck: Beltz Grafische Betriebe, Bad Langensalza Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Printed in Germany. ISBN 978-3-515-13363-0 (Print) ISBN 978-3-515-13365-4 (E-Book)
VORWORT Das vorliegende Buch ist eine überarbeitete Fassung meiner im Jahr 2020 an der Philosophischen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena eingereichten Dissertation mit dem Titel „Politische Strategien und Diplomatie in den Konflikten zwischen dem spätantiken Rom und den Sasaniden im 5. und 6. Jahrhundert“. Bei der Abfassung sowohl der Dissertation als auch dieser Arbeit gebührt größter Dank Professor Dr. Timo Stickler und PD Dr. Udo Hartmann, die mich zuerst über mein althistorisches Studium hinweg und danach auch von der Themenfindung der Promotion bis zur abschließenden Überarbeitung des Manuskripts und Vorbereitung der Publikation stets begleitet haben. Die Arbeit an der Dissertation wäre zudem ohne die jahrelange großzügige Unterstützung der Studienstiftung des deutschen Volkes nicht in gleicher Form möglich gewesen; wie auch die Vorbereitung der Publikation nicht ohne die Hilfe Professor Dr. Bruno Bleckmanns, an dessen Lehrstuhl ich ab 2020 als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig sein durfte und der mir samt den Kollegen an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf ebenfalls mit Rat und Tat zur Seite stand. Die Anregungen, die ich im Laufe der Jahre für die vorliegende Arbeit erfahren habe, sind zu vielfältig, um sie mit einzelnen Namen zu verknüpfen, besonders sei aber Dr. Peter Kritzinger gedankt, der mir nicht zuletzt den ersten Impuls gegeben hat, mich im Rahmen meines Studiums mit Alter Geschichte zu beschäftigen, wie all jenen anderen Kollegen am Jenaer Lehrstuhl für Alte Geschichte, von deren Ideen und Beiträgen ich über die Jahre hinweg immer wieder profitieren konnte, so Prof. Dr. Annegret Plontke-Lüning, PD Dr. Frank Schleicher, Jessica Kahl, Maximilian Höhn, Selina Thomann und Ronja Schrand. Dem Franz Steiner Verlag danke ich herzlich für die Aufnahme des Buches in die Reihe „Oriens et Occidens“ und Professor Dr. Josef Wiesehöfer für seine dahingehenden Bemühungen, wie auch den anonymen Gutachtern, deren Anregungen ich aufzunehmen bemüht war, und schließlich all jenen, deren Namen ich zu nennen verpflichtet wäre, die ich aber an dieser Stelle übersehen habe. Düsseldorf, Juli 2022
INHALTSVERZEICHNIS 1 EINLEITUNG ........................................................................................... 11 2 DIPLOMATIE UND AUßENPOLITIK .................................................... 19 3 FORSCHUNGSLAGE .............................................................................. 29 4 VORGEHEN ............................................................................................. 33 5 QUELLENLAGE ...................................................................................... 35 6 ZEITLICHE EINGRENZUNG ................................................................. 40 7 BEGRIFF DER „STRUKTUREN“ ........................................................... 44 8 STRUKTUREN I: ANNAHME DES MILITÄRISCHEN GLEICHGEWICHTS ................................................................................ 50 9 STRUKTUREN II: GLEICHRANGIGKEIT DER MÄCHTE ................. 75 10 STRUKTUREN III: RELIGIÖSE NEUTRALITÄT .............................. 114 11 DIPLOMATISCHE METHODEN: BEGRIFF UND VORGEHEN....... 134 12 METHODEN I: VERHANDLUNGEN, ABKOMMEN UND DIE BEDEUTUNG DES RECHTS ................................................................ 140 12.1 Natur der Methoden ......................................................................... 140 12.2 Prokops Archäologie der Perserkriege ............................................. 145 12.3 Die Narrative Prokops, Agathiasʼ und Menanders .......................... 157 12.3.1 Das erste Buch der Bella ....................................................... 157 12.3.2 Das zweite Buch der Bella 1–15 ........................................... 172 12.3.3 Das zweite Buch der Bella 15–30 ......................................... 183 12.3.4 Das achte Buch der Bella ...................................................... 188 12.3.5 Agathias ................................................................................ 191 12.3.6 Menander .............................................................................. 193 12.3.7 Zusammenfassung ................................................................. 206 13 METHODEN II: KRIEG ALS MITTEL DER DIPLOMATIE .............. 208
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Inhaltsverzeichnis
13.1 Natur der Methode ........................................................................... 208 13.2 Diplomatie und Krieg im 5. Jahrhundert.......................................... 212 13.3 Diplomatie und Krieg im 6. Jahrhundert.......................................... 215 14 METHODEN III: BESCHÜTZERVERHÄLTNISSE – „ADOPTIONEN UND VORMUNDSCHAFTEN“ ................................ 239 14.1 Das Verhältnis Yazdgard I. – Theodosius II. ................................... 239 14.2 Das Verhältnis Justin I. – Chosrau I. ............................................... 254 15 METHODEN IV: INFORMATIONSBESCHAFFUNG UND „INTELLIGENCE“.................................................................................. 263 15.1 Natur der Methode ........................................................................... 263 15.2 Die Abschirmung der Diplomaten ................................................... 269 15.3 Die Selbstverständlichkeit der „intelligence“ .................................. 276 16 METHODEN V: MANIPULATION UND „DARK ARTS“.................. 293 16.1 Natur der Methode ........................................................................... 293 16.2 Vielfalt der Manipulation ................................................................. 301 16.3 Manipulation zu innenpolitischen Zwecken .................................... 316 16.4 Manipulation und Herrschermord .................................................... 322 17 METHODEN VI: „TRACK-TWO-DIPLOMACY“ UND DRITTAKTEURE ................................................................................... 324 17.1 Natur der Methode ........................................................................... 324 17.2 Bischöfe als „track-two-diplomats“ ................................................. 327 17.3 Ärzte als „track-two-diplomats“ ...................................................... 331 17.4 Freie Drittakteure ............................................................................. 337 17.5 Grenzfälle ......................................................................................... 357 18 METHODEN VII: SYMBOLHANDLUNGEN ...................................... 360 18.1 Natur der Methode ........................................................................... 360 18.2 Symbolhandlungen in Prokops Archäologie der Perserkriege......... 363 18.3 Chosraus Symbolhandlungen im Imperium 540 .............................. 371 18.4 Römische Symbolhandlungen gegenüber den Lazen 556 ............... 385
Inhaltsverzeichnis
19 METHODEN VIII: BEZIEHUNGEN ZU DEN GEMEINWESEN ZWISCHEN DEN GROßMÄCHTEN..................................................... 390 19.1 Natur der Methode und des Raumes zwischen den Reichen ........... 390 19.2 Zum südkaukasischen Raum im 4. Jahrhundert ............................... 394 19.3 Zum südkaukasischen Raum im 5. Jahrhundert ............................... 398 19.4 Die südkaukasischen Gemeinwesen des 6. Jahrhunderts in den Narrativen......................................................................................... 400 19.4.1 Prokop ................................................................................... 400 19.4.2 Agathias ................................................................................ 424 19.4.3 Menander .............................................................................. 431 19.5 Loyalität der südkaukasischen Akteure ........................................... 433 19.6 Lage der Sarazenen .......................................................................... 450 19.7 Lage der Axumiten und Himyariten ................................................ 470 20 FAZIT ...................................................................................................... 480 21 ANHÄNGE .............................................................................................. 494 21.1 Anhang 1: Die diplomatischen Quellen des Malalas ....................... 494 21.2 Anhang 2: Das Achämenidenerbe.................................................... 501 21.3 Anhang 3: Die Mazdakitenbewegung .............................................. 507 21.4 Quellenverzeichnis ........................................................................... 509 21.5 Literaturverzeichnis.......................................................................... 514 21.6 Indices .............................................................................................. 548 21.6.1 Personen- und Kollektivnamen ............................................. 548 21.6.2 Orte........................................................................................ 554 21.6.3 Konzepte ............................................................................... 557
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1 EINLEITUNG Die byzantinische Diplomatie genießt keinen guten Ruf. Sie trägt jene Konnotationen, die in mehreren modernen Sprachen mit Begriffen wie „Byzantinismus“ oder sogar dem Adjektiv „byzantinisch“ verbunden werden und die eine Politik sowie ein Verhalten bezeichnen, das durch unnötige Komplexität, Despotie, Unterwürfigkeit, Doppelzüngigkeit, Unflexibilität, Intrigenspiel und ein gleichsam übertriebenes wie sinnentleertes Zeremoniell geprägt ist.1 Im Zuge einer allgemeinen Neubewertung der byzantinischen Welt in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat Roger Blockley in seiner Monographie „East Roman Foreign Policy. Formation and Conduct from Diocletian to Anastasius“ versucht, diese sich auch in der wissenschaftlichen Literatur zur Diplomatie widerspiegelnde Ansicht zu entkräften: The term „constructive“ is often used by traditionalist historians of diplomacy when speaking of „old-school“ modern diplomacy in contrast with that of the Byzantines, which is dismissed as „predatory, disruptive and mean“ […]. This view of Byzantine diplomacy, which is based upon a few recurring incidents and texts, verges on a travesty. It probably derives from the pervasive anti-orientalism of many historians of antiquity and the middle ages, whose master in this, as in many things, is Gibbon.2
Getreu diesem Maßstab und unter Verwendung des klassischen Diplomatieverständnisses, demgemäß Diplomatie nur die taktvolle und an bestimmten Verhaltensnormen ausgerichtete Regelung des Verhältnisses zwischen Gemeinwesen über das Mittel der Verhandlung umfasst, verhalten sich die Gesandten in Blockleys Rekonstruktion der Ereignisgeschichte insgesamt ehrlich, ohne Hintergedanken und im populären Sinne des Wortes „diplomatisch“. Eine solche Auffassung birgt aber neue Probleme in sich, bestätigt doch schon ein kurzer Blick in die zumeist aus spätantiken Werken stammenden Exzerpte des Konstantin Porphyro1
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So noch in der neueren politikwissenschaftlichen Betrachtung: Berridge/James 2003, 26f.; Hall/Jönsson 2005, 11, 74; Black 2010, 34; Hamilton/Langhorne 2011, 20–25; Bjola/Kornprobst 2013, 17; Widmer 2014, 39–42, als Fazit schon Eban 1983, 336; vgl. Nicolson 1963, 43, 47; vgl. dagegen Cohen 2013, 22f. In Arbeiten zur Diplomatiegeschichte beginnt die Diplomatie nach einem kurzen Abriss zu Antike und Mittelalter meist erst mit der Renaissance; vgl. dazu die Arbeit Jönsson 2012. In Form des Adjektivs „byzantinisch“ sind negative Urteile über byzantinische Politik in das Vokabular einiger Sprachen eingegangen, vgl. Kaegi 1981, 2, so ins Englische als „byzantine“ – unflexibel, kompliziert – ins Französische als „byzantine“ – haarspalterisch, verzwickt, unangebracht, kompliziert – und ins Italienische als „bizantino“ – spitzfindig. Auch im Deutschen bestanden in der Vergangenheit derlei Bedeutungen, die noch im pejorativen Begriff „Byzantinismus“ erhalten sind. Blockley 1992, 170, Anm. 2; mit dem Zitat „predatory, disruptive and mean“ bezieht sich Blockley auf Nicolson 1963, 48.
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1 Einleitung
gennetos, die geradezu als diplomatische Handlungsempfehlung gedacht sind, dass die spätrömisch-byzantinische Diplomatie in der Tat von Täuschungen, Lügen, Hinterhalten und Anschlägen wesentlich geprägt wurde.3 Trotzdem sind die modernen Vorbehalte gegenüber dieser Diplomatie ungerecht. Nicht etwa, weil die byzantinische Diplomatie aus heutiger Warte größtenteils positiv zu bewerten wäre, sondern vielmehr, da die aktuelle Tagespolitik immer wieder zeigt, dass sich auch moderne Staaten in ihrer Außenpolitik nicht minder der Täuschung, des Betruges und teils sogar des Mordes bedienen. In der Regel werden sich aber nicht Diplomaten als Urheber dieser Aktionen finden, sondern vor allem Geheim- und Nachrichtendienste, wie auch diverse andere Gremien, die an der Außenpolitik beteiligt sind, bis hin zu Privatpersonen, die im Auftrag eines Staates handeln. Das Agieren moderner diplomatischer Dienste behält somit in der Öffentlichkeit weitgehend den Ruf, eine saubere und „diplomatische“ Angelegenheit gemäß der landläufigen Bedeutung des Wortes zu sein, obwohl fragwürdige außenpolitische Aktionen besonders in deren Sinne geschehen und wesentlich zur Unterstützung ihrer Verhandlungsposition dienen. Damit ist die im Rahmen der Außenpolitik über Kommunikation und Verhandlungen zwischen Gesandten erfolgende und seit Jahrhunderten etablierte klassische Diplomatie zwar nur ein Mittel von vielen, um zwischenstaatliche Verhältnisse zu justieren, aber jenes Mittel, das besonders repräsentativ und von hohen Ansprüchen geprägt ist und damit prädestiniert, sich als das Mittel zwischenstaatlicher Kommunikation und Konfliktlösung schlechthin präsentieren zu können. Diese Verquickung zahlreicher außenpolitischen Maßnahmen mit der Diplomatie ist keineswegs neu, hat aber im Laufe des 20. Jahrhunderts mit dem Aufkommen der vielgestaltigen new diplomacy4 nach dem Ersten Weltkrieg und mit raschen technischen Neuerungen in einem so drastischen Maße zugenommen, dass eine Ausweitung des Begriffes der Diplomatie im wissenschaftlichen Zusammenhang notwendig wurde. Daher ist es heute nicht mehr möglich, Diplomatie schlicht als die Summe der Tätigkeit von staatlichen Diplomaten und der zwischen ihnen geltenden Verhaltensnormen, also letztlich als normierte Regelung zwischenstaatlicher Verhältnisse zu betrachten – wenn diese Mechanismen auch keineswegs mit dem Ersten Weltkrieg ihr Ende fanden.
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Ein Paradebeispiel für derartiges Vorgehen dürfte die bei Priskos, frg. 11 [ed. Blockley] geschilderte Gesandtschaft zu den Hunnen sein, die Attilas Ermordung dienen sollte. Bezüglich Attila und der römischen Diplomatie siehe auch die Arbeit Meier 2015; vgl. Altheim 1951, 114f.; Rosen 2016, 144–147, 181–183. Pohl 1992, 190, fasst dies als drastisches Beispiel innerhalb von Methoden auf, die an sich „durchaus zu den üblichen Mitteln der kaiserlichen Diplomatie“ gehört hätten. Wirth 1999, 81, schreibt von einem Schritt, „wie er selbst in der Geschichte der Antike selten ist“. Zur dunklen Seite spätrömischer Diplomatie Lee 2009. Zum Charakter der byzantinischen Diplomatie auch Chrysos 1992, 29. Siehe dazu ausführlich Kapitel 2 dieser Arbeit.
1 Einleitung
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An Stelle einer klaren Definition ist eine Vielzahl verschiedener Betrachtungsweisen getreten, die den Begriff der Diplomatie letztlich zu einem Sammelbegriff außenpolitischer und verwandter Phänomene macht. Dieser Sprachgebrauch ist für die Forschung zu unpräzise, zeigt aber ein Bewusstsein für die enge Verbindung von Diplomatie und anderen – positiven wie negativen – innen- und außenpolitischen Aspekten in ihrem unauflöslichen Zusammenhang. Dieses Bewusstsein soll nun, wenngleich präzisiert und methodisch geschärft, genutzt werden, um auch gegenüber der Vergangenheit einen veränderten Blickwinkel einnehmen zu können.5 Für die gescholtene byzantinische Diplomatie zeigt sich in den Quellen eine solche enge Verquickung von diplomatischen Verhandlungen und anderen außenpolitischen Aktionen, die ein Trennen von „sauberer“ Verhandlung und „schmutzigen“ anderen Aktionen der Außenpolitik, wie auch innenpolitischen Zusammenhängen, unmöglich macht. In der Spätantike wie in der Moderne müssen alle Aspekte für die Rekonstruktion eines Geschehens gemeinsam betrachtet werden, da sich das diplomatische Verhältnis zwischen zwei Staaten weder allein aus der Diplomatie noch aus den schwieriger zu bestimmenden innen- und außenpolitischen Maßnahmen des Hintergrundes erschließen lässt.6 Dies ist aber bei der Betrachtung der Diplomatie bis dato weder in der Politikwissenschaft noch den Altertumswissenschaften hinsichtlich der spätantiken „internationalen“7 Beziehungen geschehen. Thema dieser Arbeit ist daher keine klassische Diplomatiegeschichte der Zeit von etwa 387 bis 561 n. Chr.,8 sondern eine Untersuchung der auf das jeweils andere Reich gerichteten politischen und sonstigen Handlungen im Untersuchungszeitraum unter zwei Aspekten: welche generellen Strukturen des zwischen beiden bestehenden Verhältnisses sie erkennen lassen und aus welchen Gründen die jeweiligen Maßnahmen so gewählt wurden, wie sie gewählt wurden. Dies ist bisher in der vorgestellten Form noch nicht untersucht worden und verspricht ein neues Verständnis der gegenüber dem jeweils anderen vorgenommenen Aktionen Roms und des Sasanidenreiches. Konkreter Untersuchungsgegenstand ist somit das fortlaufende Band „zwischenstaatlicher“9 Kommunikation, das beide Reiche verband und unter zwei Ge5 6 7
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Vgl. Black 2010, 12. Sims 2013, 245. Der Begriff ist, wenn man ihm eine moderne Anschauung der Nation im Sinne eines Nationalstaates zugrundelegt, selbstverständlich anachronistisch, aber „internationale Beziehungen“ ist schlicht ein stehender Begriff, der sich nur schwer durch der Antike gemäßere, aber erst noch zu schöpfende Neologismen wie „zwischengemeinwesentlich“ vulgo „interpolitisch“ ersetzen ließe, ohne die Gegebenheiten zu verkomplizieren. Die zeitliche Verortung der beiden zugrundeliegenden Ereignisse ist in der Forschung umstritten. Dies wird weiter unten thematisiert. Der Staatsbegriff verhält sich ähnlich wie jener der Nation, da auch sein unterschiedsloser Gebrauch für antike wie moderne Gegebenheiten die Verschiedenartigkeit antiker Gemein-
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sichtspunkten erforscht werden soll: sowohl hinsichtlich seiner Strukturen als auch der vielfältigen Modifikationsmöglichkeiten, denen es unterworfen war und die von den zwei Großmächten10 beständig zur Veränderung des zwischen ihnen bestehenden Verhältnisses eingesetzt wurden. Eine zeitliche Grenze ist der Untersuchung nach unten durch die Teilung Armeniens Ende der 380iger Jahre n. Chr. gesetzt und nach oben durch den 50jährigen Frieden am Anfang der 560iger Jahre. Diese beiden Ereignisse sind nicht willkürlich gewählt, vielmehr stecken sie einen Zeitraum ab, innerhalb dessen bestimmte Strukturen des zwischen den Reichen bestehenden Verhältnisses und aus ihnen folgend bestimmte diplomatische Modifikationsmöglichkeiten bestanden, die weder in den Jahrhunderten zuvor noch der Zeit danach in dieser speziellen Gemengelage gegeben waren. Das politische Klima zwischen den beiden Großmächten hatte in dieser Phase der römisch-persischen Beziehungen eine einzigartige Beschaffenheit, die sich ziemlich genau abgrenzen lässt, wobei Vor- und Rückgriffe nötig sind. Zum einen zeigen diese die Ursachen und Folgen verschiedener Elemente des Untersuchungszeitraumes, zum anderen aber ermöglichen sie auch einen Blick auf die Entstehung und Auflösung der für den behandelten Zeitraum charakteristischen Gemengelage und sind somit geeignet, den Blick auf diesen und die in ihm wirksamen Kräfte zu schärfen. Diesen Prinzipien gemäß gliedert sich die Studie in zwei Hauptteile. wesen und ihrer damaligen Wahrnehmung von modernen Gemeinwesen und ihrer modernen Wahrnehmung zu verunklaren droht; wie auch den Umstand, dass bereits innerhalb der Antike verschiedenartige Reflexionsansätze über die sich verändernden Umstände bestanden. Demandt 1995, 21: „Einen gleichwertigen Begriff für unser Wort ‚Staat‘ gibt es weder im Griechischen noch im Lateinischen. Die unserem Ausdruck ‚Staat‘ nächstverwandten Termini akzentuieren je eines der drei Wesensmerkmale unseres Staatsbegriffes: das Land, das Volk oder die Herrschaft.“ Zur Anwendung des Staatsbegriffes auf das Altertum ebd. 14–24. Zu aktuellen politikwissenschaftlichen Diskussionen um den Paradigmenwechsel weg vom Terminus des Staates hin zur „Staatlichkeit“ siehe die Arbeit Schuppert 2019. Zu durchaus differenzierten Forschungstendenzen seit der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts hinsichtlich des Spannungsfeldes moderner Staatsbegriffe und historischer Gegebenheiten siehe Schennach 2019, 42–50; Kritik an Begriffsunschärfe der Forschung etwa schon bei der vom Mittelalter ausgehenden Studie Sander 1906, 1–34. Zur Alterität römischer Staatlichkeit Meyer 1947, 45–50; dabei kommt Meyers „Einführung in die antike Staatskunde“ ohne theoretische Vorrede über den Staatsbegriff aus, Meyer 1990, 8. Zum Wandel der lateinischen Termini res publica, imperium, regnum und status von der späten Republik zur Spätantike siehe die Arbeit Suerbaum 1961; zu den griechischen Termini ἀρχή, ἡγεµονία, βασιλεία, τὰ πράγµατα und κοινά in frühbyzantinischer Zeit Karamboula 1993. 10 Nach Campbell 1993, 213, sei sogar der Begriff der „Supermächte“ für Rom und das Partherreich legitim, laut Sauer 2013, 622, ebenso für Rom und das Sasanidenreich; vgl. Heather 2018, 75. In diesem Sinne lässt sich auf letztere beide bezüglich ihres Potentials, Einfluss weit jenseits ihrer Grenzen auszuüben, zumindest der Begriff der Großmächte anwenden. Mit Winter 1988 trägt sogar eine Monographie über römisch-sasanidische Friedensverträge diese Bezeichnung im Titel.
1 Einleitung
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Hinführend erfolgt eine Definition und Problematisierung der Begriffe „Diplomatie“ und „Außenpolitik“, wie sie im Folgenden aufgefasst werden sollen. Nach kurzen Ausführungen zur Forschungslage, Vorgehen, Quellenlage und zeitlicher Eingrenzung folgt der erste Hauptteil. Dieser ist den Strukturen gewidmet, die das Verhältnis Roms und des Sasanidenreiches11 prägten. Diese Elemente bilden die festgefügten Eckpfeiler der Kommunikation beider Seiten, sie bilden, ebenso bildlich gesprochen, die Leinwand, auf der die Diplomatie gezeichnet wird, oder spieltheoretisch das von beiden Seiten akzeptierte Regelwerk, in dessen Rahmen „zwischenstaatliche“ Politik betrieben werden kann. Dieser erste Hauptteil ist in drei Komplexe gegliedert, die in sich wiederum unterteilt sind: Der erste Komplex befasst sich mit dem damals von Entscheidungsträgern beider Seiten wahrgenommenen militärischen Gleichgewicht. Die Möglichkeiten und Grenzen militärischer Konfliktlösung, wie sie sich in den Quellen darstellen, zeigen bestimmte Merkmale auf, die im militärischen Mit- und Gegeneinander Roms und des Sasanidenreiches im behandelten Zeitraum wirksam waren. Den zweiten Komplex bilden die Konzepte der Weltordnung, also jene Gegebenheiten, welche sowohl auf der römischen als auch der persischen Seite – oder besser: in den Quellen – für grundlegende und feststehende Elemente der Welt und kosmischen Ordnung an sich gehalten wurden, sofern sie das Verhältnis Roms und Persiens betrafen. Dies lässt sich auf eine beidseitig eingeräumte Gleichrangigkeit und Augenhöhe zuspitzen, die mit einem bestimmten Auftrag verbunden ist. Der dritte Komplex, „religiöse Neutralität“, betrifft die beiden Seiten gemeinsamen Anschauungen bezüglich Religion und religiöser Einflüsse im „zwischenstaatlichen“ Verhältnis. Es geht um die Frage nach Religion als Konflikt- und Verständigungsfaktor innerhalb dieses Verhältnisses. Der zweite Hauptteil befasst sich mit den diplomatischen Methoden, mittels derer das zwischen Rom und dem Sasanidenreich bestehende Verhältnis von beiden Seiten modifiziert wurde. Einerseits werden sie hinsichtlich ihrer Bedeutung und Implikationen, also ihres aus Sicht der Gegenwart oft nur schwer verständlichen Sinns, untersucht, andererseits findet auch eine Bestimmung ihrer Bedeutung im Angesicht der konkreten Konfliktfälle statt und sie werden in den von den Strukturen des ersten Hauptteils gebildeten Rahmen eingeordnet und es wird sich zeigen, inwiefern sie von den Strukturen beeinflusst sind. Die auf konkrete Konflikte angewandten Methoden bewegen sich innerhalb der Strukturen. Der zweite Hauptteil ist, im Anschluss an eine generelle methodische Vorüberlegung, in acht weitere Komplexe gegliedert. 11 Statt „Sasanidenreich“ wird im Folgenden gelegentlich „Iran“ benutzt, besonders in kulturellen Zusammenhängen. Das folgt der Anschauung Panitschek 1990, 458, da Iran als Begriff betrachtet wird, „der die von Parthern und Sasaniden getragenen politischen und kulturellen Emanationen umfaßt“.
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Die diesen zugrundeliegenden Themen wurden auf Basis des Studiums der Quellengrundlage ausgewählt; es sind jene, die sich aus den Quellen erschließen lassen und somit fundiert zu ermitteln sind. Es mag noch andere als diese gegeben haben, aber die Quellengrundlage lässt in deren Fall schlicht keine Untersuchung im Rahmen dieser Arbeit zu, die nicht zu stark ins Spekulative weisen würde, zumal diese Arbeit bedingt durch den ungewöhnlichen diplomatietheoretischen Ansatz bereits im vorliegenden Zustand vielerorts Neuland betritt und sich schon aus diesem Grund eng an die Quellenbasis halten muss. Der nach der Vorüberlegung als erstem Punkt zweite Komplex des zweiten Hauptteils befasst sich mit jenen Methoden der Diplomatie, die selbst ein sehr enges Diplomatieverständnis zwangsläufig einbeziehen muss: Verhandlungen, Abkommen und dem in ihnen wirkendem Umgang mit Recht und Gerechtigkeit als (tatsächlich geglaubte oder nur vorgeschobene) Handlungsgrundlagen und Argumente für beide Konfliktparteien. Diese auf Basis der durchgängigen Narrative des 6. Jahrhunderts vorgenommene Untersuchung über den Austausch Roms und des Sasanidenreiches innerhalb der ermittelten Strukturen ist grundlegend für das Verständnis der folgenden Kapitel, da wesentliche Prinzipien und wiederkehrende Verhandlungsabläufe aufgezeigt werden. Im dritten Komplex steht der Krieg als diplomatische Methode im Mittelpunkt, und damit nach landläufiger Vorstellung die Kehrseite friedlichen diplomatischen Austausches. Im vierten Komplex werden vor dem Hintergrund der etablierten Strukturen mit den Beschützerstellungen zwischen Kaisern und Großkönigen Themen neu bewertet und auf ihre Plausibilität sowie Sinnhaftigkeit geprüft, die in der Forschung große Kontroversen hervorgerufen haben. Im Zentrum steht die Frage nach der sogenannten Vormundschaft Yazdgards über Theodosius II. und der geplanten Adoption Chosraus durch Justin. Der fünfte Komplex befasst sich mit Informationsbeschaffung und den zahlreichen Facetten der diplomatischen intelligence.12 Neben militärischer Aufklärung nahmen besonders Gesandtschaftsberichte eine prominente und in der Forschung unterschätze Rolle im Rahmen der Erkundung des jeweils anderen Reiches hinsichtlich seiner Beschaffenheit, Zwänge, aktuellen Situation sowie künftigen Möglichkeiten und Absichten ein. Letztlich fungierte jeder Gesandte auch als 12 Dieser in diplomatischen Zusammenhängen übliche politikwissenschaftliche terminus technicus ist präziser als der zu weit gefasste und missverständliche deutsche Begriff „Informationsbeschaffung“ oder der zu enge und ebenso missverständliche Begriff „Spionage“. Definition bei Weigall 2002, 120: „Information that is gathered covertly or openly by a government or agency about another country or allianceʼs intentions and capabilities. Strategic and military intelligence are concerned with discovering a range of things: the disposition and strength of military forces, weaponsʼ developments, plans, alliances and agreements, the capability and morale of military forces and civilian opinion. Effective intelligence gathering requires the wider appreciation of political, economic and social data, of a countryʼs underlying strength or potential responses.“
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„honourable spy“13 und dementsprechend wurden mit der Überwachung der Gesandten in beiden Reichen Maßnahmen der Spionageabwehr getroffen. Dieser Untersuchungsgegenstand ist geeignet, ein neues Licht auf nachrichtendienstliche Operationen (vor allem der römischen Seite) zu werfen. Im Anschluss an die Spionage befasst sich der sechste Komplex mit den sogenannten dark arts,14 den Formen bewusster Manipulation zwischenstaatlicher Kommunikation und des regulären diplomatischen Ablaufs zum eigenen Vorteil. Der siebte Komplex umfasst die sogenannte track-two-diplomacy samt verwandter Formen15 und Diplomatie über Drittakteure, bei denen Handelnde, die nicht im engeren Sinne Diplomaten sind, das Verhältnis zwischen den Reichen beeinflussen, sei es im Auftrag einer Seite oder in besonderen Fällen ohne eine solche Ermächtigung. Der achte Komplex hat herrscherliche Symbolhandlungen zum Gegenstand. Es handelt sich um semantisch aufgeladene Handlungen, mittels derer die in extrem exponierter Stellung stehenden Herrscherpersönlichkeiten Botschaften an den jeweils anderen Herrscher und seine Einflussträger bis hin zur Bevölkerung des anderen Reiches senden, die nicht auf den ersten Blick für den heutigen Betrachter verständlich sind und die es der andersartigen Symbolsprache und der verschiedenen kulturellen Hintergründe wegen zu entschlüsseln gilt. Der neunte Komplex hat die Rolle der räumlich wie politisch zwischen den Großmächten befindlichen Gemeinwesen im Rahmen der römisch-persischen Diplomatie zum Gegenstand, sowohl ihre Nutzung durch die Großmächte, als auch, welche Spielräume sich für die kleineren Akteure aus dem Verhältnis der Großmächte ergaben. Dabei bilden die Lage der kaukasischen Akteure, die Frage nach einer besonderen Form der Loyalität dieser Gruppen, die Lage der Sarazenen und die Einbindung des axumitisch-himyaritischen Raumes Südarabiens und Ostafrikas in die römisch-persische Diplomatie eigene Unterkapitel. Am Rande wird darauf eingegangen, wie und auf welche Weise wirtschaftliche Ressourcen bei der Modifikation des Verhältnisses zwischen Rom und dem Sasanidenreich genutzt worden sein könnten. Ein Fazit beschließt die beiden Hauptteile. Beigefügt sind drei Anhänge, die sich mit Aspekten befassen, die in der Arbeit selbst als Einschübe und Exkurse wirken und die Argumentation unübersichtlicher machen würden. Deren erster behandelt die Frage nach den diplomatischen Quellen des Malalas, dessen Weltchronik eine stellenweise bedeutsame Quelle für die römisch-sasanidischen Kontakte des 6. Jahrhunderts darstellt, aber offenkundig seinerseits die diplomatischen Informationen aus verschiedenen Quellen be13 Es handelt sich um einen gängigen Ausdruck, der wohl auf die aus dem Jahr 1716 stammende englische Übersetzung des französischen Werkes „Lʼ Ambassadeur Et Ses Fonctions“ des Diplomaten Abraham de Wicquefort von 1680/1681 zurückgehen dürfte, Wicquefort 1716, 86, 296, 355; Hamilton/Langhorne 2011, 190; Jönsson 2012, 17. 14 Sims 2013, 256f. 15 Volkan 1999, 220f.; Berridge/James 2003, 177; Roberts 2009, 20; Sharp 2009, 75f.; Berridge 2010, 243; Bjola/Kornprobst 2013, 90f., 222; Kerr/Taylor 2013, 227.
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zogen hat. Der zweite Anhang behandelt den Komplex des umstrittenen Achämenidenerbes und seine Bedeutung bzw. mangelnde Bedeutung in der römischsasanidischen Diplomatie. Der dritte schließlich fragt im Hinblick auf die Mazdakitenbewegung knapp nach der Auswirkung dieses weiteren und ebenfalls umstrittenen iranischen Elements auf das Verhältnis der beiden Mächte. Die im Folgenden dargestellten theoretischen Grundlagen sowie die Beschränkung auf einen aus diesen hervorgehenden zeitlichen Rahmen, der nicht mit konventionellen Epochengrenzen konform geht, bringen es zwangsläufig mit sich, das nicht alle Themen untersucht werden können und nicht jedes Erkenntnisinteresse bedient werden kann, mit dem sich an spätantike Diplomatie gemäß eines andersgearteten Diplomatieverständnisses herangehen ließe. So muss etwa wirtschaftlicher und kultureller Austausch zurückstehen und wird nur dann angesprochen, wenn er in seiner quellenmäßigen Darstellung deutlich mit den angewandten Untersuchungskriterien interferiert; so können nicht deportierte Handwerker, grenzüberschreitende Fernhändler oder reisende Bischöfe untersucht werden, sofern sie nicht als diplomatische Akteure gemäß der angewandten Definition tätig wurden. Es werden sich zuweilen Verweise auf entsprechende Forschung in den Fußnoten finden, die Studie bleibt aber stets ihrem Fokus gemäß des speziellen und herauszustellenden diplomatischen Verständnisses verpflichtet, der aber selbst in seiner Beschränkung noch eine Fülle von Untersuchungsmöglichkeiten und Kontaktbereiche zu anderen Forschungsgegenständen bietet.
2 DIPLOMATIE UND AUßENPOLITIK Sowohl in fach- als auch alltagssprachlichen Zusammenhängen ist mit dem Begriff der Diplomatie eine geradezu chaotische Fülle von Bedeutungen und Konnotationen verbunden. Es ist eine Untersuchung der Begrifflichkeit und ihrer neueren Geschichte nötig, um zu erklären, wie der Diplomatiebegriff in den folgenden Kapiteln verstanden werden soll und in welcher Hinsicht damit ein althistorischer Erkenntnisgewinn verbunden sein wird. Um die Grundlagen des Begriffs zu verstehen, ist ein historischer Rückgriff nötig. Von der Frühen Neuzeit – meist wird das 17. Jahrhundert als Beginn betrachtet – bis zum Ende des Ersten Weltkrieges erstreckt sich die Epoche der „Klassischen Diplomatie“.1 In dieser Zeit wurde der Diplomatiebegriff weitaus enger und schärfer gefasst, als dies in der Gegenwart der Fall ist. In diesem klassischen Sinne ist Diplomatie die Regelung zwischenstaatlicher Beziehungen im Rahmen bestimmter traditioneller Umgangsformen, die von den beteiligten Seiten anerkannt und eingehalten werden.2 Diplomaten sind jene Personen, die mit dieser Aufgabe durch ihre jeweilige Regierung betraut sind. Geradezu zwangsläufige Nebenerscheinungen dieser Umstände, wie die Ausnutzung der Lücken in den etablierten Umgangsformen, Propaganda, Spionage, Erpressung, Drohung, Anschläge, geheime Abkommen, militärische Gewalt und alle anders gearteten Formen der Einflussnahme, die einem Staat einen Vorteil gegenüber einem anderen zu verschaffen geeignet erscheinen, werden keinesfalls der klassischen Diplomatie zugerechnet, so sehr sie auch zu deren Nutzen in Form einer Stärkung der eigenen Verhandlungsposition durchgeführt sein mögen.3 Die klassische Diplomatie findet nicht vor den Augen der Öffentlichkeit statt. Diese Auffassung der Diplomatie spiegelt sich auch in dem Genre der Diplomatiegeschichte. Diese beschränkt sich, ihrem Namen gemäß, auf Handlungen und Leistungen von Diplomaten und verfolgt zwischenstaatliche Beziehungen nur hinsichtlich deren Äußerung in Form von Verhandlungen, Verträgen und über die Kanäle der Diplomaten verlaufender Kommunikation. Eine „Diplomatietheorie“ als Fundament der Diplomatiegeschichte gab es nicht. Vielmehr galt das Betrei-
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Bjola/Kornprobst 2013, 28f., 217; vgl. Hall/Jönsson 2005, 40; Berridge 2010, 7. 107. So Sir Ernest Satow in dem jahrzehntelang als Standardwerk gängigen Handbuch für britische Diplomaten. Diplomatie ist demnach „the application of intelligence and tact to the conduct of official relations between the governments of independent states, extending sometimes also to their relations with vassal states.“ Satow 1922, Bd. 1, 1. Zur heutigen Sicht darauf Black 2010, 12. Vgl. Black 2012, 12.
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ben von Diplomatie besonders den Diplomaten als Kunst, die Talent erfordert, und nicht als Wissenschaft. Teils ist dies bis heute der Fall. Die Beschränkung der Diplomatiegeschichte als Gattung ist aus heutiger Sicht offenkundig,4 ihr Verdienst besteht aber zumindest im Rahmen der jeweiligen Zeitgeschichte in besonderer Weise darin, dass ihre Verfasser zumeist Diplomaten waren und somit als Insider einen besonderen Blick auf die Geschehnisse der jüngeren Vergangenheit bieten konnten, da sie über Informationen verfügten, die zeitgenössischen Historikern nicht im gleichen Maße zugänglich waren.5 Die klassische Diplomatie findet eine Herausforderung mit dem Aufkommen neuer technischer Kommunikationsmöglichkeiten von bis dato ungeahnter Geschwindigkeit im 19. Jahrhundert und ihr Ende mit dem Ersten Weltkrieg, der nicht nur das Machtsystem des Wiener Kongresses, sondern auch die mit diesem verbundene6 traditionelle Diplomatie drastisch transformierte. Die Gründung des Völkerbundes versprach nicht nur eine fundamentale Neuerung im diplomatischen Ablauf, sondern auch ein vermeintliches Ende der Geheimdiplomatie, der eine Mitschuld an der Eskalation der zum Krieg führenden Geschehnisse gegeben wurde.7 Inbegriff der besonders mit dem Namen Woodrow Wilsons verbundenen Transformation fort von der klassischen, meist bilateralen und verdeckten Verständigung hin zu einer öffentlichen, besonders auf Gipfeltreffen ausgerichteten multilateralen Kommunikation ist der terminus new diplomacy:8 die Ausweitung des engen Diplomatiebegriffs hin zu einer umfassenden Beachtung und Betrachtung zwischenstaatlicher Verständigung und Einflussnahme. Diese Auffassung hat jenseits ihres zeitgebundenen Kontextes ein enormes heuristisches Potential, da sie erstmals verspricht, eine Bündelung aller Maßnahmen zwischenstaatlicher 4
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Vgl. Black 2012, 12: „The orthodox European-based concept of diplomatic developments until, during the twentieth century, they encompassed the globe is an insufficient guiding principle for writing diplomatic history.“ Widmer 2014, 13, charakterisiert noch die gegenwärtige Armut an Handbüchern zu Diplomatie im deutschen Sprachraum damit, das solche zumeist nur Erzählungen von Diplomaten aus ihrem Leben seien. Die Tradition besteht also in gewissem Sinne fort. Scruton 1991, 128; vgl. Farer 1992, 1031. Vgl. Hall/Jönsson 2005, 11f. Eban 1983, 240, 345; Anderson 1993, x, 291; Berridge/James 2003, 184, Hall/Jönsson 2005, 11f.; Roberts 2009, 13f.; Berridge 2010, 7, 107; Black 2010, 188; Hamilton/Langhorne 2011, 143f.; Bjola/Kornprobst 2013, 29; Widmer 2014, 286–288; vgl. Rosecrance 1968, 187; Schmidt 1995a, 229f.; Varwick 2001, 79, 81f. Es ist dabei konkret an Phänomene wie inoffizielle Diplomatie, parliamentary diplomacy, multitrack d., public d., personal d., celebrity d., commercial d., cultural d., sports d., guerilla d., paradiplomacy, e-diplomacy, und andere zu denken, deren viele schon lange Zeit (so auch in der Spätantike) existierten, aber bis zum 20. Jahrhundert nicht der „richtigen“ Diplomatie zugerechnet wurden. Zu den Typen Volkan 1999, 214–221; Weigall 2002, 46, 62; Berridge/James 2003, 177, 199, 205; Roberts 2009, 13–20; Sharp 2009, 75f., 222–242, 266–292; Berridge 2010, 119, 179–190, 243; Black 2010, 12f.; Hamilton/Langhorne 2011, 234–237; Black 2012, 10; Bjola/Kornprobst 2013, 89–9, 152–154, 213, 217; Kerr/Taylor 2013, 227; Pigman 2013, 70; Sharp 2013, 61f.; Widmer 2014, 284–300.
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Verständigung, seien sie im klassischen Sinne diplomatisch oder nicht, in den Blick zu nehmen und somit neue Analysemöglichkeiten internationaler Beziehungen schafft.9 Wie aber die neue Diplomatie der Zwischenkriegszeit nicht zum Ersatz der klassischen Diplomatie, sondern vielmehr zu einer Ergänzung der klassischen Form durch die neuen Möglichkeiten der Gipfeltreffen und offenen Kommunikation führte,10 so ließ sich auch ihre hergebrachte Auffassung nicht ersetzen, sodass der Diplomatiebegriff der new diplomacy nicht als eigenständige Untersuchungsmaxime Einzug gehalten hat, sondern vielmehr unter dem Eindruck der neuen politischen Verständigungsmöglichkeiten zu einer Ausweitung des klassischen Diplomatieverständnisses bis hin zu einer Aufblähung desselben ins Beliebige und vage „Außenpolitische“ geführt hat. Resultat ist nicht nur der eingangs erwähnte unübersichtliche und unpräzise Sprachgebrauch,11 der im anglophonen und frankophonen Raum so weit gediehen ist, Diplomatie teils als ein Synonym für Außenpolitik zu begreifen,12 sondern auch die nach wie vor fehlende Ausbildung einer Diplomatietheorie, die sich mit anderen Feldern der Politikwissenschaft vergleichen ließe.13 Auf Basis des vagen und aufgeblähten Diplomatieverständnisses kann auch keine neuartige Diplomatiegeschichte geschrieben werden.14 So existiert nach wie vor nur eine Form von Diplomatiegeschichte, die sich weiterhin an den Gegebenheiten der klassischen Diplomatie ausrichtet und den Untersuchungsgegenstand – mangels theoretischer Grundlage – auch nicht im 9 10 11 12
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Sims 2013, 245: „history suggests that the tendency to separate tools of statecraft into force, commerce, intelligence, and diplomacy obscures the utility of mixing them.“ Berridge 2010, 7. Vgl. ebd. 107, 109; Cohen 1968, 530; Arnold 1997, 108f. Bezüglich diverser Ansätze Black 2010, 13; vgl. Roberts 2009, 3. Ziring/Plano/Olton 1995, 255; Berridge/James 2003, 69f.; Roberts 2009, 3, Anm. 1; Jönsson 2012, 15; Widmer 2014, 26; vgl. Nicolson 1963, 13. Teils hat eine solche Anschauung schon so weit geführt, dass in Bezug auf Kulturpolitik und Sport jeder Bürger eines Staates, der sich im Ausland aufhält, als eine Art Diplomat betrachtet werden kann, wie auch Gestalter international rezipierter Medien, Black 2012, 12; Black 2010, 12f. In eine ähnliche Richtung führt der Begriff der transnationalen Politik, Czempiel 1981, 13. Explizit gegen die Gleichsetzung von Diplomatie und Außenpolitik Widmer 2014, 26. Für Byzanz Kazhdan 1992, 6: „Is diplomacy identical with foreign relations? If so, then how can we isolate diplomacy from the whole history of Byzantium, its ‚war and peace‘, which, in its turn, is closely connected with the internal development of the country?“ Kazhdan gelangt im Folgenden aber zu einer problematischen Auffassung, siehe unten S. 30, Anm. 3. Zu den Schwierigkeiten des Komplexes Diplomatie – Außenpolitik im byzantinistischen Kontext Oikonomides 1992, 76; vgl. Mullett 1992, 216. Vgl. Jönsson 2012, 15; Hall/Jönsson 2005, 1f., 9f.; Melissen 2013, 193–195. Die Diplomatiegeschichte hat sich auch nicht eng mit Theorien zu internationalen Beziehungen verbunden, Jönsson 2012, 16; vgl. Hall/Jönsson 2005, 9f. Diese sind aber wiederum vielgestaltig, konkurrierend und ringen vielfach um Definitionen, Meyers 2011, 490f.; vgl. Brock 1989, 390f., 395; knapper Überblick bei Steele 2008, 99–101. Zum ausstehenden Wandel im Denken Zartman 2008, 2: „Education has moved away from history-by-battles but has not yet moved to history-as-agreements and especially not to the process of attaining them.“
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Sinne der new diplomacy aufgefasst hat, womit viele Phänomene zwischenstaatlicher Politik mit ihrem Instrumentarium kaum untersucht werden können.15 Die derzeitige Situation ist folgende: Bereits in der Alltagskommunikation ist der Diplomatiebegriff nicht eindeutig, so kann das Adjektiv „diplomatisch“ zwei grundverschiedene Bedeutungen haben:16 Einerseits ist es möglich, damit Eigenschaften zu benennen, die Diplomaten, diplomatischen Diensten und Vorgängen zwischenstaatlicher Kommunikation jeglicher Form, sei es der klassischen oder modernen Diplomatie, beigelegt werden. Andererseits aber kann „diplomatisch“ ein wie auch immer geartetes geschicktes Vorgehen im Umgang mit Menschen bedeuten, in dem das eigene Anliegen nicht direkt thematisiert wird, sondern nur auf eine indirekte und als höflich begriffene Weise, die dem Gegenüber Denkanstöße geben soll, selbst dieses Anliegen zu erschließen, ohne vor den Kopf gestoßen zu werden. Dieser Sprachgebrauch verhält sich geradezu synonym mit der Redewendung, etwas „durch die Blume“ zu sagen. Eine solche Bedeutung resultiert offenkundig aus dem klassischen Diplomatieverständnis, da es zu den etablierten Regeln diplomatischer Kommunikation gehört, sich dieses modus operandi zu bedienen.17 Diese nicht nur im Deutschen vorhandene Doppeldeutigkeit berührt aber nur die Oberfläche des Komplexes. So kann – immer noch in der Alltagssprache – „Diplomatie“ das Betreiben zwischenstaatlicher Politik über Verhandlungen durch Diplomaten beschreiben, allerdings gleichfalls eine solche Politik, die nicht von Diplomaten, sondern auf Gipfeltreffen von Staatsoberhäuptern und Regierungschefs persönlich betrieben wird. Diese sind mitnichten Diplomaten, können aber trotzdem Diplomatie betreiben. Im umgekehrten Sinne werden niedergelassene Botschafter den Diplomaten zugerechnet, obwohl sie in aller Regel keine zwischenstaatlichen Verhandlungen führen. Der Begriff der Diplomatie kann in diesem Sinne sogar alle Aspekte zwischenstaatlicher Politik einbeziehen, wie wenig diese auch mit Verhandlungen zu tun haben mögen. Der Ausdruck „diplomatischer Dienst“ folgt dieser Auffassung. Das sind nur einige Beispiele. Diese unklare Situation spiegelt sich in der politikwissenschaftlichen Verwendung des Begriffs. Darin können sechs Hauptbedeutungen des englischen Terminus „diplomacy“ unterschieden werden:
15 Zu dahingehenden Problemen in Anbetracht des zu weiten modernen Begriffs Black 2010, 13; vgl. Czempiel 1981, 9f. Eine Rückkehr zur klassischen Auffassung ist offenkundig auch keine Lösung, wenn sie auch teils vorgenommen wird, so bei Hamilton/Langhorne 2011, 1, 235; vgl. Davis Cross 2008, 370f. Eine bemerkenswerte und weite Auffassung von Diplomatie für die byzantinische Welt (wenn auch vorrangig ab Justinian) hatte bereits Obolensky 1963, 52, der sie aber als Desiderat herausstellte: „[…] diplomacy as an intricate science and a fine art, in which military pressure, political intelligence, economic cajolery and religious propaganda were fused into an almost irresistible weapon of defensive imperialism.“ 16 Jehne 2009, 147. 17 Drechsler 2003, 250, gilt dieser Aspekt explizit als negative Bedeutung des Begriffes „diplomatisch“.
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1. Außenpolitik im Sinne des Inhalts auswärtiger Angelegenheiten; 2. Staatskunst in Hinblick auf das Betreiben von Außenpolitik; 3. das Betreiben internationaler Beziehungen durch Verhandlungen; 4. die Tätigkeit von Diplomaten im diplomatischen Dienst; 5. die Verhaltensweisen, die bei Verhandlungen eingesetzt werden; 6. die Fähigkeiten eines professionellen Diplomaten.18 Daraus ergibt sich offenkundig keine Definition, sondern ein Katalog von Elementen, die mit einem Begriff beschrieben werden können, sich dabei nicht gegenseitig ausschließen und zuweilen überschneiden. Sie zeigen die gegenwärtige Situation der internationalen Politik, da Institutionen, die bereits in der klassischen Diplomatie enthalten sind, neben denen der modernen bestehen und wiederum von Maßnahmen sekundiert werden, die auf andere Art zwischenstaatliche Verhältnisse verändern sollen.19 Es bleibt also festzustellen, dass der Diplomatiebegriff sowohl in alltags- als auch in fachsprachlichen Zusammenhängen schillernd und amorph bleibt. Im Sinne der new diplomacy soll in dieser Arbeit nun eine Auffassung angewandt werden, die zwar ein weites Verständnis von Diplomatie beinhaltet, sich aber deutlich sowohl von dem engen klassischen als auch dem ausufernden gegenwärtigen Diplomatiebegriff abgrenzt. Der klassische Diplomatiebegriff, geprägt für die Frühe Neuzeit, an deren Strukturen ausgerichtet und nur gelegentlich mit Modifikationen auf die Alte Geschichte angewandt,20 lässt sich weder mit der eigentümlichen Quellenlage der Antike noch mit den modernen methodischen Erwartungen an eine Untersuchung zwischenstaatlicher Beziehungen vereinbaren. Es ist zu wenig über römisch-persische Verträge und Verhandlungen bekannt, um allein auf ihrer Basis eine Untersuchung vornehmen zu können, die dem diplomatiehistorischen Anspruch gerecht würde, das römisch-sasanidische Verhältnis zu 18 Jönsson 2012, 15; vgl. Nicolson 1963, 13f. 19 Die Zusammenführung der klassischen Diplomatie und der modernen Auffassung hat nicht nur der Erforschung des Wesens der Diplomatie, sondern auch dem Terminus an sich geschadet, indem er dem nach klassischen Verständnis positiven Diplomatiebegriff offenkundig negative Attribute beigesellt hat. So entstanden Termini wie gunboat diplomacy, bomber d., coercive d. oder auch public d., letzteres im Grunde ein Synonym für Propaganda. Berridge/James 2003, 23, 40, 120; Sharp 2009, 19f., 266–292; Berridge 2010, 179–190; Black 2010, 15f.; Black 2012, 12; Jönsson 2012, 15f.; Bjola/Kornprobst 2013, 154f.; Widmer 2014, 286–292; vgl. Farer 1992, 1026f. Es besteht auch der Ausdruck der „dark arts“, Sims 2013, 256f. Auf die Rolle der Diplomatie für die Informationsbeschaffung wird im 15. Kapitel der vorliegenden Arbeit ausführlich eingegangen. 20 Z. B. Mosley 1973; Mathisen 1986; Missiou-Ladi 1987; Millar 1988; Campbell 1993; Jones 1999; bibliographisch für die Spätantike Whately 2013, 242–254; die gesammelten Arbeiten Brennan 2009, Rick 2009, Hensch 2009, Jehne 2009, Ager 2009, Eilers 2009, Eck 2009, die zumindest den Begriff der Diplomatie deutlich an dem Vorkommen von Verhandlungen und Gesandtschaften festmachen, für die byzantinische Zeit in einem Band Franklin/Shepard 1992, Kazhdan 1992, Chrysos 1992, Oikonomides 1992, Scott 1992, Mullett 1992, Haldon 1992, Whitby 1992, Antonopoulos 1992, auch Obolensky 1963, Shepard 1985.
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erklären. Zudem vermengt die klassische Diplomatie Form und Inhalt, die beide für das Altertum wenig bekannt sind, in einer aus heutiger Warte ungewöhnlichen Weise: Die Etikette des diplomatischen Austauschs ist ebenso Teil der Diplomatie wie dessen Inhalt. Dahingehend grenzt sich das Vorgehen in der vorliegenden Studie ebenfalls von der klassischen Diplomatie ab: Die administrative Organisation des römisch-sasanidischen Verhältnisses und die „Etikette“ des diplomatischen Austausches werden nur dann einbezogen, wenn sie eine nachvollziehbare Auswirkung auf das zwischenstaatliche Verhältnis haben, das im Sinne der new diplomacy schließlich als ein bei weitem nicht nur von Diplomaten geprägtes, sondern durch eine Vielzahl verschiedenartiger Maßnahmen modifiziertes Band begriffen werden soll. Die sog. „nuts and bolts“21 des spätantiken diplomatischen Verkehrs zwischen Rom und dem Sasanidenreich sind zudem zu einem großen Teil bereits in der Studie „Embassies – Negotiations – Gifts“22 von Ekaterina Nechaeva untersucht worden; besonders was die Frage nach Geschenken im diplomatischen Austausch angeht, die gemäß den dort zu findenden Ergebnissen im Folgenden nicht behandelt wird. Die Auffassung der vorliegenden Arbeit grenzt sich allerdings auch von dem weiten und konturlosen gegenwärtigen Diplomatiebegriff ab, der sich der Außenpolitik teils bis zur Identität angenähert hat. Eine sowohl die römische als auch die sasanidische Außenpolitik untersuchende Arbeit wäre zum einen schwierig zu strukturieren und uferlos, zum anderen aber auch methodisch problematisch, da die moderne Unterscheidung von Außen- und Innenpolitik in der Antike nicht mit der gleichen Trennschärfe zu fassen ist wie in der Gegenwart.23 Die Abgrenzung des Diplomatiebegriffs von dem der Außenpolitik aber soll an folgendem generellen Strukturmerkmal festgemacht werden: Eine Untersuchung der Außenpolitik ist einseitig, eine der Diplomatie mehrseitig. Außenpolitik lässt sich im weitesten Sinne als eine Einflussnahme eines Gemeinwesens – also politischen Gebildes – jenseits seines Territoriums verstehen; auch in Form einer Stellungnahme gegenüber anderen Gemeinwesen. Die Maß-
21 Auf byzantinische Diplomatie wird diese Wendung bei Franklin/Shepard 1992, vii, angewandt. 22 Nechaeva 2014. Diese Arbeit ist einem klassischen Diplomatieverständnis verpflichtet, das ebd. 20 deutlich wird, wenn es zwar einerseits weit gefasst heißt: „diplomacy as an aggregate of methods, rules and norms which allowed domestic political aims to be fulfilled using alternative means to the military“, andererseits aber: „It is evident that in Antiquity the main components of what we today call diplomacy were embassies, conferences, meetings, receptions, negotiations, treaties, etc.“ Es sind also die Aktivitäten von Diplomaten gemeint und Krieg und Diplomatie werden als Antipole begriffen. Deutlich wird dies besonders bei ebd. 21, da es über Diplomatie heißt: „a general concept which would unite all the forms of foreign policy undertaken by alternative means to the military“. 23 Stallknecht 1967, 5. Laut Woyke 1991, 45, sei diese Trennung, zumindest hinsichtlich politischer Analyse, auch für die Gegenwart überholt.
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nahmen der Außenpolitik zielen darauf, Gegebenheiten außerhalb des eigenen Territoriums gemäß einem Ziel zu verändern.24 Außenpolitik scheitert in dem Moment, da dieses Ziel verfehlt wird. Diplomatie dagegen ist die wechselseitige Modifikation eines zwischen zwei oder mehr Gemeinwesen25 bestehenden Verhältnisses. Diplomatie umfasst Maßnahmen, die gezielt ein zwischenstaatliches Verhältnis zu verändern suchen, indem sie eine Antwort des anderen Staates anstoßen. Diplomatie ist ein System des Gebens und Nehmens, der wechselseitigen Frage und Antwort26 und daher immer mindestens zweiseitig.27 Diplomatie scheitert einzig und allein in dem Moment, da die Gegenseite die an sie herangetragene Kommunikation komplett ablehnt oder schlicht nicht versteht. In allen anderen Fällen findet bereits durch den Anstoß der einen Seite, der eine Reaktion der anderen Seite bewirkt, Diplomatie statt; denn selbst eine Aktion, die eine unerwünschte Reaktion erzeugt und damit das zwischenstaatliche Verhältnis auf unerwünschte Weise modifiziert, modifiziert doch trotzdem das zwischenstaatliche Verhältnis. Nicht nur Menschen, sondern auch die von ihnen gebildeten Gemeinwesen können gemäß eines Axioms der Kommunikationstheorie nicht nichtkommunizieren.28 24 Seidelmann 1989, 50f.; Woycke 1991, 45; Seidelmann 1991, 29f.; Seidelmann 2011, 1. 25 Obwohl der übliche Gegenstandes der klassischen wie modernen Diplomatie Staaten sind, wird in Anbetracht der Gegebenheiten des Altertums im Folgenden der Begriff „Gemeinwesen“ gebraucht. Zur Problematik des Staatsbegriffes siehe S. 14, Anm. 9 der vorliegenden Arbeit; vgl. Haldon 1995, 2; gegen Staatsbegriff im konkreten Fall Sommer 2005, 50. 26 Die Metapher des Dialoges für Diplomatie findet sich auch bei Watson 1983, 14; vgl. Czempiel 1981, 11, da Außenpolitik als Aktion und internationale Politik als Interaktion begriffen wird. 27 Ausführlich wird bei Haftendorn 1986, 216, der Terminus „internationale Politik“ vor dem Hintergrund eines solchen Verständnisses definiert: „Internationale Politik ist die Summe (= Quantität, Qualität, Ursachen, Folgen) von Interaktionsmustern oder Handlungszusammenhängen (= wiederholten und wiederholbaren Aktions- und Reaktionsprozessen), die in verschiedenen politischen, ökonomischen, und gesellschaftlichen Sachbereichen nicht ausschließlich innerhalb eines politischen Systems oder zwischen einem politischen System und seinem sozialen Umfeld, sondern vielmehr zwischen verschiedenen politischen Systemen und/oder verschiedenen sozialen Umfeldern ablaufen.“ Im Anschluss wird angemahnt: „Eine derartige Nominaldefinition bedarf jedoch der Konkretisierung durch Aussagen über die Akteure in der IP (als Träger von Interaktionen), über den Gegenstand von Aktion und Reaktion (d. h. der Inhalte von Interaktionen) sowie über die Ziele und Werte, an denen sich die Akteure mit ihrem Handeln orientieren.“ Siehe auch Watson, 1983, 14; Farer 1992, 1024; vgl. Arnold 1997, 107f.; Varwick 2011, 77; Rosecrance 1968, 187, wobei bei letzteren beiden die Zweiseitigkeit aber nicht als entscheidendes Kriterium herausgehoben wird; Weigall 2002, 70, lässt verschiedenartige zwischenstaatlichen Aktivitäten als Diplomatie gelten, allerdings nur diejenigen, die „fomal“ sind. Interessanterweise wird bei Canepa 2009, 21f., ein zweiseitiges Verständnis auf spätantike Diplomatie zwischen Rom und den Sasaniden angewandt – wenn auch nicht auf Basis definierter Termini oder theoretischer Fundamente – und mit kulturellen Formen, die sich im wechselseitigen Austausch transformieren, parallel gesetzt. Vgl. Güterbock 1906, 5f. 28 Watzlawick/Beavin/Jackson 2017, 58–60.
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Die Modifikationen des (modern gesprochen) zwischenstaatlichen Verhältnisses durch den einen Staat folgen dessen außenpolitische Zielen,29 die des anderen Staates wiederum den eigenen. Es erfordert also die Außenpolitik von mindestens zwei Gemeinwesen, um Diplomatie betreiben zu können.30 Diplomatie ist ein kommunikativer Prozess, der eintritt, wenn die Außenpolitik eines Gemeinwesens auf die eines anderen trifft.31 Alle Handlungen, Gesten, Gespräche, Verhandlungen, Drohungen und sonstigen Maßnahmen, die darauf zielen, das zwischen zwei oder mehr Gemeinwesen bestehende Verhältnis in einem Austausch von Aktion und Reaktion zu modifizieren, gehören zu den Maßnahmen der Diplomatie. Diese können nicht nur von Diplomaten im Sinne der klassischen Diplomatie durchgeführt werden, sondern von einem weit größeren Personenkreis, sofern seine Handlungen genug Tragweite haben, das zwischen den Gemeinwesen wirkende Verhältnis zu beeinflussen und im weitesten Sinne im Dienste eines der betroffenen Gemeinwesen stehen.32 Somit finden sich im Fall Roms und des Sasanidenreiches die diplomatischen Akteure in aller Regel herrschernah und in offiziellen Positionen, aber durchaus nicht in jedem Fall. Dabei ist auch der – an sich selbstverständliche – Umstand zu bedenken, dass es zwischen den Reichen keineswegs nur Konflikte gab, in denen kommuniziert wurde, sondern Fälle von Kooperation ebenfalls in das diplomatische Verhältnis einzubeziehen sind, was aber in Anbetracht der Fülle geschilderter
29 Vgl. Ziring/Plano/Olton 1995, 255; Roberts 2009, 3; Whately 2013, 243. 30 Treffend zu diesem Phänomen, wenn auch bezüglich der modernen Analyse internationaler Politik Seidelmann 2003b, 493: „Die Analyse von Außenpolitik fragt nach Art, Ausmaß und Intensität, nach Zielen und dazu eingesetzten Mitteln sowie nach Bedingungen und Folgen von Aktionen und Reaktionen aus der Sicht des jeweils handelnden Nationalstaates (nationale Sicht). Die Analyse von Internationaler Politik fragt nach der Entwicklung des internationalen Systems und seiner Struktur aus der Sicht des Systems (internationale Sicht). Dies setzt die Analyse des Außenverhaltens der das System konstituierenden Einheiten, internationale Bedürfnisse, internationale Organisationen und Unternehmen, Nationalstaaten, im Allgemeinen als Akteure bezeichnet, voraus.“ 31 Bei Schmidt 1995b, 84f., wird der im Gegensatz zu den Bahnen der Diplomatie oft chaotische Verlauf vielfältiger Außenpolitik herausgestellt. So auch Czempiel 1981, 7, im ersten Satz seiner Studie: „Die internationale Politik ist das letzte Reservat, in dem sich die Akteure unkontrolliert bewegen können.“ Erst internationale Abstimmung und Organisation milderten das, vgl. Seidelmann 2003a, 76; Seidelmann 2003b, 495. Letzteres könnte man dann gemäß dem Verständnis der vorliegenden Arbeit auch als Diplomatie bezeichnen. Im Gegensatz zur Diplomatieanalyse gibt es mehrere konkurrierende Ansätze zur Analyse von Außenpolitik, siehe den knappen Überblick Seidelmann 2011, 3–5, der Forschungsstand sei aber nach wie vor unbefriedigend und kein einzelner Ansatz genüge für eine komplette Analyse. „Eine umfassende außenpolitische Theorie ist […] weder entwickelt noch in Sicht.“ Ebd. 4; vgl. Woyke 1991, 46; Seidelmann 1989, 52. 32 Vgl. Jehne 2009, 148.
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Konflikte und der Knappheit geschilderter Kooperation leicht unterzugehen droht.33 Es soll also für diese Arbeit folgende Definition benutzt werden, die der new diplomacy verpflichtet ist und sich nach zwei Seiten abgrenzt: gegenüber der zu großen Verengung und methodischen Unschärfe des klassischen Diplomatiebegriffs und gegenüber der zu großen Erweiterung ins allgemein Außenpolitische des modernen Diplomatiebegriffs. Sie lautet: Diplomatie ist die wechselseitige Modifikation des zwischen mehreren Gemeinwesen bestehenden Verhältnisses.34 In Anbetracht dessen, dass in der vorliegenden Arbeit das Römische Reich und das Sasanidenreich die beiden Gemeinwesen sind, deren Verhältnis hinsichtlich seiner Strukturen und der es modifizierenden Maßnahmen untersucht werden soll, ließe sich gemäß einer verbreiteten Forschungsdiskussion darüber streiten, ob der Zustand zwischen den Gemeinwesen mit dem Adjektiv „zwischen-staatlich“ zu beschreiben ist, da aber außerhalb des konkreten Falls auch Diplomatie zwischen kleinen Gemeinwesen wie Stämmen und Dörfern vorstellbar ist, die keinesfalls Staaten sind, kann die Definition allgemein bleiben.35 33 Dignas/Winter 2001, 205, 270f.; Wiesehöfer 2005, 108, Börm 2007, 291, Wiesehöfer 2007a, 122; Jackson Bonner 2012, 43; vgl. Winter 1988, 15. Es ist ein bekanntes historiographisches Phänomen, dass Konflikte und Kriege in den Quellen als Ausnahmesituationen und Unterbrechung des geregelten Lebens – die gerade durch ihren Ausnahmecharakter besonders berichtenswert erscheinen – weit ausführlicher dargestellt werden als friedliche Abläufe, Smith 2005, 845; vgl. Melko/Weigel 1981, 131, 183; Phillipson 1911, 167; Maksymiuk 2018, 591. Das schlägt sich auch in der Forschung nieder: „Experts on war in the ancient world are numerous, those on peace are hard to find; the bibliographies differ accordingly.“ Raaflaub 2007, 2. Gilletts Verständnis der spätantiken weströmischen Diplomatie wird vom Krieg bestimmt, Gillett 2003, 5, 9; vgl. Sommer 2005, 67f.; vgl. dagegen Miller 1970, 56; Woolf 1993, 172. 34 Es versteht sich, dass antike Menschen andere Vorstellungen von „zwischenstaatlichen“ Beziehungen hatten. Die hier definierten Ideen zu Diplomatie und Außenpolitik sind bloße Kriterien zur Analyse der in den Quellen geschilderten Verhältnisse, vgl. Isaac 1989, 231. Es lässt sich kein antikes Wort nachweisen, dass dem modernen „Diplomatie“, im engen oder weiteren Sinne, entspricht, Gillett 2003, 4. Die Frage nach einem spätantiken Diplomatiekonzept stellt Nechaeva 2014, 20f., sucht dabei aber eine Widerspiegelung eines modernen, klassischen Diplomatiebegriffs in den Quellen und kommt bei ebd. 21 zu dem Fazit: „It seems possible to suppose that in the period of Late Antiquity a general concept which would unite all the forms of foreign policy undertaken by alternative means to the military had not yet been found. Thus one faces a certain paradox – in this epoch diplomacy evidently existed, since it was quite developed and complete, but the term and the notion were lacking, hence the final, definitive perception did not occur.“ 35 Vgl. Stallknecht 1967, 5, bezüglich der römischen Außenpolitik: „Unter Außenpolitik versteht man heute ‚die Gestaltung der Beziehungen eines Staates zu anderen Staaten‘. Wenn man diese Definition auf bestimmte Handlungen des römischen Reiches anwenden will, stößt man sofort auf die ersten Schwierigkeiten. Im Unterschied zu heute vollzog sich nämlich damals der internationale Verkehr nicht nur zwischen politischen Gebilden, die man als Staaten bezeichnen kann. Partner Roms waren auch Städte oder Stämme, denen ein staatlicher Charakter fehlte. Wir müssen also die oben angeführte Definition insoweit ändern, daß wir das
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2 Diplomatie und Außenpolitik
Diese Schärfung des Diplomatiebegriffes macht die selbst in der Politikwissenschaft vielgestaltige und wenig trennscharfe Diplomatie zu einem jenseits der allgemeinen Untersuchung der Außenpolitik eines Staates und dem engen Rahmen der klassischen Diplomatiegeschichte untersuchenswerten und untersuchungsfähigen Gegenstand auch für die Alte Geschichte. Mit dem durch die new diplomacy eingetretenen veränderten Blickwinkel auf zwischenstaatliche Beziehungen und ihr Funktionieren können auch die römisch-persischen Beziehungen aus einer anderen Perspektive untersucht und somit Aspekte erforscht werden, auf die bisher, bedingt durch andere theoretische Grundlagen und Herangehensweisen, der Blick verstellt war.
Wort Staat durch den weiteren Begriff ‚selbständige politische Gebilde‘ ersetzen.“ Stallknecht legt im Folgenden Wert auf das Attribut „selbstständig“, da es sonst keine Außenpolitik geben könne. Bezüglich der Diplomatie ist die Lage dahingehend aber weitaus komplexer.
3 FORSCHUNGSLAGE Die Zahl der Arbeiten zu einzelnen Themen des spätantiken Rom und sasanidischen Persien ist Legion. Es fällt aber auf, dass es trotz des heuristischen Wertes der vorgestellten Definition bis dato keine althistorischen Studien gibt, welche einem solchen Diplomatieverständnis verpflichtet sind. Studien zu byzantinischer Diplomatie,1 besonders der hier relevanten frühbyzantinischen, sind ungeachtet des vertretenen Ansatzes rar.2 Ein Überblick über die Forschungsgeschichte zu Rom und dem Sasanidenreich in der Spätantike ermöglicht einen Einblick in die Gründe, die solche Arbeiten ein Desiderat bleiben ließen. Offenkundig war es den Altertumswissenschaftlern des 19. Jahrhunderts, die in vielen Bereichen für die Forschung der Gegenwart grundlegend und richtungsweisend sind, nicht möglich, ein weites Diplomatieverständnis anzuwenden, da dies in ihrer Gegenwart keine Begründung gefunden hatte und keine Diplomatietheorie vorhanden war, auf die sich hätte aufbauen lassen. Sie lebten in der Zeit der klassischen Diplomatie und des damit einhergehenden klassischen Diplomatieverständnisses. Im 20. Jahrhundert ermangelte es damit der Grundlagen, zumal die new diplomacy – wie bereits erwähnt – keine politikwissenschaftliche Diplomatietheorie und keine neue Form der Diplomatiegeschichtsschreibung nach sich zog, die für die Alte Geschichte hätte richtungsweisend sein können. Die Vernachlässigung der byzantinischen Welt gegenüber der Antike ist ein weithin bekanntes Phänomen der Forschung bis ins 20. Jahrhundert, das ebenfalls zu einem Mangel entsprechender Forschung beigetragen hat. In Anbetracht des offenkundigen Quellenmangels für die Abfassung einer klassischen Diplomatiegeschichte des Altertums konnte sich im Rahmen des engen Diplomatiebegriffs keine umfassende Forschung entwickeln, wenn auch etliche Studien Ansätze in diese Richtung zeigen. So ist, um auffällige Beispiele zu nennen, an Karl Güterbocks Klassiker von 1906 mit dem Titel „Byzanz und Persien in ihren diplomatisch-völkerrechtlichen Beziehungen im Zeitalter Justinians. Ein Beitrag zur Geschichte des Völker1
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In der vorliegenden Arbeit wird in der Regel vom Römisches Reich, den Römern und entsprechend auch der römisch-persischer Diplomatie geschrieben. In der bisherigen Forschung findet sich häufiger die Bezeichnung als byzantinische Diplomatie, die aber durchaus negative Assoziationen mit sich bringt, siehe S. 11, Anm. 1 der vorliegenden Arbeit. Börm 2007, 154; Franklin/Shepard 1992, vii. Bei Kazhdan 1992, 3, wird die zeitliche Länge dieses Phänomens deutlich; vgl. Obolensky 1963, 45; Pohl 1992, 175. Kazhdan thematisiert auch den erheblichen Umfang dieses Gebiets, wobei er sich bereits überwiegend auf die Technik internationaler Verständigung beschränkt, Kazhdan 1992, 5–7. Chrysos 1992, 39: „Perhaps the time has come for a systematic presentation of Byzantine diplomacy in the form of a monograph.“
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3 Forschungslage
rechts“ zu denken, in dem einzelne diplomatische Akte im Sinne der traditionellen Diplomatie hinsichtlich ihrer Strukturen untersucht werden, die Quellen aber unzureichend kritisiert und veraltete Forschungsannahmen bestimmend sind. Hauptsächlich mit traditioneller Diplomatie beschäftigt sich der mit einem großen Nachweisapparat und einem Katalog diplomatischer römischer Angelegenheiten versehene Aufsatz „Untersuchungen über den auswärtigen diplomatischen Verkehr des römischen Reiches im Zeitalter der Spätantike“ von Rudolf Helm aus dem Jahr 1932. Im Wesentlichen mit außenpolitischen Formalien und dem Institut des foedus befasst sich „Untersuchungen zur römischen Außenpolitik in der Spätantike (306–395 n. Chr.)“ von Bernt Stallknecht aus dem Jahr 1967; auf äußerliche und administrative Rahmenbedingungen, wenn auch für einen weit größeren Zeitraum, war bereits die Dissertation „Studies in Byzantine Diplomacy. Sixth to Tenth Centuries“ von Dean Miller aus dem Jahr 1963 angelegt, wenngleich darin auch die Methoden von Diplomaten eine gewisse Rolle spielen. Diese Arbeiten der älteren Forschung haben nicht nur den lange Zeit üblichen engen Diplomatiebegriff gemeinsam, sondern auch eine recht starke Fixierung auf außenpolitische Formalien und administrative Organisation sowie die institutionellen Abläufe des diplomatischen Verkehrs. Der eigentliche Inhalt der Diplomatie ist weit weniger Gegenstand.3 Mit der Blüte der Spätantike-Forschung seit den 1980iger Jahren tritt diese Epoche verstärkt ins Blickfeld der Alten Geschichte, was zu neuen Arbeiten über spätantike Diplomatie und zwischenstaatliche Verhältnisse führte, nicht aber zu einer neuen Durchleuchtung des Inhaltes der Diplomatie. So definiert Roger Blockley Diplomatie in seiner Monographie „East Roman Foreign Policy. Formation and Conduct from Diocletian to Anastasius“ aus dem Jahr 1992 in zweierlei Hinsicht: „,direct communication‚ state to state,‘ comprehending all forms of activity throughout antiquity which can be broadly termed ‚diplomatic‘“ und „the art of managing the intercourse and adjusting the relations of states by negotiations“,4 wobei letztere Definition besser auf die Diplomatie passe, die im 4. und 5.
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Umgekehrt wird bei Franklin/Shepard 1992, vii, beklagt, das in dem Sammelband über (ganz überwiegend spätere) byzantinische Diplomatie, dessen Herausgeber sie sind, nicht mehr „nuts and bolts“ thematisiert werden konnten, diese seien im Band verstreut. Diese bis zur Gleichstellung reichende Erhöhung der Form gegenüber dem Inhalt zwischenstaatlicher Beziehungen ist eine Folge des klassischen Diplomatieverständnisses. Im gleichen Band geht Kazhdan 1992, 6, aufgrund mangelnder methodischer Reflexion zu Außenpolitik und Diplomatie so weit, die Form bei der Untersuchung über den Inhalt zu stellen; vgl. den Ansatz bei Lee 2008; vgl. Missiou-Ladi 1987, 336, FN 2, für eine solche Anschauung bezüglich der griechischen Poliswelt. Eine Monographie zu spätantiker, aber nicht römisch-persischer Diplomatie, in der ebenfalls die Form breiten Raum einnimmt, ist Becker 2013, da römischbarbarische Beziehungen im Westen des 5. Jahrhunderts untersucht werden. Auch die Monographie Schulz 1993 zur Entwicklung des römischen Völkerrechts im 4. und 5. Jahrhundert geht in diese Richtung. Blockley 1992, 1; vgl. 151.
3 Forschungslage
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Jahrhundert entstanden sei. Die Studie ist also in jedem Fall einem klassischen Diplomatieverständnis verpflichtet. Die neueren Forschungen zur Spätantike rücken auch verstärkt die Untersuchung von Einzelaspekten in den Vordergrund, so zahlreiche Studien Geoffrey Greatrexʼ oder „Prokop und die Perser“ von Henning Börm aus dem Jahr 2007, in dem die spätrömisch-persischen Verhältnisse letztlich in Form eines thematisch geordneten Kommentars zu Prokops Werk dargestellt werden; der 2009 erschienene Band „The two eyes of the Earth. Art and ritual of kingship between Rome and Sasanian Iran“ von Matthew Canepa, der sich mit Fragen der Repräsentation im römisch-persischen Verhältnis unter Beachtung der gegenseitigen Kooperation beschäftigt; die Studie „Information and frontiers. Roman foreign relations in late antiquity“ von Alan Douglas Lee aus dem Jahr 1993, in welcher römische Informationsbeschaffung im Mittelpunkt steht; mit dem arabischen Grenzraum befassen sich in neuerer Zeit z. B. das 2011 erschienene Werk „Between Empires. Arabs, Romans and Sasanians in Late Antiquity“ von Greg Fisher sowie die Studien von Irfan Shahîd.5 Daneben weisen aber auch Bücher, welche die Themen der vorliegenden Arbeit geradezu im Titel zu führen scheinen, in eine ganz andere Richtung, so z. B. die Arbeit „Roma e lʼoriente. Strategia, economia, società e cultura nelle relazioni politiche fra Roma, la Giudea e lʼIran“ von Maria Gabriella Bertinelli Angeli aus dem Jahr 1979, welche die Spätantike nur sehr knapp behandelt, die Quellensammlung „Rom und das Perserreich. Zwei Weltmächte zwischen Konfrontation und Koexistenz“ von Beate Dignas und Engelbert Winter aus dem Jahr 2001 (2007 in englischer Sprache als „Rome and Persia in Late Antquity“ erschienen, mehrere Auflagen), der von Stylianos Lampakis herausgegebene Sammelband „Byzantine Diplomacy. A Seminar“ von 2007, der nur knapp und über einen weit längeren Zeitraum den engen Diplomatiebegriff anwendet und die 2009 erschienene essayistische Arbeit „The Grand Strategy of the Byzantine Empire“ von Edward Luttwak, die Belege aus den verschiedenen Jahrhunderten des Byzantinischen Reiches im Rahmen der Argumentation unvermittelt nebeneinander setzt.6 Die aktuelle Monographie zu spätantiker Diplomatie schließlich, „Embassies – Negotiations – Gifts. Systems of East Roman Diplomacy in Late Antiquity“ von Ekaterina Nechaeva aus dem Jahr 2014, ist in gewissem Sinn ein Gegenstück zur vorliegenden Arbeit, da sie die traditionelle Diplomatie über Gesandte hinsichtlich des „wie“, also ihrer organisatorischen Strukturen, untersucht, die vorlie5 6
Vgl. zum Thema auch die Arbeiten Devreesse 1942, Pigulevskaja 1960, Sartre 1982, Graf 1989, Casey 1996, Potts 2010a, Bowersock 2012. Man denke auch an den Titel Lounghis 1989: „Ambassadors, Embassies and Administrative Changes in the Eastern Roman Empire Prior to the Reconquista“, der nur oströmischwestliche Kontakte untersucht. Luttwaks Dissertation „Force and Diplomacy in Roman Strategies of Imperial Security“ von 1975 ist zwar klarer geordnet, hat aber ihren Fokus auf der frühen und hohen Kaiserzeit. Allgemein zu einer „grand strategy“ und zugehöriger Literatur siehe Whately 2013, 239f.
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gende aber die Diplomatie in verändertem Sinne hinsichtlich des „warum“, also ihrer Inhalte und der Schlüsse, die sich aus diesen ziehen lassen. Dies ändert nichts an der Qualität und Bedeutung der Arbeit Nechaevas. Die als Beispiele aufgelisteten Arbeiten haben bis heute – trotz der Blüte einer vielseitigen Spätantike-Forschung – gemeinsam, dass der Fokus nach wie vor auf der formalen Seite eines eng gefassten Diplomatiebegriffs liegt. Schon eine tiefergehende Betrachtung des Inhaltes der klassischen Diplomatie ist ein Desiderat, umso mehr unter Benutzung eines weiteren Diplomatiebegriffes im Sinne der new diplomacy.7 Es kommt in der Forschung hinzu, dass in der Regel die römische Seite als Ansatzpunkt zur Untersuchung des römisch-persischen Verhältnisses gewählt wird, was quellenbedingt zwar nachvollziehbar ist – und auch im Folgenden nicht anders gehandhabt werden kann – aber reflektiert werden muss, da immer die Gefahr besteht, den Blickwinkel der römischen Quellen zum eigenen und damit maßgeblichen zu machen und die unerlässliche andere Seite des Ganzen, die sasanidische, aus den Augen zu verlieren. Es gilt daher, besonders um eine Betrachtung auch der sasanidischen Seite bemüht zu sein, da eine Untersuchung der zwangsläufig zweiseitigen Diplomatie sonst zu einer bloßen Beschäftigung mit römischer Außenpolitik zu werden droht.8
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Noch allgemeiner Wiesehöfer 2007a, 124: „So far, scholars have paid little attention to the history of relations between the Sasanian Empire and the Mediterranean world.“ Wiesehöfer 2005, 105; Wiesehöfer 2006, 10–13; Wiesehöfer 2007a, 121, 124; Ball 2017, 151–153, 170, 173; vgl. Wiesehöfer 1983, 437f.; Winter 1988, 15; Ball 2011, 1–3. Das schlägt sich auch in Termini nieder: Es ist eine Ausnahme, dass Hofmann 1877 die „Römerkriege Kobadʼs I“ im Titel führt und bei Schippmann 1990, 19, der Ausdruck „Römerkrieg“ (wenn auch nur in Anführungszeichen) immerhin benutzt wird, denn in der Regel wird von „Perserkriegen“ geschrieben, wenn die Kriege zwischen Rom und dem Sasanidenreich thematisiert werden. Aus persischer Sicht waren es in der Tat Römerkriege.
4 VORGEHEN Neben der auffälligen Fokussierung der Forschung auf einen engen Diplomatiebegriff, auf organisatorische und administrative Elemente der zwischenstaatlichen Kommunikation oder auf die Untersuchung der Außenpolitik nur einer Seite ist es auch die zumeist übliche Methodik der Forschung, die sich von jener unterscheidet, die in den folgenden Kapiteln genutzt werden soll und, bedingt durch den andersartigen Forschungsansatz, genutzt werden muss. Das römisch-sasanidische Verhältnis hinterlässt bei der Lektüre der literarischen Quellen einen einigermaßen ungeordneten und spontanen Eindruck. Außenpolitik und Konfliktbewältigung erscheinen in der Regel kurzfristig oder geradezu improvisiert, langfristige Entwicklungen oft unklar und während die häufigen militärische Vorgänge in ihren Motiven meist schwer nachzuvollziehen sind, kommt es dann wieder zu teils auffallend langfristigen und stabilen Friedensschlüssen. Einzelne Elemente und Hintergründe der außenpolitisch-diplomatischen Handlungen sind dabei nicht nur undurchsichtig, sondern geradezu befremdlich und unverständlich. Wissenschaftliche Darstellungen zu Römern und Persern in der Spätantike behalten nun in der Regel die Ordnung der Geschehnisse bei, wie sie sich in den Quellen darstellt und folgen somit einer chronologischen Abfolge. Für eine Vielzahl von Untersuchungsansätzen ist dieses Vorgehen völlig legitim und methodisch solide fundiert. Es ist allerdings kein geeignetes Ordnungsmuster, um die das Verhältnis der Reiche prägende Strukturen und diplomatische Methoden über einen etwa zweihundertjährigen Zeitraum zu untersuchen. Ein chronologischer Aufbau läuft bei der Analyse der äußerst vielgestaltigen Kommunikation zwischen Imperium und Sasanidenreich Gefahr, Geschehnisse, die inhaltlich wenig miteinander zu tun haben, in unmittelbare räumliche und inhaltliche Nähe zueinander zu setzen – denn die in den Quellen präsentierte chronologische Abfolge von Ereignisse löst die Erwartung aus, dass in vielen Fällen das Frühere Ursache des Späteren sein muss, da bei der Lektüre erzählender (ob fiktionaler oder nichtfiktionaler) Werke mehr oder weniger unbewusst eine nach Ursache und Wirkung aufgebaute Darstellung erwartet wird. Bei einer solchen Darstellung der Beziehungen und Handlungen zwischen den Reichen bleibt aber kein Raum für den Versuch, zu erklären, warum gerade die Abläufe geschehen, die geschehen und worin ähnliche Ereignisse und Strategien miteinander verbunden sind. Es fehlt nötiger Raum für Reflexionen der Details und ihrer Verhältnisse. Der systematischen Erforschung der politischen Strategien steht entgegen, dass die Konflikte nicht thematisch sortiert werden können, da die Chronologie die Reihenfolge angibt. Der systematischen Erforschung der Methoden der Diplomaten und der anderen Akteure im Angesicht der Konflikte, um die
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4 Vorgehen
politischen Maßgaben durchzusetzen, steht ebenfalls der chronologische Ablauf entgegen. Darin ist der einer der Hauptgründe zu sehen, dass es in der Literatur bis dato kaum Forschung im Sinne der new diplomacy gibt: der hergebrachte und durch die Quellen legitimierte chronologische Aufbau steht dem entgegen. Er verstellt gewissermaßen die Sicht auf die Aspekte, welche es gemäß der new diplomacy zu untersuchen gilt.1 Wenn die Verhältnisse zwischen den Reichen untersucht werden, so handelt es sich zumeist im Grunde um eine Abfolge synchroner Einzeluntersuchungen: Es wird ein in den Quellen geschilderter Konflikt in seiner Zeit mit seinen verschiedenen politischen, wirtschaftlichen und anderen Aspekten betrachtet, dann der chronologisch nächste in seinem historischen Kontext mit seinen Aspekten. Dabei kann der Fokus zwangsläufig nicht darauf liegen, dass vielleicht die wirtschaftlichen Themen eines Konfliktes mit den politischen Themen desselben weniger zu tun haben als mit den wirtschaftlichen Themen eines anderen Konfliktes Jahrzehnte später. Die einzelnen Konflikt- und Kontaktfelder im Laufe der Geschichte könnten größere Kontinuitäten und Entwicklungslinien deutlich werden lassen und damit andersartige Ergebnisse bieten, als ein Vergleich der gesamten Konflikte im zeitlichen Ablauf. Daher soll in der vorliegenden Arbeit weit mehr diachron vorgegangen werden. Die Frage, wie das römisch-persische Verhältnis beschaffen und mit welchen Methoden es wie modifiziert wurde, wird damit für eine angemessene Untersuchung von der Chronologie gelöst und in zwei Aspekte aufgeteilt, da nicht beide zugleich betrachtet werden können. Dies spiegelt sich in den zwei Hauptteilen wider: Der erste stellt Strukturmerkmale des Verhältnisses zwischen den Reichen in den Mittelpunkt. Er untersucht somit, wie dieses Verhältnis im Untersuchungszeitraum beschaffen war. Der zweite stellt die einzelnen diplomatischen Methoden zur Modifikation des durch die Strukturmerkmale des ersten Teils geprägten und definierten Verhältnisses in den Mittelpunkt. Es werden die Hintergründe dieser Methoden, also ihre Bedeutung, beleuchtet.
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Dieser Ordnungsprinzipien wegen führen bereits zwei Standardwerke zum Thema, „East Roman Foreign Policy“ von Roger Blockley und „Römer und Perser“ von Karin Mosig-Walburg, in eine grundlegend andere Richtung als die vorliegende Arbeit und sind so angelegt, dass die darin behandelten Fragen nicht untersucht werden können. Das mindert in keiner Weise den Wert dieser profunden Werke, es ist nur eine strukturelle Beobachtung.
5 QUELLENLAGE Nach einer Beleuchtung der Forschungslage und einer methodischen Reflexion derselben ist nun die Quellenlage der Ansatzpunkt, um inhaltlich in das römischsasanidische Verhältnis einzudringen. Während die Anwendung des breiten Diplomatieverständnisses der new diplomacy – mit dem Augenmerk auf dem Zusammenwirken der vielen römischen und sasanidischen Aktionen im Sinne der Beeinflussung des Verhältnisses zwischen den Mächten – auf eine Fragestellung der Spätantike die theoretische Basis bildet, so ist das literarische Quellenmaterial die Grundlage der Untersuchung. Generell gilt es zu beachten, dass in Anbetracht des vorliegenden Themas archäologische und andere nichtschriftliche Quellen weit weniger herangezogen werden können als Texte, da sie schlichtweg keine Auskunft über die römische oder sasanidische Auffassung diplomatischer Fragestellungen bieten. Zur Erklärung mancher Stellen in den literarischen Quellen sind sie aber selbstverständlich geeignet, so im Dienste des Überblicks über die Lage von Städten, Befestigungen und anderen entscheidenden Punkten der historischen Geographie, die in Texten erwähnt werden. Gerade bei der Betrachtung des römisch-persischen Grenzraums sind geographische Gegebenheiten bedeutsam, da sie einen andersartigen Zugang zu den oftmals für das große Ganze bedeutenden lokalen Variablen bieten, mit denen die römischen und sasanidischen Herrscher in der gegenseitigen Auseinandersetzung operieren mussten. Generell bringt die Untersuchung der Thematik des römisch-sasanidischen Verhältnissen, wie jede Thematik, individuelle Probleme mit sich. Auf römischer Seite ist die rein quantitative und die Fülle ihres Inhalts betreffende Quellenlage für das 6. Jahrhundert im Vergleich zu anderen Epochen der Alten Geschichte geradezu hervorragend1 – man denke allen voran an die Werke des Prokop von Kaisareia, Agathias von Myrina und Menander Protektor – für das späte 4. und 5. Jahrhundert gibt es jedoch keine durchgängige politische Geschichtserzählung, so dass es sich auf eine Spurensuche zu begeben gilt, bei der ganz verschiedene und in ihrem ursprünglichen Kontext beiläufige Stellen im griechischen und lateinischen Schrifttum der Zeit von großer Bedeutung sein können, von den fragmentarischen Profanhistorikern, über die Kirchenhistoriker bis zu Werken, die an sich 1
Dies spiegelt sich auch in der Rolle der römischen Quellen für die Erforschung des Sasanidenreiches wider: „The importance of studies in Roman history and historiography for the history of the Sasanian empire cannot be overemphasized.“ Shayegan 2003, 369; vgl. Frye 1984, 287; Winter 1988, 15. Zur selektiven diplomatischen Überlieferung jenseits der Quellenlage, also der Neigung der Quellenautoren, vor allem über große und einschneidende diplomatische Vorgänge, nicht aber die „alltägliche“ Kommunikation zu berichten, vgl. Chrysos 1992, 32.
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5 Quellenlage
kein historisches Erkenntnisinteresse haben, aber doch Informationen über relevante Themen enthalten. Unabhängig von der unterschiedlichen Quellenlage innerhalb des Untersuchungszeitraumes fällt auf, dass die antiken Autoren in der Regel nicht gesondert hinsichtlich ihres Verhältnisses zu diplomatischen Geschehnissen untersucht wurden,2 in eben diesem Verhältnis aber sehr verschieden und von verschiedenen Einflüssen geprägt sind, die es individuell aufzudecken gilt. Die Rolle von Topoi bei der Wahrnehmung und Schilderung der jeweils anderen Seite, besonders der toposhaften Sicht der römischen Autoren auf die Sasaniden, ist zu beachten.3 Auf sasanidischer Seite bestehen für die behandelte Zeit nur wenige dokumentarische Quellen – Siegel und Felsreliefs sind verfügbar, aber im Gegensatz zu den schriftlichen Quellen für die Fragestellung weit weniger verwendbar und höchstens punktuell heranzuziehen – und die literarischen Quellen, sei es die Xwadāynāmag-Tradition oder andere Schriften wie etwa der Tansarbrief oder das Testament Ardaschirs, bringen eigene Herausforderungen mit sich.4 Denkt man an die Übermittlung sasanidischer Geschehnisse bei den syrischen Schriftstellern wie etwa Pseudo-Josua Stylites, Johannes von Ephesos, Pseudo-Dionysius von TelMahre oder den Verfassern von Märtyrerakten und diversen Chroniken, so ist deren Perspektive auf die Sasaniden oft ein tendenziöser Blick auf die Verfolger des christlichen Glaubens. Bezüglich der offiziellen sasanidischen Hofhistoriographie und Propaganda liegt eine gebrochene Tradition vor. So spiegelt sich die Tradition des Königsbuches, des Xwadāynāmag, vor allem bei at-Tabari, es ist aber zum einen festzustellen, dass sich an derartige offiziöse Hofdarstellungen nicht historiographische Maßstäbe anlegen lassen5 und zum anderen, dass die Jahrhunderte später schreibenden arabisch-persischen Historiker die gelesenen Geschehnisse aus alter Zeit unzureichend verstanden und übermittelt haben könnten.6 2
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Malalas und der Diplomatie wurde bereits ein Aufsatz gewidmet, Scott 1992, wenngleich auch dieser nur das Augenmerk auf das Potential der Quelle im Bezug auf die Diplomatie lenken will. Zur Trennung solcher Topoi von der historischen Realität sei auf die Arbeit Börm 2007 verwiesen. Bei Fisher 2011a, 29, Anm. 79, werden die Quellen zur sasanidischen Geschichte schlicht mit „very rare“ charakterisiert, vgl. Jackson Bonner 2012, 42. Bei Wiesehöfer 1994a, 206, wird angemerkt: „Die reichlicher als etwa für das Arsakidenreich fließenden ‚Quellen‘ dürfen uns allerdings nicht dazu verleiten, alle Überlieferung gleich welcher Herkunft und welchen Alters, wie in einem Puzzle zusammenzufügen, um ein Bild des sāsānidischen Iran zu zeichnen. Ein solches Vorgehen bekäme Veränderungen und Entwicklungen nicht in den Blick und vernachlässigte allzusehr die je spezifischen Umstände und Entstehung der Zeugnisse und die Motive ihrer ‚Schöpfer‘ oder Auftraggeber.“ Vgl. Abkaʻi-Khavari 2000, 12; Jackson Bonner 2015, 276–279. Zum Königsbuch siehe auf Anhang 2 der vorliegenden Arbeit. Cameron 1969/70, 69; Whitby 1992, 230; Börm 2007, 67; Börm 2008, 425; Daryaee 2009, xvii–xix; Jackson Bonner 2012, 42; Miri 2012, 20f.; Kreyenbroek 2013, 24; Robin 2014, 34; vgl. Rothstein 1899, 5–10. Bezüglich der frühen Überlieferung ist der vorislamischen irani-
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Die armenischen schriftlichen Quellen wie das Buzandaran Patmutʼiwnk‘, Agathangelos, Moses Chorenatsi, Elishe, Lazar Parpetsi, Sebeos oder Moses Dasxuranci wiederum bieten zwar einzigartige Informationen über Grenzverhältnisse und den kaukasischen Raum, aber auch spezielle Probleme hinsichtlich ihrer Tendenz und vor allem Geschichtstradition.7 Im Hinblick auf die Schwierigkeiten bei der Benutzung der Quellen zum Sasanidenreich existiert ein iranistischer Ansatz, demgemäß sich alle schriftlichen Quellen, abhängig von ihrer zeitlichen und sprachlichen Nähe zu den Ereignissen, über die sie Aussagen treffen, in verschiedene Stufen der Glaubwürdigkeit und Relevanz einteilen lassen.8 Dies ist zumindest in der vorliegenden Studie nicht anwendbar. Unabhängig von den verschiedenen Quellensprachen9 und unterschiedlichen kulturellen Hintergründen wie auch Überlieferungswegen ist jede Quelle individuell dahingehend zu betrachten, was sie für die jeweils behandelte Fragestellung leisten kann. Gerade bei einem Thema, das mit derartig verschiedenen Quellengattungen aus verschiedenen Zeiten arbeiten muss, ist die Quellenkritik von größter Wichtigkeit. Es gilt zu berücksichtigen, in welcher Tradition eine Quelle steht, welche Stereotypen bedient werden, was der Autor wissen konnte und vor allem, was genau er sein Publikum wissen lassen will – worin also seine Aussageabsicht besteht, in deren Dienst er seine Arbeit stellt. Solche Elemente sind zudem entscheidend, wenn es darum geht, in Anbetracht zweier überlieferter Varianten eines Ereignisses oder Zustands der einen eine höhere Wahrscheinlichkeit als der anderen zuzumessen. Es wäre ein äußerst kühnes Vorgehen, gemäß dem iranistischen Ansatz einer Quelle als ganzer eine Wertigkeit zuzuweisen, wenn sich nicht sagen lässt, auf welchen diversen Quellen die in ihr enthaltenen Einzelinformationen wiederum fußen. So kann mancher Bestandteil eines Textes
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schen Gesellschaft sogar schon eine gewisse Skepsis gegenüber der Schriftlichkeit an sich nachgesagt worden, was durchaus nachvollziehbar ist, Huyse 2008, 142; vgl. Ball 2011, 144. Zur arabischsprachigen Überlieferung hinsichtlich „arabischer“ Akteure der Spätantike Millar 2010, 220: „Inevitably, given the lapse of centuries before their composition, and the revolution in culture brought about by the victory of Islam, what is recorded in these works regarding the pre-Islamic history of the ‚Arabs‘ would have to be analysed and critically assessed in the same way as Livy on early Rome, or the Venerable Bede or Geoffrey of Monmouth on early British history.“ Garsoïan 1971, 342–345; Frye 1984, 287f.; beispielhaft wird das Werk Buzandaran Patmutʼiwnk‘ (früher fälschlich „Pʼavstos Buzand“ oder „Faustus von Byzanz“ genannt) bei Baynes 1910 für das 4. Jahrhundert behandelt. Das Konzept wurde in der Arbeit Gignoux 1979 begründet. Siehe auch Canepa 2009, xvii. Es handelt sich wahrscheinlich um eine Reaktion auf die lange Zeit nicht in gleicher Art wie in der Alten Geschichte übliche Quellenkritik der Altiranistik, vgl. Wiesehöfer 1993, 363f. Wiesehöfer beschäftigt sich im Laufe dieser Arbeit kritisch mit den einzelnen Facetten des Systems Gignouxʼ. Siehe auch Wiesehöfer 1994a, 206f. Shayegan 2003, 365, erkennt Gignouxʼ Einteilung an, merkt aber an, dass eine individuelle Quellenkritik nötig ist. Bei Kreyenbroek 2013, 20–24, werden Quellen für den Zoroastrismus ebenfalls nach Kategorien geordnet, aber nicht verallgemeinernd beurteilt. Syrische, arabische und armenische Quellen wurden durch Übersetzungen konsultiert.
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der Fantasie des Autors entsprungen sein, ein anderer aber auf einem soliden Quellenfundament ruhen, zumal zusätzlich noch an Veränderungen bei der Überlieferung eines Textes zu denken ist. Methodisch soll im Rahmen der Quellenkritik besonders die Andersartigkeit antiker Kulturen und der unterschiedliche kulturelle Hintergrund nicht nur der Autoren, sondern auch der historischen Akteure einerseits im Vergleich mit Akteuren anderer Kulturkreise und andererseits mit dem Rezipienten der Gegenwart berücksichtigt werden.10 Die Handlungsweisen gerade der sasanidischen Könige erscheinen zuweilen rätselhaft11 und in ihren vollen Implikationen und ihrem Symbolgehalt unklar. Dahingehend ist auch eine Beachtung religiöser Hintergründe notwendig. Generell sollen in Anbetracht der im Folgenden vorzunehmenden zeitlichen Eingrenzung, die darüber begründet wird, dass im Untersuchungszeitraum ein bestimmtes Faktorenbündel das diplomatische Verhältnis der beiden Mächte geradezu als Selbstverständlichkeit bestimmte und die diplomatischen Akteure prägte, in dieser Zusammensetzung aber weder zuvor noch danach wirksam war, ganz überwiegend Quellen genutzt werden, die selbst diesem Untersuchungszeitraum entstammen und deren Reflexion über Diplomatie entsprechend von diesem Faktorenbündel ihrer Entstehungszeit geprägt war. Spätere Quellen bringen die Gefahr mit sich, dass die Autoren von den Paradigmen und Grundannahmen der Diplomatie ihrer eigenen Zeit bestimmt waren, die sich aber von denen des Untersuchungszeitraumes unterschieden, so dass sie falsche Ansätze in die Erklärung der historischen Geschehnisse zu tragen drohen. Ähnlich verhält es sich mit früheren Quellen, die einer diplomatische Epoche vor dem Beginn des Untersuchungszeitraumes entstammen: die aus ihnen erkennbaren Hintergründe der Diplomatie lassen sich nicht eins zu eins auf den späteren und von anderen Faktoren geprägten Untersuchungszeitraum übertragen. Dies gilt auch für bildliche, materielle und epigraphische Hinterlassenschaften – wie etwa die Reliefs des Galeriusbogens oder die Res Gestae Divi Saporis – die selbst nur Paradigmen ihrer Entstehungs-
10 Daher ist auch das Bild des jeweiligen Gegenübers mitsamt seinen Klischees und den von Autor zu Autor wechselnden Darstellungsabsichten in der Arbeit von Bedeutung, darf aber nicht mit der Realität gleichgesetzt werden, vgl. die Arbeiten Drijvers 2011, McDonough 2011b für die römische Seite. 11 Prokops Werk ist angefüllt mit derartigen Phänomenen, die in der vorliegenden Arbeit immer wieder eine Rolle spielen. Bahram wird mitsamt einem Heer von dem einzelnen Anatolius in Sachen Ehre überwältigt und kehrt um, Bell. 1,2,11–15, Peroz I. begeht „Betrug“ an den Hephthaliten durch Verneigen vor der Sonne, ebd.1,3,17–22, etc. Es ist nicht nur die Archäologie der Perserkriege, in der man Prokop eine besondere Aussageabsicht mit solchen Episoden unterstellen könnte, sondern ein das Werk durchziehender Komplex. Man denke an die Gründung eines neuen Antiochien durch Chosrau I., ebd. 2,14,1–4. in Apameia „spielt“ Chosrau den Kaiser, nimmt dessen Rolle im Hippodrom ein und verhält sich aus heutiger Sicht geradezu kindisch, ebd. 2,11,31–35. Bei Seleukeia begibt er sich ins Meer, ebd. 2,11,1. Siehe dazu besonders Kapitel 18.3 der vorliegenden Arbeit.
5 Quellenlage
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zeit spiegeln können und deren Interpretation schließlich auch von den Kenntnissen abhängt, die sich aus literarischen Quellen gewinnen lassen.
6 ZEITLICHE EINGRENZUNG Epochengrenzen sind (selbstverständlich) heuristische Werkzeuge und lassen sich als solche in vielerlei Hinsicht fruchtbar machen. Besonders in der europäischen Ereignis- und Geistesgeschichte, für die das konventionelle Epochenmodell entwickelt wurde, können diese den Blick auf Transformationsprozesse schärfen, wie sie nicht zuletzt der Begriff der Spätantike beschreibt. Wenn allerdings ein Thema behandelt wird, das sich weder räumlich noch thematisch in diese Strukturen einpassen lässt, so können die etablierten Epochen den Blick auf die historischen Prozesse eher verunklaren als schärfen und es ist eine eigene Periodisierung nötig, um von dem heuristischen Potential einer solchen profitieren zu können. Das in der Gegenwart als „internationale Beziehungen“ oder traditionell als „Diplomatiegeschichte“ bezeichnete Gebiet ist eines, für das diese konventionellen Grenzen nicht geeignet sind. Die römisch-sasanidischen Beziehungen verlassen in ihrem Kulturen und Kontinente übergreifenden Charakter den Raum europäischer Geschichte, der aus einem neuzeitlichen Verständnis von Kulturräumen und Geopolitik resultiert.1 Bereits Karl-Heinz Ziegler hat dies so gesehen, da er vor seinem rechtshistorischen Hintergrund in der von ihm auf das Jahr 389 gesetzten Teilung Armeniens (die wohl eher 387 geschehen sein dürfte)2 eine Epochengrenze in der Geschichte des „Völkerrechts“ sah, was aber ebenso als Geschichte der „Internationalen Beziehungen“ oder eben Diplomatie bezeichnet werden könne: Der im Vertrag von 389 getroffene Interessenausgleich stellt den Abschluß der Epoche der römisch-persischen Kämpfe um die Vorherrschaft im Osten dar. Das Jahr 389 bezeichnet damit den Zeitpunkt, in dem die römisch-persischen Beziehungen jenen Grad von Intensität und rechtlicher Konsolidierung erreicht haben, der uns berechtigt, fortan von einer von Rom und dem Perserreich als unabhängigen, gleichrangigen, sich gegenseitig respektierenden Mächten getragenen „völkerrechtlichen Ordnung“ zu sprechen.3
Ziegler will offenbar darauf hinaus, dass qualitative Unterschiede in den diplomatischen Beziehungen ausschlaggebend für das Setzen nachvollziehbarer Epochengrenzen innerhalb dieser Beziehungen sind – und solche Unterschiede sind in der
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Vgl. Ziegler 1983, 12. Es gibt mehrere Datierungsmöglichkeiten, vor allem 384 (vgl. Rubin 1986a, 678; Rubin 1998, 178f.), 387 (etwa Güterbock 1900, 12–14; Baynes 1910, 641, 643; Toumanoff 1954, 124; Toumanoff 1971, 116; Kerouzian 1977, 105; Winter 1987, 64; Winter 1988, 561; Greatrex 1994, 27; Redgate 1998, 137; Howard-Johnston 2012, 91; Jackson Bonner 2020, 90; vgl. Börm 2008, 437f.; unsicher Garsoïan 2004, 329f.; Mazza 2004, 69; Luther 2014, 183) und 389 (etwa Schippmann 1990, 37f.; vgl. Dedeyan 1982, 154). 387 ist mit den Untersuchungen Doise 1945, 274–277; Blockley 1987, 222–234, und Greatrex 2000, 35–45, zu bevorzugen. Ziegler 1983, 15.
6 Zeitliche Eingrenzung
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Tat gegeben.4 Der folgende erste Hauptteil der vorliegenden Arbeit wählt zwar einen anderen Ansatzpunkt, kommt aber ebenfalls aufgrund einer Veränderung in der Natur der Beziehungen zur Teilung Armeniens als Beginn des Untersuchungszeitraumes: Die im ersten Hauptteil vorzustellenden Strukturmerkmale des Verhältnisses (Annahme des militärischen Gleichgewichts, Gleichrangigkeit der Mächte, religiöse Neutralität) bilden sich alle in den Jahrzehnten vor diesem Ereignis und erhalten Paradigmencharakter für das Verhältnis zwischen den beiden Reichen, der nur noch vereinzelt in Frage gestellt wird; nach diesem Ereignis aber sind sie für fast zwei Jahrhunderte ununterbrochen wirksame und von beiden Seiten auf höchster Ebene in ihrer Wirksamkeit nicht in Frage gestellte Eigenschaften des diplomatischen Verhältnisses. Das soll in den folgenden Kapiteln gezeigt werden. Den Anfangspunkt einer diplomatischen Epoche muss ein diplomatischer Vorgang darstellen und dies ist der Vertrag zur Teilung Armeniens. Bezüglich des Endpunktes ist bemerkenswert, dass Ziegler keinen juristischen oder diplomatischen Vorgang wählt, sondern die Beziehungen langsam in den Kriegen des Herakleios bis zur arabischen Expansion auslaufen lässt.5 Soll aber das diplomatische Verhältnis der beiden Reiche in einem bestimmten Zeitrahmen untersucht werden, so ist der Sinn dessen die Annahme, dass in dieser Zeit eine bestimmte Zusammenstellung von im Hinblick auf das Thema relevanten Bedingungen und Elementen wirksam war, die weder der Zeit zuvor noch jener danach zu eigen war. Es muss dem Thema treu geblieben werden – und wenn der Beginn ein Rechtsakt zwischen beiden Reichen ist, sollte das Ende ebenfalls ein solcher sein. Diplomatie ist per se zweiseitig, es muss also auch eine zweiseitige Veränderung im Verhältnis wirksam werden. Es lässt sich in der Tat ein Vertrag bestimmen, der mit der Teilung Armeniens vergleichbar ist, da es die Eigenschaft dieser 4
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Howard-Johnston 2006, viii, äußert, dass man die Spätantike bezüglich der internationalen Beziehungen im frühen 3. Jahrhundert beginnen lassen könnte. Es kommt auf die Kriterien an. Ziegler 1983, 16f.: „Obwohl im Verlaufe des 6. Jahrhunderts mehrfach Kriege zwischen Ostrom und Persien stattfanden, ist ein grundsätzlicher Wandel der Einstellung beider Großmächte zueinander nicht zu erkennen. Bei aller Härte der militärischen Auseinandersetzungen blieben die Kriegsziele auf beiden Seiten stets beschränkter Art; insbesondere ging man nie auf die Vernichtung oder prinzipielle Unterwerfung des gegnerischen Reiches aus. Die diplomatischen Beziehungen wurden auch durch einen Krieg nie völlig unterbrochen. Aufschlußreich ist ein Briefwechsel zwischen Kaiser Tiberios und dem greisen König Khosrau I., den Menander Protector für das Jahr 579 berichtet. Danach soll der Kaiser im Zusammenhang mit dem Wunsche nach Frieden davon gesprochen haben, er erstrebe‚ gleichsam von Natur aus die Freundschaft‘ des Großkönigs, während dieser von seinem Kriegsgegner als Minimum des Handelns ‚das unter Freunden Angemessene‘ erwartet. Mit anderen Worten, das zwischen Kaiser und Großkönig bestehende ‚natürliche Freundschaftsverhältnis‘ wurde selbst durch einen Krieg nicht aufgehoben, sondern als latent vorhanden vorausgesetzt. Erst in den ersten Jahrzehnten des 7. Jahrhunderts finden wir jene erbitterten Kämpfe, die beide Reiche so unheilvoll schwächten, daß Persien um die Mitte des Jahrhunderts dem Ansturm des Islam erlag und Byzanz den Aufstieg der neuen islamischen Weltmacht ohnmächtig hinnehmen musste.“
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6 Zeitliche Eingrenzung
war, einen Zeitpunkt zu markieren, nach dem bestimmte Strukturen das Verhältnis der Großmächte ununterbrochen prägten. Der Fünfzigjährige Frieden von 561/5626 entspricht dem nun insoweit, dass die Strukturen nach dessen Abschluss in einer sich in neuen Bahnen verändernden Welt immer stärker ihren exklusiven unhinterfragten Charakter verlieren, es bald Ausnahmen gibt und das Strukturbündel, das die Zeit ab der Teilung Armeniens prägte, nicht mehr in dieser Zusammenstellung und Wirksamkeit vorhanden war. Sowohl in den 380igern, als auch in den 560igern wurde durch Verträge versucht, das diplomatische Verhältnis zwischen Rom und dem Sasanidenreich durch Beseitigung von Konfliktursachen auf eine neue Grundlage zu stellen und in der Tat sind die Beziehungen danach nicht mehr dieselben. Es ist nicht relevant, dass die Veränderungen nach der Teilung Armeniens in der Regel im Sinne dieses Vertrages erfolgten und jene nach dem Fünfzigjährigen Frieden oftmals diesem Vertrag zuwiderliefen, da die Beteiligten nicht wissen konnten, wie sich die Geschichte entwickeln würde. Es bleibt festzuhalten, dass beide Verträge von dem Wunsch beider Seiten zeugen, ihr diplomatisches Verhältnis grundlegend zu verändern und sich das diplomatische Verhältnis nach ihnen in der Tat grundlegend veränderte. Eine Vertrag bildet den Anfang der untersuchten Epoche, einer das Ende, denn vor ersterem und nach letzterem war nicht das gleiche Bündel von Strukturen im diplomatischen Verhältnis wirksam wie innerhalb des zeitlichen Rahmens, der durch die beiden Ver-
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Die Datierung des Vertrages auf 561 oder 562 ist in der Forschung umstritten, 561 vertreten etwa Higgins 1941, 288–290; Christensen 1944, 373; Kawar 1956 im Titel; Rubin 1960, 366; Guillaumont 1969/70, 49; Jones 1973, 294; Dvornik 1974, 168; Chrysos 1978, 71f.; Blockley 1984, 30; Chrysos 1992, 37; Elton 1996, 88; Rist 1996, 38; Howard-Johnston 2006, xiv; Huyse 2008, 148; Miri 2012, 104; Izdebski 2014, 202; dagegen 562 etwa Sykes 1921, 454; Gray 1930, 147–152; Honigmann 1935, 26; Devreesse 1942, 295; Smith 1954, 426; Verosta 1964, 530f., 597–611; Pigulewskaja 1969, 562; Miller 1970, 58f.; Ziegler 1972 im Titel; Jones 1973, 1030f.; Chrysos 1976, 14; Turtledove 1983 im Titel; Blockley 1985a, 71; Sako 1986, 24f.; Winter 1987, 67; Letsios 1989, 529; Antonopoulos 1992, 316f.; Isaac 1992, 244, 260f.; Braund 1994 im Titel; Wiesehöfer 1994, 260; Funke 1996, 233; Simpson 1996, 88; Carile 2000, 187; Börm 2006, 305; Wiesehöfer 2007, 132f.; Lee 2008, 115; Ball 2011, 162; Maksymiuk 2015, 129; Morley 2017, 295; Maksymiuk 2018, 594; Jackson Bonner 2020, 221. Teils werden auch beide Daten zusammen genannt, etwa bei Lee 2008, 108; Fisher 2011, 119; Elton 2014, 244f.; Edwell 2015, 250; Fisher 2020, 142. Die sich derzeit abzeichnenden Forschungstendenz weist in das Jahr 562. Anhand der Stelle Men. Prot. frg. 6,1,408–429, ließe sich mit Herrn Professor Bruno Bleckmann (Gespräch mit dem Verfasser der vorliegenden Arbeit) argumentieren, dass es aber eigentlich 561 sein müsste, da der Vertragsabschluss beschrieben wird und es im Anschluss daran heißt, dass Petros die Geburt Christi gefeiert habe und nach Epiphanias ins Perserreich gekommen sei. Wenn man das Weihnachtsfest für den 25.12.561 ansetzt, wäre zu diesem Zeitpunkt der Vertrag schon abgeschlossen gewesen. So auch der Komm. Blockleys zum Fragment, S. 259, Anm. 70. Will man die folgenden Diskussionen des Petros mit Chosrau über Suania nach Abschluss des Vertrages noch als Nachklang in die Vorgänge einbeziehen, wäre man dann im Jahr 562.
43 träge gebildet wird.7 Im folgenden ersten Hauptteil wird sich zeigen, dass jede Struktur für sich in diesem Epochenrahmen besonders wirksam war und alle drei Strukturen nur innerhalb dieses Rahmens zusammenwirkten.
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Durch eine solche zeitliche Eingrenzung wird auch die Frage nach der räumlichen und zeitlichen Erweiterung oder generellen Haltbarkeit des Konzeptes „Spätantike“ – siehe Cameron 2018, 424–427 – nicht berührt.
7 BEGRIFF DER „STRUKTUREN“ In einem politikwissenschaftlichen Nachschlagewerk äußert Reimund Seidelmann zur Untersuchung internationaler Beziehungen der Gegenwart: Werden Internationale Beziehungen als System aufgefasst, dann sind die Akteure dieses Systems, ihr jeweiliges Außenverhalten gegenüber anderen Akteuren im System, die Systemstruktur und schließlich der Zusammenhang dieser drei Untersuchungsebenen zu analysieren. Umgekehrt ist man bei der Analyse von Außenpolitik zunehmend dazu gekommen, dass Außenpolitik nicht allein aus den Strukturen, Interessen und den daraus abgeleiteten Zielen und Strategien der beteiligten Akteure, sondern auch aus den vom System her gegebenen Rahmenbedingungen, Handlungsspielräumen und qualitativen Möglichkeiten erklärt werden muss.1
Andernorts fasst dies derselbe Autor zur Außenpolitik zusammen: Außenpolitik ist […] sowohl Voraussetzung als auch Ergebnis internationaler Politik. Sie ist Voraussetzung, weil internationale Politik zunächst über Außenpolitik konstituiert wird, wegen ihrer Strukturen, Prozessmuster und Verhaltensregeln, die sich gewissermaßen oberhalb von Außenpolitik verfestigen, dann aber mehr als die Summe aller Außenpolitiken ist. Sie ist Ergebnis, weil eben diese Strukturen, Systemtrends und Verhaltensmuster Handlungsspielräume für Außenpolitik schaffen oder begrenzen.2
Diese Auffassung ist bemerkenswert.3 Auch wenn keine systemanalytische Betrachtungsweise angewandt wird, so ist doch einleuchtend, dass es zunächst zwei offenkundige Bestandteile des diplomatischen Verhältnisses geben muss, um Diplomatie überhaupt erst möglich zu machen: die Akteure und ihre diplomatischen Handlungen. Es muss im obrigkeitlichen Auftrag handelnde Vertreter und zumeist auch von ihnen gebildete Organisationen, Behörden oder sonstige Einrichtungen geben, die über die Mittel und den Willen verfügen, das Verhältnis ihres Gemeinwesens zu anderen Gemeinwesen im Sinne ihrer Regierung zu verändern. Zwangsläufig muss dazu auch das andere Gemeinwesen über ein solches Personal verfügen.4 Diese Akteure beider Seiten müssen untereinander kommunizieren, 1 2 3
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Seidelmann 2003b, 494. Seidelmann 2003a, 76. Wie dem Literaturverzeichnis dieser Arbeit zu entnehmen ist, wurden etliche politikwissenschaftliche Definitionen der relevanten Kernthemen „Diplomatie“, „Außenpolitik“, „Internationale Beziehungen“ herangezogen, um den Gegenstand der Arbeit enger zu fassen, aber unter allen sticht Seidelmanns Anschauung hervor, da sie ein besonderes Bewusstsein für das zeigt, was in der vorliegenden Arbeit als „Strukturen“ bezeichnet wird und wesentlich für das römisch-sasanidische Verhältnis ist. Das ist im konkreten Fall spätantiker Diplomatie keine Selbstverständlichkeit. Laut der Schilderung des Ammianus Marcellinus werden die römisch-gotischen Kontakte in der Zeit vor der Schlacht von Adrianopel nicht zuletzt durch den Umstand gestört, dass die gotische Seite
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also durch Äußerungen, Handlungen und Gesten in einem kommunikativen Prozess von Aktion und Reaktion das zwischen den Gemeinwesen bestehende Verhältnis modifizieren. Der Zusammenhang von Akteuren und Äußerungen ist offenkundig. Dies verrät bereits, wann Diplomatie zwischen zwei Seiten, die eigentlich Diplomatie betreiben wollen, scheitert: Diplomatie scheitert nicht etwa, wenn eine Seite ihren Willen nicht durchsetzen kann, denn dies ist Teil des diplomatischen Prozesses. Sie scheitert auch nicht, wenn eine Seite schweigt, denn auch das Nichtreagieren ist eine Form von bewusster Äußerung, aus der die andere Seite ihre Schlüsse ziehen wird, die wiederum die Einstellung gegenüber dem Nichtreagierenden beeinflussen und damit das Verhältnis zwischen beiden verändern wird. Diplomatie scheitert vielmehr dann, wenn sie komplett abgelehnt wird oder eine Seite die Aktion der anderen missversteht und Aktion und Reaktion nicht zueinander passen. Offenkundig sind beide Seiten eines diplomatischen Verhältnisses bemüht, diesen Fall mit seinen unvorhergesehenen Konsequenzen zu vermeiden. Neben diesen beiden offenkundigen Voraussetzungen der Diplomatie – dem Vorhandensein von Akteuren und Äußerungen – ist das dritte Element Seidelmanns ebenso unerlässlich, wenn auch bei weitem schwerer zu erfassen: die Strukturen. „Strukturen“ soll das genannt werden, was Seidelmann als „die vom System her gegebenen Rahmenbedingungen, Handlungsspielräume und qualitativen Möglichkeiten“ bezeichnet, also Elemente, die der Diplomatie zwischen den Gemeinwesen zugrunde liegen. Diese sind schwer zu veranschaulichen und müssen daher geradezu durch Metaphern, Vergleiche und Bilder umrissen werden, wie Seidelmann das bereits durch die Ausdrücke „Rahmenbedingungen“, was letztlich von einem Rahmen ausgeht, der ein Gemälde oder dergleichen umschließt, und „Handlungsspielräume“, die an die Möglichkeiten eines Spielers in einem durch Regeln bestimmten Spiel denken lassen, veranschaulicht. Die Strukturen sind etwas, das entsteht, wenn Gemeinwesen miteinander kommunizieren. Sie bilden in der Kommunikation einen Raum, der umrissene und beiden Seiten bewusste Grenzen hat, um darin kommunizieren zu können. Seidelmann nennt es Schwierigkeiten hat, geeignete Vertreter zu entsenden, die von der römischen Seite als legitime diplomatische Akteure wahrgenommen werden. Auch ihre Reden und Handlungen erscheinen den römischen Adressaten nicht als vollwertige diplomatische Äußerungen, Amm. Marc. 31,12,8f. Valens lehnt ein gotisches Friedensgesuch ab, da die Gesandten ihm zu unbedeutend erscheinen, um mit ihnen feste Verträge abzuschließen, ebd. 31,12,12f. Bei der Belagerung Adrianopels traut sich der gotische Gesandte nicht, in die Stadt zu gehen, um einen Brief mit den gotischen Aufforderungen und Sicherheitsversprechen zu überbringen. Das Schriftstück wird durch einen Christen überbracht, die Bevollmächtigten in Adrianopel messen dem Schreiben aber keine Bedeutung bei, ebd. 31,15,5f. Offenbar hatten Goten und Römer noch kein gemeinsames diplomatisches Kommunikationssystem gefunden. Der Gesandte war sich anscheinend nicht sicher, dass er in der Stadt auch als immuner Gesandter behandelt werden würde und nicht als Feind. Vgl. Maksymiuk 2018, 592, da bezüglich der Stelle H.A. Prob. 17, 4–7, gemutmaßt wird, dass die Antrittsgeschenke Bahrams II. an Probus am römischen Hof als beschwichtigende Friedensbitte missverstanden worden wären, auf die Probus entsprechend falsch reagiert hätte.
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7 Begriff der „Strukturen“
„Strukturen, Prozessmuster und Verhaltensregeln, die sich gewissermaßen oberhalb von Außenpolitik verfestigen“. Beide Seiten bilden durch ihr Für und Wider, durch das Kennenlernen des Anderen und seiner Optionen – eben durch den kommunikativen Prozess – gewisse gemeinsame Spielregeln heraus, innerhalb derer beide Seiten agieren können, ohne das Miteinander und damit die Kommunikation zu gefährden. Beide Seiten dürfen „spielen“, also taktieren, viele verschiedene Entscheidungen treffen und eine Vielzahl von Methoden benutzen, um das Verhältnis zwischen den Gemeinwesen zu modifizieren, aber sie dürfen nicht gegen diese Regeln verstoßen, die von beiden Seiten als konstitutiv für die Kommunikation wahrgenommen werden. Ein Verstoß gegen diese Regeln führt zum Ende des Spiels. Wer das Spielbrett umwirft, beendet automatisch das Spiel. In einem anderen Bild lässt es sich auch so ausdrücken: Zwei Streitende befinden sich in einem gläsernen Raum, der komplett von Wasser umgeben ist. Ihr Konflikt droht in Gewalt auszuarten und sie werden handgreiflich. Bei allen Differenzen ist aber beiden klar, dass ihre Gewalt nicht so ausarten darf, dass sie die Wände der Zelle beschädigen und durch das einbrechende Wasser beide zu Schaden kommen. Die diplomatischen Strukturen sind die gläsernen Wände und ihr Zusammenbruch führt zur Katastrophe, dem Ende der Diplomatie, da nur Gewalt zum Austragen von Konflikten bleibt. In einem Vergleich lässt es sich so fassen: Eine wesentliche Frage der philosophischen Erkenntnistheorie ist die, ob und wie das, was der Mensch wahrnimmt, durch die Beschaffenheit der menschlichen Wahrnehmungsfähigkeit verzerrt wird,5 die Realität also ganz anders beschaffen sein könnte, als wir sie bedingt durch unsere Wahrnehmungsfähigkeit erkennen (Unterschied von „an sich“ und „für uns“). Im Sinne eines bekannten Vergleichs: Ein mittels eines Schwarzweißfilms aufgenommenes Foto wird immer nur Graustufen enthalten. Es lässt sich bei Betrachtung dieses Bildes nun nicht sagen, ob das Motiv in der Realität wirklich nur Graustufen enthält, oder ob es in Wirklichkeit bunt ist und die Farben nur durch die Limitationen des Mediums als Graustufen abgebildet werden. Beides ist denkbar. Die erkenntnistheoretische Frage ist daher: Gibt es Wahrnehmung vor der Wahrnehmung? So muss die Frage nach den Strukturen der Diplomatie lauten: Gibt es Diplomatie, bevor es Diplomatie gibt? Existieren also gewisse Elemente, die bereits feststehen, bevor beide Seiten Äußerungen vornehmen, um das diplomatische Verhältnis zu ändern? Gibt es Elemente, die als Selbstverständlichkeiten des Verhältnisses gelten, über die man nicht diskutiert, sondern voraussetzt, egal was man auch diplomatisch vorhaben mag? Solche Selbstverständlichkeiten, die sich – wie im Folgenden zu sehen sein wird – in den ersten Jahrzehnten der römisch-sasanidischen Koexistenz gebildet 5
Das bekannteste Beispiel dürfte die „Transzendentale Analytik“ in Kants „Kritik der reinen Vernunft“ sein.
7 Begriff der „Strukturen“
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haben, werden im Folgenden als „Strukturen“ bezeichnet, da sie das diplomatische Verhältnis gliedern und sich die diplomatischen Maßnahmen gewissermaßen an ihnen entlang bewegen.6 Keine Maßnahme ist gegen sie gerichtet. Sie sind tragende Wände des von beiden Seiten gemeinsam errichteten diplomatischen Gebäudes und alle Umbauten und Bewegungen innerhalb des Hauses müssen Rücksicht auf sie nehmen. Dies ist im konkreten Fall, was bei Seidelmann der „Zusammenhang dieser drei Untersuchungsebenen“ genannt wird: wenn Akteure und ihre Aktionen die Strukturen konstituieren und diese dann wiederum die Akteure und Aktionen prägen. Die Untersuchung dieser Strukturen ist schwierig, da es sich letztlich um eine Untersuchung von Anschauungen handelt, die für damalige diplomatische Akteure und in politisch-diplomatischen Zusammenhängen gebildete Autoren Selbstverständlichkeiten waren, die man einem Publikum mit gleichem Bildungshintergrund nicht erklären musste. Da diese Strukturen aus Sicht der Zeitgenossen nicht auf absehbare Zeit zu ändern waren, musste man sie auch nicht problematisieren, sondern schlicht als Gegebenheiten der Welt behandeln, an denen sich es auszurichten galt. Entsprechend sind die Strukturen in den Quellen nur selten explizit zu finden – dann zumeist im Kontext fiktiver Reden, da es um das Verhältnis der beiden Reiche geht – umso öfter aber implizit, da sie das gesamte diplomatische Verhältnis des Imperiums und Sasanidenreiches in der behandelten Zeit bestimmten. Sie waren wirkmächtig, in der Realität wie in den Quellen, verlaufen aber zumeist unter der Oberfläche der geschilderten diplomatischen Aktionen, die durch sie geprägt wurden. Es fragt sich, wie sich die Strukturen ermitteln lassen, wenn man sie kennen muss, um sie in den Quellen zu finden und in den Quellen finden muss, um sie zu erkennen. Bei der Erarbeitung des Gegenstandes wurde nach einem Überblick über vorhandene Forschungsliteratur zum römisch-persischen Verhältnis mit der Durchsicht der Quellen hinsichtlich ihrer Präsentation und Bewertung diplomatischer Vorgänge begonnen, wobei die wenigen expliziten Ausführungen zu den Strukturmerkmalen auffielen. Verschiedene Autoren bieten solche Erwähnungen, die aber an sich durchaus keine wirklichen diplomatischen Strukturen gewesen sein müssen, nach denen sich politische Akteure gerichtet hätten, sondern ebenso Erklärungen und Einzelmeinungen der Quellenautoren sein könnten, da es im Abstand von anderthalb Jahrtausenden schwer zu sagen ist, was in Anbetracht der knappen Erwähnungen communis opinio und was eine Privatmeinung war – wenn die Autoren solche Stellen in der Regel auch so präsentierten, als wären sie die Beschwörung des Selbstverständlichen. Die Überprüfung der einzelnen Ideen erfolgte nun, indem diese Ideen als Theorien zur Erklärung des diplomatischen Ver6
Auch bei Blockley 1992, 151–163, gibt es ein Kapitel „The Structure of Diplomacy“, damit sind aber nicht inhaltliche Rahmenbedingungen, sondern die bekannten „nuts and bolts“ gemeint, also organisatorisch-administrativ-logistische Fragen.
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hältnisses verstanden wurden und entsprechend geprüft wurde, ob sie zur Erklärung der großen Zahl anderer unerklärter diplomatischer Vorgänge in den Quellen geeignet sind. Auch ein Rekurs auf die Forschungsliteratur und die darin zu findenden Erklärungen diplomatischer Vorgänge erfolgte. Drei Elemente, die bei verschiedenen Autoren wiederkehren, stellten sich so als nachvollziehbare und tatsächliche diplomatische Strukturen heraus, da vor ihrem Hintergrund viele andere diplomatische Quellenstellen in ihren Mechanismen besser verständlich wurden als ohne die Theorien. Zudem ergeben sie in ihrer Wechselbeziehung und ihrem Zusammenwirken ebenfalls ein nachvollziehbares Bild des diplomatischen Verhältnisses. Diese drei sind: die Idee eines militärischen Gleichgewichts, die Gleichrangigkeit im gegenseitigen Verkehr und die beidseitige religiöse Neutralität. Diese durchaus aufeinander aufbauenden Strukturen werden in den folgenden drei Kapiteln, dem ersten Hauptteil, präsentiert. Der zweite Hauptteil widmet sich anschließend den Konsequenzen dieser Strukturen, also einzelnen diplomatischen Methoden, die im Rahmenwerk der drei Strukturen stattfanden, durch sie beeinflusst wurden und vor ihrem Hintergrund verstanden und erklärt werden müssen. Dabei liegt es in der Natur der verschiedenen Teile, dass Quellen und Literatur ein unterschiedliches Verhältnis haben müssen und die Strukturen nicht mit bloßen Quellenstellen und Literatur in den Fußnoten zu belegen sind: Der erste Teil stellt vielmehr die Strukturen, welche aus den wenigen, aber expliziten Erwähnungen in den Quellen geschöpft sind, in den Mittelpunkt. Sie werden vorgestellt und extern auf ihre Stringenz geprüft, indem dargestellt wird, dass sie sich in die großen Linien dessen, was gemäß den Ergebnissen der bisherigen Forschung über die ostmediterrane Weltpolitik und generell die römische und sasanidische Welt dieser Zeit bekannt ist, einfügen. Sie stehen im Gegensatz zur großen Zahl alltäglicher diplomatischer Vorgänge auf einer Metaebene und müssen dazu gewissermaßen aus der Vogelperspektive eingeordnet werden. Daher findet der Rekurs hauptsächlich auf Forschungsliteratur statt. Es zeigt sich immer wieder, dass die drei Strukturen sehr gut zu diversen Forschungspositionen passen, was sie umso plausibler macht, da die Autoren der Forschungsliteratur schließlich nicht von diesen Strukturen ausgegangen sind und daher in ihren Rekonstruktionen unter Heranziehung und Interpretation diverser Quellen auch keinerlei Rücksicht darauf genommen haben können. Daneben wird im ersten Teil auch gezeigt, dass alle drei Strukturen in der gleichen Zeit unter den gleichen Bedingungen entstanden und etwa 170 Jahre später auch wieder zusammen in der gleichen Zeit vergingen, was ihre enge Verknüpfung und Abhängigkeit sowohl untereinander als auch zum Weltgeschehen zeigt. Dies rechtfertigt auch den speziellen Untersuchungszeitraum. Der zweite, stark quellenfokussierte Hauptteil ist letztlich der immanente Beleg für die Korrektheit der im ersten dargestellten Strukturen, da gezeigt wird, dass die in zahlreichen Quellen zu findenden diplomatischen Methoden vor dem
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Hintergrund dieser Strukturen besser und nachvollziehbarer erklärt werden können als ohne diese Annahmen. Dabei werden im ersten Teil die zur Entstehung der jeweiligen Struktur und damit zum Untersuchungszeitraum hinführenden Wege und auch jene dargelegt, die am Ende des Untersuchungszeitraumes von der etablierten Situation fort- und zum Ende der jeweiligen Struktur führten. Es werden also besonders die Jahrzehnte vor der Teilung Armeniens in den 380igern und, wenn auch knapper, die Zeit nach dem Vertrag von 561 beleuchtet. Der erste Teil ist Rahmenbedingungen gewidmet und zeigt, wie es zu deren Entstehen und Vergehen kam. Wie sich dieser Rahmen während seines Bestehens auf seinen Inhalt, also die diplomatischen Vorgänge des späten 4. bis mittleren 6. Jahrhunderts auswirkte, ist im zweiten Hauptteil zu finden.
8 STRUKTUREN I Annahme des militärischen Gleichgewichts Diplomatische Kommunikation lässt sich nicht von den Machtmitteln der Kommunizierenden trennen. Wenn auch die moderne coercive diplomacy1 und damit die nur leicht bemäntelte Erpressung eines Staates durch einen anderen ein Extrem sein dürfte, so findet doch keine internationale Kommunikation in einem leeren Raum außerhalb aller machtpolitischen Erwägungen statt. Die wirtschaftlichen, militärischen und sonstigen Machtmittel der kommunizierenden Seiten beeinflussen zwangsläufig den Inhalt und Ausgang der Kommunikation, also die Beschaffenheit des Miteinanders und die Art der Vorteile und Verpflichtungen, die dieses Miteinander für beide Seiten mit sich bringt.2 Begreift man Diplomatie im obigen Sinne als wechselseitige Modifikation eines zwischen Gemeinwesen bestehenden Verhältnisses, so fällt es der mächtigeren Seite offenkundig leichter, das Verhältnis zu ihren Gunsten und in ihrem Interesse zu manipulieren. Dies setzt voraus, dass sich beide Seiten über die Mittel der anderen im Klaren sind und Risiken, Kosten und Nutzen ihrer diplomatischen Tätigkeiten gegenüber der anderen abwägen können. So wird für die Akteure deutlich, in welcher Situation es ratsam ist, dem Gegenüber nicht zu widersprechen und die eigenen Vorstellungen zurückzustellen, um keine großen negativen Konsequenzen, im schlimmsten Fall gewaltsamer Natur, durch eine überlegene Macht auf sich zu ziehen. Für die Erforschung des römisch-persischen diplomatischen Verhältnisses ist es daher von großem Interesse, diese Grundvoraussetzungen zu kennen, um überhaupt einschätzen zu können, welche Optionen beide Seiten in ihrer Diplomatie hatten und welchen Zwängen sie unterlagen. In der Forschung kulminiert das in der schlichten, aber an sich sehr komplexen Frage, ob eigentlich das römische oder das Sasanidenreich „stärker“ gewesen sei. Die Relevanz dieser Frage ist deutlich, denn wenn tatsächlich ein Ungleichgewicht bestand, das auch damals wahrgenommen wurde, so verändert das die diplomatischen Optionen und Zwän1
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Berridge/James 2003, 40; Jönsson 2012, 15f.; Bjola/Kornprobst 2013, 154f. Zu antiker coercive diplomacy im Hinblick auf griechische Poleis der klassischen Zeit und dem nur geringen Unterschied zu offenem Zwang, auch anwendbar für die Spätantike, Missiou-Ladi 1987, 336: „The main difference between the direct application of force and coercive diplomacy is that the latter tries to initiate behaviour; it is the adversary who acts ‚voluntarily‘ in order to avoid complete destruction and, thus, capitulates.“ Anwendung des Begriffes auf das spätantike Rom Fisher 2011a, 74. Dahlheim 1968, 4, beschreibt es treffend so, dass „jede wie auch immer formulierte zwischenstaatliche Beziehung nur soviel wert sein kann wie die Fähigkeit der Partner, ihre Souveränität gegen Übergriffe des Kontrahenten zu wahren“.
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ge der überlegenen wie unterlegenen Seite erheblich und die Interpretation der in den Quellen geschilderten Diplomatie muss dies unbedingt berücksichtigen. Man tritt gegenüber einem als stärker verstandenen anders auf als gegenüber jemandem, den man der eigenen Macht unterlegen sieht. Diese Frage wirft allerdings neue Fragen auf, die in der Forschung zum Teil wenig reflektiert werden, aber aus den unterschiedlichen Forschungsansätzen im Folgenden abzuleiten sind:3 1. Wie definiert man, ob ein Reich stärker war als das andere? 2. In welchem Zeitraum gelten die festgestellten Machtunterschiede? Im ersten Punkt lässt sich Stärke verschieden begreifen: Es kann damit militärische Schlagkraft auf Basis von Truppenzahlen, Befestigungen, Geopolitik etc. gemeint sein, aber auch die Gesamtheit aller nutzbaren wirtschaftlichen Ressourcen, die den Reichen zur Verfügung standen. Im zweiten Punkt muss definiert werden, ob es über die gesamte Koexistenz des römischen und des Sasanidenreiches hinweg eine Seite gab, welche die Oberhand (in Schlagkraft oder Ressourcen) hatte, oder ob sich dies im Laufe der Jahrhunderte römisch-persischer Kontakte veränderte. In der Forschung sind verschiedene Ansätze zu finden, die sich in der Regel mit einem federführenden Wissenschaftler verbinden lassen: Gemäß James Howard-Johnstons Sicht hätten in der Mitte des vierten Jahrhunderts die Sasaniden klar die Oberhand gehabt.4 Dies sei eine umso größere Leistung gewesen, da die Sasaniden eine Ressourcenbasis gehabt hätten, die „considerably inferior to that of the Romans“ gewesen sei,5 was auch die Wandlungsprozesse des 5. und 6. Jahrhunderts nicht grundlegend verändert hätten.6 HowardJohnston macht also die sasanidische Übermacht allein am Ausgang militärischer Konfrontation in dieser Zeit fest. Insgesamt seien die Sasaniden laut einer frühe3
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In den folgenden Fußnoten dieses Kapitels sind möglichst nur jene Forschungsbeiträge angeführt, die sich explizit zum Machtverhältnis und seinem Wandel äußern. Oft lässt sich aber nicht sagen, ob sie ein real gegebenes Ungleichgewicht der Kräfte oder etwa die sich gegenseitig eingeräumte diplomatische Gleichrangigkeit meinen. Letztere ist Gegenstand des folgenden Kapitels der vorliegenden Arbeit. Daher ist an dieser Stelle ein Verweis auf dieses folgende Kapitel nötig. Das Problem resultiert daraus, dass in der Forschung nicht der in der vorliegenden Arbeit vertretene Ansatz angewandt wird, also das Thema nicht in gleichem Maße problematisiert wurde. Howard-Johnston 2008a, 122. Siehe Howard-Johnston 2008a, 123; Howard-Johnston 2006, xiii; Howard-Johnston 2008b, 79; Howard-Johnston 2012,87–89, 91; vgl. Morony 2004a, 189; McDonough 2011a, 291. Bei Howard-Johnston 1995, 168, wird gemutmaßt, dass dem Sasanidenreich nur halb so viele materielle Ressourcen und Arbeitskräfte wie dem Imperium zur Verfügung standen. Bei Howard-Johnston 2012, 91, fällt sogar der Ausdruck „Roman GDP“. Zu einer anderen Ansicht gelangten Altheim/Stiehl 1957, 2, vor allem auf Basis der arabischen Quellen: „Nach der Höhe seiner Erträge übertraf spätsasanidisches Steueraufkommen das gleichzeitige Ostroms um ein Mehrfaches.“ Gegen die Idee der strukturellen Schwäche Irans seiner Herrschaftsordnung wegen vgl. Börm 2010, 165. Howard-Johnston 1995, 210f.
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ren Arbeit Howard-Johnstons von Anfang an den Römern militärisch gewachsen gewesen.7 Dies wird an einem Versuch zur Ermittlung militärischer Daten festgemacht.8 Die geopolitische Lage der beiden Reiche sei etwa gleich stark gewesen, wie durch Vergleich verschiedener Grenzgebiete und Naturräume ermittelt wird.9 Die sasanidischen Befestigungen werden explizit gelobt.10 Bereits Karl Güterbock betrachtete in einem ähnlichen Sinne das Sasanidenreich als einen Rom „äusserst gefährliche[n], durchaus ebenbürtige[n], nicht selten überlegene[n] Gegner“.11 Eberhard Sauer geht davon aus, der sasanidische Militärapparat sei einer der stärksten der vormodernen Welt gewesen und vielleicht der stärkste überhaupt vom vierten bis zum frühen 7. Jahrhundert12 Eine derartige Einsicht solle nach Meinung des Autors auch nicht relativiert werden, sondern für die Bewertung des Zustandes antiker (und moderner) Gemeinwesen anerkannt und benutzt.13 Das römische Militärwesen sei seit dem 3. Jahrhundert im Niedergang begriffen gewesen, das Sasanidenreich dagegen ein Motor der Innovation.14 Die sasanidische sei die massivste militärische Infrastruktur der Spätantike, wenn nicht der alten Welt überhaupt gewesen.15 Der spätrömische Staat werde unter Verwendung von Begriffen wie „Transformation“ überschätzt, der sasanidische unterschätzt.16 Das sasanidische System der Errichtung von Militärlagern habe gegenüber der Abnahme dieser Praxis im Imperium die Oberhand gehabt,17 auch seien teils naturräumlich-geostrategische Elemente (die Berge im Norden) günsti7 8 9 10 11 12 13
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Ebd. 165. Ebd. 165–168. Ebd. 196f.; vgl. Howard-Johnston 2012, 87, 92, 125. Dieses Abwägen von Vor- und Nachteilen in Anbetracht der Verschiedenheit der beiden Riesenreiche ist offenkundig problematisch. Howard-Johnston 2012, 104. Güterbock 1900, 5. Sauer 2017a, 13f. Sauer 2017a, 15: „If we move away from relativism and have the courage again to acknowledge that there were often significant imbalances of power between contemporary empires, and that ‚old-fashioned‘ concepts of the rise and decline of states often have a core of truth – and explore the root causes of strength and weakness – we can apply the insights gained to our own time.“ Sauer 2013, 622f.; Sauer 2017b, 241, 243. Sauer 2017b, 252. Sauer 2017b, 243, 246. Der Autor erkennt die mit solchen Aussagen verbundenen Quellenprobleme, sie werden aber zugunsten der Sasaniden und zuungunsten der Römer ausgelegt. Es wird im Übrigen festgestellt, die beiden Reiche seien in Sachen Ausdehnung, Dauer und Dominanz gleichauf gewesen, ebd. 242. Leider wird „Dominanz“ nicht näher definiert oder in Abgrenzung von der offenkundig unterschiedlich bewerteten militärischen Leistungsfähigkeit erklärt, die nicht bedeute, dass eine Armee eindeutig stärker als die andere gewesen sei, ebd. 255. Bei Sauer 2013, 614, wird im Rahmen der Überlegungen zur Grenzarmee an der Mauer von Gorgan festgestellt, die sasanidische Armee wäre „equal, if not superior, to all of its opponents, as far as we can tell“ gewesen. In Anbetracht der sasanidischen Verteidigungsanlagen seien Rom und das Sasanidenreich konkurrierende Supermächte gewesen, ebd. 622; vgl. Payne 2015b, 294. Ebd. 255.
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ger als vergleichbare römische Situationen in Europa.18 Zeev Rubin entwirft in seinem Konzept vom Dilemma des Römischen Reiches eine Deutung, gemäß der Persien in seinen Machtmitteln stärker, oder zumindest in einer erheblich besseren Lage gewesen sei als Rom.19 Martin Higgins vertritt eine ältere Anschauung, da er feststellt: „Rome was immeasurably superior in wealth, population, and organization for war“.20 Noch Chosrau I. habe feststellen müssen, dass er nur dann gegen das Imperium gewinnen könne, wenn es gleichzeitig Angriffe in allen Grenzgebieten abwehren müsse.21 Engelbert Winter schlussfolgert aus dem Fakt, dass Rom weiterbestand, als das Sasanidenreich im 7. Jahrhundert unterging, dass Rom wohl letztlich die stärkere Macht gewesen sein müsse.22 Auf Basis der im Endeffekt unentschiedenen jahrhundertelangen Kämpfe zwischen den Reichen kommt Ronald Suny dagegen zu dem Schluss, dass keine Seite die andere entscheidend überwältigen konnte.23 Er begreift sie also als zumindest militärisch gleich stark. Alan Douglas Lee stellt fest, das Sasanidenreich habe seit seinem Auftreten für die nächsten vier Jahrhunderte in seiner militärischen Leistungsfähigkeit mit Rom gleichauf gelegen.24 Daher hätten römische Kaiser, die sich in der Spätantike ihrer militärischen Überlegenheit nicht mehr sicher sein konnten, verstärkt Diplomatie betrieben.25 Howard-Johnston/Greenwood/Thomson gehen in Ihrer Übersetzung der Geschichte des Sebeos bereits auf der fünften Seite der historischen Einleitung davon aus, dass die beiden Mächte „evenly matched in resources“ gewesen seien.26 In diesem Sinne heißt es bei Michael Maas: „Effectively equal in resources and ambition, Rome and Persia faced the dilemma of imperial equality.“27 Mark Whittow schreibt: „the Romans faced an imperial power in the east of at least equal military capability [...]“28 Generell als gleich stark begreifen auch andere Historiker die beiden Mächte.29 18 19 20 21 22 23 24 25 26
Ebd. 255–259. Rubin 1986a und Rubin 1986b, passim; vgl. Gaube 1982, 114. Higgins 1941, 295f. Ebd. Winter 1988, 219f. Suny 1994, 20. Lee 2009, 2. Ebd. 3. Howard-Johnston/Greenwood/Thomson 1999, xv. Leider lässt sich nicht sagen, wer genau diese Einleitung geschrieben hat, da sich im Band keine Angaben darüber finden und zumal James Howard-Johnston andernorts anderer Ansicht ist, wie oben gezeigt wurde. 27 Maas 2016, 175. 28 Whittow 2018, 280. 29 Vgl. Hannestad 1955/56–57, 445f.; Gillett 2003, 273f; Kaldellis 2004, 72; Haarer 2006, 48; Fisher 2011a, 32. Zu gegensätzlichen Positionen, ob ein Reich das stärkere war, Börm 2006, 307, Anm. 28. Eine Sonderstellung nimmt Zich 2012, 330, ein, da das Verhältnis der beiden Reiche aus einer an Immanuel Wallerstein angelehnten sozioökonomischen Perspektive betrachtet wird und der Autor zu dem Schluss kommt, dass die Existenz beider Reiche ein Grundprinzip der Zeit war, da sie zwar politische Konflikte hatten, aber doch ein Weltsystem
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Die Mehrheit der sich mit Rom und Iran beschäftigenden Historiker fällt kein explizites Urteil über das Kräfteverhältnis.30 Dieser Überblick zeigt, dass alle drei möglichen Optionen (Oberhand Roms, Oberhand des Sasanidenreiches, militärisches Gleichgewicht) unter Ansetzung verschiedener Kategorien (militärische Erfolge, Wirtschaftskraft, geopolitische Lage, administrative Durchdringung des Landes) – aber offenkundig immer auf Basis des gleichen begrenzten Quellenmaterials – vertreten werden. Diese Situation ist nicht nur aufgrund letzteren Umstandes problematisch. Generell werden die Kategorien zur Einschätzung der Machtmittel – und damit die zum Vergleich der Stärke beider Reiche notwendigen Kategorien – nicht problematisiert. Selbst das auf den ersten Blick einfachste Kriterium: der Erfolg des jeweiligen Militärs, ist relativ: Ist jene Armee stärker, die häufiger die andere besiegt hat? Ist jeder Sieg dabei gleichwertig? Lässt sich überhaupt in jedem Fall sagen, wer aus einer Konfrontation als Sieger hervorgegangen ist? Was genau ist überhaupt unter einem militärischen Sieg zu verstehen? Bedeutet der Erfolg in einer Schlacht größere Stärke, wenn er gegenüber einem Gegner errungen wird, der an keinen anderen Fronten Krieg führen muss? Was bedeutet ein Pyrrhussieg? Und wie oft muss eine Seite siegen, um als die Stärkere zu gelten – jedes Mal, doppelt so häufig wie die andere oder genügt bereits ein geringer Vorsprung? Zählt eine Verfolgung mehr als ein planmäßiger Rückzug? Wenn es zur militärischen Konfrontation, aber letztendlich keiner Schlacht kommt, wie ist dies zu bewerten? Sind die Truppenzahlen allein ausschlaggebend oder vielmehr ihr geschickter Einsatz? Bereits diese Kategorie erweist sich somit als schwierig – und dabei ist zu bedenken, dass die diesbezügliche Quellenbasis immer noch die günstigste ist, denn schriftliche Quellen berichten über den Ausgang großer Konfrontationen, wobei die Bedeutsamkeit einzelner Siege oft Interpretationssache ist und Aufbauschen oder Herunterspielen des Geschehens durchaus im Interesse antiker Autoren lag. Die wirtschaftlichen Vergleichskategorien, die Kenntnis über Ressourcenverteilung und letztlich Wirtschaftsdaten erfordern, stehen auf einer quellenmäßig noch viel schwierigeren Grundlage. Ein Vergleich der Administrationen leidet nicht nur an einer komplizierten Quellenlage, sondern auch daran, dass antike Verwaltungs- und Herrschaftsformen nur schwer mit modernen verglichen und bezüglich ihrer Effizienz bewertet werden können, entsprechend ist auch der Vergleich untereinander schwierig.31 miteinander teilten. Dies setzt allerdings bei speziellen theoretischen Grundlagen an und die Frage nach der Kompatibilität mit den in der vorliegenden Arbeit ermittelten diplomatischen Strukturen und Methoden würde eine eigene Untersuchung erfordern. 30 Dem Literaturverzeichnis dieser Arbeit zu entnehmen: Die nicht im Rahmen dieses Kapitels explizit angeführten Autoren zu römisch-persischen Fragen geben mehrheitlich kein Urteil ab. 31 Vgl. Howard-Johnston 2008a, 122, der die verbreitete Forschungsmeinung referiert, das Sasanidenreich sei im Vergleich zu Rom unteradministriert gewesen, was zu der Frage führt: „But
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Die generelle Quellenarmut bezüglich der Daten, die zur Beantwortung solcher Fragestellungen notwendig sind, bildet das erste Quellenproblem bei der Ermittlung der spätantiken Machtverhältnisse.32 Das zweite besteht in der Natur der behandelten Fragestellung: Es liegt in Anbetracht der Quellenlage nahe, ohne den Zwischenschritt der Datensammlung einfach die Meinungen der antiken Autoren zur Frage der Machtverhältnisse heranzuziehen, wenn auch nicht klar ist, wie diese zu ihren Ansichten gelangt sind. Immerhin standen sie den Geschehnissen und politischen Mechanismen weitaus näher als ihre Interpreten viele Jahrhunderte später, so dass ihr Urteil von einigem Gewicht ist. In der Forschungsliteratur findet sich vor allem darum immer wieder die Idee, die beiden Reiche seien gleich stark gewesen, hätten sich daher nicht besiegen können und so ein diplomatisch geregeltes und damit im Regelfall friedlicheres Miteinander gefunden,33 denn dies basiert auf den im Folgenden angeführten Angaben der Quellen, in denen sich immer wieder Aussagen finden, die ein militärisches Gleichgewicht zwischen Rom und dem Sasanidenreich postulieren. Diese Forschungsposition setzt aber an der falschen Stelle an, indem letztlich angenommen wird, Rom und Persien seien gleich stark gewesen, da die Quellen das behaupten und sich die Mächte so verhielten, als seien sie gleich stark.
how on earth can such a view be reconciled with what we know of the performance of the Sasanian state in late antiquity?“ Sauer 2013, 618f., kommt zu dem Schluss: „It is unimaginable that the Sasanian state would have been able to maintain an Empire of roughly 3.5 million km² over 400 years and to safeguard, by and large, its inner stability, on the basis of haphazard arrangements with powerful local dynasts and neighbouring powers. The reasons for the Sasanian Empireʼs resilience have to be sought in targeted investment in infrastructure boosting agriculture and trade, such as canals and bridges, and defences, such as frontier walls and strategically placed fortresses. Such policies could never have been implemented had the tentacles of Sasanian power not pervaded centre and periphery alike.“ Dies geht aber von modernen, nachantiken Prämissen und einem dementsprechenden Verständnis von Herrschaft und Administration aus. Treffend, wenn auch für eine etwas spätere Zeit Isaac 1995, 125f.: „[...] we cannot objectively measure the resources, military and material, that were at the disposal of the two powers in the 630s, as compared with other periods, nor can we form an accurate and reliable impression of the political will in both states at the time of the Islamic conquest.“ 32 Dabei ist es geradezu eine Gemeinplatz, die schwierige Quellenlage bezüglich des Sasanidenreiches in vielerlei Hinsicht zu betonen. Beispiele: Rothstein 1899, 5–10; Wiesehöfer 1982, 437f.; Frye 1984, 287f.; Mayerson 1986, 36; Wiesehöfer 1986, 180; Rubin 1989, 383; Isaac 1992, 20; Wiesehöfer 1993, 363; Kettenhofen 1994, 105; Wiesehöfer 1994a, 206f.; HowardJohnston 1995, 172–177; Wiesehöfer 2005, 105; Heil 2006, 145; McDonough 2006, 70; Wiesehöfer 2007a, 121; Börm 2008, 423–425; Howard-Johnston 2008a, 118f.; Huff 2008, 31f.; Pourshariati 2008, 338, Daryaee 2009, xviif.; Jackson Bonner 2012, 42f.; Miri 2012, 20f.; Kreyenbroek 2013, vgl. 24; Genequand 2015, 181; Lawrence/Wilkinson 2017, 106–109; Patterson 2017, 182, 186, 192; Sauer 2017a, 7; Sauer 2017b, 246. 33 Vgl. die Fußnoten S. 53, Anm. 29 – S. 54, Anm. 31 der vorliegenden Arbeit.
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Das belegt aber nicht, dass sie gleich stark waren, sondern einzig und allein, dass damalige Entscheidungsträger wie auch die Quellenautoren glaubten, dass sie gleich stark wären. Dieser Unterschied ist von entscheidender Bedeutung für das Verständnis damaliger Verhältnisse. Es ist einigermaßen unwahrscheinlich, dass die beiden Riesenreiche in ihrer naturräumlichen, wirtschaftlichen, kulturellen, administrativen und in vielerlei anderer Hinsicht zu beobachtenden Verschiedenheit34 wirklich in ihren militärischen Ressourcen, Strategien, Taktiken, Anlagen und geopolitischen Situationen so ähnlich waren, dass es der einen Seite auch unter der genialsten Planung unmöglich gewesen wäre, die andere entscheidend zu besiegen, und ebenso, wenn man auch nur die bloßen militärischen Ressourcen einander gegenüberstellen könnte. Folgt man besagter Idee, wird zudem implizit vorausgesetzt, dass es den Seiten im Kern ihrer Bemühungen jeweils darum ging, die andere entscheidend zu besiegen, was in den Quellen nicht als konstantes letztes Ziel römisch-persischer Konflikte erscheint.35 Will man aber einmal annehmen, dass all dies tatsächlich so war, wie die Quellenautoren es einschätzen, so ergibt sich das zweite Quellenproblem: Man setzt in diesem Fall ein Paradigma voraus, das für die Interpretation des römischpersischen Verhältnisses irreführend ist, da es voraussetzt, dass sich Rom und Iran einzig deshalb so verhielten, wie sie sich verhielten, da sie sich militärisch nicht besiegen konnten und daher arrangieren mussten. Dies ist aber bloße Spekulation. Mit einiger Sicherheit lässt sich nur sagen, dass es damals politische communis opinio war, dass sie gleich stark wären. Dies sagt nichts über die Realität des Kräfteverhältnisses aus, nur über dessen Interpretation durch die Beteiligten. Damit gilt es sich methodisch auf eine andere Ebene zu begeben, nämlich auf eine mehr geistes- und mentalitätsgeschichtliche als militärhistorische – und erst in 34 Es gilt sich allein schon den schieren Umfang und die enorme naturräumliche Diversität des über fünfzig heutige europäische, nordafrikanische und nahöstliche Staaten umfassenden Imperiums und des gewaltigen, zwischen Mesopotamien, Indien, China und Zentralasien sich erstreckenden Sasanidenreiches vor Augen zu halten. 35 Siehe 9. Kapitel der vorliegenden Arbeit. Mosig-Walburg 2009a, 11: „Dem Zeugnis der Mehrheit der Quellen zufolge lagen die Ursachen der so zahlreichen und zum Teil über lange Zeiträume geführten militärischen Auseinandersetzungen vor allem in dem Streben der einen oder der anderen Seite, eine Verbesserung ihrer jeweiligen strategischen Position im nördlichen Mesopotamien, im armenischen Raum oder im Kaukasusgebiet durchzusetzen, somit in konkurrierenden sicherheitspolitischen, teilweise auch wirtschaftlichen Interessen. Ernsthafte Absichten, sich umfangreiche Territorien des Gegners auf Dauer anzueignen, lassen sich nicht nachweisen, sehen wir ab von dem letzten großen Krieg, den Khusrō II. im Jahre 603 gegen Phokas begann und gegen Herakleios weiterführte und in dessen Verlauf sich die Perser weiter Teile des byzantinischen Ostens und ganz Ägyptens bemächtigten. Es darf indes nicht übersehen werden, daß auch diese Auseinandersetzung zunächst nur um die Rückeroberung im Jahre 591 von Khusrō II. an Maurikios abgetretener Gebiete geführt wurde, somit um die Restituierung ehemaliger Grenz- und damit strategischer Verhältnisse.“
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diesem Moment wird das Gleichgewicht zu einem Strukturmerkmal des römischpersischen Verhältnisses. Begreift man das Gleichgewicht als eine Idee, von der man überzeugt war und nicht primär als ein Faktum, so muss man dieses Element weit mehr als intellektuelles Phänomen, als eine politische Theorie betrachten, die viele Anhänger hatte. Es gilt dieses Gleichgewicht demnach nicht zu erklären, wie es im Fall einer unlösbaren militärischen Situation gegeben wäre, sondern zu verstehen, da es eine Idee ist.36 Somit wird eine Frage nach dem „Warum“ statt nach dem „Wie“ ermöglicht, indem eine Verschiebung der Untersuchung weg von einem Objekt (militärische Realie) hin zum Subjekt (Geisteswelt der Politiker und Militärs, die ihre Welt interpretieren) geschieht. Nähme man dagegen als grundlegende Prämisse an, dass Rom und das Sasanidenreich wirklich gleich stark waren,37 so ließe sich für das römischsasanidische Verhältnis der Schluss ziehen, dass keine Seite die andere hätte besiegen können, was wiederum die Annahme voraussetzt, beide Seiten hätten das gewollt. In diesem Falle ließe sich zwar das „wie“ dieses Verhältnisses erforschen, die Frage nach dem „warum“, nach dem Grund dieses Gleichgewichts, beträte aber den Raum der Spekulation, denn es fehlten dann die Quellen, um das bestimmen zu können. Es wäre dafür das Wissen um Realien nötig: Truppenstärken, Festungspläne, Aufmarschgebiete, Wirtschaftsdaten, Verwaltungsstrukturen etc., welche die Quellen nicht hergeben. Und selbst dann wäre die Feststellung eines Gleichgewichts nach Gegenüberstellung aller Daten immer noch Spekulation. Was wäre geschehen, wenn ein Feldherr wie Caesar diese Pläne betrachtet hätte? Es lässt sich nicht sagen. Die Daten zeigen nur Potentiale. Würde diese Auffassung dem Verhältnis zwischen Rom und Iran zugrunde gelegt, bestünde nicht zuletzt die Gefahr voreiliger Schlüsse, etwa: Beide Seiten mussten sich verständigen, da sie gleich stark waren. Das Gleichgewicht wäre dann kein durch Erkenntnis und Überlegung herausgebildetes Strukturmerkmal von Kommunikation, sondern eine real existierende Determinante des Verhältnisses zwischen den Reichen, die von beiden Seiten nur noch hätte zur Kenntnis genommen werden können. In diesem Fall würde man das Verhältnis zweier Reiche wesentlich auf Basis einer spekulativen Grundlage erklären. Daher soll im Folgenden nicht auf diese Weise vorgegangen werden. Gelangt man dagegen zu dem Verständnis, dass dieses militärische Gleichgewicht nicht als Tatsache, sondern als eine Idee, eine Theorie damaliger Politiker und Militärs zu betrachten ist, wird das „warum“ die entscheidende Frage: Warum glaubte man damals daran? Wie gelangte man zu dieser Ansicht? Warum stellen es die Quellen so dar? Und: Was wollte man eigentlich von der anderen Seite, wenn man dieser Anschauung folgte? Wollte man sie trotzdem besiegen? Wollte man Stabilität? Ging es um Friedenssicherung? 36 Diese Zweiteilung ist im ursprünglichen Diltheyschen Sinne zu verstehen. 37 Es kann durchaus so gewesen sein, diese Annahme lässt sich aber nicht begründen und dürfte zudem ziemlich unwahrscheinlich gewesen sein.
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Für die Beantwortung dieser Fragen gilt es Geistesäußerungen zu untersuchen und diese sind in Form der Quellen vorhanden. Es ist in diesem Fall nicht möglich, hinter die Quellen zu sehen und eine von ihnen unabhängige Meinung über die Stärke der beiden Reiche zu finden, die sich über bloße Spekulation hinaus erhebt – daher muss untersucht werden, was sich untersuchen und mit ziemlicher Sicherheit sagen lässt: Das Kräfteverhältnis, wie es damals gesehen wurde. Wird das Gleichgewicht als reale militärische Situation betrachtet, erscheint es als unabänderliches Fatum, liest man es aber als Interpretation einer bestimmten politischen Lage, lässt es sich als menschengemachte Theorie zur Erklärung der weltpolitischen Lage verstehen. Erkennt man die Idee des militärischen Gleichgewichts als eine solche Idee, als geistiges Element, dann erkennt man sie auch als Struktur des diplomatischen Verhältnisses, wie im Folgenden noch zwei andere solche Strukturen (Gleichrangigkeit und religiöse Neutralität) aufgezeigt werden sollen. Von allen diesen Elementen gingen damalige Entscheidungsträger auf beiden Seiten im Sinne von Regeln der Kommunikation aus, also im Sinne von gemeinsam anerkannten Rahmenbedingungen: eben Strukturen im weiter oben etablierten Sinn, wie sich aus den Quellen herausarbeiten lässt. Daher ist nicht entscheidend, ob die Mächte wirklich gleich stark waren, entscheidend ist aber, dass die entscheidenden Personen der beiden Seiten im behandelten Zeitraum offenbar davon ausgingen. Hinsichtlich dieses Zeitraums teilen alle drei behandelten Strukturen ein Merkmal, so auch das empfundene Gleichgewicht: Sie waren ganz besonders seit der Teilung Armeniens in den 380igern und bis zum Fünfzigjährigen Frieden 561 wirksam, mit einem gewissen Vorlauf, den es zur Entstehung dieser Denkmuster bedurfte und einem gewissen Auslauf der Gedanken in Anbetracht einer sich verändernden Welt.38 Im Gegensatz zu den Strukturen der folgenden Kapitel hebt sich das empfundene Gleichgewicht besonders hinsichtlich seiner Darstellung in den Quellen heraus: Es findet sich recht deutlich bei mehreren Autoren, die unabhängig voneinander und in ganz verschiedenen Erzählsituationen diese Anschauung an den Tag legen. Dies ist bemerkenswert, da Selbstverständlichkeiten – und die Strukturmerkmale sind letztlich politische Selbstverständlichkeiten für die unter solchen politischen Bedingungen aufgewachsenen und in ihnen ausgebildeten Autoren – dem in seinem Bildungshintergrund und seiner Sozialisation ähnlichen und zudem zeitgenössischen Leser nicht erklärt werden mussten. Ein antiker Leser verstand solche Gegebenheiten seiner Welt, die in der Gegenwart umständlicher Erklärungen bedürfen. Der Anfang der Idee des Gleichgewichts lässt sich nicht auf eine Jahreszahl festsetzen, es dürfte sich vielmehr um eine Entwicklung handeln, welche die zweite Hälfte des 3. Jahrhunderts, seit der Schaffung des Sasanidenreiches, prägte.
38 Zu letzterem vgl. Howard-Johnston 2006, xivf.
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Mit den Parthern hatte Rom einen modus vivendi gefunden, der immer wieder gewaltsame Störungen erfuhr, aber nicht geeignet war, die von Rom wie Iran empfundene Ordnung der Welt zu stören. Trotz der Reichskrise des 3. Jahrhunderts musste Rom seine spätestens seit Augusteischer Zeit etablierte Politik gegenüber auswärtigen Mächten nicht verändern: Frieden ist erstrebenswert und Konflikte lassen sich auch friedlich lösen, aber im Fall unüberbrückbarer Differenzen ist Rom fähig und geneigt, die eigene Position mit Waffengewalt durchzusetzen. Diese Stellung wird je nach politischer Stimmung in Richtung der Kriegsbereitschaft oder des Friedenswillens modifiziert. Das Partherreich ist ein ernsthafter Gegner, aber diese Ernsthaftigkeit lässt Rom nicht davor zurückschrecken, im gegebenen Fall eine militärische Entscheidung zu wagen und auch umgekehrt reagiert das Partherreich gewaltsam, wenn andere Möglichkeiten versagen.39 Das Partherreich begegnete dem Imperium dabei ohne einen gleich weit reichenden ideologischen Gegenentwurf zu dessen Weltherrschaftsideologie.40 Die Positionen traten sich nicht prinzipiell antagonistisch entgegen. Mit dem Sasanidenreich und seiner im Vergleich zum Partherreich andersartigen Beschaffenheit41 und anderen Ideologie, von der später noch die Rede sein wird, findet dieser modus vivendi sein Ende.42 Eine neue weltpolitische Situation war geschaffen und beide Seiten mussten die Möglichkeiten des anderen ausloten, zumal nicht nur die Herrschaft der Sasaniden das östliche Mediterraneum und den Iran verändert, sondern zur gleichen Zeit die Wirren der Reichskrise das Imperium transformieren. In einer für beide Seiten besonderen und ungewohnten Situation trifft die neue auf die etablierte Großmacht und es entspinnen sich die gewaltsamen Kriege des 3. Jahrhunderts, die in der wieder andersgearteten Zeit der Tetrarchie mit dem Vertrag von Nisibis 29843 nicht nur einen vorläufigen Abschluss, 39 Vgl. Isaac 1989, 233; Parther als Römern ebenbürtig: Ziegler 1964, 37f.; Pourshariati 2008, 21; vgl. Debevoise 1931, 74; Campbell 2003, 213; Parther als den Römern unterlegen: Howard-Johnston 2012, 91; vgl. Millar 1988, 345; Lee 2009, 1f. Die Entwicklung der römischparthischen Beziehungen in ihren verschiedenen Phasen, von den Konflikten der Republik zur möglichst friedlichen Koexistenz des ersten nachchristlichen Jahrhunderts über den Einschnitt der trajanischen Zeit zu einer Phase der größeren Konfliktbereitschaft, die zur Zeit Hadrians wieder in eine stabilere Koexistenz übergeht, behandelt die Arbeit Ziegler 1964. 40 Ziegler 1964, 43, 86; vgl. Howard-Johnston 2012, 90f. 41 Vgl. Gray 1973, 28; Howard-Johnston 1995, 158–160; Lee 2009, 1f.; Funke 1996, 225; sasanidische Neuerungen: Sauer 2017b, 243. Das soll nicht bedeuten, dass die Sasaniden per se wesentlich aggressiver als die Parther gewesen wären, Börm 2019, 105–107; vgl. Börm 2016, 618–620. 42 Vgl. Campbell 1993, 237f. 43 Die Datierung des Friedens von Nisibis ist umstritten, für 299 plädieren etwa Barnes 1982, 63; Blockley 1992, 5–7; vgl. Blockley 1984 sogar im Titel; Williams 1985, 85; Blockley 1987, 224; Howard-Johnston 1995, 162; Seager 1997, 267f.; Tougher 2007, 64; für 298 dagegen etwa Ziegler 1964, 145; Winter 1988, 168; Bleckmann 1992, 141–147; Kolb 1995, 25– 27; Kuhoff 2001, 176–178; vgl. Ziegler 1964, 145f.; Garsoïan 1971, 344; Toumanoff 1971, 117; Lehmann 1973, 51 FN 25; Chrysos 1976, 11; Wirth 1978, 459; Chadwick 1979, 140; Barceló 1981, 74; Winter 1987, 50f.; Chrysos 1992, 27; Chrysos 1993, 174; Kettenhofen
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sondern auch einen Paradigmenwechsel erfahren, da erstmals ein offenkundiges beiderseitiges Bemühen um das grundlegende Ausräumen von Konfliktpotentialen statt der Lösung des gerade aktuellen Konfliktes, der zum Krieg geführt hat, sichtbar wird.44 Die Machtsituation war deutlich geworden und die Potentiale ausgelotet.45 Was auch immer beide Seiten in ihren Auseinandersetzungen als letztes Ziel motivierte,46 es kam nicht zu einer Durchsetzung einer neuen Ordnung. Rom hatte momentan die Oberhand, aber offenkundig keine Möglichkeit, eine fundamentale Veränderung der iranischen Verhältnisse zu bewirken. Das Sasanidenreich hatte sich als stabil erwiesen. Es würde bestehen bleiben und musste in seiner großen Stärke von Rom anerkannt werden. Umgekehrt musste aus Sicht des Sasanidenreiches deutlich werden, dass Rom auch nach der Reichskrise stabil und militärisch in der Lage war, der großen sasanidischen Kraft die eigene entgegenzusetzen. Auch Rom würde ein Gegenüber bleiben, mit dem bei allen weltpolitischen Überlegungen zu rechnen war. Keine Seite hatte die andere so besiegen können, dass sich die durch Rom und Iran bestimmte Ordnung der Welt im Nahen
1994, 105; Sommer 2005, 77f.; Wiesehöfer 2007, 165f.; Daryaee 2008, 38f.; Canepa 2009, 84; Mosig-Walburg 2009a, 12; Maksymiuk 2018, 593; Jackson Bonner 2020, 63. Letzteres Datum erscheint überzeugender. Einen Literaturüberblick bietet Kuhoff 2001, 178f., Anm. 489. Zum Vertrag selbst siehe auch Mosig-Walburg 2009a, 122–148. 44 Petr. Patr. frg. 201 [Banchich]; Güterbock 1906, 4; Canepa 2009, 4: „Open warfare punctuated by battlefield negotiations was the hallmark of the initial seven decades of the empiresʼ coexistence. During this period of open hostility, the empires could view each other as a barbarous ‚other‘. After Diocletian put the Roman empire back on its feet, a new military parity in turn allowed the emergence of a more fraternal relationship between the two realms and the development of a sophisticated system of diplomacy.“ Vgl. Winter 1988, 213–215; Ziegler 1964, 145; dagegen Mosig-Walburg 2009a, 150. Jones 1973, 1030f., mit weniger genau gefasster zeitlicher Eingrenzung: „In the 240 years which passed between the accession of Diocletian and that of Justinian there was thus a state of war between Rome and Persia for less than forty, and in most of those forty years there were no hostilities, but truces, official or unofficial, during which negotiations were pursued.“ Chrysos 1989, 14, sieht einen solchen Zustand erst im Kontakt Constantius II. und Shapurs II. als gegeben. Petros Patrikios: PLRE IIIB, Petrus 6, S. 994–998. 45 Winter 1988, 220, betont: „daß während des 3. Jahrhunderts die Grundlagen für die zunehmende Verdichtung zwischenstaatlicher Beziehungen entstanden. Es entwickelten sich außenpolitische Konzepte und Verhaltensmuster, die für die Beziehungen zwischen beiden Staaten bestimmend wurden.“ Vgl. Hartmann 2006, 137; Wiesehöfer 2007b, 165f. Rubin 1998, 178f., sieht das Ende dieser Phase erst mit der Teilung Armeniens; vgl. Dillemann 1962, 223f., da der zweite Vertrag von Nisibis als entscheidender Wendepunkt im Charakter der Kriegsführung gilt. Über das Verhältnis der Idee des militärischen Gleichgewichts zur diplomatischen Gleichrangigkeit, die bei der Teilung Armeniens besonders deutlich wird und keinesfalls mit dem Gleichgewicht identisch ist, siehe das folgende Kapitel der vorliegenden Arbeit. 46 Zur Frage nach den Ambitionen Schapurs I. Ridley 1973, 328; Frye 1984, 301; Rubin 1998, 178–182; Huyse 2002, 304; Hartmann 2006, 137; Luther 2006, 208f., 217; Börm 2008, 427.
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Osten geändert hätte.47 Erstmals wird in den Präliminarverhandlungen zu diesem Vertrag die Abhängigkeit Roms und Persiens voneinander beschworen, die sich später in der Ideologie der Gleichrangigkeit niederschlagen wird.48 Es ist eine verbreitete Forschungsmeinung, in diesem Vertrag und den kommenden Jahrzehnten eine Einsicht zu entdecken, dass sich beide Seiten nicht militärisch bezwingen konnten.49 Im oben genanten Sinne soll konkretisiert werden: Es handelte sich um die Annahme, dass beide Seiten sich unter den derzeitigen Gegebenheiten nicht besiegen konnten und in diesem Sinne gleich stark waren. Nur aus dieser Annahme heraus lässt sich die Idee der Gleichrangigkeit erklären, die im folgenden Kapitel behandelt wird. Sind auch in den Konflikten des 4. Jahrhunderts und besonders dem aus dem Rahmen fallenden Perserkrieg Julians noch Ausnahmen zu erkennen, die von der Hoffnung und dem Willen zeugen, das Gleichgewicht durchbrechen zu können,50 so ist doch spätestens ab der Teilung Armeniens in den 47 Börm 2019, 107–111, befasst sich mit möglichen römischen wie persischen innenpolitischen Hintergründen dieses Wandels; vgl. Börm 2016, 624–626. 48 Petr. Patr. frg. 201 [Banchich], zur Korrektheit der Angabe siehe auch die Anmerkungen S. 98, Anm. 67 – S. 98, Anm. 69 der vorliegenden Arbeit. Vgl. Ziegler 1964, 145: „Der Friedensschluß von 298 stellte im wesentlichen den Zustand, wie er unter den severischen Kaisern bestanden hatte, wieder her […]“ Der Abschluß dieses gegenüber dem besiegten Großkönig sehr maßvollen Friedens zeigt, daß Diocletian keinerlei Absichten hatte, das Perserreich selbst militärisch zu unterwerfen, daß er vielmehr auch den besiegten Gegner als gleichstehenden Souverän anerkannte. Aber auch Narseh, der noch einmal die imperialistische Politik seines großen Vaters Schapur I. aufgegriffen hatte, rückte unter dem Eindruck der erlittenen Niederlage offiziell von allen sassanidischen Weltreichsplänen ab: Der persische Gesandte soll das römische und das persische Reich mit zwei Leuchten verglichen haben, die, wie zwei Augen, jedes am Glanze des anderen teilhaben und nicht auf gegenseitige Vernichtung ausgehen sollten. Das war nicht mehr und nicht weniger als die Anerkennung der vollen Gleichberechtigung und Ebenbürtigkeit des römischen Kaisers mit dem König der Könige.“ 49 Siehe auch S. 63, Anm. 51 u. S. 66, Anm. 59 der vorliegenden Arbeit. 50 Immerhin scheint auch nach dem ersten Vertrag von Nisibis noch 303 ein den militärischen Erfolg feiernder römischer Triumph über die Perser im Rahmen der vicennalia Diokletians und Maximians vor ihrer Abdankung gefeiert worden zu sein, Petr. Patr. frg. 205 (Zonar. 12,32). Ammianus Marcellinus bietet diverse Beispiele für den ungewöhnlichen und „undiplomatischen“ Charakter des Julianischen Perserkrieges, der gerade in seiner Grausam- und Kompromisslosigkeit aus den Kriegen des 4. bis 6. Jahrhunderts heraussticht; Schippmann 1990, 35: „Der Feldzug zeichnete sich dabei durch Grausamkeiten, Plünderungen und Verwüstungen in ungeahnten Maßen aus.“ Wirth 1978, 485. Vgl. Matthews 1989, 145; Seager 1997, 263. Siehe auch Barceló 1981, 108. Ammian legt Julian bei 23,5,19f. (Übers. nach Veh), sogar die Worte in den Mund: abolenda nobis natio molestissima, cuius in gladiis nondum nostrae propinquitatis exaruit cruor. plures absumptae sunt maioribus nostris aetates, ut interirent radicitus, quae vexabant. – „Ausrotten müssen wir das uns lästigste aller Völker, an dessen Schwertern noch nicht das Blut unserer Brüder trocken geworden ist. Mehrere Menschenalter gingen oft unseren Vorfahren dahin, bis sie ihre Quälgeister von Grund auf vernichten konnten.“ Als Beispiele für solche werden Karthago, Fidenae, die Falisker und Veii genannt. Zu dieser Rede siehe auch Ross 2016, 189–201. Julian lässt bei Amm. Marc. 24,1,14 nach dem Fouragieren erreichbare restliche Lebensmittel und Bestände der Gegend niederbrennen. Bei 24,2,3 wird die Stadt Diacira bis auf wenige Frauen verlassen gefunden.
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Diese werden getötet und die Stadt niedergebrannt. Bei 24,2,4 wird die Stadt Ozogardana zerstört. Bei 24,2,19–21 wird die Stadt Pirisabora nach Aufgabe der Einwohner verbrannt. Auch Libanios verschweigt in seiner Grabrede auf Julian nicht, dass es dem Kaiser durchaus darum gegangen sei, im feindlichen Land den größtmöglichen Schaden anzurichten, wozu das Heer des Öfteren den Marsch unterbrochen hätte, Lib. or. 18,231; vgl. ebd. 243. (Zu Libanosʼ Rede und dem Perserkrieg siehe auch die Arbeit Benedetti Martig 1990.) Ammian legt Julian bei 24,3,9 feste Absichten in den Mund, so heißt es, er habe stets geschworen, so wahr er die Perser unterjochen und das erschütterte römische Weltreich wiederherstellen wolle. Julian habe an die Eroberung des Perserreiches geglaubt, 24,7,3; vgl. Lib. or. 18,282. Schapur II. stand diesen Ansichten und der daraus resultierenden Andersartigkeit des Krieges wohl anfangs etwas ratlos gegenüber. Die Friedensbitte des Perserkönigs habe Julian am Tigris laut Lib. or. 18,257f. komplett abgelehnt und danach sogar so getan, als sei es bei dem Treffen mit dem Gesandten nicht um dieses Thema gegangen. Dieser Krieg bewegte sich nicht in gewohnten Bahnen; auch in diplomatischer Hinsicht, vgl. Barceló 1981, 99; dagegen Mosig-Walburg 2009a, 301f. Laut Lib. or. 18,164 seien schon vor dem Krieg persische Gesandte in Syrien zu Julian gekommen, die Verhandlungen führen wollten, was die kaiserliche Umgebung samt Libanios freudig begrüßt hätte, Julian aber habe von Vornherein abgelehnt, da er keine Unterhandlungen führen würde, solange seine Städte zerstört wären; vielmehr würden ihn die Perser auch ohne Gesandte noch früh genug sehen. Dieses undiplomatische Verhalten erinnert übrigens an das in mehreren Quellen Crassus zugeschriebene Gebaren bei dessen Einfalls ins Partherreich, Fest. brev. 17,1; vgl. Plut. Crass. 18,2; Flor. epit. 3,11,5. (Zum Zusammenhang zwischen Crassus und Julian in der Darstellung des Festus siehe Grote 2011, 716f.) Auch Gray 1973, 33–35, betrachtet Julian als eine Ausnahme von realistischer Geopolitik. Laut Blockley 1992, 98, sei Julians Feldzug die Ausnahme von einer Tendenz, die von großangelegten, aggressiven Kriegen wegführte und habe mit seinem Scheitern die römische Auffassung von der Unangemessenheit dieser Kriegsführung verstärkt. Vgl. Tougher 2007, 64, zur Entscheidung Julians, den Perserzug zu beginnen: „[...] it can be argued that there seems to be an element of obsession to the emperorʼs decision.“ Vgl. Matthews 1989, 136: „[...] nothing emerges more clearly from the Ammianusʼ account than the force of Julianʼs personal obession with the invasion of Persia, and his belief in his own unique ability to pursue it successfully.“ Dagegen legt Wirt 1978, 485, „ein bisher nie gekanntes Spektrum an Exzessen, Grausamkeit und Härte in Verhalten wie Kampfesweise“ den Soldaten zur Last, die sich nicht mit dem Perserzug hätten identifizieren können, nicht etwa Julian. Vgl. Geffcken 1914, 119: „Das ganze Land wurde zur Vergeltung für Shâpurs Grausamkeit fürchterlich verwüstet, eine Maßregel, deren Schärfe zu der Milde, die Julian seinen Einwohnern gegenüber gebot, in eigentümlichem Gegensatze steht.“ Generell zu Julians Perserzug Bowersock 1997, 105–119; Tougher 2007, 63–71; Mosig-Walburg 2009a, 283–304. Für die persische Wahrnehmung des Krieges Julians lässt sich möglicherweise das Felsrelief Taq-e Bustan I heranziehen, das den Triumph über Julian zeigen könnte. Lange gab es keine derartigen Darstellungen, aber Julian könnte eine solche gewissermaßen verdient zu haben. Er handelt in besonderer Weise gegen die etablierten Regeln der Weltordnung und damit gegen das Gute, in ihm hat sich das Daivische in besonderer Weise manifestiert, vgl. Canepa 2009, 108f. Es ist allerdings nicht sicher, ob das Relief tatsächlich Julian darstellt, wie auch, ob der König mit Schapur II. oder Ardashir II. zu identifizieren ist, Trümpelmann 1975, 107–111. Zur dahingehenden Forschungsgeschichte siehe die Arbeit Sellheim 1994. Laut Lib. or. 18,305, habe es bildliche persische Darstellungen des Feldzuges gegeben, auf denen Julian mit einem Donnerkeil assoziiert worden sei.
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380igern deutlich, dass die großangelegte militärische Konfrontation mit der Hoffnung auf eine drastische Verschiebung der Machtverhältnisse oder politischen Landkarte weg von der durch gleichermaßen Rom wie Iran bestimmten Ordnung des Nahen Ostens aufgegeben wurde.51 Ammianus Marcellinus, der offenkundig wenig von römisch-persischer Verständigung auf Basis der Gleichrangigkeit und des Gleichgewichts hielt,52 musste aber doch den eigentümlichen Charakter der Konflikte seit 298 bemerken, da er den römischen protector Antoninus, der auf die persische Seite übergelaufen ist, gegenüber Schapur II. eine Analyse der letzten 40 Jahre, also ungefähr der Zeit seit 298, bieten lässt. Auch nach Hileia und Singara seien die Perser nicht an Edessa und die Euphratbrücke herangekommen. Dabei hätten sie im Vertrauen auf ihre Waffengewalt und ihre glänzenden Erfolge ihr Reich derart ausdehnen müssen, daß , zumal gerade in einer Zeit, wo in langwierigen, unruhvollen Bürgerkriegen auf beiden Seiten das Blut besten römischen Soldatentums vergossen wurde.53
Geht man von einer Alexander-Nachfolge Julians aus, würden seine Kriegsziele wiederum in anderem Licht erscheinen, Socr. hist. eccl. 3, 21; vgl. Bowersock 1997, 101, 104, 106; abwägend Matthews 1989, 137f.; Barnes 1998, 146–149, 163; Tougher 2007, 65, dagegen Smith 1995, 12f.; Lane Fox 1997, 248–252; Mosig-Walburg 2009a, 298; vgl. Ridley 1973, 362. Zur Genese des Topos der Alexander-Parallelen Julians seit der Antike siehe die Arbeit Smith 2011. Eine ausführliche Literaturzusammenstellung findet sich bei Hartmann 2018, 1553, Anm. 356. 51 Vgl. Howard-Johnston 2017, 290, wenn auch mit stärkerer Betonung der Konflikte des 4. Jahrhunderts und der Bedeutung der beide Reiche bedrohenden Hunnen für ein römischpersisches friedliches Arrangement; vgl. Güterbock 1906, 37; Shahid 1972, 314f.; Ziegler 1983, 16; Howard-Johnston 1995, 162; Howard-Johnston 2006, xii; vgl. Fowden 1993, 35. Blockley 1992, 36, deutet die persischen Bemühungen um die Teilung Armeniens vor dem Hintergrund der Absicht „to remove the Armenien problem by establishing a clear and agreed interpretation of the relevant clause of the treaty of 363.“ Vgl. ebd. 43. Gegen größere Bedeutung der Hunnengefahr für das Arrangement der Mächte Börm 2019, 109: „Meines Erachtens liegt ein wichtiger Schlüssel zum besseren Verständnis des friedlichen fünften Jahrhunderts im gewandelten Charakter der beiden Monarchien.“ Vgl. Börm 2016, 624f. Zu Details der Teilung, nicht zuletzt dem Umfang der Gebiete, Kerouzian 1977, 102–111. 52 Blockley 1984, 30, schreibt ihm zudem generell kein großes Interesse an Diplomatie zu. 53 Amm. Marc. 18,5,7 (Übers. nach Veh): quos armipotentia fretos successibusque magnificis ita dilatasse decuerat regna, ut … arent, eo maxime tempore, quo diuturnis bellorum civilium motibus sanguis utrimque Romani roboris fundebatur. Eine Auflistung der Hintergrundereignisse, an die Ammian denken könnte, bietet der Komm. de Jonge XVIII, 142f. Zu diesem Antoninus und verwandten Fällen Elton 1996, 98; Drijvers 2006, 57; Hartmann 2007, 58f.; Kagan 2011, 162–166. Vgl. Amm. Marc. 22,12,1, da vor Julians Perserzug festgestellt wird, dass die Perser nun schon seit fast 60 Jahren im Osten wüteten. Mosig-Walburg 2009a, 157f., interpretiert Ammian so, dass er fälschlich größere Kampfhandlungen am 319 postuliert hätte. Zu Antoninus PLRE I, Antoninus 4, S. 74f.
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Auch wenn an der zentralen Stelle eine Lücke im Text steht, ist offenkundig, dass die Verwunderung Ammians über die nicht eingetretene persische Vorherrschaft an dieser Stelle gestanden haben wird.54 Unabhängig der Bewertung des Geschehens stellt Ammian doch die Andersartigkeit der Kriege der letzten Jahrzehnte fest, in denen die großen Aktionen des 3. Jahrhunderts nicht wiederkehrten. In Gestalt des Überläufers bietet der erfahrene Militär Ammian wahrscheinlich seine eigene Meinung zum persischen Verhalten: Mit massiertem Einsatz militärischer Gewalt hätte sich das Sasanidenreich in Anbetracht der inneren Wirren im Imperium die Oberhand sichern können. Diese Anschauung impliziert wiederum, dass es zwischen Rom und Persien in den letzten vierzig Jahren nicht zur Bildung einer stabilen Überlegenheit der einen Seite kam; diese Überlegenheit anscheinend auch nicht angestrebt wurde, obwohl sich dazu Chancen für Persien geboten hätten. Dies charakterisiert das neue römischsasanidischen Verhältnis. Andernorts legt Ammian den Akteuren seines Geschichtswerkes in einem diplomatischen Zusammenhang deutlicher die Auffassung vom Mächtegleichgewicht als Normalfall in den Mund.55 Besonders bemerkenswert ist gerade der Umstand, dass dies in der brieflichen Kommunikation zwischen Constantius II. und Schapur II., also der höchsten diplomatischen Ebene, geschieht. Ammian gibt die in diesem Verhältnis herrschende Auffassung wieder, da er Constantius auf Schapurs Friedensbedingung, Armenien und ganz Mesopotamien den Sasaniden zu überlassen, 358 schreiben lässt: Nun sind wir einem Frieden nicht entgegen und lehnen ihn auch nicht ab, er muss freilich mit Anstand und Ehre im Einklang stehen und darf in keinem Fall unserer Selbstachtung und Majestät Abbruch tun. Widersinnig und unverständlich wäre es ja, jetzt, da eine strahlende Reihe von Taten – des Neides Ohren mögen es ruhig vernehmen – uns vielfältigen Ruhm gebracht hat, da uns nach dem Sturz der Gewaltherrschaft der ganze römische Erdkreis wieder gehorcht, jenes Gebiet preiszugeben, das wir in der langen Zeit, als wir auf den Osten beschränkt waren, unverkürzt behaupten konnten.56
54 Die Ergänzung in der Übersetzung stammt von Otto Veh. Unsicher Komm. de Jonge XVIII, 148. 55 Zu Ammians deutlichen Stellungnahmen bezüglich des von ihm Geschilderten Rosen 1982, 122. 56 Amm. Marc. 17,5,12f. (Übers. nach Veh): non refutamus hanc nec repellimus; adsit modo cum decore et honestate, nihil pudori nostro praeruptura vel maiestati. est enim absonum et insipiens nunc, cum gestarum rerum ordines – placatae sint aures invidiae! – nobis multipliciter illuxerunt, cum deletis tyrannis totus orbis Romanus nobis obtemperat, ea prodere, quae contrusi in orientales angustias diu servavimus illibata. Zu den Hintergründen Komm. de Jonge XVII, 158f. Vgl. 19,11,17, da Ammian es als bekannten Umstand bezeichnet, dass der Großkönig bei einem Einfall mit seinen Truppen Mesopotamien schnell hinter sich ließe, wenn ihm nicht mit der himmlischen Vorsehung und großer Masse und Anstrengung entgegengetreten würde. Die Korrespondenz könnte auf gute Quellen zurückgehen, Barceló 1981, 90. Vgl. Widengren 1959, 246; Verosta 1964, 549f.; Stallknecht 1967, 46f.; Chrysos 1976, 21; Chadwick 1979, 150; Blockley 1984, 29; Chrysos 1993, 187.
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Das zeugt von der Auffassung, dass es eine besondere Leistung des Constantius war, sich allein mittels der Ressourcenbasis der östlichen Teile des Imperiums in den umstrittenen Territorien gegen die sasanidische Macht behaupten zu können. Dagegen müsse dies auch ohne eine solche Ausnahme möglich sein, wenn nun wieder die ganze römische Ressourcenbasis der sasanidischen entgegengestellt werden kann. Ammian schreibt Schapur in diesem Zusammenhang auch den Gedanken zu, er könne Forderungen stellen, da Constantius zuerst um Frieden gebeten hatte und nicht bitten würde, wenn er sich nicht momentan unterlegen fühlen würde.57 Eine eindeutige persische oder römische Überlegenheit wird nicht als Normalfall präsentiert. Die Schlussfolgerung lautet eben nicht, dass Constantius jetzt, da er über eine größere Ressourcenbasis verfügt und schon vorher seine Stellung halten konnte, auf jeden Fall siegen wird. Selbst der in etlichen Quellen gescholtene zweite Frieden von Nisibis,58 der Frieden Jovians, ist letztlich eine Res57 Amm. Marc. 17,5,2. 58 Die zahlreichen Quellenzeugnisse zu diesem Ereignis finden sich gesammelt und nach ihrer durchaus stark differierenden Einstellung gegenüber dem Frieden geordnet in dem Quellenband Greatrex/Lieu 2002, 1–9. Chrysos 1976, 25; Blockley 1992, 29f.; siehe auch die Arbeit Chrysos 1993 u. Mosig-Walburg 2009a, 305–324. Die Bewertungen in der Reihenfolge von den negativsten zu den positivsten Stimmen stellen sich etwa so dar: Nach Amm. Marc. 25,7,6–14, der die Bestimmungen darlegt, wäre es besser gewesen, zehn Schlachten zu wagen als einen solchen Frieden zu schließen. Agath. hist. 4, 25,7, benennt zwar die Zwänge, denen Jovian unterworfen war, betrachtet den Frieden aber als ehrlos, schändlich und noch im Hinblick auf seine eigene Zeit in seinen Gebietsabtretungen schädlich. Eunapius, frg. 29,1,3–6 u. 10–15, kritisiert besonders die Übergabe von Nisibis und unterstellt Jovian, er habe das Feld nur geräumt, um möglichst schnell im eigenen Land die unerwartet gewonnene Kaiserwürde genießen zu können. In einem ähnlichen Tenor äußert sich auch Fest. brev. 29, wobei betont wird, wie unerhört die Bedingungen gewesen wären; vgl. Jos. Styl. 7; Lib. or. 18,279. Als schändlich, aber in Anbetracht der damaligen Situation notwendig betrachtet den Frieden Eutr. 10,17,1, so auch Oros. hist. 7,31,1f.; Socr. hist. eccl. 3,22,5–7; Soz. hist. eccl. 6,3,2; vgl. Zonar. 13,14,4–6. Laut Greg. Naz. or. 5,15 sei der Frieden zwar schändlich und unwürdig gewesen, aber man könne nur Julian, unmöglich Jovian die Schuld dafür geben; ähnlich argumentiert Joh. Chrys., de sancto Babyla 123, 7–26. Abwägend unter Angabe aktueller Zwänge Chron. ad 724, a. 674; ähnlich Buzandaran Patmutʼiwnk‘ 4,21; Hier. chron. a. Abr. a. 364; besonders auch Philostorg. hist eccl. 8,1. Bei Rufin. hist. eccl. 11,1 erscheint das persische Verhandlungsangebot gegenüber dem eingeschlossenen römischen Heer als Zeichen des auf Jovian ruhenden göttlichen Wohlwollens; vgl. Theod. hist eccl. 4,2,2f. Ohne religiösen Aspekt, aber gleichfalls als bemerkenswert schätzt Zos. 3,31,1 den Umstand ein, dass die Perser Verhandlungen eröffneten, obwohl sich das römische Heer in einer derart bedrängten Situation befand. Ähnlich bemerkt bereits Lib. or. 18, 279, dass es verwunderlich sei, dass die Perser in Anbetracht der römischen Bedrängnis nicht noch größere Zugeständnisse gefordert hätten, was ihn aber dann zu Kritik an Jovian führt: Man solle also den Persern dankbar sein, denn Jovian hätte ihren Bedingungen so lange zugestimmt, wie nur sicher gewesen wäre, dass noch genug vom Imperium übrig bliebe, um zu herrschen, Luxus zu genießen sowie Trunkenheit und Völlerei zu pflegen. Ioh. Mal. 13,27 schildert den Friedensschluss ohne eigentliche Bewertung der Gebietsabtretungen, wobei er die Furcht der Perser betont, die um Frieden gefleht hätten, da ihnen Julians Tod noch unbekannt war; vgl. Them. or. 5,66a. Von einem einvernehmlichen Frieden schreibt Cedr. I p.
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tauration der Gleichgewichtsidee nach dem julianischen Zwischenspiel. Es hatte sich die Theorie des Gleichgewichts aus damaliger Sicht als richtig erwiesen, denn es war Julian trotz seines gewaltsames Hinwegsetzens über die etablierten Gepflogenheiten römisch-sasanidischer Konflikte nicht gelungen, die Verhältnisse des Nahen Ostens grundlegend zugunsten Roms zu verändern.59 Entsprechend wurde durch den Vertrag auch keine grundlegende Änderung zugunsten der Sasaniden versucht, sondern vielmehr keine massivere Modifikaton, als sie der erste Vertrag von Nisisbis zugunsten Roms bedeutet hatte.60 Die Teilung Armeniens ist wieder ein Ausdruck des Bemühens darum, Konflikte durch Beseitigung von Konfliktpotentialen und Gegenständen beizulegen, da sich unentschiedene – und wiederum aus damaliger Sicht mehr oder weniger zwangsläufig unentschiedene – Konflikte an der Lage Armeniens zwischen den 539, 16–21;. Aug. civ. 4,29 betont die große Not des römischen Heeres und stellt fest, dass die Gebietsabtretungen weniger verlustreich gewesen wären als die Aufgabe der trajanischen Eroberungen durch Hadrian. Generell gilt es bei der Beurteilung der Quellenzeugnisse die Umstände zu bedenken: Etwa Agathias lebte Jahrhunderte nach den Ereignissen, wobei fraglich ist, wie gut er die Situation seit dem ersten Frieden von Nisibis einzuschätzen in der Lage war; was noch mehr für spätere Autoren gilt; Ammian ist zwar eine exzellente Quelle der Ereignisse, verhehlt aber seine große Sympathie für Julian und Antipathie gegenüber Jovian nicht, umgekehrt geht es etlichen christlichen Autoren. Die polarisierende Gestalt Julians überstrahlt immer wieder die Bewertungen des Frieden, dessen Abschluss auf das engste mit seinem Tod verknüpft ist; sehr deutlich wird dies etwa bei Lib. or. 1,134; vgl. 18, 277f., für die projulianische Seite, dagegen etwa Artemii passio 69f.; Rufin. hist. eccl. 11,1; Greg. Naz. or. 5,15 für die antijulianische. Immer wieder spielen auch die leidvollen Folgen der Abtretung von Nisbis eine Rolle. 59 Vgl. Blockley 1984, 38, zum ersten und zweiten Vertrag von Nisibis: „Whatever Roman or Persian propaganda might declare thereafter, in general the two sides, both in fighting and in negotiation, remained within the limits set by these treaties. Thus, together they laid the ground for the development of ‚byzantine‘ diplomacy, which, in its origin, was to a large extent the creation of the need of the Romans and the Persians to coexist.“ Blockley 1992, 1: „The treaty of 363 eliminated most, but not all, of the Roman territorial gains of 299 and created a border that proved acceptable to both sides. Thereafter, most of the differences that arose between the Romans and the Persians could be settled without recourse to war, a situation which persisted throughout the fifth century and until Kawad invaded Roman Mesopotamia in 502.“ Vgl. Dillemann 1962, 223f.; Lee 1991, 374; Börm 2019, 111. 60 Blockley 1992, 27: „This arrangement, and particularly the recognition of the strategic and cultural orientation of the regions which left the Syrian Marches in Roman hands, demonstrates that the overriding concern of the Persians was a stable and defensible settlement rather than territorial aggrandisement for its own sake.“ Bei Honigmann 1935, 5, wird sogar davon ausgegangen, die aus den Jovianischen Abtretungen folgende Kürzung der Grenze sei für das Imperium nicht ganz unvorteilhaft gewesen; vgl. Frézouls 1981, 217; Mosig-Walburg 2009a, 321; dagegen Fisher 2011a, 32; vgl. Blockley 1992, 28f.; Güterbock 1900, 13. Im Übrigen waren die 298 vom Sasanidenreich abgetretenen und die 363 gewonnen Gebiete nicht identisch, Blockley 1992, 27, aber doch von vergleichbarem Umfang. Mosig-Walburg 2009a, 12. Ebd. 15: „Der […] Friedensvertrag des Jahres 363 wiederum, der nun von persischer Seite diktiert wurde, stellte im wesentlichen Verhältnisse her, wie sie bis zum Jahr 298 bestanden hatten.“ Zur Frage nach der Revision auch ebd. 314–320.
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Mächten und in beider Interessensphäre entzündeten.61 Rom bekam den kleineren Teil der Gebiete, war aber keineswegs der „Verlierer“ dieses Abkommens, sondern hatte im beiderseitigen Interesse an einer stabilen Situation, die weit vorteilhafter war, als lange und unentschiedene Kriege, dieses Abkommen abgeschlossen.62 Aus dieser Regelung spricht die Einsicht beider Seiten, lieber das Gleichgewicht und damit eine fruchtbare und möglichst friedliche Situation zu erhalten, als es zu gefährlichen Kriegen kommen zu lassen, die nach bisheriger Erfahrung zu keiner grundlegenden Veränderung der Lage führen würden. Die Teilung Armeniens ist daher auch im Hinblick auf die Idee des Gleichgewichts – wie für die folgenden Strukturmerkmale – der Punkt des römisch-sasanidischen Verhältnisses, da ein Verständnis diplomatischer Strukturen erreicht war, das für die entscheidenden Persönlichkeiten bis mindestens zum Vertrag von 561 bindend war. Ausnahmen in den herrschenden Kreisen – wie jene Julians – kamen bis ins letzte Drittel des 6. Jahrhunderts nicht mehr vor.63 Orosius projiziert die Selbstverständlichkeiten seiner Zeit dann bereits in die Augusteische Zeit zurück, indem er den Gedanken ansetzt, Rom wäre Persien überlegen, sofern es all seine Kraft gegen den östlichen Gegner einsetzen könnte, was er eben in den Tagen des Augustus als gegeben sieht: Da gleichsam der gesamte Erdkreis bezwungen oder befriedet war, meinten die Parther, sie würden mit aller Augen beobachtet und die gesamte Kraft des römischen Reiches werde sich gegen sie wenden, zumal die Römer seit langem Gewissensbisse wegen der fälligen Rache für das Gemetzel an Crassus und seinen Leuten hatten.64
61 Explizit schon Güterbock 1900, 12: „Beide Mächte kamen mit einander überein, die Ursachen ihres langjährigen Zwistes und der gegenseitigen Eifersucht für alle Zeit dadurch aus der Welt zu schaffen, dass sie das Streitobjekt unter sich teilten und die beiden Interessensphären daran fest abgrenzten.“ Vgl. Greatrex 1998, 11. 62 Vgl. Blockley 1987, 224; Howard-Johnston 1995, 162; Greatrex 1998, 12f. 63 Vgl. Ziegler 1983, 16f. Vgl. Canepa 2010, 123: „After 293, Diocletianʼs reforms strengthened the Roman empire and ended the Sasaniansʼ military dominance. A more fraternal relationship between the two realms emerged and, along with it, an increasingly sophisticated system of diplomacy that endured even the most violent of the fourth and fifth centuriesʼ hostilities. The fifth and early sixth centuries brought the courts even closer together […]“ Bei Blockley 1992, 1f., 30, wird eine Phase besonderer Kooperation zwischen 363 und 502 gesehen. Persische militärische Zurückhaltung stellt er vom Tod Schapurs I. bis 502 fest, ebd. 103. 64 Oros. hist. 6,21,29 (Übers. Lippold): Parthi, quasi toto terrarum orbe vel domito vel pacato omnium oculis signarentur atque in se solos omnis vigor Romani imperii vertendus esset, quippe quos pristina ulciscendae Crassianae caedis conscientia mordebat […]. Eine andere Projektion ließe sich auch in HA vit. Car. 8f. Annehmen: Der im späten 4. Jahrhundert schreibende Autor, der vorgibt, im späten 3. Jahrhundert tätig zu sein, äußert sich zum Tod des Carus dahingehend, dass dieser einer Krankheit erlegen sei und wendet sich dabei gegen einen seiner Behauptung mach verbreiteten Glauben, dass Carus in übernatürlicher Fügung vom Blitz erschlagen worden wäre, da vom Schicksal bestimmt sei, das kein römischer Kaiser über Ktesiphon hinausgelangen könnte. Der Meinung des Autors nach sei diese Ansicht eine Ausrede, es sei vielmehr möglich und werde bei Erhalt göttlichen Wohlwollens auch geschehen. Es wäre zumindest denkbar, dass der Autor sich in den Unterschied zwischen seiner
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Dieser Gedanke wird sich noch bei Menander Protektor für das späte 6. Jahrhundert wiederfinden. Umgekehrt bedeutet er offenbar: Solange weder Rom noch Persien alle Macht gegen den anderen ansetzen kann, wird keine Seite die andere entscheidend besiegen können. Im östlichen Raum hat dieser Gedanke seine Entsprechung bei Elishe Vardapet, der über die Macht des Großkönigs rhetorisch fragen lässt, wer auf Erden dessen Befehl noch entgegenstehen könnte, sofern der Kaiser nicht den großköniglichen Willen überschreite und die Hunnen ihm untertan blieben.65 Es kann also neben den nomadischen Kräften nur der Kaiser dem Großkönig gefährlich werden, nur er kann seinem Willen einen eigenen Willen entgegensetzen. Dies macht wiederum den Eindruck der vergleichbaren Stärke. Priskos, der die Erschütterungen der bestehenden Weltordnung durch das Erstarken Attilas treffend schildert, bietet eine pessimistische Zukunftsvision, was passieren könnte, wenn Attila sich, wie von einem weströmischen Gesandten gemutmaßt wird, gegen das Perserreich wenden und es besiegen würde. Er legt dem Gesandten Romulus, dessen Gesandtschaft die oströmische unter Teilnahme des Autors auf dem Weg zu Attila trifft, die Meinung in den Mund, entgegen der Hoffnung der anderen Gesandten, dass es etwas Gutes sei, wenn Attila gegen das Sasanidenreich ziehe, fürchte er vielmehr, wenn Attila auch die Perser unterworfen haben würde, käme er zu den Römern als Herr und nicht mehr nur als Freund zurück. Aktuell bringe man ihm seines römischen militärischen Ranges wegen Gold, wenn er aber die Perser unterworfen habe, würde er keinen römischen Staat mehr dulden, der unabhängig von ihm sei. Er würde die Römer dann für seine Diener halten und ihnen sehr harte und nicht zu akzeptierende Vorschriften auferlegen und auch den Rang, der ihm von römischer Seite als Ehrung verliehen worden war, zurückweisen und stattdessen die Römer zwingen, ihn als βασιλεύς statt als magister militum anzusprechen. Er sage schon in der Gegenwart, wenn er zornig sei, dass seine Untertanen den römischen magistri gleich kämen, seine magistri aber den römischen Kaisern.66 Priskos widerspricht diesen Ansichten weder als Erzähler noch lässt er eine handelnde Figur widersprechen.67 eigenen Zeit und der, in der er zu schreiben vorgibt, hineinzudenken versucht hat. Der Einwand, dass Rom das Perserreich nicht besiegen könnte, stammt aus seiner eigenen Zeit, da er aber vorgibt, früher zu schreiben, da sich das Gleichgewicht noch nicht völlig eingependelt hatte, erteilt er dieser Annahme eine deutliche Absage. 65 Elishe 2, p. 42. 66 Priskos frg. 11,2 [ed. Blockley]. Siehe auch Chrysos 1992, 34f.; Howarth 1994, 79; Rosen 2016, 174, 198f. 67 Bei Börm 2007, 303, wird die Stelle so gedeutet, dass sich hier vielleicht zwei verschiedene römische Einstellungen gegenüber dem Sasanidenreich ausmachen lassen: Manche vertreten die Meinung, man sollte hoffe, Hunnen und Perser würden sich gegenseitig neutralisieren, andere betonen dagegen die Gemeinsamkeiten der beiden Großmächte gegenüber den Hunnen. Dies mag sein, Priskos selbst bezieht aber recht deutlich Stellung. Wirth 1999, 144f., dagegen nimmt an, Priskos habe nicht an die Ansicht geglaubt, die er dem Diplomaten in den Mund legt.
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Es kommt in dieser ganzen Passage nicht einmal der Gedanke auf, dass im Fall des Sieges Attilas über Persien ein Krieg zwischen Rom und Attilas Hunnen die Weltherrschaft entscheiden würde, vielmehr wird vorausgesetzt, dass Attila Rom dann zwingen könnte, seine Herrschaft anzuerkennen. Es wird impliziert, dass Attila durchaus in der Lage sein könnte, Persien und Rom (zumindest unter Heranziehung der persischen Mittel) zu besiegen. Es wird nicht davon ausgegangen, dass das Sasanidenreich gegen Attila siegen wird, wozu Rom momentan auch nicht in der Lage zu sein scheint. Das alles erzeugt den Eindruck, dass Attila aus Priskosʼ Sicht momentan stärker als Rom und Persien war, diese aber ungefähr gleichauf lagen. Für Prokop ist das Gleichgewicht nach wie vor eine Selbstverständlichkeit, die er seinen Lesern nicht erklären zu müssen glaubt. So bestreitet er nicht die Berechtigung des Schreibens Chosraus I. an Justinian, da ersterer diesen nach dem Vandalenkrieg mit der Begründung, ohne Frieden seitens der Perser sei kein Sieg über die Vandalen möglich gewesen, um einen Teil der Beute bittet. Justinian beschenkt ihn tatsächlich.68 Dem liegt die Anschauung zugrunde, Rom könne nicht an zwei Fronten erfolgreich sein, sondern werde im Fall eines Perserkrieges völlig von diesem gebunden, ohne wesentliche Erfolgsaussichten andernorts zu haben. Aus dem Kontext lässt sich im Umkehrschluss entnehmen, dass Chosrau aber auch keine großen Erfolgsaussichten hatte, wenn sich Justinian mit aller Kraft dem Perserkrieg widmete. Nach Prokops Meinung sind diese Ansichten korrekt, gibt er doch an, die Perser reue der Frieden mit den Römern, da sie sehen müssten, in welchem Aufschwung sich die römische Macht befände. Dies exemplifiziert die Anschauung, dass eines Tages das Gleichgewicht durchbrochen sein könnte, worauf Rom durch die Eroberungen im Westen hinzuarbeiten schien. Explizit kommt dies auch in dem von Prokop geschriebenen Dialog zwischen gotischen Gesandten und Chosrau zum Ausdruck, da er den Goten diese Ansicht über Justinian in den Mund legt: Da er nun nicht imstande war, für sich allein die Perser anzugreifen, und wenn diese ihn bekriegten, auch nicht gegen andere vorgehen konnte, so entschloss er sich, dich unter Vorspiegelung eines Friedensvertrages zu täuschen, um dann durch Unterwerfung der anderen Völker gewaltige Kräfte gegen dein Reich zu gewinnen.69
Es ist eine bekannte Methode des justinianfeindlich eingestellten Prokop, Fremden, Barbaren und generell Feinden des Reiches justiniankritische Meinungen in den Mund zu legen, um sich so davor zu schützen, selbst als Kritiker des Kaisers zu erscheinen.70 Im Gespräch zwischen den zwei großen damaligen Gegnern Jus68 Prok. Bell. 1,26,2–4. Zu dieser Episode Sykes 1921, 450. 69 Prok. Bell. 2,2,7 (Übers. nach Veh): εἶτα (οὐδὲ γὰρ Πέρσαις κατὰ µόνας ἐγχειρεῖν ἴσχυεν οὐδὲ Περσῶν οἱ ἀντιστατούντων οἷός τε ἦν ἐπ̓ ἄλλους ἰέναι) σὲ µὲν τῷ τῆς εἰρήνης παραπετάσµατι ἐξαπατᾶν ἔγνω, τοὺς δὲ λοιποὺς βιαζόµενος µεγάλας δυνάµεις ἐπὶ τῇ σῇ ἀρχῇ ἑταιρίζεσθαι. 70 Vgl. Rubin 1957, 381f.
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tinians: den Goten und den Persern, war dies umso besser zu bewerkstelligen. Im Folgenden macht Prokop die Angst vor dem Anwachsen der römischen Macht und ihrer folgenden Wendung gegen Persien zu einem entscheidenden movens des Chosrau bei seinem Einfall in den römischen Osten, kleidet ihn aber in den Rahmen des persischen Neides auf den römischen Erfolg.71 Auch lässt er zu Chosrau geflohene Armenier gewissermaßen zur Untermauerung der gotischen Sicht auf die justinianische Strategie ein düsteres Zukunftsbild entwerfen,72 und den Bruch des Ewigen Friedens in Form eines Präventivkrieges als praktikable Lösung erscheinen, um Justinians Machtzuwachs einzudämmen: Indessen werden wir es nicht einmal mit einem gleich starken Gegner zu tun haben; denn die Mehrheit der römischen Truppen steht in den Randgebieten des Reiches […]73
Auch das Fehlen des Belisar und Sittas wird dazugerechnet. Gerade diese Stelle könnte expliziter nicht sein: Wenn die Römer nicht im Westen zu tun hätten, sondern nur im Kampf gegen Persien und Persien ebenfalls nur im Kampf mit Rom stünde, wären sie gleich stark. Da das römische Heer aber derzeit zu großen Teilen im Westen gebunden ist, das persische Heer aber verfügbar, liegt der Vorteil im Moment auf persischer Seite. Es geht, wie der folgende Krieg zeigt, nicht um Eroberungen oder gar ein Durchbrechen des Gleichgewichts zugunsten Persiens, sondern nur um eine Sabotage des justinianischen Machtzuwachses im Westen, indem dieser nun Kräfte in den Osten bringen muss, damit er nicht seinerseits das Gleichgewicht verändern kann. Bereits die gotischen Gesandten äußern gegenüber Chosrau dies als Ziel Justinians: [...] erkenne vielmehr an unseren Unglücksfällen, was in Bälde auch den Persern widerfahren kann, und bedenke, dass die Römer wohl niemals deinem Königtum freundlich gesinnt sind und ihre Feindschaft gegen die Perser sogleich offen an den Tag legen werden, wenn sie die Übermacht gewonnen haben!74
Ob diese Unterstellungen gerechtfertigt waren, ist Ansichtssache, aber die zugrundeliegende Anschauung bleibt die, dass es einer gewaltigen Machtverschiebung bedürfte, um das Gleichgewicht zu ändern. Dass die Episode um die gotische Gesandtschaft vor Chosrau im Übrigen einen historischen Kern hat, untermauert Prokop selbst, da er an anderer Stelle ziemlich detailliert berichtet, dass der Dolmetscher der beiden Gesandten bei Konstantine
71 Prok. Bell. 2,2,12; Daryaee 2008b, 78. 72 Prok. Bell. 2,3,35–37. 73 Prok. Bell. 2,3,52 (Übers. nach Veh): οὐ µὴν οὐδὲ ἐξ ἀντιπάλου ἡµῖν τῆς δυνάµεως ὁ ἀγὼν ἔσται. Ῥωµαίοις γὰρ τῶν τε στρατιωτῶν πλείστους πρὸς ταῖς τῆς οἰκουµένης ἐσχατιαῖς ξυµβαίνει εἶναι [...] 74 Prok. Bell. 2,2,10 (Übers. nach Veh): […] ἀλλ̓ ὅρα µὲν ἐν τοῖς ἡµετέροις κακοῖς ὅσα ὀλίγῳ ὕστερον ξυµβήσεται Πέρσαις, ἐνθυµοῦ δὲ ὡς. Ῥωµαῖοι τῇ σῇ βασιλείᾳ εὖνοι µὲν οὐκ ἄν ποτε εἶεν, δυνάµει δὲ κρείσσους γενόµενοι οὐδὲν µελλήσουσι τὸ ἐς Πέρσας ἔχθος ἐνδείκνυσθαι.
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festgenommen und verhört wurde.75 Die Gespräche wird Prokop wahrscheinlich nicht gekannt haben, wenngleich in Anbetracht des explizit angeführten Umstandes, dass der Dolmetscher, der im Rahmen seiner Tätigkeit schließlich zwangsläufig bei den Unterhandlungen zugegen gewesen sein muss, verhört wurde und alles berichtete, doch eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht, dass Prokop zumindest die groben Umrisse der gotischen und sasanidischen Argumente in den Gesprächen kannte. Es fragt sich auch, warum er sonst die Gefangennahme hätte erwähnen sollen. Welches Maß der persischen und justinianischen Motive der Wahrheit entspricht, lässt sich nicht sagen, und Prokop wird kaum in der Lage gewesen sein, die tiefsten Beweggründe des Großkönigs und der Seinen herauszufinden, aber es muss für Prokops Zeitgenossen glaubhaft genug gewesen sein, dass er es zu einem der Grundmotive des zweiten Buches der Bella machen konnte und zumindest soweit im Sinne der Justinianischen Regierung, dass keine dahingehenden Repressalien bekannt sind – immerhin konnte Prokop noch etliche weitere Bücher seines Geschichtswerkes veröffentlichen. In jedem Fall liegt dem die Anschauung zugrunde, dass aus Sicht Chosraus ein potentielles erhebliches Anwachsen römischer Macht geeignet ist, das bestehende römisch-persische Gleichgewicht erheblich zugunsten Roms zu verändern und Chosraus Angst davor groß genug ist, ihn zu einem Krieg zu bewegen, um diese Entwicklung einzudämmen. Dass Chosrau aber seinerseits nicht in der Lage ist, Rom grundlegend zu besiegen, da das Gleichgewicht eben immer noch gilt, legt Prokop in den Anekdota der anonymen römischen Heeresmasse in den Mund: „Damit beleidige er einen alten und dazu den allerehrwürdigsten Staat, den er nicht niederzwingen könne.“76 Chosraus Ambitionen sieht Prokop auch in der späteren Zeit nicht in einem großangelegten Sieg, sondern in der Erringung eines großen Vorteils für sein Reich, nicht zuletzt auch aus innenpolitischen Gründen, so explizit im achten Buch der Bella formuliert.77 Deutlich wird die Idee des Gleichgewichts auch, da Prokop der römischen Volksmasse Entrüstung über den Umstand zuschreibt, dass es den Persern mit dem Waffenstillstand von 551 möglich geworden sei, die Römer zu Zahlungen heranzuziehen, was ihnen sonst weder durch Krieg noch andere Mittel durchführ-
75 Prok. Bell. 2,14,11f.; Hartmann 2007, 68. Bei Greatrex/Lieu 2002, 98, wird als Indiz für die Korrektheit die offenbar hohe Durchlässigkeit der Grenze zwischen Imperium und Sasanidenreich angeführt, wie sie auch aus Vit. Ioh. ep. Tel. p. 71f. [ed. Brooks] hervorgeht; siehe dazu auch S. 209, Anm. 7 der vorliegenden Arbeit; vgl. Ioh. Eph. Vit. Sus. p. 543f. [ed. Brooks]; laut Gawlikowski 1987, 80, sei der Euphrat an seinen navigierbaren Stellen mehr Straße als Grenze gewesen. 76 Prok. HA 2,31 (Übers. nach Veh): […] ἀδικοίη δὲ πολιτείαν ἀρχαίαν τε καὶ ἀξιωτάτην πασῶν µάλιστα, ἧς τῷ πολέµῳ περιεῖναι οὐκ ἂν δύναιτο […] Auch bei Veh 1981, 287, wird dies als Prokops persönliche Meinung betrachtet. 77 Prok. Bell. 8,7. Für das Gleichgewicht besonders 8,7,10–13.
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bar schien.78 Prokop schreibt dabei die Entrüstung der subjektiven Masse zu,79 den Umstand selbst stellt er aber nicht in Frage. Agathias, wahrscheinlich in Anlehnung an Prokop, lässt einen ähnlichen Gedanken, wie ihn Prokops Goten gegenüber dem Großkönig äußern, gegen Ende der Gotenkriege gotische Gesandte gegenüber Franken äußern: Es sei ein üblicher modus operandi der Römer, sich anderswo Vorteile zu verschaffen, um diese dann gegen einen anderen Feind einsetzen zu können, im konkreten Fall würden sie erst das Gotenreich erobern und dann unter Anführung vermeintlich gerechter Gründe mit den gewonnen Mitteln gegen die Franken vorgehen.80 Seit die Römer in einer besseren Machtposition gewesen seien, wären ihre Handlungen keineswegs gerecht.81 Auf den Spuren Prokops legt Agathias wiederum die Kritik an Rom Feinden des Reiches in den Mund, die sie gegenüber anderen Feinden äußern. Erneut ist das kein starker Beleg für ein reales römisches Vorgehen in diesem Sinne, aber für die Verbreitung und Gängigkeit einer solchen Annahme, die gegenüber Persien im Angesicht des Gleichgewichts umso naheliegender ist. Dieses Gleichgewicht ist auch bei Agathias anzutreffen, da er den persischen Feldherrn Nachoragan im Gespräch mit seinem römischen Widerpart Martinos sagen lässt – nachdem ersterer eine Niederlage zu verkraften hatte – dass Martinos ein fähiger Strategos sei und großen Einfluss unter den Römer habe, und doch zeige er keine Neigung, die Herrscher davon abzuhalten, einen beide Seiten verausgabenden Konflikt zu führen und habe erlaubt, mit der fortgesetzten Zerstörung ihrer jeweiligen Gemeinwesen fortzufahren.82 Agathias lässt keineswegs den im Hintertreffen befindlichen Perser die Schwäche Irans betonen, sondern vielmehr die prinzipielle Lage römisch-persischer Kriege, die nicht eigentlich gewonnen werden können. Da sie nicht gewonnen werden können, schaden sich beide Reiche durch sie nur immer mehr. Agathias lässt dies nicht durch Worte des Martinos widerlegen, sondern nur die anschließende Drohung des Nachoragan.83 Menander Protektor, der Historiker des Gipfel- und Endpunktes der in dieser Arbeit untersuchten Phase römisch-persischer Beziehungen unter den vorgestellten Strukturen, des Vertrages von 561, der wie keiner zuvor geeignet und beschaffen war, Konfliktursachen zwischen Rom und Persien an der Wurzel zu beseitigen, formuliert noch einmal die Grundlagen der Idee des Gleichgewichts und dies zu einer Zeit, da er deren Niedergang selbst miterleben und schildern konnte. In 78 Prok. Bell. 8,15,16. 79 Vgl. Prok. Bell. 8,15,13. 80 Agath. hist. 1,5,2–10. Vgl. Cameron 1970, 50f. So ähnlich lässt bereits Cassius Dio 36,1,2 Tigranes II. von Armenien und Mithridates IV. von Pontos 69 v. Chr. gegenüber dem Partherkönig Phraates III. argumentieren: die Römer würden unter Lucullus sofort den Krieg gegen die Parther eröffnen, wenn sie erst Tigranes und Mithridates besiegt hätten. Laut Plut. Luc. 30,1f. war diese Befürchtung berechtigt. 81 Agath. hist. 1,5,8: οἱ δή, ἐπειδὴ βιάζεσθαι αὐτοῖς µᾶλλον ἐξῆν, οὐδὲν ἐνδίκως πεπράχασιν [...] 82 Agath. hist. 3,19,2. PLRE IIIB, Nachoragan, S. 909f.; Martinus 2, 839–848. 83 Ebd. 3,19,5f.
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Verhandlungen zwischen den Gesandten Tiberiusʼ II. und Hormizds IV. legt Menander Andigan, dem persischen Gesandten, in Anbetracht eines abzuschließenden Vertrages folgende Idee in den Mund: Die Römer würden sich mit Sicherheit durchsetzen, wenn sie nur mit mehreren Stämmen oder nur mit dem Perserreich kämpfen würden. So ginge es auch momentan den Sasaniden, die gerade keine anderen Kriege führen müssten, und daher würden sie gewinnen können.84 Dazu meint der Gesandte Zacharias, er danke für dieses Zeugnis römischen Mutes, aber was glaube Andigan, was geschehen würde, wenn die Römer nur mit den Persern kämpfen würden? Wie lange würden diese bestehen? Was wäre deren Schicksal? Der römische Gesandte erklärt, er meine, sie würden dann samt ihrem Namen verschwinden und nichts als ewiges Vergessen würden sie verdienen. Andigan schweigt daraufhin und muss so seine Unterlegenheit in diesem Streit zugestehen.85 Der grundlegende prokopische Gedanke wird hier überspitzt: Wenn eine Seite all ihre Kraft (was in Anbetracht der Größe der Riesenreiche offenkundig hypothetisch ist) gegen die andere werfen würde, die ihre Kräfte realistisch verteilen muss, würde die angreifende Macht den Gegner komplett vernichten. Im konkreten Fall ist Menanders Pointe, die der Diplomatie dieser Auflösungszeit der etablierten Strukturen entspricht, dass Persien den momentanen Vorteil zum Krieg nicht nutzen sollte, da die römische Vergeltung in größerer Stärke bei einem Wechsel der Situation nicht auf sich warten ließe. Eine solche direkte Aussprache dieser Prinzipien war in den Jahrhunderten zuvor nicht nötig, da beide Seiten an diese Prinzipien glaubten, ohne sie auf die Probe zu stellen. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Idee eines Mächtegleichgewichts zwischen Rom und Persien in der behandelten Zeit sehr verbreitet war und in diversen Quellen ohne größere Erklärung, vielmehr als eine politische Selbstverständlichkeit, Niederschlag gefunden hat. Die Autoren verstehen das hier mit „Gleichgewicht“ bezeichnete Konzept dabei so, dass keine der beiden Großmächte in ihrer Gegenwart in der Lage gewesen wäre, die andere entscheidend zu besiegen, also nicht in einem solchen Maße, dass das Gleichgewicht dadurch beendet würde. Gemäß dieser Anschauung ist das Gleichgewicht ein aktuell und mit den derzeitigen Ressourcen nicht zu durchbrechendes Strukturmerkmal des römisch-persischen Verhältnisses. Eine grundlegende Veränderung in der damaligen Gegenwart wurde nicht ins Auge gefasst, sie hätte wohl nach herrschender Auffassung unkalkulierbare Risiken mit sich gebracht. Die Angst vor einer möglichen kleinschrittigen Veränderung, die in der Zukunft das Gleichgewicht gefährden könnte, also die Angst vor Veränderung, Erschütterung und Zersetzung des Etab-
84 Men. Prot. frg. 26,1,46–58. Blockley 1992, 112; PLRE IIIA, Andigan, S. 74. 85 Men. Prot. frg. 26,1,59–71. PLRE IIIB, Zacharias 2, S. 1411f. Eine vergleichbare Argumentation findet sich übrigens schon bei Tac. Ann. 15,13,3 für das Jahr 62 n. Chr. seitens Paetus gegenüber dem ihn belagernden Vologaeses I.
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lierten ist aber nicht ausgeschlossen, sondern wird sich durchaus als ein damals zumindest denkbares movens der Diplomatie finden.86 Es versteht sich, dass nicht jedermann diese Anschauung vertreten haben muss,87 allerdings fällt auf, dass sie immer wieder diplomatischen Aktionen zugrundeliegt, wie der zweite Hauptteil dieser Arbeit zeigen wird, und zudem das Fundament des folgenden Strukturmerkmals, der Gleichrangigkeit, bildet. Dies spricht dafür, dass es sich nicht um die einzige mögliche „Weltanschauung“ handelte, wohl aber um die offiziell in der behandelten Zeit von politischen und militärischen Entscheidungsträgern vertretene.
86 Es ist hauptsächlich an die Angst des Prokopischen Chosrau vor dem Erstarken Justinians durch dessen Rückgewinnung westlicher Gebiete und deren Ressourcen zu denken, siehe dazu ausführlich Kapitel 12.3.2 der vorliegenden Arbeit. 87 Siehe zum Beispiel das 13. Kapitel der vorliegenden Arbeit zu anders gesinnten Autoren.
9 STRUKTUREN II Gleichrangigkeit der Mächte Der im letzten Kapitel geschilderte Prozess führte auf römischer wie sasanidischer Seite zu der Annahme, es bestünde ein militärisches Gleichgewicht zwischen den Mächten, das sich auf absehbare Zeit und mit den zur Verfügung stehenden Mitteln nicht durchbrechen ließe, sofern nicht unkalkulierbare, ökonomisch und daher politisch untragbare Risiken eingegangen würden. Es ist in Anbetracht der sich gegenüberstehenden riesigen und in ihren Ressourcen und Naturräumen höchst verschiedenen Reiche sehr unwahrscheinlich, dass dieses Gleichgewicht tatsächlich existierte, also das Imperium in der behandelten Zeit auch bei Aufbietung aller Ressourcen und unter einer angemessenen militärischen und politische Leitung nicht in der Lage gewesen wäre, das Sasanidenreich militärisch zu besiegen – und vice versa. Entscheidend ist aber, dass dieses Gleichgewicht von den damaligen Entscheidungsträgern angenommen und zu einem der Fundamente der römisch-sasanidischen Diplomatie erhoben wurde. Somit bildet das militärische Gleichgewicht das erste Strukturmerkmal des diplomatischen Verhältnisses zwischen Rom und dem Sasanidenreich. Das zweite dieser Merkmale ist zum größten Teil ein Ergebnis des ersten, denn bereits die beidseitige Annahme des Gleichgewichts führt zu großen Konsequenzen für den diplomatischen Umgang, die von ebenso konstituierender Kraft für das Verhältnis der Reiche sind wie das Gleichgewicht selbst. Vor dem 4. Jahrhundert war die römische (und wohl auch sasanidische) Diplomatie nicht in gleichem Maße ausgebildet wie in der behandelten Zeit, da sie dieser Ausbildung nicht bedurfte. Eine im Vergleich zur Spätantike relative Diplomatiearmut kennzeichnet die ersten drei Jahrhunderte der römischen Kaiserzeit, in der das Imperium ohne einen Gegenspieler bestand, der ihm militärisch und ideologisch so stark gegenübertrat wie das Sasanidenreich ab dem 3. Jahrhundert.1 1
Vgl. Millar 1988, 345. Heil 1997, 1: „In der Außenpolitik liegt für einen Staat manchmal die Schicksalsfrage. Für das römische Reich der frühen und hohen Kaiserzeit galt das nicht. Keine fremde Macht war stark genug, um die Existenz des imperium Romanum ernsthaft zu gefährden.“ Schlude/Rubin 2017, 65–67, zum konventionellen Bild oftmals erfolgloser Gesandtschaftsbeziehungen Roms und der Parther; im Fazit, 82: „[...] the embassy in RomanParthian history was significant, and not because it most often led to alienation and conflict between Rome and Parthia.“ Zum Bild Dominanz des Militärischen zwischen Rom und dem Partherreich in der Forschung Schlude 2020, 4–7, der dieses Bild in seiner Studie zu Recht in Frage stellt und dabei ähnlich der vorliegenden Arbeit Wert auf eine Untersuchung beider Seiten des römisch-iranischen Miteinanders legt, wenn auch einem chronologischen statt einem thematisch-strukturellen Gliederungsprinzip gefolgt wird. (Leider ist die Monographie Schlude 2020 erst erschienen, als die vorliegende Arbeit bereits abgefasst war.)
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Im Folgenden soll nicht davon ausgegangen werden, dass sich Rom und das Partherreich in irgendeiner Hinsicht feindlicher gegenüberstanden als Rom und das Sasanidenreich. Es geht lediglich um die sich verändernden Strukturen und Methoden des kommunikativen Bandes, welches die Diplomatie darstellt. Es finden sich etliche Beispiele für Diplomatie und Schreiben über Diplomatie, die grundlegenden Strukturen späterer römisch-sasanidischer Verständigung, wie sie in der vorliegenden Arbeit vorgestellt werden, zuwiderlaufen. Such wenn etliche Elemente Anekdoten der Retrospektive sein könnten, zeigen sie doch, dass man römisch-parthische Verständigung auf eine bestimmte Art imaginierte, die sich von der später üblichen Darstellungsart des Umgangs von Römern und Sasaniden unterschied. Fest. brev. 17,1: Crassus soll bei seinem mutwilligen Einfall ins Partherreich auf die Friedensbitte parthischer Gesandten erwidert haben, er werde in Ktesiphon darauf antworten. (Dies überliefern auch Plut. Crass. 18,2 u. Flor. epit. 3,11,5, mit dem Unterschied, dass die erwähnte Stadt dort Seleukeia ist.) Die Gefangennahme des Crassus wurde laut Plut. Crass. 28,4–31,8 unter listiger Ausnutzung diplomatischer Umstände durch die Parther versucht; sein Tod entspricht offenbar nicht dem Plan, sondern erfolgt im Handgemenge, als der Plan durch römische Reaktion zu scheitern droht. Im Parther-Exkurs Lucan 8,417–439, wird Pompeius der Vorwurf gemacht, ein friedliches Bündnis mit den Parthern anzustreben, statt den Krieg zu wählen, zu dem er durch die Vergangenheit geradezu verpflichtet sei. Laut Cass. Dio. 49,27,3–28,2 betrog Phraates IV. im Jahr 39. v. Chr. Marcus Antonius mit einer Zusage zum Friedensschluss, auf den ein Angriff folgt. Laut Flor. Epit. 4,10,1f. habe Marcus Antonius 36 v. Chr. seinen Einfall ins Partherreich ohne diplomatische Begleitung erfolgen lassen (vgl. Plut. Ant. 37,2). Laut Fest. brev. 19,1f. sei dem vom Autor fälschlich als Claudius bezeichneten Augustus-Enkel Gaius Caesar, die tödlich wirkende Wunde durch die List eines falschen Überläufers beigebracht worden, wobei impliziert wird, dass dies mit Wissen des Partherkönigs geschah, wenn nicht gar auf dessen Geheiß. Cass. Dio. 68,19,1–20,4: Trajan brüskierte durch seine schroffe, über eine Symbolhandlung erfolgende Behandlung des armenischen Prätendenten Parthamasiris vor der Öffentlichkeit des Heeres, wie wohl noch mehr über die dabei verkündete römische Annexion Armeniens. Front. Princ. hist. 17 führt diese Seite Trajans weiter aus: ihm sei sein eigener Ruhm wichtiger gewesen als das Blut der Soldaten, denn er habe des Öfteren parthische Gesandte, die um Frieden baten, ergebnislos zurückgeschickt. Vgl. Schippmann 1980, 61. Laut Front. Princ. hist. 16 habe Vologaeses IV. 165 n. Chr. ein briefliches Friedensangebot des Lucius Verus komplett abgelehnt. Cass. Dio. 79,1,1: Das drastisch undiplomatische Verhalten des Caracalla bei seinem Partherfeldzug 216/17 wird geschildert, wozu nicht nur das wahrscheinlich fiktiv konstruierte (siehe die Arbeit Timpe 1967) und eigentümliche Ansinnen von der Einheirat in die großkönigliche Familie zeugt sondern etwa auch seine Schändung der königlichen parthischen Gräber. Herodian 4,11,1–7, behauptet sogar, es sei eine Hochzeitsfeier angesetzt worden, bei der Caracalla seinem Heer plötzlich befahl, die anwesende persische Menge zu töten. Der Großkönig Artabanos IV. sei dem Massaker nur knapp entkommen. Es dürfte sich, wie das Heiratsansinnen selbst, um eine Erfindung handeln, aber auch in undiplomatischem Verhalten ließ sich offenbar Caracallas furchtbare Natur literarisch präsentieren. Petr. Patr. frg. 173 (vgl. Zos. 1,36,1– 2) berichtet davon, dass wohl im Jahr 260 Valerian Schapur angeboten hätte, unter Zahlung einer hohen Summe Frieden zu schließen, dieser aber habe die Gesandten einfach tatenlos entlassen, da er sich größere militärische Hoffnungen machte. Petr. Patr. frg. 175 berichtet von undiplomatischem Verhalten des Schapur ca. 260/261 außerhalb des Verhältnisses zu Rom: Odaenathus habe sich ihm durch Geschenke und eine Bekundung der Treue und eigenen Unschuld ins rechte Licht setzen wollen, Schapur aber die Geschenke in den Fluss werfen lassen, die Briefe zerrissen, Odeanathus der Anmaßung geziehen und absolute Unterwerfung
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Es bestand in der Regel die Möglichkeit, bei Versagen der friedlichen Ansätze zur Konfliktlösung auf militärische Macht zurückzugreifen und mit anderen Gemeinwesen bestehende Konflikte durch Drohung oder schlicht militärische Intervention beizulegen. Diese Vorgehensweise, die nicht nur das Verhältnis Roms zu seinen kleineren nördlichen, südlichen und hellenistischen Nachbarn, sondern auch zum Partherreich und selbst dem frühen Sasanidenreich prägte, erwies sich gegenüber letzterem als unpraktikabel und wurde offenbar von sasanidischer Seite ebenso eingeschätzt. Resultat ist die Annahme des Gleichgewichts. Da mit diesem aber die gewohnte Art römischer diplomatischer Verständigung, die sich im schlimmsten Fall einer mehr oder weniger schnellen militärischen Lösung geradezu sicher sein konnte, ihre Wirkung verloren hatte, war eine fundamentale Änderung in der diplomatischen Kommunikation – zumindest mit dem Sasanidenreich – unabdingbar, um eine friedliche oder zumindest wirtschaftlich und politisch tragbare Koexistenz zu schaffen. Zuvor bestand weder für Rom noch für das Sasanidenreich die Notwendigkeit, im Umgang mit seinen kleineren, schwächeren, weniger organisierten oder ihnen schlicht nicht ideologisch entgegenstehenden Nachbarn ein ausgefeiltes System diplomatischer Kommunikation zu entwickeln, das nicht nur in der Lage war, in einem notwendigen zeitlichen und organisatorischen Rahmen Kontakt zu fremden Herrschern und Gemeinwesen aufnehmen zu können, sondern primär ermöglichte, Konflikte über die gewaltlose Veränderung des diplomatischen Verhältnisses beizulegen. Dies erweckt den Eindruck einer Selbstverständlichkeit, ist aber von enormer Tragweite für die Entwicklung nicht nur des römisch-sasanidischen Verhältnisses, sondern der Diplomatie schlechthin. In diesem Sinne lässt sich die Spätantike in gleichem Maße als Geburtsstunde einer auf Augenhöhe stattfindenden Diplomatie von Großmächten im behandelten Weltteil betrachten,2 wie sie bereits im Bezug auf Rom und die germanischen Reichsgründungen auf römischem Boden als Geburtsstunde des internationalen (zumindest abendländischen) Völkerrechts begriffen worden ist.3 Es war die Entwicklung einer das östliche Mediterraneum und den nahen Osten umfassenden und weit über diese hinausstrahlenden bipolaren Weltordnung, die
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gefordert, andernfalls ihm die Zerstörung drohe. Eine einigermaßen undiplomatische Programmatik habe laut Petr. Patr. frg. 198 Carus bei seinem Herrschaftsantritt im Jahr 282 proklamiert: er sei zum Schaden der Perser auf den Thron gelangt. Ein interessanter Fall ist der, dass Vologaeses I. laut Tac. hist. 4, 51,1f.; Suet. Vesp. 6, 4; Vespasian Waffenhilfe in Form von 40.000 Bogenschützen gegen Vitellius angeboten hatte, als aber Barbaren ins Partherreich einfielen und er seinerseits Vespasian um Hilfe bat, meinte dieser, dass er sich nicht in fremde Angelegenheiten einmischen wolle, Cass. Dio 65,15,3; vgl. Suet. Dom. 2,2; Schippmann 1980, 57. Mit Heil 2017, 275, ließe sich hinter dergleichen ein fundamentales Kommunikationsproblem erahnen, das ebenfalls nicht für so breiten diplomatischen Austausch wie in der Sasanidenzeit spricht. Selbstverständlich gab es auch zuvor Diplomatie, so etwa zwischen den griechischen Poleis der klassischen Zeit, aber in den ersten Jahrhunderten der Kaiserzeit war die Bedeutung diplomatischer Vorgänge in Europa – bedingt durch die Macht Roms – stark zurückgegangen. Ziegler 1983, 12–15. Siehe oben Kapitel 6.
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Diplomatie im heutigen politikwissenschaftlichen Sinne zu einem prominenten Faktor in den (modern gesprochen) internationalen Beziehungen der Spätantike werden ließ. Die Entstehung der römisch-sasanidischen Diplomatie unter dem Paradigma des militärischen Gleichgewichts war an sich nichts anderes als eine politische Notwendigkeit für beide Seiten, die allein schon im Sinne der eigenen Innenpolitik großes Interesse daran hatten, in Frieden und in klaren Verhältnissen zu benachbarten Gemeinwesen zu leben. Vertragliche Regelungen – und somit nichts anderes als gegenseitige Versprechen – waren seit Menschengedenken das offenkundige Instrument, um solche Zustände zwischen unabhängigen Gemeinwesen herbeizuführen. Diese setzten aber, wie es in der bisherigen Geschichte des römisch-griechischen und iranischen Kulturraumes der Fall gewesen war, für ihre optimale Wirksamkeit ein Ungleichgewicht der auf internationaler Ebene agierenden Gemeinwesen voraus. Denn ein Vertrag, der auf Vertrauen gegenüber der jeweils anderen Seite basiert, ist einerseits umso haltbarer, je besser der Kompromiss zwischen beiden Seiten ist, aber andererseits auch, je mehr negative Konsequenzen bei einem Bruch des Vertrages für die den Vertrag brechende Partei zu befürchten sind. Sind zwei Vertragspartner in eine politische Welt diverser ähnlich starker oder stärkerer Mächte eingebettet, liegt es nahe, sich unter diesen Garantiemächte zu suchen, nicht nur um den eventuellen Vertragsbruch zu strafen, sondern auch, um im Fall eines Rechtsstreites bezüglich der Auslegung des Vertrages einen Richter finden zu können. Denn diese beiden Probleme wirft jeder Vertrag zwischen zwei unabhängigen Gemeinwesen auf: Wer ermittelt im Fall eines Vertragsbruches den Schuldigen? Wer bestraft ihn? Wenn sich zwei Mächte allein gegenüberstehen, die einen Vertrag geschlossen haben, um ihr zwischenstaatliches Verhältnis zu regeln und in Frieden zu leben, wer entscheidet dann im Fall eines Vertragsbruches, welche Seite den Vertrag gebrochen hat? Es wird in diesem Fall kaum eine Seite ihre Schuld eingestehen, sondern die jeweils andere beschuldigen, wenn nicht gar beide Seiten durch Zerrüttung des vertraglich festgelegten Verhältnisses bereits den Boden bereitet haben, auf dem die Handlung einer Seite dann nur noch den bloßen Anlass zum Bruch bieten muss. Ist der Vertrag aber gebrochen, fehlt es nicht nur an einem Richter, der über die Schuld entscheidet, sondern auch an einem, der eine Strafe verhängt und zur Ausführung bringt, die letztlich für eine Neuordnung des zwischenstaatlichen Verhältnisses oder eine Wiederherstellung des status quo sorgen soll. In einer multipolaren Weltordnung können diese Probleme durch die Zuhilfenahme dritter Mächte oder in der Moderne zunehmend durch die Vermittlung internationaler Organisationen wie der Vereinten Nationen zumindest eingeschränkt werden. In diesen Fällen werden Bedingungen geschaffen, die es nicht ratsam erscheinen lassen, einen Vertrag zu brechen, indem der Vertragsbruch mit hohen Risiken für die vertragsbrüchige Partei verbunden wird. Außerdem steht ein Dritter zur Verfügung, der ein möglichst unabhängiges Urteil über die Einhaltung eines Vertrages fällen kann. In dieser Situation kann auch ein Ungleichgewicht
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der beiden Vertragspartner in militärischer, wirtschaftlicher oder sonstiger Hinsicht nivelliert werden. Dieses Vorgehen war in der Antike, solange es die Möglichkeit gab, Großmächte wie das Römische Reich, hellenistische Mächte oder andere Gemeinwesen im Fall eines Vertragsbruches zu Hilfe zu rufen, eine Möglichkeit für kleinere Gemeinwesen, ihre Verträge auf der realpolitischen Ebene abzusichern. Auf der religiösen Ebene garantierten Eide den Status der göttlichen Mächte als Beschützer, Richter und strafende Instanzen im Fall eines Vertragsbruches, so dass neben der irdischen Absicherung auch eine transzendentale geschlossen wurde. Wenn beide Seiten an letztere glaubten, bildete auch sie einen Anreiz, Verträge einzuhalten und nicht im Falle des Vertragsbruchs göttlichen Zorn auf sich zu ziehen. Im Falle Roms und des Sasanidenreiches nun war keiner dieser Ansätze ohne Weiteres praktikabel. Rom und Iran standen vor der Situation, sich innerhalb ihres Weltkreises gleich stark, aber ohne eine gleichrangige und zugleich zur Intervention fähige Macht gegenüberzustehen.4 Es konnte sich keine Macht finden, die als Garant römisch-sasanidischer Verträge hätte fungieren können und erst recht niemand, der in der Lage gewesen wäre, Rom oder Iran durch Sanktionen oder gar militärische Mittel zu strafen. Es existierten auch keine internationalen Organisationen, Nichtregierungsorganisationen oder Staatenbünde, die eine solche Rolle hätten übernehmen können.5 Rom und Iran standen sich in ihren Konflikten allein gegenüber und mussten einen Weg finden, sie unter sich zu lösen.6 Unter verschieden starken Mächten würde dieser Zustand in der Regel zu gewaltsamen Versuchen führen, das zwischen beiden bestehende Verhältnis zu Gunsten der eigenen Seite grundlegend umzugestalten, wie es noch im 3. Jahrhundert der Fall war, da sich die Mächte nicht als gleich stark verstanden und jede Seite Hoffnungen hegte, mit großangelegten Militäraktionen den anderen besiegen und in eine eindeutig unterlegene Position bringen zu können. Da sich aber die Idee des militärischen Gleichgewichts durchsetzte, wurde diese Option zunehmend aus dem Arsenal politischer Handlungsmöglichkeiten verdrängt. Es war somit nötig, sich friedlich zu einigen, was nur über das Mittel fester Abkommen und somit in Form 4
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Vgl. Blockley 1992, 162f., zur Entstehung von Konflikten zwischen den Großmächten, die sich nicht dritter Parteien zur Schlichtung bedienten. Wer hätte aber auch stark genug sein sollen, im Fall eines Vertragsbruches einzugreifen? Es ließe sich hypothetisch an China als eine aus Sicht des Sasanidenreiches dritte ähnlich starke Macht zu denken, China war aber viel zu weit entfernt, um in die ostmediterrane Politik eingreifen zu können und hat auch im Folgenden keine aktive Rolle innerhalb der römisch-sasanidischen Beziehungen, Canepa 2010, 125, 144. Vgl. Güterbock 1906, 4; Fowden 1993, 14f. für den Ausnahmecharakter Chinas bezüglich mediterraner und iranischer Reiche. Maas 2016, 176, geht davon aus, Prokop habe in seinem Werk die Hephthaliten als dritte ähnlich starke und zivilisierte Macht wie Imperium und Sasanidenreich präsentieren wollen. Zur Bedeutung der Hephthaliten bei Prokop siehe Kapitel 12.2 der vorliegenden Arbeit. Vgl. Rosenstein 2007, 228. Es liegt ein generelles politisches Phänomen bezüglich Großmächten zugrunde. Ager 2009, 40; vgl. Brassloff 1928, 25.
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von Verträgen geschehen konnte, deren Einhaltung aber nicht durch externe Faktoren garantiert werden konnten. Dies führte zu einem widersprüchlichen Zustand, in dem sich die Mächte zwangsläufig vertrauen und ebenso zwangsläufig misstrauen mussten. Das stellt sich folgendermaßen dar: Beide Seiten haben Interesse daran, die zwischen ihnen geschlossenen Verträge zu halten, da sie die Ordnung einer weitgehend friedlichen Koexistenz garantieren, die im Falle des Vertragsbruchs wieder dem ressourcenintensiven, zerstörerischen und aus damaliger Sicht nicht zu gewinnenden Kriegszustand des 3. Jahrhunderts zu weichen droht. Auf beiden Seiten ist zudem Vertragstreue ein fundamentales Element des Rechtswesens, sei es in Gestalt des römischen Prinzips pacta sunt servanda und dem in christlicher Zeit von Augustinus geradezu als Selbstverständlichkeit formulierten Prinzip der Vertragstreue auch gegenüber dem Kriegsgegner,7 oder im sasanidischen Recht, wobei in Iran Vertragsbrüche, sei es gegenüber Zoroastriern oder Andersgläubigen,8 zudem in besonderer Weise religiös sanktioniert waren. Die Hauptfunktion des Gottes Mihr/Mithra war jene des Schutzes von Abkommen und Verträgen,9 deren heiligster unter irdischen Parteien jene zwischen Königen sind,10 und es galt seinetwegen sogar solche einzuhalten, die mit Partnern geschlossen wurde, bei denen man davon ausgehen konnte, dass sie den Vertrag brechen würden.11 So bestand auch dahingehend eine Motivation, Verträge zu halten,12 was aber eine zum eigenen Vorteil vorgenommene Um- und Missdeutung eines Vertragstextes in Abwesenheit eines Richters nicht ausschloss. Gerade vor diesem Hintergrund müssen beide Seiten der jeweils anderen grundlegend misstrauen, da in Abwesenheit einer richtenden und strafenden Ga7
Aug. Epist. 189, 5; Ziegler 1985, 72. Bei Agapet. Expos. 41 wird in dem Fürstenspiegel aus Justinanischer Zeit der Kaiser dazu ermahnt, beim Fällen eines Urteils nicht zwischen Freunden und Feinden zu unterscheiden. 8 Macuch 2010, 203. 9 Gershevitch 1967, 26–28; Boyce/Grenet 1991, 478, 483f.; Shahbazi 2003a, 355; Stausberg 2005, 43f.; Pourshariati 2008, 351f. Für die Urtümlichkeit der arbiter-Funktion Mithras Belardi 1979, 698. Im Mihr Yasht ist der tausend mal heiligste Vertrag jener, der zwischen Ländern, also ihren Königen, geschlossen wird, ebd. 355, vgl. Gershevitch 1967, 27f.; In einer Mithra-Hymne fordert Ahura Mazda Zoroaster auf, niemals Verträge zu brechen, auch nicht mit Ungläubigen, Stausberg 2005, 71, 74. Im Avesta gehört Vertragstreue zu den wichtigsten Tugenden, Avesta, Yt 10,2; Vd 4,2–16; Sundermann 1963, 72. Allein der Name des Gottes gibt schon einen deutlichen Hinweis auf seine Bedeutung als Garant der Abkommen, Schmidt 2006. 10 Im avestischen Mithra-Hymnus 29, 116, (Übers. Gershevitch) wird eine Rangstellung gegeben, unter anderem: zwanzigfache Bedeutung hat ein Vertrag zwischen Freunden, neunzigfache zwischen Brüdern, tausendfache zwischen Ländern, zehntausendfach ist der mit der Mazdäischen Religion eingegangene Vertrag, also jener mit den höheren Mächten. Vgl. Schmidt 2006. 11 Gershevitch 1967, 26. Diese Auffassung spiegelt sich bereits im avestischen Mithra-Hymnus, der an dieser Stelle analysiert wird. 12 Vgl. Börm 2007, 99.
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rantiemacht jeder Vertrag missbraucht und ausgenutzt zu werden droht, dergestalt dass jede kleine Veränderung des status quo, die eine Seite bewirkt, der anderen als Indiz für den Versuch gelten kann, Stück für Stück den erreichten und im Vertrag festgeschriebenen Zustand des Gleichgewichts zu erodieren, um zwar nicht in der nahen Zukunft, aber doch eines Tages eine Position erreicht zu haben, aus der heraus das Gleichgewicht zerbrochen werden kann. Denn in dem Moment, da eine Seite stark genug zu sein glaubt, dass Gleichgewicht der Mächte entscheidend durchbrochen zu haben, gibt es für sie keinen Grund mehr, Verträge einzuhalten, da der Vertragsbruch nicht sanktioniert ist. Somit muss jede Veränderung des status quo durch den einen Vertragspartner dem anderen als Versuch erscheinen, sich eine etwas bessere Position zu verschaffen und damit letztlich als Handlung gegen den Geist der Verträge, welche den Zustand des Gleichgewichts festschreiben. Da sich aber die Welt, in der Rom und Iran bestehen, beständig verändert und beide Seiten darauf reagieren müssen, sind ebenso beständige Veränderungen des status quo zwischen Rom und dem Sasanidenreich ein Nebeneffekt, somit aber auch beständige Konflikte. Mangels Garantiemächten mussten sich die beiden Seiten vertrauen und mangels eben dieser Garantiemächte konnten sie es nicht. Vor dem Hintergrund des 3. Jahrhunderts konnte es zudem so erscheinen, dass dieses Misstrauen in Anbetracht der verheerenden Kriege, die bereits zwischen Rom und dem Sasanidenreich bestanden hatten, durchaus gerechtfertigt war, denn in diesen hatten beide Seiten ihre Bereitschaft zu Gewalt in großem Umfang bewiesen. So wäre für den Fall, dass eine Seite das Übergewicht gewinnen würde, naheliegend, dass dies wiederum in verheerenden Kriegen enden würde. Am Ende des 6. und vor allem am Beginn des 7. Jahrhunderts sollte sich zeigen, dass diese Grundannahmen richtig waren.13 Die Möglichkeit, ohne Verträge zu existieren, bestand nicht, da das Verhältnis, sollte es nicht in Anbetracht der ständigen Konflikte in Konfrontationen ausarten, einer Regelung in fester Form bedurfte. Aus dem klassischen Vertragsinstrumentarium war somit nur noch das Mittel der Eide als eine Form der Vertragsgarantie geblieben und wurde in diesem Sinne eingesetzt. Wie bereits erwähnt, konnte so das Göttliche, sei es in Gestalt des christlichen Gottes oder der zoroastrischen höheren Wesen, besonders auch des Gottes Mihr/Mithra, als Garant der Vertragstreue fungieren, zumindest in der religiösen Sphäre. Dabei war der religiöse Unterschied beider Seiten in der Praxis nicht bedeutend, sowohl Römer als auch Iraner akzeptierten die Eide Andersgläubiger – also jene Eide, bei denen Götter angerufen wurden, die sie selbst nicht in gleicher Form verehrten.14 Dies war, von religiösen Auffassungen abgesehen, eine 13 Näheres dazu weiter unten. 14 Würde man in diesem Zusammenhang schreiben: „an die sie nicht glaubten“ wäre das wohl eine zu moderne Auffassung, die Orthodoxie und damit einen konkreten Glauben statt der antiken Orthopraxie und damit einer konkreten Handlungsweise als leitende Prinzipien der Religionsausübung und Religionsauffassung annimmt.
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praktische Notwendigkeit, da sonst überhaupt kein Mechanismus mehr geblieben wäre, durch den sich Verträge absichern ließen. Letzten Endes waren aber auch die Eide keine Garanten, da es wohl nicht im Interesse einer Seite lag, einen Vertrag plötzlich zu brechen, was durch die Eide göttlich sanktioniert werden sollte, sei es durch dem Vertragsbrecher widerfahrendes Unglück oder eine Stärkung der Gegenseite,15 sondern die Befürchtung sich weit mehr auf den Vertragsmissbrauch zur Erschleichung von Vorteilen in den diplomatischen Beziehungen richtete, die eben keinen Vertragsbruch bedeuteten und so auch nicht zu sanktionieren waren. Damit bestand zwischen Rom und dem Sasanidenreich ein äußerst gespanntes und von tiefem Misstrauen geprägtes Verhältnis, so dass sich bei Betrachtung dieser realpolitischen Gegebenheiten kaum erkennen lässt, wie dieses Verhältnis über Jahrhunderte zum allergrößten Teil friedlich fortbestehen konnte. Es macht vielmehr den Eindruck eines Kalten Krieges, in dem sich die beiden Reiche, von Weltherrschaftsdenken, imperialen Traditionen und Ansprüchen auf den Weltkreis geprägt, lauernd gegenüberstehen und mangels gegenseitigen Vertrauens keine Diplomatie finden können, die geeignet ist, die zwangsläufig beständig entstehenden Konflikte beizulegen, ohne in gegenseitige Anschuldigungen und über kurz oder lang Gewalt auszubrechen. Noch unverständlicher ist, wie es in Anbetracht dessen möglich war, nicht nur große Kriege zu vermeiden, sondern sogar kleine Kriege absichtlich zu entfesseln, aber so begrenzt und konstruktiv einzusetzen, dass sie sich im Dienste der Bereinigung eines Konfliktes schnell wieder beenden ließen. Der Schlüssel zum Verständnis dieser Mechanismen ist eine Ideologie, die mit der Realpolitik verschmolzen wurde und die es ermöglichte, das destruktive Belauern der Mächte ideell in eine konstruktive Beziehung umzuwandeln, die geeignet war, mittels ihrer eine fruchtbare Diplomatie zu führen. Es ist die Ideologie der Gleichrangigkeit, die in der gegenseitigen Anrede des Kaisers und des Großkönigs als „Bruder“ ihren sichtbaren Ausdruck gefunden hat. Als das Konzept der militärischen Gleichrangigkeit Ende des 3. Jahrhunderts entstand und damit die bisher gängige Methode der militärische Konfrontation großen Stils, um den anderen niederzuringen, aufgegeben worden war, musste den Entscheidungs15 Letzteres bezüglich Mithra angenommen bei Pourshariati 2008, 352; vgl. Phillipson 1911, 167; Bederman 2002, 50f. Vertragstreue ist ein durchgängiges Thema der avestischen MithraHymne (Übers. Gershevitch): 1,2f.; 9,37; 18,71f.; 20,80; 21,82; 27,109; 27,111; 29,116f.; 35,144. In starker literarischer Ausgestaltung werden die gefährlichen Folgen des Handelns gegen Mithra bei 5,17–21 vorgeführt. Unter anderem heißt es: wenn der Vorstand des Hauses, der Familie, des Stammes und des Landes falsch gegenüber Mithra sind, wird Mithra das Haus, die Familie, den Stamm und das Land sowie den Vorstand des Hauses, der Familie, des Stammes und alle Vorstände des Landes zerstören. Die Pferde des Vertragsbrechers wollen sich nicht von ihm reiten lassen, sie bewegen sich, doch kommen nicht vom Fleck. Der von einem Antimithra geworfene Speer fliegt auf ihn zurück, da er schlechten Zauber ausübt; trifft der Speer aber ins Ziel, richtet er keinen Schaden an etc. Zu diplomatischen Eiden auch Nechaeva 2014, 50.
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trägern die geschilderte Schwierigkeit der römisch-sasanidischen Koexistenz vor Augen stehen und so wenig wie eine Wiederaufnahme der Kriege des 3. Jahrhunderts konnte ein solches belauerndes Verhältnis im Interesse beider sein.16 Zumindest eine Form gutwilliger Kommunikation, die dem anderen zwar nicht Vertrauen, aber doch eine Unterstellung seiner Kooperationswilligkeit entgegenbringt, musste gefunden werden, um die beständig entstehenden Konfliktherde beseitigen zu können, ohne große Ressourcen aufzuwenden. Dies geschah durch die Konstruktion einer neuen Weltordnung, auf die Kaiser wie Großkönige im diplomatischen Verkehr rekurrieren konnten und die eine Ebene schuf, auf der es möglich war, Diplomatie im Sinne der beständigen wechselseitigen Modifikation des zwischen den Reichen bestehenden Verhältnisses zu betreiben, ohne in beständige Schuldzuweisungen abzugleiten. Diese Ideologie war eine kosmische und beschrieb eine Weltsicht, auf die sich Kaiser und Großkönige einigen konnten und schuf somit die erforderliche gemeinsame Ebene. Diese nimmt ihren Ausgang im Transzendentalen und es lässt sich mutmaßen, dass es die Möglichkeit der gegenseitig akzeptierten Eide war, die diese Auffassung entstehen ließ. Gemäß dieser sind Rom und Iran keine Feinde, sondern vielmehr Partner. Beide haben ein Ziel: Die Oikumene, aus ihrer jeweiligen Sicht und soweit sie sich von ihnen überblicken lässt, vor dem Chaos der Anoikumene zu schützen, vor den Barbaren und Nomaden aller Art, durch Unterhalt von Armeen und Errichtung fester Städte, vor Naturkatastrophen durch Erhalt von Infrastruktur und Zivilisation. Armut und Hunger werden durch die Aufsicht über Landwirtschaft und Handel bekämpft, Unglauben und Häresie durch religiöse Überwachung, das Unrecht aber durch gerechte Gesetze und Richter.17 Kaiser und Großkönig konnten sich stets darin 16 Canepa 2010, 123, 133. 17 Von Canepa 2009, 124, werden die Herrscher als „guardians of civilization“ bezeichnet, vgl. Bréhier 1949, 230f.; vgl. Widengren 1959, 249; Shahbazi 1990, 591; Fowden 1993, 22f.; Heather 1997, 73; Rubin 1998, 184; Panaino 2004, 556. Im Iran bilden diese Zusammenhänge eine eigene, staatstragende Weltanschauung, in der englischsprachigen Literatur „circle of Justice“ genannt, Pourshariati 2008, 342f.; Daryaee 2009, 42; vgl. Börm 2007, 99f. Mit dem Aufbau der Gesellschaft ist auch der Gott der Verträge, Mithra, in besonderer Weise verbunden, so dass der gleiche Gott, der Vertragstreue nach innen als Fundament der Gesellschaft und des Reiches beschirmt, auch Verträge mit äußeren Partnern schützt, Pourshariati 2008, 351–354. So laufen die verschiedenen Aspekte auch dahingehend zusammen. Es ist ebenfalls Mithra/Mihr, der im Dienste der Gerechtigkeit das Königsheil, farr(ah)/xᵛarənah (siehe dazu den Artikel Gnoli 1999), vergibt, aber auch bei Bedrohung des Rechts durch einen Herrscher wieder nimmt, ebd. 354f. Ein prominentes römisches Quellenzeugnis für eine Recht schaffende Rolle des Kaisers aus der Zeit Justinians ist Agapet. Expos. 1f., wenn in den ersten beiden Absätzen des Fürstenspiegels der Gedanke ausgesprochen wird, dass der Schutz der Gerechtigkeit die erste Aufgabe des Kaiser sei, für den er von Gott sein Amt erhalten habe und unter der er sich selbst befinde. Dazu wird auch das schon damals antike Bild des Staatsschiffes bemüht, da der Kaiser als Steuermann das Ruder der guten Regierung halten und fest gegen die Ströme der Gesetzlosigkeit angehen möge, damit das Staatsschiff nicht in die Wellen der Ungerechtigkeit gerate. Auf bemerkenswerte Weise werden solche Anschauungen auch im anonymen Dialog über das Staatswesen aus Justinianischer Zeit (ed. Mazzucchi – Menae
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einig sein, eine geordnete Welt gegen die Mächte der Unordnung zu schützen und sich beide darin göttlichen Schutzes und Wohlwollens gewiss sein.18 Frieden zwischen Rom und Iran kommt dem entgegen. Die jeweilige Interpretation dieser Elemente mochte anders sein, aber alle konnten sich darin einig sein, für „das Gute“ und gegen „das Böse“ einzutreten, für den Erhalt der sesshaften Zivilisation und all der Elemente, die dazu nötig sind. Nun waren sowohl das Rom der Kaiserzeit wie das Sasanidenreich in ihrer Geschichte bisher nie auf einen Gegner gestoßen, dem sie ein militärisches Gleichgewicht zugestehen mussten und der dem eigenen Weltherrschaftsanspruch einen anderen entgegenstellte. Bisher gab es keinen Vertragspartner, dem man nicht aus einer Position der Stärke heraus entgegentreten konnte und somit keinen, gegenüber dem man im Fall des Vertrags-
patricii cum Thoma referendario de scientia politica dialogus), 4.59–4.69, zum Ausdruck gebracht. Darin wird dem militärischen Aspekt des Reiches die gebührende und gerechte Behandlung der Bürger und Untertanen, da Gerechtigkeit gewirkt werden muss, als zweites wesentliches Element der Politik gegenübergestellt. Als Beispiel für diese Gerechtigkeit wird nun ausgerechnet eine persische Episode aus dem Leben des Peroz geboten. Dieser urteilt auf einem Feldzug über einen Soldaten, der mit Erlaubnis seines Vorgesetzten einige wenige Feldfrüchte von einem persischen Feld gestohlen hat, um sein krankes Pferd zu behandeln, nach der Beschwerde des Eigentümers des Feldes. Er fragt die Kommandanten, welche Strafe jemand verdienen würde, der die einzige Waffe, die das Perserreich habe, um einen Feind zu zu besiegen, zu vernichten versuche. Einstimmig erfolgt die Antwort, dass dieser samt seiner Familie den Tod verdiene. Peroz verurteilt den Soldaten also zum Tode und begründet es damit, dass die Römer hinsichtlich der Körperkraft, Pferde, Bögen, Pfeile und Speere stärker wären als die Perser und die einzige Waffe, die gegen sie in Anschlag gebracht werden könnte, sei die Gerechtigkeit. Der Soldat habe sich gegen diese gewandt. Dieses Vorgehen wird im Dialog gelobt. Bemerkenswert ist daran offenkundig weniger die nichtoffizielle Sicht eines Römers, ein militärisches Machtgefälle zugunsten Roms zwischen den Reichen zu sehen, sondern vielmehr, dass römisches Rechtsempfinden und rechtliches Handeln auch den Persern zugeschrieben wird. Zu dem Werk des Agapetos und dem Dialog siehe auch Übers. u. Komm. Bell 2011. PLRE II, Menas 6, S. 756; Thomas 6, S. 1113. 18 Ziethen 1994, 3f., bemerkt korrekt, es kämen in der römischen Überlieferung römischiranischer Begegnungen „aus gemeinsamen Wurzeln resultierende Herrschaftsauffassungen zum Ausdruck, die einander wesentlich ähnlicher waren, als dies die römischen Schriftsteller zuzugeben bereit waren. Die römischen Kaiser hatten dem parthischen Großkönig nichts Höherwertiges an sakraler Legitimation entgegenzusetzen […] Die Bemühungen um ein paritätisches Zeremoniell mit römischen und iranischen Komponenten bei diplomatischen Begegnungen dürfte damit als Zeichen gegenseitigen Einverständnisses in den Grundprinzipien der Herrscherlegitimation und ihrer Symbolik zu verstehen sein ...“ Vgl. Morley 2016, 117f.; Maksymiuk 2018, 596; Becker 2020, 26f., Anm. 21: „[...] diplomatic relations provided the Roman and Sasanian empires mutual recognition of the earthly and divine aspects of their power.“ Besonders auffällig jenseits der Panegyrik z. B. Amm. Marc. 19,12,17 (Übers. nach Veh), da vom Leben des rechtmäßigen Kaiser als des „Vorkämpfers und Verteidigers alles Guten, von dem das Wohl der anderen ausgeht“ – propugnatoris bonorum et defensoris, unde salus quaeritur aliis, geschrieben wird. Zum Hintergrund Komm. de Jonge XIX, S. 268; vgl. Enßlin 1923, 20–25.
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bruchs nicht als Richter in eigener Sache hätte fungieren können.19 Aus Sicht der kleinere Mächte gab es nie den Fall, dass ein Vertrag geschlossen worden wäre, ohne im schlimmsten Fall eine größere Macht als Garanten und Richter zu finden. Nun aber standen sich mit Rom und dem Sasanidenreich zwei Mächte gegenüber, die keinen Richter über ihre Verträge kannten, außer Gott. All dies musste geradezu als eine Entwicklung erscheinen, die kein historischer und geopolitischer Zufall sein konnte, sondern als Manifestation eines göttlichen Willens erschien: Nur Rom und Iran kennen keinen irdischen Richter über sich und somit sind nur sie allein Gott verpflichtet. Daraus musste geradezu ein göttlicher Auftrag resultieren: Offenbar sind aus der Sicht des Höchsten nur diese beiden Mächte ausgezeichnet, eine solche Stellung auf Erden einzunehmen. In Anbetracht der grundlegenden Verankerung des Tun-Ergehens-Zusammenhangs im römischem Paganismus, spätantiken Christentum und Zoroastrismus zumindest der Kaiser und Großkönige musste das geradezu als Bestätigung erscheinen, dass diese beiden Reiche die gerechtesten, besten und am meisten im Sinne des Göttlichen agierenden sind. Beiden Herrschern wohnte nach gängiger Anschauung auch etwas Göttliches inne.20 Aus all dem resultiert, das sie von den höheren Mächten ganz offenkundig die Legitimation und den Auftrag erhalten haben, ihre Herrschaft fortzusetzen, da sie im Sinne des Göttlichen ist, und somit beide berufen sind, die Welt 19 Aus römischer Sicht war die Eigenschaft des Richters in eigener Sache nicht per se ungerecht oder verwerflich; man denke an die Auffassung des bellum iustum: Es bedurfte für Rom nicht der Idee einer objektiven Instanz, um einen Krieg zum gerechten Krieg zu erklären, sondern der Rechtfertigung vor den Göttern und sich selbst gemäß iustae causae, vgl. Albert 1980, 19f. 20 Sei es nach paganem römischen Verständnis, gemäß der Idee der besonderen Beziehung des Kaisers zum christlichen Gott oder dem gewissen (und nicht unbedingt permanenten) divusCharakter des persischen Großkönigs ähnlich der paganen römischen Sicht, vgl. Daryaee 2008a, 67f. Winter 1989a, 74, schreibt von einem „Glanz“, der die beiden Herrscher der „irdischen Sphäre entrückte.“ Ausführlich zum Verhältnis des Großkönigs zum Göttlichen die Arbeit Widengren 1959 u. Soudavar 2003, 30, 42f., 68. Zu den religiösen Aspekten des römischen Kaisers und der Transformation vom paganen in den christlichen Bereich seit Eusebius siehe etwa Girardet 2009, 111f. Ebd. 113 zur Quintessenz der eusebischen Anschauung: „Konstantin ist auf Grund seines priesterlichen Handelns mit dem Inhaber des kirchlichen Priesteramtes vergleichbar, besitzt jedoch ein anderes Priestertum als dieser. Auch der Kaiser ist in christlichem Sinn ein Priester, und sein Priestertum ist nicht weniger ‚wirklich‘ als das kirchlich-amtliche.“ Zu dieser Anschauung bei den Kirchenhistorikern Sokrates, Sozomenos und Theodoret siehe Leppin 1996, 194–202, 206f. Zum alttestamentlicher Hintergrund zur Priesterakklamation christlicher Herrscher im Frühmittelalter und schon der Spätantike, unter Anwendung der Melchisedek-Typologie, Girardet 2009, 115–118. Eusebius dürfte auch der erste sein, bei dem die Vorstellung von der Heiligkeit des Kaisers fassbar wird, ebd. 123f.; zum soteriologischen Handeln Konstantins ebd. 124–127; Just 2003, 12. Vgl. treffend Girardet 2007, 114f.; siehe auch S. 131, Anm. 75 der vorliegenden Arbeit; Hekster 2015, 239; Fears 1977, 4. Siehe generell die Arbeit Fears 1977 zum Konzept der göttlichen Erwählung schon vor der christlichen Zeit. Zum theomorphen römischen Herrscherbild in der bildenden Kunst siehe die Arbeit Bergmann 1998. Zur priesterlichen Natur des kaiserlichen Oberpontifikats siehe die Arbeit Stepper 2003.
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zu schützen. Da sie sich nun unmittelbar gegenüberstehen und aus allen kleineren Mächten herausgehoben sind, müssen sie diesem Auftrag gemeinsam nachkommen.21 Einzig und allein sie sind sich in einer solchen Frontstellung begegnet und nur sie haben derartig hohe Ansprüche an die Welt. Nur Rom und Iran richten den Blick nicht auf ihr unmittelbares Umfeld, sondern ihre Aufmerksamkeit gilt der ganzen bewohnten Welt. In diesem Sinne sind sie sich wirklich ebenbürtig. Nur sie können sich im erfahrbaren Weltkreis auf Augenhöhe begegnen und in ihren Ansprüchen auf die Weltherrschaft sind sie zwar gegeneinander gestellt, aber sie wollen doch im Grund genau dasselbe. Würde eine Seite sich mit der Macht über ihren Umkreis begnügen und die andere die Welt ins Auge fassen, wären sie nicht gleichrangig. Würden beide nur ihr Umfeld in den Blick nehmen, wären sie nicht vergleichbar. Nur diese beiden richten ihr Streben auf das Absolute, sie haben einund denselben Horizont. Diese Ansicht erscheint vor dem Hintergrund eines modernen Politik- und Herrschaftsverständnisses wenig naheliegend, wenn nicht sogar irrational. Im heutigen und wörtlich verstandenen Sinne bedeutet Weltherrschaft die Herrschaft über die ganze oder zumindest die ganze bekannte Welt und ist somit exklusiv. Es könnten sich keine zwei Parteien die Weltherrschaft teilen und gleichzeitig darüber verfügen. In der Weltgeschichte hat es, weder bis zur Spätantike noch danach, jemals ein Gemeinwesen gegeben, dass die ganze ihm bekannte Welt beherrscht hätte. Wenn Rom und Persien derartige Ansprüche (unter Voraussetzung des modernen Verständnisses) geäußert hätten, wäre es Augenwischerei, leere Rede, Selbstüberschätzung oder Propaganda, in jedem Fall aber unwahr, denn allein die Existenz der anderen Großmacht musste die Beschränktheit der eigenen Macht vor Augen führen.22 21 Panaino 2004, 571: „We have also to underline the fact that Sasanian and Byzantine kings frequently referred to each other as ‚brothers‘. In doing so they of course recognized not only the royal but also the astral, cosmocratic, authority of the others.“ 22 Henning Börm argumentiert, die Gleichsetzung von Weltherrschaft mit dem jeweils tatsächlich beherrschten Gebiet auf sasanidischer Seite sei nur eine Begründung für den Verzicht auf Expansion, Börm 2006, 319, Anm 66. Bei Ziegler 1964, 142, heißt es in diesem Sinne, für die persische Seite sei der Weltherrschaftsanspruch „im Wesentlichen bloße Ideologie“ gewesen; vgl. Treitinger 1956, 166; Gray 1973, 33. Es gibt aber keine bloßen Ideologien. Warum sollte sich jemand derlei ausdenken, wenn es völlig von der Realität losgelöst wäre? Auch Chrysos 1992, 37, kritisiert die moderne Zweiteilung der Quellenberichte in politische Fakten und politische Ideologie, wobei letzteres Fiktionen meine. Dies ließe der rechtlichen Realität „as it was established through the network of inter-state treaties“, keinen Raum, vgl. Chrysos 1978, 72: „I admit that it is very difficult to distinguish between the ideological claims to universal rule, which survive in many Byzantine literary sources, and what we regard as valid legal reality. On the other hand, it is very easy and even modern, but still wrong, to define the legal aspect as a fiction in absolute contradiction to the political reality, which alone should count“; vgl. Fowden 1993, 31. Winter 1989a, 91f.: „Wenn J. Straub zu Recht ausführt, ‚daß Ideologie und Propaganda zur politischen Wirklichkeit gehören und daher, wenn man sich über Prinzipien und Methoden der römischen Außenpolitik Rechenschaft zu geben versucht, in ihrer je-
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Nun ist es aber mit hoher Wahrscheinlichkeit so, dass antike Menschen – ob mediterrane oder iranische – dahingehend in zwei Aspekten drastisch von modernen verschieden waren: ihre Herrschaftsgebilde waren grundlegend anders geartet als moderne Staaten und ihre Wahrnehmung dieser Herrschaftsgebilde (wie die der von ihnen umfassten Geographie)23 war ebenfalls grundlegend von heute gängigen verschieden. Es sind solche Unterschiede, um die sich die Frage dreht, ob antike Gemeinwesen, Reiche und Herrschaften als Staaten im modernen Sinne aufzufassen sind.24 Es gilt festzuhalten, dass antike Reiche im Vergleich zu modernen Territorialstaaten einen stärkeren Netzwerkcharakter hatten, also weniger im Hinblick auf das Durchregieren in der Fläche, sondern über Zentren und ihre Verknüpfung aufgebaut waren. Dies ist für das Sasanidenreich beispielhaft gezeigt worden.25 Dahingehend wird die Metapher benutzt, dieses Reich habe nicht den Charakter eiweils programmatischen Relevanz berücksichtigt zu werden verdienen‘, so schien es gerechtfertigt, den [...] Aspekten antiker Herrschaftsideologie im Rahmen der (ost-)römischsāsānidischen Beziehungen Aufmerksamkeit zu schenken.“ Das Zitat Straubs stammt aus Straub 1985, 37. 23 Mattern 1999, 41: „Geopolitical explanations of Roman international behavior that require a two- or three-dimensional understanding of foreign territory are inappropriate.“ 24 Siehe auch folgende Anmerkungen der vorliegenden Arbeit: S. 13, Anm. 7; S. 14, Anm. 9; S. 25, Anm. 25; S. 27, Anm. 35. Gemäß Hopper 2017, 127, ist gerade der im Folgenden angesprochene Netzwerkcharakter ein Kriterium, das Imperien zu Imperien macht und in eine andere Kategorie als moderne Staaten bringt: „Empires, can be argued, are perhaps best portrayed as a series of networks operating at different scales; these networks are made up of nodes of investment connected by routes for communication and transport. Frontiers are one of these nodes, as well as, in some cases, connectors themselves. As well as existing at different scales, these networks also change through time as physical and ideological frontiers, levels of imperial control and many other factors change.“ Vgl. Liverani 1988, 86, für das assyrische Reich entwickelt: „The empire is not a spread of land but a network of communications over which material goods are carried.” Smith 2005, 838: „A spiky node-and-connector model of political interactions characterizes the workings of ancient states and empires more effectively than the prevailing blob-like territorial model [...]“ Siehe auch ebd. 844; Smith 2007, 28; vgl. Lawrence 2017, 119. Zu vor allem spätantiken römischen Grenzbegriffen siehe die Arbeit Greatrex 2007. 25 Smith 2005, 841: „The Sassanian case shows the way in which selective central investments resulted in control of important node-based resources such as human labor power and agricultural territory, linked by investment in corridors such as canals and fortification walls. Other corridors had been in place prior to the Sassanians, such as the trade routes that led from the southern Silk Route to the Mediterranean and from which a significant portion of Sassanian wealth was derived. New linkages came in the form of linear features established with specific goals, whether it was the management of newly conquered domains or the development of agricultural lands adjacent to population centers. Sassanian investment in frontier defense was spectacular but strategic, in which long walls and fortified cities were used to monitor the movement of peoples across boundaries at critical junctures [...]. Canal systems traversed otherwise unusable spaces, cutting the distance between population centers and providing agricultural infrastructure that facilitated the development of new settlements.“ Vgl. Smith 2007, 32f.; Hopper 2017, 127; Lawrence/Wilkinson 2017, 119f.
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nes Ölflecks, der sich tiefergehend in die Fläche ausbreitet, sondern den eines Netzes, dessen Maschen enger werden. Städte und Festungen bilden die Knoten dieses Netzes, Barrieren und Kanäle die Verbindungen.26 Problematisch ist, dass es in der modernen Staatenwelt keine Beispiele für solche Herrschaftsgebilde gibt und somit eine derartig andersgeartete Herrschaft nur schwer vorstellbar und mit modernen Paradigmen ebenso schwer erklärbar ist, wofür das Netzwerkmodell, selbst in Anbetracht der schwierigen Quellenlage hinsichtlich des Aufbaus der Netzwerke,27 eine Hilfestellung bietet.28 Wie sich zeigen wird, ist nicht zuletzt dieser Netzwerkcharakter wesentlich für die Natur der römisch-persischen Kriege der gemeinsamen Grenzregion. Bezüglich der Andersartigkeit des Imperiums im Vergleich zu modernen Staaten sei neben dem offenkundigen Element der Stadtgründungen im Westen oder Vereinnahmung bestehender Städte im Osten zur Erschließung von Regionen – also gleichfalls Netzwerkelementen – an das Konzept der unsichtbaren Grenzen des römischen Reiches erinnert und generell an römische Grenzpolitikund Grenzsicherung, die nicht modernen Grenzkonzepten entspricht, wie auch an die vielfältigen Formen lokaler Herrschaft bis hin zu den sogenannten Klientelkönigreichen, die sich unter der Oberkategorie römischer Herrschaft erstreckten.29 Auch sasanidische Grenzpolitik bewegte sich in vergleichbaren Bahnen.30 Derartige Unterschiede im Vergleich zu modernen politikwissenschaftlichen Staats- und Herrschaftskonzepten zeigen, dass Herrschaft an sich im Altertum anders beschaffen gewesen sein muss als in der Moderne. So wäre Weltherrschaft sicher nicht als Territorialherrschaft und Einverleibung der ganzen Welt in den Bereich direkter eigener Herrschaft verstanden worden. Dies zeigen die alternativen Konzepte, die sich im Altertum in Rom wie Iran herausbildeten. Toumanoff
26 Lawrence/Wilkinson 2017, 119. Zur Entstehung derartiger Herrschaftsgebilde Smith 2007, 28. Zur Metapher auch Liverani 1988, 86. 27 Smith 2005, 844. 28 Ebd.; Smith 2007, 28. Zu derartigen Problemen bezüglich der nomadischen Turkreiche siehe die Arbeiten Drompp 2018 u. Golden 2018. 29 Woolf 1993, 179f.: „Romans did not conceive of the world as a mosaic of sovereign territories, and thought in terms of peoples and places rather than states and spaces, connected not so much by frontiers and international law as by routes and a variety of relationships with Rome.“ Bezüglich der sogenannten Klientelreiche sind die aus moderner Sicht naheliegenden und geradezu selbstverständlichen Kategorien von „innerhalb“ und „außerhalb“ des Imperiums nicht anwendbar, Braund 1984, 182; vgl. Fisher 2011a, 29. Besonderer römischer und sasanidischer Grenzcharakter, wiederum nach Regionen verschieden akzentuiert: Banning 1986, 25; Winter 1987, 51; Winter 1988, 561; Hodgson 1989, 178–180, 182; Welwei 1989, 102; Isaac 1989, 233; Parker 1991, 499; Isaac 1992, 19f.; Howard-Johnston 1995, 196f.; Elton 1996, 2, 36; Mattern 1999, 115f.; Sommer 2005, 14, 33f.; Daryaee 2010b, 97; Izdebski 2014, 202; Lawrence/Wilkinson 2017, 106f., 109, 118; Morley 2017, 271f., 273f.; Sauer 2017b, 259f. 30 Siehe dazu die Arbeit Lawrence/Wilkinson 2017; Hopper 2017, 143. Römische und sasanidische Grenzen in Parallele Smith 2007, 32f.
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schreibt dahingehend in byzantinischem Zusammenhang von einer „subjective conception of universality“.31 Schon Aelius Aristides gelang im zweiten nachchristlichen Jahrhundert in einer geradezu programmatischen Rede die Synthese aus der von Rom proklamierten Weltherrschaft und der in der Realität offenkundig nicht vorhandenen Herrschaft über weite Teile der Welt, die zwar bekannt, aber eben nicht von Rom beherrscht waren.32 Gemäß der Argumentation des Aristides sei Weltherrschaft gar nicht die Herrschaft über die ganze Welt bis zu deren Ende, sondern vielmehr nur über jene Teile der Welt, die sich zu beherrschen lohnen.33 Außerhalb der Oiku31 Toumanoff 1954, 119: „Finally, still another Romano-Hellenistic heritage was gathered by the Byzantine world – the subjective conception of universality. The Hellenistic οἰκουµένη tended to signify less the inhabited world than the world of Hellenism only; likewise, the Roman Empire was conceived as containing the world, as being the orbis terrarum.“ Vgl. Fuhrmann 1973, 530, Anm. 8. 32 Diese Rede hat gerade bezüglich ihres programmatischen Charakters für das antike Verständnis römischer Expansion, Zivilisation und Grenzpolitik in der Forschung Aufmerksamkeit gefunden, so bei Ziegler 1964, 118f.; Walbank 1972, 165f.; Fuhrmann 1973, 544–546; Lehmann 1973, 51, Anm. 26; Hodgson 1989, 182; Breeze/Jilek/Thiel 2005, 15. Schon Rostovtzeff 1926, 125, 127–129, hat die Bedeutung der Preisrede als hervorragender Quelle für den Zeitgeist und das Weltverständnis der Epoche begeistert hervorgehoben. 33 Ael. Arist. Or. XXVI, 28: ἐκφεύγει δὲ ὑµᾶς οὐδέν, οὐ πόλις, οὐκ ἔθνος, οὐ λιµήν οὐ χωρίον, πλὴν εἴ τινων ἄρα ἀρχηστίαν κατέγνωτε. Grenzen des Reiches als ideell, ebd. 99: ὥστε µόνους ἄχιον εἶναι κατοικτεῖραι τοὺς ἔχω τῆς ὑµετέρας, εἴ τινές πού εἰσιν ἄρα, ἡγεµονίας, οἵων ἀγαθῶν στέρονται. Ebd. 100–105. Breeze/Jilek/Thiel 2005, 27: „Aus römischer Sicht war der gesamte orbis terrarum der Herrschaft des römischen Volkes unterworfen – soweit man davon wußte oder ihn als eroberungswürdig befand.“ Fowden 1993, 13f.: „[…] by such expressions as orbis terrarum and oikumene, educated Greeks and Romans basically meant the Kulturländer, the useful parts of the world […] The earthʼs extremities, ta eschata, were either as a matter of objective fact out of reach, or else deemed to ‚poverty-strickern and profitless‘ to be worth effort beyond the creation of fantastic denizens for them.“; vgl. für byzantinische Zeit Obolensky 1963, 52f.: derlei Gedanken schon bei Dion. Chrys. 1,27; Lib. or. 59, 137–139, Them. or. 10,138f., Synes. de regn. 22; vgl. Welwei 1989, 102. Plin. Nat. 6,24,89 (hier besonders deutlich: Taprobane ist extra orbem a natura relegata!); Pomp. Trog. 2, frg. 35; Philostr. Apoll. 2,33; Eus. vita Const. 1,8; 4,50; Plut. Thes. I,1; von Stauffenberg 1948, 112f. für Eusebiusʼ Gleichsetzung von orbis terrarum und imperium samt verhüllter Annahme einer Reichsabhängigkeit der Perser; Woolf 1993, 148: „a new feature of imperial discourse are pronouncements that expansion was over, that Rome ruled all that was worth ruling and disdained to rule over the surrounding peoples“ Ebd. werden auch Quellen gelistet, in denen sich gegen weitere Expansion ausgesprochen wird; vgl. Stallknecht 1967, 17. Kazhdan 1992, 21: „The essence of late Roman diplomacy was the etablishment of a chain of satellites around the unique empire identical with the civilized oikumenē.“ Vgl. Zampaglione 1973, 137: „[...] since the imperfect geographical knowledge at the time suggested that by far the greater majority of men and women lived in the countries around the Mediterranean, their military, political and administrative unity was believed to be synonymous, in effect, with that of mankind. As for the peoples who lived beyond these confines and whose incursions disturbed the development of the outlying provinces, they were written off as gentes non pacatae, barbarians whose assimilation into the Roman state, at the time of its greatest splendor, was believed neither necessary not desirable.“ Schneider 2010: „Early imperial writers such
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mene lägen nur Gebiete, die sich später, im byzantinischen Zeremonienbuch, als ἀοίκητα bezeichnen lassen.34 Dies ist vor dem Hintergrund einer RömerNichtrömer-Dichotomie und eines Netzwerkverständnisses von Herrschaft nachvollziehbar und durchaus keine leere Propaganda. Nach antikem griechischen Verständnis lagen am Rande der Oikumene Berge, Steppen, Wüsten und andere unfruchtbare und arme Regionen. Wenn ein Gebiet aber keine (land)wirtschaftliche Leistungsfähigkeit besitzt, lohnt es sich auch nicht, darin Städte für Römer zu errichten, die dieses Potential bündeln und weitergeben können. Ohne Städte und andere zentrale Siedlungen als Knotenpunkte gibt es aber keine Herrschaft, wenn diese netzwerkbasiert gedacht wird. Dies alles setzt voraus, dass nur Römer im Sinne der Bürger des Römischen Reiches überhaupt Träger von Herrschaft sein können. Bereits das Partherreich wird von Aelius Aristides übergangen, wohl da es jenseits des als Zivilisationsgrenze herausgestellten Euphrat liegt. Solche nichtrömischen Gebiete zählen gewissermaßen gar nicht zu den beherrschenswerten Räumen, da sie ihrer Natur nach bereits von Nichtrömern strukturiert sind. Partherstädte sind keine Poleis und parthische Netzwerke keine Netzwerke römischer Herrschaft.35 Bei Aelius Aristides wird zudem von der Freundschaft des Kaisers und Großkönigs gesprochen,36 in diesem Sinne weckte das Partherreich aus Sicht des Redners keine römischen Begehrlichkeiten. Es war nicht der römischen Herrschaft wert. Laut Aristides seien zudem die Römer nicht as Florus, Pomepius Trogus, Manilius and Tacitus represented the Other world of the Parthians as alius orbis and orbis alter. This orbis alter existed outside the orbis Romanus and did not impinge upon the Romansʼ view of their own supremacy.” Gegen Idee der nicht lohnenswerten Ränder der Welt Power 2012, 64. Zur mythischen Qualität der Weltränder und deren Fortleben in der islamischen Welt Miquel 1975, 483–513. Zu römischem Partherbild siehe auch S. 92, Anm. 45 der vorliegenden Arbeit. 34 De caer. app. 1, R 453, Z. 8f.; Wenn der Kaiser außerhalb des Reiches ist, verlässt er gemäß diesem Verständnis die Oikumene, ebd. app. 1, R 449, Z. 7f.; R 445, 19f.; Treitinger 1956, 165. 35 Vgl. Fowden 1993, 24: „In practice, the Romans confined their expansion in the East to the relatively well Hellenized areas. While we have no reason to suppose that they could have subdued the Iranian plateau even if they had wanted to, the suspicion remains that cultural as well as strategic considerations made Mesopotamiaʼs eastern edge the boundary of what (even at moments of optimism) seemed possible.“ Vgl. Treitinger 1956, 164, laut dem der Begriff der Oikumene die „innerlich zusammengehörige und in einheitlichen Organisationen verbundene Kulturmenschheit“ umfasst. Laut Strab. geogr. 2,5,18 (Übers. nach Radt) ist das Mediterraneum jene Weltgegend, wo es die meisten wohlgeordnete Völker und Städte gibt; bereits bei ebd. 2,5,8 behauptete der Autor bezüglich die Grenzen seiner Weltbeschreibung, da es um die Gegenden jenseits Britanniens geht: πρός τε τὰς ἡγεµονικὰς χρείας οὐδὲν ἂν εἴη πλεονέκτηµα τὰς τοιαύτας γνωρίζειν χώρας καὶ τοὺς ἐνοικοῦντας, καὶ µάλιστα εἰ νήσους οἰκοῖεν τοιαύτας, αἳ µήτε λυπεῖν µήτʼ ὠφελεῖν ἡµᾶς δύνανται µηδὲν διὰ τὸ ἀνεπίπλεκτον. – „[...] für die Bedürfnisse der Herrscher wäre es überhaupt kein Gewinn solche Länder und deren Einwohner zu kennen, besonders wenn sie solche Inseln bewohnen, die wegen mangelnden Verkehrs uns weder schaden noch nutzen können.“ Schon Britannien sei mehr eine Belastung als ein Gewinn. Siehe auch Rubin 1986b, 24. 36 Ziegler 1964, 120f.
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durch natürliche Grenzen eingekesselt, was impliziert, dass dies bei anderen Mächten der Fall ist.37 Die Sasaniden können also, folgt man dieser Überlegung, auch dahingehend der römischen Weltherrschaft nichts entgegensetzen, denn sie sind aufgrund ihrer geopolitischen Situation nicht in der Lage, einem eigenen Weltherrschaftsanspruch zu folgen. Es bleibt das Mediterraneum als Oikumene,38 das von unfruchtbaren Wüsten im Süden, leerem Meer im Westen, undurchdringlichen Wäldern im Norden und öden Steppen im Osten begrenzt wird.39 Somit bedeutet die Herrschaft über das Mediterraneum die Herrschaft über die Welt. Orbis terrarum ist orbis Romanus.40 Im Grunde blieb diese bereits bei Aristides ausgeprägte Vorstellung weiterhin bestehen, auch in byzantinischer Zeit mit entsprechenden Modifikationen. So tritt der ursprüngliche apologetische Charakter dieser Idee, der die römische Herrschaft rechtfertigen soll, in den Hintergrund.41 Appian folgt einer solchen Argumentation und konstatiert bereits im Proöm seiner Römischen Geschichte unter Anführung persönlicher Anschauung, die Römer handelten richtig, das errungene Gebiet zu sichern, statt danach zu streben, auch noch endlos weite ärmliche Gegenden und Völker zu beherrschen: Als Gebieter über die besten Teile von Land und Meer wollen sie aber, im ganzen gesehen, doch lieber durch Klugheit ihren Besitzstand mehren, als ihre Herrschaft ins Grenzenlose ausdehnen, über bettelarme, keinen Gewinn bringende Barbarenvölker, von denen ich in Rom
37 Ael. Arist. Or. XXVI, 10; Rubin 1986b, 24. 38 Vgl. Rubin 1986b, 24. 39 Auch wenn es sich um Überzeichnungen handelt, kann doch selbst das iranische Kernland hinsichtlich seiner Fruchtbarkeit dem Vergleich mit den Gebieten des Imperiums nicht standhalten; vgl. Ehlers 2011 über den heutigen Iran. 40 Vogt 1929, 5; vgl. Kazhdan 1992, 10f.; Canepa 2010, 125. Bei Vogt 1929, 8–10, wird die Entstehung dieser Anschauung dargelegt. Chrysos 1989, 19, betont, Römer seien in der Lage gewesen, die Diskrepanz von orbis terrarum und orbis Romanus zu erkennen. Dem liegt aber wieder die problematische moderne Ansicht zugrunde, nach der diese Identifikation allein auf räumlicher Identität beruhen müsste, daher auch für antike Menschen erkennbar falsch, in Folge dessen gelogen und letzten Endes Augenwischerei sei. Graham 2009, 53, stellt heraus, dass die Identifikation der großen naturräumlichen Hindernisse mit Grenzen und nicht nur logischen Haltepunkten der Expansion sich zeitlich feststellen lässt: „[...] at no time prior to the late second century does one see these limits emerge specifically as ‚barriers‘ or ‚walls‘ rather than just natural, logical stopping points. Such references reveal a new stream of thought that emerged sometime in the second century but became more pronounced due to the events of the third century. By the later Empire, the image is clear. Romans began to imagine physical features as their frontiers whenever possible. The Roman Empire became seen as bounded by various physical or topographical features. Mountains, rivers, deserts, and the sea were all recognized as the frontiers to Roman holdings.“ Ausführlich zu Bergen, Meeren, Wüsten und Flüssen in diesem Kontext ebd. 53–72. 41 Vgl. Fuhrmann 1973, 530, Anm. 8, 532; Welwei 1989, 102; Chrysos 1992, 25f.
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9 Strukturen II einige zu Gesicht bekam; dort boten sie sich durch ihre Gesandten als Untertanen an, wurden jedoch vom Kaiser als Menschen abgewiesen, die ihm keinerlei Nutzen bringen könnten.42
Andere Autoren setzen die Oikumene mit der für Römer beherrschenswerten Welt gleich, wozu später noch der Gedanke der christlichen Welt unter dem christlichen Kaiser hinzutritt,43 was weite Teile der Erde wiederum aus den primär beherrschenswerten Regionen ausschließt.44 Dies war nicht die einzig mögliche Sichtweise,45 aber in jedem Fall eine durchaus nachvollziehbare, legitime und
42 App. Rom. Proem. 7,26 (Übers. nach Veh): ὅλως τε διʼ εὐβουλίαν τὰ κράτιστα γῆς καὶ θαλάσσης ἔχοντες σώζειν ἐθέλουσι µᾶλλον ἢ τὴν ἀρχὴν ἐς ἄπειρον ἐκφέρειν ἐπὶ βάρβαρα ἔθνη πενιχρὰ καὶ ἀκερδῆ, ᾧν ἐγώ τινας εἶδον ἐν Ῥώµῃ πρεσβευοµένους τε καὶ διδόντας ἑαυτοὺς ὑπηκόους εἶναι καὶ οὐ δεξάµενον βασιλέα ἄνδρας οὐδὲν αὐτῷ χρησίµους ἐσοµένους. Welwei 1989, 102. 43 Fuhrmann 1973, 532; vgl. Leppin 2016, 109f. Fuhrmann sieht bei ebd. 560 für die theodosianische Zeit aber die bekannte und unzutreffende Scheidung zwischen der auf politischen Realitäten gründenden Argumentation des Aristides und spätantiken Wunschvorstellungen, die mit der Realität nicht kompatibel gewesen seien. 44 Beck 1967, 654, zur Missionsidee nach Eusebius von Caesarea: „In der Idee ist nicht nur der Raum des Christentums, sondern auch der des Imperiums die g a n z e [gesperrt im Original] Welt, die ‚Oikumene‘.“ Vgl. Irmscher 1975, 138–140; Blockley 1992, 122f. 45 Es lassen sich auch in der Zeit des römisch-parthischen Umganges seit Augustus immer wieder Stimmen vernehmen, die stärker die friedliche Koexistenz und Augenhöhe beider Reiche betonen, Sonnabend 1986, 197–203; vgl. Lerouge 2007, 112–122. Strabon, Iustin, Plinius und Tacitus etwa sprechen von einer Teilung der Welt zwischen Römern und Parthern. So geht Pompeius Trogus von der Zweiteilung der Welt aus, wobei die Parther den Ostteil beherrschen, Iust. 41, 1, 1 (vgl. Müller 2017, 252); vgl. noch Strab. 11, 9, 2; vgl. dagegen 6,4,2. Von zwei sich gegenüberstehenden großen Reichen schreiben Ios. ant. Iud. 18, 2, 46, Plin. nat. hist. 5, 21, 88, und Tac. ann. 2, 56, 1. Laut Front. Princ. hist. 6 hätten allein die Parther gegen die Römer bestehen können. Ein Akt demonstrativer Augenhöhe könnte auch das von Vell. Pat. 101,1–3 erwähnte Gipfeltreffen Gaius Caesars mit dem Großkönig Phraates V. im Jahr 1 n. Chr. sein, das sich des Mittels der Flussdiplomatie bediente und dessen Augenzeuge Velleius war. Ambivalent Arr. Parth. frg. 1 [ed. Roos], gemäß dem Exzerpt des Photios: die Parther hätten es zu so großer Macht gebracht, dass sie mit den Römern ebenbürtige Schlachten hätten schlagen könnten, ja zuweilen hätten sie sogar gewonnen. Cass. Dio. 40,14,3f., berichtet, dass die Parther zwar seit ihren ersten Kämpfen mit den Römern als ebenbürtige Gegner galten, ihr Ruf aber besser sei als ihre (durchaus beachtliche) Leistung, denn sie hätten doch kein römisches Land erobert, aber umgekehrt Teile des eigenen verloren, wenn sie auch noch nie unterworfen worden seien. Einige der Autoren mögen dies durchaus im modernen Sinne als Anerkenntnis der anderen Seite verstanden haben, vgl. Timpe 1967, 484f.; all dies lässt sich aber auch mit Sonnabend 1986, 203–227, ähnlich obigen Konzeptes erklären, warum die Römer nicht das Sasanidenreich beherrschen werden müssen, um Weltherrschaft proklamieren zu können: In Augusteischer Zeit seien zur Rechtfertigung des territorialen Status quo im Osten vor der römischen Öffentlichkeit im Angesicht von Erwartungen der Sieghaftigkeit, der Rache und des Weltherrschaftsstrebens an Augustus, die Parther gewissermaßen aus der römischen Welt ausgeschlossen worden; ebd. 207. So konnte auch die unabhängige Herrschaft der Parther in ihrer eigenen Sphäre hingenommen werden; auch die Teilung der Welt in einen römischen und einen parthischen Teil war dann nicht mehr anstößig, ebd. 203, wenn man den parthischen Teil
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keineswegs als Ausrede für den Mangel an realer Herrschaft über die ganze Welt empfundene Perspektive auf die Natur römischer Herrschaft. Sie war dazu prädestiniert, den Umgang mit dem ambitionierten Sasanidenreich auf Augenhöhe zwar nicht gegenüber der anderen Großmacht, aber nach innen hin und vor sich selbst zu rechtfertigen: Ein Umgang mit den Sasaniden auf Augenhöhe bedeutet kein Zurückstecken in den eigenen Ansprüchen, denn Rom beherrscht bereits alles, was sich zu beherrschen lohnt. Die Sasaniden mögen den anderen Teil der Welt, die Anoikumene, ihr eigen nennen. Sie sind der Widerpart des Imperiums, da sie auch auf die gesamte Welt blicken und in dieser agieren können, aber praktisch eben nur einen Teil beherrschen, den Rom gar nicht beherrschen muss, um Weltherrschaft proklamieren zu können. Rom nimmt durch den Umgang mit den Sasaniden auf Augenhöhe keinen Schaden in seiner Weltherrschaft.46 So bedeutet ein gleichrangiger Umgang mit den Sasaniden keinen innenpolitischen Gesichtsverlust für römische Herrscher. Auf der iranischen Seite nun findet sich geradezu eine Spiegelung dieser Anschauung,47 die auf dem Konzept der avestischen Klimate aufbaut und die Touraj Daryaee herausgearbeitet hat: Ursprünglich bestehen in der Welt gemäß avestischer Auffassung sieben Klimate, aber alles relevante menschliche Leben geht in dem die Hälfte der Welt umfassenden Zentralklima Xwanirah vor – die andere Hälfte ist menschenleer und höchstens von Dämonen bewohnt.48 Die Xwanirah entspricht dahingehend dem klassischen griechischen Verständnis der Oikumene.49 Diese Auffassung der Welt war flexibel interpretierbar und so gelten in der
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nicht beherrschen wollte und nicht zu beherrschen brauchte, um weiterhin Weltherrschaft proklamieren zu können. In diese Tradition ließe sich vielleicht auch Ammians persischer Exkurs im Buch 23 stellen, da er die iranische Welt nicht als leere Nicht-Welt wahrnimmt, sondern Elemente ihrer Andersartigkeit herausstellt. Zur Widersprüchlichkeit Ammians bezüglich fremder Völker Rosen 1982, 115–117; vgl. Barnes 1998, 110. Zu Ammians ethno-geographischen Fehlern in den Exkursen und seinem Buchwissen Rosen 1982, 133–135; vgl. Enßlin 1923, 16; vgl. Hartmann 2007, 51. Laut Kelly 2011, 37 u. Thompson, 11f., habe Ammian im Fall Persiens möglicherweise ältere Berichte ergänzt und korrigiert. Ostrogorksy 1936, 52, Anm. 18, vertritt die These, der Großkönig stünde zudem als nichtchristlicher Herrscher per se außerhalb der Oikumene und könne daher seinem Wesen nach gar nicht gleichrangig sein. Folgt man dieser Idee, vergibt sich der Kaiser gegenüber den Seinen in der Tat nichts, wenn er ihn im diplomatischen Verkehr als Gleichrangigen behandelt. Es ist ein Geschenk des Kaisers, mehr nicht. Für die Oikumene als Weltkreis der christlichen Orthodoxie siehe Obolensky 1963, 53. Börm 2006, 319, Anm. 66: „Ähnlich wie die Römer scheinen die Perser vielfach das von ihnen kontrollierte Gebiet mit der zivilisierten und damit beherrschenswerten Welt gleichgesetzt zu haben [...]“ Zu einem wie auch immer gearteten sasanidischen Weltherrschaftsanspruch: Ziegler 1964, 142; Lehmann 1973, 48; Howard-Johnston 1995, 219; Hartmann 2006, 106, 137; Börm 2006, 319, Anm. 66; Börm 2008, 437; Canepa 2009, 101. Daryaee 2005, 130; vgl. Unwala 1930, 132f.; Tafazzoli 1992, 713; Daryaee 2010b, 99. Daryaee 2010b, 99.
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Sasanidenzeit auch die anderen sechs Klimate als bewohnt, die Römer dabei explizit als Teil der Xwanirah.50 In der Spätantike kommt ein konkurrierendes Element geographischer Weltdeutung auf, das nicht im Sinne der avestischen Weltanschauung eingesetzt wird: Eranshahr, das ausschließlich den von Persern beherrschten und dominierten Teil der Welt umschließt.51 Im 6. und 7. Jahrhundert findet sich die Vereinigung dieses Konzepts mit den avestischen Klimaten in der Form, dass Eranshar und Xwanirah in eins gesetzt werden.52 Das bedeutet aber nichts anderes als eine Gleichsetzung des Sasanidenreiches und seiner Einflussgebiete mit der Oikumene und somit dem besten Teil der Welt, in dem nach ursprünglicher Anschauung alle für die Welt und Menschheit relevanten Geschehnisse vorgehen. Dies erinnert stark an die vorgestellte römische Idee, Weltherrschaft bedeute Dominanz ausschließlich über die lohnenswerten Teile der Welt. Wenn sich Chosrau I. als Herr der sieben Klimate propagieren lässt,53 so ist das nichts anderes als diese Auffassung von Weltherrschaft: Da er den relevanten Teil der Welt beherrscht, ist der irrelevante Rest vernachlässigbar und selbstverständlich dem relevanten Teil der Welt unterstellt. Die anderen Klimate unterstehen ihm so, wie Wälder, Meere und Wüsten und somit die aus römischer Sicht Restwelt dem römischen Reich unterstehen: Man muss sie gar nicht kontrollieren, sie sind keine Masse, die bei der Aufstellung von Weltherrschaft relevant wäre. Da es in ihr keine relevante Herrschaft gibt (denn welche Herrschaft sollte in An-
50 Unwala 1930, 132f.; Daryaee 2005, 130; Daryaee 2010b, 100. 51 Daryaee 2002, 103; Daryaee 2010b, 100; Canepa 2018, 59; vgl. Daryaee 2005, 123, 131; Wiesehöfer 2005, 109; Wiesehöfer 2000, 18, betont, Iran sei „als zugleich ethnischer, religiöser und politischer Begriff frühsasanidischer Schöpfung“; Gnoli 2006, 505f.; vgl. Gnoli 1989, 137f. Im Tansarbrief 40f. [p. 63f. Übers. Boyce], wohl hauptsächlich dem 6. Jahrhundert entstammend (Macuch 2010, 204f.) wird eine Teilung der Welt in vier Teile vorgestellt (das Land der Türken, Rom samt Nordafrika, Schwarzafrika und Iran), Iran sei der auserwählte Teil und sei zu den anderen wie Kopf, Nabel, Höcker und Bauch, denn seit den Zeiten Irajs, des Sohnes Afriduns, hätte Iran am Kopf der Welt gestanden, gehörten Führungskraft und Königtum iranischen Königen und sie hätten alles beherrscht, vermittelten bei Streitigkeiten zwischen dem Rest der Welt und diese gab Tribut. Wie der Nabel sitze Iran inmitten der anderen Länder. Die Iraner seien die edelsten und angesehensten unter den Menschen, auch ihr Aussehen sei das beste. Sie allein hätten von Gott die wahre Religion bekommen, sie überträfen die anderen Gebiete in ihren Künsten. Wie ein Höcker sei das Land zwar klein im Vergleich zu den anderen, aber hätte mehr Vorteil und ein pralleres Leben. Wie ein Bauch sei Iran, da alles aus den anderen drei Weltteilen zum Genuss der Iraner dorthin gebracht würde. Dies wird noch weiter ausgeführt. Dagegen postuliert Payne 2013, 6f., einen Eroberungsanspruch aus dem Eranshahr-Konzept. 52 Daryaee 2002, 103f.; Canepa 2009, 102; Daryaee 2010b, 101. 53 Daryaee 2005, 133f.; vgl. Widengren 1959, 249; Bernheimer/Silverstein 2012, 5. Man denke auch an die sasanidische Königstitulatur, die Eran und Aneran umfasst, siehe den Artikel Bailey 2011.
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betracht von Weltherrschaft vergleichbar und relevant sein?) ist sie zwangsläufig dem Weltherrscher unterstellt.54 Das römische Reich gefährdet die Herrschaft nicht, da es nicht die persische Xwanirah zu beherrschen strebt. Seine Herrschaft außerhalb des Zentralklimas kann allein schon aufgrund ihrer Natur außerhalb dieses avestisch-zoroastrischen Zentrums der Menschheit in ihrer Qualität niemals mit der sasanidischen Herrschaft über das Zentralklima verglichen werden. Die Xwanirah als Eranshahr ist etwas explizit Persisches und das Imperium ist etwas explizit Nichtpersisches. Dies lässt sich nicht vereinen. Auch die kulturelle Komponente entspricht sich somit in der römischen und sasanidischen Auffassung: Die relevante römische Welt ist urban und griechisch-römisch strukturiert, der relevanten sasanidischen Welt der Spätantike liegt der persische Kulturkreis zugrunde. Wie also Rom in seiner Weltherrschaft keinen Schaden nimmt, wenn dem Sasanidenreich auf Augenhöhe begegnet wird, da es zwar an der Welt orientierte Ambitionen hat, aber doch außerhalb der Weltherrschaft liegt, so schadet auch das Imperium dem Sasanidenreich nicht,55 da es zwar ebenfalls in seinen Handlungsmöglichkeiten und seinem Horizont auf die ganze Welt ausgerichtet ist, faktisch aber außerhalb jenes Gebietes liegt, in dem Weltherrschaft konstituiert wird. In Anbetracht der Flexibilität der iranischen Konzepte war auch diese Anschauung nicht exklusiv, aber doch geeignet, den besonderen Umgang mit dem Imperium nach innen zu begründen, ohne die eigenen Ansprüche zu verringern.56 Diese gemeinsame Ebene ermöglicht es ihnen, auf Augenhöhe zu kommunizieren und auch, in ihrer politischen Kommunikation eine Sprache zu sprechen. Das prädestiniert sie, sich auf der Basis von Gleichrangigkeit zu begegnen und nicht, wie allen anderen Mächten, aus einer Position der Stärke und Überlegenheit heraus.57 Die zur Gegenüberstellung Roms und Irans führende Geschichte hat den göttlichen Fingerzeig gegeben, dass offenbar einer allein die Welt nicht erhalten kann, es bedarf beider. Die herrscherliche Anrede als „Bruder“ beinhaltet diese Anschauung.58 54 Daryaee zieht in den relevanten Arbeiten keine derartigen Schlüsse, sondern denkt sich die Weltherrschaft realpolitischer, als wirkliches movens sasanidischer Politik, Daryaee 2013, 21; vgl. Daryaee 2010b, 103. 55 Vgl. Higgins 1941, 284, wenn auch mit der unpräzise ausgedrückten Begründung, es liege daran, dass der sasanidische Weltherrschaftsanspruch ein bloß theoretischer sei. 56 In ähnlichem Sinne deutet Blockley 1992, 104, das persische „Achämenidenerbe“, siehe dazu aber Anhang 2 der vorliegenden Arbeit. 57 Bereits im Melierdialog des Thukydides wird die Auffassung geäußert, die rechtliche Konfrontation von gleich Starken als Chance auf wahre Gerechtigkeit und nicht als Weg in die Aporie zu begreifen. Dieser Anschauung nach kann es Recht überhaupt nur zwischen gleich starken geben, da die Stärkeren täten, was sie könnten und die Schwächeren erlitten, was sie erleiden müssten, Thuk. 5,89; Rosenstein 2007, 228; vgl. Thuk. 1,141; 3,11. 58 Die Brüderlichkeit der Herrscher hat in der Forschung große Aufmerksamkeit gefunden. Ihren besonderen und unter den „internationalen“ Beziehungen herausgehobenen Charakter betont Huyse 2006, 199; als Ausdruck der Gleichrangigkeit Güterbock 1906, 6; Wiesehöfer
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Brüder werden durch zwei Elemente gekennzeichnet: Sie stammen von den gleichen Eltern ab, sind also vom genau gleichen Fleisch und Blut aus gleichem Haus, und sie sind in einen unabänderlichen Zustand der Brüderlichkeit hineingeboren. Brüder werden immer Brüder bleiben, was immer auch geschieht; es gibt keinen Weg, Brüderlichkeit abzulegen und selbst auf den Tod verfeindete Brüder hören nicht auf, Brüder zu sein. Freunde dagegen hören auf, Freunde zu sein, sobald sie verfeindet sind. So mögen die Beziehungen zwischen Rom und Iran, zwischen Kaisern und Großkönigen einmal besser und einmal schlechter sein: Das ändert nichts an dem Zustand, dass es Rom und Iran geben wird und sich beide miteinander arrangieren müssen. Diese Ideen erwachsen geradezu natürlich aus dem Zustand der Brüderlichkeit. Fragt man aber, ob eine solche Auffassung auch in der ostmediterranen Welt der Spätantike existiert hat, so sei auf gesellschaftliche Konzepte der Steppenregion Syriens und Mesopotamiens verwiesen: Durch die starke Präsenz nomadischen Lebens in diesen Regionen lassen sich auch in sesshaften und urbanen Zusammenhängen etwa Palmyras, Hatras, Edessas und der alten Nabatäerstädte Prinzipien einer segmentary society finden, in der soziale Beziehungen häufig über Verwandtschaftsbegriffe erfasst werden, vor allem jenem der Bruderschaft, um den Platz eines jeden innerhalb des sozialen Gefüges auszudrücken, in denen im ursprünglichen pastoralen Kontext jeder auf den anderen angewiesen ist.59 Wie 2007a, 133; Morley 2016, 118; besonders auch Ziegler 1983, 14, unter Verweis auf altorientalische Vorbilder; Maksymiuk 2018, 597: „The absolute equality of the rulers came to be expressed in the courteous claims that the dynasts were relatives.“ Eher gegen Gleichrangigkeit Ostrogorsky 1936, 52, Anm. 18. Bei Canepa 2009, 125 wird sie als Prinzip herausgehoben, das bald als uralte Einrichtung dargestellt wurde. Das verkennt, dass es aus antiker Sicht wohl kaum absichtlich falsch dargestellt wurde, sondern schlicht so war. Die Brüderlichkeit ist uralt, da sie die göttliche Ordnung der Dinge ist und offenbar von Anbeginn der Welt so vorgesehen. Die Brüderlichkeit bildet auch den Ansatz für Dölgers Konzept der Familie der Könige, das Mächtegleichgewicht habe zur Brüderlichkeit geführt; er sieht den Beginn dieses Verhältnisses in einem Vertrag im Dunkel des 3. Jahrhunderts, vielleicht mit dem von ihm postulierten Frieden von 283 zwischen Carus und Bahram II., Dölger 1953, 59f.; 60, Anm. 62. Die Idee an sich ist nachvollziehbar, der Frieden von 283 hat aber wohl nicht existiert, Ziegler 1964, 146, Anm. 33 vgl. 144; Chrysos 1976, 18f. Einen Frieden zwischen Carus und Bahram II. kann es gar nicht gegeben haben, da Carus mitten im Feldzug starb und für einen Frieden zwischen Numerianus und Bahram II. 283/84 gibt es keine Zeugnisse. Zur Grundannahme Chrysos 1989, 14; vgl. Ostrogorsky 1956, 12; Winter 1989a, 73f. Treffend Lounghis 1980, 263f. 59 Dijkstra 1995, 12f.: „[...] the prominent presence of the nomadic component accounts for the conspicuous adherence to, and utilization of, segmentary principles for structuring social relationships, viz. that both physical and social relationships are couched in terms of kinship. Because of their pastoral enterprise that can only sustain a limited amount of people, the size of nomadic groups is well-defined. As in daily life the members are entirely committed to each other – at least, when they are out in the desert –, such a group tends to be very cohesive […] Ideologically this solidarity is rated to, and idiomatically it is expressed in terms of kinship as „sons“ and „brothers“ – better „brethren“ – That way, a number of rights and duties is regulated in terms of relationships in which they are conceived to reside naturally […] Thus, it is
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sich Nomaden in lebensfeindlicher Umgebung aufeinander verlassen müssen, so müssen es auch Kaiser und Großkönig und ein solches Verständnis des Miteinanders musste den Menschen des römischen Ostens und persischen Westens naheliegend erscheinen. Im iranischen Raum ließe sich die auf Gleichrangigkeit fußende Bruderanrede zwischen Herrschern auch mit der Sphäre des Mythos in Verbindung bringen: Feiredon soll die Welt zwischen seinen drei Söhnen aufgeteilt haben, in Rum, Turkastan und Eranshahr.60 Die ersten Herrscher der römischen und der iranischen Welt hätten sich demnach selbstverständlich als Brüder angesprochen, so dass der Mythos einen Präzedenzfall für den aktuellen Zustand bietet und der aktuelle Zustand dem mythischen der Anfangszeit angenähert ist. Beide Seiten können dem gegebenen Zustand jedenfalls nicht ausweichen.61 In der iranischen Religion ist es wiederum Mithra, der solche Beziehungen regelt, da er nicht nur freiwillig geschlossene Verträge in einer Gesellschaft überwacht, sondern auch die Verpflichtungen, die natürlich entstandene Beziehungen, wie die zwischen Vater und Sohn oder Brüdern, mit sich bringen.62 Kaiser und Großkönige haben mit dieser Anschauung ihre Gegenüberstellung als Chance und positiven Auftrag begriffen63 und sich in Form der Bruderanrede in ihren Briefen immer wieder vor Augen geführt.
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important for someone to know who his „brother“ is, in order to define his place in society. […] There are strong indications that this tribal conception of human relationships retained its prominent position in cities like Palmyra, Hatra, Edessa and the cities of the former Nabatean Empire that were situated in or at the fringe of the steppe [...]“ Verwandtschaftsterminologie zur Beschreibung sozialer Beziehungen gab es entsprechend auch im urbanen Raum, ebd. 14. Vgl. Maksymiuk 2018, 598: „Here one should consider the interpretation of the word ‚brother.‘ Was it perceived as a synonym of equality in Iran? We can look to the Iranian concept of the past. According to mythical tradition Ferēdūn divided the world between his three sons: Salm received Rūm (West), Tōz/Tūr received Turkastān (East), and Īraj/Ēriz inherited Ērānšāhr […]“ Im Folgenden bindet Maksymiuk weiter an den Mythos an, vor allem den Brudermord an Īraj/Ēriz, und kommt von der naheliegenden Idee ab, dass die Bruderanrede im Iran also als Zeichen der Gleichrangigkeit verstanden worden wäre, ebd. 599f.; vgl. Payne 2015b, 296f. Dabei ist der Fokus vielleicht weniger auf den folgenden Brudermord unter den Söhnen zu legen, sondern mehr darauf, dass die Welt vor diesem Zerwürfnis ursprünglich „so gedacht“, so institutionalisiert wurde, dass Brüder sie beherrschen sollen, davon einer Rom und einer Iran. Zudem erscheint der iranischen Mythhistorie Salms Reich weit ambivalenter als das negative Tōzʼ/Tūrs, Payne 2013, 15. Blockley 1992, 124. Gershevitch 1967, 26. In der Rangfolge der Verträge im avestischen Mithra-Hymnus 29, 116 [ed. Gershevitch] haben Verträge zwischen Brüdern neunzigfache Bedeutung, in den irdischen Beziehungen zwischen einzelnen Individuen nur noch übertroffen von denen zwischen Vater und Sohn mit hundertfacher Bedeutung. Das genaue Gegenteil wird bei Higgins 1941, 282, angenommen: Der beidseitige Weltherrschaftsanspruch sei die Wurzel aller Konflikte, vgl. ebd. 289f.; vgl. Erdmann 1943, 17; Lehmann 1973, 48; Winter 1988, 26, 43; Funke 1996, 226; Sommer 2005, 67f., letzterer mit territorialen Interessen als Wurzel; vgl. McDonough 2011a, 295; Bei solchen Betrachtungen
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Geradezu durchgängig wird diese Auffassung in den Quellen deutlich und es lässt sich zugleich zeigen, dass sie innerhalb eines Jahrhunderts zur offiziellen und sogar einzig möglichen offiziellen Auffassung im Umgang zwischen Rom und dem Sasanidenreich wurde. Bereits in früheren Jahrhunderten existierte der Gedanke, dass Rom und Iran eine besonders hervorgehobene Stellung in der Welt hätten, was auch Angesichts der römischen Republik und des Partherreiches nicht unbegründet war, in der Kaiserzeit aber eine neuen Impetus erhielt. Wenn auch als mehr oder weniger exzentrische (direkt herrschsüchtige oder zumindest zur persischen Provokation gedachte) Idee eines einzelnen dargestellt, so basiert doch zum Beispiel der Caracalla von Cassius Dio und Herodian unterstellte und offenbar undurchführbare Plan, durch Heirat die beiden Reiche unter einer (römisch angeführten) Weltmonarchie zu vereinigen,64 auf einer vergleichbaren Anschauung, dass jener, der Rom und Persien beherrscht, praktisch die ganze Welt ohne Rest beherrscht, die Herrschaft über die Welt also auf nur zwei Reiche aufgeteilt ist.65 Es war offenkundig keine herrschende Anschauung, aber diese Gedanken müssen, wenn sie Cassius Dio und Herodian wiedergeben konnten, zumindest existiert und genug Glaubwürdigkeit gehabt haben, dass man sie dem größenwahnsinnigen Caracalla als Vorhaben unterstellen konnte.66 In aller Deutlichkeit tritt die Idee der Gleichrangigkeit nach den römischsasanidischen Kämpfen der Soldatenkaiserzeit im Vertrag von Nisibis zutage. Petros Patrikios bietet die komplexe Metapher der beiden Lichter der Welt,67 was vor dem Hintergrund der Geschehnisse des letzten Jahrhunderts durchaus vorstellbar ist und keine Rückprojektion des wesentlich später lebenden Petros, der selbst Diplomat und Jurist mit voller Kenntnis der Bedeutung derartiger Terminologie und wohl auch Zugang zu Archivalien war,68 gewesen sein muss.69 Es ist in der Forschung beobachtet worden, dass mit dem etwa 40 Jahre lang eingehaltenen Frieden von Nisibis ein maßvoller Friedensschluss vorlag, denn obwohl Rom die überlegene Seite war, wurden die Sasaniden darin als ebenbürtige und gleichran-
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fällt gelegentlich der Terminus der „Erbfeindschaft“ zwischen Rom und Persiens, Sommer 2005, 67f., 78; Sako 1986, 9; Perser als „Erzfeind“ der Römer bei Kolb 2001, 76. Herodian. 4,10f.; Cass. Dio 79,1,1; von Stauffenberg 1948, 115f.; Blockley 1992, 115; Fowden 1993, 24f. Zur fiktiven Natur des Vorhabens siehe die Arbeit Timpe 1967. Nach Fowden 1993, 18f., aus einer hergebrachten Anschauung resultierend: „In short, ‚world empire‘ presupposes (in antiquity) control of the eastern Mediterranean basin and the Iranian plateau, and therefore also of what lies between.“ Dies sei nur unter Kyros und in Folge Mohammeds gelungen. Fowden 1993, 24–26. Petr. Patr. frg. 201 [Banchich]; Blockley 1992, 115; Nechaeva 2014, 71; Maksymiuk 2018, 594. Winter 1989b, 558; Mosig-Walburg 2009a, 123; vgl. PLRE IIIB, Petrus 6, S. 994–998. Kettenhofen 1992, 102; Canepa 2009, 122; Maksymiuk 2018, 594. Für eine kondensierte Übermittlung der Inhalte durch Petros Weber 2016. Mosig-Walburg 2009a, 122–124, kritisiert die Passage in der Untersuchung des Vertrages nicht als anachronistisch, ebd. 123f.
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gige Weltmacht anerkannt.70 Der Vertrag muss für beide Seiten so akzeptabel gewesen sein, dass es mehrere Jahrzehnte keinen großangelegten Versuch gab, ihn zu revidieren, obwohl sich durchaus Angriffsmöglichkeiten für die sasanidische Seite geboten hätten, so in der Zeit der Bürgerkriege Konstantins und seiner kaiserlichen Kollegen. Konstantin selbst wird in den Quellen der Plan eines Perserkrieges am Ende seines Lebens unterstellt, dies hatte aber keine praktischen Auswirkungen.71 Es kam stets nur zu kleineren Auseinandersetzungen.72 Erst 358, also 59 Jahre später, lässt sich ein größeres persisches Aufbegehren – und das zuerst in rein diplomatischer Form – bei Ammian fassen.73 Dies alles spricht dafür, dass sich im Vertrag von Nisibis erstmals die Auffassung der Gleichrangigkeit fassen lässt, die aus der Annahme eines militärischen Gleichgewichts resultiert. Erstmals lässt sich der Wunsch nach einem partnerschaftlichen Umgang mit der anderen Seite erkennen, was besonders auffällig ist, da der dem Vertrag vorausgehende Krieg nicht unentschieden endete, sondern Rom zumindest momentane Vorteile errungen hatte und das Sasanidenreich zu Gebietsabtretungen bewegen konnte. Offenbar wurde aber erkannt, dass es unmöglich war, die Sasaniden permanent in einer unterlegenen Position zu halten, ohne massive Gegenschläge fürchten zu müssen. In diesem Sinne liegt die Ideologie der Gleichrangigkeit als Resultat der Erfahrungen der Kriege des 3. Jahrhunderts nahe.74 Dabei ist zu beobachten, dass sie noch nicht – wie es spätestens ab der Teilung Armeniens der Fall sein sollte – die einzig offizielle Sichtweise der Reiche aufeinander war, sondern es noch Möglichkeiten gab, diese Grundannahme zu durchbrechen. An dieser Stelle ist festzuhalten, dass diese Ideologie auch in der besagten Hochzeit der Anschauung nur für die höchste Ebene, für den Umgang der Reiche miteinander gewissermaßen verpflichtend und das gängige Paradigma warm, um Diplomatie 70 Winter 1988, 213–215; Schippmann 1990, 30f.; Ziegler 1964, 145; vgl. Blockley 1984, 28; Hartmann 2006, 137. Vgl. Ziegler 1964, 145f. oder Börm 2007, 289, wo es heißt, dass die Mächte „einander spätestens seit dem frühen vierten Jahrhundert faktisch zumeist als gleichrangig“ anerkannt hätten; ebd. 299, wird auch auf den ersten Vertrag von Nisibis verwiesen; vgl. Shahbazi 1990, 591. Siehe auch S. 60, Anm. 44 u. S. 60, Anm. 45 der vorliegenden Arbeit. Gegen solche Implikationen des Friedens von 298 Mosig-Walburg 2009a, 127. 71 Blockley 1992, 12. Vgl. Mosig-Walburg 2009a, 187, mit der Feststellung, es ließen sich „die auf den Friedensschluß des Jahres 298 folgenden gut drei Jahrzehnte bis in den Beginn der 30iger Jahre als eine Zeit im wesentlichen friedlicher Beziehungen zwischen beiden Reichen charakterisieren. […] Weder die Perser noch die Römer waren in diesen Jahrzehnten auf Krieg aus, auch wenn in der Forschung teilweise andere Ansichten geäußert werden.“ Die Ereignisse beim Tod Konstantins werden von der Autorin als Einschnitt begriffen und wichtige Kampfhandlungen postuliert, ebd. 215–226. 72 Ausführlich zu diesen Mosig-Walburg 2009a, 193–266. 73 Amm. Marc. 17,5; Blockley 1992, 19–21. Ammian vermittelt die bekannte Variante der Einforderung des Achämenidenerbes. Bemerkenswert ist demgegenüber die Variante Petr. Patr. frg. 214 (Zonar. 13,9), die ohne das Achämenidenerbe auskommt. Siehe dazu Anhang 2 der vorliegenden Arbeit mit Literaturschau. 74 Vgl. Winter 1988, 220, Winter 1994, 605. Bei Blockley 1992, 7, wird der Vertrag negativer bewertet, vgl. Mosig-Walburg 2009a, 127.
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durchführen zu können. Privatpersonen und sogar die Herrscher im Umgang mit ihren eigenen Untertanen konnten andere Anschauungen hegen, so auch etliche der uns erhaltenen Quellenautoren.75 Im Umgang der Reiche miteinander war die Anschauung der konstruktiven Gleichrangigkeit aber eine schlichte Notwendigkeit, um diplomatische Verständigung möglich zu machen.76 Die Konflikte Constantiusʼ II. und Schapurs II. entladen sich zwar in militärischen Auseinandersetzungen, die nicht zuletzt in Anbetracht des persischen Strebens nach einer Verbesserung der eigenen Situation naheliegend sind, geschehen aber nicht unter massivem Truppeneinsatz und haben keinesfalls das Durchbrechen des Gleichgewichts zum Ziel, sondern eine Modifikation der Frontstellung.77 Es ist der typische Fall der Konfliktentstehung der kommenden Jahrhunderte, da sich ein Vorteil für eine Seite anbietet, den die andere verhindern will. An der Idee der Brüderlichkeit und Gleichrangigkeit änderte dies aber nichts. Diese Ideologie machte es gerade möglich, derart begrenzte Kämpfe einzusetzen, um Konflikte beizulegen, ohne dass diese in einen großen Krieg nach Art vergangener Jahrhunderte ausuferten. Ammian überliefert dazu explizit die „Bruder“-Anrede zwischen Constantius II. und Schapur II.78 Im 4. Jahrhundert lassen sich noch Episoden fassen, in denen die Anschauung auch an höchster Stelle nicht eingesetzt wurde. So ist Julians Perserkrieg ein drastisches Beispiel für eine andersartige Politik gegenüber dem Sasanidenreich, die Brüderlichkeit und Gleichrangigkeit, ja sogar der Auffassung des militärischen Gleichgewichts entgegensteht. Julian hatte sich diese Paradigmen nicht zu eigen gemacht, sondern durch eigene Vorstellungen ersetzt – und offenbar war es in seiner Zeit noch möglich, damit eine große Zahl von Einflussträgern zu bewegen und einen Krieg auf Basis dieser Ideen durchzuführen. Wie in seiner Religionspolitik fiel Julian auch in seiner Außenpolitik damit aus dem üblichen Rahmen der Zeit und in Ammians Schilderung der Ereignisse wird dieses Phänomen besonders greifbar. Es entsteht darin sogar der Eindruck, dass der Julian entgegenstehende Schapur II. anfangs nicht fassen konnte, worauf Julians Feldzug abzielt und worin seine Beweggründe bestehen, da sich diese große Militäraktion so stark von dem in den letzten Jahrzehnten etablierten diplomatischen Verhalten unterschied.79 Vor eine entsprechend schwierige diplomatische Lage war Jovian nach dem Scheitern des Julianischen Perserfeldzuges gestellt, da er sich in einer denkbar schlechten 75 Vgl. Winter 1989a, 91f. Vgl. die Ausführungen unten im 13. Kapitel zu ungewöhnlichen Perspektiven; vgl. auch den Gedanken von „reality“ und „image“ in Schludes Untersuchung der römisch-parthischen Beziehungen, Schlude 2020, 13, der auch Risiken der herrscherlichen Praxis anspricht, Außenpolitik einerseits und deren Darstellung im Inneren andererseits sehr verschieden zu gestalten. 76 Vgl. Börm 2007, 301. 77 Bei Börm 2019, 111, 116, wird besonders an die Einnahme von Nisibis gedacht, das den Schutz Ktesiphons gewährleisten sollte. 78 Amm. Marc. 17,5,3; 17,5,10; Komm. de Jonge XVII, 134f.; Cahas 1972, 51f.; Winter 1989a, 73; Schippmann 1990, 33; Blockley 1992, 115. 79 Siehe S. 61, Anm. 50 der vorliegenden Arbeit.
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Verhandlungsposition befand. Es war offenkundig Julian und damit die römische Seite, die das etablierte Verhältnis durchbrochen und sich schuldig gemacht hatte, worüber sich kaum diskutieren ließ. Die römische Schuld musste eingestanden werden und in Anbetracht dessen war es verständlich, dass den Bedingungen des zweiten Vertrages von Nisibis durchaus nachvollziehbare und gerechte Auffassungen zugrunde lagen, welche die römische Seite nicht relativieren konnte. Während es ein typisches Merkmal der römisch-sasanidschen Beziehungen war und weiterhin sein sollte, dass es keinen Richter zwischen beiden gab und die Frage nach der Schuld an einem Vertragsbruch zumeist in Aussage gegen Aussage und damit bevorzugt in einem für beide Seiten akzeptablen Vergleich statt einem Urteil endete, war hier die Schuldfrage offenkundig zu beantworten. Julian hatte aus seinem geradezu antidiplomatischen Vorhaben keinen Hehl gemacht. Es musste so erscheinen, dass die römische Seite mit Absicht das gleichrangige System der beiden Mächte gefährdet hatte und so völlig gegen die Prinzipien handelte, die zur Sicherung des Friedens und Verhinderung ausufernder Kriege etabliert worden waren. Jovian hatte die momentan ungünstigen Bedingungen des Vertrages zu akzeptieren. Wie aber der römische Vorteil des ersten Vertrages von Nisibis die Auffassung von Gleichgewicht und Gleichrangigkeit nicht änderte, sondern erst festschrieb, so änderte sie auch der zweite Vertrag von Nisibis nicht, sondern restaurierte sie nach dem julianischen Zwischenspiel.80 Es hatte sich schließlich durch Julians großangelegten Krieg in den Augen der römischen Seite wieder gezeigt, dass es tatsächlich nicht möglich war, Persien militärisch zu besiegen und der persischen Seite war es eine Warnung, welche großen Verluste und Kosten solche Kriege mit sich bringen konnten. Es lag im Interesse beider Seiten, sie künftig wieder zu vermeiden.81 Wenn die Frage gestellt wird, wie es nach der bereits stark fortgeschrittenen Verständigung seit dem ersten Vertrag von Nisisbis zu Julians Feldzug kommen konnte, sich also die für beide Seiten nutzbringende und zur Vermeidung großer Kriege geradezu notwendige Sichtweise nicht sofort durchsetzte, sondern erst ein Menschenleben später mit der Teilung Armeniens zur völligen Herrschaft in den internationalen Beziehungen kam, so ist zu bedenken, dass derartige Prozesse Zeit brauchen und nicht zuletzt neuer Generationen, die sich neue Paradigmen aneignen und leichter den Ausbruch aus lange etablierten Denkmustern vornehmen
80 Blockley 1984, 28, zu den beiden Verträgen von Nisibis: „The period in which they were produced, the first close to the beginning of it, the second close to the end, was an important stage in the development of relations between the two enduring and (in their own view) ‚civilized‘ powers of the ancient world“, vgl. ebd. 28; Börm 2007, 299. Laut Börm 2019, 111, 116, sei besonders der Gewinn von Nisibis ein Schritt gewesen, der zu einer Situation führte, mit der die persische Seite leben konnte. 81 Auch Barcélo 1981, 108, kommt bei seiner Analyse der auswärtigen Beziehungen Roms unter der constantinischen Dynastie auf anderem Weg zu einem ähnlichen Ergebnis.
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können.82 Julian stellt die letzte Ausnahme in dem von der Idee des Gleichgewichts und der Ideologie der Gleichrangigkeit geprägten römisch-sasanidischen Verhältnis dar. Die folgenden armenischen Konflikte zur Zeit des Valens finden nach militärischen Auseinandersetzungen eine völlig diplomatische Lösung in der Teilung Armeniens (wahrscheinlich 387)83 unter Theodosius I. und Schapur III., die den Zeitpunkt markiert, da die Ideologie der Gleichrangigkeit die einzig herrschende im Verkehr zwischen den Reichen geworden war. 387 wurde der Versuch unternommen, einen Konflikt nicht nur durch Kommunikation beizulegen, sondern durch Beseitigung der Konfliktursachen im Interesse beider Seiten. Damit wurde eine neue Qualität des diplomatischen Miteinanders erreicht84 und diese ist es auch, welche die Teilung Armeniens zum Anfangspunkt der Untersuchung der vorliegenden Arbeit, besonders der diplomatischen Methoden, macht. Bei dieser Teilung war es im Interesse der Verständigung und vor dem Hintergrund der Gleichrangigkeit für die römische Seite akzeptabel, den kleineren Teil Armeniens zu erhalten, da die Aussicht auf die Vermeidung künftiger armenischer Konflikte einen großen Gewinn darstellte und die Gleichrangigkeit dafür sorgte, dass die ungleiche Teilung nicht als Gesichtsverlust erschien. Orosius ist sich etwa 30 Jahre später am anderen Ende der römischen Welt der Bedeutung dieses Vertrages bewusst, da er über einen Abschluss zur Zeit des Theodosius schreibt: „Damals wurde ein Vertrag geschlossen, aus dem der gesamte Osten bis heute den Nutzen sehr ruhiger Verhältnisse zieht.“85
82 Vgl. Howard Johnston 1995, 162: „the Sasanian empire was, from the first, the military equal of the Roman empire, and [...] after a delay for mental adjustment, its parity was recognised and accepted by the Romans“, vgl. Ensslin 1928, 408; Howard-Johnston 2001, 79; HowardJohnston 2008b, 79. 83 Die Datierung ist schwierig, siehe S. 40, Anm. 2 der vorliegenden Arbeit. 84 Ziegler 1983, 15, sieht in der Teilung Armeniens „den Zeitpunkt, in dem die römischpersischen Beziehungen jenen Grad von Intensität und rechtlicher Konsolidierung erreicht haben, der uns berechtigt, fortan von einer von Rom und dem Perserreich als unabhängigen, gleichrangigen, sich gegenseitig respektierenden Mächten getragenen ‚völkerrechtlichen Ordnung‘ zu sprechen.“ Vgl. Preiser 1962, S. 686ff. Ähnlich Howard-Johnston 1995, 162, wenn auch in der Annahme, zuvor sei kein römisches Kooperationsstreben feststellbar; vgl. Rubin 1986a, 678; Rubin 1998, 178f., der ebenfalls den Beginn einer neue Phase mit diesem Vertrag ansetzt, diese aber schon Ende des 5. Jahrhunderts enden lässt. Lee 1991, 374, sieht den zweiten Vertrag von Nisibis als Meilenstein. Blockley 1984, 38 das Zusammenwirken des ersten und zweiten Vertrages von Nisibis. Greatrex 1998, 17f., betont, dass sich die Beziehungen nach dem Vertrag von 363 noch weiter verbesserten und sich diplomatische Formen herausbildeten, die noch im 6. Jahrhundert galten; vgl. Greatrex 2007, 118; Lung 2015, 49. 85 Oros. hist. 7,34,8: ictumque tunc foedus est, quo universus Oriens usque ad nunc tranquilissime fruitur. (Übers. Lippold) Auch Lippold nimmt im Kommentar zur Übersetzung dieser Stelle an, dass es sich um den Vertrag in den 380igern handelt.
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Auf der Synode von 420 werden die beiden Reiche als die beiden Schultern der Welt bezeichnet.86 Im Buzandaran Patmutʼiwnk‘ werden Kaiser und Großkönig als zwei Berge bezeichnet.87 Von der Teilung Armeniens zwischen Theodosius I. und Schapurs III. bis zum Vertrag von 561 zwischen Justinian I. und Chosrau I. setzte kein Herrscher auf eine andere Anschauung des diplomatischen Verhältnisses als die etablierte und lässt sich kein Versuch nachwiesen, diese Ordnung umzustürzen.88 Die Bruder-Anrede bleibt bestehen. Der zweite Hauptteil der vorliegenden Arbeit zeigt den paradigmatischen Charakter der Gleichrangigkeit, die jeder einzelnen diplomatischen Methode, die in diesem zweiten Teil untersucht wird, zugrunde lag. Prokop behandelt noch im durchaus kriegerischen 6. Jahrhundert die Brüderlichkeit und Verständigung der Herrscher auf Basis der Gleichrangigkeit als Selbstverständlichkeit, er geht sogar so weit, Justinian in einem Brief (wohl 539) gegenüber Chosrau nicht nur in der Anrede von seinem Gegenspieler als Bruder, sondern sogar von engster Freundschaft sprechen zu lassen.89 Jenseits der Anrede beschwören römische Gesandte, die nach Chosraus Zerstörung Antiochias im Jahr 540 zu diesem kommen, mehrmals die Brüderlichkeit der Herrscher nicht nur inhaltlich, sondern auch explizit der Form nach, da sie auch im Text ihrer Rede Justinian als Bruder des Angesprochenen bezeichnen.90 Die ganze Rede ist im Übrigen eine Beschwörung der Diplomatie auf Basis der Gleichrangigkeit, da sie deren Sinn gerade im Angesicht des erschütternden persischen Einfalls herausstellt. Prokop bedient sich nicht umsonst bei der Darstellung seiner Argumente einer Rede, des historiographischen Mittels par excellence wenn es darum geht, subtil die Meinung des Autors über Motive und Hintergründe des Geschehens darzulegen: Wenn wir nicht unmittelbar mit dir sprächen, König, könnten wir niemals glauben, dass Chosrau, der Sohn des Kawadh, bewaffnet ins römische Reich eingedrungen ist und dabei die erst jüngst von dir geleisteten Eidschwüre, die doch als allerletztes und sicherstes Unterpfand gegenseitiger Treue und Wahrhaftigkeit unter Menschen gelten, missachtet und den Vertrag gebrochen hat, auf dem die einzige Hoffnung derer ruht, die in Folge der Kriegsleiden nicht zu leben vermögen. Denn so etwas heißt wohl nichts anderes, als die Lebensweise der Men-
86 Synodicon orientale, Jahballāhā 264; Brock 1982, 7; Whitby 2008, 128; vgl. Whitby 1994, 245. 87 Buzandaran Patmutʼiwnk‘ 4,54 [175]. Unter den kaukasischen Autoren reflektiert er am stärksten über der Verhältnis der Großmächte und der kaukasischen Akteure, vgl. 5,33 (237) und 6,1 (265f.). 88 Canepa 2009, 4, erwähnt Grundlagen dieser Anschauung in Kurzform, aber ohne weitere Begründung, Erklärung oder weitgehende Schlüsse daraus zu ziehen; vgl. Ziegler 1983, 16f. Die Herausbildung beständiger diplomatischer Verhältnisse besonders nach dem Vertrag von 363 stellt auch Greatrex 1998, 17f., heraus. Bei Börm 2007, 335f., wird ein Bruch im Jahr 540 gesehen. 89 Prok. Bell. 2,4,17. Zitat siehe unten S. 174, Anm. 149. Browning 1987, 115. Zum Hintergrund der Stelle siehe unten ausführlich Kapitel 12.3.2 der vorliegenden Arbeit. 90 Prok. Bell. 2,10,10–15.
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9 Strukturen II schen in die von wilden Tieren zu verkehren. Wenn nämlich kein Vertrag zustande kommt, wird bloß ein endloser Kriegszustand übrig bleiben, und dieser Krieg entfremdet natürlich all jene, die sich seiner bedienen, der menschlichen Wesensart. Wozu hast du denn vor kurzem deinem Bruder geschrieben, dass er selbst am Vertragsbruch schuld sei? Nicht wahr, weil du zugeben musst, dass Vertragsbruch ein ganz großes Verbrechen ist? Falls sich nun jener nichts zuschulden kommen ließ, dann bist du doch zu Unrecht gegen uns in den Krieg gezogen. Hat aber dein Bruder etwas dergleichen gegen dich begangen, nun gut, so sollst auch du nur bis zu diesem Punkte und nicht darüber hinaus deine Anklage ausdehnen, damit du selbst als der bessere erscheinst. Wer nämlich im Unrechttun unterliegt, dürfte mit Recht in den besseren Taten als Sieger hervorgehen. Wir wissen indessen nur zu gut, dass Kaiser Justinian niemals dem Frieden entgegen gearbeitet hat, und so bitten wir dich, du möchtest den Römern nicht solche Leiden zufügen, die den Persern keinen Nutzen, dir selbst aber nur den einzigen Gewinn bringen werden, ohne Not denen bitterstes Unrecht angetan zu haben, die eben erst mit dir einen Vertrag eingegangen sind.91
Die bisher wesentlichen Elemente werden in wenigen Sätzen aufgezeigt: Der Streit um das Recht unter den gleich mächtigen Seiten, die Bedeutung der Vertragstreue und die Augenhöhe als Chance, Konflikte durch Vertrag beizulegen, ohne den ein endloser Kriegszustand bestehen müsste. Chosrau antwortet in der gleichen diplomatischen Sprache: Justinian habe den Vertrag gebrochen. Prokop fasst die folgende Diskussion zusammen, die zur zwangsläufigen Aporie führt, denn es kann keiner zugeben, Schuld zu sein. Chosrau wünscht schließlich eine fortlaufende Zahlung für den persischen Schutz der Kaspischen Tore und verspricht Nichteinmischung bezüglich Daras. Auf den römischen Einwand, er wolle die Römer tributpflichtig machen, führt er an, die Perser seien im Fall des Zahlungsempfangs eher Soldaten der Römer, Hunnen und Sarazenen würden schließlich auch römische Zahlungen empfangen. In dieser Richtung kommt es zu einer
91 Prok. Bell. 2,10,10–15 (Übers. nach Veh): εἰ µὴ πρὸς παρόντα σέ, ὦ βασιλεῦ, οἱ λόγοι ἐγίνοντο, οὐκ ἄν ποτε ᾠόµεθα Χοσρόην τὸν Καβάδου ἐς γῆν τὴν Ῥωµαίων ἐν ὅπλοις ἥκειν, ἀτιµάσαντα µὲν τοὺς διοµωµοσµένους σοι ἔναγχος ὅρκους, ὃ τῶν ἐν ἀνθρώποις ἁπάντων ὕστατόν τε καὶ ὀχυρώτατον εἶναι δοκεῖ τῆς ἐς ἀλλήλους πίστεώς τε καὶ ἀληθείας ἐνέχυρον, διαλύσαντα δὲ τὰς σπονδὰς, ὧν ἡ ἐλπὶς ἀπολέλειπται µόνη τοῖς διὰ τὴν ἐν πολέµῳ κακοπραγίαν οὐκ ἐν τῷ ἀσφαλεῖ βιοτεύουσιν. οὐ γὰρ ἄλλο οὐδὲν τὸ τοιοῦτον εἴποι τις ἂν εἶναι ἢ τῶν ἀνθρώπων τὴν δίαιταν ἐς τὴν τῶν θηρίων µεταβεβλῆσθαι. ἐν γὰρ τῷ µηδαµῆ σπένδεσθαι τὸ πολεµεῖν ἀπέραντα λελείψεται πάντως, πόλεµος δὲ ὁ πέρας οὐκ ἔχων ἐξοικίζειν τῆς φύσεως τοὺς αὐτῷ χρωµένους ἐς ἀεὶ πέφυκε. τί δὲ καὶ βουλόµενος πρὸς τὸν σὸν ἀδελφὸν ὀλίγῳ πρότερον γέγραφας ὡς αὐτὸς εἴη τοῦ λελύσθαι τὰς σπονδὰς αἴτιος; ἦ δῆλον ὅτι ὁµολογῶν κακόν τι παµµέγεθες εἶναι τὴν τῶν σπονδῶν λύσιν; εἰ µὲν οὖν ἐκεῖνος οὐδὲν ἥµαρτεν, οὐ δικαίως τανῦν ἐφ̓ ἡµᾶς ἥκεις· εἰ δέ τι τοιοῦτον τ̓ ἀδελφῷ τῷ σῷ εἰργάσθαι ξυµβαίνει, ἀλλὰ καὶ σοὶ µέχρι τούτου γε καὶ µὴ περαιτέρω διαπεπράχθω τὸ ἔγκληµα, ὅπως αὐτὸς κρείσσων εἶναι δοκῇς. ὁ γὰρ ἐν τοῖς κακοῖς ἐλασσούµενος, οὗτος ἂν ἐν τοῖς ἀµείνοσι νικῴη δικαίως. καίτοι ἡµεῖς ἐξεπιστάµεθα Ἰουστινιανὸν βασιλέα µηδεπώποτε τῆς εἰρήνης ἀπ̓ ἐναντίας ἐληλυθέναι, καὶ σοῦ δεόµεθα µὴ τοιαῦτα ἐργάσασθαι Ῥωµαίους κακὰ, ἐξ ὧν Πέρσαις µὲν ὄνησις οὐδεµία ἔσται, σὺ δὲ τοῦτο κερδανεῖς µόνον, ἀνήκεστα ἔργα τοὺς ἄρτι σοι σπεισαµένους οὐ δέον εἰργάσθαι. Zum Kontext siehe ausführlich Kapitel 12.3.2 der vorliegenden Arbeit.
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Einigung.92 Beide Seiten wahren somit das Gesicht, können die Zahlung nach innen als Gewinn darstellen und haben die Schuldfrage vermieden. Über letztere wären Konfliktparteien, die sich beide als dem anderen überlegen und stärker begreifen, nicht hinausgekommen. Die Ideen des Gleichgewichts und der Brüderlichkeit ermöglichen das aber.93 Derartige Lösungen sind programmatisch für die behandelte Zeit. Es ist nicht verwunderlich, dass besonders der des Öfteren auf offiziösen Verlautbarungen fußende Malalas94 immer wieder die Gleichrangigkeit der Mächte und Brüderlichkeit der Herrscher anführt. In einer bezeichnenden und auch sonst in den Quellen mehrfach geschilderten Episode95 versucht der „Hunne“ (Sabire) Zilgibis, die Konflikte der beiden Großmächte auszunutzen, indem er zuerst Justinian Unterstützung verspricht. Dann verdingt er sich auch bei Kawadh, um diesen zu unterstützen. Malalas beschreibt nicht die Implikationen, sondern legt sie Justinian in den Mund, diese aber sind deutlich: Zilgibis verspricht den Römern gegen Geld, im entscheidenden Moment einer Konfrontation die Seiten zu wechseln und sich gegen die Perser zu wenden. Das Vertrauen beider Seiten auf Zilgibis ist aber eine riskante Angelegenheit, denn wenn die Schlacht nicht zu Gunsten der Römer verliefe, würde Zilgibis wohl kaum das Risikos des Seitenwechsels auf sich nehmen, zumal er auch für die Unterstützung des Kawadh bezahlt wird. Wenn die Schlacht aber zugunsten der Römer verliefe, würde er Kawadh verraten, was zu dessen Ungunsten verlaufen würde. Eine Seite wird auf jeden Fall betrogen. Er spielt ein doppeltes Spiel, das nicht akzeptabel ist.96 Laut Malalas habe Justinian darum Kawadh kontaktiert und angemahnt: „Wir sind Brüder, wir müssen uns in Freundschaft besprechen, wir dürfen uns nicht von diesen Hunden an der Nase herumführen lassen.“97 Kawadh verhört Zilgibis und lässt ihn 522 hinrichten. Die Begründung, die Justinian von Malalas in den Mund gelegt wird, ist gerade keine realpolitische, denn dann müsste sie lauten: Wir müssen gegen Zilgibis vorgehen, denn er droht uns beiden zu schaden. Vielmehr wird sie auf der ideellen Ebene angesiedelt:98 Kaiser und Großkönig müssen zusammenhalten, wenn jemand die gute Weltordnung bedrohen will. Und ein Missbrauch des römisch-sasanidischen Verhältnisses ist ein solcher Fall. Malalas ist es auch, der Kawadh, wohl unter Bezugnahme auf die Verträge der letzten ca. 150 Jahre, in einem Schreiben an Justinian ausdrücken lässt:
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Prok. Bell. 2,10,26–24. Vgl. andeutungsweise Nechaeva 2014, 48. Siehe dazu Anhang 1 der vorliegenden Arbeit. Chron. Pasch. a. 522; Theophan. Conf. a. 6013; Johannes von Nikiu 90,44; PLRE II, Zilgibis, S. 1203f. 96 Ioh. Mal. 17,10. 97 Ioh. Mal. 17,10,12f. (Übers. nach Thurn/Meier): δεῖ ἡµᾶς ἀδελφοὺς ὄντας εἰς φιλίαν λαλεῖν καὶ µὴ ὑπὸ τῶν κυνῶν τούτων παίζεσθαι. Greatrex 1998, 133f.; Whitby 2008, 128f. 98 Vgl. Canepa 2009, 205.
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9 Strukturen II Wir haben in unseren Archiven Schriftstücke vorgefunden, die besagen, wir seien verbrüdert. Und wenn einer Unterstützung durch Menschen oder Geld nötig hat, so soll der andere sie ihm leisten. Und von jener Zeit an bis auf heutzutage haben wir es so gehalten.99
Auf Basis dessen versucht Kawadh im folgenden zu operieren, um einen Vorteil für sich zu gewinnen, wie es in der Diplomatie typisch ist. In welchem Maße dieses Schreiben auch von Malalas geformt worden sein mag, so ist die Feststellung der Brüderlichkeit doch korrekt und eine politische Gegebenheit.100 Diese wird auch als Meinung Justinians dargestellt, da dieser Kawad 530 für seine Friedensbereitschaft im Sinne der Väter lobt: Zu uns sind unsere Abgesandten, die zu Deiner Milde geschickt waren, zurückgekehrt, und sie haben uns die erfreuliche Einstellung in Eurer väterlichen Gesinnung vermeldet. Und für alles haben wir dem Herrn und Gott gedankt, dass ein Ereignis geschehen ist, das sich für seine Güte schickt, und dass mit Hilfe Gottes Friede eingekehrt ist zum Nutzen der beiden Staaten und zu unserer beider Glorie. Dass aber großer Ruhm und große Anerkennung auf der ganzen Erde vor Gott und den Menschen herrscht, deshalb, weil Friede geworden ist zwischen den beiden Hemisphären, der Eurer Milde und der unsrigen, die wir Euch in aufrichtiger Liebe verbunden sind, das ist augenscheinlich. Und die Feinde eines jeden der beiden Staaten werden zunichte werden, nachdem es mit Gottes Hilfe zu diesem Frieden gekommen ist. […] So beten wir denn, dass ihr Eure väterliche Gesinnung viele Jahre beibehaltet.101
Die stets betonte Wechselseitigkeit und Gleichrangigkeit sowie der brüderliche Umgang sind im 6. Jahrhundert in der Tat schon etwas Altehrwürdiges und bilden das angestammte Formular der herrscherlichen Kommunikation.102
99 Ioh. Mal. 18,44,33–36 (Übers. nach Thurn/Meier): ηὕραµεν ἐν τοῖς ἡµετέροις ἀρχείοις ἀναγεγραµµένα ἀδελφοὺς ἡµας ἀλλήλων εἶναι, καὶ ἐάν τις ἐπιδεητῇ σωµάτων ἢ χρηµάτων, παρέχειν τὸν ἕτερον. Καὶ µεµενήκαµεν ἐξ ἐκείνου καὶ µέχρι τοῦ παρόντος οὕτως διατελοῦντες [...] 100 Siehe ausführlich zu den Eigenarten der Chronik des Malalas als Quelle der Diplomatie Anhang 1 der vorliegenden Arbeit. 101 Ioh. Mal. 18,53,36–45 u. 46f. (Übers. nach Thurn/Meier): ἀνελθόντες πρὸς ἡµᾶς οἱ ἡµέτεροι πρεσβευταὶ οἱ πρὸς τὴν σὴν σταλέντες ἡµερότητα ἀπήγγειλαν ἡµῖν τὴν ἀγαθὴν προαίρεσιν τῆς πατρικῆς ὑµῶν διαθέσεως. καὶ ἐπὶ πᾶσιν εὐχαριστήσαµεν τῷ δεσπότῃ θεῷ, ὅτι πρέπον τῇ αὐτοῦ ἀγαθότητι πρᾶγµα γέγονεν καὶ προέβη σὺν τεῷ εἰρήνη εἰς ὠφέλειαν τῶν δύο πολιτειῶν καὶ ἔπαινον ἡµῶν ἀµφοτέρων. ὅτι δὲ µεγάλη δόξα καὶ ἔπαινός ἐστιν ἐν πάσῃ τῇ γῇ παρὰ θεῷ καὶ ἀνθρώποις τὸ εἰρήνην γενέσθαι µεταξὺ τῶν δύο κόσµων ἐπὶ τῆς σῆς ἡµερότητος καὶ ἡµῶν τῶν γνησίως ὑµᾶς ἀγαπώντων πρόδηλόν ἐστι· καὶ οἱ ἐχθροὶ δὲ ἑκατέρας πολιτείας καταπεσοῦνται ταύτης σὺν θεῷ γινοµένης. [...] εὐχόµεθα γοῦν ἐν πολλοῖς χρόνοις τὴν πατρικὴν ὑµῶν διάθεσιν περισώζεσθαι. Vgl. Ioh. Mal. 18,61, da Justinian seinem Gegenspieler noch im Kampf ähnliche Ansichten mitteilt, aber im Fall der weiteren kriegerischen Handlungen mit Eroberung des persischen Landes droht. Gerade letzteres könnte eine Zutat des Malalas sein, da es nicht in die übliche diplomatische Kommunikation passt und nicht die Friedensbereitschaft und den bloßen Zwang Justinians zur Verteidigung kommunizieren würde, sondern eine Drohung aus einer aggressiven Haltung heraus. Zur Bedingtheit des Malalas durch seine Quellen siehe Anhang 1 der vorliegenden Arbeit. 102 Vgl. dagegen für eine Vollendung der diplomatischen Mittel erst im 6. Jahrhundert Börm 2007, 12, vgl. 151.
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Diese Meinung vertritt auch Malalas als Erzähler, wenn er keinen seiner Akteure sprechen lässt, sondern das Geschehen allein aus seiner Warte wiedergibt, da es um den „Ewigen Frieden“ von 532 geht: Die beiden Herrscher kamen überein und nannten sich im Pakt ausdrücklich „Brüder“, ganz nach altem Brauch; und falls einer den anderen brauche oder Bedarf an Geld oder Hilfstruppen habe, solle man sich ohne Eifersucht gegenseitig die Leistungen erbringen.103
Die Gleichrangigkeit in ihrer ganzen kosmischen Bedeutung lässt Theophylakt nach dem Ende der behandelten Zeit dann den geflohenen Chosrau II. 591 gegenüber Maurikios beschwören, da sie in bisher ungekanntem Maß erschüttert wird: Von allem Anfang an hat Gott bewirkt, daß die gesamte Welt von zwei Augen von oben erleuchtet werde, das heißt vom überaus mächtigen Kaisertum der Römer und von der wohlbesonnenen Herrschaft des persischen Staates. Denn durch diese gewaltigen Reiche werden die ungehorsamen und kriegliebenden Stämme niedergehalten und das Leben der Menschen in guter Ordnung bewahrt und fortwährend regiert. Und man wird verstehen, dass die weitere Abfolge der Geschehnisse mit diesen unseren Worten übereinstimmt. Da nun unheilvolle und böse Mächte in der Welt die Oberhand gewonnen haben und die ganze gute Ordnung zu verwirren streben, müssen – auch wenn ihre Unternehmungen keinen Erfolg erzielen sollten – trotzdem die gottliebenden und wahrhaft frommen Menschen sich diesen entgegensetzen, da (nur) sie von Gott den Schatz der Weisheit, den Arm und die Waffen der Gerechtigkeit besitzen. Gerade in diesen Tagen sind die verderblichsten Dämonen über den persischen Staat hergefallen, haben Schlimmes angerichtet und Knechte gegen Herren ins Feld geführt, Sklaven gegen den König, Unordnung gegen die Ordnung, Sitte gegen Unsitte und haben allen Gegnern des Guten Waffen in die Hand gegeben.104
Chosrau bezeichnet sich am Ende des Schreibens als Sohn und Hilfesuchenden, was die Erschütterung des knapp zweihundert Jahre lang etablierten Gleichran-
103 Ioh. Mal. 18,76,24–27 (Übers. nach Thurn/Meier): συνθεµένων τῶν δύο βασιλέων καὶ ὀνοµασάντων ἐν τοῖς πάκτοις ἑαυτοὺς ἀδελφοὺς εἶναι κατὰ τὸ ἀρχαῖον ἔθος, καὶ ἵνα, εἴ τις δεηθῇ ἑαυτῶν ἢ χρηµάτων ἢ σωµάτων εἰς συµµαχίαν, ἀφιλονείκως παράσχωσιν. 104 Theophylakt. hist. 4,11. (Übers. nach Schreiner): δύο τισὶν ὀφθαλµοῖς τὸν κόσµον καταλάµπεσθαι πάντα ἄνωθεν καὶ ἐξ ἀρχῆς τὸ θεῖον ἐπραγµατεύσατο, τοῦτʼ ἔστι τῇ δυνατωτάτῃ τῶν Ῥωµαίων βασιλείᾳ καὶ τοῖς ἐµφρονεστάτοις σκήπτροις τῆς Περσῶν πολιτείας· ταύταις γὰρ ταῖς µεγίσταις ἀρχαῖς τὰ ἀπειθῆ καὶ φιλοπόλεµα ἔθνη λικµίζονται, καὶ ἡ τῶν ἀνθρώπων διαγωγὴ κατακοσµεῖται καὶ κυβερνᾶται διὰ παντός. καὶ ἔστι λαβεῖν τὴν τῶν πραγµάτων ἀκολουθίαν τοῖς ἡµετέροις ῥήµασι συµφωνοῦσαν. ἐπεὶ τοίνυν σκαιοί τινες καὶ πονηροὶ ἐν τῷ κόσµῳ ἐπιπολάξοντες δαίµονες πάντα τὰ ὑπὸ τοῦ θεοῦ καλῶς συντεταγµένα συγχεῖν µὲν ἐπείγονται, εἰ καὶ µὴ ἔκβασιν ἡ τούτων λαµβάνει ἐγχείρησις, πρέπει τοὺς θεοφιλεῖς καὶ εὐσεβεστάτους ἀνθρώπους τούτοις ἀντιστρατεύεσθαι ἔχοντας ἀπὸ τοῦ θεοῦ σοφίας θησαυρὸν καὶ δικαιοσύνης βραχίονα καὶ ὅπλα. κατὰ τοίνυν ταύτας τὰς ἡµέρας οἱ βλαπτικώτατοι δαίµονες κατὰ τῆς Περσῶν ἐπιφοιτήσαντες πολιτείας δεινὰ κατειργάσαντο καὶ δούλους κατὰ δεσποτῶν ἐπεστράτευσαν, κατὰ βασιλείας οἰκέτας, κατὰ τῆς τάξεως τὴν ἀταξίαν, κατὰ τοῦ καθήκοντος τὸ µὴ πρέπον, καὶ πᾶσι τοῖς ἐναντίοις τῶν ἀγαθῶν ἐχορήγησαν ὅπλα. Carile 2000, 185; vgl. Higgins 1941, 309 u. 310, Anm. 88; Maksymiuk 2018, 594.
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gigkeitsprinzips ebenso illustriert wie das Bewusstsein für dessen programmatischen Charakter.105 Einen Gesandten des Chosrau vor Maurikios lässt Theophylakt das noch weiter ausführen: Ich weiß wohl, es könnte einer, der nicht eingeweiht ist in die tieferen Geheimnisse der Vernunft, sagen, es nütze dem Reich der Römer, Babylonien und unseren Stamm weit fortzuwünschen, nun da es Königtum, Macht und gewaltige Stärke verloren hat, und dass durch eine unangefochtene Ruhe der Staat der Römer anwachse, ohne freilich zu wissen, was der Macht der Römer wirklich nicht nützt. Denn nicht eine einzige Herrschaft allein ist in der Lage, die unermessliche Sorge um die gute Ordnung der Welt sich aufzubürden, und nicht mit dem Pulsschlag eines einzigen lässt sich die ganze Schöpfung lenken, die die Sonne bescheint. Denn nicht wie es die Einzigartigkeit der göttlichen und ersten Führungskraft vermag, ist es uns je gegeben, auch die Erde für uns zu gewinnen, da ihr Zustand ganz im Gegensatz zur oberen Ordnung steht. Sie unterliegt nämlich dem Regiment der Menschen, die von Natur aus unbeständig sind und auf deren Ansichten ganz und gar kein Verlass ist, da sie immer zum Negativen neigen, und sie wird daher ganz schwankend, bald so, bald anders gelenkt. Wenn also die Perser ihre Macht verloren haben, wird diese sogleich an andere übergehen.106
Im Folgenden wird eine persische translatio imperii beschworen und das wahnsinnige Weltherrschaftsstreben Alexanders des Großen als Beispiel angeführt.107 Die alte Ideologie wird noch einmal ausgeführt, da sie langsam ihrem Ende entgegenging; nach dem Sieg Chosraus II. über Bahram Tschobin schreibt Theophylakt lapidar: „Die Verträge zwischen Römern und Persern liefen auf der Basis der Gleichheit weiter.“108 Seit dem letzten Drittel des 6. Jahrhunderts änderten sich die politischen Verhältnisse der römisch-sasanidischen Welt so stark, dass die Paradigmen aufhörten, sinnvolle Rahmenbedingungen des römisch-persischen Verhältnisses zu bilden.109 105 Ebd. Laut Carile 2000, 185, habe es noch „clearsightedness and good will from both sides“ gegeben; vgl. Whitby 1988, 334; Greatrex 2007, 118. 106 Theophylakt. hist. 4,13 (Übers. nach Schreiner): φαίη δʼ ἄν τις, εὖ οἶδα, τῶν µὴ συνέσεως µεµνηµένων µυστήρια, λυσιτελεῖν τῇ Ῥωµαίων ἀρχῇ τὸ Βαβυλώνιον καὶ ἡµέτερον φῦλον µακρὰν οἰµώξειν ἐς κόρακας βασιλείαν καὶ κράτος καὶ ῥώµην µεγάλην ἀποβαλόµενον, καὶ ἀνανταγωίστῳ ἡσυχίᾳ τινὶ τὸ Ῥωµαϊκὸν κράτος καταλιπαίνεσθαι, κακῶς εἰδὼς τὸ µὴ συνοῖσον τῇ Ῥωµαίων δυνάµει. οὐ γὰρ τὰς ἀπείρους φροντίδας τῆς περὶ τὸν κόσµον συντάξεως µίαν που µοναρχίαν δυνατὸν ἐγκολπώσασθαι καὶ ἑνὶ πηδαλίῳ καρδίας ὅσην ἥλιος ἐφορᾷ διιθύνεσθαι κτίσιν. οὐ γὰρ καθάπερ τὸ ἑνιαῖον τῆς θείας καὶ πρώτης ἡγεµονίας ἔνεστι πώποτε καὶ τὴν γῆν ἀπενέγκασθαι ἀντιθέτως ἔχουσαν τῆς ἄνω ταξιαρχίας κατάστασιν, ὑπὸ ἀνθρώπων τὴν µὲν φύσιν ῥευστῶν, τὴν δὲ γνώµην ἀδοκιµωτάτων διὰ τὴν πρὸς τὸ χεῖρον σύννευσιν, ἄλλοτε ἄλλως κυβερνωµένην πρὸς τὸ ἐπίσαλον. οὐκοῦν εἰ καὶ Πέρσαι τοῦ κράτους καθαιρεθείησαν, µεταβήσεται παραυτίκα πρὸς ἑτέρους τὸ κράτος [...] 107 Ebd. 108 Theophylakt. hist. 5,15 (Übers. nach Schreiner): αἱ δὲ σπονδαὶ Ῥωµαίων τε καὶ Περσῶν ἐν ἴσῃ µοίρᾳ προέρχονται. 109 Laut Börm 2007, 12, hätten die Anfänge der Entwicklung schon in Justinianischer Zeit gelegen, vgl. ebd. 17. Das Jahr 540 gilt bei ebd. 335f. als Bruch. Vgl. Howard-Johnston 2021, 20: „That sense of shared interest in the face of the other peoples, of being engaged in a common
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Wie Julians Perserfeldzug aus der Entwicklung hin zur Ideologie der Gleichrangigkeit herausfällt, so fallen wiederum schon der als verrückt geltende110 Justin II. mit seiner aggressiven Perserpolitik111 sowie dem Awarenbündnis im Rücken des Sasanidenreiches und sein ähnlich kühner Widerpart, Hormizd IV.112 aus dem Rahmen des Üblichen,113 die aber noch weit mehr von der Außenpolitik Chosraus II. übertroffen werden,114 die nicht nur das seit langem als kosmische Prinzip interpretierbare militärische Gleichgewicht völlig zu durchbrechen scheint, sondern auch die Ideologie der Gleichrangigkeit erschüttert, was in einem das Schreiben Chosraus II. an Maurikios bei Theophylakt spiegelnden und übertreffenden Brief des Herakleios an Chosrau II. im Chronikon Paschale für das Jahr 615 gipfelt, da sich der Kaiser freiwillig als wahrer dienender Sohn des Großkönigs statt als dessen Bruder präsentiert.115 In dieser Quellenstelle wird die Erschütterung der bekannten Spielregeln diplomatischer Kommunikation in Anbetracht einer sich verändernden Welt wortwörtlich erfahrbar.116 Schlussendlich ist es auch das dritte und im folgenden Kapitel zu behandelnde Paradigma, die religiöse Neutralität, das in den Kriegen dieser Zeit schweren Schaden nimmt, was in dem überzeichneten, aber doch nachvollziehbaren Forschungsbegriff vom „Kreuzzug“117 des Herakleios seinen Ausdruck gefunden hat.118
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endeavour of protecting the civilized world from attack by northern barbarians, had been destroyed, or, at any rate, seriously weakened in the course of the sixth century. Successive acts of aggression by each side shook the faith of the other in the existing world order. Each round of warfare thickened the atmosphere of suspicion and fear left by the previous one.“ Payne 2013, 3, unter Annahme anderer Prämissen hinsichtlich des Verhältnisses der Mächte: „In 502 the Iranian king of kings Kawad (488–96, 498–531) personally marched a major field army into Roman Anatolia, dramatically bringing to a close a century and a quarter in which co-operation rather than conflict had characterized Roman-Iranian relations. […] Zu Kriegsund Friedensphasen siehe dagegen Kapitel 12.3 der vorliegenden Arbeit. Isaac 1995, 27: „To some extent, however, this madness may be merely an extreme reaction which essentially reflects the spirit of the age.“ Auch Gray 1973, 33–35, gilt Justin II. als eine Ausnahme von der meist realistischen römischen Geopolitik; vgl. Greatrex 2007, 114–116; Howard-Johnston 2021, 20, 119. Vgl. Higgins 1941, 293, 306. Howard-Johnston 1995, 164; vgl. Isaac 1995, 26f. Zum Ausnahmecharakter Julians und Justins II. Greatrex 2007, 156. Howard-Johnston 1995, 164; Edwell 2015, 275. Greatrex 2007, 123 über die Sasaniden: „Although some scholars play up the imperial aspirations of this dynasty, it is impossible to detect any desire on their part to annex any Roman territories after 363, at least until Khusro II’s massive invasions of the early seventh century.“ Chron. Pasch. a. 615. Winter 1989a, 88; Pourshariati 2008, 141; vgl. Claude 1989, 36; Canepa 2010, 133f. Zu dieser Erschütterung Canepa 2009, 127. Vgl. Ball 2011, 134. Shayegan 2003, 382, bringt die veränderte Natur des Krieges in dieser Phase der römischpersischen Beziehungen auf die Formel, dass die vorherigen Kriege nicht ideologisch gewesen wären, also nicht mit in weltanschaulichen Gegensätzen verwurzelten Begründungen ge-
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Auffällig und für die Natur der Paradigmen erheblich ist in dieser Auflösungszeit aber, dass nach dem Sieg des Herakleios kein Versuch unternommen wurde, das römisch-sasanidische Verhältnis auf eine neue Grundlage zu stellen. Vielmehr ist eine Restauration des status quo ante ab 628 nicht nur hinsichtlich des territorialen Besitzstandes,119 sondern auch hinsichtlich der Bruderanrede, so innerhalb des Antrittsbriefes Kawadhs II. an Herakleios im Chronikon Paschale mehrfach,120 wie auch eine Restauration der Ideologie der Gleichrangigkeit zu bemerken.121 Die Handelsbestimmungen des Vertrages von 561 blieben gültig.122 Es lässt sich kein neues Konzept fassen,123 was aber letztlich auch nicht verwundert: Es bestanden auch nach den riesenhaften Erschütterungen der Kriege des frühen 7. Jahrhunderts nur zwei Optionen, gemäß derer Rom und das Sasanidenreich ihr Verhältnis organisieren konnten: Krieg oder Koexistenz. Die großen Kriege hatten wiederum vor Augen geführt, dass Krieg keine lohnenswerte Option war und mussten letztendlich einmal mehr als Beleg erscheinen, dass das militärische Gleichgewicht nicht zu durchbrechen war und eine sinnvolle Annahme darstellte, ja geradezu ein Weltordnungsprinzip: Denn trotz der gewaltigen Eroberungen Chosraus II. bis nach Ägypten war am Ende der römischen Seite doch der Rückschlag gelungen, der zumindest mittelbar zur Absetzung Chosraus II. beitrug. Man stand wieder vor der altbekannten Situation der aus damaliger Sicht gleich starken Mächte. Es galt sich daher in dieser altbekannt erscheinenden Situation wiederum zu arrangieren und das war nicht anders möglich als über die Ideologie der Gleichrangigkeit und die in den letzten Jahrhunderten etablierten Methoden und Paradigmen der Diplomatie. Es sollte sich aber in Anbetracht der arabischen Expansion zeigen, dass die Welt sich in einem so starken Maße verändert hatte, dass die etablierten Formen der Kommunikation zwischen zwei Großmächten nicht mehr geeignet waren, die bekannte Welt zu kontrollieren und deren Konflikte zu bereinigen. Nach 561 ist also eine Erschütterung der Struktur des diplomatischen Verhältnisses zu beobachten, das seine Funktionsfähigkeit in Anbetracht der sich verändernden Welt einbüßte. Bis ins letzte Drittel des 6. Jahrhunderts waren die etablierten Spielregeln und Methoden des diplomatischen Verhältnisses zwischen Rom und Persien geeignet, alle Konflikte, die zwischen Rom und Persien oder unter deren Beteiligung bestanden (also letztlich alle in der bekannten Welt) ent-
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führt worden seien, jene in der späteren Phase aber schon; vgl. Sundermann 1963, 57; Howard-Johnston 2021, 2: „The war was raised onto a high ideological plane.“ Vgl. ebd. 364f. Man denke an Sebeos 41, 131; McLin 1981, 487; Daryaee 2009, 33, 35; vgl. Isaac 1992, 265; Howard-Johnston 2010, 67; Ball 2011, 133; Börm 2019, 115; vgl. Börm 2006, 635. Chron. Pasch. a. 628. Vgl. Shahid 1972, 298; 306: „The tone of Byzantine-Persian relations after Ninevah is almost unique. It is informed by a genuine desire for coexistence between the two superpowers and a renunciation of territorial expansionism.“ Vgl. Sako 1986, 36; Shahid 2004, 223; HowardJohnston 2021, 372; dagegen Ziegler 1983, 16f. Winter 1987, 72; vgl. Wiesehöfer 1994a, 260. Vgl. Isaac 1992, 265.
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weder friedlich oder über gezielte militärische Konfrontation zu bereinigen, um so nach einem Vertrag, der sich der Lösung des konkreten Konfliktes und möglichst auch einer Behandlung seiner Ursachen widmete, wieder zu einer friedlichen Koexistenz zu gelangen. Auch die Kriege Justinians I. und Chosraus I. waren von beständiger Verhandlung begleitet und ließen sich im Sinne frühneuzeitlicher Kabinettskriege immer wieder unterbrechen, wenn es durch die diplomatische Situation angezeigt schien. Jede Seite kannte die Lage und Optionen der anderen, um sie nachvollziehen zu können. Die historisch herausgebildeten Paradigmen der Diplomatie wurden gewahrt, da sie die einzige Alternative zu einem regellosen und nach damaliger Sicht für keine Seite zu gewinnenden Kriegszustand waren – und vor allem funktionierten. Ab dem letzten Drittel des 6. Jahrhunderts funktionierten sie nicht mehr, sei es, da römische wie sasanidische Politiker die etablierten Regeln schlicht im Vertrauen auf eigene Fähigkeiten zurückließen (sowohl der als verrückt geltende Justin II. als auch der zumindest äußerst kühne Chosrau II. sind dahingehend besonders zu bedenken), sei es durch die Veränderung der weltpolitischen Lage mit dem Auftreten und der Migration der Awaren und der Türken im Rücken der Sasaniden, sowie dem Vordringen der Slawen in Europa124 wie auch der Auflösung der etablierten arabischen Verbände auf römischer wie persischer Seite.125 In der Tat wich das diplomatische Verhältnis, wie zu erwarten, zunehmend einem für keine Seite zu gewinnenden Kriegszustand. Bis in diese Zeit konnte das römisch-sasanidische diplomatische System seine Funktionen erfüllen, da es sich für eine spezielle weltpolitische Situation mit zwei einander kommunikativ entgegentretenden Großmächten herausgebildet hatte, die bis in diese Zeit bestand. Als diese nicht mehr bestand, verlor es seine Funktionsfähigkeit, wurde aber zu reinstallieren versucht, als die alte Weltordnung nach den Kriegen des Herakleios wiederhergestellt schien. Es liegt aus heutiger Sicht nahe, einerseits die realpolitische Frontstellung und andererseits ihre ideologische Verbrämung als Hilfskonstrukt zu sehen, um eine konstruktive Diplomatie auf Augenhöhe möglich zu machen.126 Dies ist eine im Nachhinein legitime Sichtweise, verkennt aber wahrscheinlich, dass im antiken Denken solche Vorstellungen von Realpolitik als wahrem Beweggrund einerseits und moralischer wie ideologischer Bemäntelung andererseits nicht üblich waren. Die Frage, ob Kaiser und Großkönig tatsächlich daran glaubten, dass sie durch göttlichen Auftrag als gleichrangige und brüderliche Herrscher zum gemeinsamen Schutz der Welt eingesetzt wurden, lässt sich nicht beantworten, entscheidend ist aber, dass diese die römischen wie persischen Herrscher verbindende Anschauung eine diplomatische Ebene erzeugte, auf der sich mit gutem Willen dem anderen gegenüber operieren ließ. Entscheidend ist nicht, ob die einzelnen Herrscherpersönlichkeiten daran glaubten, wohl aber, dass die durch diese Anschauung Ende 124 Vgl. Maas 2018, 23f. Zu ersterem und der Bedeutung für die Veränderung der weltpolitischen Lage Howard-Johnston 2021, 118f. 125 Börm 2007, 44; vgl. Fisher 2020, 152–160. 126 Vgl. Wiesehöfer 2007a, 132f.; Maksymiuk 2018, 606.
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des 3. Jahrhunderts entstehende Struktur zumindest von der Teilung Armeniens bis zum Vertrag von 561 zwischen Justinian und Chosrau ununterbrochen bestand und die Modifikation des Verhältnis zwischen den Reichen, also die Diplomatie, in dieser Zeit durch diese Struktur geprägt wurde. In der Innenpolitik konnte das jeweils andere Reich nach Belieben präsentiert werden,127 in der Außenpolitik aber herrschte die praktisch und ideologisch begründete Gleichrangigkeit.128
127 Vgl. Blockley 1992, 124. Es ist nicht nur an die naheliegende Variante einer Präsentation der eigenen Überlegenheit zu denken, vgl. Börm 207, 289, sondern auch an die Existenz innerrömische perserfreundlicher Stimmen – besonders in neuplatonisch ausgerichteten Kreisen – wie bei ebd., 276–289, herausgearbeitet wird; vgl. Hartmann 2018, 908f., 1701. Oder das Gegenteil, vgl. Whitby 2008, 130. Typische Stimme einer persischen Unterlegenheit war wohl die Panegyrik, man denke an Coripp. in laud., praef. 5, 21–34. Umgekehrt zur persischen Präsentation der eigenen Überlegenheit für die iranische Welt Maksymiuk 2018, 600f. 128 Huyse 2006, 199, geht davon aus, auf der persischen Seite sei an die Gleichrangigkeit geglaubt worden, nicht aber auf der römischen, vgl. Rubin 1986a, 678f.; Braund 1994, 270; Isaac 1995, 129; dagegen Whitby 2008, 129. Howard-Johnston 1995, 162, geht davon aus, nur die persische Seite sei seit dem ersten Vertrag von Nisibis für die friedliche Koexistenz zu haben gewesen, Rom erst seit dem Ende des 4. Jahrhunderts.; vgl. Howard-Johnston 2012, 91. Das verkennt die Natur der diplomatischen Ebene. Daryaee 2008b, 59, sieht die gegenseitige Anerkennung der Gleichrangigkeit im 5. Jahrhundert als gegeben an, Ziegler 1983, 14, seit Anbeginn der Sasanidenzeit, die Bruderanrede sei ihr Ausdruck. Winter 1988, 224f., setzt die römische Anerkennung persischer Gleichrangigkeit auf die Zeit gegen Ende des 3. Jahrhunderts; vgl. Güterbock 1906, 4. Wiesehöfer 2005, 11, und Wiesehöfer 2007a, 132, betont, dass die Römer in der sasanidischen Königsideologie nie aus einer untergeordneten Rolle entlassen wurden, ihnen aber in der Diplomatie Gleichrangigkeit zugestanden wurde, dies sei aus praktischen Gründen notwendig gewesen. Gleiches gilt, wenn auch unter etwas anderen Umständen, für die römische Sicht auf das Sasanidenreich, vgl. ebd. 133. Wiesehöfer geht wohl in der Annahme zu weit, aus römischer Sicht hätte das Sasanidenreich prinzipiell die Zerstörung verdient, vgl. Winter 1989a, 91f. Vgl. Maksymiuk 2018, 606: „The idea of a shared language and tokens of communication should be re-examined and, in my opinion, is totally incorrect. The reception of the symbols and interpretation of the signs was determined by different cultural traditions. The Sasanians did not see contradiction in calling the Romans their brothers and enemies at the same time. They understood differently the symbolic language […] These facts allow a better and fuller understanding of the relations between Rome and Iran in Late Antiquity.“ Der eigene Weltherrschaftsanspruch musste der Anerkennung der anderen Seite aber nicht zwangsläufig im Wege stehen, wie oben gezeigt wurde. Bei Higgins 1941, 279, 281f., 309f., wird davon ausgegangen, Rom hätte von 486 vor bis 565 nach Christus keine Macht als ebenbürtig anerkannt und erst Ende des 6. Jahrhunderts Persien diese Stellung zuerkannt. Ziegler 1983, 13, geht davon aus, den Sasaniden sei seit dem Augenblick ihres ersten Kontaktes mit Rom Gleichrangigkeit mit diesem eingeräumt worden. Laut Ziegler 1985, 71, habe seit dem Ende des 4. Jahrhunderts eine neue völkerrechtliche Weltordnung bestanden, die von den beiden „unabhängigen, gleichrangigen und sich gegenseitig respektierenden Großmächten getragen wurde“.
113 Weiterhin belauerten sich die Mächte und mussten das, aber es war auch möglich, sich im jeweils nötigen Maße entgegenzukommen und gemeinsam konstruktiv Konflikte und Konfliktursachen zu beseitigen.129
129 Bei Wiesehöfer 2006, 23, werden diese beiden Aspekte direkt nebeneinander gestellt, da es heißt, das Sasanidenreich sei ein „überaus erfolgreicher Gegenspieler und Partner Roms/Byzanz“ gewesen. Beides lässt sich in der Tat problemlos nebeneinanderstellen, vgl. Guillaumont 1969/79, 41; Altheim/Stiehl 1954, 189f.
10 STRUKTUREN III Religiöse Neutralität Gemäß den bisher ermittelten Strukturen standen sich Rom und Iran zwar in einer Frontstellung gegenüber, die aus damaliger Sicht unlösbar und mit den vorhandenen Mitteln auch in naher Zukunft nicht aufzulösen war, hatten aber einen modus vivendi gefunden, der es ermöglichte, beständig auftretende Konflikte weitgehend friedlich, vor allem aber mit begrenztem Einsatz von Ressourcen beilegen zu können. Statt in jedem potentiell unlösbaren Konfliktfall – da beide Seiten das Recht für sich beanspruchten, aber kein unabhängiger Richter verfügbar war – die militärische Konfrontation zu suchen, bestand stets auch die Möglichkeit, sich zu vergleichen und Lösungen zu finden, die für beide Seiten akzeptabel waren. Diese Option prägte die diplomatischen Abläufe, die Gegenstand des zweiten Hauptteils der vorliegenden Arbeit sind. Diese Handlungsmöglichkeiten erstrecken sich auf viele Konflikt- und Kontaktthemen der beiden Reiche, allerdings nicht auf alle. So blieb ein bestimmtes Thema selbst unter Gutwilligkeit und Entgegenkommen beider Seiten letztendlich unlösbar, da in diesem Fall die Strukturen von angenommenem Gleichgewicht und Gleichrangigkeit nicht anwendbar waren. Es ist der Bereich der Religion. Dieser Komplex unterschied sich fundamental von allen anderen. Denn bei territorialen, wirtschaftlichen, militärischen und sonstigen Streitigkeiten können die Mächte, die sich als gleich stark verstehen, zwar nicht über Recht und Unrecht urteilen, wenn keine Seite zugibt, im Unrecht zu sein – aber das ist auch nicht von entscheidender Bedeutung, denn die Konflikte lassen sich schließlich nicht nur lösen, indem eine Seite Recht bekommt und ihre Ansprüche durchsetzen darf, die andere aber völlig leer ausgeht, sondern auch, indem die Seiten sich vergleichen, Kompromisse schließen und so durch Verhandlung, Entgegenkommen und Rücksichtnahme eine Lösung finden, die für beide Seiten akzeptabel ist, beide das Gesicht wahren lässt und nicht zuletzt innenpolitisch jeweils als Erfolg dargestellt werden kann. All diese Konflikte sind nicht weltanschaulicher Natur, es prallen keine unvereinbaren Ideologien, Weltdeutungen und Wahrheitsansprüche aufeinander. Vielmehr sind sich die politischen Entscheidungsträger der beiden Reiche in vielen grundlegenden Elementen einig, wie im letzten Kapitel gezeigt wurde. Im Bereich der Religion gibt es aber keinen Vergleich und keinen Kompromiss, denn in diesem Bereich treffen Ansprüche absoluter Wahrheit aufeinander. Es ist nicht möglich, eine Religion zu beweisen, also die eigene als richtig und die andere als falsch zu erweisen. Es ist ebenso wenig möglich, sich darauf zu einigen, dass beide Religionen nicht, teilweise oder gleichermaßen richtig sind. Dem
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liegt zugrunde, dass Religionen Aussagen über den transzendentalen Bereich treffen, die sich weder unabhängig veri- noch falsifizieren lassen. Im konkreten Fall sind das römische Christentum, in Form der vom jeweiligen Kaiser bevorzugten Strömung, und der iranische Zoroastrismus, in Form der jeweils den Großkönig umgebenden Strömung,1 exklusiv und nicht miteinander vereinbar. Sie sind, bei aller spätantiken Vielfalt und fließenden Übergängen einzelner Richtungen, doch zwei grundlegend verschiedene Glaubenssysteme. Monotheistisches Christentum und dualistischer Zoroastrismus mit polytheistischen Aspekten unterscheiden sich nicht nur in ihren Grundannahmen, sondern auch in daraus hervorgehenden ethischen Ansprüchen, gesellschaftlichen Idealen und ihrer Glaubenspraxis. Man ist in der Forschung von der Idee der zoroastrischen Staatskirche, letztlich einer Spiegelung der Vorstellungen byzantinischer Symphonia, abgekommen.2 Der Iran war religiös inhomogener als gedacht, es gab verschiedene zoroastrische Richtungen, man denke an den Mazdaismus und sogenannten Zurvanismus,3 die mazdakitische Episode, zudem Manichäer, fernöstliche Glaubenstraditionen wie den Buddhismus, Formen des Schamanismus und in nicht geringem Maße Juden und Christen. Das Königtum war aber, so schwierig das Verhältnis zum zoroastrischen Klerus unter einigen Königen auch gewesen sein mag, besonders mit zoroastrischen Werten verbunden und definierte sich in Erfüllung zoro-
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Die Großkönige hatten einen gewissen Gestaltungsspielraum, was ihr Amt und das Verhältnis zum zoroastrischen Klerus betraf, mussten aber auch auf diesen reagieren, Daryaee 2008a, 60; vgl. Wiesehöfer 1993, 374; Patterson 2017, 181. Wiesehöfer 2000, 11f.; vgl. Wiesehöfer 1993, 362, 368; vgl. Börm 2007, 195–199; Patterson 2017, 187. Shaked 2008, 103, stellt die Idee der unter den Sasaniden starken Identifikation mit der zoroastrischen Religion in Frage; vgl. Patterson 2017, 182; vgl. Gignoux 1983, 262; Gnoli 1989, 172f. Sauer 2017a, 8, 14, betont, dass religiöse Minderheiten im Sasanidenreich wohl einen besseren Stand hatten als im Imperium und als christliche und zoroastrische Quellen den Leser glauben machen wollen; vgl. Sako 1986, 10; Hauser 2008, 30. Für Staatskirche Klíma 1957, 40; Lehmann 1973, 48; Daryaee 2008a, 67, vgl. Daryaee 1995, 134. Kreyenbroek 2008, 13, 15, sieht es so, dass der Zoroastrismus beim Aufstieg der sasanidischen Dynastie vielgestaltig war und trotz Errichtung einer Staatskirche durch die Obrigkeit für die einfachen Gläubigen auch blieb; vgl. Patterson 2017, 181f., da die religiöse Vielgestaltigkeit selbst der Oberschicht betont wird; vgl. Wiesehöfer 2000, 12. Existenz der Staatskirche als umstritten: Schippmann 1990, 92. Es wäre laut Pourshariati 2008, 335, selbst im 5. Jahrhundert nicht möglich gewesen, eine uniforme zoroastrische Orthodoxie durchzusetzen, selbst wenn Großkönig und Klerus das gewollt hätten. Das Bild der strengen, verfolgenden, uniformen und statischen zoroastrischen Kirche mag nicht zuletzt aus der Retrospektive der islamischen Zeit entstanden sein, da sich die arabische Eroberung durch diese Darstellung besser rechtfertigen ließ, ebd. 456; vgl. Gignoux 1984, 72–80. Ähnlich bezeugen christliche und manichäische Schriften die Zeiten der Verfolgung und nicht die der Duldung, Wiesehöfer 1993, 363; vgl. Daryaee 2010b, 95. Zur Schwierigkeit der Frage nach der Dominanz einzelner Strömungen Börm 2008, 428; vgl. Zaehner 1972, 34; Zaehner 1975, 178; Wiesehöfer 1994a, 267. Gegen deutlich zu scheidende Strömungen Russell 1986, 132–134.
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astrisch-iranischer Herrscherideale.4 Wie groß der Einfluss der „Magier“ auf das Rechtswesen auch gewesen sein mag,5 so lässt sich doch an dem erhaltenen „Buch der tausend Urteile“, das sasanidische Rechtspraxis wiedergibt, ablesen, dass rechtliche Vorstellungen sehr stark von avestischen Traditionen geprägt gewesen sein müssen.6 Nicht zuletzt in diesem Sinne hatten zoroastristische Vorstellungen großen Einfluss in der iranischen Gesellschaft.7 Auf der römischen Seite sind die christlichen Erwartungen an den Kaiser nicht nur seitens des Klerus deutlich. Das byzantinische Herrscherideal wird entscheidend durch die Erfüllung religiöser Erwartungen definiert, so des Schutzes der Rechtgläubigen, der Verbreitung des Glaubens und verwandter Elemente.8 Es ist offenkundig, dass ein Konflikt, der sich an rein religiösen Unterschieden entzündet, nicht über einen Kompromiss gelöst werden kann, da ein Kompromiss erfordert, dass eine Seite nachgibt. Ein Nachgeben in diesen Fragen würde aber bedeuten, einen Teil seiner Religion aufzugeben. Da die Befolgung der 4
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Panaino 2004, 556: „We need [...] to stress the fact that Sasanian Zoroastrianism produced a developed (and in certain aspects systematic) theology; thus it was strongly different from other religious systems mostly based on a number of orthopractic and ritual rules and traditions. In this framework, the king was the guarantor of the cosmic order, an order which was both socio-political and religious.“ Vgl. Mosig-Walburg 2007, 181f.; Börm 2008, 437. Rist 1996, 26: „Eine religiöse Fundierung von Entscheidungen der Großkönige lässt sich wohl bei einzelnen Herrschern deutlich nachweisen, doch trat sie stets in einem ‚complex of motives‘ auf, welcher dominierend politische und ökonomische Überlegungen mit religiösen Absichten verband.“ Noch Nizam al-Mulk 8,3, belegt in islamischer Zeit eine ähnliche persische Anschauung in seinem späteren Fürstenspiegel, ausgehend von der gleichermaßen persischen Idee der Brüderlichkeit von Religion und Königtum: die wichtigste Bedingung des Königtums sei ein starker Glaube, denn wenn es Unruhen im Lande gibt, wird auch die Religion leiden, dann erscheinen Häretiker und Bösewichte, und wenn religiöse Angelegenheiten in Verwirrung sind, dann gibt es auch Verwirrung im Land, dann gewinnen die Bösen Macht und machen den König machtlos, Häresie wächst und Rebellion nimmt zu. Sehr stark laut Agath. hist. 2,26,5; McDonough 2011a, 298. Zu administrativen und sozialen Funktionen der Tempel Russell 1986, 137. Vgl. Macuch 2010, 194f. Siehe dazu die entsprechenden Stellen im Buch der tausend Urteile, Farraxvmart ī Vahrāmān XXII, 14, 17–15,1; LII, A28, 11–29, 5, die explizite Bezüge erkennen lassen. Implizite Bezüge zu Avesta-Kommentaren sind immer wieder gegeben. Die Anmerkungen zur Übers. Perikhanian führen das näher aus, S. 13, so wird besonders auf den Einfluss dieser Kommentare auf die Rechtspraxis eingegangen: „Whatever may have been the circumstances, it was this Pahlavi commentary on the text of the Avesta that came to exert a practical influence on legal procedure.“ Daryaee 2009, xix: „It is true that the basis of Iranian psyche and world-view was and is shaped by Zoroastrianism, but other religions were also in existence and had an impact upon Sasanian policies and religious view.“ Ebd. 97: „The universality of the Sasanian Empire, unlike the Eastern Roman Empire, was not translated into a Christian order but rather an order with Zoroastrianism at its core, but also with an universal multi-ethnic and multi-religious aspect.“ Vgl. Boyce 1969, 31. Fowden 1993, 5, formuliert es so, dass im Sasanidenreich wie im Imperium um das Verhältnis der Herrschaft zur Religion, im konkreten Fall zum Mazdaismus, gerungen wurde, dieses Problem sei aber nicht gelöst worden. Siehe S. 85, Anm. 20 der vorliegenden Arbeit.
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Religion ein göttlicher Auftrag ist, kann man sie nicht verändern, ohne zugleich diesen Auftrag zu verraten, was nach antikem Verständnis den Entzug göttlichen Wohlwollens und zusätzlich göttliche Sanktionen zur Folge haben würde. In Anbetracht solcher Konsequenzen wäre es verwerflich, im Interesse der Diplomatie seine Religion zu verraten. Denn das könnte im besten Fall ein außenpolitisches Ergebnis bringen, da es aber zugleich das Göttliche erzürnt, welches das komplette Wohl des Landes garantiert, wäre dies ein törichter Tausch, der das außenpolitische Ergebnis sofort zunichtemachen würde. Der Großkönig, dessen Herrschaftsberechtigung direkt vom Wohl des Landes abhängig gemacht wurde,9 würde seine Herrschaft gefährden. Ein Kaiser, der das Christentum verriete, hätte ebenfalls seine Ansprüche auf göttlich approbierte Herrschaft verwirkt. Es war daher ein nachvollziehbares Interesse beider Reiche, religiöse Konflikte zu vermeiden, da sich diese nicht mit den zur Verfügung stehenden Methoden lösen ließen. Entsprechend gibt es auch keinen Konflikt in der behandelten Zeit, dessen Ursache rein religiöser Natur wäre. Bei den vollständig oder in größeren Fragmenten erhaltenen Geschichtswerken der Zeit gibt es, gleich welcher historiographischen Ausrichtung die Autoren verpflichtet sind, kein Indiz dafür – weder bei dem seiner Regierung gegenüber äußerst kritischen Prokop, noch bei den anderen Klassizisten Agathias oder Menander Protektor, auch nicht bei dem oft auf öffentlichen Verlautbarungen fußenden Malalas,10 noch bei den Kirchenschriftstellern. Auch auf der dezidiert paganen Seite des Ammianus Marcellinus und Zosimos gibt es keine Indizien dafür, dass Religion allein Konfliktursache gewesen wäre. Beide Seiten vermieden jegliche Stellungnahmen zur Religion des anderen, auch wenn diese aus ihrer Sicht nicht nur falsch war, sondern auch schlechte gesellschaftliche, ethische und politische Konsequenzen nach sich ziehen mochte. In diesem Sinne bestand eine religiöse Neutralität. Es wurde also von vornherein eine Art von Konflikt ausgeschlossen, die sich nicht lösen lassen würde. Problematisch war allerdings, dass sich in der Antike wie Spätantike Religion und Politik nicht im modernen Sinne trennen ließen. Da religiöse Auffassungen politische Erwartungen an Herrscher wie generell gesellschaftliche Diskurse bestimmten, war es nicht möglich, diese in der Moderne als trennbar und verschieden begriffenen Sphären separat zu halten. Es wäre wohl auch kein christlicher oder zoroastrischer Staatsmann dieser Zeit auf die Idee gekommen, dass eine religiöse Neutralität in politischen Entscheidungen eine positive Entwicklung sein könnte.11 Die Verflechtung beider gehörte vielmehr zu den Selbstverständlichkei9 Zu diesen Zusammenhängen Sundermann 1963, 4f., 74, 82, 93. 10 Siehe dazu Anhang 1 der vorliegenden Arbeit. 11 Programmatisch am Beginn von Cod. Iust., Nov. 6, praef.: Maxima inter homines die dona a supera benignitate data sunt sacerdotium et imperium. Quorum illud quidem rebus divinis inservit, hoc vero humanas res regit earumque curam gerit: quorum utrum ex uno eodemque principio utraque procedentia humanam exoruant vitam. Ideoque nihil sic erit studiosum imperatoribus, sicut sacerdotum honestas, cum utique et pro illis ipsis semper deo supplicent. Nam si hoc quidem inculpabile sit undique et apud deum fiducia plenum, imperium autem
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ten der spätantiken Welt. Im Nachhinein bringt dies für den Iran der wahrscheinlich im 6. Jahrhundert verfasste (oder zumindest redigierte) Tansarbrief treffend zum Ausdruck, in dem es heißt, im Iran seien (modern ausgedrückt) Kirche und Staat aus einem Bauch heraus geboren, vereinigt und niemals zu trennen; Tugend und Laster, Gesundheit und Krankheit würden beide auf gleiche Art betreffen.12 Der Tansarbrief vermittelt zoroastrisch-iranische Ideale,13 hat darin aber die grundlegende Bedeutung der Religion für die spätantike Herrschaft erkannt. Im Testament Ardaschirs finden sich ähnliche Gedanken.14 Bei at-Tabari wird Hormizd IV. die Aussage zugeschrieben, wie der Königsthron nicht auf zwei Vorderbeinen ohne Hinterbeine stehen könnte, so könne auch das Königreich nicht sicher stehen, wenn zugelassen würde, dass Christen und sonstige Andersgläubige feindliche Haltungen annähmen.15 Entsprechende und in der Vormoderne häufige Konsequenzen finden sich in Rom wie Iran. Vor allem folgt aus der Idee, dass im Verhältnis des Herrschers zum Göttlichen der Schlüssel für das Wohl und Wehe seines Landes liege, die
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recte et competenter exornent traditam sibi rempublicam, erit consonantia quaedam bona, omne quicquid utile est humano conferens generi. – „Zwei hohe Gaben sind den Menschen von der göttlichen Gnade verliehen: Das Priestertum und die Regierung des Staates; jenes besorgt den Kirchendienst, diese steht den übrigen Angelegenheiten des Menschen vor; beide gehen von demselben Ursprunge aus, beide sind Zierden des menschlichen Lebens. Nichts liege daher den Kaisern mehr am Herzen als die Würde der auch für sie betenden Kirchendiener. Denn sind diese tadellos und gottesfürchtig, leitet die Regierung gewissenhaft den ihr anvertrauten Staat, so gibt es einen guten Klang, und nur das Beste kann dem Menschengeschlecht ersprießen.“ (Übers. nach Ausgabe Otto/Schilling/Sintenis); vgl. Cross/Livingstone 1974, 771. Tansarbrief 8 [p. 33f. Übers. Boyce]. Rist 1996, 25; Shahbazi 2001, 62f.; Börm 2008, 427f.; Patterson 2017, 184. Börm setzt den Tansarbrief, der vorgeblich aus der Zeit Ardaschirs I. stammt, ins 6. Jahrhundert, so auch Daryaee 1995, 134 und Macuch 2010, 204f. Schon Boyce 1968, 15–22, sieht die Entstehung im 6. Jahrhundert als communis opinio, stellt sie aber zugunsten einer Datierung von zumindest Teilen des Textes in die Zeit Ardaschirs in Frage. Shaked 2008, 105, betont die Interpretationsmöglichkeiten, die Herrschern in Anbetracht einer solchen Auffassung gegeben sind, vgl. Patterson 2017, 184. Vgl. Wiesehöfer 1993, 367f. Patterson 2017, 184. Laut Testament Ardaschirs 10–15 seien Königtum und Religion wie Zwillinge, eines könne nicht ohne das andere existieren, denn die Religion sei das Fundament des Königtums und der König Hüter der Religion; was aber nicht behütet sei, gehe unter und was kein Fundament habe, breche zusammen. Es wird auch der Vergleich gezogen, dass Religion und Königtum wie Fundament und Pfeiler eines Gebäudes seien, der König wird mit dem Argument zur Rücksicht auf klerikale Belange ermahnt, dass derjenige, dem das Fundament gehört, wohl mehr Anspruch auf den Bau erheben dürfte, als jener, dem der Pfeiler gehört. Klíma 1957, 40f.; Gignoux 1984, 74f.; Börm 2007, 196; Hauser 2008, 33. Es scheint sich bei der Beschreibung von Religion und Königtum als Verwandte um eine beliebte Wendung zu handeln, so beschreibt Nizam al-Mulk 8,3f. sie als Brüder und erwähnt kurz darauf Ardaschir, so dass seine Angabe wohl auf das Testament Ardaschirs zurückgehen dürfte. Zum Thema auch Shahbazi 1990, 588f. At-Tabari 991; vgl. Chronik von Seert cap. 104; McDonough 2011a, 308.
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Idee, dass religiöse Abweichler Verräter sein müssten. Denn jener Herrscher, der in seinem Land Feinde der Gottheit zulässt, kommt seinen religiösen Pflichten nicht nach und riskiert göttliche Sanktionen, also auch den Wohlstand des Landes.16 Entscheidend ist dabei nun, dass religiöse Minderheiten nicht etwa missbilligt werden, da sie aus Sicht der Mehrheit etwas Falsches glauben. Sie werden kriminalisiert, da sie das Wohl des Landes gefährden, also Verräter sind. Ihre Tat wird politisch verstanden.17 Sie agieren durch ihren falschen Glauben gegen das Gemeinwohl. Dass sie aus Sicht der Mehrheit auch gegen Gott agieren, mag verwerflich sein, aber nicht der unmittelbare Grund für ihre Kriminalisierung. Es liegt nahe, dass diese Auffassungen stets dann zu Gewalt gegen religiöse Minderheiten führen, wenn politische Krisen bestehen und das Wohl des Landes gefährdet erscheint. So lässt es sich in beiden Reichen beobachten. Umgekehrt können Minderheiten, sofern sie besondere Abgaben leisten, keine Konvertiten suchen und unverdächtig leben, meist unbehelligt bleiben,18 denn mit dem Erlass von Gesetzen und Bestimmungen hat ein Herrscher seine Pflicht bereits getan; deren Umsetzung ist eine Sache für sich. Ein Beispiel für das Problem der religiösen Minderheiten geben die Märtyrerakten des Simon, da der vormals am sasanidischen Hof tätige und nun zum Tode verurteilte Christ Gûhaschtazâd explizit äußert, er sei Schapur II. und schon dessen Vater sein Leben lang treu gewesen und darum möge der König bei der Hinrichtung durch einen Herold verkünden lasse: Gûhaschtazâd, der hingerichtet wird, wird nicht hingerichtet, weil er ein Staatsgeheimnis verriet, oder bei einem anderen Verbrechen betroffen wurde, nach dem ihn die Gesetze zum Tode verurteilten; sondern, weil er Christ ist, wird er hingerichtet. Der König befahl, dass er seinen Willen tue und die Sonne anbete; aber er gehorchte nicht, seinen Gott zu verleugnen.19
Die Absicht des Märtyrers ist, die Schwankenden so in ihrem Beschluss zum Martyrium bestärken, Schapur II. lässt dies aber geschehen, weil er im Gegenteil an eine abschreckende Wirkung glaubt.20 Der Autor dieses Werkes sagt nicht explizit, dass der Märtyrer recht hat, erwähnt aber auch nicht explizit, dass solch eine Bestrafung wirklich nicht für den falschen Glauben erfolgte, sondern für Verrat, da falscher Glaube nicht seiner religiösen Natur und seiner selbst wegen verurteilt wird, sondern aus den bekannten politischen Folgen: der Gefährdung des göttlichen Wohlwollens. Die Verdächtigung, mit Rom zu kooperieren, mag auch schon eine Rolle gespielt haben. Für den Bereich der Diplomatie entstehen aus diesen Anschauungen erhebliche Konsequenzen. Gäbe es nur im Imperium Christen und nur im Sasanidenreich 16 Vgl. Garsoïan 1971, 348f.; McDonough 2006, 75. 17 Vgl. in diesem Sinne Christensen 1944, 266: „Le clergé zoroastrien était intolérant, mais son intolérance était motivée surtout par des raisons politiques.“ 18 Vgl. Schneider 2006, 256. 19 Mart. Simon. 25 (Übers. nach Braun); Brock 1982, 11. 20 Mart. Simon. 26.
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Zoroastrier und niemand würde seinen Glauben wechseln oder die Grenzen überschreiten, würden aus diesem Umstand auch keine negativen Konsequenzen für das römisch-iranische Verhältnis entstehen. Es lebte allerdings eine erhebliche Zahl von Christen im Sasanidenreich21 und auch im Imperium gab es (wenn auch weit weniger als Christen im Iran)22 Zoroastrier. Daneben fanden Konversionen statt und immer wieder überschritten Angehörige dieser Religionen die Grenzen, besonders wird im Folgenden der Fall iranischer Christen, die ins Imperium wechseln wollten, bedeutsam sein. Da die religiösen Verpflichtungen der Herrscher für ihre Glaubensgenossen nicht mit den Grenzen des eigenen Herrschaftsbereiches endeten, sondern als universell begriffen wurden, führte dies zwangsläufig zu diplomatischen Spannungen. Es besteht die römische Erwartung, dass der Kaiser für (mindestens) alle orthodoxen Christen eintritt, wo auch immer sie leben mögen, und der Großkönig beschirmt Anhänger der zoroastrischen Religion. Da Christen als religiöse Minderheit im Iran eine problematische Stellung hatten, wie Zoroastrier im Imperium, musste es über kurz oder lang zu Auseinandersetzungen kommen, als das Imperium sich immer stärker zu einem mehrheitlich christlichen Reich entwickelte und immer stärker christliche Vorstellungen und Erwartungen kaiserliche Handlungen bestimmten. In den Quellen lässt sich dieses Problem bereits für Konstantin den Großen fassen, da Eusebius einen Brief Konstantins an Schapur II. in die Vita Constantini eingelegt hat:23 Der Kaiser erklärt gegenüber dem Großkönig seine Funktion als Schutzherr der Christen, indem er diesen ermahnt, die Sicherheit der Christen in seinem Reich zu gewährleisten. Erstmals lässt sich in diesem Zeugnis 21 Es dürfte sich um die größte religiöse Minderheit im Sasanidenreich gehandelt haben, Schneider 2006, 256. Brock 1982, 3, geht davon aus, dass bei der arabischen Eroberung Nordmesopotamiens die meisten Bewohner dieser Gegend Christen waren, siehe auch Börm 2008, 429. Bei Kröger 2007, 138, wird angenommen, Zoroastrier seien im Ktesiphongebiet in der Minderheit gewesen. Greatrex 2003a, 78, geht davon aus, auf dem Höhepunkt des Vorstoßes Chosraus II. sei die Mehrheit der Bewohner seiner Gebiete christlich gewesen. 22 Dies sieht Schneider 2006, 256, darin begründet, dass der Zoroastrismus wesentlich auf Angehörige der persischen Kultur und Ethnizität beschränkt war, das Christentum aber universeller Natur. Siehe auch Gignoux 1984, 77; vgl. Brody 1990, 52. 23 Eus. vita Const. 4,8–13. Die Authentizität des Briefes wird in der Arbeit Frendo 2001 und von Smith 2016, 18–44, vertreten. Patterson 2017, 191, lässt die Echtheit des Briefes offen, stellt aber fest, dass die daraus resultierenden Befürchtungen Schapurs II. real waren. Barceló 1981, 77, hält den Inhalt für authentisch, aber nicht den Wortlaut. Gegen die Authentizität äußert sich aus formalen und inhaltlichen Gründen Mosig-Walburg 2009a, 269–275, so auch gegen die Idee der Sorge Konstantins um die Christen des Perserreiches, ebd. 267–278. Zum Brief auch Jones 1973, 85; Brock 1982, 1; Winkler 2003, 10f.; Alinia 2008, 54; Payne 2015a, 39. Für die Korrektheit des Anliegens Guillaumont 1969/70, 41; vgl. Christensen 1944, 267. Laut Blum 1980, 26, hätte sich Konstantin allerdings nicht als Schutzherr der persischen Christen verstanden, sondern „sicherlich […] versucht, auf diplomatischem Wege durch freundschaftliche Übereinkunft die Lage seiner Glaubensbrüder in Persien günstig zu beeinflussen.“ Diese Unterscheidung hätte den Großkönig wahrscheinlich kaum beruhigt, denn das Problem bleibt unverändert.
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auch der Ursprung einer noch schwerwiegenderen diplomatischen Sorge begreifen, die in den folgenden Jahrhunderten immer wieder eine Rolle spielen wird und in der Forschung oft mit dem modernen Ausdruck der „fünften Kolonne“ versehen wird.24 Es handelt sich um die realistische Befürchtung, dass die religiöse Minderheit, für die der andere Herrscher eintritt, also ganz besonders die allein schon zahlenmäßig starken, teils aber auch gesellschaftlich bedeutenden25 Christen im Sasanidenreich, in Anbetracht ihrer schwierigen Stellung im eigenen Land, aktiv für ihren Schutzherren eintreten könnten und so nicht nur Verräter an der religiösen Beschaffenheit und damit dem Wohlergehen des Landes wären, sondern direkt Agenten der anderen Großmacht. Ob diese Befürchtung insgesamt gerechtfertigt war, lässt sich nicht sagen, aber sie war in Anbetracht der damaligen Situation vollkommen nachvollziehbar.26 Entsprechend war wohl auch die nach Konstantins Tod erfolgende27 Christenverfolgung Schapurs II., wie die kommen-
24 Wörtlich oder sinngemäß: van der Ploeg 1970, 137f.; Garsoïan 1973, 135; Blum 1980, 27–29; Barnes 1985, 136; Sako 1986, 9, 37; Schippmann 1990, 32f.; Wiesehöfer 1993, 378; Wiesehöfer 1994a, 269f.; Shahbazi 2001, 69; Garsoïan 2004, 336; Mosig-Walburg 2007, 172; Hauser 2008, 34; Ball 2011, 98; Payne 2015a, 39; Morley 2016, 118; Patterson 2017, 190f.; vgl. Hage 1973, 180f.; Lieu 1986, 485; McDonough 2006, 70, 76; Daryaee 2008b, 56. Zwangsläufig ohne den Begriff, aber der Sache nach schon Güterbock 1906, 93f. Für den umgekehrten Fall der Zoroastrier im Imperium Sako 1986, 9: „Il es fort intéressant de remarquer euʼen même temps les Romains considéraint les Zoroastriens vivant dans leurs territoires comme des émissaires du Roi de Perses. Ils les poursuivent.“ Zum Phänomen auch Blockley 1992, 144. 25 Patterson 2017, 188; vgl. Payne 2015a, 39. 26 Hage 1973, 180f. Beschuldigungen der Spionage und des Verrats gibt es in den Quellen des Öfteren. Mar Saba wurde der Kollaboration beschuldigt und in Anbetracht des römischpersischen Krieges 542 abgesetzt und exiliert, Panaino 2010, 232; Patterson 2017, 190; vgl. Maksymiuk 2015, 126, 129f., zu dem Umstand, dass auch innenpolitische Interessen dabei eine Rolle gespielt haben könnten. Gero 1981; Anm. 56 zu klerikalen Spionen; Macomber 1958, 144, sieht Barsauma von Nisisbis als eventuellen (wenn auch unter Zwängen agierenden) persischen Spion, in der Chronik von Seert, cap. 42 [ed. Scher], wird erwähnt, dass Isoyahb von Arzoun Hormizd über römische Truppenbewegungen in Kenntnis setzte, Hartmann 2007, 85f.; nach Fiey 1977, 54f., trug der Metropolit Paul von Nisibis wohl den Römern Informationen zu. Mit der Zusammenarbeit des Bischofs von Nisibis mit dem antiochenischen Patriarchen Gregorios bei der Belagerung von Nisibis Anfang der 570iger in Form von Informationen, die Gregor gleich an Kaiser Justin weitergeleitet habe (und der diese im Übrigen aus eigenem Wunschdenken heraus nicht geglaubt haben soll), bei Evagr. hist. eccl. 5,9, befasst sich die Arbeit Lee 1993a. Forschungsüberblick bei ebd. 574, die Episode wird gemeinhin als historisch angesehen. Generell dürfte die Grenze für Kleriker besonders leicht zu überschreiten gewesen sein, ebd. 584, Anm. 76. 27 Solange Konstantin lebte, scheint Schapur II. Rücksicht genommen zu haben, Barceló 1981, 78; Frendo 2001, 64f.; vgl. Sako 1986, 38.
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den der nächsten etwa 150 Jahre,28 primär in diesem Sinne motiviert, denn die jüdische Minderheit ließ er nicht verfolgen.29 Zusätzlich erschwert wurde das Problem der „fünften Kolonne“ durch den Umstand, dass religiöse Identität in einer Zeit, da es noch keine nationalen Vorstellungen im modernen Sinne gab, ein wichtiger Teil der Selbstidentifikation der Menschen im Sasanidenreich wie im Imperium war.30 Der pax Romana des Imperiums entsprach zunehmend die pax Christiana und es wurde die Gleichsetzung von Nichtchristen und Barbaren möglich.31 Besonders von Christen im Sasanidenreich wurde eine Trennung offenbar weniger zwischen Landsleuten und Ausländern, sondern zwischen den aus eigener Sicht Rechtgläubigen und den Ungläubigen, dem Volk Gottes und den Außenseitern – den Gentilen, den Heiden – gezogen.32 Wie sich politische Umstände aber mit religiösen auf der höchsten Ebene der diplomatischen Interessen vermengten, so vermengten sich ebenfalls religiöse mit politischen auf der Ebene einfacher Leute. Ein Indiz ist die fünfte demonstratio des Aphrahat, in welcher der persische christliche Autor im Rahmen einer Homilie explizit die Hoffnung persischer Christen auf Unterstützung durch das Imperium äußerst. Es lässt sich nicht sagen, wie gängig diese Anschauung unter persischen Christen war,33 aber Aphrahats Homilie ist ein Beleg dafür, dass dieses Denken nicht nur von persischen Großen befürchtet oder künstlich konstruiert wurde.34 28 Brock 1982, 7; vgl. Rist 1996, 30, 39f.; Börm 2008, 430; Patterson 2017, 181, 188, 190; vgl. dagegen Payne 2015a, 39. Hauser 2008, 34: „Staatlich unterstützte Christenverfolgungen sind [...] kaum religiös als vielmehr innen- und noch mehr außenpolitisch begründet zu verstehen.“ 29 Schippmann 1990, 95; Patterson 2017, 191; vgl. Garsoïan 1973, 135; Brock 1982, 7; Barnes 1985, 136; Wiesehöfer 1993, 372, 376; Alinia 2008, 53; Huyse 2008, 148. Dagegen zu einer möglichen innenpolitischen Motivation der Christenverfolgung Schapurs II. Mosig-Walburg 2007, 172–181. Zur jüdischen Minderheit im Sasanidenreich Widengren 1961, 157f. 30 Vgl. Brock 1982, 12f. Besonders ebd. 12: „For Christians in Persia, on the other hand, their ‚nation‘ was that of their religious community. As Wigram put it, ‚religion is the derterminant of nationality‘.“ Vgl. Leppin 2016, 109f. 31 Obolensky 1963, 54f. 32 Brock 1982, 13f.; Wiesehöfer 1994a, 271. Die offenkundigen Parallelen zum Judentum sind ebenfalls zu ziehen. Bei Panaino 2010, 227, wird Jakob von Sarug als Beleg für die Anschauung angeführt, persische Christen hätten sich als Römer begriffen. Das verkennt, dass Jakobs Schriften kein persisches Selbstzeugnis sind; vgl. Brock 1982, 12. 33 Brock 1982, 7, nimmt an, das zumindest einige persische Christen Hoffnungen auf den christlichen Kaiser setzten. Dagegen Mosig-Walburg 2007, 177f. Siehe auch Christensen 1944, 267; Blum 1980, 27–29; Lieu 1986, 485f.; Wiesehöfer 1993, 376. Vgl. zu den demonstrationes des Aphrahat Smith 2016, 103–109. 34 Barnes 1985, 136; vgl. Brock 1982, 8; Shahbazi 1990, 588f.; Wiesehöfer 1993, 378. In einer ähnlichen Richtung verweist McDonough 2006, 76, auf die Chronik von Karka de Beth Selok, da zur Zeit Yazdgards II. Yohannan, der Bischof von Karka, um spirituelle römische Hilfe gebeten habe, als der König gegen Christen in seinem Reich vorging. Wenn auch nicht militärisch, so wird doch auf römische Rückendeckung gehofft. Bezüglich der Synoden von Isaak (410) und Yahbalaha (420) fasst Smith 2016, 128, zusammen: „As a result of these
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In persischen Märtyrerakten wird immer wieder die Idee der persischen Christen als „fünfter Kolonne“ Roms erwähnt: Im Martyrium des Simon sagt Schapur II., da er von der Position und religiösen Standhaftigkeit des Protagonisten erfährt: „Simon will seine Jünger und sein Volk gegen meine Majestät zur Empörung bringen und zu Knechten des Kaisers […] machen, der ihr Glaubensgenossen ist. Deshalb gehorcht er meinem Befehle nicht.“35 Als Simon weiterhin nicht gehorcht, ordnet der König an: „Simon, das Haupt der Zauberer, werde gefesselt und zu mir geschickt, weil er meine Majestät verworfen und die des Kaisers […] erwählt hat, weil er seinen Gott anbetet und meine Götter verachtet.“36 So meint im Martyrium des Peroz ein Großer des Königs und der wichtigste der Magier, Mihrschapur, zu Bahram V., die Nazarener seien Glaubensgenossen der Römer und deren Sache sei auch ihre Sache: „Wenn ein Krieg entsteht, sind die Nazarener ein Pfahl im Kriege (im Fleisch) und durch ihre Hinterlist richten sie deine Macht zugrunde.“37 Er empfiehlt dem König, zu befehlen, dass die Nazarener sich von ihrem Glauben abwenden sollten.38 Im Martyrium des Mar Aba 12 äußern die Magier gegenüber Chosrau I.: Der Katholikos Aba, das Haupt der Christen, achtet euch nicht als König und Herrn und diese eure große und herrliche Majestät ehrt er nicht. Als er nach Pars und in die östlichen Provinzen eures Reiches kam, nahm man ihn mit großen Ehren auf. Die Religion (den) des Magiertums, die von Gott Hormizd gegeben wurde, in der euer Reich regiert wird, klagt er als verwerflich an und zerstört sie. Viele Magier bekehrt er zum Christentum. Unsere Religion schädigt er; die seinige fördert er. Uns, die Großen der Magier, hält er für nichts. Kurz, er ist ein Freund des Kaisers und ein Feind eurer Majestät.39
Die Chronik von Arbela gibt an, Juden und Manichäer hätten die Magier aufgehetzt: „Sie legten ihnen dar, dass die Christen alle Spione der Römer seien, und dass nichts im (Perser-)Reiche vorgehe, das sie nicht ihren römischen Glaubensgenossen berichteten.“40 Die Magier bewegen dann ihrerseits Schapur II., gegen Christen im Perserreich vorzugehen.41
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councils and the Roman-Persian war soon after Yazdgardʼs death, Christianitas was increasingly seen as coterminous with Romanitas. To be Christian in the fifth century was to be Roman.“ Mart. Simon. 7 (Übers. Braun). Ausführlich der Standpunkt Mar Simons bei ebd. 4–6, 9, 16, 18–21; Wiesehöfer 1993, 376f. Mart. Simon. 19 (Übers. Braun). Mart. Pêrôz. 5 (Übers. Braun). Ebd. Mart. Aba. 12 (nach Übers. Braun). Chronik von Arbela 12, p. 75 (Übers. nach Sachau); Wiesehöfer 1993, 378; Wiesehöfer 1994, 270. Chronik von Arbela 12, p. 75 (Übers. nach Sachau). Für die Anschauung der Magier, dass das Christentum nicht nur eine falsche Religion, sondern auch ein Element ist, dass nicht ins Perserreich gehört, lässt sich als Selbstzeugnis die nach 276 abgefasste Inschrift Kardērs anführen, in der es heißt, (Übers. Hinz 1970, 261): „Götter, Wasser, Feuer und Kleinvieh fanden im Reiche große Befriedigung, Ahriman und die Teufel aber erlitten schwere Schläge und Ein-
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Damit wurden dem bisher innenpolitischen Problem der religiösen Minderheiten eine außenpolitische Komponente hinzugefügt. Diese ließ auch alle sonstigen diplomatischen Maßnahmen, die enger oder weiter mit religiösen Hintergründen verbunden waren, in einem neuen Licht erscheinen. Danach sind die Ausbreitung des Christentums und missionarische Aktivitäten der römischen Kirche in der Nachbarschaft der beiden Reiche stets problematisch. Da Christianisierung in der Regel zu einer Annäherung an das Imperium führt, stützen sich Religion und Politik wiederum, was aber die Christianisierung aus persischer Sicht als provokant und letztlich als einen politischen Winkelzug erscheinen lassen konnte.42 Umgekehrt lassen sich die persischen Bemühungen zur Ausbreitung des Zoroastrismus in Armenien vor dem gleichen Hintergrund sehen.43 Ob diese Anschauung gerechtfertigt war, ist eine andere Frage. In der Forschung ist diese Sichtweise allerdings vertreten worden, indem etwa die Frage gestellt wurde, ob denn letzten Endes die byzantinische missionarische Tätigkeit im Dienste der Außenpolitik stattgefunden habe, oder nicht doch die Außenpolitik im Dienste der missionarischen Tätigkeit.44 Dies impliziert, man hätte diese beiden Sphären damals im gleichen Maße trennen können wie es in der Gegenwart der Forschenden selbstverständlich zu sein scheint. Es dürfte sich wohl eher so verhalten haben, dass man beide als einander bedingend begriffen hat. Die missionarische Tätigkeit kam der Außenpolitik zugute und die Außenpolitik der missionarischen Tätigkeit, da Gott es so eingerichtet hat, dass das Imperium der Verbreitung des wahren Glaubens dient. Es muss außenpolitisch erfolgreich sein, um den wahren Glauben zu verbreiten und weil es eben den einzig wahren Glauben im Sinne Gottes verbreitet, ist es auch außenpolitisch erfolgreich.45 Es ist wahrscheinlich zu kurz gegriffen, wenn man die missionarische Tätigkeit Roms nur unter dem realpolitischen Nutzen der Außenpolitik erklären will und somit die Religion als Vorwand der Politik betrachtet.46 Es wird sich nicht so einfach verhalten haben und erschwerte die Beziehung zum Sasanidenreich zusätzlich.
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bußen. Die Lehren Ahrimans und der Teufel wurden aus dem Reiche verbannt und unglaubwürdig gemacht. Juden, Buddhisten, Mandäer, Christen, Gnostiker (?) und Manichäer wurden im Reiche verfolgt, Götzenbilder zerstört, Teufelshöhlen aufgehoben und in Stätten und Sitze der Götter umgewandelt.“ Vgl. Jackson Bonner 2020, 59. Vgl. Rist 1996, 30f. Vgl. Schippmann 1990, 32f.; Ball 2011, 98, 165; Patterson 2017, 182f. So grundlegend Kazhdan 1992, 7f., in einer Arbeit mit dem Titel „The notion of Byzantine diplomacy“ in einem mit „Byzantine Diplomacy“ betitelten Band. Vgl. Frend 1975, 12. Für eine Vermengung des politischen und religiösen Aspektes in byzantinischen Missionsgesandtschaften Barceló 1981, 85; vgl. Obolensky 1963, 55; Engelhardt 1974, 179. Treffend Beck 1967, 654: „Der Kaiser […] ist der erste und vornehmste Missionar des Christentums, sein politisches Handeln ist immer auch missionarisch von Bedeutung. Damit sind natürlich christliche Mission und Politik nur noch schwer auseinanderzuhalten, ja sie sollen bis zu einem gewissen Grad gar nicht mehr auseinandergehalten werden.“ Vgl. Leppin 2016, 114f. Hage 1973, 185f.: „Die Heidenmission der oströmisch-byzantinischen Kirche war stets zu-
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Umgekehrt ist die Ausbreitung der guten Religion auch eine Pflicht des Großkönigs und wiederum kann der Umstand, dass diese angenehm mit außenpolitischen Interessen zu verbinden ist, dem Gläubigen als Beleg dienen, dass die Herrschaft des Großkönigs mit dem Auftrag des Göttlichen konform geht.47 Auf jeden Fall lässt sich feststellen, dass religiöse Aktivität außerhalb des eigenen Machtbereiches für die andere Seite verdächtig erscheinen musste und das diplomatische Verhältnis der beiden Mächte verkomplizierte. Dies zieht sich durch die diplomatischen Beziehungen der behandelten Zeit. Aber das diplomatische Verhältnis gewann durch den religiösen Aspekt eine weitere Facette, die sich wiederum nutzen ließ, um Diplomatie zu betreiben, also das Verhältnis zwischen den Reichen zu verändern. So bedeutet eine Veränderung in der eigenen Einstellung gegenüber der religiösen Minderheit des anderen im eigenen Land stets auch ein Signal an das andere Reich.48 Hauptproblem blieb aber die Existenz der Anhänger des eigenen Glaubens im anderen Reich bei gleichzeitiger Schirmherrenfunktion der beiden Herrscher, das sich nicht über Verhandlung oder Kompromiss lösen ließ. Beispielhaft ist der Krieg von 421/422 in der Zusammenstellung und Rekonstruktion von Greatrex und Lieu.49 Wahrscheinlich aufgrund erheblicher christlicher Missionserfolge im Sasanidenreich bis hin zur Konversion und dem folgenden Martyrium hochrangiger persischer Würdenträger kommt es zu Spannungen zwischen den Großmächten. Es kommt zu einer persischen Christenverfolgung, da auf persischer Seite eine Kollaboration der persischen Christen mit den Römern befürchtet wird. Christliche Perser fliehen ins Imperium, wo sie von Attikos, dem Bischof von Konstantinopel, unter Kenntnis des Kaisers aufgenommen werden. Der Großkönig fordert ihre Auslieferung, was aber verweigert wird, zum einen, da die Flüchtlinge gerettet werden sollen, zum anderen aber auch im Dienst des Christentums. Der Kaiser kann nicht anders. Es wird ein Krieg mit dem Sasanidenreich der Auslieferung vorgezogen, wobei auch andere Elemente eine Rolle spielen.
gleich ein politisches Instrument, weil hinter ihr als höchste Autorität nicht etwa der Patriarch, sondern der Kaiser selbst stand. Christianisierung und Befriedung von Grenzvölkern – wie etwa auf dem Balkan, an der Nordküste des Schwarzen Meeres und in Nubien – waren ein und dasselbe.“ Vgl. Fisher 2017, 167. Beck 1967, 654: „[...] jede Ausbreitung des Reiches ist potentiell eine Ausbreitung des Christentums und jede Ausweitung des christlichen Raumes potentiell ein Zuwachs zum römischen Reich.“ Siehe auch Engelhardt 1974, 5; vgl. dagegen 25. 47 Vgl. Garsoïan 1971, 348, 351f. über die Verquickung von religiöser und politischer Loyalität; Garsoïan 1973, 132f., 138; vgl. Beck 1967, 674; Brock 1982, 17. 48 Vgl. Patterson 2017, 182. 49 Greatrex / Lieu 2002, 36–43. Es handelt sich dabei um ein komplexes und quellenmäßig schwer zu fassendes Ereignis; Details des Krieges widmet sich das Kapitel 13.2 der vorliegenden Arbeit. Zu diesem Krieg siehe auch Ensslin 1928, 409; Joanes 1973, 193; Sako 1986, 17, 78–80; Greatrex 1994, 25. Rist 1996, 32; Wood 2012, 61; Fisher 2017, 167.
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Am Ende dieses Konfliktes wurde schließlich festgelegt, dass die Christen im Perserreich ihre Religion ungestört ausüben dürfen, sofern im Gegenzug die Zoroastrier in Ostrom die gleichen Rechte erhielten.50 Dieses Abkommen wurde zunächst eingehalten,51 löste das Problem aber nicht, da es nicht die Konfliktursachen beseitigte. Der Kaiser sollte zwar die Möglichkeit haben, ins Imperium fliehende persische Christen mit der Begründung zurückzuweisen, sie hätten unter seinem großköniglichen Bruder keine andere religiöse Situation als in seinem Reich, müssten also nicht fliehen, dies beendete aber nicht den Zustand, dass es nur schwer möglich war, religiöse Minderheiten uneingeschränkt ihrem staatsgefährdenden Gottesdienst nachgehen zu lassen und ganz besonders nicht solche, die der Konspiration mit der anderen Macht hochgradig verdächtig waren. Entsprechend änderte dieses Abkommen die Position der Minderheiten nicht grundlegend.52 Beide Seiten kamen im Laufe der nächsten beiden Jahrhunderte nicht wesentlich über diesen Zustand hinaus. Daher ist der sasanidische Versuch ab Yazdgard I. bemerkenswert, mittels der großköniglichen Schirmherrschaft über eine eigene christliche Kirche, in der die persischen Christen zusammengefasst sind, das Problem der Christen im Iran innen- wie außenpolitisch zu lösen. Indem sich der Großkönig selbst als Schirmherr der persischen Christen einsetzte, ersetzte er diese zuvor vom römischen Kaiser eingenommene Position.53 Er übernahm somit die Funktion des Schutzes der Religionsausübung von diesem. Dies setzte zu seiner Vollendung die theologische Verschiedenheit der „nestorianisch“ geprägten (oder besser: radikaldiophysitischen, ostsyrischen) persischen Kirche von der römischen voraus, da dies sowohl dem Kaiser als auch den persischen Christen den Willen zur Zusammenarbeit mit den häretischen anderen nahm und zugleich auch die Problematik der „fünften Kolonne“ entschärfte,54 womit das volle Zusammenwirken all dieser Faktoren ab 50 Sako 1986, 17, 79f.; Rist 1996, 33f.; Greatrex/Lieu 2002, 42; Mazza 2004, 67f.; Hauser 2008, 34; Chronik von Arbela 16, p. 83 (vgl. Priskos frg. 41,1, da von römischer Seite später im 5. Jahrhundert behauptet wird, die Zoroastrier im Imperium würden nicht ihrer Religion wegen bedrängt). Laut Leppin 2016, 117f., habe es wohl weder 562 noch sonst einen Vertrag gegeben, der die Stellung der Zoroastrier im Imperium regelte; vielleicht seien es nur wenige oder gar keine gewesen. Man müsse auch die weniger universelle Natur des Zoroastrismus im Vergleich zum Christentum bedenken. Laut Greatrex/Lieu 2002, 42, sei auch die Angabe bei Malchus frg. 1,4–7, dass sarazenische Flüchtlinge, die mit einer Seite verbunden sind, künftig von der anderen Seite nicht mehr aufgenommen werden sollen, auf den Frieden von 422 zu beziehen. Im Kontext heißt es, dies sei nach einem sehr großen Krieg unter Theodosius geschehen, was Blockley zu der Fehlübersetzung geführt hat, es sei zur Zeit Theodosius des Großen gewesen, da er ὁ µέγιστος auf Θεοδοσίου bezieht, es sich aber auf πόλεµος beziehen dürfte, wie auch in den FGH ins Lateinische übertragen, wenngleich der Krieg historisch gesehen nicht besonders groß gewesen sein dürfte. 51 Greatrex 1994, 26. 52 Schippmann 1990, 42, nennt es „eine Konzession ohne praktischen Wert“. 53 Vgl. Guillaumont 1969/70, 42; Daryaee 2009, xx. 54 Patterson 2017, 190; vgl. Brock 1982, 9; Panaino 2010, 228; Edwell 2015, 215f. Bei Joh. Eph. Vit. Sim. p. 142 [ed. Brooks] äußern sich persische Bischöfe gegenüber dem Großkönig,
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der Synode von Beth Lapat (Gundeschapur) im Jahr 484 zu sehen ist,55 aber schon die Anerkennung der persischen Kirche durch Yazdgard I. 410,56 das Schisma mit der römischen Kirche auf der Synode von 42457 und die folgenden miaphysitischrömischen und nestorianisch-persischen Differenzen nach dem Konzil von Chalzedon58 451 in diese Richtung weisen.59 Da die persische Kirche alle Christen in Persien umfassen sollte, war zumindest auf dem Papier das Problem der persischen Christen beseitigt. Die Ursachen des Wechsels persischer Christen ins Imperium wurden deutlich vermindert, da nun die obrigkeitliche Begründung möglich war, dass sie keinen Grund zur Flucht hätten, da ihnen im Sasanidenreich ebenso wie im Imperium die Ausübung ihrer Religion möglich sei. Diese Maßnahme kam der Außenpolitik zudem entgegen, da es jetzt dem Kaiser theoretisch möglich war, fliehende persische Christen mit der Begründung zurückzuweisen, dass sie zum einen nicht zur römischen Kirche gehörten und er ihnen zum anderen auch nicht mehr religiöse Freiheit bieten könnte, als sein großköniglicher Bruder ihnen bereits gegeben habe. Innenpolitisch kam dem Großkönig zudem entgegen, dass er durch die enge Bindung der Kirche an seine Person und Herrschaft eine organisatorische, personelle und ideelle Stütze hatte, die sich heranziehen ließ, wenn die Beziehungen zum zoroastrischen Klerus schlecht waren.60 Die außenpolitische Seite sollte sich aber nicht vollkommen bewähren. Zwar lässt sich beobachten, dass Phasen der Christenverfolgung im Sasanidenreich seit der Eigenständigkeit der persischen Kirche nicht mehr mit Phasen römisch-
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dass die Christen, die nicht ihrer Richtung anhingen, Verräter seien, da diese in Glauben und Ritus mit den Römern übereinstimmten. Dies impliziert, dass die Sprecher selbst natürlich keine Verräter sind. Panaino 2010, 233f., äußert den passenden Gedanken, die persische Kirche habe ein besonderes Interesse gehabt, Rom nicht zu stützen, denn geriete sie unter römische Vorherrschaft, hätte sie als schismatische Kirche ein schweres Los. Laut Bar Hebraeus chron. eccl. saec. 5, col. 65, 67 [ed. Abbeloos/Lamy] habe Barsauma dem König Peroz diese Zusammenhänge erklärt, der darauf eingegangen sei. Brock 1982, 9; Schippmann 1990, 45; Patterson 2017, 189; vgl. Capizzi 1969, 175; Hage 1973, 182; Maksymiuk 2015, 125. Sykes 1921, 429f.; Guillaumont 1969/70, 42; Garsoïan 1971, 350; Wiesehöfer 1994a, 272; Greatrex 2003a, 79; Winkler 2003, 19f.; Garsoïan 2004, 336; McDonough 2008a, 128; Mosig-Walburg 2009b, 252f. Sykes 1921, 432.; Guillaumont 1969/70, 42; Hage 1973, 181; Wiesehöfer 1994a, 272; Greatrex 2003a, 79. Edwell 2015, 215. Patterson 2017, 189; vgl. Garsoïan 1971, 347; Mazza 2004, 45. Bei Hage 1973, 184, wird versucht, den Prozess aus östlicher Sicht zu bewerten. Patterson 2017, 181, 188f.; vgl. Rist 1996, 32. Bei Patterson 2017, 189, wird der Vergleich zu Konstantin dem Großen gezogen; vgl. Garsoïan 1971, 351f. Blum 1980, 23f., unterstellt in gleicher Analogie, schon Schapur II. habe mit dem Mazdaismus Pläne gehabt, die Konstantins Verhalten gegenüber dem Christentum ähnelten. Zum Stand des christlichen Klerus Sako 1986, 40.
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persischer Spannungen identisch waren,61 aber trotzdem kam es weiterhin zu sporadischen Christenverfolgungen. Die Annahme, dass sich Religionen per Gesetz ändern lassen, führte nicht zum Ziel, denn bereits in dem Umstand, dass die römische und persische Kirche sich theologisch unterscheiden (und der konstitutiv für die Definition und Abgrenzung einer königlich gestützten persischen Kirche war), liegt der Stein des Anstoßes künftiger Probleme. Denn beide Kirchen sind in ihrem Wahrheitsanspruch exklusiv und folglich einander entgegengesetzt. Ein persischer Christ, der aber nicht Teil der persischen Kirche sein will, sondern diese für häretisch erachtet und die römische für orthodox, könnte nach wie vor gewillt sein, ins Imperium zu wechseln und umgekehrt ein Christ der nestorianischen Richtung im Imperium geneigt sein, ins Sasanidenreich zu gehen.62 Die generell durchlässigen Grenzen und sprachliche wie kulturelle Kontinuität Mesopotamiens auf beiden Seiten der Grenze erleichterten solche Vorhaben.63 Wenn der Kaiser einen persischen Christen, der Mitglied der persischen Kirche ist, zurückweisen kann, so sieht die Situation doch anders aus, wenn es ein (aus kaiserlicher Warte) orthodoxer Christ ist, der vor der häretischen persischen Kirche in ein rechtgläubiges Land fliehen will. Das Problem der fünften Kolonne hatte sich geradezu verschärft: denn diejenigen Christen, die sich der persischen Kirche verweigern und an ihrer Orthodoxie besonders festhalten, könnten auch besonders geneigt sind, radikal zu werden und Verrat im Interesse des orthodoxen Kaisers zu begehen. Ausweisungen und Umsiedlungen lösten die Probleme auch nicht, da immer wieder neue Konvertiten auftraten, die sich zu einer nicht geschützten Glaubensrichtung bekannten. Entsprechend gab es weiterhin sporadische Christenverfolgungen im Sasanidenreich. Eine prinzipielle Lösung des Problems, dass religiöse Umstände geeignet waren, diplomatische Spannungen auszulösen oder zu verstärken, wurde nicht gefunden, nur die Schwere durch die Zuwendung des Großkönigs zur persischen Kirche minimiert. Es blieb bei dem Prinzip, die Anhänger des anderen Glaubens im eigenen Land zu dulden, nicht aber ihre Stellung grundlegend zu verändern, was wohl aufgrund der religiösen Erwartungen an beide Herrscher auch nicht möglich gewesen wäre. Dies galt wohl auch für die schlechter belegte Situation der Zoroastrier im Imperium.64 Konversionen hin zur Religion des anderen blieben verboten.65 Der epochale Charakter des Vertrages von 561, der bemüht ist, in 61 Garsoïan 1971, 347, Anm. 23.; vgl. Labourt 1904, 125. 62 Auch letzterer Fall wird nicht unbedeutend gewesen sein, Maksymiuk 2015, 125. Es ist gerade an die christologischen Diskussionen im Imperium des 5. und 6. Jahrhunderts zu denken, Wiesehöfer 1993, 381. 63 Vgl. Bernheimer/Silverstein 2012, 7; Morley 2016, 121f. 64 Güterbock 1906, 98f.: „Eine ausdrückliche Anerkennung der freien Ausübung der den Christen abscheulich erscheinenden religiösen Zeremonien der Parsen war für den Kaiser unmöglich; das höchste wäre tatsächlich die Ignorierung ihrer Existenz gewesen.“ 65 Rist 1996, 38.
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vielen Bereichen Konfliktursachen an der Wurzel zu beseitigen, zeigt sich auch darin, dass das religiöse Problem gerade nicht gelöst werden konnte. In einem separaten Abkommen – nicht im Vertrag selbst – wurde festgeschrieben, dass die Religionsausübung der Christen im Sasanidenreich zu dulden sei und sie nicht zur Teilnahme an anderen religiösen Praktiken gezwungen werden dürften, dafür aber auch nicht versuchen würden, Zoroastrier zum Christentum zu bekehren.66 Bereits der Umstand, dass es einer separaten Diskussion und eines eigenen Abkommens bedurfte, zeigt, wie schwierig diese Verhandlungen waren und dass offenbar ein Bewusstsein für die Andersartigkeit der religiösen Problemlage im Vergleich mit allen anderen Streitpunkten vorhanden war. Man nahm die Bestimmung lieber nicht in den eigentlichen Vertrag auf, wohl nicht zuletzt, um diesen nicht zu gefährden. Es schien offenbar so, dass ein Vertragsbruch sich besonders leicht an diesem beständig schwelenden Thema zu entzünden drohte. In der Forschung findet sich nun eine Meinung, die sehr wahrscheinlich nur aus einem ungenauen Begriffsgebrauch resultiert, aber in ihren Konsequenzen irreführend sein kann. Es handelt sich um die Meinung, Rom und Persien hätten sich geeinigt, religiöse Toleranz gegenüber den Anhängern des anderen Glaubens zu üben.67 Dies impliziert eine falsche Vorstellung von der Natur der religiösen Beziehungen. Andersgläubige wurden höchstens geduldet, so im Fall der römischsasanidischen Abkommen, aber keinesfalls toleriert.68 „Duldung“ und „Toleranz“ sind zwei verschiedene Konzepte, zumal letzterer Terminus seit der Aufklärung ein schillernder politischer Begriff geworden ist, der im Fall des römisch-persischen Verhältnisses falsche Assoziationen wecken
66 Men. Prot. frg. 6,1,398–407; Sako 1986, 24f.; Rist 1996, 38; Maksymiuk 2015, 129; vgl. Guillaumont 1969/70, 49. Howard-Johnston 2021, 114, zum Grundproblem: „Any understandings reached between the two sides had to be tacit, in the sense of not being included in formal treaties.“ 67 Begriffe „Toleranz“ und „tolerieren“ (in diesem Sinne auch „Intoleranz“) im Zusammenhang mit religiösen Minderheiten der Spätantike im Imperium und Sasanidenreich: Barceló 1981, 77f.; Schippmann 1990, 29, 40f.; Mosig-Walburg 2007, 172; Hauser 2008, 30; MosigWalburg 2009b, 256, 265; Maksymiuk 2015, 129; Sauer 2017a, 8. Bei Wiesehöfer 1993 dagegen werden „tolerant“ und „Intoleranz“ mehrmals in Anführungszeichen gesetzt. Treffend Leppin 2016, 118: „religious plurality to a certain degree“. 68 Dies wird noch durch den Umstand erschwert, dass der englische Begriff „tolerance“ nicht eins zu eins mit dem deutschen Begriff der Toleranz übersetzt werden kann, sondern näher am lateinischen Wortsinn und damit dem deutschen Begriff der Duldung steht; vgl. Walsham 2006, 4. Da der Begriff noch ungenauer ist als der deutsche, wäre noch mehr Vorsicht in der Begriffsverwendung geboten. Den Terminus „tolerance“ und verwandte Begriffe verwenden bezüglich spätantiker Verhältnisse in Rom und Persien z. B. Holum 1977, 159, 162; 170f.; Barnes 1985, 136; Russell 1986, 138; Schrier 1992, 82f.; Greatrex 2003a, 81; McDonough 2006, 74f.; McDonough 2008b, 87f.; Pourshariati 2008, 456; Daryaee 2009, 21; HowardJohnston 2021, 114.
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kann.69 Der Unterschied von „Duldung“ und „Toleranz“ lässt sich selbst in der Alltagssprache (und in der althistorischen Literatur wird er nicht definiert, also wahrscheinlich in diesem Sinne gebraucht)70 folgendermaßen festmachen: Duldung bedeutet, eine willentlich entstandene Tat oder Eigenschaft eines Anderen, die man nicht gutheißt, zu ertragen, obwohl man sie nicht ertragen müsste. Dabei muss Duldung nicht uneingeschränkt erfolgen, sondern kann sich auf bestimmte Aspekte beschränken. Im vorliegenden Fall: Ein Kaiser kann die Existenz religiöser Minderheiten im Imperium dulden. Es ist die absichtliche Entscheidung dieser Menschen, einer Minderheit anzugehören und er müsste ihre Existenz in Anbetracht seiner Machtmittel nicht ertragen. Der Begriff der Duldung impliziert immer ein Machtgefälle, denn es erfordert Macht, um in der Lage zu sein, einen Zustand beenden zu können. Beim Begriff der Duldung geht es um den Duldenden, das Subjekt. Der Geduldete bildet das Objekt und obwohl eine Absicht hinter seinen zu duldenden Eigenschaften oder Taten stehen muss, spielt deren Motivation im Begriff der Duldung keine Rolle. Exakt dies beschreibt der vorliegende Fall: Es spielt in der römischen – wie wahrscheinlich auch sasanidischen – Gesetzgebung keine Rolle, warum jemand einer religiösen Minderheit angehört, wie es letztlich keine Rolle spielt, warum jemand kriminell geworden ist: Er erfüllt einen Straftatbestand und das ist für die Gesetzgebung ausreichend. Religiöse Minderheiten sind aus Sicht der Mehrheit prinzipiell im Unrecht, da Religionen exklusiv sind und nur eine, die eigene, richtig sein kann – die anderen aber zwangsläufig nicht. Das lateinische tolero (vgl. tolerantia, tolerandus, toleratus, toleratio) bedeutet nun zwar ein Wortfeld von „ertragen“, „erdulden“, „aushalten“ und steht damit dem deutschen Begriff der Duldung nahe, allerdings gilt das nur für den lateinischen Gebrauch. Der deutsche Begriff der Toleranz ist anders gefasst:71 Der Unterschied von Toleranz und Duldung besteht im Deutschen darin, dass bei der Toleranz zwar immer noch das die Duldung kennzeichnende Machtgefälle vorhanden, aber bedeutungslos geworden ist. Toleranz ist ein Zustand des beiderseitigen Ertragens, wogegen Duldung von einem mächtigen Subjekt einem weniger mächtigen Objekt zugebilligt wird. Wenn es Einschränkungen gibt, legt diese nicht eine Seite der anderen auf, sondern beide Seiten einigen sich auf diese und sie sind für 69 Da Duldung kein derart geistesgeschichtlich aufgeladener Begriff ist, findet er sich auch nicht in entsprechenden Nachschlagewerken. Es wird daher eine Annäherung an den Alltagsgebrauch versucht. 70 Es ist bemerkenswert, dass dies in der im Literaturverzeichnis der vorliegenden Arbeit aufgelisteten Literatur in der Regel nicht geschieht, obwohl der Begriff wesentlich für das Verständnis des Verhältnisses der beiden Mächte zu religiösen Minderheiten und nicht zuletzt auch einiger Aspekte ihres diplomatischen Verhältnisses ist. Die Arbeit Van Nuffelen 2018 befasst sich mit spätantikem Denken über Toleranz und Gewalt sowie der Beziehung dieses Denkens zum modernem Toleranzbegriff; die Bedeutung für das römisch-persische Verhältnis wird allerdings nicht thematisiert. 71 Schreiner/Besier 1990, 446–450. Es ist ungenau, wenn Eckert 2011, 619, festhält: „Toleranz heißt Duldung.“ Zu antiken Begrifflichkeiten und Konzepten Van Nuffelen 2018, 39–49.
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beide gültig. Toleranz impliziert ein positives, Duldung ein negatives Verhältnis, denn Duldung wird jemandem entgegengebracht, den der Duldende ablehnt,72 ohne die Hintergründe seines Handelns zu erfragen. Toleranz bedeutet, die Position des anderen nicht zur eigenen machen, aber doch verstehen zu können.73 Toleranz impliziert, dass der andere mit seinem Handeln und seinen Einstellungen ebenso Recht haben könnte wie man selbst, man für sich aber die Entscheidung getroffen hat, einen anderen Weg zu gehen, ohne den des anderen abzuwerten.74 Dies lässt sich auf das Verhältnis Roms und des Sasanidenreiches zu religiösen Minderheiten nicht anwenden, denn es ist unvorstellbar, dass ein Kaiser äußert, es könnte im Grunde auch der Zoroastrismus oder der Manichäismus oder das Judentum oder eine heterodoxe Strömung die richtige und das orthodoxe Christentum die falsche Religion sein, er hätte sich aber nun einmal für das orthodoxe Christentum entschieden.75 Umgekehrt gilt das für einen Großkönig: Er kann die von ihm vertretene Richtung des Zoroastrismus gleichfalls nicht relativieren. Toleranz bedeutet eine gewisse Distanzierung von der eigenen Position, die in diesem Fall für Herrscher, die besonders mit einer Religion verbunden sind, nicht möglich ist. Welche Privatmeinungen sie gehabt haben mögen, spielt dabei keine Rolle.76 Religiöse Minderheiten konnten in den beiden Reichen nicht „toleriert“ werden, da 72 Obwohl der englische Begriff der „tolerance“ näher am deutschen „Duldung“ ist, wird auch bei Coffey 2000, 10, festgestellt, dass „disapproval“ ein wichtiges Element für „tolerance“ ist. 73 Gemäß Freund 1927, v, ist das „Verständnis des Entgegengesetzten“ ein Element der Toleranz. Stöve 2002, 647: „Toleranz im neuzeitlichen Sinne ist mehr als die Resignation, den anderen nicht vom Wahrheitsanspruch der eigenen Position überzeugt zu haben.“ 74 Vgl. Hilpert 2001, „Toleranz […] bez. entw. die tatsächl. Praxis od. die normative Verpflichtung, Verschiedenartiges hinzunehmen bzw. andere in ihrer Andersartigkeit gelten zu lassen.“ Vgl. Rosenau 2002, 665: „Grundsätzlich anthropologisch bedacht ist Toleranz eine Folge des Sich-selbst-im-anderen-Wahrnehmens, wobei das andere auch und gerade das Fremde und insofern Infragestellende sein kann.“ In diese Richtung geht auch die Toleranzdefinition von Seaton 1911, 1: „Toleration is the practical recognition of the right of the individual to form and to act upon his own opinions on the great issues of life generally, as against the claim of external authority to prescribe limits to thought and practice.“ 75 Girardet 2007, 114f.: „Das moderne, seit der Aufklärung entwickelte Verständnis von Toleranz setzt die Säkularisation von Staat und Gesellschaft voraus, und es verlangt, als Ergebnis eines philosophischen Skeptizismus und Relativismus, den Verzicht auf absoluten Wahrheitsanspruch. Für die Christen jedoch gilt der Ausspruch Jesu: ‚Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater denn durch mich‘ (Joh. 14,6). Eine auf Einsicht in die Begrenztheit, Unabgeschlossenheit und daher Relativität allen menschlichen Wissens und Erkennens gegründete Einstellung, die dem jeweils anderen eben aus dieser Einsicht heraus ein Recht auf Anderssein und Andersheit, Andersdenken und Andersglauben zugesteht, und ein politisch so motivierter und garantierter Pluralismus der Religionen ist unter dem Vorzeichen des christlichen Wahrheits- und Absolutheitsanspruchs mithin unmöglich. Konstantin teilt, als Christ, diesen absoluten Wahrheitsanspruch.“ Vgl. Van Nuffelen 2018, 61– 64. 76 Vgl. Rist 1996, 26f.; vgl. Lieu 1986, 482: Schapur I. mag in der Tat eine tolerante Einstellung gegenüber anderen Religionen gehabt haben. Er hatte aber auch noch nicht das Problem der „fünften Kolonne“; vgl. Patterson 2017, 182.
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dies an den Fundamenten des politischen und herrscherlichen Welt- und Selbstverständnisses gerüttelt hätte. Sie konnten im besten Fall geduldet werden – mehr nicht.77 Was das Verhältnis von römischem orthodoxen Christentum und sasanidischem Zoroastrismus angeht, so sind die Fragen von Toleranz und Duldung müßig, denn zwischen gleich starken, als die sich die beiden Mächte begriffen, kann es weder Duldung noch Toleranz geben, da beide ein Machtgefälle voraussetzen. Gleich Starke müssen sich arrangieren. Auch in dieser Hinsicht gilt, dass die beiden Seiten sich religiös neutral verhielten, also den anderen in seinem Machtbereich glauben und praktizieren ließen, ohne dies in der Diplomatie zu thematisieren.78 Es war unfruchtbar, sich über die exklusiven Wahrheitsansprüche der Religionen zu streiten und auf diese Weise unlösbare Konflikte zu erzeugen. Es gilt festzuhalten: Die beiden Mächte verhielten sich zueinander religiös neutral, unternahmen also keine Konflikte der Religion.79 Die aus religiösen Fragen folgenden politischen Konflikte kamen aber immer wieder vor, da sie als letztlich einzige unter den Konflikttypen der Zeit prinzipiell unlösbar waren, indem sie keinen Vergleich oder Kompromiss ermöglichten. So wie das militärische Gleichgewicht und die der Verständigung wegen nötige diplomatische Gleichrangigkeit in dieser Zeit unlösbar erschienen und so Strukturelemente wurden, so war auch das dritte mit den damaligen Denkmustern
77 Girardet 2007, 115f.: „Ein Pluralismus von Religionen erscheint unter solchen Voraussetzungen ideell, vom gedanklichen Ansatz her, als unmöglich. Etwas anderes ist natürlich die politische Praxis, die sich an bestimmten nicht oder nur schwer verrückbaren Gegebenheiten orientieren muß (ohne daß man gleich mit dem denunziatorischen Vorwurf des ‚Opportunismus‘ argumentieren sollte). Wo nämlich, wie bei Konstantin, der christlich motivierte Grundsatz herrscht: ‚Ein Gott – Ein Reich – Ein Kaiser‘, da kann es gegenüber Nichtchristen ebenso wie gegenüber solchen Christen, die von einer verbindlichen, wie auch immer definierten Linie des Glaubens abweichen, politisch allenfalls, mit sorgsamem Blick auf Mehrheits- und somit Kräfteverhältnisse in der Bevölkerung und besonders in der Führungsschicht, taktisches Stillhalten oder vorsichtig-flexibles repressives Vorgehen geben. Was aus der Perspektive eines ‚rechtgläubigen‘ christlichen Monotheismus und Universalismus in der Praxis möglich wäre, könnte somit nicht Toleranz im heutigen Verständnis, sondern nur eine Art von mehr oder weniger stark ausgeprägter, grundsätzlich aber mißbilligender Duldung sein, und deren Dauer würde eben von den politischen Umständen abhängen.“ 78 Es ließe sich bei der römischen Garantie des Ewigen Friedens von 532, auf Wunsch Chosraus die ins Perserreich gereisten paganen Philosophen wieder unbehelligt im Imperium leben zu lassen (Agth. hist., 2, 31, 2–4) an eine Ausnahme denken, es stehen in diesem Fall aber deutlich die konkreten Personen und ihre Beziehung zu Chosrau im Vordergrund, nicht Fragen nach Christentum und Paganismus. Chosrau wird hier wohl nicht für Pagane ihres Paganismus wegen tätig geworden sein, sondern in Sachen persönlicher Gastfreundschaftsbeziehungen zu den Philosophen, die sich an seinen Hof begeben hatten. Im Übrigen wurde offenbar nicht mehr gefordert als die Duldung ihrer privaten Existenz, denn lehren durften die Philosophen nicht mehr, Hartmann 2018, 911. Literaturzusammenstellung zu diesem Thema bei Hartmann 2018, 905f., Anm. 856. 79 Vgl., als bloße Beobachtung einer Tendenz, Blockley 1992, 143f.
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nicht zu lösen. Denn man konnte über vieles diskutieren, aber nicht Leute davon abbringen, zu glauben, was sie glaubten.
11 DIPLOMATISCHE METHODEN: BEGRIFF UND VORGEHEN Unter dem Begriff der diplomatischen Methoden werden im Folgenden all jene Mittel verstanden, mit denen sich das Verhältnis zwischen den beiden Reichen, das durch die ermittelten Strukturen gegliedert wurde, von beiden Seiten modifizieren ließ. Die diplomatischen Methoden umreißen also jenen Komplex, der sich auch als das Betreiben von Diplomatie bezeichnen lässt, da sie eben diese Modifikation bedeuten und auch „Diplomatie“ im landläufigen Sinne der Tätigkeit von Gesandten umfassen. Die folgenden Kapitel können dabei keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, denn letztlich jede Form der Kommunikation zwischen Gemeinwesen (und jeder Inhalt solcher Kommunikation) kann im diplomatischen Sinne fruchtbar gemacht werden, um das Verhältnis zwischen den Gemeinwesen zu verändern. Es wird Methoden gegeben haben, die nur wenige Male benutzt wurden oder sogar nur einmalig in einer ganz bestimmten Situation, die sich aber nicht mehr in den Quellen fassen lassen. Im Folgenden werden jene Methoden behandelt, die sich mehrmals in den Quellen finden und die daher als Teil eines gewissen wiederkehrenden Methodenkanons erscheinen, dessen man sich über Jahrhunderte hinweg immer wieder bedienen konnte. Es bestimmt also (selbstverständlich) die Quellenlage darüber, was untersucht werden kann und was nicht. Dabei stehen in Anbetracht jeder der Methoden zwei Fragen im Mittelpunkt: Was bedeutet die jeweilige Methode in ihrem Quellenkontext, also: Wie wirkte die Methode im konkreten Fall? Was hatte sie zu bedeuten? Daraus leitet sich die zweite Frage ab: Lassen sich aus den Einzelfällen generelle Schlüsse über die Natur der jeweiligen Methode und damit politische Strategien ziehen? Also: Warum gebrauchte man die Methode so? Was konnte man mit ihr bezwecken und welche Schlüsse lässt dies zu? Die erste Frage zielt auf das „wie“ ab, ist also modal, die zweite auf das „warum“, ist also kausal. Am Beginn der einzelnen Kapitel steht jeweils ein Überblick über die Natur der jeweiligen Methode und ihre Charakteristika, die geeignet sind, Antwort auf die Frage nach dem „warum“ zu geben. Im Anschluss wird anhand markanter Beispiele aus den Quellen ihr Funktionieren untersucht, also verstärkt das „wie“. Anhand der Quellenbeispiele zeigt sich zudem, welche Erkenntnispotentiale das Bewusstsein für die Methoden bietet, in welcher Hinsicht man also diese Quellenstellen besser verstehen kann als ohne den entsprechenden Blick. Dabei kann die Behandlung und Anordnung der Beispiele – je nach Thema – verschieden sein. Wenn es um Methoden geht, die in fortlaufende Prozesse eingebettet sind – so etwa bei Verhandlungen oder der Lage der kaukasischen Gemeinwesen zwischen den Großmächten – muss man sie auch anhand der fortlaufenden
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Narrative der Geschichtsschreiber untersuchen. Wenn es sich um Maßnahmen handelt, die das diplomatische Verhältnis durch eine einmalige Maßnahme verändern sollen, lassen sich die Beispiele stärker thematisch gliedern, so im Fall der track-two-diplomats und freien Drittakteure, wenn natürlich auch dort zu bedenken gilt, dass die Quellenbeispiele immer in größere narrative Zusammenhänge eingebunden sind und Diplomatie per se einen kommunikativen und damit nicht sofort abschließenden, sondern zur Erzählung herausfordernden Charakter hat. Somit lassen sich nur schwer Beispiele aus ihrem narrativen Kontext herauslösen und in feste akademische Unterkategorien pressen. Gerade diese Flexibilität ist aber ein Kennzeichen der Diplomatie und ihre geschichtswissenschaftliche Behandlung muss darauf Rücksicht nehmen. Es lag der Diplomatie kein strenges System zugrunde, vielmehr war innerhalb der Strukturen ein hohes Maß von Kreativität möglich, wie es naturgemäß nahe liegt, wenn Menschen miteinander in Kommunikation treten und sich gegenseitig zu beeinflussen suchen. Die Methoden sind also stets als recht weit gefasste Kategorien diplomatischer Handlungen zu verstehen, die geeignet sind, das komplexe diplomatische Miteinander für das moderne Verständnis zu strukturieren. Es geht darum, die geradezu unüberschaubare Komplexität der Narrative – die nur einen Bruchteil der wirklichen Komplexität des diplomatischen Miteinanders abbilden und von den Autoren zudem bewusst geformt sind – durch Fokussierung auf jeweils eine angewandte Methode, also einen Aspekt zur Beeinflussung des diplomatischen Verhältnisses, überschaubarer und verständlicher zu machen. Dieser zweite Hauptteil der vorliegenden Arbeit hat noch einen weiteren Zweck: Er plausibilisiert die Strukturen des ersten Teils, indem sich zeigen wird, dass die Grundannahmen dieses ersten Teils besonders geeignet sind, um diplomatische Methoden und Vorgänge erklären zu können. Somit erweisen sie sich am Beispiel als geeignete Theorien zur Erklärung des zwischen den Reichen bestehenden Verhältnisses. Es sei an dieser Stelle deutlich gesagt, dass die folgenden Kapitel keine ereignisgeschichtliche Rekonstruktion römisch-persischer Politik darstellen. Zur Erklärung dieses Leitsatzes muss weiter ausgeholt werden. Im nächsten Kapitel, in dem es um Verhandlungen und Abkommen zwischen den beiden Reichen geht, die auch einem engen Diplomatiebegriff gemäß in den Bereich der Diplomatie fallen würden, gibt es keine andere Untersuchungsweise, als von Quellenstellen auszugehen, in denen Vertreter der beiden Reiche dahingehenden Tätigkeiten nachgehen. Weit vor Agathias Scholastikos und Menander Protektor kommt in erster Linie Prokop in Frage, da vor allem Prokop Herrscher untereinander, Gesandte mit den Herrschern (in der Regel Römer beim Großkönig) oder andere Bevollmächtigte im Dienste der Konfliktlösung agieren und des Öfteren auch miteinander sprechen lässt. Um daraus Erkenntnisse über die Methoden der Akteure abzuleiten, muss erklärt werden, was zuvor in diesem Konflikt militärisch und friedlich geschehen ist – aber alles laut Prokop. Denn wie es wirklich gewesen ist, wissen wir nicht, es ist aber sehr wohl anzunehmen, dass
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Prokop hier etwas aus seiner Sicht Geschlossenes und Logisches anbieten will. Er wird und muss geradezu, um seiner Tätigkeit als juristischer Mitarbeiter Belisars an verschiedenen Fronten ausüben zu können,1 gewusst haben, wie Diplomatie funktioniert und dieses Funktionieren, die Mechanismen, diese Maschinerie, und die Methoden, die diese in Bewegung bringen, sind in seinem Werk sicher richtig dargestellt. Wir können im Abstand von 1500 Jahren nicht den Anspruch erheben, es besser zu wissen als er, zumal es nicht einmal konkurrierende Quellen gibt, in denen die grundlegenden Prinzipien anders dargestellt würden. Wollen wir das Funktionieren der geschilderten Welt besser verstehen als jener, der sein ganzes Leben und Arbeiten darin verbracht und großes Lob schon von Agathias erhalten hat?2 Ob die Ereignisse stimmen, wissen wir nicht – sie mögen auch parteiisch verzerrt sein – aber es geht schließlich in den folgenden Kapiteln nur um die Richtigkeit der dargestellten Methoden. Wenn man Prokop vor der Untersuchung dieser Methoden ereignisgeschichtlich „verbessert“, zerstört das den Zusammenhang und damit vielleicht alles: sowohl die faktische Genauigkeit – die wir ja nicht kennen können, gerade bei einem Thema, da vieles hinter verschlossenen Türen stattfand – als auch Erkenntnisse über die Anwendung und Folgen der Methoden, die er präsentiert. Man würde einen Fremdkörper ins Getriebe seiner Darstellung werfen. Was für die ereignisgeschichtliche Rekonstruktion nötig ist, wäre hier Sabotage.3 Genauso verhält es sich mit den persischen Beweggründen: Wichtig sind sie in der Form, in der Prokop sie fasst oder sie sich aus Prokops Darstellung fassen lassen. Wenn wir Konjekturen vornehmen und etwa annehmen „damals hat Kawadh in Wahrheit nicht aus den bei Prokop zu erfahrenden Beweggründen gehandelt, sondern da er den Druck der mazdakitischen Bewegung im Rücken hatte“, dann bringen wir mit dieser Konjektur etwas in Prokops diplomatische Maschinerie, das nicht hineingehört. Er wusste das entweder nicht oder es war seines Erachtens für das diplomatische Miteinander nicht wichtig. Auch im dritten Anhang der vorliegenden Arbeit gibt es Bemerkungen über die Mazdakiten, aber deren Einfluss ist Spekulation und darum im Anhang. Wenn Prokop etwa schreibt: „Chosrau tat X, daher antwortete Justinian mit Y“, können wir das im Sinne dieser Arbeit nicht verändern zu „Chosrau tat in 1
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Es ist communis opinio, dass Prokop Jurist war und im Rahmen dieses Tätigkeitsfeldes in Belisars Stab tätig, Greatrex 2003b, 58, Anm. 38. Dies basiert auf Agath. hist. praef. 22, und Men. Prot. frg. 14,2; vgl. Evagr. hist. eccl. 4,12; 4,19; 5,24 Die in der Arbeit HowardJohnston 2000 vertretene Ansicht, Prokop sei Bauingenieur mit einem Schwerpunkt auf dem Wasserschutz von Bauwerken gewesen, hat sich nicht durchgesetzt. Agath. hist. 4,26,4; vgl. praef. 22, 24. Vgl. Mosig-Walburg 2009a, 14, in der Einführung zu einer Studie über das römisch-persische Verhältnis des 3. u. 4. Jahrhunderts.: „Ein besonderes Problem ergibt sich aus dem Umstand, daß die Forschung zum Teil mit Hypothesen operiert, die jeglicher Quellenbasis entbehren. Durch Übernahme rein spekulativer Vermutungen als gesicherte Erkenntnisse ist man bei der Rekonstruktion einzelner Vorgänge letztendlich zu Ergebnissen gelangt, die mit dem Bild des Geschehens, das sich aus einer vorurteilsfreien und kritischen Befragung der jeweils relevanten Quellen ergibt, nicht in Einklang zu bringen sind, ihm teilweise sogar widersprechen.“
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Wahrheit Z“ und dann mit Prokop fortfahren: „daher antwortete Justinian mit Y“. Ereignisgeschichtlich mag das sein, aber das ist gegen Prokops Intention und somit gegen das Funktionieren seiner Darstellung. Er meinte eben nicht, dass Y aus Z resultierte, sondern stellte als schlüssigen diplomatischen Ablauf dar, dass Y aus X resultierte. Und dieses Funktionieren des Ablaufs soll schließlich im Folgenden untersucht werden. Wir wissen: So erschien es Prokop schlüssig. Wenn wir es auf Basis anderer Quellen und Spekulation verändern, wissen wir weder, ob es Prokop schlüssig erschienen wäre, noch, ob es überhaupt stimmt. Es würde zumindest eine Gewissheit – die der Geschlossenheit hinsichtlich der Abläufe, diplomatischen Mechanismen und Anwendung von Methoden innerhalb des Werkes – mehreren Ungewissheiten weichen.4 Dass Prokop den Römisch-Persischen Krieg zur Zeit des Anastasios nicht völlig verstanden haben mag, ist recht offenkundig, denn bei diesem war er nicht zugegen und wir haben etwa mit Pseudo-Zacharias und Pseudo-Josua Stylites durchaus andere und näher am Geschehen stehende Quellen. Die Methoden in dem von Prokop dargestellt Ablauf stimmen aber trotzdem, sie haben seiner Wahrnehmung und Erfahrung nach auf die geschilderte Weise funktioniert, ob sie im Krieg des Anastasios nun angewandt worden sein mögen oder nicht. In ereignisgeschichtlicher Hinsicht können wir nur feststellen: Prokop hat es wahrscheinlich nicht falsch dargestellt, aber im Vergleich zu den anderen Autoren sehr vereinfacht und auf eine für uns schwer verständliche Weise. Vielleicht fehlten ihm auch Quellen. Wir wissen aber, dass er für seine eigene Zeit eine ganz andere Qualität hat und hervorragend informiert ist. Die korrekte Darstellung der bloßen diplomatischen Abläufe bleibt sich aber gleich. Noch einmal: Das in den nächsten Kapiteln Folgende ist keine ereignisgeschichtliche Rekonstruktion. Es ist eine Rekonstruktion diplomatischer Abläufe und der sie prägenden Methoden. Es geht nicht um die Vereinheitlichung der Ereignisgeschichte bei verschiedenen Autoren zu einer Ereignisrekonstruktion, sondern darum, zu erkennen, ob die von ihnen geschilderten diplomatischen Methoden sowie deren Kontexte und Wirkungsweise mit den Mechanismen der jeweils anderen Autoren zusammenpassen.
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Dahingehend besteht auch eine Möglichkeit, den (teils in grundverschiedene Extreme weisenden) Urteilen hinsichtlich der ereignisgeschichtlichen Glaubwürdigkeit Prokops, wie sie bei Börm 2007, 13, herausgestellt werden, auszuweichen. Gerade hinsichtlich der diplomatischen Angaben geht Börm selbst ebd. 153f. in besonderem Maße von der Korrektheit des prokopischen Werkes aus: „Es verwundert nicht, daß sich […] in bezug auf Prokops Darstellung der diplomatischen Kontakte zwischen Ostrom und den Persern zumindest auf der Sachebene nichts finden läßt, was unserem Wissen und den Angaben der übrigen Quellen widersprechen würde: Seine Position bot ihm die Möglichkeit, an ausreichende Informationen zu diesem zentralen Aspekt zu gelangen; dies natürlich umso eher, als es sich hier strenggenommen auch gar nicht um persische Interna handelt, sondern um Vorgänge, bei denen Prokops Zeugnis vielfach als Primärquelle gelten kann.“
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Diese zentrale Beachtung des jeweiligen narrativen Kontexts gilt in besonderer Weise für die Rekonstruktion der strengen diplomatischen Mittel von Verhandlung und Abkommen, da Prokop und Menander als Historiker des römischpersischen Miteinanders einen besonderen Fokus auf diesen haben, aber ebenso für andere Methoden, die schließlich nicht weniger in historiographische Narrative eingebettet sind, wenn sie auch weniger im Fokus der entsprechenden Autoren stehen mögen. Dies alles bietet besondere Erkenntnispotentiale, denn die Darstellung der Ereignisse (und daher auch der Inhalt der Verhandlungen) mag parteiisch verzerrt sein – aber warum hätte man die Darstellung der diplomatischen Technik verzerren sollen? Davon gewönne und und verlöre niemand. Die Verzerrung von Selbstverständlichkeiten – also Spielregeln der Welt, Mechanismen, Strukturen – ist extrem unwahrscheinlich und noch dazu schwierig; kann man doch historische Fälschungen zum Teil an genau diesen Dingen festmachen, da jemand unbedacht Selbstverständlichkeiten der eigenen Zeit in einen Text bringt, der angeblich aus einer anderen stammen soll. Und warum sollten sich Prokop, Agathias, Menander und andere eine bis ins Detail ähnliche falsche Auffassung von diplomatischen Methoden und Abläufen und damit einer ziemlich komplexen Angelegenheit ausgedacht haben, von der sie keinen Vorteil in der Darstellung hätten? Noch dazu wäre das leicht aufgeflogen, wenn Leser die wahren Abläufe kannten. Prokops Werk musste geschlossen und logisch aufgebaut sein – auch für Zeitgenossen. Folgen ihm doch Agathias und Menander, ohne anzumerken, dass es unlogisch und falsch wäre. Er ist wohl schon der nächsten Generation als großer Historiker erschienen.5 In einer Zeit, da es kaum andere Medien gab und man Bücher sicher viel intensiver gelesen hat als heute6 – man denke an den Klauselrhythmus, die Attizismen, das Spiel mit den Konventionen – wäre doch sicher aufgefallen, wenn Prokop Selbstverständlichkeiten verzerrt dargestellt hätte. Ein später noch relevantes und folgenschweres Beispiel illustriert dieses Vorgehen: Es handelt sich um eine geläufige Frage, ob Rom im 5. Jahrhundert Zahlungsverpflichtungen gegenüber dem Sasanidenreich einging, deren Nichterfüllung zu den Kriegen des 6. Jahrhunderts beigetragen hätte, also welche Schuld Rom an der Eskalation trug. Dazu ist festzuhalten: Über die Methoden des diplomatischen Austausches lernen wir, wenn eine solche Frage an die Quellen herangetragen wird, nichts. In den Quellen erfährt man bezüglich dahingehender Mechanismen nichts, höchstens 5 6
Zum Nachleben und Einfluss der Prokopischen Werke auf die byzantinische Literatur Rubin 1957, 587–598. Zu byzantinischen Lesern Shawcross 2018, 7f.; Toth 2018, 40, 42, zu modernen Lesern byzantinischer Autoren. Zur spätantiken Tendenz, philosophische Texte auf geradezu religiöse Weise zu lesen Erler 2016, 74. Zur spätantiken sakralen Interpretation der Vergilischen Werke siehe die Arbeit Egelhaaf-Gaiser 2016.
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Indizien, die sich aber auch nur lesen lassen, wenn man die Mechanismen schon aus Prokop und Menander kennt. Vielmehr führen solche Fragen für das hier behandelte Thema in einem ganz bestimmten Punkt in die Irre: Wenn man diese römischen Verpflichtungen annimmt und dann die späteren Quellen, die sie nicht erwähnen, vor diesem Hintergrund liest, liest man sie nicht nur falsch – da man mit Hintergründen operiert, welche die späteren Autoren offenbar nicht in ihre Ausführungen einbezogen – sondern liest sie auch hinsichtlich einer Schuldfrage. Das ist aber der falsche Weg. Es ist nicht wichtig, ob Rom oder Persien an einem Konflikt „schuld“ war, wenn man ihren Umgang miteinander untersucht. Zum einen können wir nach 1500 Jahren nicht sagen, wer schuld war, denn ein solches Urteil lassen die Quellen, die sämtlich ihre eigene Agenda haben, nicht zu; wenn die Quellenautoren das überhaupt hätten wissen können. Zum anderen ist Politik nicht schwarz und weiß, es gibt nur selten eine definitiv schuldige und eine definitiv unschuldige Seite, erst recht nicht im Konflikt zwischen Großmächten, die sich als gleich stark begreifen und belauern. Es fragt sich, was man mit der Antwort „X war schuld“ in Anbetracht einer Weltordnung anfangen soll, da es zwischen den sich als gleich stark begreifenden Großmächten keinen unabhängigen Richter gab, der ein Urteil hätte fällen und durchsetzen können. Die „Schuld“ ist kein fruchtbares Untersuchungskriterium. Wie die Frage „Wer war stärker?“ nicht fruchtbar ist, sondern „Was glaubte man damals über die Stärke der Großmächte?“, so ist auch nicht die Frage „Wer war schuld an den einzelnen Konflikten?“ bedeutsam, sondern nur „Wie wird in den Quellen mit Schuldzuweisungen in den Verhandlungen umgegangen und welche Verhandlungsmethoden sind daraus ersichtlich?“ Wie die Frage nach der Stärke in die Aporie führt, die Frage nach der Wahrnehmung der Stärke aber einen Blick auf die damals gedachten Strukturen des Miteinanders zulässt, so kann die Frage nach der Schuld nicht ansatzweise sicher beantwortet werden, die Frage nach dem Umgang mit Schuldzuweisungen in den Verhandlungen aber den Blick auf Verhandlungsmethoden zulassen. Es geht wiederum nicht um das „was“, sondern das „wie“. Daneben versteht sich, dass Unschuld keinen diplomatischen Erfolg garantierte und Schuld keinen Misserfolg. Wenn wir die Schuld einer Seite nach Abwägen der Quellen bestimmen wollten und dann die Schilderung eines anderen Autors darauf bezögen, um Methoden in ihrem Wirken abzuleiten, könnte es sein, dass es im Ergebnis völlig falsch sein würde, sowohl hinsichtlich der Ereignisse als auch der Methoden.
12 METHODEN I Verhandlungen, Abkommen und die Bedeutung des Rechts 12.1 NATUR DER METHODEN Es wurde bereits festgestellt, dass sich die beiden Großmächte in einem Zustand dauerhaften gegenseitigen Belauerns befanden, der im angenommenen militärischen Gleichgewicht begründet lag und durch die diplomatische Gleichrangigkeit gemildert werden sollte. Im Folgenden soll geklärt werden, wie es in dieser Situation möglich war, zu Friedensschlüssen zu gelangen und sich generell zu verständigen. Dies betrifft zwei grundlegende Fragen, die anhand der Quellen zu beantworten sind: Wie konnten sich die beiden misstrauenden Seiten einen ausreichend großen Vertrauensvorschuss geben, um verhandeln zu können? Wie konnten sie einen Interessenausgleich bewältigen, da es keine Partei gab, die ihre Interessen hätte gegeneinander abwägen und darüber richten können? Die Methoden zum Erreichen des Interessenausgleichs und die Bedeutung der zwischen den Seiten fließenden Zahlungen resultieren daraus. Es wird auch ein Blick auf die Ziele beider Seiten in verschiedenen Konflikten ermöglicht. Zunächst ist festzustellen, dass es sich um eine falsche Auffassung handelt, wenn man annehmen wollte, dass die Großmächte sich in der behandelten Zeit vertraut, also – modern gesprochen – „good faith“ – oder lateinisch – bona fides entgegengebracht hätten.1 Dies würde bedeuten, dass sie grundlegend davon aus1
Eine juristisch exakte Definition fällt, zumindest vor einem deutschen juristischen Hintergrund der Gegenwart, schwer, Berger 2003, 171: „Der Begriff Treu und Glauben verweist wie schon die römische bona fides auf außerrechtliche, in der Gesellschaft vorherrschende, sozialethische Wertvorstellungen, die für das Recht nutzbar gemacht werden. […] Treu und Glauben ist ein Rechtsprinzip und verschließt sich einer eindeutigen und exakten Definition. […] Eine Definition würde Trau und Glauben als Rechtsprinzip, wofür gerade die Offenheit des Begriffs notwendige Voraussetzung ist, negieren.“ Vgl. Schneider 2004, 18; Meyer-Rudel 2005, 58. Das hat sich auch in der wenig traditionell umfangreichen Forschung zum Thema niedergeschlagen, ebd. 5. Das Problem, welches die Frage nach Treu und Glauben aufkommen lässt, wird von Schneider 2004, 13 umrissen: „Es ist eine alte juristische und moralische Frage, ob Parteien, die über einen Vertrag verhandeln, einander Aufklärung über solche Umstände schulden, die für die Entscheidung über den Vertragsschluß bedeutsam sind. Ist die besser unterrichtete Partei verpflichtet, ihr Wissen mit ihrem Kontrahenten zu teilen, oder darf sie ihren Wissensvorsprung zum Abschluß eines vorteilhaften Vertrages nutzen? Daß keine allgemeine Aufklärungspflicht über sämtliche Umstände, die für die Entschließung der anderen Partei von Bedeutung sein könnten, bestehen kann, folgt schon aus den regelmäßig widerstreitenden Interessen der Vertragsparteien. Es ist einer Partei allenfalls in begrenztem
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gegangen wären, dass der andere prinzipiell ehrliche Absichten hat, Ehrlichkeit also als Normalfall in den römisch-persischen Beziehungen gegolten habe. Bereits ein oberflächlicher Blick auf die Quellen zeigt aber, dass dem nicht so gewesen sein kann. Gegenseitige Anschuldigungen, ständige Rechtfertigungen und die beständige Beschwörung, das Recht auf der eigenen Seite zu haben, prägen den Austausch. Dies ist keine Widerspiegelung eines Verhältnisses, das durch „good faith“ geprägt wäre. Es ist allerdings auch nicht so, dass die beiden Seiten sich in einem solchen Maße misstraut hätten,2 dass Kommunikation und Verständigung unmöglich gewesen wäre, denn sie gelangten immer wieder zu Friedensschlüssen und Abkommen, die tatsächlich Konflikte beizulegen und Kriege zu beenden in der Lage waren. Der Vertrauensvorschuss, den man der anderen Seite einzuräumen bereit war, pendelte sich offenbar zwischen den Extremen des absoluten Misstrauens und des Vertrauensvorschusses in der Mitte ein, die sich vielleicht mit einem landläufigen Begriff als „guter Wille“ bezeichnen ließe: Es wird davon ausgegangen, dass die absolute Ehrlichkeit nicht der Normalfall diplomatischer Kommunikation ist, die Lüge aber ebenso wenig. Der Normalzustand ist also der, mit guten Willen an die Aussagen des anderen heranzugehen und zumindest anzunehmen, dass sie nicht komplett von vornherein erlogen sind, also dem anderen mit gutem Willen entgegenzukommen, da bei aller möglichen Manipulation ein gemeinsames Interesse daran besteht, Konflikte beizulegen. Dieses gemeinsame Interesse ist der Schlüssel. Jede Seite wird versuchen, dies zu ihren eigenen Gunsten zu erreichen, aber das ändert nichts am gemeinsamen Ziel der Konfliktbewältigung, das mit der Annahme des gemeinsamen kosmischen Auftrages zur Verwaltung der Welt korrespondiert. So konnten beide Seiten immer wieder gemeinsame Verhandlungen aufnehmen.3 Wenn im Folgenden deutlich wird, dass sich Römer wie Perser zu Be-
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Umfang zumutbar, ihren eigenen Informationsvorsprung, für dessen Erlangung sie erhebliche Kosten aufgewandt haben kann, preiszugeben. Grundsätzlich ist es Sache jedes Vertragspartners, sich selbst über die für seine Vertragsentscheidung relevanten Tatsachen zu informieren. Doch sind seine Möglichkeiten, die erforderlichen Informationen selbst zu erlangen, nicht selten begrenzt, so daß es einer Aufklärung durch die andere Partei bedarf, um die Voraussetzung für eine informierte, verantwortliche und somit freie Entscheidung zu schaffen.“ Es handelt sich bei „Treu und Glauben“ um ein unter dem Einfluss römischen Rechts gebildetes Prinzip kontinentaleuropäischer Rechtstradition, Berger 2003, 6, 167f.; Meyer-Rudel 2005, 15–20; römische, zivilrechtliche Beispiele Berger 2003, 15–18; siehe zum römischen Phänomen auch die Arbeit Hausmaninger 1964. Das Begriffspaar „Treu und Glauben“ für bona fides dürfte in germanischer Tradition stehen, Meyer-Rudel 2005, 21f. Zu „good faith“ in gegenwärtigen internationalen Beziehungen siehe Bailliet/OʼConnor 2019, 90–92. Starkes Misstrauen bis hin zu Unfähigkeit zur Kommunikation über die Ziele beider Seiten wird bei Lee 1993b, 25 angenommen. Bei Blockley 1992, 127, wird angenommen von 363 bis zur Zeit des Anastasios sei nicht „in bad faith“ gehandelt worden, „this is, by indulging in activity that the other side found unac-
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ceptable“. Ein eigentümlicher Aspekt der Frage, wie die Seiten aufeinander zugehen konnten, wird bei Nechaeva 2018, 359, thematisiert: „Roman diplomats strenuously tried to avoid asking for negotiations in order not to be perceived as suppliant. The Persians must have held the same opinion.“ Es wird in diesem Zusammenhang auf das Strategikon 11,1,12–14 für die persische Seite und Men. Prot. frg. 18,1 für die römische verwiesen – damit aber in eine Auflösungszeit der Strukturen (und bei Menander zudem in eine ganz konkrete und schwerlich zu verallgemeinernde Situation). Der in Anbetracht solcher Annahmen logisch Schluss ist Nechaeva 2018, 359f.: „We face here a rather interesting collision: both sides shared the same code of diplomatic behavior, which would impede the beginning of any communication. We do not know how this obstacle was overcome.“ Dieses Hindernis wurde nicht überwunden, da es nicht existierte. Es kann die Anknüpfung von Diplomatie von einem Gegenüber nur dann als unterwürfige Bitte begriffen werden, wenn dieses Gegenüber nicht mit dem Sinn von Diplomatie vertraut ist. Es entscheidet über die Verhandlungspostion nicht etwa der Umstand, wer zuerst Verhandlungen anbietet, sondern wer sich in der aktuell stärkeren Position befindet, also mehr Verhandlungsmasse auf seiner Seite hat. Wenn aber das Gegenüber dies versteht – und es heißt hier explizit, dass beide diplomatisches Verhalten verstanden – warum sollte es dann im Anknüpfen der Verhandlungen etwas Negatives sehen? Zumal diese Seite selbst schon bald in der Lage sein könnte, Verhandlungen anknüpfen zu wollen und dann ja ebenfalls nicht wollen kann, dass die andere Seite dies als etwas Negatives begreift. Wenn beide Seiten eine diplomatische Sprache sprechen – und dies war bei Imperium und Sasanidenreich der Fall – besteht dahingehend kein Problem. Die Fälle Socr. hist. eccl. 7,20,1–5 und Amm. Marc. 17,5,12, auf die bei Nechaeva 2018, 359, Anm. 10, verwiesen wird, sind keine Zeugnisse eines solchen Problems, sondern schon wieder manipulative Methode. Nachvollziehbarer Nechaeva 2014, 79f. und zumindest vorsichtiger ebd. 85f. Ein Beispiel für wahrscheinlich von Persien begonnene Kommunikation dürfte der zur Teilung Armeniens führende Prozess sein, da die panegyrische Überhöhung dieses Prozesses deutlich wird. Bei Aur. Vict. epit. Caes. 48,5 wird bloß festgestellt, dass die Perser um Frieden gebeten hatten, der dann geschlossen wurde. Marc. Com. a. 384,1, konkretisiert, dass persische Gesandte nach Konstantinopel gekommen wären und Theodosius um Frieden gebeten hätten. Farbiger ist Oros. hist. 7,34,8 (Übers. nach Lippold): In isdem etiam diebus Persae qui, persecutore Iuliano interfecto aliisque imperatoribus saepe victis, nunc etiam Valente in fugam acto recentissimae victoriae satietatem cruda insultatione ructabant, ultro Constantinopolim ad Theodosium misere legatos pacemque supplices poposcerunt; ictumque tunc foedus est, quo universus Oriens usque ad nunc tranquilissime fruitur. – „In denselben Tagen schickten die Perser, die nach dem Tod Julians und häufigen Siegen über andere Kaiser, jetzt auch, nachdem Valens in die Flucht geschlagen war, wegen der Sättigung an dem neuesten Sieg in roher Verhöhnung aufgerülpst hatten, unaufgefordert Gesandte nach Konstantinopel zu Theodosius und verlangten schutzflehend Frieden. Damals wurde ein Vertrag geschlossen, aus dem der gesamte Osten bis heute den Nutzen sehr ruhiger Verhältnisse zieht.“ In kompletter Überhöhung Pan. Lat. 2(12),22,4f.; der Perserkönig sei zwar nomine foederatus, doch in Wahrheit tributarius, nachdem er eine Gesandtschaft mit Geschenken gesandt und sich unterworfen habe. Vgl. Lib. or. 19,62 u. 20,47 Diese Entwicklung wäre nicht möglich, wenn ihr kein wahrer Kern zugrunde liegen würde, also nicht das Sasanidenreich die Verhandlungen angeknüpft hätte; vgl. Greatrex/Lieu 2002, 251, Anm. 69. Daran lässt sich auch wieder die typische Teilung diplomatischen Austauschs und innenpolitischer Propaganda erkennen: die Epitome und Marcellinus Comes stellen bloß fest, was geschieht und erklären die Perser nicht zu Unterlegenen, wie es auch im diplomatischen Austausch geschehen sein dürfte, Orosius passt es innenpolitisch in sein religiöses Narrativ ein, Pactatus schlachtet das Geschehen innenpolitisch
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ginn von Verhandlungen darauf beriefen, rechtmäßig zu handeln und das Recht und den Frieden als etwas Gutes priesen, so ist dies nicht zuletzt ein Bekenntnis zum gemeinsamen Auftrag der Mächte und dazu, sich entlang der Strukturen zu bewegen, sich an die Spielregeln halten zu wollen.4 Es ist geradezu der Handschlag zweier Kampfsportler vor einem potentiell tödlichen Match, der aussagt, trotz der Extremsituation die Regeln einhalten zu wollen. Was den Interessenausgleich betrifft, so wird sich im Folgenden immer wieder ein ähnliches methodisches Schema zeigen: Beide Seiten beharren bei der Aufnahme von Verhandlungen in Anbetracht eines Konfliktes darauf, diesen nicht verursacht, also weder frühere Vertragsbestimmungen gebrochen noch anderweitig erodiert zu haben, da die schuldige Seite offenkundig mehr Zugeständnisse in den folgenden Verhandlungen machen müsste. Es werden Argumente ausgetauscht und gegenseitige Vorwürfe zur Sprache gebracht. Mangels eines über den Parteien stehenden Richters kommt man aber zu keinem Ergebnis; militärischer Zwang scheidet aufgrund des angenommenen Gleichgewichts zur völligen Durchsetzung der Position einer Seite aus. Beide Seiten beharren darauf, dass sie auf der Seite des Rechts (und des Friedens) stünden.5 Daher wird im Lauf des Austauschs die Frage nach Recht und Unrecht fallen gelassen und man versucht, sich ohne Einbeziehung dieser Kriterien zu einigen. Die Lösungen gemahnen dabei an die zivilrechtliche Lösung des Problems, dass sich zwei Parteien mit Ansprüchen gegenüberstehen, ihren Konflikt aber ohne richterliches Urteil beilegen wollen, indem es zu einer Art Vergleich kommt. Die Interessen werden – unter Abwägung aktueller militärischer Positionen und Potentiale in betroffenen Regionen – von beiden Seiten aufgestellt und es kommt zu Angeboten und Gegenangeboten, bis eine für beide Seiten zumindest temporär akzeptable Lösung gefunden wird. Im Fall der Großmächte geht eine Lösung des Öfteren aber noch über einen bloßen Vergleich hinaus, da ein Vergleich kein anderes Ziel hat, als durch beidseitiges Nachgeben einen für zwei Parteien mit unterschiedlichen Rechtsauffassungen erträglichen Zustand herzustellen,6 der einen modus vivendi zwischen diesen an sich unversöhnlichen Parteien etabliert. Die Abkommen zwischen den Großmächten dagegen haben durchaus das Ziel, nicht nur einen Konflikt durch Herstellung eines erträglichen Zustandes zu lösen, sondern dabei auch das Verhältnis der beiden Seiten zu verbessern und sogar einen für beide Seiten möglichst vorteilhaften
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für ein römisches Publikum zur Erhöhung seines Kaisers völlig aus. Sie dürften alle über dieselben Prozesse schreiben – nur die Bewertung unterscheidet sich. Man denke an das 9. Kapitel der vorliegenden Arbeit. Vgl. Nechaeva 2014, 49: „Almost every big speech performed by diplomats started with pacific rhetoric, emphasizing the absolute value of peace and the horrors of war […] Similar rhetoric was used also in diplomatic correspondence […] Evidently such peaceful rhetoric was a necessary part of standard diplomatic speech in peace negotiations. Treffend die Definition des BGB § 779: „Ein Vertrag, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt wird [...]“.
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Zustand herbeizuführen. Salopp ausgedrückt geht es dann weniger darum, einen Vergleich zu schließen, sondern vielmehr, einen guten „Deal“ auszuhandeln.7 Im Folgenden sollen Verhandlungen und Abkommen als diplomatische Methoden untersucht werden, also jene Elemente, die auch einem engen Diplomatiebegriff gemäß untersucht werden müssten. Wie bereits in Kapitel 11 angesprochen, bedarf es dazu geeigneter Quellen, in denen das diplomatisches Agieren zwischen den Reichen im strengen Sinne mit einer gewissen Ausführlichkeit dargestellt wird. Für das späte 4. Jahrhundert sind diese nicht ausreichend, auch für die knappen Konflikte des 5. Jahrhunderts – zumindest als Ausgangspunkt für die Untersuchung des Umgangs von Diplomaten – nicht und sollen daher erst im Kapitel 13 zur Sprache kommen. Tatsächlich ist Prokop der erste Autor des behandelten Zeitraums, der jener Thematik breiten Raum gibt und die Entwicklung des römisch-persischen Verhältnisses ausführlich darstellt. Die Frage lautet also: Wie stellt Prokop die Entwicklung des römisch-persischen Verhältnisses dar? Oder bezüglich des Schriftstellers Prokop: Wie konstruiert er es literarisch? Wie lässt er die Reiche durch Verhandlungen und mittels Abkommen agieren? Es wird sich zeigen, dass die dargestellten Methoden auch zu den von anderen Autoren berichteten Geschehnissen der behandelten Zeit passen, auch wenn diese hinsichtlich diplomatischer Methoden und diplomatischen Austauschs weniger deutlich sein mögen als Prokop. Die Archäologie des Prokopischen Perserkrieges ist bezüglich des diplomatischen Verhältnisses von besonders hoher Aussagekraft und geradezu programmatischem Charakter, daher muss sie am Beginn stehen, bevor dem Rest der Prokopischen Darstellung hinsichtlich Verhandlungen und Abkommen chronologisch gefolgt werden kann. Denn sie ist es, die alle zum Verständnis der römischpersischen Diplomatie bei Prokop nötigen Elemente vermittelt, Prokops Sicht auf die Vorgeschichte der damaligen Kriege darlegt und all jenes etabliert, wodurch die römisch-persischen Konflikte seiner Zeit seines Erachtens gekennzeichnet waren. Die Archäologie bestätigt nicht zuletzt die ermittelten Strukturen und demonstriert, wie sich das Miteinander der Reiche an ihnen entlangbewegt; letztlich zeigt sie sogar den diplomatischen Methodenkanon auf, der in den folgenden Kapiteln der vorliegenden Arbeit untersucht werden soll. Der ausführlichste erhaltene Autor zu römisch-persischer Diplomatie in der behandelten Zeit macht den Leser in der Archäologie der Perserkriege mit seinem Verständnis des römischpersischen Verhältnisses vertraut, das sich durch seine gesamte folgende Darstellung zieht.8 Da es im Fortgang der vorliegenden Arbeit immer wieder um die von 7
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„Deal“ ist weder ein politikwissenschaftlicher noch irgendwie fachsprachlicher Terminus, hat aber seit dem Amtsantritt des US-Präsidenten Donald Trump (Autorschaft an „Trump. The Art of the Deal“) im Jahr 2017 und dessen Verwendung des Begriffs in politischen Zusammenhängen eine gewisse Verbreitung in der Welt internationaler Politik gewonnen. Wenn auch auf anderer Basis, misst auch Kaldellis 2004, 75, der episodenaften Archäologie große Bedeutung bei: „These stories may not be strictly true, but they prepare us for the gradual unfolding of Procopiusʼ political thought.“
12.2 Prokops Archäologie der Perserkriege
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Prokop geschilderten und anhand seiner Darstellung erstmals ermittelten Mechanismen geht, ist ein genauerer Blick auf die Archäologie unerlässlich. Ihr Verständnis schafft die Grundlagen für das Verständnis des Folgenden. 12.2 PROKOPS ARCHÄOLOGIE DER PERSERKRIEGE Prokop beginnt seine Archäologie der Perserkriege mit dem Höhepunkt römischpersischer Verständigung innerhalb des Werkes, der Beschützerrolle Yazdgards für Theodosius II.9 Diese Szene stellt ein Optimum dar. Frieden, Verständigung und Vertrauen sind gegeben, das Ideal partnerschaftlichen Umgangs der beiden Großmächte in kosmischem Auftrag deutlich.10 Wie die Geschichte der Menschheit aus antiker Sicht mit dem Goldenen Zeitalter begann, nach welchem eine beständige Verschlechterung bis zur Gegenwart folgte, so fängt auch Prokop sein Thema, die römisch-persischen Kriege, mit dem verlorenen Idealzustand eines vertrauensvollen Friedens an.11 Mit dem Tod des Yazdgard und dem Erwachsenwerden des Theodosius endet diese goldene Zeit, denn es droht Unheil: Bahram schickt sich an, einen Einfall ins Imperium zu unternehmen, durch eine ehrenvolle Geste wird er aber davon abgehalten.12 Trotzdem ist das Vertrauen dahin, an seine Stelle müssen feste Verträge und Regeln treten, während Yazdgard keinen Vertrag brauchte, um seine Beschützerrolle wahrzunehmen. Nun wird abgemacht, dass weder Perser noch Römer in Grenznähe Festungen anlegen sollten.13 In dem Moment, da es einer solchen Festschreibung bedarf, ist der Idealzustand der „Unschuld“, also keine Hintergedanken zu hegen, sondern wirklich nur idealtypisch „good faith“, bona fides in den anderen zu setzen, dahin. Wenn es eine solche Abmachung gibt, ist bereits das Grundvertrauen in den anderen erschüttert. Entsprechend geschehen die Handlungen beider Seiten auch nicht mehr im Einklang miteinander, wie es zur Zeit der Beschützerrolle des Yazdgard der Fall war, vielmehr heißt es: „Beide Völker aber widmeten sich nach Abschluss des Vertrages nach eigenem Belieben ihren inneren Angelegenheiten.“14 Somit handeln sie ohne Konsultation des anderen.
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Auch bei Kaldellis 2004, 67, wird ein ähnlicher Gedanke vertreten: „Far from being a colorful, albeit irrelevant, anecdote of dubious historicity, the regency episode captures the essential parameters of the relationship between Rome and Persia, setting them on an ideal plane that foreshadows the downward course of the following narrative.“ Die zugrundeliegenden Argumente sind allerdings andere, wie auch das Ziel der Untersuchung. Prok. Bell. 1,2,1–10. Vgl. Whitby 2008, 135, wo der Begriff des „golden age“ in diesem Zusammenhang fällt, aber nicht weiter ausgeführt wird. Prok. Bell. 1,2,11–15. Prok. Bell. 1,2,15. Prok. Bell. 1,2,15 (Übers. nach Veh): οὗ δὴ αὐτοῖς ἐξειργασµένου ἑκάτεροι τὰ οἰκεῖα ὅπη ἐβόυλοντο ἔπρασσον.
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12 Methoden I
Im Folgenden beschreibt Prokop den Kampf des Peroz gegen die Hephthaliten und seinen Untergang.15 Damit skizziert er, wie das Sasanidenreich vor den Augen Roms (man denke an den Gesandten Eusebios!) Verpflichtungen gegenüber einer dritten Macht eingeht.16 Das ist aus der Perspektive des mittleren 6. Jahrhunderts heraus wohl nur schwer vorstellbar gewesen und muss als etwas erschienen sein, das es in der bekannten Weltordnung nicht geben sollte. Prokop schildert den Untergang des Peroz sicher nicht aus Sensationsgier, sondern als etwas, dass seiner Meinung nach in sein Thema – die Entstehung der römischpersischen Kriege seiner Zeit – gehörte. Indem der Großkönig in die Abhängigkeit der Hephthaliten gerät und sogar zwei Jahre Zahlungen an sie leisten muss,17 hat er keine volle außenpolitische Souveränität mehr und da er diese nicht mehr hat, steht er in einem Missverhältnis zu den gleichzeitigen Handlungsoptionen des Imperiums. Er ist in dem Moment kein gleichwertiger Partner der Römer mehr und es droht eine Situation einzutreten, da er nicht mehr allein darüber entscheiden kann, ganz im Sinne des gemeinsamen Schutzes der sesshaften mediterranen Welt zu handeln, sondern von einer dritten Macht zu Maßnahmen gedrängt werden könnte, die auch das römisch-persische Verhältnis verändern. Prokop betont, dass die Hephthaliten keine zersplitterten Nomaden seien, sondern vielmehr in der Ordnung ihres Gemeinwesens und ihrem Rechtssystem mit den beiden Großmächten gleichauf lägen.18 Somit wären sie durchaus geeignet, auf persische Außenpolitik und Diplomatie einzuwirken. Dabei ist für Prokop uninteressant, wie der Konflikt zwischen Persern und Hephthaliten entstand, da es ihm nicht um diesen Konflikt geht, sondern um seine Folgen für das römisch-persische Verhältnis. Literarisch lässt sich die Geschichte um die berühmte Perle des Peroz19 auf einer symbolischen Ebene auch so verstehen, dass Peroz jenes, was sein Königtum ausmacht – seine volle Souveränität – an die Hephthaliten verloren hat. Der Kaiser zeigt als ebenbürtiger Herrscher Interesse daran, die gemeinsamen Werte aufrecht zu erhalten und daher die Souveränität der Perser wenigstens treuhänderisch zu verwalten, aber es gelingt ihm nicht. Es wäre besser, wenn er sie übernähme, da er im Interesse der Oikumene handelt, anders als die Hephthaliten am Rand der Welt, die nicht damit umzugehen wissen. Erst Kawadh holt die Souveränität, da er keine Zahlungen an die Hephthaliten mehr leistet,20 zurück.21
15 Prok. Bell. 1,2,3–4. 16 Völlig anders wird das Prokopische Verhältnis der Großmächte und der Hephthaliten bei Kaldellis 2004, 73–75, bewertet. Zum erwähnten Gesandten PLRE II, Eusebius 19, S. 431. 17 Prok. Bell. 1,4,34f. 18 Prok. Bell. 1,3,5; Börm 2007, 97, 206–208; Maas 2018, 28. 19 Prok. Bell. 1,4,14–17. Zu dieser Episode siehe Kapitel 18.2 der vorliegenden Arbeit. 20 Prok. Bell. 1,4,34f. 21 Es ließe sich, wollte man Prokop den Einsatz einer solchen literarischen Technik unterstellen, vielleicht auch die Herkunftsgeschichte der Perle um die Muschel und den Seehund, Prok. 1,4,18–29, in einem derartigen Sinne interpretieren.
12.2 Prokops Archäologie der Perserkriege
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Dabei ist die kurze Abhängigkeit von den Hephthaliten eigentlich nur ein erster Vorgeschmack auf das kommende Geschehen, denn Kawadh gerät im weiteren Verlauf seiner Herrschaft nicht wieder in einen Zustand völliger Freiheit, sondern in eine noch viel größere Abhängigkeit von den Hephthaliten, da er im unmittelbaren Fortgang des Prokopischen Geschichtswerkes gestürzt wird, zu diesen flieht und seine Herrschaft von ihnen restaurieren lässt.22 Offenkundig ist dies nach Prokops Sicht nicht im römischen Interesse und nur leicht verschleiert zeigt er seine Meinung, der gemäß es besser gewesen wäre, wenn die Perser damals den schlechten23 Herrscher Kawadh hingerichtet hätten, statt ihn am Leben zu lassen und so Verbindlichkeiten gegenüber den Hephthaliten einzugehen, die Schwierigkeiten im römisch-persischen Verhältnis zu erzeugen geeignet waren: Bei Herrschaftsantritt des Blases (Balasch), Bruder des Peroz, beraten die großen persischen Edlen auf sein Geheiß, was mit Peroz geschehen soll, wobei die Mehrzahl nicht für seinen Tod eintreten will und entsprechend diskutiert wird. Der Chanaranges Gusanastades, der im äußersten Grenzgebiet des Reiches in Nachbarschaft der Hephthaliten das Kommando führt, zeigt ein Maniküre-Messerchen mit der Bemerkung, dass selbst ein so kleines Messer im Moment in der Lage wäre, eine Tat zu vollbringen, die wenig später nicht 20.000 gerüstete Männer bewerkstelligen könnten. Die Versammlung ist allerdings dagegen, einen Mann königlicher Abkunft hinzurichten und will ihn in dem als „Ort des Vergessens“ bezeichneten Gefängnis inhaftieren. 24 Es dürfte kein Zufall sein, dass ausgerechnet ein den Hephthaliten benachbarter Aristokrat bei Prokop den Rat gibt, Kawadh hinzurichten. Prokop widerspricht dieser Ansicht keineswegs. Es folgt ein Einschub, der sich als Allegorie des persisch-armenischen Verhältnisses deuten lässt,25 bevor Prokop auf Kawadh zurückkommt und seine aben22 23 24 25
Prok. Bell. 1,5–6. Prok. Bell. 1,5,1. Prok. Bell. 1,5,3–7. Klíma 1957, 139f. Es ist wiederum davon auszugehen, dass es nicht bloße Fabulierfreude war, die Prokop schon wenige Seiten nach Beginn seines Geschichtswerkes zum Abschweifen führte. Ein Abschweifen ist es auf den ersten Blick, da Prokop hier geradezu nach Art einer Geschichte aus Tausend und einer Nacht nicht nur Übernatürliches einführt, sondern auch eine Binnenerzählung beginnt: Eigentlich berichtet er von Kawadh, blendet nach seinem Sturz aber zu dem Rat der Perser über das Schicksal des Kawadh über, wo auch das Gefängnis des Ortes des Vergessens erwähnt wird. Jetzt beginnt eine Episode, deren Verbindung zu Kawadh nur darin besteht, dass sie diesen Ort beinhaltet. Der Schlüssel dürfte der sein, dass Prokop zuvor auf den Einfluss des persisch-hephthalitischen Verhältnisses auf sein Thema, das römisch-persische, hinauswill, nun aber die Erwähnung des Gefängnisses nutzt, um auch das persisch-armenische Verhältnis zu erklären, das ebenfalls auf das persisch-römische einwirkte. Es liegt nahe, die unten folgende märchenhafte Episode bei Prok. Bell. 1,5,20–27 (Übers. nach Veh) im übertragenen Sinne zu verstehen, da der Perserkönig Pakurios den Armenierkönig Arsakes – der für ihn zuvor bei ebd. 1,5,9–15 kaukasische Barbaren bekämpft hat, was genug Vertrauen schuf, um einen Friedensschluss nach einem 32 Jahre währenden armenisch-persischen Krieg zu ermöglichen – im Verdacht hat, auf Umsturz zu sinnen und daher verhaftet (ebd. 1,5,20–
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12 Methoden I
teuerliche und wohl im Laufe der Zeit ausgeschmückte Flucht schildert.26 Weitaus knapper und lapidarer geht Prokop dann auf die Hilfe der Hephthaliten ein: Kawadh gelangte indessen in Begleitung des Seoses unbemerkt zu den Hephthalitischen Hunnen, deren König ihm seine Tochter zur Frau gab. Außerdem stellte er ihm als Schwiegersohn ein sehr beachtliches Heer gegen die Perser zur Verfügung.27
Bereits die Erwähnung seiner Stellung als Schwiegersohn macht deutlich, wie Prokop die Vorgänge interpretiert hat: Kawadh mag geglaubt haben, dass er die Hephthaliten für seine Zwecke nutzte, in Wahrheit aber nutzten die Hephthaliten ihn für ihre Zwecke. Schließlich führte er nicht als persischer Usurpator ein ihm treues Heer in den Bürgerkrieg gegen seinen großköniglichen Bruder, sondern als Schwiegersohn des Hephthalitenkönigs ein hephthalitisches Heer gegen Persien.28 Erst nach all diesen Ausführungen kommt Prokop wieder auf Rom und Persien zu sprechen. Er hat all dies erklärt, um verständlich zu machen, warum es unter Anastasios zum römisch-persischen Krieg kam. Es muss ihm sehr viel daran gelegen haben, die genaue Bedeutung der Hephthaliten, die er letztlich als wesentlichen Faktor für die Entstehung dieses Krieges herausstellt, auszuführen. Er betreibt also in hohem Maße Ursachenforschung.
27): Die Magier verraten dem König, wie Arsakes dazu gebracht werden könnte, sich selbst anzuklagen. Dazu lassen sie Erde auf den Boden des Königszeltes schütten, je zur Hälfte persische und armenische, worauf sie das Zelt verzaubern und dem König auftragen, mit Arsakes darin umherzugehen und ihn dabei aufzufordern, den Vertrag zu schmähen. Die Magier würden dabei als Zeugen zuhören. So geschieht es, der König fragt Arsakes, warum er die Eide gebrochen habe und Perser wie Armenier mit schlimmen Leiden heimsuchen wolle. Arsakes leugnet dies unter Schwüren, solange er sich auf persischer Erde befindet, tritt er dann auf armenische, wird er kühner und droht Pakurios und den Persern, sich zu rächen, wenn er wieder sein eigener Herr sei. Das widerruft er wieder, sobald er auf persische Erde tritt und gibt sich als klagender Schutzflehender, wobei auf armenischer Erde dann wieder der umgekehrte Sinneswandel geschieht. Es liegt nahe, darin eine bildhafte Veranschaulichung jener Mechanismen zu sehen, die in Kapitel 19.1 der vorliegenden Arbeit vorgestellt werden: die südkaukasischen Herrscher verfügen über ein von den Großmächten militärisch nicht zu beherrschendes Gebiet, in das sie sich zurückziehen können. Unter den Augen der Großmächte, auf deren Boden, schwören sie ihnen Treue, wenn sie aber auf ihrem eigenen Boden sicher sind, sehen die Dinge ganz anders aus. Dies wussten diverse südkaukasische Herrscher und Gemeinwesen zur Erlangung einer gewissen Unabhängigkeit und Macht gegenüber den Großmächten zu nutzen. Dieser Deutung steht Prokops Angabe ebd. 1,5,9, vgl. Veh 1970a, 461; Börm 2007, 200, 223, dass die Episode einem armenischen Geschichtswerk entnommen sei, nicht entgegen; müssen doch gerade die Südkaukasier selbst um ihre Lage gewusst haben. Entsprechende Verweise finden sich in armenischen Geschichtswerken, man denke an Buzandaran Patmutʼiwnk‘ 4,54 (175). 26 Prok. Bell. 1,6,1–9. 27 Prok. Bell. 1,6,10 (Übers. nach Veh): Καβάδης δὲ λαθὼν ἅπαντας ξὺν τῷ Σεόσῃ ἐς Οὔννους τοὺς Ἐφθαλίτας ἀφίκετο καὶ αὐτῷ τὴν παῖδα γυναῖκα ὁ βασιλεὺς γαµετὴν δίδωσιν, οὕτω τε στράτευµα λόγου πολλοῦ ἄξιον ἅτε κηδεστῇ ἐπὶ Πέρσας ξυνέπεµψε. 28 Vgl. Greatrex 1998, 51.
12.2 Prokops Archäologie der Perserkriege
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In der Tat sind es nun die Hephthaliten, die den Stein des Anstoßes für den ersten kriegerischen Konflikt zwischen Imperium und Sasanidenreich in der jüngeren Vergangenheit Prokops bieten: Kurze Zeit darauf schuldete Kawadh dem Hephthalitenkönig Geld. Da er nicht bezahlen konnte, bat er den römischen Kaiser Anastasios, ihm den Betrag zu leihen. Der beriet sich daraufhin mit einigen Vertrauten und befragte sie, ob er dem Wunsche entsprechen solle, fand sie aber der Gewährung eines Darlehens abgeneigt. Es sei, wie sie meinten, schädlich, wenn man mit eigenem Geld die Freundschaft der Feinde zu den Hephthaliten stärke. Beide möglichst miteinander zu verfeinden, bringe hingegen den Römern größeren Vorteil. Daher beschloss Kawadh, ohne weitere Veranlassung den Krieg gegen sie zu eröffnen.29
Warum kam es nach Prokops Meinung also zum Krieg? Im bisherigen Kontext lässt es sich als ein Zusammenspiel zweier Faktoren verstehen: des Vertrauensverlustes zwischen den Großmächten und des hephthalitischen Einflusses in der persischen Politik. Kawadh ist Verpflichtungen mit einer dritten Seite eingegangen, die er jetzt in das römisch-persische Verhältnis hineinträgt, da er sich in Abhängigkeiten begeben hat, aus denen er nicht allein zu entkommen vermag.30 Er wendet sich an die letzte verbliebene Hoffnung, den römischen Kaiser, da sich die Herrscher bereits zuvor geholfen haben, besonders in Form der Beschützerrolle Yazdgards für Theodosius, wenn die Herrschaft des einen bedroht oder zumindest in einer besonders schwierigen Situation war. Anastasios geht darauf aber nicht ein, vielmehr sei es laut Prokop zu einem im Vergleich zur Zeit des Yazdgard vollkommenen Paradigmenwechsel gekommen: Es sei nicht mehr im Interesse der Römer, den Persern gegen die Hephthaliten zu helfen, sondern vielmehr, sie miteinander zu verfeinden, also den Persern zu schaden. Dies kommt einem Schlag ins Gesicht Kawadhs gleich und muss ihm nach Prokops Verständnis in seiner Tragweite deutlich gewesen sein, bedeutete es doch nichts anderes als die Umkehrung des alten Verständnisses. Der Normalzustand zwischen Rom und Persien wird hier die Konkurrenz, wenn nicht geradezu Feindschaft, da die römische Seite der persischen keinen Vorteil verschaffen will. Damit ist der vollkommene Bruch mit dem alten Idealzustand erreicht. Wie es für den Unterschied von Anlass und Ursache typisch ist, wird die Ablehnung des Anastasios der Anlass zum Bruch der Großmächte, da sich die Ursachen bildhaft in einer einzigen Handlung manifestieren. Dabei schreibt Prokop keiner der beiden Seiten die alleinige Schuld am Konflikt zu, sondern jeder einen Anteil: 29 Prok. Bell. 1,7,1–3 (Übers. nach Veh): ὀλίγῳ δὲ ὕστερον χρήµατα Καβάδης τῷ Ἐφθαλιτῶν βασιλεῖ ὤφειλεν, ἅπερ ἐπεὶ ἀποτιννύναι οἱ οὐχ οἷός τε ἦν, Ἀναστάσιον τὸν Ῥωµαίων αὐτοκράτορα ᾔτει ταῦτά οἱ δανεῖσαι τὰ χρήµατα· ὁ δὲ κοινολογησάµενος τῶν ἐπιτηδείων τισὶν ἐπυνθάνετο εἴ γέ οἱ ταῦτα ποιητέα εἴη. οἵπερ αὐτὸν τὸ συµβόλαιον ποιεῖσθαι οὐκ εἴων. ἀξύµφορον γὰρ ἀπέφαινον εἶναι βεβαιοτέραν τοῖς πολεµίοις χρήµασιν οἰκείοις ἐς τοὺς Ἐφθαλίτας τὴν φιλίαν ποιήσασθαι, οὓς δὴ ἐς ἀλλήλους ξυγκρούειν ὅτι µάλιστα σφίσιν ἄµεινον εἶναι. διὸ δὴ Καβάδης ἐξ αἰτίας οὐδεµιᾶς ἔγνω ἐπὶ Ῥωµαίους στρατεύεσθαι. 30 Dieser Ansicht Prokops wird bei Howard-Johnston 2017, 293, zumindest im Ansatz gefolgt, noch stärker bei Greatrex 1998, 52.
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12 Methoden I
Die Schuld Kawadhs besteht darin, Verpflichtungen gegenüber den Hephthaliten eingegangen zu sein.31 Die Schuld des Anastasios besteht darin, die Erosion des Vertrauensverhältnisses zwischen den Herrschern zum absoluten Bruch geführt zu haben.32 Bildlich gesprochen endet damit nach dem goldenen Zeitalter, als die Seiten sich vertrauten, nun auch das silberne Zeitalter, da sie sich zwar nicht mehr vertrauten, aber auch noch nicht bekämpften. Nun bricht das eherne Zeitalter des Krieges an. Die Gerechtigkeit spielt keine Rolle mehr, sie wird zu einem bloßen Topos der Verhandlung. Geradezu mustergültig wird also bei Prokop zwischen den Reichen jener Prozess nachvollzogen, den Aratos von Soloi in seinen zur byzantinischen Schullektüre gehörigen Φαινόµενα eindrucksvoll geschildert hat: In Anbetracht des Niedergangs der Menschengeschlechter vom γένος χρύσειον herab hat sich die Göttin Dike zunehmend aus der Welt zurückgezogen. Am Verhältnis der Menschen zur Gerechtigkeit lässt sich ihr Niedergang festmachen. In der Zeit des goldenen Geschlechtes herrschte sie unmittelbar über die Menschen und lebte in ihrer Gesellschaft. Auf öffentlichen Versammlungen wurde wohlwollend Recht gesprochen. Krieg gab es noch nicht. Dikes Kontakt zum silbernen Geschlecht nahm bereits ab und sie zeigte sich weniger bereitwillig, auf die Menschen einzugehen. Auf Versammlungen schalt sie den schlechter gewordenen Menschen und drohte, bald nicht mehr zu erscheinen. Sie prophezeit bereits Krieg. Noch halten die Menschen aber nach ihr Ausschau, als sie von ihr in Richtung der Berge verlassen werden. Das eherne Geschlecht schließlich ist hinterhältig und kriegerisch. Dike zieht sich, vom Hass auf die Menschen erfüllt, in den Himmel zurück.33 Prokop konstruiert seine Archäologie also in gewissem Maße – ob absichtlich oder unbewusst – nach Prozessen, wie sie aus dem Mythos bekannt sind und damit besonders in der antiken Geisteswelt verwurzelt waren und durch die Bedeutung der Gerechtigkeit zudem in die bekannten Linien des politischen Denkens der Justinianischen Zeit passten.34 31 Laut Howard-Johnston 2008a, 121, sei der Bruch des Friedens durch Kawadh plötzlich und ohne römische Provokation erfolgt; vgl. Howard-Johnston 1995, 163; Howard-Johnston 2006, xiiif.; Howard-Johnston 2017, 293. Mit dem Hintergrund, Kawadh habe sich durch die Wendung gegen die Römer in den Augen der Hephthaliten profilieren wollen HowardJohnston 2010, 44f. 32 Vgl. Greatrex 1994, 83. 33 Arat. 96–136. 34 Bei Whitby 2008, 135, fällt bezüglich der Arcadius-Yazdgard-Episode der Ausdruck „remote golden age of the early fifth century“, aber ohne dies weiter auszuführen. Schon Platon nutzte Hesiods Ausführungen zu den Zeitaltern des Menschengeschlechts, um sie zur Illustration eigener Überlegungen weiterzuentwickeln, El Murr 2010, 276–279. Zur Entstehung und Entwicklung der Vorstellung vom Goldenen Zeitalter siehe die Arbeit Baldry 1952. Zu Arats Darstellung der Dike und seiner Beziehung zu Hesiods Vorstellungen Solmsen 1966, 124–128, und ausführlich die Arbeit Schiesaro 1996; zur Kontextualisierung der Darstellung Arats innerhalb antiker Traditionen zum Goldenen Zeitalter Evans 2008, 34–36.
12.2 Prokops Archäologie der Perserkriege
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Entsprechend schildert Prokop nun das gewissermaßen eherne Zeitalter der römisch-persischen Beziehungen. Kawadh gewinnt nach längerer Belagerung35 die Stadt Amida.36 Er überwältigt ein unvorbereitetes römisches Heer im römischen Grenzgebiet.37 Eines Hunneneinfalls wegen zieht er sich danach ins Sasanidenreich zurück und kämpft gegen diese Feinde an seiner Nordgrenze.38 Die unter verschiedenen Feldherren zerstrittenen Römer unternehmen einen einzelnen Einfall ins Sasanidenreich und ziehen sich nach kurzer Plünderung zurück.39 Dann erst kommt es zur Belagerung Amidas im Winter 503/04.40 Offenbar eigenmächtig übergeben die Stadtbewohner ihre Stadt den Römern.41 Da Kawadhs Hunnenkrieg sich in die Länge zieht, kommt es 506 zu einem siebenjährigen Friedensabkommen zwischen beiden Seiten, offenbar unter Wahrung des status quo.42 Prokop weiß darüber sichtlich nichts zu berichten. Was sollte er auch sagen? Es änderte sich letztlich nichts: Das Vertrauen war gebrochen, eine strategisch wichtige Stadt ging den Römern verloren und wurde zurückerobert. Der Konflikt aber ist für Prokop offenbar noch nicht beendet, denn er berichtet weiter vom römisch-persischen Verhältnis unter Anastasios, schreibt er doch: „So hatte also, wie gesagt, der römisch-persische Krieg begonnen und damit sein Ende gefunden. Jetzt aber will ich berichten, was sich an den Kaspischen Toren zutrug.“43 Der Krieg ist erst einmal vorbei, das grundlegende Problem aber nicht. Die Mächte haben eine Frontstellung eingenommen und belauern sich. Es geht nicht mehr darum, im beiderseitigen Interesse das Gleichgewicht zu wahren, sondern jeder versucht Schritt für Schritt in eine günstigere Position zu gelangen.
35 36 37 38 39 40 41 42 43
Dabei ist die Bedeutung der Dike für das Goldene Zeitalter eine Schöpfung des Aratos, ebd. 9. Dass Gerechtigkeit für Prokop ein zentrales Merkmal eines vergangenen, besseren Zeitalters war, bringt Pazdernik 2015, 247, mit der christlichen Metapher des „prelapsarian age“ zum Ausdruck, da er Prokops Darstellung des Proklos untersucht. Zur besonderen Bedeutung der Gerechtigkeit als Fundament herrscherlichen Handelns in politischen Schriften der Justinianischen Zeit – dem Fürstenspiegel des Agapetos und dem anonymen Dialog über das Staatswesen – die gut zu einer solchen Interpretation Prokops passen, siehe S. 83, Anm. 17 der vorliegenden Arbeit. Im Übrigen wäre eine Bezugnahme auf den Dike-Mythos des Aratos in einem spätantiken Geschichtswerk nicht ohne Präzedenz, so wird er bereits von Ammianus Marcellinus erwähnt, Amm. Marc. 22,10,6; 25,4,19. Prok. Bell. 1,7,3–28. Prok. Bell. 1,7,29. Prok. Bell. 1,8,8–1,8,19. Prok. Bell. 1,8,19. Prok. Bell. 1,8,20–23. Prok. Bell. 1,9,1–3. Prok. Bell. 1,9,3f. u. 20. Prok. Bell. 1,9,24f. Auch Greatrex 1994, 96f., betrachtet die Umstände als unklar. Prok. Bell. 1,9,25 (Übers. nach Veh): οὕτω µέν, ὥσπερ ἐρρήθη, ἀρξάµενος ὁ Ῥωµαίων τε καὶ Περσῶν πόλεµος ἐς τόδε ἐτελεύτα. τὰ δὲ ἀµφὶ πύλας τὰς Κασπίας ξυνενεχθέντα ἐρῶν ἔρχοµαι.
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12 Methoden I
Anastasios hatte den ersten Versuch damit unternommen, Perser und Hephthaliten gegeneinander aufzubringen, somit also die Perser gegenüber den Römern zu schwächen. Kawadh hatte daraufhin versucht, mit Amida eine strategisch wichtige Stadt in seinen Besitz zu bringen, die sich aber nicht dauerhaft halten ließ. Ein über Amida hinausgehender Gegenschlag gelingt den Römern allerdings auch nicht. An dieser Stelle zeigt sich erstmals die typische Form der römischpersischen Konflikte dieser Zeit bei Prokop, die über Verschiebung von Verhandlungsmasse durch beide Seiten erfolgen,44 wie sich im Folgenden noch deutlicher zeigen wird. Der Konflikt geht weiter und Prokop greift die bekannten Themen wieder auf, da er zunächst die Bedeutsamkeit der Kaspischen Tore für den Zugang kaukasischer Barbaren zu den beiden Reichen erklärt.45 In geradezu kondensierter Form des bisher Bedeutenden fasst Prokop nun in wenigen Zeilen zusammen, wie sich die Spirale des Misstrauens und Konflikts zwischen den Großmächten unter dem Einfluss der bekannten Faktoren (dritte Mächte, alleinige Beachtung des eigenen Vorteils, Versuch des Gewinns von Verhandlungsmasse) in drastischer Beschleunigung fortsetzt: Unter jenen Herrschern, welche die Kaspischen Tore in Besitz nahmen, war auch der Hunne Ambazukes, ein Freund der Römer und des Anastasios. Gegen Ende seines Lebens verlangte er von diesem über Gesandte Geld, gegen das er den Römern die Befestigung und die Kaspischen Tore überlassen wollte. Der nicht eben vorschnelle Anastasios, sah, dass es an diesem einsamen Ort, der kein untertäniges Gebiet in der Nachbarschaft habe, unmöglich wäre, Soldaten zu unterhalten, so dass er Ambazukes dankte, aber das Angebot ignorierte. Nach dem Tod des Hunnen kämpft Kawadh gegen dessen Söhne und nimmt die Tore ein. Im Anschluss an den Friedensschluss zwischen Anastasios und Kawadh lässt ersterer die starke Stadt Daras mit seinem Namen 98 Stadien von Nisibis und etwa 28 Stadien von der römischen Grenze entfernt errichten. Die Perser wollen dies verhindern, können aber aufgrund des Hunnenkrieges nicht eingreifen. Über eine Gesandtschaft beschwert sich Kawadh nach Kriegsende bei Anastasios, dass er entgegen früherer Abkommen in unmittelbarer Grenznähe eine Stadt errichtet habe. Anastasios versucht teils durch Drohungen, teils durch Vorgabe von Freundschaft sowie erhebliche Geldgeschenke die Anschuldigungen zu entkräften und zu beseitigen. Schließlich lässt er noch eine weitere Stadt nahe der persarmenischen Grenze errichten, befestigt sie und schafft den Persern letztlich mit beiden Städten, Bollwerken gegen ihr Land, Schwierigkeiten.46 Wieder greifen Barbaren, wie zuvor die Hephthaliten, in das fragile Gefüge der Großmächte ein. Anastasios stand für die Option, die Schwierigkeiten im Verhältnis zwischen Persern und Hephthaliten gegen die Perser zu nutzen. Es verwundert nicht, dass Kawadh nun ebenso handelt: Er nutzt die Uneinigkeit zwi44 Vgl. Isaac 1995, 137; vgl. andeutungsweise Greatrex 1998, 7f. 45 Prok. Bell. 1,10,1–9. 46 Prok. Bell. 1,10,9–19. PLRE II, Ambazuces, S. 68.
12.2 Prokops Archäologie der Perserkriege
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schen Römern und den Hunnen des Ambazukes gegen die Römer, indem er die Kaspischen Tore an sich bringt. Nachdem er Amida nicht halten konnte, gewinnt er so eine strategische Schlüsselstelle gegenüber Rom. Das kann Anastasios nicht auf sich sitzen lassen und befestigt Daras.47 Das ist laut Prokop den früheren Abmachungen zuwiderhandelnd.48 Aber ist nicht vieles, was bisher geschah, früheren Abmachungen und Gepflogenheiten zuwiderhandelnd? Die Verbindlichkeit des Rechts schwindet. Kawadh ist gegen die Befestigung eingestellt und will offenbar militärisch eingreifen, wird aber durch seinen Hunnenkrieg gebunden und beschwert sich daher bei Anastasios. Dieser aber räumt nicht etwa seine Schuld ein (die schließlich offenkundig vorhanden gewesen sein muss), sondern leugnet sie durch Einsatz von Manipulation:49 Drohung, Vorspiegelung von Freundschaft, Bestechung. Warum sollte er auch seine Schuld einräumen, wenn er mit dem Vertragsbruch davonkommen kann? Es gibt schließlich keinen Richter über die Einhaltung römisch-persischer Verträge. Die Manipulation gelingt offenbar. Er legt sogar noch nach und befestigt eine zweite Stadt. Damit nähert sich die Archäologie der Perserkriege ihrem Ende. Prokop hat erklärt, worin seiner Meinung nach die Vorgeschichte der römisch-persischen Konflikte seiner Zeit besteht und zugleich alle Elemente etabliert, durch die römisch-persische Konflikte in seiner Zeit gekennzeichnet sind. Die Mächte werden offenkundig als militärisch gleichauf liegend begriffen, nirgendwo kommt der Gedanke auf, dass sie sich besiegen könnten. Dazu passt der Zustand des Belauerns und die Form der Kriege mittels des Versuches der Gewinnung strategisch wichtiger Orte, also großer Wirkungen über verhältnismäßig geringe militärische Investitionen, sei es in Form Amidas, der Kaspischen Tore oder der Befestigung von Daras und Theodosiopolis. Deutlich wird das Ideal der auf Augenhöhe agierenden Mächte in der Beschützerrolle des Yazdgard. Dazu passt aber auch, dass es keinen Richter über sie gibt und Verträge daher zunehmend ihre Bedeutung verlieren, wenn Formen der Manipulation auch bei Vertragsbruch Erfolge versprechen. Auch die religiöse Neutralität tritt bei Prokop indirekt auf, indem religiöse Konflikte gerade keine Rolle spielen, was nicht allein Prokops Anlehnung an paganen literarischen Vorbildern in Form der klassischen Geschichtsschreiber50 geschuldet sein muss.51 All dies fügt sich zu einem Gesamtbild. Prokop zeigt auf, wie sich das römisch-persische Miteinander – also die römisch-persische Diplomatie! – an den im ersten Hauptteil dieser Arbeit ermittelten Strukturen entlangbewegt. Verantwortlich dafür, dass die Strukturen keinen Frieden wahren, wie sie 47 Zu diesem Zusammenhang vgl. Blockley 1992, 93. 48 Es ist an den Vertrag von 422 zu denken, Greatrex/Lieu 2002, 77; deutlich wird das in Prok. Aed. 2,1,5. 49 Vgl. Whitby 2008, 130. 50 Vgl. Cameron 1985, 132. 51 Und dies sind nur die Elemente des Werkes, für die vorliegende Arbeit von Bedeutung sind. Auch andere charakteristische Gegebenheiten der folgenden Zeit lässt Prokop hier bereits auftauchen, so die ständige Zerstrittenheit der römischen Feldherren.
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es in seiner Darstellung zur Zeit des Yazdgard noch konnten, ist nicht der böse Wille einer Seite, sondern die Zerrüttung des Vertrauens und der Einfluss der Hephthaliten, also einer dritten Macht, auf das römisch-persische Verhältnis.52 Prokop demonstriert das Funktionieren des römisch-persischen Verhältnisses in seiner Zeit und wie es dazu kam, dass es so funktionierte, wie er es in seiner Zeit wahrnahm. Dazu passt, dass er auch sämtliche diplomatischen Methoden, die in den folgenden Kapiteln der vorliegenden Arbeit untersucht werden (und immer wieder auch im Prokopischen Geschichtswerk anzutreffen sind!), mindestens einmal in der Archäologie der Perserkriege zur Sprache bringt: Verhandlungen und ein Vertragsschluss werden explizit erwähnt, sogar unter namentlicher Nennung der diplomatischen Vertreter Celer und Aspebedes.53 Der Einsatz der militärischen Mittel in ihrer typischen eingeschränkten Form wird am Beispiel Amidas und des zugehörigen Krieges deutlich. Beschützerrollen werden offensichtlich durch den Fall Yazdgard-Theodosius und im Folgenden den Plan Kawadhs bezüglich Justins und Chosraus behandelt. Informationsbeschaffung, wenn auch nicht diplomatischer Natur, spielt eine Rolle, da ein anonymer Bauer aufgrund der ihm exklusiv zur Verfügung stehenden Informationen einen Plan schmiedet, um Glones, den persischen Kommandanten von Amida, zu töten und für dessen Umsetzung mit Patrikios in Verbindung tritt.54 Die Methoden der Manipulation und ihr typischer Einsatz werden in einem Satz zusammengefasst, da es heißt: „Damals nun versuchte Anastasios teils durch Drohungen, teils durch Vorspiegelung von Freundschaft sowie durch beträchtliche Geldgeschenke die Anschuldigungen zu entkräften und aus der Welt zu schaffen.“55 Ein Fall von track-two-diplomacy ist gegeben, da die persische Besatzung Amidas eigenmächtig mit dem ebenfalls eigenmächtig handelnden römischen Belagerungsheer die Übergabe der Stadt gegen eine Zahlung aushandelt und somit das römisch-persische Verhältnis beeinflusst.56 Dies wird kritisiert.57 Eine beispielhafte Symbolhandlung gegenüber einem Herrscher ist die Ehrbezeugung des Theodosius, die Bahram seinen Einfall in das Imperium abbrechen lässt. Eine beispielhafte Symbolhandlung eines Herrschers gegenüber der Öffent52 Letzteres wird auch bei Howard-Johnston 2017, 293, angenommen. 53 Prok. Bell. 1,9,24f.; PLRE II, Celer 2, S. 275–277; Aspebedus, S. 169. Es dürfte sich bei letzterem nicht um einen Eigennamen, sondern die Verballhornung des Amtes astabedh handeln. 54 Prok. Bell. 1,9,5–17; PLRE II, Glones, S. 513.; Fl. Patricius 14, S. 840–842. 55 Prok. Bell. 1,10,17 (Übers. nach Veh): τότε µὲν οὖν Ἀναστάσιος τὰ µὲν ἀπειλῶν, τὰ δὲ φιλίαν τε τὴν ἐς αὐτὸν προτεινόµενος καὶ χρήµασιν οὐ φαύλοις δωρούµενος παρακρούεσθαί τε καὶ τὴν αἰτίαν ἐκλύειν ἤθελε. 56 Prok. Bell. 1,9,3f. 57 Prok. Bell. 1,9,23.
12.2 Prokops Archäologie der Perserkriege
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lichkeit des anderen Reiches im Sinne der public diplomacy ist die bei Prokop besonders hervorgehobene Behandlung der Gefangenen von Amida durch Kawadh.58 Die Bedeutung der Akteure zwischen den Großmächten schließlich veranschaulicht am Beispiel der Armenier treffend die Episode um Pakurios und Arsakes.59 Die Prokopische Archäologie der Perserkriege ist in diesem Sinne eine Schilderung der römisch-persischer Diplomatie in der behandelten Zeit in nuce.60 Den Tief- und Endpunkt des römisch-persischen Verhältnisses vor Prokops unmittelbarer Gegenwart und damit auch der Archäologie der Perserkriege bildet Kawadhs Adoptionsvorhaben, das den Antipol der Beschützerrolle des Yazdgard bedeutet. Die damals so hohe und gelobte Gesinnung aller Akteure schlägt hier ins Gegenteil um. In Kawadhs Ansprache lässt Prokop ihn die Beliebigkeit, in welche die Frage nach Recht und Unrecht zwischen den Großmächten geraten ist, illustrieren: Dass wir von den Römern Unrecht erlitten haben, ist dir selber wohl bekannt, ich habe mich indessen entschlossen, alle diese Beschwerden gegen euch auf sich beruhen zu lassen, und zwar aus der Überzeugung heraus, dass diejenigen Menschen am ehesten einen Sieg davontragen dürften, die, obwohl im Recht, freiwillig nachgeben und sich unter ihre Freunde stellen. Dafür verlange ich freilich von dir eine gewisse Erkenntlichkeit: Nicht nur wir beide, sondern auch unsere sämtlichen Untertanen sollen dadurch in enge Verbindung und natürlich auch in ein freundschaftliches Verhältnis gebracht werden, woraus dann alle Friedensgaben in reicher Fülle erwachsen werden. Du sollst, und das ist mein Wunsch, meinen Sohn und Nachfolger im Herrscheramt an Kindes statt annehmen!61
Nun beschwört Kawadh, da es ihm gelegen kommt, nach langem Konflikt die Freundschaft zwischen den Reichen – wenn auch nicht ohne darauf zu verweisen, dass er eigentlich im Recht sei. Seine Argumentation ist dabei ein Widerspruch in 58 Prok. Bell. 1,7,34. 59 Prok. Bell. 1,5,9–40. 60 Ganz im Gegenteil dazu wird von Greatrex 1998, 74, angenommen, die Schilderungen aus der Zeit des Anastasios dienten allein der Unterhaltung des Lesers mit interessanten und dem Publikum bisher weitgehend unbekannten Details; vgl. Greatrex 2016, 178. Damit soll übrigens nicht gesagt werden, dass es in der Archäologie ausschließlich um diese diplomatischen Aspekte ginge, wohl aber spielen sie darin eine ihrer großen Bedeutung im Hauptteil des Geschichtswerkes entsprechende Rolle. 61 Prok. Bell. 1,11,7–9 (Übers. nach Veh): οὐ δίκαια µὲν πεπονθέναι πρὸς Ῥωµαίων ἡµᾶς καὶ αὐτὸς οἶσθα, ἐγὼ δὲ ὑµῖν τὰ ἐγκλήµατα πάντα ἀφεῖναι παντελῶς ἔγνωκα, ἐκεῖνο εἰδώς, ὡς οὗτοι ἂν µάλιστα τῶν ἀνθρώπων νικῷεν, οἵ γε, προσόντος αὐτοῖς τοῦ δικαίου, εἶτα ἐλασσούµενοι ἑκόντες εἶναι τῶν φίλων ἡσσῶνται. χάριν µέντοι αἰτοῦµαί σε ὑπὲρ τούτων τινά, ἣ ἂν οὐχ ἡµᾶς αὐτοὺς µόνον, ἀλλὰ καὶ τὸ ἑκατέρου ὑπήκοον ἅπαν ἔς τε τὸ ξυγγενές, συνδέουσα καὶ τὴν ἀπ̓ αὐτοῦ ὡς τὸ εἰκὸς εὔνοιαν, ἐς κόρον δή που τῶν τῆς εἰρήνης ἀγαθῶν καταστήσασθαι ἱκανὴ εἴη. λέγω δὲ ὅπως ἂν Χοσρόην τὸν ἐµὸν, ὅς µοι τῆς βασιλείας διάδοχος ἔσται, εἰσποιητὸν παῖδα ποιήσαιο.
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sich: Wenn es die moralisch richtige Handlung ist, freiwillig gegenüber Freunden nachzugeben, wie kann man dann von diesen Freunden dafür eine Erkenntlichkeit verlangen? Man handelt gemäß dieser Maxime nicht ihnen zum Gefallen und des eigenen Vorteils wegen, sondern weil es schlicht die richtige und ethische Handlungsweise ist. Aber das spielt keine Rolle. Prokop zeigt die Beliebigkeit, in die seiner Meinung nach Recht und Ethik zwischen den Reichen gekommen sind. Der realpolitische Vorteil ist der bestimmende Faktor. Frieden ist im Interesse beider, also sollte dieser herbeigeführt werden. Das gefällt auch Justin und Justinian.62 Dass Kawadhs Argumentation falsch ist, liegt im Interesse der Darstellung Prokops, der schließlich darauf hinauswill, dass Kawadh eben nicht im Interesse des Friedens oder höherer moralischer Beweggründe handelt, sondern Proklos erklären lässt,63 dass Kawadh mit der Adoption vielmehr ein persisches Einfallstor in die römische Politik zu errichten gedenkt.64 Kawadh handelt der Aufrichtigkeit Yazdgards völlig entgegengesetzt. Aber auch Justin und Justinian sind nicht ehrlich: Statt Kawadh ihre Bedenken mitzuteilen, geben sie vor, auf das Angebot eingehen zu wollen, manipulieren den diplomatischen Ablauf aber so, dass praktisch ausgeschlossen werden kann, dass die persische Seite noch darauf eingehen wird. Diese sabotiert die Verhandlungen wohl ebenfalls, als deutlich wird, dass ihre Absichten nicht umsetzbar sind.65 Wie sich im entsprechenden Kapitel der vorliegenden Arbeit zeigt, dient die damit zusammenhängende Gesandtschaft zudem noch dazu, missliebige Staatsmänner der jeweils eigenen Seite zu diskreditieren.66 Lüge und Betrug finden sich auf allen Seiten. Das Vertrauen ist völlig zerstört, die alten Partner trauen sich das Schlechteste zu und nutzen zu allem Überfluss die Gesandtschaften nicht etwa zu einer erfolgreichen Verständigung, sondern zum Ausschalten innenpolitischer Gegner. Es ist eine Pervertierung der für Yazdgard und Theodosius geschilderten Vorgänge. Der Höhepunkt des römisch-persischen Verhältnisses unter Yazdgard und Theodosius ist ins Gegenteil umgeschlagen. Der Nadir ihrer Beziehungen ist erreicht und damit setzt Prokops Gegenwart ein.67 Prokop hat dem Leser all jenes über das römisch-persische Verhältnis vermittelt, was dieser seines Erachtens zum Verständnis der folgenden Gegenwartsschilderung68 benötigt.
62 Prok. Bell. 1,11,10. 63 Diesem Proklos (PLRE II, Proculus 5, S. 924f.) schreibt Prokop in HA 6, 12–13, generell außerordentlichen Einfluss auf die Regierung Justins zu, er habe die Staatsgeschäfte letztlich nach eigenem Ermessen geführt. Zu dieser Gestalt siehe auch die Arbeit Pazdernik 2015. 64 Prok. Bell. 1,11,11–18. 65 Prok. Bell. 1,11,19–30. 66 Siehe Kapitel 16.3 der vorliegenden Arbeit. 67 Prok. Bell. 1,12. 68 Kirchner 1887, 3, 10.
12.3 Die Narrative Prokops, Agathiasʼ und Menanders
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12.3 DIE NARRATIVE PROKOPS, AGATHIASʼ UND MENANDERS 12.3.1 Das erste Buch der Bella Nach Untersuchung der Prokopischen Archäologie der Perserkriege und ihrer für das Verständnis römisch-persischer Verhandlungen in der von Prokop geschilderten Zeit (und darüber hinaus) exemplarischen Natur ist nun der Blick auf diplomatische Vorgänge geschärft, um sich der Gegenwartsdarstellung dieses Historikers zu widmen, sogar mit Agathias und Menander an sie anzuschließen und die in der Archäologie erstmals angesprochenen Methoden und Mechanismen der Verhandlungen und Abkommen chronologisch en detail aufzuzeigen. Die Gegenwartsschilderung setzt in bekannter Manier ein – und im Grunde muss nun alles, was Prokop zu den Mechanismen der römisch-persischen Diplomatie schildert, bekannt vorkommen – indem Kawadh seine Vorherrschaft über die Iberer ausweiten will, da die Römer die ihre über die Lazen ausgeweitet haben.69 Es gibt gewissermaßen ein Wort das andere, jeder sucht eine günstige Position und es muss unter Einfluss der Iberer zum Konflikt kommen.70 Justinian lässt nach seinem Herrschaftsantritt den Ort Minduos an der persischen Grenze befestigen.71 Prokop erwähnt nicht einmal mehr, dass dies gegen römisch-persische Abmachungen verstieß, denn offenbar war das nicht mehr von Bedeutung, wenn man sich sowieso derzeit im Krieg befand. Auf eine persische Beschwerde und Drohung, gewaltsam einzuschreiten, reagiert Justinian sogleich mit militärischen Maßnahmen.72 Später erfährt man, dass Kawadh zuvor Justinian vor die Wahl stellte, entweder an der Verteidigung der Kaspischen Tore mitzuwirken oder Daras aufzugeben.73 Offenkundig sollte der gemeinsame Einsatz an den Toren nicht nur das persische Militär dort entlasten, sondern auch die Großmächte wieder näher zusammenbringen, was in Anbetracht der verfahrenen Situation in Kawadhs 69 Prok. Bell. 1,12. 70 Die Rolle der Akteure zwischen den Großmächten wird ausführlich im 19. Kapitel der vorliegenden Arbeit behandelt. 71 Prok. Bell. 1,13,1–3; Rubin 1957, 367. 72 Prok. Bell. 1,13,5. 73 Prok. Bell. 1,16,7. Es ist eine Forschungsfrage, ob damals bereits ein persischer Anspruch auf römische Unterstützung bei der Verteidigung der Kaukasuspässe bestand. Dies ist einer der Fälle, da in der vorliegenden Arbeit nur konstatiert werden darf, dass Prokop dies nicht erwähnt. Würde man die Verpflichtung annehmen und Prokops Darstellung vor diesem Hintergrund lesen, würde man sie verzerrt wahrnehmen. Für ihn gehörten eventuelle derartige Verpflichtungen nicht zu den Ursachen, deren Folgen er beschreibt. Greatrex 1998, 15–17, ist der Meinung, dass es höchst unwahrscheinlich ist, dass solche Ansprüche in fester Form bestanden; vgl. dagegen Blockley 1992, 88f.; vgl. Mahamedi 2004, 151; Colvin 2018, 206–208. Unentschieden Börm 2007, 304; Börm 2016, 629; Börm 2019, 110f. In der Quellensammlung Greatrex/Lieu 2002, 20, wird Joh. Lyd. de mag. 3,52f. als Indiz gegen Verpflichtungen begriffen. Zu den Begrifflichkeiten siehe die Arbeit Synellis 1998.Laut Mosig-Walburg 2009a, 313, habe zumindest der zweite Frieden von Nisibis 363 wohl nicht zu Verbindlichkeiten hinsichtlich römischer Zahlungen für die Kaukasuspässe geführt.
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Interesse gelegen hätte; die Aufgabe von Daras aber hätte ihm erhebliche strategische Vorteile gebracht und auch den Verstoß gegen die Abmachung, keine Festungen im Grenzgebiet zu errichten, aufgehoben. Der Gewinn einer neuen Festung in Grenznähe und damit eines strategisch wichtigen Platzes war in diesem Moment für den neuen Kaiser Justinian offenbar mehr wert als jeder Gewinn, der durch Verhandlungen und ein eventuell besseres Verhältnis zum Sasanidenreich erzielt werden konnte. Er musste sich am Anfang seiner Herrschaft wahrscheinlich auch beweisen.74 Wie Prokop es anhand des Anastasios und seiner Errichtung der Grenzfestungen in der Archäologie beispielhaft vor Augen führte, so handelt nun auch Justinian: Warum sollte er sich an Verträge halten, wenn der Vertragsbruch derzeit mehr Vorteile versprach als dessen Einhaltung? Justinian aber geht darüber hinaus, denn Anastasios hatte laut Prokop noch nach Wegen gesucht, Kawadh zu beschwichtigen. Justinian riskiert alles. Problematisch ist dies aber offenkundig dann, wenn sich die eigene Seite in den kommenden Ereignissen als unterlegen erweist – so auch im konkreten Fall75 – und sich die andere in einer stärkeren Verhandlungsposition befindet. Justinian verstößt also gegen eine offenkundige Regel diplomatischer Manipulation, die Prokop in der Archäologie demonstriert hat: Man sollte Verträge nur dann brechen, wenn man diese Tat im Fall einer Wende des Kriegsglücks abstreiten kann oder seine Urheberschaft am Vertragsbruch zu vertuschen weiß.76 Im Gegensatz zu Fragen abstrakter Kriegsschuld konnte Justinian aber schlecht abstreiten, dass im Grenzland eine für abertausende Menschen sichtbare Festung errichtet wurde. Es wundert daher nicht, dass Justinian nach einem persischen Sieg und Abriss des begonnenen Baus militärische Stärke und Entschlossenheit demonstrierte und dazu Belisar einsetzte.77 Prokop erwähnt, dass bereits Friedensgespräche in Gang gekommen seien.78 Justinian befand sich aber zum Zeitpunkt seiner Niederlage in einer denkbar schlechten Verhandlungsposition: Er hatte offen sichtbar Vertragsbestimmungen gebrochen und zudem eine militärische Niederlage erleiden müssen. Weder das eine noch das andere konnte er leugnen, also musste er jetzt seine Stärke und Entschlossenheit demonstrieren. Ein neuer persischer Angriff enthebt ihn von der Sorge, aus einer schlechteren Position heraus verhandeln zu müssen. Dies ist charakteristisch für die Kriege der Zeit Prokops: Sie werden von Verhandlungen begleitet. Je nach 74 Vgl. Heather 2018, 98; vgl. ebd. 97; Moorhead 1994, 22; Rubin 1960, 265f. 75 Prok. Bell. 1,13,5–8. 76 Dies ist ein Element, das bei Greatrex 1998, 8, übersehen wird und ihn den Einfall Chosraus 540 mit dem Angriff Justins II. 572 gleichstellen lässt: Chosrau schien noch weit stärker bemüht, die römische Schuld an der Zerrüttung des diplomatischen Verhältnisses zu erweisen, da er wusste, dass dies später noch eine Rolle spielen würde. Zur Zeit Justins II. werden diese etablierten Strukturen zunehmend stärker erodiert. 77 Prok. Bell. 1,13,9. 78 Prok. Bell. 1,13,11. Dies lässt er durch Belisar und Hermogenes in einem Brief an den persischen Mirrhanes Peroz bei ebd. 1,14,13, noch einmal bestätigen.
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aktueller militärischer Lage zum eigenen Vor- oder Nachteil gestalten sich auch die Verhandlungen. Wer die militärische Oberhand in der aktuellen Situation hat, verfügt auch über eine starke Verhandlungsposition. Wer unterliegt, ist geneigt, erst auf einen Wechsel des Kriegsglücks zu hoffen, bevor er als aktuell benachteiligte Seite in die Verhandlungen eintritt. Das zeigt sich in den folgenden Zeilen Prokops deutlich. Belisar nimmt nahe Daras Stellung und ein persisches Heer kommt dazu. Der Mirrhanes Peroz sendet Belisar einen Brief, dass er ihm ein Bad in Daras für den nächsten Tagt bereiten solle.79 Warum kündigt er das an? Wenn er angreifen wollte, wäre es töricht, den genauen Zeitpunkt (morgen) preiszugeben. Offenbar war das auch nicht seine Absicht, sondern vielmehr den Römern Bedenkzeit zu geben, den Konflikt doch noch friedlich zu lösen, also Daras zu übergeben (und zugleich selbst auf die später eintreffende persische Verstärkung zu warten). Dafür setzt er sie mit der Gegenwart seines Heeres unter Druck. Für die Perser hätte dies den Vorteil, weder eine Niederlage noch Verluste riskieren zu müssen. Zudem erübrigen sich so Verhandlungen, bei denen die persische Seite vielleicht Zugeständnisse machen müsste. Belisar hat offenbar Anweisung, nicht darauf einzugehen, denn Prokop lässt ihn nur seine Kampfvorbereitungen treffen.80 Als der erste Kampftag unter Scharmützeln und Zweikämpfen verfließt,81 am nächsten aber aus Nisibis zehntausend Mann persische Verstärkung erscheinen82 und sich somit das laut Prokop schon zuvor ungleiche Kräfteverhältnis von 25.000 Römern und 40.000 Persern83 zum Verhältnis 1 : 2 verschiebt, ist Belisar plötzlich bereit, auf den Mirrhanes einzugehen und schreibt ihm zusammen mit Hermogenes einen Brief, in dem eine friedliche Lösung angestrebt wird: Das höchste Gut ist der Friede. Darin sind sich alle Menschen einig, sofern sie nur etwas Vernunft besitzen. Wer also den Frieden brechen wollte, dürfte nicht nur über seine Nachbarn, sondern auch über seine Blutsverwandten schwerstes Unglück bringen. Daher ist der beste Feldherr jener, der imstande ist, Krieg in Frieden zu verwandeln. Du aber hast dich trotz des guten Verhältnisses zwischen Römern und Persern entschlossen, uns ohne jeden Grund mit Krieg zu überziehen. Dabei hegen doch unsere beiden Herrscher friedliche Gedanken, und Gesandte halten sich schon für uns in der Nähe bereit, um alsbald durch gegenseitigen Meinungsaustausch die strittigen Punkte zu bereinigen, sofern nicht dein Angriff schlimme Folgen zeitigt und uns diese Hoffnung zuschanden macht. Wohlan, führe doch das Heer so schnell wie möglich nach Persien zurück und stelle dich nicht den größten Vorteilen hinderlich in den Weg! Sonst trägst du einmal bei den Persern gewiss die Schuld an all dem Unheil, das über sie hereinbrechen wird.84
79 80 81 82 83 84
Prok. Bell. 1,13,17; PLRE IIIB, Perozes, S. 991. Prok. Bell. 1,13,17. Prok. Bell. 1,13,24–39. Prok. Bell. 1,14,1. Prok. Bell. 1,13,23. Prok. Bell. 1,14,1–4 (Übers. nach Veh): πρῶτον ἀγαθὸν τὴν εἰρήνην εἶναι ὡµολόγηται παρὰ πάντων ἀνθρώπων οἷς τι καὶ κατὰ [τὸ] βραχὺ λογισµοῦ µέτεστιν. ὥστε ἤν τις διαλυτὴς αὐτῆς
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Der Frieden selbst ist in der Tat im Interesse beider Seiten, der aktuelle Abzug des Mirrhanes würde aber vor allem der römischen Seite nutzen, da dies Justinians aktuelle Verhandlungsposition, die sofort von seinen Gesandten vermittelt werden könnte, wieder erheblich zu verbessern geeignet ist; würde doch ein persisches Heer einem römischen kampflos das Feld räumen, ohne dass eine Schlacht gegen ein zahlenmäßig doppelt so starkes Heer geführt werden müsste. Ein diplomatischer Weg läge jetzt zudem in Justinians Interesse, da eine derartige Schlacht sehr risikoreich und auf jeden Fall teuer wäre, ohne automatische Gewinne gegenüber Persien zu generieren, wozu Verhandlungen jedoch in der Lage wären. Wenn er die Schlacht verlieren würde – was in Anbetracht der Zahlen nicht unwahrscheinlich ist – müsste er nicht nur enorme Kosten, sondern auch die erhebliche Verschlechterung seiner Verhandlungspostion tragen, wenn nicht weitere militärische Konsequenzen. Der Mirrhanes antwortet angemessen: Er hätte sich von dem Schreiben überzeugen lassen, wenn die Autoren nicht wortbrüchige Römer wären. Sie müssten nun kämpfen, denn die Perser würden militärisch für ihr Recht eintreten.85 Selbstverständlich kann er der Aussage, dass Frieden etwas Positives sei, nicht widersprechen. Wenn die Römer aber den Friede beschwören, kann er ebenso beschwören, dass Justinian mit seinem Festungsbau gegen Abkommen verstoßen hat. Auch die persische Seite kann sich also moralisch überlegen fühlen. So wenig die Beschwörung des Friedens die andere Seite zum Einlenken bewegen wird, so wenig wird es die Beschwörung des Rechts in einem Verhältnis, da kein Richter vorhanden ist und sich noch zwei Heere unentschieden gegenüberstehen. Würde der Mirrhanes samt seinem Heer umkehren, würde dies auch bedeuten, dass gar kein sonderlich großes Interesse der Perser an der Durchsetzung ihres Rechts bestehen kann, was wiederum ungünstig für die persische Verhandlungsposition wäre; ja geradezu ein Eingeständnis, dass die persischen Beweggründe in Wahrheit anders gelagert sein könnten. Er muss bei seiner Haltung bleiben, zumal er sich seiner größeren personellen Stärke bewusst gewesen sein wird. In der römischen Erwiderung wird jetzt die religiöse Ebene des Rechts eingesetzt, da die rein juristische kein Ergebnis bringt: Mit der Anwesenheit des Gesandten hätten die Römer die Wahrheit gesprochen, wenn die Perser aber kämpfen
γένοιτο, τῶν κακῶν αἰτιώτατος ἂν οὐ τοῖς πέλας µόνον, ἀλλὰ καὶ ὁµογενέσι τοῖς αὑτοῦ εἴη. στρατηγὸς µὲν οὖν ἄριστος οὗτος ἐκεῖνός ἐστιν, ὃς δὴ ἐκ πολέµου εἰρήνην διατίθεσθαι ἱκανὸς πέφυκε. σὺ δὲ τῶν πραγµάτων εὖ καθεστώτων Ῥωµαίοις τε καὶ Πέρσαις πόλεµον ἐπάγειν ἡµῖν αἰτίαν οὐκ ἔχοντα ἔγνωκας, καίπερ ἑκατέρου µὲν βασιλέως εἰρηναῖα βουλευοµένου, πρέσβεων δὲ παρόντων ἡµῖν ἐν γειτόνων ἤδη, οἳ δὴ τὰ διάφορα τῇ ἐς ἀλλήλους ὁµιλίᾳ οὐκ εἰς µακρὰν διαλύσουσιν, ἢν µή τι ἀνήκεστον ἐκ τῆς σῆς ἐφόδου ξυµβαῖνον ταύτην ἡµῖν ἀναστέλλειν τὴν ἐλπίδα ἰσχύσῃ. ἀλλ̓ ἄπαγε ὅτι τάχιστα τὸν στρατὸν ἐς τὰ Περσῶν ἤθη, µηδὲ τοῖς µεγίστοις ἀγαθοῖς ἐµποδὼν ἵστασο, µή ποτε Πέρσαις, ὡς τὸ εἰκὸς, εἴης τῶν ξυµβησοµένων δεινῶν αἴτιος. PLRE IIIA, Hermogenes 1, S. 590–593. 85 Prok. Bell. 1,14,5f.; Nechaeva 2014, 48.
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wollten, so würde Gott den Römern ihrer Friedensliebe wegen beistehen. Jede Seite solle diese Briefe an ihre Feldzeichen heften.86 Der Mirrhanes erwidert: Auch wir ziehen nicht ohne den Schutz unserer Götter in den Krieg; im Bunde mit ihnen werden wir über euch kommen und ihr werdet die Perser, wie ich hoffe, schon morgen in Daras einziehen lassen. Mir aber sollen in der Stadt Bad und Frühstück zugerichtet werden!87
Dies bedeutet nichts anderes als ein beidseitiges Eingeständnis der verfahrenen Situation: Die Perser werden auf ihrem Rechtsanspruch beharren, die Römer aber auf ihrer Friedensliebe. Da es keinen Richter auf der Welt gibt, der diese gegeneinander abwägen und bestimmen könnte, wer ehrlich handelt und die edleren Motive hat, soll Gott – der Garant der Verträge und des Rechts, der sich im iranischen Kontext als Mithra verstehen lässt – es entscheiden. Die Schlacht wird zum Gottesurteil. Damit ist eine charakteristische Phase römisch-persischen Austauschs erreicht, die hier aber nicht direkt zwischen den Herrschern, sondern mittelbar zwischen ihren beiden Feldherren stattfindet: Beide beharren darauf, im Recht zu sein.88 Der Mirrhanes zeigt sich wie die Römer siegessicher und bekräftigt es mit seiner persönlichen Ankündigung. Da es keine Lösung gibt, lassen beide Seiten mit dem Verweis der Entscheidung auf Gott und damit eine Instanz jenseits ihrer Verantwortung letztlich die rechtlich-moralische Argumentation fallen und einigen sich außerhalb dieser Ebene.89 Im konkreten Fall durch eine Schlacht. Sie schafft realpolitische Verhandlungsmasse: Wer die Schlacht gewonnen hat, verfügt über die besseren Karten in der folgenden Verhandlung. Es ist bezeichnend, dass die im Folgenden siegreiche Seite nach der Schlacht nicht mehr behauptet, sie sei im Recht, da sich dies durch Gottes Hilfe für den Sieg gezeigt habe. Letztlich lassen sie religiöse Argumente, die sich im Verständnis der verschiedenen Religionen auch erheblich unterscheiden, in ihren Verhandlungen eben außen vor, da es auch gar nicht nötig ist: Wer 86 Prok. Bell. 1,14,7–10. 87 Prok. Bell. 1,14,11f. (Übers. nach Veh): οὐδὲ ἡµεῖς ἄνευ θεῶν τῶν ἡµετέρων ἐς τὸν πόλεµον καθιστάµεθα, ξὺν αὐτοῖς δὲ παρ᾽ ὑµᾶς ἥξοµεν, οὕσπερ τῇ ὑστεραίᾳ Πέρσας ἐς ∆άρας ἐσβιβάσειν ἐλπίδα ἔχω. ἀλλά µοι τό τε βαλανεῖον καὶ ἄριστον ἐν παρασκευῇ τοῦ περιβόλου ἐντὸς γινέσθω. 88 Dagegen hält Frendo 1997, 105-107, die religiösen Bezüge für ein von Prokop (und generell der Justinianischen Propaganda, ebd. 115) hinzugefügtes Element. In diesem Zusammenhang argumentiert Frendo auch damit, dass ein Zoroastrier kein Bad nehmen würde, dass ein Nichtzoroastrier bereitet hat, die großspurige Ankündigung also eine Erfindung sei. Es handelt sich in der Tat um einen Topos, man denke an eine ähnliche Ankündigung Attilas im Chron. Pasch. a. 450, p. 587, aber die spätantiken religiösen Verhältnisse sind zu komplex, um die Szene auf deren Basis komplett abzulehnen. 89 Ein römisch-parthisches Beispiel ähnlicher Argumentation durch Vologaeses I. aus dem Jahr 62 n. Chr. findet sich bei Tac. Ann. 15,13,3–15,14,1 u. 15,24,1f. in einer ähnlichen Situation, da rechtliche Ansprüche unversöhnlich aufeinanderprallen und der Großkönig ankündigt, er wolle dieses Thema außen vor lassen und auf die dahingehende Entscheidung der Götter vertrauen, bevor er realpolitische Vorschläge zur Beilegung der Streitigkeiten macht und damit die Ebene von Fragen des Rechts und Unrechts verlässt.
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die Schlacht gewinnt, hat sowieso die Oberhand und wird also von kosmischen Kräften begünstigt. Er muss sich nicht mehr gesondert auf Gott berufen. Dazu passt auch, dass Prokop in den Reden, die er im Folgenden vom Mirrhanes an die Perser sowie Belisar und Hermogenes an die Römer halten lässt, keinen Verweis auf Gottes Beistand einbringt. Es geht nur um militärische Erwägungen.90 Die Schlacht verläuft für die Römer erfolgreich.91 Kawadh ist nun offenbar in der schlechteren Position und schickt sich daher zur Fortsetzung der Kämpfe mit einem Einfall ins römische Armenien an, der nicht zu seinen Gunsten verläuft.92 Nach Abzug des persischen Heeres besetzen die Römer Bolon und Pharangion in Persarmenien.93 Prokop erwähnt bei dieser Gelegenheit, dass es den Römern auch gelungen war, die Tzanen fester an sich zu binden.94 Kawadh befand sich also sowohl in Mesopotamien als auch auf dem südkaukasischen Schauplatz im Hintertreffen. Prokop berichtet nun, dass er seine Stellung aber nicht komplett räumte, also militärisch nach wie vor auf dem mesopotamischen Schauplatz präsent war.95 Die Heere hatten sich nur getrennt.96 Nun erscheint der römische Gesandte Rufinos vor Kawadh und Prokop bietet einen Dialog. Rufinos bedient sich des gleichen Argumentes, dessen sich schon Belisar und Hermogenes bedient hatten, da es heißt: 90 Prok. Bell. 1,14,13–27. Es mag auch eine Rolle spielen, dass die grundsätzlichen Argumente der Briefe auf wirkliche Korrespondenz zurückgehen, die Prokop wahrscheinlich einsehen konnte, die Reden aber im Sinne der klassischen Vorbilder frei erfunden sein dürften, um dem Leser die jeweilige militärische Situation anschaulich zu vermitteln. Vgl. Colvin 2013, 574, Anm. 7; 582–587, zum Informationsstand bezüglich der Briefe als Argument für die Echtheit ebd. 584: „It would be perverse to suggest that he must have got these details from anywhere other than the letters themselves. Occamʼs razor insists we should reject the idea of an intermediate oral source.“ Vgl. Kirchner 1887, 11. Zur Tradition der Briefe zwischen persischen Herrschern und solchen der hellenistischen Welt in der griechischen Literatur siehe die Monographie Gauger 2000, in der davon ausgegangen wird, dass die Briefe größtenteils nicht fingiert seien, ebd. 68. Carile 2000, 185, geht etwa bezüglich des Geschichtswerkes Theophylakts davon aus, dass spätantike Herrscherbriefe zuweilen im Sinne von Propaganda an die Öffentlichkeit gebracht wurden. Vgl. die Arbeit Mullett 1992 zum Umstand, dass byzantinische diplomatische Briefe oft an Privatbriefe erinnern, der aber nicht so gedeutet werden muss, dass die Briefe darum nicht authentisch wären, sondern nur, dass Diplomatie in ihren Formalien anders betrieben wurde als man es vor einem neuzeitlichen Hintergrund erwarten würde. Vgl. zur Frage nach den dokumentarischen Quellen des Malalas Anhang 1 der vorliegenden Arbeit. 91 Prok. Bell. 1,14,52–55. 92 Prok. Bell. 1,15. Greatrex 1994, 209: „Kavadh appears to have been determined to gain more bargaining-counters before he attempted to come to terms with the Romans.“ 93 Prok. Bell. 1,15,18 u. 26–33. 94 Prok. Bell. 1,15,19–25. 95 Prok. Bell. 1,16,1. 96 Prok. Bell. 1,14,55.
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Dein Bruder, König, hat mich entsandt und beschwert sich mit Recht, dass die Perser ohne allen Grund in sein Land bewaffnet eingefallen sind. Dabei dürfte es doch einem großen und so erleuchteten König wohl besser anstehen, aus Krieg Frieden zu schaffen, als sich und seinen Nachbarn zum Schaden zwecklose Unruhe in die bestehenden guten Beziehungen zu bringen. Daher bin ich auch voll froher Zuversicht hierher gekommen, damit künftighin die Segnungen des Friedens beiden Reichen zuteil werden.97
Es wundert nicht, dass die römische Argumentation weiterhin auf dem Friedenswillen aufbaut, hat sich doch nach der Schlacht gezeigt, dass Gott offenbar mit den Römern ist. Ihre Argumente müssen richtig sein. Mit der Erwähnung der Brüderlichkeit und des Nutzens für beide Reiche wird auch das römische Bewusstsein für den kosmischen Auftrag unterstrichen. Kawadhs Erwiderung beginnt mit einer bezeichnenden Wendung: „Sohn des Silvanus, mach doch keine Versuche, die Schuldfrage zu verdrehen!“98 Er betont in dieser Form, dass es nicht um die Frage nach der Friedensliebe, sondern darum geht, wer Schuld an dem Konflikt zwischen den Reichen trägt. Die Römer hätten den Persern geschadet, denn erst ließen sie diese die Bewachung der Kaspischen Tore übernehmen, da Anastasios zu geizig dafür war, und profitieren davon, dann aber errichteten sie den Persern zum Schaden auch noch Daras, was gegen den Vertrag des Anatolios verstoßen habe.99 Die Perser müssten also zugleich an den Kaspischen Toren und auch noch gegen die Römer kämpfen. Als er Justinian angeboten habe, sich entweder an der Verteidigung der Kaspischen Tore zu beteiligen oder aber Daras aufzugeben, habe dieser auch noch Minduos befestigt. Wie der Mirrhanes bekräftigt Kawadh seine Position: Jetzt aber müssen sich die Römer für die Sache des Friedens oder für die Waffen entscheiden, wobei sie entweder unser Recht anerkennen oder den entgegengesetzten Weg beschreiten. Denn die Perser werden die Waffen nicht eher niederlegen, als bis die Römer entweder mit ihnen gemeinsam nach Recht und Ordnung die Bewachung der Tore übernehmen oder die Stadt Daras aufgeben.100
97 Prok. Bell. 1,16,1–3 (Übers. nach Veh): ἔπεµψέ µε, ὦ βασιλεῦ, ὁ σὸς ἀδελφὸς µέµψιν δικαίαν µεµφόµενος, ὅτι δὴ Πέρσαι ἀπ̓ οὐδεµιᾶς αἰτίας ἐς γῆν τὴν αὐτοῦ ἐν ὅπλοις ἦλθον. καίτοι βασιλεῖ µεγάλῳ τε καὶ ἐς τόσον ξυνέσεως ἥκοντι ἐκ πολέµου εἰρήνην πρυτανεῦσαι µᾶλλον ἂν πρέποι ἢ τῶν πραγµάτων εὖ καθεστώτων ταραχὴν οὐ δέον αὑτῷ τε καὶ τοῖς πέλας προστρίβεσθαι. οἷς δὴ καὶ αὐτὸς εὔελπις ὢν ἐνθάδε ἀφῖγµαι, ὅπως τὸ λοιπὸν ἀµφοτέροις τὰ ἐκ τῆς εἰρήνης ἀγαθὰ εἴη. PLRE II, Rufinus 13, S. 954–957. 98 Prok. Bell. 1,16,4 (Übers. nach Veh): ὦ παῖ Σιλβανοῦ, µηδαµῶς ἀντιστρέφειν τὰς αἰτίας πειρῶ [...] 99 Diese Stelle ist ein Indiz mehr für die grundlegende Bedeutung der Archäologie der Perserkriege: Prokop muss hier nicht ausführlich berichten, wer Anatolios war, da er ihn bereits in der Archäologie eingeführt hat. Die Archäologie schafft das nötige Vorwissen, um die Gegenwart verstehen zu können. PLRE II, Fl. Anatolius 10, S. 84–86. 100 Prok. Bell. 1,16,8 (Übers. nach Veh): οὐ γὰρ τὰ ὅπλα καταθήσουσι πρότερον Πέρσαι, πρὶν δὴ αὐτοῖς Ῥωµαῖοι ἢ τὰς πύλας δικαίως τε καὶ ὀρθῶς ξυµφυλάξουσιν, ἢ πόλιν ∆άρας καταλύσουσι.
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Kawadhs Rede zeigt eine interessante Diskrepanz auf: Prokop spricht ihm nicht ab, grundlegend richtig zu liegen und auch aus dem Kontext geht hervor, dass die Anschuldigungen des Kawadh berechtigt sind. Das Problem ist aber, dass ihm dieser Umstand in der aktuell für ihn nachteiligen militärischen Situation nach mehreren Niederlagen nicht viel nutzt. Er muss fest auf seinem Recht beharren, da er sich sonst unglaubwürdig machen würde, hat aber keinen Weg, es einzuklagen. Würde er weiter kämpfen, drohen nicht nur hohe Kosten, sondern weitere Niederlagen, weitere Niederlagen aber würden seine Verhandlungsposition weiter schwächen usw. Er kann aber eben auch nicht nachgeben. Es ist ein Teufelskreis. Jetzt setzt der Moment des Vergleichs – um nicht zu sagen „des Deals“ – ein: Kawadh schlägt vor, seinen Rechtsanspruch als befriedigt zu betrachten, wenn entweder Daras aufgegeben wird oder die Römer sich an der Verteidigung der Pässe beteiligen. Es ist offenkundig, dass die Aufgabe von Daras am römischen Vertragsbruch nichts ändert, schließlich ist er schon geschehen. Kawadh würde dann aber nicht mehr damit argumentieren; die gute rechtliche Weltordnung könnte man als wiederhergestellt betrachten und so könnten die Großmächte wieder näher zusammenkommen. Deutlicher ist es noch im Fall der Kaspischen Tore: Eine gemeinsame Verteidigung würde genau das bewirken. Kawadh beschwört, wie Justinian in der Rede des Rufinos, die Gemeinsamkeit und gemeinsame Aufgabe der Mächte. Wenn die Römer an den Pässen mitwirkten, würde das den persischen Zweifrontenkrieg entlasten, da die Perser dort nicht mehr allein gegen Hunnen kämpfen müssten. Wenn die Römer Daras aufgäben, würde das den Zweifrontenkrieg durch Wegfall des dortigen Kampfes gegen die Römer entlasten. Kawadhs Anliegen ist also: Wenn die Römer auf Kawadh eingehen, betrachtet er seinen Rechtsanspruch als saturiert, vergisst den römischen Vertragsbruch und wahrt den Frieden. Forderungen, die darüber hinausgehen, kann er in seiner aktuellen Situation nicht stellen. Das bedeutet, dass die Römer die persarmenischen Orte behalten dürfen. Es ist deutlich, dass die Römer wohl nicht die Option wählen werden, Daras aufzugeben. Er hat somit außenpolitisch den Vorteil des Friedens an mindestens einer Front, einer Entlastung an den Kaspischen Toren und eines verbesserten Verhältnisses zum Imperium, innenpolitisch aber kann er vermitteln, dass er dem Recht des Sasanidenreiches Geltung verschafft habe und in der Lage gewesen sei, die Römer bezüglich der Kaspischen Tore einzuspannen. Die Römer haben den Vorteil, nicht weiter kämpfen zu müssen, ihre Beziehungen zum Sasanidenreich zu verbessern, aktuell in einer militärisch guten Position zu sein und für den Preis der Verteidigung der Tore die Orte in Persarmenien und Daras ohne persische Anfeindung sowie Potentiale in Iberien (man denke an den geflohenen Gurgenes) behalten zu können. Sie müssten auch nicht zugeben, gegen den Vertrag verstoßen zu haben, wenn sie die Option der Kaspischen Tore wählten. Kawadh macht also Zugeständnisse.
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Noch deutlicher wird der Charakter des „Deals“ im folgenden Satz Prokops: „Nach dieser Erklärung entließ Kawadh den Gesandten, doch drückte er ihm auch seinen Wunsch aus, Geld anzunehmen und so die Anlässe zum Krieg gütlich aus der Welt zu schaffen.“101 Es fragt sich, welche Rolle die Zahlung dabei spielen soll, doch ist diese wohl als sichtbares Unterpfand ein wesentlicher Bestandteil einer solchen Abmachung: Wenn Justinian Kawadh etwas zahlt, kann dieser das innenpolitisch als Eingeständnis der römischen Schuld darstellen und somit als Sieg über die Römer, denn sie haben offenkundig nachgegeben.102 Der Großkönig konnte so sein Gesicht wahren. Es ist offenkundig, dass er in den Verhandlungen zwar nachgegeben hat, aber durch die Zahlung lässt sich das anders darstellen.103 101 Prok. Bell. 1,16,9 (Übers. nach Veh): τοσαῦτα Καβάδης εἰπὼν τὸν πρεσβευτὴν ἀπεπέµψατο, παραδηλώσας ὥς οἱ βουλοµένῳ εἴη χρήµατά τε πρὸς Ῥωµαίων λαβεῖν καὶ τὰς τοῦ πολέµου καταλύειν αἰτίας. 102 Vgl. Higgins 1941, 283f., vgl. Sykes 1921, 454, zu diesem Motiv, wenngleich man die Bezugnahme auf die Eitelkeit als nationale Eigenschaft der Perser in einer Arbeit der Gegenwart wohl nicht mehr gelten lassen kann. Börm 2006, 307–309. 103 Wiesehöfer 2007a, 132: „There is much to suggest also that the Iranian rulers of the fifth and sixth centuries, similar to Shabuhrʼs pecuniary demands on Philip the Arab, propagandistically passed off Byzantine payments as tribute, although they were part of well-balanced diplomatic agreements and intended to support Sasanian efforts to protect the borders against nomads or mountain tribes.“ Vgl. Altheim/Stiehl 1957, 21f. Canepa 2018, 63 (Im konkreten Fall bezüglich Zahlungen ab 562): „this amount was minute compared to the Sasanian economy and could not have appreciably affected the Sasanian Empireʼs finances. The primary significance was likely symbolic: propaganda directed at internal elites testifying to the king of kingʼs and Iranʼs divinely ordained supremacy as ultimate seat of world sovereignty and tangible evidence of Romeʼs subordination. The amounts demanded were thus small enough that the Romans would consider it cheaper to pay them instead of responding militarily, yet substantial enough to make a symbolic impact.“ Vgl. Börm 2006, 631. Unentschieden zwischen wirtschaftlicher und symbolischer Bedeutung bei Kawadh bleibt Börm 2007, 237. Browning 1987, 60, betrachtet die Zahlungen als Tribute, die nur als Verteidigungsleistungen maskiert worden seien; vgl. Higgins 1941, 287. Ambivalent Rubin 1986b, 41; vgl. Güterbock 1906, 12f. Laut Börm 2008, 437f. hätten die Sasaniden von den Römern Tribut gefordert, die diese zu „Hilfsgeldern“ umgedeutet hätten. Somit lässt sich feststellen, dass in der Forschung diverse Kombinationen existieren: Es waren Hilfsgelder, die aber von der persischen Seite nach innen als Tribut dargestellt wurden. Es waren Tribute, die von der persischen Seite gegenüber den Römern als Hilfsgelder dargestellt wurden. Es waren Tribute, die von der persischen Seite gegenüber den Römern auch als solche präsentiert wurden, die sie aber ihrerseits als Hilfsgelder darstellten. Der Denkfehler dürfte darin liegen, bestimmen zu wollen „was es eigentlich war“, also anzunehmen, die Zahlung müsste entweder ein Tribut oder ein Hilfsgeld gewesen sein. Das stimmt aber nicht. Es wurde von der römischen Seite für die Verteidigung der Pässe gezahlt und die Seiten konnten dies im Inneren präsentieren, wie sie wollten; woraufhin auch die römische und persische Gesellschaft reagieren konnten, wie sie wollten. Dies wird sich im Folgenden immer wieder zeigen. Auch Blockley 1992, 109, geht davon aus, dass die Präsentation römischer Zahlungen als Tribut gegenüber der Öffentlichkeit im Sasanidenreich „would perhaps have caused little concern to the Romans, even if they learned about it“. Was eine solche Präsentation „to the peoples of sensitive areas such as north Mesopotamia
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Dieses Motiv wird noch des Öfteren auftreten.104 Justinian ging offenbar nicht auf Kawadhs Angebot ein, denn der Krieg geht mit einem Persereinfall im Frühjahr 531 weiter.105 Prokop bietet keine Gründe, es dürfte aber wie im Fall von Minduos darauf hinauslaufen, dass aktuelles Kriegsglück noch größere Vorteile als ein Eingehen auf Kawadhs Vorschläge zu bringen versprach. Kawadh musste darauf militärisch reagieren, denn das hatte er ja für den Fall römischer Ablehnung angekündigt. Was blieb ihm auch sonst übrig? Er konnte wohl nicht noch stärker in seinen Forderungen zurückstecken, ohne das Gesicht zu verlieren. Prokop beschreibt seine schwierige Situation, da er auf neue Wege zur Erlangung des Kriegsglücks sinnt und von al-Mundhir unterstützt wird, einen Einfallsweg zu finden, der nicht durch Mesopotamien oder Armenien führt.106 Dabei ist deutlich, wie sich die Optionen Kawadhs verkleinert haben und er auf dem geopolitischen Spielfeld nach neuen Wegen sucht, auf denen noch eine Veränderung der aktuellen Lage zu seinen Gunsten möglich ist und die militärische Situation nicht stagniert.107 Passend rät auch al-Mundhir: Daher verlassen sich auch die Menschen nicht allezeit aufs Glück und nehmen nicht ohne weiteres die Gefahr eines Krieges auf sich, selbst wenn sie darauf pochen dürfen, in jeder
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and Armenia and to third parties whom both powers were wooing“ angeht, so sei es wohl eine wichtige Funktion der römischen Diplomatie gewesen, dahingehende Schadensbegrenzung zu betreiben. Ebd. 149f., stellt Blockley sechs verschiedene Arten von Zahlungen und ihre mögliche Präsentation vor. Überblick auch bei Nechaeva 2014, 51–54. Trotz obigem Passus wird bei Canepa 2018, 63, letztlich angenommen, die Römer hatten, unabhängig des offiziellen Zahlungszweckes, Krieg in Kauf genommen, damit die Sasaniden sie nicht als tributär darstellen würden. Bei Börm 2007, 108, wird angesprochen, dass Gold neben der monetären Kraft für die Sasaniden auch eine besondere symbolische Bedeutung gehabt haben muss. Auch an diese lässt sich bei römischen Goldleistungen denken. Die Frage nach der Bedeutung der Zahlungen hat die Forschung beschäftigt. Als sententia communis darf wohl inzwischen gelten, dass sie keine wesentliche wirtschaftliche Bedeutung für die Staatshaushalte hatten, weder als Verlust der einen noch als Gewinn der anderen Seite. Deutlich Canepa 2018, 63 (siehe S. 165, Anm. 103 der vorliegenden Arbeit). Dies wurde bereits, wenn auch auf Basis zweifelhafter Quellen, von Altheim/Stiehl 1954, 49 u. Altheim/Stiehl 1957, 51f., gemutmaßt; vgl. Higgins 1941, 283, 289f.; Iluk 1985, 94–97; Schippmann 1990, 57; Payne 2013, 11f. Bei Daryaee 2009, 144f., wird die Frage aufgeworfen, was die Sasaniden eigentlich mit dem Gold gemacht hätten, dass sie vom Imperium erhielten. Es wurde mangels sasanidischer Goldprägungen offenkundig nicht ausgemünzt und in Umlauf gebracht, sondern vielleicht thesauriert. Auch das spricht gegen eine große wirtschaftliche Bedeutung. Ball 2011, 124, nimmt an, dass die römischen Zahlungen für die Befestigungen von Gorgan verwendet wurde; laut Altheim/Stiehl 1957, 21 für die Bewachung der Kaspischen Tore und zur Besoldung des Heeres. Prok. Bell. 1,17,1. Prok. Bell. 1,17,29–40. Greatrex 1994, 182f., betont, dass dieser Weg nicht so neuartig sei, wie von Prokop behauptet. Es ist aber zu bedenken, dass er in Prokops Zeit nicht etabliert, sondern unerwartet und daher neu war, vgl. Greatrex 1998, 193. PLRE II, Alamundarus 2, S. 40–43. Vgl. Prok. Bell. 1,17,34–38.
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Hinsicht ihren Feinden überlegen zu sein; im Gegenteil, sie sind bemüht, ihre Widersacher durch Trug und allerlei Listen zu hintergehen. Denn wer in gleicher Gefahr schwebt, kann nicht mit Sicherheit auf Sieg rechnen.108
Der Einfall geschieht, aber Belisar weiß anfangs, Kampfhandlungen zu vermeiden. In einer Rede rechtfertigt er das: Nach menschlicher Ansicht sei der einzige richtige Sieg, von den Feinden nichts Schlimmes erleiden zu müssen. Dieser Fall wäre nun für die Römer eingetreten, außerdem käme noch die Furcht der Feinde vor ihnen dazu. Sei es nicht besser, die jetzt gehaltenen Vorteile zu genießen als nach ihnen zu suchen, wenn sie verloren sein würden? Die Perser wären voller Erwartungen gegen die Römer gezogen, hätten jetzt aber alles aufgeben und fliehen müssen. Würden die Römer sie daher jetzt gegen ihren Willen zwingen, den Rückzug aufzugeben und zu kämpfen, würden die Römer mit einem Sieg nichts dazugewinnen. Es hieße einen Fliehenden in die Flucht schlagen. Wenn aber die Römer Misserfolg hätten, würden sie den jetzt sicheren Sieg verlieren – und nicht einmal durch den Feind, sondern selbstverschuldet. Das Land des Kaisers wäre dann verteidigungslos den Feinden ausgeliefert. Gott pflege den Menschen zudem für gewöhnlich nur in unausweichlichen, aber nicht selbstverschuldeten Gefahren zu helfen.109 Eine beachtliche Argumentation. Warum sollten die Römer auch den Kampf forcieren und Kawadh damit die Möglichkeit zu einem potentiellen Sieg geben, durch den er seine Position verbessern könnte und der dazu geeignet wäre, ihn zu reizen, weiterhin den neuen Einfallsweg ins Imperium zu verwenden? Dagegen wäre im Fall eines römischen Sieges nichts gewonnen: Kawadh würde einfach wieder abziehen und wäre in einer noch weniger zur Verhandlung geneigten Lage, da sich seine Position immer mehr verschlechterte. Wenn er dagegen abziehen müsste, ohne eine militärische Entscheidung erwirkt zu haben, könnte ihm das den neuen Einfallsweg verleiden und zudem geneigt machen, vielleicht doch Rom weitere Angebote zu machen, da sich dann zeigen würde, dass er auf allen Schauplätzen des Krieges keine Chance zur Veränderung der Situation hätte. Belisars Sicht setzt sich aber nicht durch, vielmehr wird er von seinem Umfeld umgestimmt, die Schlacht gewagt und von den Römern verloren, wenn auch die Perser erhebliche Verluste hinnehmen müssen und am Ende abziehen.110 Der Einfallsweg hat sich für die Perser als geeignet erwiesen und damit hat Kawadh eine verbesserte diplomatische Position gewonnen. Die Veränderung der derzeitigen diplomatischen Situation zwischen den Reichen schlägt sich darin nieder, dass Hermogenes gleich nach der Schlacht als Gesandter zu Kawadh kommt, „doch fand er den Herrscher noch sehr auf die Römer erzürnt und konnte 108 Prok. Bell. 1,17,32f. (Übers. nach Veh): διὸ δὴ οὐκ ἔχοντες ἀεὶ ἐπὶ τῇ τύχῃ τὸ θαρρεῖν ἄνθρωποι οὐκ ἐκ τοῦ εὐθέος ἐς κίνδυνον πολέµου καθίστανται, κἂν τῷ παντὶ τῶν πολεµίων ὑπεραίρειν αὐχῶσιν, ἀλλ̓ ἀπάτῃ τε καὶ µηχαναῖς τισι περιελθεῖν τοὺς ἐναντίους ἐν σπουδῇ ἔχουσιν. 109 Prok. Bell. 1,18,17–21. 110 Prok. Bell. 1,18,24–56.
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deshalb den Zweck seiner Sendung, den Abschluss eines Friedensvertrages, nicht erreichen; unverrichteter Dinge musste er die Heimreise antreten.“111 Es liegt nahe, dass die römische Seite ihre Stellung wahren wollte, bevor Kawadh die neu gewonnenen militärischen Optionen nutzen konnte. Es ist aber ebenso offensichtlich, dass dieser nun kein Interesse an einem Friedensschluss zu den aktuellen Bedingungen hatte. Schließlich war den Römern zuvor die Option gegeben worden, zu entgegenkommenden Bedingungen einen Frieden mit ihm zu schließen, diesen hatte Justinian aber abgelehnt und Kawadh – sein Wort haltend – Krieg geführt. Er hatte angekündigt, diesen führen zu wollen, bis die Römer Daras räumten oder sich an der Verteidigung der Kaspischen Tore beteiligten. Da Hermogenes offensichtlich keines von beidem anbot, war die Verhandlung gescheitert. In einem Exkurs schildert Prokop, wie Justinian (wohl in Anbetracht dessen), Verbündete gegen das Sasanidenreich unter den Axumiten und Himyariten zu gewinnen sucht.112 Wenn Kawadh neue geostrategische Wege geht, will Justinian das offenbar auch. Das Vorhaben gelingt aber nicht.113 Der Krieg geht mit einem persischen Einfall und der Belagerung von Martyropolis weiter.114 Der Konflikt zwischen Justinian und Kawadh bricht bald darauf mit Kawadhs Tod ab.115 Aus Martyropolis werden nun römische Gesandte an die persischen Feldherren geschickt,116 wobei davon auszugehen ist, dass hier ein römischer Informationsvorsprung über den Tod des Kawadh vorlag, die römischen Feldherren in Martyropolis also noch vor den persischen Belagerern der Stadt Kenntnis darüber erlangt hatten, zumal Prokop in just diesem Kapitel gerade erst auf das Thema der Informationsbeschaffung eingegangen ist.117 Dazu passt, dass sie praktisch nichts Neues sagen, sondern weiter auf der römischen Friedensliebe und dem Nutzen des Friedens für beide Seiten bestehen. Darum sollten die Perser abziehen, es wären Gesandte der Römer zu Kawadh unterwegs, um Streitpunkte auszuräumen und Frieden zu schließen. Für die Richtigkeit dieser Aussage würden die Römer auch mit Geiseln bürgen.118 Es ist kaum denkbar, dass ein römischer Feldherr glaubte, mit diesem Anliegen Erfolg zu haben, wenn er nicht von Kawadhs Tod gewusst hätte. Denn wenn wirklich Verhandlungen stattfinden sollten, wäre es töricht von der persischen Seite, ihren aktuellen Vorteil – die Bedrohung der Stadt Martyropolis – einfach aus der Hand zu
111 Prok. Bell. 1,21,1 (Übers. nach Veh): […] ἐπέραινεν οὐδὲν τῆς εἰρήνης πέρι, ἧς ἕνεκα ἦλθεν, ἐπεὶ αὐτὸν οἰδαίνοντα ἔτι ἐπὶ Ῥωµαίους εὗρε· διὸ δὴ ἄπρακτος ἀνεχώρησε. 112 Prok. Bell. 1,19,1. Siehe dazu auch Kapitel 19.7 der vorliegenden Arbeit. 113 Prok. Bell. 1,20,9–13. 114 Prok. Bell. 1,21,4f. 115 Prok. Bell. 1,21,17–20. 116 Prok. Bell. 1,21,23. 117 Prok. Bell. 1,21,11f. 118 Prok. Bell. 1,21,24f.
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geben, obwohl er ein wichtiges Druckmittel in den Verhandlungen sein könnte. Dazu passend lautet Prokops nächster Satz: Zufällig traf auch ein Bote aus der königlichen Residenz ein und meldete den Tod des Kawadh und den Regierungsantritt seines Sohnes Chosrau als König der Perser. Dies machte die Lage unsicher, und so nahmen die Feldherren die römischen Erklärungen gern zur Kenntnis, zumal sie auch vor dem Angriff der Hunnen bangten.119
Bei letzterem handelt es sich um eine römische Finte.120 So werden Geiseln gestellt und die Belagerung abgebrochen.121 Die römische Seite hat offenkundig schnell die treffenden Maßnahmen gefunden: Wenn sie eilig genug reagiert und Angebote macht, da Chosraus Herrschaft noch jung und unbefestigt ist, besteht die Chance, dass sie ihre erworbenen Vorteile und damit eine starke Verhandlungsposition behalten und vertraglich festschreiben kann, denn Chosrau müsste am Beginn seiner Herrschaft besonders geneigt sein, Frieden zu schließen, um nicht von Anfang an einen Römerkrieg führen zu müssen. Vielmehr müsste außenpolitische Stabilität in seinem Interesse sein. In der Tat empfängt er bald die römischen Gesandten Rufinos, Alexandros, Thomas und Hermogenes, um mit ihnen über einen Friedensschluss zu verhandeln.122 Sie wissen offenbar mit ihm zu reden, was Prokop verurteilt: Die Gesandten aber ließen, um den Herrscher günstig zu stimmen, viele Schmeichelworte vernehmen, wie sie sich für Römer ihrer Stellung ganz und gar nicht schickten.123
Da sie wussten, dass der aktuelle Friede sehr in Chosraus Interesse lag, gab es keinen Grund, ihn vor den Kopf zu stoßen, vielmehr galt es ihn zu möglichst großen Zugeständnisse zu bewegen. Prokop gibt die Effektivität des diplomatischen Vorgehens auch zu: Chosrau fühlte sich dadurch zur Nachgiebigkeit bewogen und versprach, für 110 Kentenarien einen ewigen Frieden mit ihnen abzuschließen, jedoch mit der Auflage, dass der militärische Befehlshaber in Mesopotamien künftig nicht mehr in Daras, sondern, wie auch früher schon, in Konstantine seinen dauernden Sitz habe. Was die festen Plätze in Lazika anlangte, so lehnte er deren Rückgabe ab, verlangte aber selbst die Räumung der Festungen Pharangion und Bolon durch die Römer. […] Die Zahlung dieser Goldsumme verlangte Chosrau dafür, dass die Römer weder die Stadt Daras schleifen noch die Bewachung der Kaspischen Tore gemeinsam mit den Persern übernehmen sollten.124 119 Prok. Bell. 1,21,26f. (Übers. nach Veh): ἐτύγχανε δὲ καὶ ἄγγελος ἐκ τῶν βασιλείων ἐς αὐτοὺς ἥκων, ὃς δὴ αὐτοῖς τετελευτηκέναι µὲν Καβάδην ἐσήγγελλε, Χοσρόην δὲ τὸν Καβάδου βασιλέα καταστῆναι Πέρσαις, ταύτῃ τε τὰ πράγµατα ᾐωρῆσθαι σφίσι. καὶ ἀπ̓ αὐτοῦ τοὺς Ῥωµαίων λόγους οἱ στρατηγοὶ ἄσµενοι ἤκουσαν, ἅτε καὶ τὴν Οὔννων ἔφοδον δείσαντες. 120 Prok. Bell. 1,21,11–16. 121 Prok. Bell. 1,21,27f. 122 Prok. Bell. 1,22,1. PLRE IIIA, Alexander 1, S. 41–42; PLRE IIIB, Thomas 4, S. 1315. 123 Prok. Bell. 1,22,2 (Übers. nach Veh): τιθασσεύοντες· δὲ Χοσρόην οἱ πρέσβεις ἐπαγωγά τε πολλὰ ἔλεξαν καὶ Ῥωµαίων ὡς ἥκιστα πρέσβεσι πρέποντα. 124 Prok. Bell. 1,22,3 u. 5 (Übers. nach Veh): οἷς δὴ χειροήθης ὁ Χοσρόης γενόµενος τὴν µὲν εἰρήνην πέρας οὐκ ἔχουσαν δέκα καὶ ἑκατὸν κεντηναρίων ὡµολόγει πρὸς αὐτοὺς θήσεσθαι,
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Die Gesandten sind mit allem, aber nicht der Übergabe der Festungen einverstanden, wozu sie erst Rücksprache mit dem Kaiser halten wollen, der am Ende zustimmt.125 Es kommt zu einem interessanten Fall von Manipulation durch Justinian, der im entsprechenden Kapitel dieser Arbeit zur Sprache kommt,126 und man modifiziert die Bedingungen:127 Beide Seiten sollen alle im Krieg gewonnen Orte zurückgeben. Hinsichtlich Darasʼ bleibt es bei Chosraus Vorschlag. Die nach Konstantinopel geflohenen Iberer können bleiben oder auch in ihre Heimat zurückkehren.128 So wird der Ewige Frieden (532) geschlossen.129 Die römische diplomatische Maschinerie erreichte einen Friedensschluss zugunsten der Römer,130 der proportional so weit über Kawadhs Zugeständnisse hinausging, wie Chosraus Stellung unsicherer als die seines Vaters war. Eine einzige (und wohl nicht besonders hohe) Zahlung erledigt die Wahl, sich entweder von Daras zu trennen oder an der Verteidigung der Kaspischen Tore zu beteiligen. Diese beiden immer wieder im Konflikt mit Kawadh zur Sprache kommenden Punkte – Stachel im Fleisch der Römer – sind damit zu einem für Rom denkbar günstigen Abschluss gekommen: Die Römer müssen keines von beidem vornehmen. Daras sollte nicht einmal geschleift werden, die Verlegung der militärischen Zentrale dürfte einen nur kleinen Nachteil bedeutet haben, der vor allem symbolisch die Bereitschaft der Römer zeigte, Daras nicht aggressiv oder als Bollwerk gegen das Sasanidenreich verwenden zu wollen. Es geht um die sichtbare Einlei-
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ἐφ̓ ᾧ δὴ ὁ τῶν ἐν Μεσοποταµίᾳ στρατιωτῶν ἄρχων µηκέτι ἐν ∆άρας τὸ λοιπὸν εἴη, ἀλλ̓ ἐν Κωνσταντίνῃ τὸν ἅπαντα χρόνον διαγένοιτο, ᾗπερ καὶ τὸ παλαιὸν εἴθιστο· φρούρια δὲ τὰ ἐν Λαζικῇ οὐκ ἔφη ἀποδώσειν, καίπερ αὐτὸς τό τε Φαράγγιον καὶ Βῶλον τὸ φρούριον δικαιῶν πρὸς Ῥωµαίων ἀπολαβεῖν. […] τοῦτο δέ οἱ δίδοσθαι τὸ χρυσίον ἠξίου, ὡς µήτε πόλιν ∆άρας Ῥωµαῖοι καθελεῖν ἀναγκάζωνται µήτε φυλακτηρίου τοῦ ἐν πύλαις Κασπίαις µεταλαχεῖν Πέρσαις. Prok. Bell. 1,22,6–8. Siehe Kapitel 16.2. Greatrex 1994, 217, geht dabei auch von einem Bluff Chosraus zur Beschleunigung der Verhandlungen aus. Greatrex 1994, 217, sieht dagegen einen Einfluss des Nikaaufstandes im Hintergrund; vgl. Hofmann 1877, 38. Prok. Bell. 1,22,9–16. Prok. Bell. 1,22,17–19. Die Datierung ist auch in diesem Fall nicht ganz sicher; 532 und 533 werden vertreten; zur Darlegung des Problems samt Literaturschau siehe Hartmann 2018, 906, Anm. 857. 533 etwa für Güterbock 1900, 42; Gray 1930, 147; Labas 2018, 180; dagegen 532 etwa für Kirchner 1887 bereits im Titel, Vasiliev 1950, 255; Kawar 1956, 208; Miller 1970, 60, Anm. 11; Jones 1973, 272; Winter 1987, 67; Chrysos 1989, 15; Synellis 1989, 242f.; Greatrex 1994, 215; Funke 1996, 233; Greatrex 1998 bereits im Titel; Börm, 2006, 300; Howard-Johnston 2008, 80; Howard-Johnston 2010, 46; Ball 2011, 126; Edwell 2015, 243; Howard-Johnston 2017, 295. Die derzeitige sententia communis neigt deutlich zu 532. Dagegen wird der Frieden von Daryaee 2009, 30, als zugunsten der Perser aufgefasst, vgl. Güterbock 1900, 42; Daryaee 2008b, 77f.; Howard-Johnston 2010, 46. Dagegen Browning 1987, 60. Ziche 2012, 327f. aus der Perspektive einer an Immanuel Wallerstein angelehnten sozioökonomischen Betrachtung: „Ce traité constitue un brillant succès de la diplomatie romaine. Il permet dʼobtenir exactement les conditions qui correspondent aux impératifs socioéconomiques et politiques de lʼEmpire romain [...]“ Dagegen Kirchner 1887, 18.
12.3 Die Narrative Prokops, Agathiasʼ und Menanders
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tung friedlicher Beziehungen. Daneben sind vorerst auch die Probleme um Lazien und Iberien erledigt. Der finanzielle Gewinn dürfte dabei für Chosrau gering gewesen sein, es wird vielmehr erneut darum gegangen sein, am Anfang seiner Herrschaft ein sichtbares Zeichen dafür zu haben, dass die Römer ihn um Frieden bitten und er diesen gegen Zahlung eines „Tributs“ zu gewähren pflegt.131 Er ist dazu in der Lage, während sein Vater dies nicht zustande gebracht hatte. Das ist innenpolitisches Kapital. Der status quo ante hinsichtlich der Festungen lässt sich als Bereinigung des Unrechts und Wiederherstellung des guten alten Zustandes darstellen. Chosrau kann als jener gelten, der tabula rasa macht und die Beziehungen zu den Römern in eine neue unbelastete Phase führt. Dagegen dürfte der Bruch mit Kawadhs höheren Forderungen innenpolitisch in den Hintergrund treten. Die besondere Bedeutung der innenpolitischen Konsolidierung für Chosrau132 demonstriert Prokop im Folgenden, da er ausführlich eine Verschwörung gegen ihn schildert, die aus Unzufriedenheit mit seiner Herrschaft resultiert sei.133 Nach dem Vandalenkrieg fasst Prokop wiederum einen für den diplomatische Austausch der Großmächte interessanten Ablauf zusammen: Als Chosrau und die Perser von dem für Rom erfolgreichen Ausgang des Krieges gehört hätten, seien sie sehr ungehalten gewesen und hätten den mit den Römern geschlossenen Frieden bereut, insofern deren Macht einen großen Aufschwung erlebte. Über Gesandte lässt Chosrau Justinian Glückwünsche bestellen und ironisch seinen Anteil an der Beute fordern, da der Vandalensieg seiner Meinung nach nie zustande gekommen wäre, wenn es nicht zuvor den römisch-persischen Frieden gegeben hätte. Justinian beschenkte ihn danach tatsächlich mit Gold.134 Damit spricht Prokop am Ende des ersten Buches seines Geschichtswerkes bereits ein Grundthema des zweiten an: Die persische Angst vor einer Verschiebung des Gleichgewichts zugunsten der Römer. Zunächst ist festzustellen, dass der Ewige Frieden, wenn auch etwas zu Gunsten der Römer, doch in vielen Punkten einen status quo ante festgeschrieben hatte und deutlich der Idee des militärischen Gleichgewichts verpflichtet war.135 Nun geschehen aber im fernen Westen römische Operationen, durch die aus persischer Sicht zu befürchten ist, dass die 131 Die Stärkung der Reputation des Königs sieht auch Greatrex 1998, 216f.; bezüglich des Goldes wird ebd. 216 aber angenommen, die Summe sei nur für die Römer gering gewesen, nicht aber für Chosrau. Zur symbolischen Bedeutung von Zahlungen als Tribute vor dem iranischen kosmologischen Hintergrund Payne 2013, 12–14, wenn auch die in Paynes Arbeit vertretene Idee, dass die potentielle Weltherrschaft der Sasaniden durch Tribute realisiert wurde, wohl dahingehend zu weit geführt wird, dass dies ein wesentlicher Grund für Kriege mit den Römern gewesen sei, befeuert durch das geschwächte Selbstbild nach Niederlagen im Osten. 132 Vgl. Sykes 1921, 450; Jones 1973, 272. Laut Meier 2004, 196, war Chosrau zum Frieden geneigt, da er eine im Inneren noch ungefestigte Stellung hatte. 133 Prok. Bell. 1,23,1–6, wobei Prokop mit der Neuerungssucht des Chosrau wohl auch auf die Justinians abzielt. 134 Prok. Bell. 1,26,2–4; vgl. 2,3,57; Güterbock 1906, 11; Sykes 1921, 450. 135 Vgl. dagegen Howard-Johnston 1995, 163.
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römische Ressourcenbasis erheblich gestärkt werden könnte. Diese Verstärkung könnte auch gegen das Sasanidenreich genutzt werden. Selbstverständlich widerspricht der Krieg gegen die Vandalen nicht dem Ewigen Frieden und Chosrau hat keinen Weg, Justinian das vorzuwerfen, aber seine Sorge ist deutlich. Daher ist nachvollziehbar, dass er Justinian vorsichtig darauf hinwies, dass dieser Sieg ohne den Ewigen Frieden nicht möglich gewesen wäre, was man auch so deuten kann, dass es nicht der Sinn des Ewigen Friedens war, dem Imperium die Möglichkeit zu geben, stärker zu werden, sondern Frieden und Gleichgewicht zwischen den Großmächten zu erreichen. Wenn Chosrau schreibt, dass der Frieden eine Voraussetzung des Vandalenzuges gewesen sei, so deutet er zudem subtil an, dass es weniger gut für die römische Sache im Westen stünde, wenn er sich entscheiden würde, den Frieden zu brechen. Chosrau wird sich gehütet haben, dies direkt zu formulieren. Es liegt aber nahe, dass Chosrau in Anbetracht solcher Vorgänge ein sichtbares Zeichen des guten Willens Justinians in Form einer Zahlung erhalten möchte, durch die dieser seinen nach wie vor gegebenen Friedenswillen bekundet und zeigen kann, wie sehr er dem Frieden nach wie vor verbunden ist. Würde Justinian es ablehnen, würde sich der persische Verdacht drastisch erhärten und Chosrau könnte sich entsprechend vorbereiten. Justinian versteht den Wink offenbar und nimmt eine Zahlung vor. 12.3.2 Das zweite Buch der Bella 1–15 Justinians Unternehmungen in Italien sind es dann, die Chosrau zum Präventivkrieg drängen, wie Prokop bereits im ersten Satz des zweiten Buches zusammenfasst: Bald darauf erfuhr Chosrau, dass Belisar begonnen hatte, auch Italien dem Kaiser Justinian zu gewinnen; jetzt konnte er seinen Sinn nicht mehr bezähmen, sondern suchte nach Vorwänden, um mit gutem Grund den Vertrag zu brechen.136
Diese Angaben tragen programmatischen Charakter. Es ist an sich nicht relevant, ob Justinian wirklich die im Westen gewonnene Macht in erster Linie nutzen wollte, um sie gegen das Sasanidenreich einzusetzen, der entscheidende Punkt ist aus persischer Sicht vielmehr, dass er Potentiale gewann, die zu einem solchen Zweck hätten eingesetzt werden können. Es stand derzeit nicht die Zerstörung des Gleichgewichts auf dem Spiel, aber doch die schrittweise Erosion zugunsten des Imperiums, das nicht in einer großen Operation versuchte, die Oberhand zu gewinnen, sondern vielmehr indirekt und mit kleinen Schritten. Chosrau darf sich nicht darüber beschweren, da Gewinne im Westen keinen Bruch des Ewigen Frie136 Prok. Bell. 2,1,1 (Übers. nach Veh): χρόνῳ δὲ οὐ πολλῷ ὕστερον ὁ Χοσρόης µαθὼν ὡς καὶ Ἰταλίαν Βελισάριος Ἰουστινιανῷ βασιλεῖ προσποιεῖν ἤρξατο, οὐκέτι κατέχειν οἷός τε ἦν τὴν διάνοιαν, ἀλλὰ σκήψεις ἐπινοεῖν ἤθελεν, ὅπως δὴ λόγῳ τινὶ εὐπρεπεῖ τὰς σπονδὰς λύσειεν.
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dens darstellen. Zugleich scheut er sich aber, wie es typisch für die Diplomatie dieser Zeit ist, offenen Vertragsbruch zu begehen, der ihm so leicht nachzuweisen wäre wie zuvor den Römern der Verstoß in Form des Festungsbaus. Wenn er die folgenden Auseinandersetzungen verlieren würde, könnte ihn dies, der schließlich die Absicht hat, eine römische Übermacht zu verhindern, in eine Situation bringen, da er noch mehr Zugeständnisse gegenüber der römischen Seite machen müsste. Daher ist es besser, sich von Anfang an möglichst wenig Verstöße gegen Verträge zuschulden kommen zu lassen, da dies eine schwere Hypothek für spätere Verhandlungen wäre, sollte der Krieg sich nicht zu den eigenen Gunsten entwickeln. So ist nachvollziehbar, dass Chosrau Wege sucht, die seine Schuld am Vertragsbruch weniger deutlich machen und stattdessen anderen zuschieben. Dies ist der Gegenstand der nächsten Kapitel Prokops: So wird al-Mundhir eingesetzt, um über einen Konflikt mit den romverbundenen Sarazenen des al-Harith zur Durchsetzung eines Rechtsanspruchs ins Imperium einzufallen.137 Al-Mundhir eignet sich als Akteur, da Sarazenen nicht in den Ewigen Frieden einbezogen worden waren, ihr Handeln also keinen Verstoß gegen den Vertrag darstellt.138 Prokop berichtet nun, dass unter den römischen Vertretern, die Justinian zur Klärung des Falles heranzieht, der verständige Zivilbeamte Strategios erkannte, dass es Chosrau darum ging, Kriegsgründe zu schaffen und man daher den Forderungen al-Mundhirs stattgeben sollte, um Chosrau ins Leere laufen zu lassen, wohingegen der Militär Summos rät, auf den eigenen Ansprüchen zu beharren.139 Justinian kann sich nicht entscheiden. Derweil wirft ihm Chosrau Vertragsbruch vor, da er versucht habe, al-Mundhir auf seine Seite zu ziehen und Hunnen gegen Persien aufzubringen, wobei er Schriftstücke als Beleg vorweist.140 Prokop meint dazu nur: „Ob diese seine Angaben indes der Wahrheit entsprachen, vermag ich nicht zu sagen.“141 Es ist für Prokops Argument vom Präventivkrieg Chosraus auch nicht von entscheidender Bedeutung. Auf keinen Fall nimmt er Justinian in Schutz, denn entweder ist es wahr – dann hätte Justinian auch direkt zur Erosion des Ewigen Friedens beigetragen – wenn es aber nicht wahr ist, hat er bereits im Fall des al-Mundhir durch die Verzögerung seiner Entscheidung zu lang gewartet. In den Anekdota nimmt Prokop kein Blatt vor den Mund und schreibt offen, dass allein Justinian durch den Versuch der Einflussnahme auf al-Mundhir und die Hunnen den Vertragsbruch verschuldet habe, wobei er sich auf die Darstellung in den Bella beruft.142
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Prok. Bell. 2,1,2f. Prok. Bell. 2,1,4f.; Börm 2007, 76. Prok. Bell. 2,1,9–11. PLRE II, Fl. Strategius 9, S. 1034–1036; Summus, S. 1038f. Prok. Bell. 2,1,11–14. Prok. Bell. 2,1,15 (Übers. nach Veh): εἰ µέντοι ταῦτα λέγοντί οἱ ἀληθίζεσθαι ξυνέβαινεν, οὐκ ἔχω εἰπεῖν. 142 Prok. HA 11,12.
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In den folgenden Kapiteln der Bella lässt Prokop dann noch eine gotische und eine armenische Gesandtschaft Chosrau zum Krieg gegen die Römer bewegen.143 Beide argumentieren mit dem Anwachsen der römischen Stärke, die sich schließlich gegen das Sasanidenreich wenden würde.144 Prokop rudert zwar oberflächlich zurück, indem er betont, es seien ja Feinde Justinians, die so gegen ihn auftraten und Chosrau neidisch, zudem könne man ja keinem Kaiser vorwerfen, seine Macht stärken zu wollen,145 aber er investiert einigen Raum und Aufwand, um das Anliegen eben jener Feinde zu schildern; wohl dem des Öfteren anzutreffenden Schema gemäß, die eigene Kaiserkritik zu äußern, indem sie Feinden des Kaisers in den Mund gelegt wird.146 Schließlich schreibt er nirgendwo, dass Justinian seine Macht nicht auf vertragsbrüchige Weise gegen Persien einsetzen würde, wenn der Zeitpunkt günstig wäre. Eine Anspielung ist vielleicht auch in der Bemerkung zu sehen, dass man die Anschuldigung, seine Macht zu erweitern, ebenso gut auch Alexander oder Kyros machen könnte.147 Just diesen beiden ist aber gemeinsam, das Perserreich erobert zu haben. Chosrau entschließt sich zum Krieg.148 Justinian will ihn mit einem Schreiben abhalten, das sich größtenteils bekannter Argumentationsmuster bedient: Es ist Sache verständiger und gottesfürchtiger Männer, Zündstoffe für einen Krieg, zumal wenn es sich um engste Freunde handelt, mit aller Kraft zu beseitigen, während Toren, die es mit Gottes Strafe sehr leicht nehmen, darauf eingehen, Anlässe zu Kampf und Zerwürfnis neu zu schaffen.149
Wenn der Friede gebrochen werde, sei es nur noch ein leichter Weg zum Krieg, dagegen ein schwerer, wieder zurück zum Frieden zu gelangen. Die von Chosrau angeführten Schreiben, die Justinian belasten sollten, seien böswillig fehlinterpretiert. Al-Mundhir sei gewaltsam ins Imperium eingefallen und habe dort gewütet. Chosrau sollte dafür nicht die Römer beschuldigen, sondern sich bei ihnen entschuldigen. Die Römer wollten trotzdem weiter den Frieden, müssten aber hören, dass Chosrau den Krieg wolle und dazu Gründe erfinde. Wenn jemand die bestehenden Verhältnisse aufrecht erhalten wolle, schenke er auch schwerwiegenden Anschuldigungen gegen Freunde kein Gehör. Wer dagegen keine Freundschaft wolle, schaffe sogar aus dem Nichts Vorwände. Das sei nicht königlich. Ein Krieg würde auf beiden Seiten viele Menschenleben kosten. Chosrau solle bedenken, wer die Schuld daran tragen würde. Chosrau solle sich der Eide erinnern, die er 143 144 145 146 147 148 149
Prok. Bell. 2,2f. Prok. Bell. 2,2,4–11; 2,3,37–51. Prok. Bell. 2,2,12–15. Vgl. Börm 2007, 263. Prok. Bell. 2,2,15. Prok. Bell. 2,3,55–57. Prok. Bell. 2,4,17 (Übers. nach Veh): ξυνετῶν µὲν ἀνθρώπων ἐστὶ καὶ οἷς τὰ ἐς τὸ θεῖον ἱκανῶς ἤσκηται πολέµου φυοµένας αἰτίας, ἄλλως τε καὶ πρὸς ἄνδρας τὰ µάλιστα φίλους, σθένει παντὶ ἀποτέµνεσθαι· ἀξυνέτων δὲ καὶ τὰ τοῦ θεοῦ σφίσιν αὐτοῖς ῥᾷστα ποιουµένων πολέµια µάχης τε καὶ ταραχῆς ἀφορµὰς οὐδαµῆ οὔσας ἐπιτεχνᾶσθαι.
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missachtet habe. Das könne er nicht leugnen. Gott, der sich nicht täuschen lässt, würde einschreiten.150 Chosrau nimmt das zur Kenntnis, antwortet aber nicht sofort, sondern hält den Gesandten Anastasios fest.151 Wieder wird von römischer Seite mit der Friedensliebe und der Brüderlichkeit argumentiert, wobei auch die für beide Seiten negativen Konsequenzen des Krieges aufgezeigt werden. Der anderen Seite wird Kriegstreiberei unterstellt. Die Echtheit der gegen ihn angeführten Schreiben leugnet Justinian nicht, nur ihre Intention. Bezüglich des Strata-Disputes um al-Mundhir beruft sich die römische Seite auf ihr Recht. Es wird an Chosraus königliche Gesinnung appelliert. Schlussendlich kommt wieder Gott als Instanz für die Einhaltung der Verträge ins Spiel. Die Argumentation erinnert also an bereits dargelegte Strukturen: Die Römer betonen ihre Friedensliebe und die Rechtmäßigkeit ihres Handelns, können der persischen Seite aber nicht nachweisen, dass sie ihrerseits nicht im Recht wäre, da Aussage gegen Aussage steht. Daher wird wieder Gott als Instanz eingeführt. Chosrau muss darauf nicht eingehen, denn was wollte er erwidern, außer, dass er den Römern genau das gleiche vorwirft? Sie würden sich im Frieden auf den Krieg vorbereiten (man denke an die Position im Westen), die Anschuldigungen gegen ihn seien falsch und im Strata-Disput habe er das Recht auf seiner Seite. Aus all diesen Gründen müsse Gott mit ihm sein. Wie bereits in den Briefen zwischen den Feldherren vor der Schlacht von Daras ist ein Ablauf zu beobachten, der zur Lösung führt, die Waffen sprechen zu lassen und daher die Pattsituation durch eine militärische Entscheidung aufzulösen. Chosraus laut Prokop wichtigstes Anliegen, die Angst vor dem Einsatz erstarkender römischer Macht gegen das Sasanidenreich, könnte er sowieso nicht mitteilen, denn welche Veränderung sollte das auf römischer Seite bewirken? Justinian kann die Siege über Vandalen und Goten nicht rückgängig machen. Die Erschütterung im Gleichgewicht zwischen den Großmächten ist bereits geschehen. Es ändert nichts, darüber zu reden. Die persischen Bedenken würde auf römischer Seite, die ihre Friedensliebe betont, sowieso abgestritten. Da die Verhandlungen über die Schuldfrage sowie die Zuschreibungen von Recht und Unrecht nicht fruchten, kann Chosrau gleich zum realpolitischen Teil der Verhandlungen übergehen. Also muss er Verhandlungsmasse auf seine Seite bringen, was sich mit dem geplanten Feldzug am besten bewerkstelligen lässt,152 zumal das Überraschungsmoment derzeit auf seiner Seite sein dürfte. Er kann Anastasios mit einer Antwort an Justinian schicken, wenn er in der Lage sein wird, diesen vor vollendete Tatsachen zu stellen und genug in der Hand hat, um 150 Prok. Bell. 2,4,18–25. 151 Prok. Bell. 2,4,26. PLRE IIIA, Anastasius 6, S. 63. 152 Vgl. Greatrex 1994, 127: „Hence the war in the south should probably best be viewed primarily as an attempt to acquire bargaining counters for the negotiations; these will have become all the more necessary for the Persians after Pharangium and Bolum passed to the Roman camp in 530.“ Vgl. ebd. 134.
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die folgenden Verhandlungen zu seinen Gunsten zu beeinflussen. So geschieht es auch, nachdem Chosrau die Stadt Sura eingenommen, geplündert, niedergebrannt und die Einwohner getötet oder versklavt hat:153 „Jetzt entließ er den Anastasios nach Hause: Er solle dem Kaiser Justinian berichten, an welcher Stelle er Chosrau, den Sohn des Kawadh, verlassen habe.“154 Später entlässt er die offensichtlich für das weitere Vorrücken lästigen Gefangenen nach Unterhandlung mit Kandidos, dem Bischof von Sergiopolis.155 Justinian hat schließlich bereits den richtigen Eindruck bekommen und nur für diesen waren die Gefangenen vonnöten.156 Dem Kaiserneffen Germanos schreibt Prokop ein Bewusstsein für die Vorgänge zu, da er ihn befürchten lässt, wenn Chosrau wüsste, dass er sich in Antiochia befindet, könnten die Eroberung der Stadt und seine Gefangennahme das dringendste Ziel des Feldzuges werden.157 Dies setzt voraus, dass es Chosrau vor allem um den Gewinn solcher Verhandlungsmasse ging. Prokops Justinian weiß offenbar, dass Verhandlungen in der aktuellen Situation nicht zielführend wären, nicht zuletzt der gefährlichen Stellung Chosraus wegen, der sich mit einem großen Heer im Imperium befindet und schon etliche Städte zur Übergabe oder Lösegeldzahlung bewegt hat. Wahrscheinlich aus diesem Grund bleiben seine eigentlich an den Großkönig gerichteten Gesandten Johannes und Julianos vorerst in Antiochia – begeben sich also nicht zu Chosrau – und verbieten zudem ausdrücklich, dass die Städte eigenmächtig mit Chosrau verhandeln. Als der von Chosrau entsandte Bischof Megas, der Friedensverhandlungen anknüpfen soll, zu den römischen Gesandten kommt, wird er abgewiesen.158 Warum sollte Justinian jetzt auf eine Forderung Chosraus eingehen, die dieser aus einer solchen Position der Stärke heraus vorbringt – und das nicht einmal unter Einsatz angemessener Gesandter? Justinian könnte dabei nicht gewinnen. Da nun keine Gesandten mehr zu Chosrau kommen, ist dieser gezwungen, weiterhin militärisch zu agieren, diese Fortsetzung des Feldzuges aber stärkt die römische Option, ihm gleichfalls militärisch entgegenzutreten und damit auch die Chance, dass er seiner aktuellen Verhandlungsmasse durch Niederlagen wieder verlustig geht. Dies ist von römischer Seite rücksichtslos gegenüber der unter Chosraus Einfall leidenden Bevölkerung, aber realpolitisch nachvollziehbar. Als Chosrau dann persönlich mit seinem Heer vor Antiochia erscheint und Lösegeld fordert, aber auch römische Truppen sich eingefunden haben, die Situation also für die römische Seite überschaubar ist, begeben sich die Gesandten zu ihm, werfen ihm den Friedensbruch vor, hören sich seine (bei Prokop nicht ausge153 Prok. Bell. 2,5,25f. 154 Prok. Bell. 2,5,27 (Übers. nach Veh): οὕτω τε τὸν Ἀναστάσιον ἀπεπέµψατο, Ἰουστινιανῷ βασιλεῖ ἀπαγγέλλειν κελεύσας ὅπῃ ποτὲ γῆς Χοσρόην τὸν Καβάδου ἀπολιπὼν εἴη. 155 Prok. Bell. 2,5,28–33. Prokop spekuliert über die Ursachen. 156 Vgl. Prok. Bell. 2,5,15. 157 Prok. Bell. 2,6,15. PLRE II, Germanus 4, S. 505–507. 158 Prok. Bell. 2,7,14–16; vgl. 2,6,25; Chaumont 1987, 123. Zu Megas siehe auch Kapitel 17.4 der vorliegenden Arbeit. PLRE IIIA, Iulianus 8, S. 731f.; Ioannes 7, 625f.
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führte) Erwiderung an und gehen wieder.159 Prokop misst diesen Gesprächen offenbar keine große Bedeutung bei, sie erfolgten mehr pro forma, da eine militärische Entscheidung nun in konkreter Form – einem Kampf um Antiochia – näher rückte und die römische Seite offenbar bereit war, sie zu wagen. Die Argumente waren sowieso schon lange ausgetauscht und Aussage stand gegen Aussage. Es kam auf die militärische Entscheidung an, die laut Prokop für beide Seiten etwa gleiche Chancen bot.160 Eine bestimmte List hätte seiner Meinung nach sogar die persische Eroberung der Stadt von vornherein verhindern können, diese List wurde aber nicht angewandt.161 Chosrau erobert die Stadt und bei seinem Sieg lässt er die römischen Gesandten zu sich rufen.162 Nach Prokops Meinung führt er in unredlicher Absicht aus, dass Gott ihm den Sieg verliehen hat und er die Einwohner habe schonen wollen.163 Er wendet die Worte der Römer, die ihm mit Gottes Zorn drohten, also gegen sie. Im Folgenden, näher im unten folgenden Kapitel zu den Symbolhandlungen beleuchtet,164 vermittelt Chosrau auch auf symbolische Weise, dass er Justinian die Schuld an dem Geschehen gibt.165 Chosrau kostet seinen Sieg also vollkommen aus. Die Entscheidung ist erfolgt: Er ist im Recht und er hat den Vorteil auf seiner Seite. Schließlich brennt er die Stadt nach Plünderungen nieder, mit Ausnahme der Hauptkirche, die auf Wunsch der Gesandten geschont wird.166 Mit den Gesandten will es sich Chosrau nicht verderben, denn er braucht sie schließlich, um seinen aktuellen militärischen Vorteil in einen diplomatischen Vorteil umzumünzen. So lässt er ihre Unterkünfte ebenfalls verschonen.167 Danach wenden sich die Gesandten an Chosrau: Er habe seine Eide gebrochen, „die doch als allerletztes und sicherstes Unterpfand gegenseitiger Treue und Wahrhaftigkeit unter Menschen gelten“168 und damit auch den Vertrag, die einzige Hoffnung der durch den Krieg in Unsicherheit lebenden Menschen. Das sei nicht menschlich, sondern tierisch.169 Ohne Vertrag bliebe nur die Möglichkeit eines permanenten Kriegszustandes, der entmenschliche. Auch Chosrau müsste zugeben, dass Vertragsbruch ein großes Verbrechen sei, sonst hätte er ihn ja nicht seinem Bruder Justinian vorgeworfen. Wenn die Anschuldigungen berechtigt sein sollten, hätte Chosrau sie zur Sprache bringen müssen, statt Krieg zu führen. Die 159 160 161 162 163 164 165 166 167 168
Prok. Bell. 2,8,1–5. Prok. Bell. 2,8,12. Prok. Bell. 2,8,13f. Prok. Bell. 2,8,30. Prok. Bell. 2,9,1–9. Siehe Kapitel 18.3. Prok. Bell. 2,9,9–11. Prok. Bell. 2,9,18. Prok. Bell. 2,10,8. Prok. Bell. 2,10,10 (Übers. nach Veh): […] ὃ τῶν ἐν ἀνθρώποις ἁπάντων ὕστατόν τε καὶ ὀχυρώτατον εἶναι δοκεῖ τῆς ἐς ἀλλήλους πίστεώς τε καὶ ἀληθείας ἐνέχυρον [...] 169 Zu dieser Argumentation siehe die Arbeit Andres 2019.
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Gesandten wüssten aber von der Unschuld Justinians und Chosrau solle seine Operation abbrechen, die den Persern keinen Nutzen brächte und ihm nur den Gewinn, den Römern unnötig Unrecht angetan zu haben.170 Prokop gibt Chosrau keine wörtliche Rede: Soweit die Gesandten. Chosrau hörte sie wohl an, beharrte jedoch steif auf seiner Ansicht, der Friedensvertrag sei von Kaiser Justinian gebrochen worden, und zählte die einzelnen Beschwerden auf, zu denen jener Anlass gegeben habe, Einige davon hatten sogar Gewicht, die meisten freilich waren bedeutungslos und in unsinniger Weise erdichtet. Namentlich wollte er den Briefen, die, wie schon erwähnt, Kaiser Justinian an al-Mundhir und die Hunnen gerichtet hatte, die Hauptschuld am Kriege beimessen. Dass jedoch ein Römer ins Perserreich eingebrochen sei oder feindliche Handlungen verübt habe, konnte er weder behaupten noch beweisen. Demgegenüber sprachen die Gesandten nichts von Schuld Justinians, sondern einiger untergeordneter Personen und tadelten außerdem, dass die Worte anders gelautet hätten.171
Alles bleibt beim Alten. Die Römer beschwören Friedensliebe, den Schaden des Krieges und die Brüderlichkeit. Sie beharren auf ihrer Unschuld und der Schuld Chosraus. Chosrau vertritt die genau umgekehrte Ansicht. Sie können sich auf dieser Ebene nicht einigen, wie sich bereits gezeigt hat. Prokop deutet nach wie vor an, dass er nicht genau weiß, wie begründet die Anschuldigungen sind, räumt aber immerhin einigen Gewicht ein. Das spielt für den Verlauf der Verhandlungen aber keine Rolle.172 Chosrau ist nun der erste, der diese moralische Ebene verlässt 170 Prok. Bell. 2,10,11–15. 171 Prok. Bell. 2,10,16–18 (Übers. nach Veh): οἱ µὲν πρέσβεις τοσαῦτα εἶπον. Χοσρόης δὲ ταῦτα ἀκούσας ἰσχυρίζετο µὲν τὰς σπονδὰς πρὸς Ἰουστινιανοῦ βασιλέως λελύσθαι· καὶ τὰς αἰτίας κατέλεγεν ἅσπερ ἐκεῖνος παρέσχετο, τὰς µέν τινας καὶ λόγου ἀξίας, τὰς δὲ φαύλας τε καὶ οὐδενὶ λόγῳ ξυµπεπλασµένας. µάλιστα δὲ αὐτοῦ τὰς ἐπιστολὰς τοῦ πολέµου αἰτιωτάτας ἠξίου δεικνύναι πρός τε Ἀλαµούνδαρον καὶ Οὔννους αὐτῷ γεγραµµένας, καθάπερ µοι ἐν τοῖς ἔµπροσθεν λόγοις ἐρρήθη. ἄνδρα µέντοι Ῥωµαῖον ἐς τὴν Περσῶν γῆν ἐσβεβληκέναι ἢ πολέµια ἔργα ἐνδείξασθαι οὔτε λέγειν εἶχεν οὔτε δεικνύναι. οἱ µέντοι πρέσβεις πὴ µὲν τὰς αἰτίας οὐκ ἐς Ἰουστινιανὸν ἀνέφερον, ἀλλ̓ ἐς τῶν ὑπουργηκότων τινὰς, πὴ δὲ ὡς οὐχ οὕτω γεγονότων ἐπελαµβάνοντο τῶν εἰρηµένων. 172 Fragt man sich, warum hier überhaupt noch mit Schuld und Unschuld argumentiert wird, obwohl man am Ende sowieso auf die Ebene bloßen Interessenausgleichs ohne Betonung dieser Umstände kommen wird, warum man also seine Argumentation zu Beginn auf ein hohes ethisch-rechtliches Niveau beschränkt und Fragen der Realpolitik entsprechend ausblendet, so gilt es festzuhalten, dass dieses Muster bei genauerer Betrachtung durchaus nachvollziehbar ist und dem etablierten Usus entspricht. Die römischen Gesandten können schlechterdings offen realpolitische Interessen darlegen, denn dann müsste der Perserkönig erwidern: Wir sind nun einmal gleich, wie ihr betont, also sind auch unsere Interessen gleichwertig. Mein Interesse ist nun eben, Antiochia einzunehmen. Darauf wüssten die Römer nichts zu erwidern. Das würde in die Aporie führen. In der Realpolitik gibt es nur nützlich und schädlich, aber nicht richtig und falsch und nicht edel und unedel. Daher könnte Chosrau auch einwenden: Warum sind eure Taten mehr wert als meine? Ich vertrete doch auch nur die Interessen meines Reiches. Warum darf ich nicht handeln wie ihr, wenn wir gleich stark sind? (Oder umgekehrt von Seiten der Römer.) Das wird durch die Einführung der rechtlichen und ethischen Kategorien unterbunden. Durch diese vergewissert man sich, nach wie vor die gleiche diplomatische Sprache zu sprechen und eben nicht bloßen Machtkampf betreiben zu wollen, son-
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und sich nur noch auf seine Erfolge und eine daraus resultierende gute Position beruft, da es im Text unmittelbar weitergeht: Chosrau verlangt schlussendlich die Zahlung erheblicher Summen und fordert, dass man nicht versuchen sollte, durch eine sofortige Einmalzahlung den Frieden für alle Zeit festzumachen. Freundschaft, die nur Geld zur Grundlage habe, verbrauche sich meist mit diesem. Daher sollten die Römer den Persern jährlich einen festen Betrag entrichten, letztere würden dann auch von sich aus die Kaspischen Tore bewachen, den Streitpunkt der Stadt Daras ignorieren und dazu noch im römischen Sold stehen. Die römischen Gesandten fragen, ob die Perser also die Römer tributpflichtig machen wollten. Chosrau verneint dies und bietet eine gegenteilige Deutung an: Die Perser würden besoldete römische Soldaten, wie die Römer Sarazenen und Hunnen, denen sie auch nicht tributpflichtig wären, jährlich Gold zukommen ließen, damit diese das römische Land schützen. 173 So geschieht es nach langen Gesprächen: Chosrau erhält eine Einmalzahlung von 50 Kentenarien, im Folgenden soll er jedes Jahr fünf Kentenarien erhalten und werde dafür Frieden halten. Nach Stellung von Geiseln werde er abziehen, später sollten Gesandte zu ihm kommen, um einen exakten Vertrag zu erarbeiten.174
dern prinzipiell in den Fragen von Gut und Böse übereinzustimmen, einen gemeinsamen zivilisatorischen Auftrag zu haben; sich eben in den etablierten Strukturen bewegen zu wollen. Der andere darf nicht so handeln, weil das gegen den Vertrag / das Recht / Gott ist. Man darf es nicht, weil es eben einfach falsch und daher nicht gut, sondern böse ist. Es ist moralisch verwerflich und damit der Sphäre der menschlichen Gesetze enthoben und in die allgemeingültige der göttlichen Gesetz entrückt. Da gibt es ein klares richtig und falsch, das über der Staatsraison steht und über den Unterschieden zwischen christlicher und zoroastrischer Religion und römischer und persischer Kultur. Verträge brechen / Eide brechen / Unschuldigen schaden – all das ist überzeitlich, überreligiös und überkulturell schlecht. Das soll auch der Perserkönig einsehen. Daher wundert es nicht, dass Chosrau dem nicht widerspricht. Denn es stimmt ja, auch er findet Verträge brechen / Schwüre brechen / Unschuldigen schaden schlecht, wie die Gesandten meinen. Dem kann man nicht widersprechen. Er muss daher darauf beharren: Justinian ist der Schuldige, er hat Verträge gebrochen etc. Der andere hat angefangen. Die Gesandten behaupten das Gegenteil. Es geht also nicht um die Diskussion der Richtigkeit der Werte, nur darum, wer gegen diese verstoßen hat. Indem man über die Werte spricht, versichert man sich gegenseitig, nach wie vor zu ihnen, die Fundamente des römischpersischen Verhältnisses sind, zu stehen, also Konflikte auf Basis der etablierten Strukturen beilegen zu wollen. Nur auf Basis dieser Fundamente ist die römisch-persische Diplomatie überhaupt möglich. Eine Absage an diese durch eine Seite würde einen ungeregelten und gewaltigen Krieg nach sich ziehen, der in niemandes Interesse liegt. Man muss stets zeigen, noch nach den etablierten Spielregeln zu spielen. Der Übergang von rechtlicher Argumentation zur pragmatischen realpolitischen Entscheidung und ihr Zusammenfließen ist ein Element, das in einigen Punkten bereits Thukydides vorgebildet hat, etwa in der Rede der Korinther in Athen, 1,40–42, der Rede der Mytilener in Olympia, 3,13, vgl. die Rede der Athener in Sparta 1,76f., das Friedensangebot der Spartaner in Athen, 4,17, oder die Rede des Brasidas in Akanthos, 4,87. 173 Prok. Bell. 2,10,19–23. Iluk 1985, 81f. 174 Prok. Bell. 2,10,24; 2,13,1f.
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Chosraus Ziel war es, die aktuelle militärische Stärke und seine Erfolge in langfristige diplomatische Sicherheiten umzuwandeln, denn seine Hauptsorge bestand laut Prokop schließlich darin, dass die Römer im Westen immer neue Kräfte sammelten, die gegen das Sasanidenreich einsetzbar waren, die Regelungen des Ewigen Friedens diese Verschiebung aber nicht verhindern konnten. Wenn Chosrau aber daraufhin einschreiten würde, wäre er der Vertragsbrecher. Rom kann also Kräfte sammeln, die letztlich dem Geist des Ewigen Friedens widersprechen, ohne dabei den Vertrag zu brechen, Chosrau kann dem aber nicht entgegenwirken, ohne zum Vertragsbrecher zu werden. Die Entfesselung des aktuellen Krieges hatte gezeigt, wie schwer es war, die Schuld auf andere abzuwälzen. Wenn er diesen Krieg verloren hätte, würde er sich nun in einer sehr schlechten Verhandlungslage befinden. In Anbetracht der Idee des militärischen Gleichgewichts wusste er auch, dass er Rom nicht in eine dauerhafte Abhängigkeit bringen können würde, die eine Vormacht des Sasanidenreiches voraussetzte, und daher auch aktuell nicht zu einem Vertragsschluss zwingen. Dazu kam auch, dass die Zeit für Chosrau im Moment drängte, da sich römischer Widerstand in seinem Rücken zu formieren drohte.175 Die Bedingungen mussten für beide Seiten annehmbar sein, ohne dass eine Seite ihr Gesicht verlor. Daher stellte er sich nun einen Vertrag vor, anhand dessen sich klar festmachen ließ, ob eine Seite den Vertrag gebrochen hatte und der zugleich für beide Seiten einen Anreiz beinhaltete, den Frieden und das Gleichgewicht zu bewahren: Solange die Römer zahlen und die Perser die Kaspischen Tore bewachen, sind die Beziehungen im wünschenswerten Gleichgewicht. Stellen die Römer die Zahlungen ein, sind sie offenkundig vertragsbrüchig. Lassen die Perser Barbaren durch die Tore, haben sie den Bruch verschuldet. Das sind die Indikatoren. Wenn die Perser den Vertrag brechen sollten, gehen die Römer nicht einer großen Einmalzahlung verlustig, sondern können die weiteren Zahlungen einstellen. Das kommt ihnen entgegen.176 Diese Bedingungen erscheinen ausgewogen. Die schwammigen und immer wieder zum Konflikt führenden Punkte der Kaspischen Tore und der Festung Daras wollte Chosrau nun ein für allemal aus der Welt schaffen. Er versuchte, neue Klarheit in die Beziehungen zu bringen und die Verhältnisse zwischen den Großmächten lesbarer zu machen. Letztlich ging es ihm darum, durch feste Verbindlichkeiten ein harmonischeres Verhältnis der Großmächte herzustellen. Seine Siege hatten dem Imperium zudem gezeigt, dass er auch bei römischen Vorteilen im Westen nach wie vor ein ernstzunehmender Gegner war, auf den es Rücksicht zu nehmen galt. Er hatte gezeigt, wie schnell er tief ins Imperium eindringen konnte und mit der Vernichtung der Weltstadt Antiochia bewiesen, wozu er in der Lage war, wenn er sich ungerecht behandelt fühlte. Die Botschaft konnte 175 Prok. Bell. 8,7,11. 176 Vgl. zu dieser Idee Prok. Bell. 8,15,5.
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auch sein: Bevor Rom seine Kräfte aus dem Westen mobilisieren könnte, würde Chosrau schon am Mittelmeer stehen. Das war ein drastischer Warnschuss hinsichtlich dahingehender römischer Pläne. Daher war es für die römische Seite aktuell sehr geraten, auf seine Vorstellungen einzugehen, zumal er sich immer noch mit seinem Heer tief im Imperium befand. Die Römer sollten offenbar nicht denken, dass sie durch ihre westlichen Erfolge das Gleichgewicht der Großmächte erschüttern könnten – noch galt es und Chosrau hatte dies eindrucksvoll demonstriert. Das Element des „Deals“, dass den positiven Anreiz bietet, ist nun die Ambivalenz in der Bewertung der Zahlung: Die Römer könnten sie nach innen hin (auf Chosraus Anregung!) so präsentieren, als würden sie die Perser als Söldner anstellen, würden sie also zum Schutz der Römer einsetzen, was die römische Seite im Vorteil erscheinen lässt. Chosrau kann die beständige Zahlung nach innen aber ohne Probleme als Tribut darstellen, den er den Römern auferlegt.177 Davon hätten beide einen Vorteil. Für Chosrau hat der aktuelle Feldzug daneben den enormen Prestigegewinn178 gebracht, Antiochia eingenommen zu haben, wie auch wahrscheinlich enorme Beute.179 Auch für die künftigen diplomatischen Beziehungen war das von Bedeutung: Justinian konnte sich vielleicht darauf berufen, Vandalen und Goten bekriegt zu haben, Chosrau aber auf die Vernichtung Antiochias. Zudem bot der Feldzug große Chancen für persische public diplomacy und somit zum direkten Einwirken auf die römische Bevölkerung, die Chosrau ausgiebig nutzte.180 Im Übrigen kostet Chosrau weidlich den Umstand aus, dass der Vertrag noch nicht abgeschlossen ist, während er aus dem Imperium abzieht. So belästigt er mehrere Städte und versucht sogar, Daras einzunehmen,181 was in Anbetracht seiner Vorschläge besonders listig wäre: Er wollte schließlich den Römern der Festung wegen nicht mehr zürnen. Das müsste er dann in der Tat nicht mehr. Er will, da noch kein Vertrag geschlossen ist, Verhandlungsmasse und Beute an sich ziehen, solange es noch geht. Wenn der Vertrag ratifiziert wird, kann er es nicht mehr. Justinian zürnt ihm aber deshalb, er habe gegen den Waffenstillstand verstoßen und der Vertrag wird nicht abgeschlossen.182 Chosrau hatte es offenbar übertrieben und stand nun vor einer Situation, auf die er nicht vorbereitet war: Er hatte 177 Rubin 1986a, 677. Zur Bemühung beider Seiten, Zahlungen ins rechte Licht zu setzen Colvin 2018, 208f. 178 Vgl. Jackson Bonner 2012, 55. Siehe dazu Kapitel 18.3 der vorliegenden Arbeit. 179 Howard-Johnston 2006, xiv; vgl. Downey 1961, 535: „The Persian expedition, it was plain from its activities, was directed, not at the occupation of Syria or any part of it, but at doing the maximum damage and collecting the maximum loot.“ 180 Siehe dazu Kapitel 18.3 der vorliegenden Arbeit. 181 Prok. Bell. 2,11–13. 182 Prok. Bell. 2,13,29.
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sich aus dem Imperium entfernt, aber es wurde kein Frieden geschlossen.183 Da er auf dem Rückzug schlecht Gesandte an Justinian schicken konnte, die ihn zum Frieden drängten, ohne vor der römischen und eigenen Seite geradezu als Bittsteller zu erscheinen, musste er den Krieg weiterführen. Schließlich spricht aus dem Umstand, als Bittsteller des Friedens vor dem anderen zu erscheinen, nicht gerade eine überlegene Haltung. Es fragt sich, wie es zu dieser Situation kommen konnte. Prokop weiß es anscheinend selbst nicht, denn sonst würde er wohl eine mögliche Begründung anbieten. Er nimmt das Handeln nur als Beleg für Chosraus schlechten Charakter.184 Warum wollte Chosrau nach seinen Erfolgen nun alles auf eine Karte setzen und in Kauf nehmen, dass alles zunichte gemacht werden könnte? Glaubte er an die Schwäche der Römer, die ihm keine einzige Feldschlacht geliefert hatten und die er bisher so einfach überrumpeln konnte? In Anbetracht des angebahnten Friedens zu seinen Bedingungen muss er sehr sicher gewesen sein, Daras erobern zu können, um dann noch bessere Bedingungen diktieren zu können. Das war mehr als nur gewagt. Es lässt sich aus Prokops Kontext noch Weiteres mutmaßen: Noch auf dem Rückweg biedern sich Städte bei Chosrau an und sein Einfall hat hervorragend funktioniert, ohne eine einzige Feldschlacht zu riskieren. Vielleicht drängte sich da eine gewisse Unzufriedenheit auf: Was hätte er vielleicht noch alles erreichen können, wenn er wirklich gekämpft hätte! Es reute ihn womöglich der Vertrag im Nachhinein: er hatte die Römer vielleicht zu billig davonkommen lassen. Und da sah er auf dem Rückweg Daras – den größten aller alten Streitpunkte – direkt vor Augen, stand mit seinem Heer davor und musste eigentlich weiterziehen. Es fehlte vielleicht nur ein Anreiz, zum Beispiel ein Aufzeigen des Vorbildes Kawadh, um den Ausschlag zum Handeln zu geben. Chosrau musste als König in altorientalischer Tradition stets Sieghaftigkeit und Bereitschaft zu militärischer Kühnheit demonstrieren.185 Er hatte auch solche Erwartungen zu erfüllen und konnte daher wohl nicht einfach an Daras mit seinem Heer vorbeiziehen, ohne die Chance zum 183 Dass der Frieden noch nicht abgeschlossen war, betont auch Güterbock 1906, 49. 184 Prok. Bell. 2,11,28. Bei Börm 2006, 323f., wird zum Unterbleiben des Vertragsabschlusses gemutmaßt: „Chosroes trieb die Demonstration seiner Sieghaftigkeit dabei auf die Spitze und machte es Justinian durch seine Provokationen nahezu unmöglich, eine diplomatische Lösung anzustreben: Der Gesichtsverlust für Kaiser und Reich wäre untragbar gewesen.“ 185 Zu derartigen Herrscheridealen siehe ausführliche die Dissertation Sundermann 1963. Die ständige Aktualisierung des eigenen Erfolges vor den Augen der relevanten Kreise war Teil der Herrscherlegitimation, ebd. 4f. Dies bedeutet in letzter Konsequenz, dass Erfolg keine Erhöhung der Stellung im Angesicht der Großen mit sich bringt, sondern nur deren Bestätigung, Versagen aber negative Konsequenzen nach sich zieht, ebd. 74: „Die Folge ist, daß nicht Leistung, sondern Versagen entscheidend für die Beurteilung ist.“ Dies entspringt auch der Anschauung, dass ein von göttlichem Wohlwollen begleiteter Großkönig sowieso erfolgreich sein wird; Nichterfolg also ein Zeichen göttlicher Ungnade ist, vgl. ebd. 82. Vgl. zu Idealen und Mechanismen Hertel 1924, 72; Widengren 1959, 249; Bivar 1972, 314f.; Whitby 1994, 238; Wiesehöfer 1994, 254f.; Börm 2008, 433; vgl. die Arbeit Daryaee 2003.
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Angriff zu nutzen, da er bisher so siegreich gewesen war. Nun verbaute ihm dies aber sein gesamtes diplomatisches Vorhaben. 12.3.3 Das zweite Buch der Bella 15–30 Da der Friedensschluss vorerst außer Sichtweite geraten ist, werden Belisar und andere in Italien tätige römische Feldherren in den Osten geschickt, zusammen mit gotischen Truppen.186 Chosrau setzt den Krieg in Lazien fort, wobei die Lazen ihn um Hilfe rufen187 und die daraus entstehenden Vorteile anpreisen: ein altes Königreich wird dem Sasanidenreich hinzugefügt, Chosrau gewinnt Prestige und zudem einen Zugang zum Schwarzen Meer und den kaukasischen Barbaren.188 Die Lage erinnert an die Episode, in der al-Mundhir an Kawadh die Möglichkeit herantrug, einen Feldzug ins Imperium außerhalb der üblichen Einfallswege vorzunehmen. Es winkten hier neuartige Erfolge, da man sich außerhalb der ausgefahrenen geostrategischen Wege befand. So informiert sich Chosrau explizit, ob das Land auch für seine Truppen gangbar wäre.189 Nach dem Scheitern des Vertrages bot sich hier eine neue Möglichkeit, Verhandlungsmasse auf die persische Seite zu bringen. In Mesopotamien unternimmt derweil Belisar einen Einfall,190 der gegen Nisibis gerichtet ist,191 aber ohne große Ergebnisse endet.192 Die Absicht, gegen diese Stadt zu ziehen ist dabei gewissermaßen die Spiegelung von Chosraus Vorhaben, Daras einzunehmen. Chosrau gewinnt die Stadt Petra.193 Im nächsten Jahr (542) unternimmt er wieder einen Einfall im Süden, den Euphrat zur Rechten.194 Prokop schreibt ihm dabei die Absicht zu, Jerusalem plündern zu wollen.195 Der zugrundeliegende Gedankengang ist deutlich: Wenn es so einfach war, die Weltstadt Antiochia einzunehmen und auf diese Weise nicht nur sehr viel Beute, sondern auch Prestige und einen großen diplomatischen Vorteil zu gewinnen, um wie viel größer müssten Beute, Prestige und Vorteil sein, wenn es gelingen würde, die christliche Weltstadt Jerusalem einzunehmen?196 Dann müsste Justinian endlich einlenken und einen Vertrag abschließen. 186 187 188 189 190 191 192 193 194 195 196
Prok. Bell. 2,14,8–10. Prok. Bell. 2,15. Prok. Bell. 2,15,27–29; Vasiliev 1950, 269. Prok. Bell. 2,15,31–35. Prok. Bell. 2,16. Prok. Bell. 2,18,1. Prok. Bell. 2,19,44–46. Prok. Bell. 2,17. Prok. Bell. 2,20,1. Prok. Bell. 2,20,18. Laut Börm 2007, 194f., ist diese Episode wohl eine römische Zuschreibung. Die prinzipielle Machbarkeit dieses Vorhabens zeigte aber später Chosrau II., wenn auch unter stark veränderten diplomatischen und politischen Vorzeichen.
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Diesem Vorhaben steht nun die Ankunft des berühmten Belisar mit einem römischen Heer entgegen, was Chosrau laut Prokop dazu führte, erst einmal durch einen Gesandten dessen Feldherreneigenschaften erkunden zu lassen. Der Vorwand der Gesandtschaft sollte dabei sein, dass Justinian noch keine Gesandten zur endgültigen Abstimmung der Friedensbedingungen geschickt habe.197 Dies ist in zweierlei Hinsicht klug: Wenn sich Belisars Stärke bei gleichzeitigem Friedenswillen zeigen sollte, wäre der beste Schritt, den Frieden jetzt zu forcieren und keine Entscheidung zu wagen. Wenn sich Belisars Schwäche bei gleichzeitigem Friedensunwillen zeigen sollte, wäre wohl angeraten, den Kampf zu beginnen. Wenn sich Belisars Schwäche bei gleichzeitigem Friedenswillen zeigen würde, müsste man ad hoc über Vor- und Nachteile entscheiden. Wenn sich Belisars Stärke bei gleichzeitigem Friedensunwillen zeigen würde, müsste man vielleicht eine Lösung zum Rückzug finden. Belisar durchschaut die List aber und baut mittels seiner Truppen eine Inszenierung auf, die dem Gesandten größtmögliche römische Stärke und Fähigkeit Belisars suggeriert. Auf den Vorhalt des Gesandten, Chosrau habe zur Waffengewalt greifen müssen, da Justinian entgegen früherer Abmachungen noch keine Gesandten geschickt habe, lässt Prokop Belisar antworten: Es entspricht nicht Menschensitte, so zu handeln, wie Chosrau jetzt verfahren ist. Denn die anderen schicken, wenn ihnen oder einigen ihrer Freunde etwas strittig gemacht werden sollte, vorher zu ihren Widersachern Gesandte und erst wenn sie keine angemessene Antwort erhalten, greifen sie gegen diese zu den Waffen. Dein Herrscher aber bricht zuerst mitten ins Römerland ein, um dann mit Friedensverhandlungen herauszurücken.198
Er entlässt den Gesandten ohne weitere Worte; es gibt keine Diskussion. Damit stellt Belisar klar, dass Chosrau geradezu unmenschlich handele und wenn er Frieden wolle, solle er doch anfragen, statt Krieg zu entfachen. Damit ist der für die persische Seite schlechtestmögliche Eindruck entstanden: Belisar ist stark und friedensunwillig. Es werden auf persischer Seite die entsprechenden Konsequenzen gezogen: „Der Gesandte begab sich daraufhin zu Chosrau und legte ihm nahe, möglichst schnell sich zu entfernen.“199 Er führt als Argumente die vorzüglichen Eigenschaften Belisars, die Eignung seiner Soldaten und den Umstand an, dass Chosrau das höhere Risiko trage, denn wenn er siege, habe er nur einen Untertanen des Kaisers besiegt, wenn er aber besiegt würde, würde er seinem Königtum und den Persern Schande bringen; dazu strategische Überlegungen.200 Chosrau
197 Prok. Bell. 2,21,1. 198 Prok. Bell. 2,21,10–12: οὐ ταύτῃ […] ᾗ τῷ Χοσρόῃ τανῦν εἴργασται νενόµισται τοῖς ἀνθρώποις τὰ πράγµατα. οἱ µὲν γὰρ ἄλλοι, ἤν τι ἀντιλέγοιτο σφίσι τε καὶ τῶν πέλας τισὶ, πρεσβεύουσι µὲν ἐς αὐτοὺς πρότερον, ἐπειδὰν δὲ τῶν µετρίων µὴ τύχωσιν, οὕτω δὴ πολέµῳ ἐπ̓ αὐτοὺς ἴασιν. ὁ δὲ γενόµενος ἐν µέσοις Ῥωµαίοις, εἶτα τοὺς ὑπὲρ τῆς εἰρήνης προτείνεται λόγους. 199 Prok. Bell. 2,21,13. 200 Prok. Bell. 2,21,14.
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zieht sich zurück, was Belisar unterstützt.201 Chosrau dankt ihm dafür und teilt mit, er warte nun auf die römischen Unterhändler. Dies wird ihm zugesichert, auch die Stellung einer Geisel findet statt; auf dem Rückzug solle Chosrau das römische Land freundlich behandeln.202 In Anbetracht des Eindrucks, den Chosrau gewann, war es also das beste, den Einfall aufzugeben und eine nichtmilitärische Lösung anzustreben. Auf dem Rückweg nimmt er entgegen der Abmachung Callinicum ein.203 Kämpfe finden nicht statt. Da ihm nach Daras bewusst sein musste, dass ein solches Verhalten ungünstige Folgen haben könnte, musste er wohl einen stichfesten Beleg für die Rechtmäßigkeit seines Handelns haben. Prokop kennt, wie bei der letzten Episode um Daras, den Grund nicht, er nimmt es nur als Beleg für Chosraus negative Charaktereigenschaften.204 Die römische Geisel wird ihm trotzdem gestellt.205 Nach seiner Beschreibung der Pest206 unterstellt Prokop Chosrau, er plane jetzt einen Einfall über Persarmenien. Als aber Gesandte versprochen werden und einer der Gesandten sich der Pesterkrankung wegen verzögert, zudem die Seuche Persien erreicht, setzt Chosrau andere Hebel in Bewegung, um doch noch den Friedensschluss zu bewirken. Durch Verrat wird den Römern aber vermittelt, Chosrau wolle nur deshalb schnellen Frieden, da sein Sohn sich gegen ihn empört habe und er sowie sein Heer an der Pest erkrankt seien. Justinian erteilt seinen Feldherren daraufhin den Befehl zum Einfall ins Sasanidenreich, da sie nicht mit Gegenwehr zu rechnen hätten.207 Justinian sieht nun seine Chance, mit geringen Mitteln Verhandlungsmasse auf seine Seite zu bringen. Warum sollte er einen Frieden schließen, da der Krieg bei relativ geringen Risiken für ihn vorteilhafter zu sein scheint? Der Einfall richtet sich auf Dubios.208 Die Römer geraten aber in einen Hinterhalt.209 Die Beute fällt nicht reichlich aus.210 Im folgenden Jahr (544) fällt Chosrau wieder in Mesopotamien ein und hat Edessa zum Ziel. Prokop schreibt ihm dabei die Motivation zu, dass er die Stadt einnehmen wollte, die er zuvor nicht einnehmen konnte, und die angeblich von Christus geschützt sein soll.211 Somit greift Chosrau wieder auf, was bereits bei 201 202 203 204 205 206 207 208 209 210 211
Prok. Bell. 2,21,15–22. Prok. Bell. 2,21,23–27. Prok. Bell. 2,21,30–33. Prok. Bell. 2,11,28. Prok. Bell. 2,21,33. Zu deren Bedeutung für das römische-persische Verhältnis Howard-Johnston 2010, 40; vgl. Morony 2004b, 174f. Prok. Bell. 2,24,1–11. Prok. Bell. 2,24,21. Prok. Bell. 2,25,15–34. Prok. Bell. 2,25,35. Prok. Bell. 2,26,1–4. Aktuell besteht eine Debatte über die Datierung römisch-persischer Geschehnisse 542–544 und die Datierung der Belagerung Edessas, siehe S. 230, Anm. 129 der vorliegenden Arbeit.
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12 Methoden I
Antiochia und laut Prokop auch hinsichtlich Jerusalems wichtig war: Eine symbolisch bedeutende Stadt einnehmen.212 Mit der Einnahme Edessas würde er seine Macht ganz besonders demonstrieren und wieder Verhandlungsmasse anhäufen, indem er Justinian demonstriert, dass er durchaus nicht von inneren Schwierigkeiten und der Pest gelähmt ist, sondern stärker denn je. Es wird auch noch einmal gegenüber dem Feldherrn Martinos von persischer Seite zur Sprache gebracht, dass Chosrau durchaus friedenswillig sei, aber sowohl Justinian als auch Belisar hätten ihm mittlerweile Gesandte aus Byzanz versprochen, ohne dass diese je zu ihm gesandt worden wären. Prokop hält das (anhand des Folgenden) für eine trügerische Behauptung.213 Die Einnahme Edessas gelingt nicht. Nun zeigt sich auch wieder die typische Methode, noch im Angesicht von Verhandlungen möglichst viel Verhandlungsmasse auf seine Seite zu ziehen: Da die Belagerung zu Ungunsten der Perser verläuft, wird der Dolmetscher Paulos von Chosrau mit der Nachricht zu den Römern gesandt, der römische Gesandte Rekinarios sei nun aus Konstantinopel angekommen. In Wirklichkeit war er schon einige Tage im persischen Lager.214 Offensichtlich warteten sie erst den Ausgang ihres Angriffs auf die Mauer ab, um im Fall ihrer Einnahme nicht den Eindruck zu erwecken, als verstießen sie gegen den Vertrag, im Fall einer Niederlage, wie sie denn auch eintrat, aber so zu tun, als legten sie nur auf Verlangen der Römer die Friedensbedingungen fest.215
Dies ist ein charakteristisches Element der Verhandlungsführung: Wenn die Fortführung des Krieges mehr Verhandlungsmasse in einer künftigen Verhandlung zu bringen verspricht als ein Waffenstillstand und eine sofortige Verhandlung, lohnt es sich, diese zu verzögern, bis durch die Kämpfe mehr Verhandlungsmasse gewonnen wurde. Den Römer ist dies nicht fremd und so verzögern sie den Ablauf gleichfalls im Folgenden.216 Die Perser geben auf, Chosrau erhält dafür fünf Kentenarien Gold von den Edessenern und verpflichtet sich, den Römern nicht weiter zu schaden. Er zieht ab.217 Die Zahlung an Chosrau lässt ihn sein Gesicht wahren, auch wenn sie oberflächlich für die Versorgung des Heeres auf dem Rückweg oder dergleichen gedacht sein mochte. Aus persischer Sicht lässt es sich als Freikauf der Stadt darstellen.
212 213 214 215
Vgl. Browning 1987, 124. Prok. Bell. 2,26,44–46. Prok. Bell. 2,27,24–26. PLRE IIIB, Recinarius, S. 1080f. Prok. Bell. 2,27,26 (Übers. nach Veh): […] καραδοκοῦντες δηλονότι τὴν ἐς τὸ τεῖχος ἐπι βουλήν, ὅπως, ἢν µὲν αὐτὸ ἐξελεῖν δύνωνται, µηδαµῆ ἐς τὰς σπονδὰς παρανοµεῖν δόξωσιν, ἡσσηθέντες δὲ, ὅπερ ἐγένετο, τὰ ἐς τὴν ξύµβασιν, Ῥωµαίων προκαλουµένων πρὸς αὐτάς, θήσονται. 216 Prok. Bell. 2,27,27f. Diese Vorgänge werden ausführlich im Kapitel 16.2 weiter unten behandelt. 217 Prok. Bell. 2,27,45f.
12.3 Die Narrative Prokops, Agathiasʼ und Menanders
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Nun kommen römische Gesandte ins Sasanidenreich. Dort findet Selbstreflexion über das nun mehrmals stattgefundene problematische Verhalten statt, Verhandlungen zu verzögern, um sich in der Zwischenzeit Verhandlungsmasse in Form militärischen Erfolges zu sichern. So heißt es, nachdem die Gesandten die Rückgabe der lazischen Orte an die Römer verlangen: Chosrau erklärte indessen, es sei schwierig, zu einer gegenseitigen Vereinbarung zu kommen, wenn sie nicht zuvor einen Waffenstillstand schlössen und so in größerer Sicherheit mit Hilfe dauernd hin und her gehender Gesandtschaften die strittigen Punkte bereinigen und so für die Zukunft einen festen Frieden begründeten.218
Chosrau musste Friedenswillen bekunden, denn er hatte sich zuvor immer wieder darüber beschwert, dass keine Gesandten zu ihm geschickt würden; auch mag der aktuelle Frieden der Pest wegen ganz besonders im Interesse beider Seiten gewesen sein. Das Interesse der Römer an der Räumung Laziens und jenes der Perser am Aufrechterhalten ihres Status ist deutlich: Musste doch beiden bewusst sein, dass nicht nur der status quo gefährdet war, sondern der persische Zugang zum Schwarzen Meer ein Umstand sein könnte, der eines Tages den Ausschlag für eine drastische Veränderung im Gleichgewicht der Mächte bringen könnte, wie Agathias später ausführen wird,219 zumal die Perser fünf Jahre Zeit hätten, ihre Stellung auszubauen. Chosrau wünscht nun eine Zahlung und einen römischen Arzt namens Tribunos. Der Grund für die Zahlung ist der bereits bekannte: er muss vor den Seinen als die überlegene Partei erscheinen.220 Die Wünsche werden von Justinian bewilligt und es kommt (im Jahr 545) zu einem Vertrag für einen Waffenstillstand auf fünf Jahre.221 In Anbetracht der Rückschläge der letzten Zeit kann Chosrau seine sonstigen Vorstellungen nicht realisieren. Somit ist seine Vorstellung einer Friedensordnung nicht zustande gekommen. Die fünf Jahren geben aber Spielraum für neue Vorhaben. Prokop unterstellt Chosrau dahingehend wieder betrügerische Absichten.222 So habe er versucht, aus den bekannten Gründen des Vorteils gegenüber dem Imperium nunmehr mit Manipulation die Stadt Daras und Lazien zu
218 Prok. Bell. 2,28,7 (Übers. nach Veh): Χοσρόης δὲ οὐ ῥᾴδιον αὐτοὺς ἔφασκεν εἶναι ἀλλήλοις ξυµβῆναι, ἢν µή τινα ἐκεχειρίαν θέµενοι πρότερον οὕτω τε ἀδεέστερον ἀεὶ ἐς ἀλλήλους φοιτῶντες τά τε διάφορα διαλύσουσι καὶ τὰ τῆς εἰρήνης ἐν τῷ ἀσφαλεῖ τὸ λοιπὸν θήσονται. 219 Vgl. Agath. hist. 2,18,7; vgl. Sykes 1921, 452. Schippmann 1990, 56, mutmaßt, dass es Chosrau auch darum gegangen sein könnte, am Schwarzmeerhandel teilzuhaben, es also auch eine wirtschaftliche Motivation gab. Zum Schwarzmeerzugang auch Güterbock 1906, 53f.; Berndt 2012, 265; Sartor 2018, 273; Stickler 2019, 162. 220 Der Fall des Tribunos wird im Kapitel 17.3 weiter unten behandelt. PLRE IIIB, Tribunus 2, S. 1342. 221 Prok. Bell. 2,28,10f. 222 Prok. Bell. 2,28,14.
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gewinnen.223 Offenbar sollte nun das, was mit militärischen Mitteln nicht zu erreichen war, auf dem Weg der dark arts gewonnen werden.224 Ein folgender Konflikt zwischen al-Mundhir und al-Harith involviert die Großmächte nicht.225 Der südkaukasische Kriegsschauplatz wurde nicht in den Waffenstillstand einbezogen,226 denn in Lazien kommt es weiterhin zu Kämpfen, als Chosraus Pläne zur Manipulation nicht aufgehen.227 Offenbar war dies möglich, da man sich hinsichtlich der Rückgabe der lazischen Orte nicht einigen konnte. 12.3.4 Das achte Buch der Bella Prokop resümiert im achten Buch seines Geschichtswerkes: Persische Misserfolge führen zu einer geplanten Erhebung gegen Chosrau, der aber davon erfährt und die Unzufriedenen durch besondere Erfolge besänftigen will:228 „Seitdem war Chosrau darauf bedacht, die gegen ihn erhobenen Anklagen zu widerlegen, indem er sich eifrig bemühte, dem Perserreich einen großen Vorteil zu verschaffen.“229 Wiederum zeigt sich die innenpolitische Bedeutung diplomatischer Erfolge. Der geostrategische Blick wendet sich nun stärker auf den Kaukasusraum, wie Prokop erläutert.230 Die Kämpfe dort verlaufen unentschieden, zudem musste sich Chosrau einer Erhebung seines Sohnes Anasozados erwehren.231 Nach dem Ende des fünfjährigen Waffenstillstandes im Süden schickt Justinian Petros Patrikios zur Ausarbeitung eines allgemeinen Friedensvertrages zu Chosrau, der im Gegenzug Isdigusnas nach Konstantinopel sendet. Es soll ein Frieden unter Wahrung der Interessen beider Seiten werden.232 Offenbar hatte sich, nachdem die Stagnation in Mesopotamien zur Einstellung dieses Kriegsschauplatzes geführt hatte, nach fünf Jahren nunmehr gezeigt, dass auch in Lazien für keine Seite große Vorteile zu erringen waren. Die Ideologie des Gleichgewichts musste beiden Seiten einmal mehr als bestätigt erscheinen. Die Verhandlungen verlaufen in den gewohnten Bahnen der anfänglichen Betonung von Recht und Unrecht: 223 Prok. Bell. 2,28,17–37. 224 Siehe dazu das Kapitel 16.2 weiter unten. 225 Prok. Bell. 2,28,12–14. Bei Edwell 2015, 247f., wird angenommen, dass es sich um einen Stellvertreterkrieg der Großmächte gehandelt habe, dagegen Fisher 2020, 135. 226 Jones 1973, 288. 227 Prok. Bell. 2,29f.; deutlich 2,30,48. 228 Prok. Bell. 8,7,1–4. 229 Prok. Bell. 8,7,5 (Übers. nach Veh): καὶ ἀπ̓ αὐτοῦ ἀπολογεῖσθαι τὴν κατηγορίαν ἐθέλων µέγα τι ὄφελος Περσῶν τῇ ἀρχῇ ἐκπορίζεσθαι διὰ σπουδῆς εἶχε. 230 Prok. Bell. 8,7,10–12. 231 Prok. Bell. 8,7–10. PLRE IIIA, Anasozadus (Anōshaghzādh), S. 59f. 232 Prok. Bell. 8,11,1–4. PLRE IIIA, Isdigousnas Zich, S. 722f.
12.3 Die Narrative Prokops, Agathiasʼ und Menanders
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Bei der ersten Audienz vor dem Kaiser sprach der Gesandte weder in kurzen noch in langen Worten über den Frieden, beschuldigte vielmehr die Römer, den Waffenstillstand verletzt zu haben: al-Harith und die mit Römern verbündeten Sarazenen hätten, wie er erklärte, dem alMundhir während der Waffenruhe Schaden zugefügt. Auch andere unbedeutende Klagen brachte er vor, deren Erwähnung ich für unnötig hielt.233
Im Hintergrund gehen die Kämpfe in Lazien mit der römischen Belagerung der Stadt Petra weiter,234 denn auch wenn es keine großen Entscheidungen gibt, galt es doch gerade jetzt, Verhandlungsmasse zu gewinnen und sich wichtige Orte zu sichern. Die besondere Bedeutung Laziens (und Petras) für Chosrau demonstriert Prokop später, als er die hervorragende militärische Ausstattung und Versorgung samt Anlage einer gegen Belagerungen gewappneten Wasserleitung anführt.235 Die diplomatischen Kontakte verlaufen also vor dem üblichen Hintergrund. Nach wechselhaften Kämpfen, die wohl zunehmend zugunsten Persiens verliefen,236 nimmt Isdigusnas mit Justinian Friedensverhandlungen auf. Man einigt sich nach langen Verhandlungen auf einen Waffenstillstand von fünf Jahren, um währenddessen durch Gesandte die Streitpunkte um Lazien und die Sarazenen auszuräumen.237 Für die achtzehn Monate, die zwischen den letzten beiden Fällen eines Waffenstillstandes vergangen und in denen Gesandtschaften ausgetauscht worden waren, sollen die Römer den Persern sechs Kentenarien Gold entrichten (denn nur unter diesen Bedingungen hätte sich die persische Seite auf Verhandlungen und Abkommen eingelassen), für den fünfjährigen Waffenstillstand selbst zwanzig Kentenarien. Isdigusnas fordert eine sofortige Zahlung des letzteren Betrages, Justinian dagegen will nur vier Kentenarien jährlich entrichten, um ein Unterpfand gegen einen möglichen Vertragsbruch seitens Chosraus zu besitzen. Schlussendlich zahlen die Römer aber doch den gesamten Betrag auf einmal, um nicht den Eindruck zu erwecken, jährlich Abgaben leisten zu müssen. Des Weiteren will Chosrau seinen in römischer Gefangenschaft befindlichen Freund Bersabus gegen eine beachtliche Summe auslösen, Justinian lässt ihn aber ohne Zahlung frei, da Isdigusnas ihm im Gegenzug verspricht, dahingehend zu wirken, dass Chosrau sein Heer aus Lazien abzieht. Der Schluss des Abkommens liegt laut Prokop im 25. Regierungsjahr Justinians.238 Das Abkommen fällt also in die Zeit 552/553. 233 Prok. Bell. 8,11,10: (Übers. nach Veh): τὰ δὲ πρῶτα ὁ πρεσβευτὴς οὗτος βασιλεῖ ἐντυχὼν οὐ µικρὸν ἀµφὶ τῇ εἰρήνῃ, οὐ µέγα εἶπεν, ἀλλ̓ ᾐτιᾶτο Ῥωµαίους ἐς τὴν ἐκεχειρίαν ἠδικηκέναι, Ἀρέθαν τε καὶ Σαρακηνοὺς τοὺς Ῥωµαίων ἐνσπόνδους Ἀλαµουνδάρῳ ἐν σπονδαῖς λυµήνασθαι φάσκων, ἄλλα τε οὐκ ἀξιόλογα ἐπιφέρων ἐγκλήµατα, ὧνπέρ µοι ἐπιµνησθῆναι οὔτι ἀναγκαῖον ἔδοξεν εἶναι. 234 Prok. Bell. 8,11,11. 235 Prok. Bell. 8,12,17–27; vgl. Meier 2004, 319. 236 Aus dem späteren Prok. Bell. 8,16,6 zu schließen, explizit Agath. hist. 2,18,6; vgl. Schippmann 1990, 56f. 237 Prok. Bell. 8,15,1f. 238 Prok. Bell. 8,15,3–12. PLRE IIIA, Bersabous, S. 226; PLRE IIIB, Valerianus 1, S. 1355– 1361.
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Um wieder Ordnung in die Beziehungen der Großmächte zu bringen, soll bezüglich der Zahlung der Abgaben die Konfliktzeit nach dem Ende des letzten Waffenstillstandes so behandelt werden, als hätte sie dazu gehört. Justinians Idee, die Zahlung als Pfand zu benutzen, ist einleuchtend und dieser Hintergrund dürfte bereits Chosraus früherem Vorschlag nach einem ähnlichen modus operandi zugrunde gelegen haben: Wenn die Perser den Vertrag brechen, sind die Römer nicht einer höheren Summe verlustig gegangen, sondern können die Zahlungen einfach aussetzen. Dass sich dagegen die Einmalzahlung durchsetzte, dürfte dem Umstand geschuldet sein, dass der propagandistische Gedanke Chosraus, man könne römische Zahlungen an Persien für die römische Öffentlichkeit als Sold darstellen und für die persische als Tribut, zumindest auf römischer Seite nicht funktionierte, wie Prokop nun genauer ausführt: Die meisten Römer waren über diesen Vertrag sehr empört, doch kann ich nicht entscheiden, ob sie von ihrer Sicht als Untertanen aus mit dem Tadel recht oder unrecht hatten. Sie erklärten jedenfalls, der Vertrag sei, nachdem die Perser ganz Lazien fest in Händen hielten, nur deshalb zustande gekommen, damit fünf Jahre lang niemand sie in ihrem Besitz störe, sie vielmehr ungefährdeter und leichter die ganze Zeit über die besten Teile von Kolchis bewohnen könnten. Niemals aber würden so die Römer mehr imstande sein, sie irgendwie von dort zu vertreiben, im Gegenteil, den Persern werde künftighin der Weg von hier sogar nach Byzanz offenstehen. Angesichts dieser Tatsachen fühlten die meisten Erbitterung und wussten sich in ihrem Schmerz keinen Rat. Auch darüber waren sie ungehalten, dass die Perser ihren alten Plan, der ihnen weder durch Krieg noch sonst wie durchführbar erschien – ich meine die Heranziehung der Römer zu Tributleistungen – nunmehr unter der Bezeichnung Waffenstillstand nachdrücklichst durchsetzten. Denn jetzt legte Chosrau, worauf er schon von Anfang an gezielt hatte, unter schön klingenden Namen den Römern eine jährliche Abgabe von vier Kentenarien für elf Jahre und sechs Monate auf und strich – angeblich für den Waffenstillstand – sechsundvierzig Kentenarien ein, bei Tribut von Vertrag redend, während er doch zur gleichen Zeit, wie gesagt, in Lazien Gewalttaten verübte und Krieg führte. Die Römer aber gaben alle Hoffnung auf, je wieder von diesen Lasten sich frei machen zu können, fühlten sich vielmehr den Persern ganz offen tributpflichtig. Dies war der Stand der Dinge.239
239 Prok. Bell. 8,15,13–19 (Übers. nach Veh): ταύταις δὲ ταῖς σπονδαῖς Ῥωµαίων οἱ πλεῖστοι ἐπιεικῶς ἤχθοντο. καὶ εἰ µὲν δικαίαν τινὰ ἢ ἀλόγιστον ἐποιοῦντο τὴν µέµψιν, οἷά γε τὰ τῶν ἀρχοµένων, οὐκ ἔχω εἰπεῖν. Ἔλεγον δὲ ὅτι δὴ Λαζικῆς βεβαιότατα πρὸς Περσῶν ἀρχοµένης αἱ ξυνθῆκαι αὗται γεγόνασιν, ὡς µή τις πενταετὲς αὐτοὺς ἐνοχλήσῃ, ἀλλ̓ ἀδεέστερόν τε καὶ ἀπονώτερον γῆς τῆς Κολχίδος τὰ κάλλιστα πάντα τοῦτον τὸν χρόνον ἐνοικεῖν δύνωνται. ὅθεν αὐτοὺς τὸ λοιπὸν ἐξελάσαι οὐδεµιᾷ Ῥωµαῖοι ἐς ἅπαντα τὸν αἰῶνα µηχανῇ ἕξουσιν, ἀλλὰ καὶ τὸ Βυζάντιον ἐνθένδε Πέρσαις εὐέφοδον τὸ λοιπὸν ἔσται. ταῦτα οὖν ἀποσκοποῦντες οἱ πολλοὶ ἤσχαλλον καὶ δυσφορούµενοι διηποροῦντο. καὶ ὅτι Πέρσαι τὸ ἐκ παλαιοῦ µὲν σφίσιν ἐν σπουδῇ γεγονὸς, δόξαν δὲ οὔτε πολέµῳ κρατήσειν οὔτε τῳ ἄλλῳ τρόπῳ δυνατὸν ἔσεσθαι, λέγω δὲ, ὅπως ἐς δασµοῦ ἀπαγωγὴν ὑπόφοροι αὐτῶν Ῥωµαῖοι ἔσονται, ἰσχυρότατα ἐν τῷ παρόντι τῷ τῆς ἐκεχειρίας ὀνόµατι ἐκρατύναντο. τάξας γὰρ ὁ Χοσρόης Ῥωµαίοις κεντηναρίων ἐπέτειον τεσσάρων δασµὸν, οὗπερ γλιχόµενος τὸ ἐξ ἀρχῆς διαφανὴς ἦν, ἐς ἕνδεκα ἔτη τανῦν καὶ µῆνας ἓξ εὐπρεπεῖ λόγῳ, ἓξ καὶ τεσσαράκοντα κεντηνάρια τῇ τῆς ἐκεχειρίας κεκόµισται σκήψει, ὄνοµα τῷ δασµῷ τὰς σπονδὰς θέµενος, καίπερ ἐπὶ Λαζικῆς µεταξὺ βιαζόµενός τε καὶ πολεµῶν, ᾗπερ ἐρρήθη. ὧνπερ Ῥωµαῖοι σφᾶς αὐτοὺς ῥύσασθαι ἐς
12.3 Die Narrative Prokops, Agathiasʼ und Menanders
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Prokop betrachtet die strategische Lage als Fakt, die Beschwerde darüber kennzeichnet er aber als verbreitete Meinung, ohne Stellung zu beziehen. Die römische Einmalzahlung mag aus solchen Befürchtungen resultiert sein, sonst als tributpflichtig zu erscheinen, die ohnehin schon zur Sprache gebracht wurden. Prokop wird gewusst haben, worin der Vorteil dieser Zahlungen bestand, die nicht zuletzt in einen Frieden münden sollten, betont aber auch, dass dies der Öffentlichkeit nicht in gleichem Maße zu vermitteln war. Das bietet ihm zudem eine weitere Möglichkeit zur Justiniankritik. Denkbar ist auch, dass die Sorge Justinians darin bestand, die Perser könnten bei einer jährlichen römischen Zahlung, die von persischer Seite festgelegt wurde, Manipulationen vornehmen, also Erhöhungen oder dergleichen bestimmen, die am Ende zu einem römischen Vertragsbruch führen würden. Wenn dagegen die Römer den Modus der Zahlungen festlegten, könnten sie sicher sein, dass er nicht manipuliert würde. Ob dieses Misstrauen entscheidend gewesen sein mag oder nicht – schlussendlich sabotierte die Einmalzahlung den Sinn der jährlichen Abgabe. Justinian hätte den Waffenstillstand aber sicher nicht unbedacht abgeschlossen, wenn er sich nicht eine für ihn akzeptable Lösung versprochen hätte. Er mag dahingehend große Hoffnungen auf Isdigusnas gesetzt haben. Der Laze Theophobios spielt vor Abschluss des Waffenstillstandes den Persern die Festung Uthimereus zu, die ihre Situation in Lazien weiter stärkt.240 Es kommt zu weiteren Kämpfen zwischen Persern, Lazen und Römern. Die Lazen bleiben auf Seiten der Römer, trotz persischer Gegenangebote.241 Dann tritt der Waffenstillstand in Kraft. Chosrau bestätigt ihn, will von einer Räumung Laziens aber nichts wissen. Die römischen Zahlungen benutzt er zur Anwerbung sabirischer Söldner gegen die Lazen. Er kämpft gegen diese, die Römer beteiligen sich auf Seiten der Lazen.242 Dies wird nicht als Bruch des Waffenstillstandes charakterisiert, der sich, wie man später von Agathias erfährt,243 nicht auf Lazien erstreckt. Damit enden Prokops Ausführungen über die römisch-persischen Beziehungen in der Schwebe. 12.3.5 Agathias Agathias charakterisiert am Beginn seiner Ausführungen über den Fortgang der Geschehnisse treffend die Ereignisse der letzten Zeit: Die Römer und die Perser befanden sich seit sehr langer Zeit im Krieg miteinander und plünderten dauernd das Gebiet des anderen aus. Manchmal griffen sie auf eine Methode nur ver-
240 241 242 243
τὸν ἔπειτα χρόνον ἐλπίδι τὸ λοιπὸν οὐδεµιᾷ εἶχον, ἀλλὰ φόρου ὑποτελεῖς Πέρσαις ᾔσθοντο οὐ κεκρυµµένως γεγενηµένοι. ταῦτα µὲν οὖν ταύτῃ ἐπέπρακτο. Prok. Bell. 8,16,12–15. PLRE IIIB, Theophobius, S. 1309. Prok. Bell. 8,16,16–33. Prok. Bell. 8,17,9–19. Agath. hist. 2,18,3.
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12 Methoden I einzelter Kämpfe und unangekündigter Feindseligkeiten unter Vornahme häufiger Streifzüge und Einfälle zurück, ein andermal führten sie offenen und großangelegten Krieg.244
Auch Agathias erkennt das Risiko des persischen Zugangs zum Schwarzen Meer und dass die Römer diesen verhindern wollen.245 Sein Verständnis der strategischen Lage entspricht dem seines Vorbildes Prokop. Nach schwankenden Kämpfen schildert er auch einen Austausch der Feldherren Martinos und Nachoragan in Lazien, der sich in den üblichen Bahnen bewegt. Letzterer lädt ersteren ein und Agathias lässt ihn seinem Gegenüber vorwerfen, dass er trotz seiner Eigenschaften als begabter Feldherr von großem Einfluss bei den Römern nicht dazu geneigt wäre, die beiden Herrscher davon abzuhalten, einen beide auslaugenden Streit zu führen, sondern vielmehr zugelassen habe, dass sie mit der sich dahinschleppenden Verwüstung ihrer Länder fortführen. Daher schlägt Nachoragan vor, dass sich Martinos mit seinem Heer nach Trapezunt begeben solle, während das persische Heer an Ort und Stelle bliebe. So könnten sie sich über Boten bezüglich eines Waffenstillstandes einigen. Wenn Martinos sich aber nicht freiwillig zurückzöge, würde er mit Gewalt vertrieben, denn Nachoragan sei sich absolut siegessicher. Martinos erwidert, dass Frieden selbstverständlich erstrebenswert sei und er Nachoragan gern bei dessen Wiederherstellung helfen wolle. Es wäre aber besser, wenn sich Nachoragan nach Iberien zurückzöge, während er selbst nach Mucheisiris ginge. Dann ließe sich die derzeitige Situation einschätzen. Die Waage des Sieges aber schlage gemäß der göttlichen Vorsehung und nicht zu Gunsten des arroganten, sondern dessen, dem der Schöpfer zustimme, aus.246 Die beiden Feldherren gehen ohne Ergebnis auseinander.247 Dieser Ablauf entspricht dem von Prokop bekannten: Beide Seiten bestehen auf ihrem Recht, in diesem Fall ihrem Friedenswillen, und vertreten die Meinung, dass der andere daher nachgeben solle. Nachoragan will, dass sich Martinos zurückzieht. Martinos will, dass sich Nachoragan zurückzieht. Da sich eine solche Situation nicht argumentativ lösen lässt, werden die Dinge an Gott verwiesen. Er möge also den weiteren Kampf als Gottesurteil entscheiden und realpolitische Fakten schaffen. Der Kampf geht also im Folgenden weiter. Die anschließende Niederlage des Nachoragan bewertet Agathias als Resultat des Hochmutes, den dieser an den Tag legte.248 Danach gehen die militärischen Handlungen erst einmal zurück.249 Agathias fasst nach kleineren Operationen zusammen, dass weder
244 Agath. hist. 2,18,2 (Übers. nach Frendo): Ῥωµαίοις γὰρ καὶ Πέρσαις ἤδη µὲν ἐκ πλείστου µέγιστος πόλεµος ξυνειστήκει, καὶ θαµὰ τὴν ἀλλήλων ἐδῄουν καὶ ἐλυµαίνοντο, νῦν µὲν εἰσβολὰς ἀκηρύκτους µηχανώµενοι καὶ ἐφόδους, νῦν δὲ πολλῷ στρατῷ ἐς ἐµφανεῖς παρατάξεις χωροῦντες. 245 Agath. hist. 2,18,7f. 246 Agath. hist. 3,19,1–6, 247 Agath. hist. 3,19,7. 248 Agath. hist. 3,28,3. 249 Agath. hist. 4,1,1.
12.3 Die Narrative Prokops, Agathiasʼ und Menanders
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Perser noch Römer sich bemühten, die Feindseligkeiten wiederaufzunehmen.250 „Vielmehr waren beide Seiten aufmerksam und versuchten bestmöglich die Vorhaben des anderen vorherzusagen.“251 Sie blieben auf Distanz.252 Chosrau schreitet, bewegt von der Niederlage des Nachoragan, letztlich zum Frieden:253 Als Chosrau erkannte, dass er nicht in der Lage war, die Römer in Lazien zu bekämpfen, da sie das Meer beherrschten und daher keine Schwierigkeiten hatten, heranzubringen, was sie benötigten, während er gezwungen war, seinen Truppen einige wenige Versorgungsgüter unter großen Schwierigkeiten auf den Schultern von Trägern und den Rücken von Lastentieren über weite Wüsten hinweg zu schicken, entschied sich Chosrau den Krieg an allen Fronten zu beenden. Es schien keinen Sinn zu haben, einen mangelhaften und unwirksamen Frieden aufrechtzuerhalten, der nur auf bestimmte Gegenden beschränkt war, dagegen sehr viel, ihm allgemeine und generelle Gültigkeit zu verschaffen.254
Daher schickt er Isdigusnas aus dem Geschlecht der Zich255 nach Konstantinopel. Er tauscht sich im Jahr 557 mit Justinian aus und man kommt überein, dass Römer und Perser das behalten sollten, was sie in Lazien erobert hätten. Es sollte ein allgemeiner Waffenstillstand eintreten, bis sich die Herrscher im Detail geeinigt hätten. So geschieht es.256 12.3.6 Menander An dieser Stelle setzt ein erhaltenes Fragment des Geschichtswerkes Menander Protektors ein, der die Lage ebenfalls so resümiert: Da die Perser gegen Kolchis vorgingen, um die Kontrolle über dieses umstrittene Land zu erlangen, konnten sie doch trotz langer Zeit und vieler Kämpfe keine Fortschritte erzielen. Der größte Teil Laziens und die Stadt Phasis blieben in römischer Hand. Die beiden Seiten einigten sich auf Erhalt des status quo, bis eine umfassende vertragliche Einigung gefunden würde, und schlossen einen Waffenstillstand.257 In diesem Zusammen250 Agath. hist. 4,23,1. 251 Agath. hist. 4,23,1 (Übers. nach Frendo): ἀλλὰ προφυλακὰς µὲν ἀµφότεροι ἐποιοῦντο καὶ τὰ ἀλλήλων βουλεύµατα ἐς ὅσον ἐνῆν ἀπεσκόπουν καὶ διεπυνθάνοντο [...] 252 Agath. hist. 4,23,1. 253 Agath. hist. 4,30,6f. 254 Agath. hist. 4,30,7 (Übers. nach Frendo): λογιζόµενος δὲ ὁ Χοσρόης, ὡς οὐχ οἷόν τε αὐτῷ ἀνὰ τὴν Κολχίδα γῆν πρὸς Ῥωµαίους παρατάττεσθαι, τῶν µὲν τῆς θαλάττης κρατούντων καὶ ἅπαντα, ὧν ἂν δέοιντο, ῥᾳδίως ἐνθένδε µεταπεµποµένων, αὐτοῦ δὲ διὰ µακρᾶς ὁδοῦ καὶ ἐρήµου µόλις τοῖς στρατοπεδεύουσιν ἐλάχιστα γοῦν τῶν ἐδωδίµων ὑπὸ ἀχθοφόροις ἀνδράσι τε καὶ ὑποζυγίοις χαλεπώτατα στέλλειν ἀναγκαζοµένου· ταῦτα δὴ οὖν ἐπισκοπῶν ἔγνω τὸν ὅλον πόλεµον καταθέσθαι, ὡς ἂν µὴ ἐπι πλεῖστον αὐτοῖς ἡ εἰρήνη χωρίοις τισὶ περιοριζοµένη ἀτελὴς καὶ οἷον σκάζουσα διαµένοι, ἀλλ᾿ὁµοίως ἀπανταχοῦ ἐπιρρωσθείν. 255 Vgl. Men. Prot. frg. 6,1,10–14. Rubin 1960, 368. 256 Agath. hist. 4,30,8–5,1,1. 257 Men. Prot. frg. 2,1–12; vgl. Ball 2011, 128; Edwell 2015, 275.
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hang ist bemerkenswert, dass Menander Protektor von Imperium und Sasanidenreich als den beiden größten Gemeinwesen schreibt.258 In Anbetracht des Umstandes, dass Menander sich bei seiner Darstellung laut eigener Aussage sehr eng an die Aufzeichnungen des an den folgenden Verhandlungen beteiligten Petros hielt, der wiederum wortwörtliche Dialoge aufgezeichnet haben soll, ist Menanders Ausführungen besondere Aufmerksamkeit zu schenken.259 Die zur Erarbeitung eines Vertrages geschickten Gesandten Petros und Isdigusnas tauschen nun Argumente aus, die wiederum dem bekannten Schema entsprechen: Petros betont zunächst den Nutzen des Friedens für beide Seiten. Auf die Eroberung Antiochias und anderer römischer Städte sollten sich die Perser nichts einbilden, denn das sei Gottes Strafe für das ansonsten übergroße Glück der Römer, damit sie nicht hochmütig würden und glaubten, etwas besseres als andere Menschen zu sein. Außerdem bedürfte es keiner Anwälte und Gesetze, wenn sich das von Natur aus Gerechte immer automatisch durchsetzen würde. Da alle dasjenige unterstützen, was sie für gerecht halten, bedarf es der Diskussionen mit gewichtigen Argumenten. Darum solle es jetzt gehen; jeder solle versuchen, den anderen zu überzeugen.260 Erneut wird betont, dass Frieden gut und Krieg schlecht sei. Selbst ein Sieg würde noch durch die Not des Besiegten getrübt und daher ist sogar der Sieg im Krieg schlechter als der Frieden. Justinian wolle darum Frieden; nicht, da er den Krieg fürchte, sondern da er sich sorge, Chosrau möge ihm in seinem Friedenswunsch, der den Römern so wichtig ist, zuvorkommen. Die momentane Entspannung solle nicht dazu führen, wieder Kämpfe zu beginnen. Man solle die negativen Konsequenzen des Krieges bedenken, dies stehe einem gut regierten Gemeinwesen an. Dies wird emotional ausgemalt. Beide Länder würden, wenn sie sprechen könnten, gegen den Krieg auftreten.261 Krieg bringe immer Risiken, die nicht absehbar sind. Frieden sei schwer wiederherzustellen. Der Mut nehme mit den Erfolgen zu, aber mit den Misserfolgen auch wieder ab. Als Zeuge werden Gott und die Götter der Perser angerufen, wenn es denn andere gibt und die Perser so glauben.262 Dies alles entspricht dem üblichen Schema, wenn auch in bis dato unbekannter Länge und Ausführlichkeit: Es wird die für beide Seiten positive Friedensliebe betont. Petros zeigt ein Bewusstsein dafür, dass beide Seiten auf ihre Rechtsan258 Men. Prot. frg. 2,11f. 259 Men. Prot. frg. 6,2; Güterbock 1906, 57; Rubin 1960, 368; Ziegler 1972, 427f.; Lee 2008, 108; Nechaeva 2014, 46f.; vgl. Dignas/Winter 2001, 164; Lee 2008, 108; Whitby 2008, 132; Lung 2015, 46f. Zu den Details des Vertragsschlusses und ihrer Verallgemeinerbarkeit Lee 2008, 108–119. 260 Men. Prot. frg. 6,1,19–47. 261 Men. Prot. frg. 6,1,48–77. 262 Men. Prot. frg. 6,1,78–99.
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sprüche pochen, vertritt aber doch implizit die Ansicht, dass die Römer im Recht seien. Die Idee des Gottesurteils, das in letzter Zeit nicht zugunsten der Römer ausging, wird abgeschwächt, zugleich aber auch für die Zukunft wiederhergestellt, da Petros betont, wie wechselhaft das Kriegsglück sei und Gott (wie auch explizit die zoroastrischen höheren Wesen) Zeuge dieser Mechanismen. Es liegt nahe, dass Isdigusnas diese Argumente kennt, als diplomatische Standarderöffnung etlicher Dialoge identifiziert und entsprechend ungehalten antwortet. So fragt er zu Beginn, wer so wild und kulturlos sei, anzunehmen, dass die Mission, die den Frieden zum Ziel hat, nicht gerecht sei? Alle Menschen stimmten darin überein, dass der Frieden ein Segen ist. Er wäre auf die Worte der Römer auch hereingefallen, wären sie nicht eben Römer und die Perser Perser.263 Diese Worte könnten aber nicht darüber hinwegtäuschen, wer die Römer wirklich wären und worin ihr Anliegen bestünde: im eigenen Vorteil. Der Friedenswille sei ein Vorwand für Feigheit und die Römer versuchten, auch ihre Unehrenhaftigkeit dahinter zu verbergen. Die Perser würden nicht hochmütig, weil sie Antiochia erobert hätten, denn zu siegen sei für sie etwas Alltägliches. Dass die Römer die Verhandlungen eröffneten, sei üblicherweise so. Obwohl sie besiegt würden, verstünden sie, sich durch schnelle Friedensanfragen Siege anzueignen. Sie wollten nicht kämpfen, erzeugten aber den Eindruck, anständig zu handeln. Hätten sie aber gewartet, hätten ihnen die Perser ebenfalls den Frieden angeboten. Sie würden ihn ebenfalls im höchsten Maße schätzen und daher seien sie auch jetzt offen für römische Angebote. Denn ein edler Geist handele im Einklang mit dem Recht.264 Der Zich agiert raffiniert. Zunächst entlarvt er die Rede des Petros als bloße Konvention. In Wahrheit gehe es nicht um Recht und Friedensliebe, sondern den eigenen Vorteil. Selbst das Antragen von Verhandlungen hat nichts mit Friedensliebe zu tun, vielmehr wird hier der übliche modus angedeutet, dass eine Seite immer dann Frieden schließen will, wenn es ihr besonders vorteilhaft erscheint. Nach einer Niederlage könnten die Römer so immer noch einen für sie günstigen Vertrag erringen. Wenn die Perser ihren Sieg voll ausgekostet hätten, würden sie auch einen Vertrag machen wollen, aber die Römer verstünden eben, zum für sie selbst gerade richtigen Zeitpunkt auf den Frieden zu drängen. Nun aber könnte Isdigusnas die Konvention des Dialoges offenbar nicht aufgeben, ohne diesen zu sabotieren und daher sagt er mit den letzten Sätzen wiederum genau das, was sich in anderen Verhandlungen bereits gezeigt hat: Die Perser seien auch friedensgewillt und außerdem im Recht. Soeben hat er genau diese Argumentation als Konvention bloßgestellt, muss ihr aber trotzdem schlussendlich wenigstens an der Oberfläche treu bleiben, um eine Aufrechterhaltung des Dialoges überhaupt zu ermöglichen. Wie sich das römisch-persische Verhältnis an 263 Das erinnert an die Worte des Mirrhanes gegenüber Belisar bei Prok. Bell. 1,14,5f. 264 Men. Prot. frg. 100–129.
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den etablierten Strukturen entlangbewegt, so scheinen sich auch Gepflogenheiten der diplomatischen Rede an etablierte Rahmenbedingungen zu halten, die Garanten des fortgesetzten Austausches sind und eben jene Strukturen beschwören. Isdigusnas weiß genau, dass auch Petros weiß, das man die Betonung des Rechts und des Friedenswillens immer wieder an den Anfang stellt,265 um zu zeigen, dass man moralische Verpflichtungen durch Verträge ernst nimmt und nicht eine komplett amoralische Realpolitik betreiben wird, die in einen endlosen Kriegszustand zwischen den als gleich stark begriffenen Mächten führen müsste. Es handelt sich um eine Demonstration des guten Willens gegenüber dem Anderen. Wer so argumentiert, sagt damit, nicht per se hinterhältig und lügnerisch zu handeln und zunächst auch seinem Gegenüber die Chance zu geben, sich gleichfalls moralisch zu verhalten. In Anbetracht des Umstandes, dass keine konstruktive diplomatische Verhandlung möglich wäre, wenn man diese Anschauung nicht hegen würde, ist deutlich, dass es dieser Beteuerung eigentlich nicht bedurfte. Sie hat aber einen zeremoniellen Charakter. Jeder gelobt damit, sich an die gemeinsamen Spielregeln und einen gemeinsamen Wertekanon halten zu wollen. Beide Seiten zeigen, für die Gleichrangigkeit im Umgang miteinander einzustehen. Es ist eine gegenseitige Versicherung, dass die Strukturen nach wie vor von beiden Seiten akzeptiert werden und man nun auf ihrer Basis verhandeln will. Die extreme Konventionalität dieser Beteuerungen fasst Menander mit folgendem Satz zusammen: Beide Seiten hielten eine große Zahl anderer Reden, einige notwendig, andere lediglich des Anscheins wegen, um die beiderseitige Bemühung um den Frieden zu demonstrieren.266
Diese Reden sind so banal und formelhaft, dass Menander nicht einmal ihren Inhalt zusammenfasst. Sie bringen nichts Neues in die Argumentation. Es ist kein Problem, dass die Frage nach dem Recht im Folgenden ausgeblendet wird: das gehört schließlich zum üblichen Ablauf diplomatischen Austauschs. Die persische Seite wünscht einen unbefristeten Friedensvertrag unter Zahlung einer festen jährlichen Summe durch die Römer, samt einer Einmalzahlung von dreißig oder vierzig Jahresbeträgen zu Beginn.267 Der Grund dafür dürfte der bekannte sein: eine festere Absicherung des Friedens und die Möglichkeit, die erste Zahlung nach innen als Tribut zu präsentieren. Die Römer dagegen wollten einen zeitlich befristeten Frieden ohne Zahlung.268 Wenn der Frieden von allein enden würde, könnte die römische Seite nach Ablauf der Zeit nicht des Vertragsbruches beschuldigt werden und zudem
265 266 267 268
Zur häufigen Beteuerung des Friedens Dupont 1975, 217–219. Men. Prot. frg. 6,1,132–134. Men. Prot. frg. 6,1,134–140. Men. Prot. frg. 6,1,140f.
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die Friedenszeit nutzen, die Kräfte in Lazien neu zu ordnen.269 Letzteres ist offenkundig nicht im persischen Interesse. Da in den letzten Verhandlungen immer wieder der (gerechtfertigte oder ungerechtfertigte) persische Vorwurf, die Römer würden Verträge brechen, eine Rolle spielte, ist nachvollziehbar, dass die römische Seite keinen Wert auf Bestimmungen legte, die solche Vorwürfe wieder leicht möglich machen würde, die persische dagegen schon. Die Abwesenheit einer Zahlung würde die Frage nach Tribut oder Sold hinfällig werden lassen, die für die römische Seite offenbar schon entschieden war: derlei Zahlungen erschienen der römischen Öffentlichkeit als Tribut270 und nicht etwa Sold, wie Chosrau einst zu konstruieren versucht hatte. Wiederum musste der persischen Seite aber gerade daran gelegen sein, dass diese Ambivalenz gegeben war. Schließlich einigte man sich auf einen „Deal“: Der Frieden solle geographisch universell sein und für 50 Jahre gelten, Lazien den Römern unterstehen und die römische Seite 30.000 goldene Nomismata pro Jahr zahlen. Hinsichtlich der Einmalzahlung einigte man sich auf zehn Jahre, davon die Summe für die ersten sieben sofort und die übrigen drei auf einmal nach den ersten sieben Jahren. Nach den zehn Jahren sollte die Zahlung jährlich erfolgen.271 Diese Lösung war für beide Seiten akzeptabel.272 50 Jahre sind nicht so kurzfristig, dass man innerhalb dieser Frist unmittelbar für einen künftigen Krieg pla269 In Men. Prot. frg. 18,4 unterstellt Menander Kaiser Tiberius II. exakt diese Idee: Er strebe einen Frieden über höchstens drei Jahre an, da er wüsste, dass seine Truppen in drei Jahren stark genug für einen neuen Krieg sein würden. Unter militärischem Druck gehen die Perser darauf ein. Sie erkennen den Plan, rechnen aber nicht damit, dass die drei Jahre Rüstung einen entscheidenden römischen Vorsprung bringen würden. Vgl. Evagr. hist. eccl. 5,12. 270 Vgl. Dignas/Winter 2001, 176f. Dieser Aspekt wird auch später im Werk Menanders noch eine Rolle spielen, so zur Zeit des Kaisers Tiberius II., da Gesandte bei Men. Prot. frg. 20,2,9–25, auf Geheiß des Kaisers die Zahlungen des Vertrages von 561 nicht fortsetzen wollen, mit der Begründung, dass man es nicht Frieden nennen könnte, wenn die Römer den Persern tributpflichtig wären. Der Kaiser werde den Frieden nicht wie eine Ware kaufen, sonst wäre der Frieden weder stabil noch langanhaltend. Daher sollten die Zahlungen in den folgenden Verhandlungen erst einmal keine Rolle mehr spielen; vgl. Blockley 1985a, 72f. Die stetige Veränderung der Paradigmen in der Zeit nach 561 wird nicht zuletzt darin deutlich, dass Chosrau bei Men. Prot. frg. 20,2,26–34 bereit ist, auf diese vertraglich festgesetzte Zahlung tatsächlich zu verzichten. Noch bei Theophylakt. hist. 3,9 spielt die römische Weigerung zur Zahlung eine Rolle, die damit begründet wird, keinen Tribut zahlen zu wollen. Theophylakt äußert sich als Erzähler dahingehend, dass dies nicht gerechtfertigt sei, da die Zahlung kein Tribut sei, sondern für den Schutz der Pässe im Interesse beider Reiche erfolge; Miller 1970, 65, Anm. 32; ein anderes Verständnis dieser Stelle bei Schreiner 1985, 279, Anm. 371. Auch Turtledove 1983, 298f., geht von einer im Grunde ehrlichen persischen Absicht aus; vgl. Winter 1989a, 85, Anm. 99. Quellenmäßig schwer zu belegen ist die Theorie von Higgins 1941, 289f.; vgl. Rubin 1986a, 677. 271 Men. Prot. frg. 6,1,142–154. 272 Sykes 1921, 454: „Upon the whole this treaty was favourable to both contracting powers; for Rome received Lazica though (sic) paying a sum of money in return. The other articles were
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nen könnte, aber auch nicht so langfristig, dass kein Ende in Sicht wäre und sich wandelnden Bedingungen nicht Rechnung getragen werden könnte. Auf jeden Fall würde der Frieden für die Lebzeiten Justinians und Chosraus gelten, somit wäre verhindert, dass einer der Herrscher unmittelbar nach Ende der Laufzeit den nächsten Krieg beginnt. Die römische Vorherrschaft über Lazien ist ein großes Zugeständnis an die römische Seite, aber letztlich dem Umstand geschuldet, dass für Persien selbst der Verzicht auf alle lazischen Ansprüche, sofern er Frieden garantierte, immer noch günstiger und vorteilhafter war, als diese Region weiterhin umkämpfen zu müssen, was sich nun schon jahrelang ergebnislos hinzog und somit permanent Kosten verursachte und Truppen band, ohne wesentliche militärische, wirtschaftliche oder diplomatische Vorteile zu bringen. Es musste eine klare Entscheidung getroffen werden, der status quo würde nur Zündstoff für weitere Konflikte bringen. Das Sasanidenreich hatte früher ohne die Vorherrschaft in Lazien existiert und würde es auch in Zukunft können. Wahrscheinlich dank dieses Zugeständnisses kann die römische Seite auf die Zahlungen eingehen, denn diese lassen sich als Zahlung nicht für das Halten des Friedens, sondern für Lazien darstellen. Wenn der Vertrag durch die persische Seite gebrochen wird, kann das Imperium die Zahlungen einstellen und hat keine übermäßigen Verluste. Die Einmalzahlung der ersten Jahre nimmt auch den Tributcharakter, zumal es ein persischer Vertrauensbeweis ist, diese zu akzeptieren. Die Höhe dieser Zahlung unterschiedet sich auch stark von den anfänglichen persischen Forderungen, 30 oder 40 Jahresbeträge zu erhalten.273 Es ist möglich, dass die Zahlungsschwelle nach dem siebten Jahr berücksichtigen sollte, dass sich die Verhältnisse bis dahin geändert haben könnten und eine anderweitige Regelung erforderlich wäre.274 Neben kleineren Streitpunkten275 ist Menanders Bericht im Folgenden zu entnehmen, mit welchen protokollarischen Details und Techniken der Friedensschluss vonstatten ging. So wird genau reguliert, dass der Kaiser seinem Ratifizierungsbrief einen Anhang beifügen sollte, in dem er garantiert, nach den sieben Jahren die vereinbarten drei zu zahlen. Wenn dies geschehen sei, würde der Großkönig den Empfang dieser Summe für drei Jahre quittieren und den abgetrennten Anhang dem Kaiser zurückschicken.276
273
274 275 276
equally fair and reasonable and indicate that both sides were weary of the war. It was, of course, certain that Persian vanity would represent the money as tribute paid by Rome, and Tabari informs us that this was the case: but the great Western Power does not appear to have felt any serious loss of prestige from a payment which secured the possession of a fertile and strategically valuable province.“ Vgl. dagegen Turtledove 1983, 296: „[...] if either side had the right to claim superiority over the other, it was the Persians, for by the terms of the treaty they received 30,000 nomismata per year as tribute from the Byzantines.“ Vgl. von der Osten 1956, 143: „Im großen und ganzen blieb aber Khosroes I. der gewinnende Partner in den langen Kämpfen mit Byzanz.“ Vgl. Blockley 1985a, 72. Men. Prot. frg. 6,1,155–162. Men. Prot. frg. 6,1,163–174.
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Im persischen Ratifizierungsbrief (und entsprechend wohl auch dem römischen)277 wird dann wiederum sowohl in der Anrede als auch im Text die höchste diplomatische Ebene der Brüderlichkeit bemüht.278 Im Folgenden bietet Menander dank der Aufzeichnungen des Petros Patrikios etliche interessante Einblicke in den diplomatischen Umgangston. So weist Petros die hochmütigen Ausführungen des Isdigusnas in die Schranken, indem er eine Parabel erzählt;279 ähnlich wie dies Prokop über den Römer Eusebios gegenüber Peroz berichtet hat. Ob Petros sich in besonders gutem Licht darstellen wollte oder dieses Detail der Wahrheit entsprochen haben mag: es zeugt doch von dem – im landläufigen Sinne des Adjektivs – „diplomatischen“ Verhalten des Petros, seine eigene kritische Meinung deutlich kundzutun, ohne sein Gegenüber persönlich anzugreifen. Das ungelöste Problem der Zugehörigkeit Suanias nimmt in der folgenden Darstellung breiten Raum ein,280 wobei innerhalb der spätantiken Überlieferung das einzige Mal die Möglichkeit besteht, einen direkten Einblick in die authentische Argumentation zu erhalten, die von Diplomaten während Friedensverhandlungen genutzt wurde, um möglichst große Vorteile für die eigene Seite zu gewinnen. Petros spricht sich für eine römische Zugehörigkeit Suanias aus, denn die Suanen seien Befehlsempfänger der Römer gewesen, was in einem historischen Ablauf belegt wird; über die Lazen hätten sie Rom unterstanden; die Römer hätten also im Vergleich zu den Persern die älteren Ansprüche.281 Surenas und Isdigusnas argumentieren dagegen, dass die Suanen freiwillig auf die persische Seite übergetreten seien. Sie seien also autonom gewesen und nicht den Lazen unterstellt.282 Petros schlägt aufgrund des Disputes vor, dass Isdigusnas im Vertrag eine Formulierung wählen sollte, dass Lazien samt den untergebenen Völkern an die Römer fallen solle.283 Dem hält Isidgusnas entgegen, dass in diesem Fall die Römer auch Iberien zur Sprache bringen könnten.284 Petros erwidert, dass aus diesen Antworten hervorginge, dass die Perser gar nicht gewillt seien, den Römern ganz Lazien zu lassen.285 Menander fasst zusammen, dass es noch weitere unentschiedene Diskussionen gegeben habe. Sie referieren das Problem an den Großkönig persönlich und Isdigusnas schwört, er würde dann Petros unterstützen.286 Auch in diesem Dialog wird das generelle Problem deutlich, das in einer Situation entsteht, da es zwei aufeinandertreffende und unversöhnliche Rechtsauffas277 278 279 280 281 282 283 284 285 286
Men. Prot. frg. 6,1,199–201. Men. Prot. frg. 6,1,182f., 188, 191. Men. Prot. frg. 6,1,203–238. Siehe dazu auch Rubin 1960, 369–371. Men. Prot. frg. 6,1,239–271. Men. Prot. frg. 6,1,272–275. PLRE IIIB, Surena, S. 1208. Men. Prot. frg. 6,1,275–278; vgl. Antonopoulos 1992, 318. Men. Prot. frg. 6,1,278–280. Men. Prot. frg. 6,1,280–282. Men. Prot. frg. 6,1,282–287.
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sungen gibt, aber kein unabhängiger Richter existiert. Daher wird Suania im Vertrag außen vorgelassen. Isdigusnas muss sogar schwören – um Petros eine gewisse Sicherheit zu geben – dass Chosrau ihn nicht einfach so abweisen könne. Auch hier zeigt sich wieder die Bedeutung eines Eides in einem derart unsicheren Verhältnis. Später wird sich der ausführlich wiedergegebene Dialog zwischen Petros und Chosrau (wohl einer der Höhepunkte der diplomatischen Laufbahn des Petros und daher in dessen Aufzeichnungen ausführlich präsentiert) nicht in anderen Bahnen bewegen:287 Petros beschwört den römischen Rechtsanspruch und appelliert an Chosraus königliches Rechtsbewusstsein; da die Römer die Vorherrschaft über die Lazen besäßen, hätten sie auch jene über die den Lazen unterstellten Suanen inne. Er zeigt sogar dahingehende Herrscherlisten der Lazen und Suanen samt der Angabe, welcher Lazenkönig welchen Suanenherrscher investiert hätte.288 Chosrau lobt Petrosʼ Überzeugungskraft, doch sei sein Anliegen nicht gerecht. Lazien sei von ihm erobert worden und die Suanen hätten sich unterworfen.289 Petros beharrt also auf der rechtlichen Macht der älteren Ansprüche, Chosrau auf dem Recht der Eroberung. Nach dem ergebnislosen Aufeinanderprallen der Standpunkte und einem Themenwechsel versucht Chosrau dann, seinen Standpunkt zu stärken, indem er jenen der Römer schwächt: Die Suanen seien nicht den Lazen unterworfen, sondern autonom gewesen. Damit greift er ein Argument auf, das bereits im vorherigen Gespräch fiel. Petros wendet sich dagegen.290 Da dies alles nicht fruchtet, begibt man sich auf die Ebene der ehrenrührigen und von Unterstellungen geprägten Angriffe: Chosrau wirft den Römern vor, sie hätten das Thema, wenn es so wichtig wäre, schon seit Jahren zur Sprache bringen können, was Petros zu dem Gegenschlag veranlasst, dass Chosrau damals aufgrund seiner militärischen Lage gegenüber Rechtsansprüchen wohl taub gewesen wäre.291 Da diese Ebene erst recht nicht zu einer Lösung führen kann, macht Chosrau ein Angebot: Wenn die Römer durch ein Dokument beweisen könnten, dass die Suanen den Lazen unterstanden, würde er ihnen recht geben.292 Petros zeigt nach einigen Ausführungen die Herrscherlisten.293 Chosrau erkennt diese Liste nicht als Beleg für den in Frage stehenden Sachverhalt an und erwähnt daneben sogar explizit den Zustand, der eintritt, wenn Aussage gegen Aussage steht: Wenn er das Dokument des Petros als Beweis für die Legitimität des römischen Anspruchs akzeptierte, müsste Petros ja auch umgekehrt ein persisches Dokument als Beleg
287 288 289 290 291 292 293
Men. Prot. frg. 6,1,435–603. Men. Prot. frg. 6,1,435–478. Men. Prot. frg. 6,1,479–514. Men. Prot. frg. 6,1,545–554. Men. Prot. frg. 6,1,554–562. Men. Prot. frg. 6,1,562–565. Men. Prot. frg. 6,1,565–587.
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für die Legitimität des persischen Anspruches vorbehaltlos akzeptieren. Dem stimmt Petros zu.294 Chosrau versucht noch ein Angebot zu machen, das bereits den Charakter eines „Deals“ tragen soll, da er meint, nicht mehr weiter als bis zu diesem Punkt gehen zu können. Er fragt, ob man nicht die Suanen selbst bestimmen lassen wollte, wem sie unterstehen wollten.295 Petros erwidert, dass sie dann mit Sicherheit die Unabhängigkeit wählen würden, worauf Chosrau meint, den Sklaven stünde in der Tat keine Entscheidung über ihr Land zu.296 Offenbar war Chosraus Plan, das Problem vorerst aus der Diskussion der Großmächte zu verbannen, indem man die Entscheidung an die Suanen referierte. Auf den Entscheidungsprozess könnte man später schließlich Einfluss nehmen. Das will Petros nicht. Menander lässt die Argumente damit enden und das Fragment endet ebenfalls. Es steht nach wie vor Aussage gegen Aussage. Eine Lösung wurde nicht gefunden.297 Auch die offene und bisher nicht befriedigend zu beantwortende Frage nach Ambrus, dem Sohn des al-Mundhir, und eventuellen römischen Zahlungen kommt zwischen den bevollmächtigten Vertretern Petros und Isdigusnas zur Sprache298 und später erneut zwischen Petros und Chosrau.299 Hinsichtlich der Formalia diplomatischen Ablaufs ist durch Menander nun zu erfahren, dass der Vertrag auf persisch und griechisch aufgesetzt wurde, wobei anschließend der persische Texte zur Kontrolle ins Griechische übersetzt wurde und umgekehrt.300 Es gibt etliche Unterzeichnende; auf römischer Seite Petros, Eusebios und andere, auf persischer Isdigusnas, Surenas und andere. Dann wurden noch einmal die Dokumente nebeneinandergelegt und verglichen.301 Es erfolgte auch eine besondere sprachliche Gestaltung und letztlich werden die fertigen Vertragsdokumente für beide Seiten faksimiliert. Die Originale werden mit zwei verschiedenen Siegelmassen sowohl von den Gesandten als auch den jeweils sechs griechischen und persischen Übersetzern versiegelt. Isdigusnas übergibt das persische Dokument Petros, Petros das griechische Isdigusnas. Eine unversiegelte persische Übersetzung der griechischen Fassung erhält Isdigusnas, eine unversiegelte griechische Übersetzung der persischen Fassung Petros.302 Diese geradezu modern anmutenden Maßnahmen verwundern in Anbetracht der Erfahrungen, die beide Seiten hinsichtlich der Vertragstreue mit der jeweils anderen machen mussten, nicht. Wenn ein Vertrag das letztlich einzige Mittel ist, 294 295 296 297 298 299 300 301 302
Men. Prot. frg. 6,1,587–590. Men. Prot. frg. 6,1,590–597. Men. Prot. frg. 6,1,597–603. Men. Prot. frg. 6,3,1f. Siehe weiter unten Kapitel 9.4. Der Fall wird noch Kaiser Justin II. beschäftigen, ebd. Frg. 9,1,1–16; Turtledove 1983, 292. Men. Prot. frg. 6,1,288–303. Siehe weiter unten Kapitel 19.4 u. 19.6. PLRE IIIA, Ambros 2, S. 54f. Men. Prot. frg. 6,1,515–545; Turtledove 1983, 294. Men. Prot. frg. 6,1,304–307. Men. Prot. frg. 6,1,307–313. Men. Prot. frg. 6,1,408–423.
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12 Methoden I
die Beziehungen der als gleich stark begriffenen Großmächte in ein festes Verhältnis zu bringen und zudem der einzige Nagel ist, an dem die Beendigung eines langen und letztlich ergebnislosen Krieges sowie der Frieden der potentiell nächsten fünfzig Jahre festgemacht wird, sollte er sehr genau formuliert und kontrolliert werden. Dem Grundlagencharakter dieses Vertrages entsprechend werden alle wesentlichen Streitpunkte, die sich seit der Teilung Armeniens angesammelt haben, in ihm thematisiert:303 Das Problem der Kaspischen Tore wird im ersten Artikel gelöst, da es heißt, die Perser sollten keinen Barbaren den Durchgang ins Imperium ermöglichen und umgekehrt die Römer kein Heer in dieses Gebiet oder einen anderen Teil der Grenze gegen die Perser entsenden.304 Das Problem der Sarazenen, die nicht in Friedensschlüsse eingebunden waren, aber sehr wohl den Frieden der Großmächte gefährden konnten, wird im zweiten Artikel behandelt: Die Sarazenen beider Seiten sind an den Vertrag gebunden und dürfen einander nicht angreifen.305 In den Quellen nur schwer zu fassende wirtschaftliche Themen behandelt der dritte Artikel, in dem es heißt, Händler müssten sich der etablierten Handelsposten bedienen. Dies wendet sich offenkundig auch gegen das Ausnutzen der Rivalität der Großmächte für Schmuggel.306 Auch der fünfte Artikel konkretisiert dies, da er die Bestimmungen auf sarazenische Händler anwendet.307 Manipulation308 soll durch den vierten Punkt eingeschränkt werden, da die besondere Ehrenstellung der Gesandten beider Seiten festgeschrieben wird. Sie sollten unverzüglich nach Erledigung ihrer Mission zurückgesandt werden. Ihr zollfreier Warenverkehr bleibt unangetastet.309 Das Problem der Überläufer ist Gegenstand des sechsten Artikels, da eine Art Amnestie erlassen wird: Wer sich in den Kriegen auf die andere Seite begeben hat, darf nun zurückkehren. Wer aber künftig die Seiten wechseln will, soll nicht 303 Vertrag: Men. Prot. frg. 6,1,314–393. Dignas/Winter 2001, 177: „Überblickt man die Einzelpunkte, so zeigt sich, daß sämtliche Handlungsfelder seit Beginn der römisch-sāsānidischen Beziehungen im 3. Jahrhundert in diesem Vertragswerk zur Sprache kommen. Das foedus von 562 spiegelt somit nicht nur das Bemühen, den militärischen Konflikt zwischen Byzanz und dem Sāsānidenreich zur Zeit Xusrōs I. und Iustinians durch eine diplomatische Lösung zu beenden, sondern es gewährt auch einen umfassenden Einblick in die Intensität gemeinsamer Beziehungen. Das foedus von 562 war ein ernsthafter Versuch, auf vertraglicher Ebene eine umfassende Lösung aller umstrittenen Punkte zu finden, um die Situation zwischen den Großmächten zu stabilisieren.“ 304 Men. Prot. frg. 6,1,314–319. 305 Men. Prot. frg. 6,1,320–322; Dignas/Winter 2001, 173; Börm 2007, 76; Fisher 2020, 143f. 306 Men. Prot. frg. 6,1,323–326; Kawar 1956, 192f.; Dignas/Winter 2001, 174f.; vgl. Peegulevskaya 1956, 60; siehe dazu auch weiter unten das 19. Kapitel zu den Akteuren zwischen den Großmächten. 307 Men. Prot. frg. 6,1,332–340; Pigulevskaja 1960, 462. 308 Im Sinne des entsprechenden 16. Kapitels der vorliegenden Arbeit. 309 Men. Prot. frg. 6,1,326–332. Zu diesem Phänomen Winter 1987, 69; Cutler 2001, 266; vgl. Dignas/Winter 2001, 174f.
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mehr von der anderen Seite aufgenommen, sondern gleich zurückgeschickt werden; auch gegen seinen Willen.310 Wohl um zu verhindern, dass grenzübergreifende Anschuldigungen von Privatpersonen das Verhältnis der Großmächte belasten, wird eine Regelung für deren Konflikte im siebten Artikel getroffen.311 Das Problem der Stadt Daras wird im achten Artikel behandelt:312 Die Perser werden die Stadt nicht wieder thematisieren, es soll in Zukunft aber keine der beiden Seiten mehr Städte in Grenznähe befestigen. In Daras selbst soll laut dem zehnten Artikel kein Militärverband stationiert sein, der über das zur Verteidigung der Stadt nötige Maß hinausgeht, auch soll der magister militum per Orientem nicht in dieser Stadt seinen Sitz haben. Wenn es zu Grenzkonflikten kommt, sei der Stadtkommandant verantwortlich.313 Das Problem der zwischen den Großmächten agierenden Gemeinwesen wird im neunten Artikel so behandelt, dass die Truppen einer Seite nichts und niemanden angreifen sollen, das der anderen Seite unterstellt ist.314 Bezüglich eines Konfliktes zwischen Städten konkretisiert das der elfte Artikel, der auch juristische Mechanismen für den Fall nichtkriegerischer Differenzen festlegt.315 Schlussendlich wird im zwölften Artikel Gott als Garant der Bestimmungen angerufen und im dreizehnten die fünfzigjährige Geltung festgeschrieben.316 Es werden die Ratifizierungsbriefe der Herrscher ausgetauscht.317 Die Frage nach dem Status der Christen im Perserreich wird in einem separaten Abkommen behandelt, ihnen wird die Kultfreiheit zugesagt.318 Es zeigt sich die besondere Bemühung beider Seiten einen stabilen Frieden zu schließen. Der Umgang auf Augenhöhe auf Basis diplomatischer Gleichrangigkeit wird deutlich. Es ist anzunehmen, dass beide Seiten den Eindruck gewonnen hatten, dass sich im Laufe des 6. Jahrhunderts in den Kämpfen nur wieder die Korrektheit der Annahme des militärischen Gleichgewichts gezeigt hatte. Letztlich konnte keine Seite wesentlich Vorteile erringen, die diese grundlegende Annahme in Frage gestellt hätten. Daher ist verständlich, dass sie auch den Vertrag durchdringt. Die religiöse Neutralität zeigt sich nicht nur darin, dass Religion im eigentlichen Vertrag ausgespart wird – da sie ein Thema ist, über das sich nicht mit rechtlichen Formen entscheiden lässt – sondern auch in der Bestimmung der Kultfreiheit, die am Ende eines langen Prozesses steht. Religion soll kein Konfliktgrund sein, darin sind sich die Seiten einig. 310 311 312 313 314 315 316 317 318
Men. Prot. frg. 6,1,340–347, Dignas/Winter 2001, 175; Hartmann 2007, 66. Men. Prot. frg. 6,1,347–353; Güterbock 1906, 84–86; siehe dazu die Arbeit Ziegler 1972. Men. Prot. frg. 6,1,353–358. Men. Prot. frg. 6,1,361–366. Men. Prot. frg. 6,1,358–361. Men. Prot. frg. 6,1,366–384; Güterbock 1906, 86–90; siehe dazu die Arbeit Ziegler 1972. Men. Prot. frg. 6,1,384–393. Men. Prot. frg. 6,1,394–397. Men. Prot. frg. 6,1,398–407; Dignas/Winter 2001, 176; Maksymiuk 2015, 129.
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12 Methoden I
Die langwierige Behandlung Suanias im Nachgang des Vertrages wird von Petros explizit mit der Gefahr für den Frieden begründet, die von diesem kleinen Land ausgeht: Da also die Glut des Krieges von uns jetzt ausgelöscht worden ist und wir gleichsam aufgeatmet haben, ein einziger Funke aber allein noch übrigbleibt (mit dem Funken der Übel meine ich Suanien, das für uns ein riesiger Herd der Feindschaft zu werden droht) […]319
In der Einschätzung Menanders wird die Bedeutung und Komplexität des Vertrages bereits darin deutlich, dass er schreibt, schon eine Behandlung dieses Vertrages allein könnte ein großes Geschichtswerk füllen.320 Hinsichtlich der Bedeutung der von Menander geschilderten Verhandlungen für die Frage nach der Authentizität der von den spätantiken Autoren benutzten diplomatischen Argumentationsstruktur und -mechanismen ist Folgendes festzuhalten: Die Art der Dialogführung vom Aufeinandertreffen gegensätzlicher Rechtsansprüche bis zur Möglichkeit eines „Deals“ verläuft bei Menander, der auf die wohl beste dahingehende Quelle überhaupt – die Aufzeichnungen des beteiligten Diplomaten Petros – zurückgegriffen hat, genau so, wie Prokop sie für seine Zeit dargestellt hat. Dies kann kaum ein Zufall sein. Wenn man davon ausgeht, dass Petros die Mechanismen seiner Erfahrung nach richtig dargestellt und Menander richtig übernommen hat, so muss man hinsichtlich der Darstellung Prokops feststellen, dass auch er verstanden haben muss, wie spätantike Diplomatie funktionierte. Sonst hätte er sie in seinem Werk nicht in dieser Form darstellen können. Seine diplomatischen Reden mögen stark überformt oder auch frei erfunden sein, die in ihnen ablaufenden Mechanismen stimmen aber mit denen des Petros überein. Da die beiden Darstellungen zusammenpassen, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass in ihnen echte diplomatische Mechanismen der Spätantike – wie sie sich den Beteiligten dargestellt haben – zu finden sind. Im Übrigen ist es Menander, der als einziger spätantiker Autor den Mechanismus des Übergangs von gegenseitiger Schuldzuweisung zu realpolitischer Verhandlung in einem Satz geradezu offenlegt, da es über eine Verhandlung – wenn auch erst zur Zeit des Kaisers Tiberius II. – heißt: Die Gesandten beider Gemeinwesen kamen zusammen und trafen sich an den Grenzen des Ostens um zu bestimmen, wie der Frieden gesichert werden könnte. Sie hielten mehrere geschliffene Reden und beide sprachen und hörten, was relevant und zuweilen irrelevant war. Letztlich kamen die Gesandten überein, die Diskussion darüber, wer am Vertragsbruch schuld
319 Men. Prot. frg. 6,1,445–448 (Übers. nach Stein): ἐπεὶ οὖν τὸ ζέον τοῦ πολέµου κατέσβεσται νῦν ἡµῖν, καὶ ὥσπερ ἀνεπνεύσαµεν, εἷς δὲ µόνος ὑπολείπεται σπινθήρ, φηµὶ δὲ σπινθῆρα κακῶν τὴν Σουανίαν, ἀπειλοῦσαν ἡµῖν µεγίστην ἔσεσθαι δυσµενείας ἐµπύρωσιν [...] Der Verfasser der vorliegenden Arbeit dankt den Herren Professoren Markus Stein sowie Bruno Bleckmann vielmals für die Möglichkeit, auf ihre noch unpublizierte neue Edition samt Übersetzung der Fragmente des Geschichtswerkes Menander Protektors zuzugreifen. 320 Men. Prot. frg. 6,2,30–32.
12.3 Die Narrative Prokops, Agathiasʼ und Menanders
205
sei und wer nicht, aufzugeben und die Mittel zu bestimmen, durch die der Frieden gesichert würde und die sich bekriegenden Gemeinwesen ihre Feindseligkeiten beenden könnten.321
Die lapidare Art, mit der dieser Vorgang abgetan wird, verweist wohl bereits auf die Phänomene einer Zeit, da sich die Paradigmen des diplomatischen Umganges änderten.322
321 Men. Prot. frg. 20,2,1–9 (Übers. nach Blockley): ὅτι οἱ πρέσβεις ξυνελθόντες τε καὶ εἰς ἒν γενόµενοι κατὰ δὴ τὰ ὅρια τῆς ἕω ἐξ ἀµφοτέρας πολιτείας τὴν εἰρήνην ὅπως βεβαιωθῆναι δέον διασκεψόµενοι, γλαφυρά τε καὶ ποικίλα ῥήµατα ἕκαστοι ἀπορρίψαντεσ εἰπόντες τε καὶ ἀκηκοότες τὰ ὅσα χρεών, τυχὸν καὶ τὰ ὅσα µὴ χρεών, τέλος ξυνῆκαν οἱ πρέσβεις περὶ µὲν τοῦ διαρραγῆναι τὰς σπονδὰς τίς αἴτιος καὶ οὔ, τὸ τοιόνδε σιγηθῆναι, διερευνῆσαι δὲ τρόπον ὅτῳ ἐµπεδωθήσεται τὰ εἰρηναῖα τοῦ λοιποῦ καὶ αἱ ἀµφήριστοι πολιτεῖαι κατάθοιντο τὰ ὅπλα. 322 Die Zerstörung der üblichen Verhandlungsweise dokumentiert eindrücklich Theophylakt. hist. 1,15 (Übers. nach Schreiner), da der Satrap Mebodes (PLRE IIIB, Mebodes 2, S. 868– 870) im Frühjahr 585 die typische Eröffnung einer Verhandlung mit der ausführlichen Dokumentation des persischen Friedenswillens und der Vorzüge des Friedens beginnt und für den Frieden eine römische Zahlung wünscht, woraufhin aber ganz und gar nicht gemäß den bisherigen Konventionen geantwortet wird: ἔτι τοίνυν παρατείνοντος τοῦ λόγου, τοῦ πρέσβεως Ῥωµαῖοι κατεχειροτόνουν συρίττοντες καὶ ταραχὴν ταῖς βοαῖς ἐνεποίουν, ὥσπερ δεινοπαθούντων ἐπὶ τοῖς ῥήµασι τοῦ βαρβάρου· ἐδόκουν γὰρ καὶ Ῥωµαῖοι µεγαλαυχεῖν ἐπὶ τοῖς ἔναγχος γεγενηµένοις, ὡς ἐδέδυσαν ἐς τὴν Περσῶν πολιτείαν, ὡς λείας ἐκράτησαν, ὡς τὸν Καρδαριγὰν ἐφενάκισαν. ὁ δὲ σταρτηγὸς τὴν ἐκκλησίαν διέλυσεν, καὶ ὁ Πέρσης οὐκ ἐπέθηκε τέλος τοῖς ῥήµασιν. – „Als sich die Rede hinzog, pfiffen die Römer den Gesandten nieder und schrien laut, ungehalten über die Worte des Barbaren. Die Römer schienen nämlich stolz zu sein auf die jüngsten Ereignisse, dass sie sich der Beute bemächtigten, dass sie Kardarigan überlistet hatten. Der Feldherr löste die Versammlung auf und der Perser konnte seine Rede nicht zu Ende führen.“ Auch der Kaiser reagiert ebd. nicht anders: βασιλεὺς δὲ τὰς τοῦ στρατηγοῦ ἱστορήσας κεραίας βασιλικοῖς παραυτίκα ἀνεῖλε προστάγµασιν, τὸν Φιλιππικὸν ἐγκελευσάµενος τὰς αἰσχίστας ταύτας σπονδὰς ἀποπέµπεσθαι ὡς ἀπᾳδούσας Ῥωµαïκῆς µεγαλειότητος. – „Als der Kaiser den Brief des Feldherrn zur Kenntnis genommen hatte, ließ er ihn durch kaiserlichen Befehl vernichten und befahl dem Philippikos, diesen schändlichen Vertrag als unvereinbar mit der Würde der Römer zurückzuweisen.“ (PLRE IIIB, Philippicus 3, S. 1022–1026.) In einer Feldherrenrede wird an der Stelle Theophylakt. hist. 3,13 noch einmal der Topos bemüht, dass die Römer ihrer Friedensliebe wegen im Bund mit dem Recht stünden und bei den Persern das Gegenteil der Fall wäre. Dies geschieht aber nicht vor einer Verhandlung, sondern einer Schlacht. Es tritt inzwischen auch des Element der römischen Rechtgläubigkeit im Angesicht des per se ungerechten persischen Götzendienstes anstelle der alten Bekräftigung, dass Gott zwischen den Rechtsansprüchen entscheiden würde. Der Großkönig Hormizd benimmt sich dann nach seinem Herrschaftsabtritt ebd. 3,17 ohne jegliche Achtung alter Konventionen: Er weist die kaiserliche Rede vom für beide Seiten vorteilhaften Frieden ab und fordert, dass die Römer offen Tribut leisten sollen und spricht sich völlig gegen den Vertrag von 561 aus. Die Rede von einem möglichen ewigen Frieden ebd. 4,13 geschieht dann schon unter drastisch veränderten diplomatischen Umständen.
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12 Methoden I
12.3.7 Zusammenfassung Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die römisch-sasanidischen Verhandlungen – bedingt durch die Strukturen – stets nach einem ähnlichen Muster verliefen: Die am Beginn einer Verhandlung stehende gegenseitige Beschwörung des Friedenswillens, der Vertragstreue, der Verbundenheit mit dem Recht etc. soll dem jeweils anderen versichern, dass man nach den etablierten Strukturen agieren will und diesen keine Absage erteilt, also sich weiterhin der gemeinsamen kosmischen Mission bewusst ist und keinen unkontrollierten Krieg führen möchte. Die Alternative zu Verhandlungen war ein nach damaliger Sicht nicht zu gewinnender Krieg zwischen gleich starken Mächten, der in niemandes Interesse lag. Daher die Beschwörung, keinesfalls diesen Weg, sondern den der Verhandlung wählen zu wollen. Der Inhalt der Verhandlungen ist stets realpolitischer Natur, aber die Entgrenzung des Krieges musste durch derartige Beschwörungen verhindert werden. So versuchte man auch, Vertragsbrüche zu verheimlichen und keine unleugbare Schuld daran auf sich zu laden, die den anderen als Ablehnung der etablierten Regeln vielleicht hätte weitere Verhandlung blockieren lassen: das hätte im schlimmsten Fall zu einer Spirale der Anschuldigungen und Unmöglichkeit der Verständigung führen können, was wieder den unentwegten Krieg nach sich gezogen hätte, zumindest aber zu einer Erschwernis der eigenen Verhandlungsposition: denn wenn jemand offenkundig vertragliche Bestimmungen leugnet und dann auch noch militärisch unterliegt, wird er es schwer haben, die auf den Kampf folgenden Verhandlungen ohne größere Zugeständnisse zu verlassen. In Anbetracht der Notwendigkeit von Verhandlungen zur Verständigung der Seiten wollte jede Seite es so anstellen, dass sie in den Verhandlungen möglichst gute Ergebnisse in ihrem eigenen Sinne erzielte. Dafür genügte nicht die bloße Abwesenheit nachweisbarer Schuld an der Krise, sondern um möglichst gute Ergebnisse zu erzielen, musste die andere Seite auch einlenken. Man lenkt aber nur ein, wenn entweder ein gemeinsames Interesse besteht („Deal“) oder aber fürchtet, die folgenden Konsequenzen des Nichteinlenkens seien negativer als die des Einlenkens. Daher versuchte man beständig, die eigene Verhandlungsposition zu stärken, um den anderen davon zu überzeugen, dass er bei Nichteinlenken in der Zukunft noch stärkere Zugeständnisse machen müsste. Dies wollte keiner, da es langsam das etablierte Gleichgewicht zu den eigenen Ungunsten zu erodieren drohte. Daher versuchten alle Seiten, noch im Angesicht von Verhandlungen entsprechende Verhandlungsmasse auf die eigene Seite zu ziehen und Militäraktionen gewissermaßen noch in letzter Sekunde durchzuführen, die geeignet waren, die Verhandlungen zu verändern. Beständig wurden die Ereignisse laufender Feldzüge als Vor- und Nachteile in Verhandlungen integriert und veränderten deren Verlauf. Das gilt auch für das Anknüpfen der Friedensverhandlungen überhaupt: Wer die militärische Oberhand in der aktuellen Situation hat, verfügt auch über eine starke Verhandlungsposition und will entsprechend verhandeln, um seine Vorteile
12.3 Die Narrative Prokops, Agathiasʼ und Menanders
207
vertraglich festzuschreiben. Wer unterliegt, ist geneigt, erst auf einen Wechsel des Kriegsglücks zu hoffen, bevor er als aktuell benachteiligte Seite in die Verhandlungen eintritt. Diese Abläufe kann auch die jeweils andere Seite für ihren Vorteil nutzen. Die als Indikator der Treue zum einmal geschlossenen Vertrag etablierten Zahlungen stellten beide Seiten beständig vor Herausforderungen: Die persische Seite wollte sie innenpolitisch nutzen, um sie als die eigene Überlegenheit demonstrierende Tribute darstellen zu können, die römische Seite musste befürchten, dass diese Aussage auch gegenüber der römischen Bevölkerung zum Tragen kommen könnte.
13 METHODEN II Krieg als Mittel der Diplomatie 13.1 NATUR DER METHODE Es ist bereits festgestellt worden, dass nicht nur Krieg gemäß des Clausewitzschen Diktums „eine bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“1 ist, sondern Diplomatie auch die Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln sein kann.2 Es besteht ein Wechselverhältnis zwischen beiden, das sich im konkreten Fall der spätantiken römisch-persischen Beziehungen bereits im letzten Kapitel in dem Sinne gezeigt hat, dass diplomatische Verhandlungsmasse offenkundig wesentlich durch militärische Erfolge vergrößert und Misserfolge verkleinert wird, so dass es naheliegt, Verhandlungen gezielt durch zwischenzeitliche Militäraktionen zu den eigenen Gunsten zu verändern. Dieser in den Quellen als geradezu selbstverständlich präsentierte Zustand setzt aber einige unausgesprochene Annahmen über die Natur der spätantiken römisch-persischen Kriege voraus, die im Folgenden untersucht werden sollen. Zunächst ist festzuhalten, dass es sich von der Vorstellung zu lösen gilt, es habe eine Einheit von römisch-persischen Kriegen gegeben, die sich vom Beginn des 6. Jahrhunderts an mit Unterbrechungen bis ins 7. Jahrhundert gezogen hätte, oder auch nur einen „Justinianischen Perserkrieg“.3 Es handelt sich um eine Vielzahl einzelner Konflikte, die aus heuristischen Gründen in der Forschung zum Teil zu einem einzigen zusammengefasst wurde. Dies hat seine Berechtigung, entspricht aber offensichtlich nicht der Wahrnehmung antiker Beteiligter, die schließlich keine Friedensverträge geschlossen hätten, wenn sie nicht der Meinung gewesen wären, dass dieser Frieden den bestehenden Krieg jedes Mal beenden würde. Im Fall des Ewigen Friedens liegt sogar ein epigraphisches Zeugnis für eine solche Wahrnehmung des Friedens als eines wirklichen Hoffnungs- und 1 2
3
Clausewitz 1996, 24, p. 22. Chrysos 1992, 38: „We usually say that war starts when diplomacy fails. But we should not neglect war itself as a means of diplomacy, especially when a superpower is in action.“ Bei Blockley 1992, 95f., wird angenommen, dass erst in der Zeit des Anastasios ein Wandel im Verhältnis von Krieg und Diplomatie eingetreten sei: „The interaction of diplomacy with military strategy, as equal partners in the conduct of foreign relations, was becoming recognised, and the systematic study of both was beginning.“ Dies wäre kein großes Thema, wenn es nicht besonders in populären Darstellungen verbreitet wäre, so existiert der englischsprachige Wikipediaartikel „Byzantine-Sasanian-Wars“, der durch eine Übersicht am rechten Bildrand genau diesen Eindruck vermittelt, und zudem diese Kriege als bloße Teile der „Roman-Persian-Wars“ darstellt:xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx https://en.wikipedia.org/wiki/Byzantine–Sasanian_wars; abgerufen 04.03.2020, 13:21 Uhr.
13.1 Natur der Methode
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Endpunktes vor.4 Zudem vermengt die Idee des einen römisch-persischen Krieges Konflikte, die letztlich gar keine römisch-persischen, sondern solche unter Beteiligung südkaukasischer und arabischer Gemeinwesen wie auch anderer politischer Gebilde – man denke an die „Hunnen“ jenseits des Kaukasus – gewesen sind. Wenn man nun diplomatische Vorgänge in ein solches Konglomerat einzusortieren und zudem in eine große konstruierte Linie zu stellen versucht, die sich über ein Jahrhundert der Weltpolitik des Nahen Ostens erstreckt, so sind die Schwierigkeiten deutlich, die den Blick auf die diplomatischen Vorgänge eher trüben als schärfen werden. So bedeutsam es im ereignisgeschichtlichen Zusammenhang sein mag, nach diesen großen Linien zu fragen, die etwa vom Palmyrenischen Sonderreich zur arabischen Expansion führen,5 so ist doch zu bedenken, dass die diplomatischen Entscheidungen zur damaligen Zeit nur auf Basis des Wissens geschlossen werden konnten, das zur Verfügung stand. So konnte man nicht wissen, dass der Vertrag von 561 nicht lange halten würde, sondern hat sich – dem Inhalt des Vertrages nach zu urteilen – enorm bemüht, Streitpunkte beizulegen und einen grundlegenden Frieden zu schaffen.6 Es ist entsprechend zu bezweifeln, dass ein Ewiger Frieden geschlossen worden wäre, wenn nicht zumindest die Chance bestanden hätte, dass dieser wirklich für lange Zeit bestehen bleiben könnte.7 Wenn man also 4
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7
Auf einer Säuleninschrift in Hierapolis heißt es, dass Justinian einen Frieden geschlossen habe, als das Elend des Krieges, das auf den Städten gelegen habe, schon ins dritte Jahrzehnt gegangen sei; siehe zu dieser Inschrift samt Edition die Arbeit Roussel 1939; Greatrex/Lieu 2002, 97. Die relevante Passage lautet: Μοῦνος Ἰουστινιανὸς ἄναξ θεοδέγνοµι βουλῆι εἰρήνην ἐτέλεσσε, γόους δʼἀπέπαυσεν Ἐνύους ἐς τριτάτην ἐτέων δεκάδα πτολίεσσιν ἐόντας, Ῥουφῖνον στρατίαρχον ἔχω[ν ... (Roussel 1939, 367). Im Jahr 506 ist der Friede zwischen Anastasios und Kawadh anzusiedeln, 532 der Ewige Frieden. Nach sieben Jahren lief ersterer (zumindest auf dem Papier) aus, also je nach Wahl des Anfangspunktes um 513. Somit stand bei Abschluss des Ewigen Friedens tatsächlich das dritte Jahrzehnt an oder war bereits angebrochen; zumeist wird von 31 Jahren ausgegangen vgl. Kirchner 1887, 18; Vasiliev 1950, 255; Croke 1990, 19; Greatrex 1994, 218. Zum Ewigen Frieden: Higgins 1941, 286; Jones 1973, 272f.; Browning 1987, 60; Winter 1987, 67; Croke 1990, 19; Scott 1992, 159; Greatrex 1994, 215; Daryee 2008, 77f.; HowardJohnston 2008, 80; Daryaee 2009, 30; Howard-Johnston 2010, 46; Ball 2011, 126; Edwell 2015, 243; Howard-Johnston 2017, 295; siehe auch S. 170, Anm. 129 der vorliegenden Arbeit. Im Vorwort der Arbeit Howard-Johnston 2021, v, wird von vier römisch-sasanidischen Kriegen des 6. Jahrhunderts ausgegangen. Howard-Johnston 2012, 92; vgl. Parker 1986, 143; Fowden 1993, 119; Macdonald 2015,74f. Edwell 2015, 250: „The terms of the treaty demonstrate the extent to which both sides were committed at the time to preserving the peace for 50 years.“ Vgl. Isaac 1992, 264: „The treaty of 562 clearly shows how the two states thought the most pressing issues could be resolved. It is also clear that these were the issues which in various combinations served as casus belli.“ Vgl. dagegen, für einen „eher vorläufigen Charakter“ des Friedens, Börm 2007, 335. Greatrex 1998, 4, geht zumindest auf römischer Seite (die Bewohner des Ostens eingeschlossen) von einem Glauben an die Beständigkeit des Friedens aus, wozu er auch auf Johannes von Tella verweist Vit. Ioh. ep. Tel. p. 71f. [ed. Brooks]; vgl. Börm 2007, 329f. Zu dieser Episode auch Greatrex 1998, 23f.; 218. Laut ebd. 217f. stehe außer Frage, dass der Ewige
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13 Methoden II
ereignisgeschichtliche Vorgänge, die von einem riesenhaften Faktorenbündel beeinflusst werden, durchaus mit dem Fortgang der Geschichte in Beziehung setzen muss, ist das bei diplomatischen Vorgängen, die allein aus menschlichen Willensäußerungen und Handlungen bestehen, methodisch weit problematischer. Ein historisches Ereignis hat kein Bewusstsein, es wird von unüberschaubar vielen Faktoren beeinflusst und beeinflusst seinerseits wieder unüberschaubar viele Ereignisse. Ein diplomatischer Vorgang dagegen ist eine Momentaufnahme menschlichen Willens. Die unüberschaubar vielen Faktoren beeinflussen nicht den Vorgang selbst, sondern nur die Diplomaten, die den Vorgang erarbeiten und abschließen. Diplomatische Vorgänge sind kollektive Willensäußerungen, die in einer ganz konkreten Situation erfolgen und in die Zukunft wirken sollen. Dieser Charakter des Momentes und der Intention ist wesentlich. In einem Krieg sind viele Dinge im Fluss, ein diplomatischer Vorgang soll aber einen Moment festschreiben. Ein Friedensvertrag ist nicht zuletzt der Versuch, einen Keil in das Getriebe der Geschichte zu werfen, um sie an einem bestimmten Moment anzuhalten. Kriege verändern die Gegenwart und damit die Zukunft auf unabsehbare Weise, denn sie können stets unvorhergesehene Ausgänge haben, Diplomaten dagegen versuchen, die Gegenwart auf ganz bestimmte Weise zu verändern, um damit die Zukunft gezielt zu gestalten. Diese Feststellung wirft bereits eine Frage auf, die entscheidend für des Verständnis der römisch-persischen Kriege ist: Wenn die beiden Seiten durch das Bestehen ihrer diplomatischen Kontakte die Wahl hatten, entweder einen enorm teuren, riskanten, langwierigen, in seinen Konsequenzen kaum absehbaren und vor allem ihrer Meinung nach strukturell nicht zu gewinnenden Krieg zu führen, oder aber einen Vertrag zu schließen, um die Zukunft günstig und gezielt in etablierten Formen zu regeln, warum führten sie dann immer noch Krieg? Der Schlüssel dürfte darin zu suchen sein, dass der Krieg zwischen ihnen nicht das Scheitern diplomatischer Kommunikation bedeutete, sondern vielmehr ein Ausdruck ihres Funktionierens war. Krieg wurde geführt, um eine bessere diplomatische Stellung zu erlangen, er war ebenso eine diplomatische Methode wie Symbolhandlungen, Manipulationen, die Annahme einer Beschützerrolle und die anderen Methoden, die in den folgenden Kapiteln der vorliegenden Arbeit behandelt werden.8 Dies lässt sich an der Art der Kriegsführung deutlich erkennen. Wäre der spätantike Krieg eine Alternative zu den Verhandlungen gewesen, so müsste man anhand der militärischen Vorgänge annehmen, dass beide Seiten völlig inkompe-
8
Frieden wirklich für die Ewigkeit geschlossen wurde. Dazu verweist er auch auf CI 1,27,2, praef.; vgl. Börm 2007, 329. Blockley 1992, 151, sieht ein anderes Verhältnis von Krieg und Diplomatie, das ebd. 163, zu einem eigentümlichen Urteil über die nur „provisional validity“ spätantike Diplomatie führt, das sich leicht aufheben lässt, wenn man annimmt, dass Krieg in dieser Zeit schlicht ein Mittel der Diplomatie war und diese beiden Konzepte gerade keine Gegensätze bildeten. Vgl. Börm 2016, 616, für einen beherrschten Charakter des Krieges.
13.1 Natur der Methode
211
tent waren, denn es ist communis opinio, dass diese Kriege nicht geeignet waren, Eroberungen herbeizuführen.9 Solche wären aber nötig, um eine Entscheidung ohne Diplomatie – also durch Kapitulation10 – herbeizuführen. Vielmehr lässt sich beobachten, dass die Kriege eine spezielle Form annehmen, die ihrer diplomatischen Funktion gemäß ist: Sie bestehen aus zumeist kurzen Einfällen ins gegnerische Territorium, die mit Plünderungen zur Demonstration von Stärke und Ernsthaftigkeit des eigenen Anliegens einhergehen und auch dem Versuch, Städte im Grenzgebiet zu besetzen und somit als Verhandlungsmasse zu gewinnen.11 Die Plünderungen und Verwüstungen12 erzeugen Druck, der als Verhandlungsmittel fungiert, die Städte stellen materielle Unterpfänder dar. Nach Verhandlungen ist ein Krieg rasch zu beenden.13 Dabei sind Feldschlachten die Ausnahme, möglichst geringer Aufwand aber die Regel, entsprechend der Annahme, dass ein großer Krieg sowieso unter den derzeitigen Bedingungen nicht zu gewinnen wäre. Damit einher geht zuweilen der Versuch, sich gegenüber der gegnerischen Zivilbevölkerung positiv zu profilieren, da die Anwesenheit kleinerer Truppenverbände ohne Nachschublinien im gegnerischen Gebiet ein gewisses Wohlwollen der Bevölkerung oder zumindest deren Neutralität voraussetzt, zuweilen aber auch, die Zivilbevölkerung der anderen Seite durch Statuieren grausamer Exempel zum Einlenken zu bewegen, was besonders im Rahmen des Einfalls Chosraus ins Imperium im Jahr 540 im späteren Kapitel zu den Symbolhandlungen eine Rolle spielen soll.14 Wenn die Methoden, in einer Region nicht oder nicht mehr fruchten, da sie auf zu starke Gegenwehr des als gleich stark begriffenen Gegners stoßen, werden sie in einer andere Region angewandt. 561 wird der Versuch eines grundlegenden und dauerhaften Friedens wohl nicht zuletzt in neuer Dringlichkeit geschlossen, da zu diesem Zeitpunkt die Ergebnislosigkeit der Kämpfe auf allen naheliegenden Kontaktzonen zwischen den Großmächten eingetreten war. Es war unter den derzeitigen geopolitischen Bedingungen schlicht keine Region mehr übrig, von der 9
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13 14
Vgl. Browning 1987, 127, über die Perser: „Neither they nor the Romans ever entertained the idea of a permanent and radical revision of the frontier.“ Ebd. 167: „In the east Justinian sought peace and maintenance of the status quo.“ Es ist auch zu bedenken, dass die spätantiken Armeen nicht für längerfristige Ermattungskriege ausgelegt waren. Für die nur schlecht fassbare sasanidische Armee wird dies bei Greatrex 1998, 59, angenommen. Zu den Formen des Kriegsendes und diplomatielosem Krieg siehe die Arbeit Andres 2019. Dies war der wesentliche Sinn der Einnahme von Städten, Greatrex 2007, 123: „Roman cities were captured, in some cases then garrisoned by Persian troops, but they were always treated ultimately as bargaining counters and returned to Roman possession. No Persian king demanded territorial concessions during negotiations after 363.“ Trombley 1997, 158: „The common characteristics of sixth-century warfare included the depopulation of the countryside, shortages of agricultural labour, declining tax revenues, and the migration of skilled farmers to safer localities.“ Greatrex 1998, 18: „[…] throughout the sixth century hostilities often ceased as quickly as they had started.“ Es handelt sich um Kapitel 18.3 der vorliegenden Arbeit.
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13 Methoden II
man sich als Kriegsschauplatz noch den Gewinn größerer Verhandlungsmasse und diplomatischer Handlungsoptionen hätte erhoffen können. Diese Abläufe zeigen sich im Folgenden in den Quellen. 13.2 DIPLOMATIE UND KRIEG IM 5. JAHRHUNDERT Die beiden Kriege des 5. Jahrhunderts sind hinsichtlich ihrer diplomatischen Aspekte schwer zu fassen, da die erzählenden historiographischen Quellen fehlen, die diese vermitteln könnten. Es kann aber kein Zweifel darüber bestehen, dass diese Kriege von nur kleinem Umfang gewesen sein können. Wären sie in ihren Konsequenzen bedeutsam gewesen, hätten sich wohl mehr Details erhalten als die eigentümlichen Angaben der Chronisten, die überliefert wurden.15 Es ist in der Forschung geradezu ein Topos, vom friedlichen 5. Jahrhundert auszugehen.16 Laut Theophanes, der den ersten Krieg fälschlich ins Jahr 425/426 einordnet (er dürfte 420/421 stattgefunden haben),17 hätte sich der Krieg an christlichen persischen Flüchtlingen im Imperium entzündet und Theodosius ein römisches Heer unter Ardabourios entsandt, Bahram ein persisches unter Narsaios, darunter mehrere zehntausend Sarazenen.18 Ardabourios fällt nun in der Arzanene ein, verwüs15 Laut Evagr. hist. eccl. 1,19 hätten andere Autoren über den Krieg des Theodosius berichtet, so erwähnt er Sokrates (Scholastikos) und schreibt, dass es eine hervorragende Zusammenfassung durch Eusthatios von Epiphaneia gebe. Bezeichnend ist nun, dass Evagrius, obwohl er Quellen nennt und lobt – also wenigstens das Werk des Eusthatios in einiger Ausführlichkeit gelesen haben wird – nicht einmal weiß, dass es im fünften Jahrhundert zwei römischpersische Kriege gegeben hat, vielmehr geht er davon aus, der auf den Konflikt zur Zeit des Theodosius und Bahram Gor folgende Friedensschluss habe bis in die Zeit des Anastasios gehalten. Das spricht nicht für eine große historiographische Tradition bezüglich dieser Ereignisse. 16 Güterbock 1906, 37; Segal 1970, 111; Jones 1973, 1030f.; Ziegler 1983, 16; Rubin 1986a, 678: „a century of relative peace and quiet along the eastern frontiers of the Roman Empire“; Shahîd 1989, xxv: „Unlike the fourth, the fifth century is not a tumultuous period in the history of Byzantine-Persian relations.“ Fowden 1993, 35; Greatrex 1993, 1: „The fifth century was in general a peaceful period for Romeʼs eastern frontier. On just two occasions was this peace disturbed, and only one of these involved significant campaigning.“ Payne 2015b, 296: „[…] Iranʼs relations with the Roman Empire became unprecedentedly amiable in the fifth century.“ Howard-Johnston 1995, 162; Frendo 1997, 111; Mazza 2004, 39f.; Haarer 2006, 48; Greatrex 2007, 119; Greatrex 2008, 85; Howard-Johnston 2008b, 79; Luther 2014, 183; Howard-Johnston 2017, 291; vgl. Payne 2013, 3. Reflektierend über die Hintergründe dieser Phase Börm 2016, 615–617; Börm 2019, 109. 17 Schrier 1992, 75f.; vgl. Greatrex 1993, 2. 420–422 laut Shahîd 1989, 25; 421–422 laut Labas 2018, 146. Zur Vorgeschichte dieses Konfliktes siehe Luther 2014, 185–191, wobei ein dem vorausgehender und vom Großkönig begonnener Konflikt 416/417 postuliert wird, der aber noch geringere Ausmaße gehabt hätte. 18 Vielleicht wird bei Marc. Com. a. 420–422 ähnlich gedacht, da in dem an kausalen Verknüpfungen nicht gerade reichen Werk bei 420,3 ohne weitere Angaben eine gewaltsame Chris-
13.2 Diplomatie und Krieg im 5. Jahrhundert
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tete sie und wendet sich gen Mesopotamien, dort erscheinen auch die Perser. Gott wendet die Perser aber ohne eine Schlacht zum Rückzug, sie versinken im Euphrat und etwa 100.000 ertrinken. Der Rest wird vom römischen Heer getötet, darunter die 10.000 Unsterblichen. Die Pointe des Theophanes ist, dass Christus so Gerechtigkeit walten ließ, da die Perser viele fromme Menschen ungerechterweise getötet hätten.19 Bereits die enorm hohen Zahlen lassen Zweifel aufkommen, daneben macht auch der religiöse Impetus klar, dass der Bericht etwas Parabelhaftes an sich hat und es dem Autor weniger auf die Exaktheit des Geschehens, sondern auf die Verwendbarkeit seiner Quelle für diesen Zweck ankam. Daneben fällt aber in jedem Fall stark auf, dass keine Feldschlacht erwähnt wird, also wohl auch die Quelle des Theophanes keine Schlacht beschrieben haben dürfte. Dies wäre typisch für die Kriege dieser Zeit.20 Die Angaben des Theophanes sind dabei gewissermaßen eine Kurzfassung des Berichtes in der Kirchengeschichte des Sokrates Scholastikos.21 Dieser erwähnt noch einen Zusammenstoß zwischen den Truppen des Ardabourios und Narsaios, in dem letzterer sich zurückzieht, und wird etwas detaillierter bezüglich des Gewinns von Verhandlungsmasse. Bei Nisibis schickt Narsaios eine Nachricht an Ardabourios und fragt an, ob sich Zeit und Ort für eine Schlacht ausmachen ließen. Er bekommt zur Antwort, dass römische Kaiser sich dahingehend nicht nach seinen Vorstellungen zu richten pflegten. Römische Truppen belagern Nisibis, persische Verteidiger fallen. Als die persische Entscheidung zur Schlacht fällt, fliehen die verbündeten Sarazenen ohne eine solche, fast 100.000 ertrinken im Euphrat. Da Aussicht auf persischen Entsatz besteht, ziehen sich die Belagerer von Nisibis zurück. Sokrates schreibt anschließend, dass er übergehen werde, wie der römische Feldherr Areobindos im Zweikampf einen besonders mutigen Perser getötet habe, wie es ihm gelungen sei, sieben persische Befehlshaber in einem Hinterhalt zu vernichten, und wie der Feldherr Vitalian die letzten Reste der sarazenischen Truppen aufgerieben habe. Auch diese übergangenen Details machen nicht den Eindruck großer Feldschlachten.22 Generell ist am Bericht des Sokrates auffällig, dass diese geradezu vermieden werden; so lässt er nicht nur dem Angebot des Narsaios eine direkte Absage ertei-
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tenverfolgung in Persien erwähnt wird, bei 421,4 dann Kämpfe zwischen Römern und Persern und bei 422,4 der folgende Friedensschluss. Zur Bedeutung der Sarazenen in diesem Krieg Shahîd 1989, 26–37. PLRE II, Fl. Ardabur 3, S. 137f.; Narses 1, S. 772f. Theophan. Conf. a. 5918. Bei Greatrex 1998, 13, heißt es: „The Persians attacked first, with some initial success; but once the Roman reinforcements were despatched the balance was restored and terms were soon agreed.“ Socr. hist. eccl. 7,18. Zumindest der Zweikampf lässt sich auch bei Ioh. Mal. 14,23 (vgl. Chron. Pasch. a. 464) finden und daraus ist zu entnehmen, dass er dieser Überlieferung gemäß tatsächlich nicht vor einer Schlacht, sondern statt einer Schlacht stattgefunden haben soll. Was sich auch dahinter verbergen mag: von großen Schlachten wissen die Quellen in diesem Krieg nichts. PLRE II, Fl. Ariobindus 2, S. 145f.; Vitianus, S. 1178.
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13 Methoden II
len, sondern sich die Römer von Nisibis zurückziehen, da sich eine Schlacht zu entspinnen droht. Das Plündern der Arzanene spielt eine große Rolle und die typische Methode des Angriffs auf Grenzstädte,23 um durch diese Verhandlungsmasse zu gewinnen, wird erwähnt. Die Plünderung bringt, wie später zu erfahren ist, auch etwa 7.000 Gefangene mit sich.24 In seinem Bericht zum anschließenden Friedensschluss25 wird dieses Motiv geradezu auf die Spitze getrieben, da er den vom Kaiser beauftragten Gesandten einen militärischen Vertreter schicken und diesen gegenüber dem Großkönig sagen lässt, dass er nicht vom Kaiser, sondern von dessen Feldherren geschickt würde, denn der Kaiser kenne diesen Krieg überhaupt nicht und wenn er ihn kennen würde, würde er ihn für unbedeutend erachten. Dem dürfte in Anbetracht des üblichen Verlaufs diplomatischer Kommunikation kaum so gewesen sein und die Szene dient der Erhöhung des Kaisers, aber diese Episode wäre nicht sinnvoll, wenn sich der Krieg nicht wirklich nach dem Wissen des Sokrates in Grenzen gehalten hätte. Wäre es ein großer Krieg, würde der Kaiser in der Pointe schließlich nicht als erhaben und über den Dingen stehend, sondern als achtlos und unzuverlässig erscheinen. Ähnlich verhält es sich mit der folgenden Angabe, dass die persische Truppe der Unsterblichen den Großkönig vom Frieden abhalten will, bis sie nicht einen Erfolg erfochten habe, was ihn dazu bewegt, den Gesandten zu inhaftieren. Dahinter verbirgt sich zumindest das Verständnis, dass man diplomatische Verhandlungen verzögern kann, wenn aktuelle militärische Aktionen einen Verhandlungsvorteil einzubringen versprechen. Die folgende Niederlage der Unsterblichen führt zu einer durchaus augenzwinkernden Reaktion des Großkönigs: Da der Perserkönig über diese Katastrophe unterrichtet wurde, gab er vor, nichts von dem zu wissen, was geschehen war, und befahl die Gesandtschaft zuzulassen. So sagte er dem Gesandten: „Ich stimme dem Frieden zu, nicht um den Römern nachzugeben, sondern um dich zu erfreuen, den ich als klügsten der Römer angetroffen habe.“26
Da die Entdeckung seiner List nach deren Scheitern einen Verhandlungsnachteil mit sich zu bringen droht, schließt er den Frieden ab, ohne darauf einzugehen – solange sich der aktuelle Nachteil noch nicht in negativen römischen Forderungen 23 Bei Theod. hist. eccl. 5,39, wird bezüglich eines römisch-persischen Krieges unter Theodosius eine persische Belagerung von Theodosiopolis erwähnt. Zu den damit verbundenen Schwierigkeiten Greatrex 1993, 2–5, der sie in den zweiten Krieg des 5. Jahrhunderts setzt. Vgl. dagegen Schrier 1992, 79f. Für das vorliegende Argument ist nur entscheidend, dass die Belagerung von grenznahen Städten auch im 5. Jahrhundert die übliche Taktik darstellte. 24 Socr. hist. eccl. 7,21. 25 Socr. hist. eccl. 7,20. 26 Socr. hist. eccl. 7,20 (Übers. nach Zenos): ὁ δὲ βασιλεὺς τῶν Περσῶν γνοὺς τὸ ἀτύχηµα προσποιεῖται µὲν µὴ εἰδέναι τὰ γενόµενα, δέχεται δὲ τὴν πρεσβείαν, εἰπὼν πρὸς τὸν πρεσβευτήν· οὐ Ῥωµαίοις εἴκων τὴν εἰρήνην ἀσπάζοµαι, ἀλλὰ σοὶ χάριν διδούς, ὅτι σε φρονιµώτατον πάντων Ῥωµαίων κατέλαβον.
13.3 Diplomatie und Krieg im 6. Jahrhundert
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niedergeschlagen hat. Die Idee, er schließe den Frieden dem Gesandten zuliebe ist so unsinnig wie dessen Behauptung, der Kaiser wüsste von dem Krieg nichts. Letzteres soll nur die Macht des Kaisers und seine erhabene Führung demonstrieren. Indem der Großkönig dem Gesandten ebenso plump schmeichelt, vergilt er Gleiches mit Gleichem. Wenn der Kaiser seine Beweggründe nicht nennen will, muss der Großkönig das auch nicht. Der zweite Krieg des 5. Jahrhunderts, im Jahr 440, ist in den Quellen noch vager wiedergegeben und wurde wohl zum Teil von den Autoren mit dem früheren Krieg vermengt.27 Marcellinus Comes fasst in einer knappen Angabe zusammen, dass Perser, Sarazenen, Tzanen, Isaurier und Hunnen ihre eigenen Gebiete verlassen und das Land der Römer geplündert hätten. Anatolius und Aspar, magistri militum, seien gegen sie geschickt worden und hätten mit ihnen Frieden für ein Jahr geschlossen.28 Wäre dieser Krieg groß oder bemerkenswert gewesen, hätten ihm spätere Autoren wahrscheinlich mehr Aufmerksamkeit geschenkt.29 Es lässt sich also festhalten, dass die beiden Kriege des 5. Jahrhunderts von geringem Umfang und sowohl hinsichtlich ihrer Ausmaße als auch ihrer Dauer eng begrenzter Natur gewesen sein müssen, also durchaus zum Paradigma der begrenzten Kriege passen. 13.3 DIPLOMATIE UND KRIEG IM 6. JAHRHUNDERT Ab dem Krieg des Anastasios steht eine ungleich bessere Quellensituation zur Verfügung, durch welche die bisher nur andeutungsweise zu erfahrenden Charakteristika der Kriegsführung aufgezeigt werden.30 Mit dem Bericht des Josua Styli27 Greatrex 1993, 9; Greatrex/Lieu 2002, 44. Zur Bedeutung der Sarazenen in diesem Krieg Shahîd 1989, 37–39. 28 Marc. Com. a. 441; vgl. Becker 2020, 25. PLRE II, Fl. Antaolius 10, S. 84–86; Fl. Ardabur Aspar, S. 164–169. 29 Vgl. Luther 2014, 185. Möglicherweise geht die symbolisch aufgeladene Verhinderung eines Krieges durch Anatolios, die bei Prok. Bell. 1,2,11–15 (vgl. Elishe 1, p. 7) geschildert wird, auf ein Ereignis des zweiten Krieges zurück, wenn Prokop sie auch anders einsortiert und in einem anderen literarischen Sinn gebraucht, vgl. Blockley 1992, 61; Greatrex 1993, 9f., Anm. 4; Greatrex 1998, 13; Börm 2007, 228f. Wenn man mit Greatrex 1993, 9f., Anm. 4. die Möglichkeit in Betracht zieht, dass auch die Erwähnung einer Einnahme der Stadt Beth Hur bei Nisibis, die sich bei Isaac von Antiochien findet, in diesen Krieg einzusortieren ist, so wäre auch das typische Element der Belagerung grenznaher Städte gegeben; vgl. Nöldeke 1879, 116f., Anm. 2. Greatrex 1994, 26, geht davon aus, dass dieser Krieg wohl nur ein persischer Einfall war, der durch eine römische Zahlung beendet wurde, also kein Krieg im Sinne beidseitiger Kampfhandlungen. Zum geringen Umfang des Krieges auch Börm 2016, 630f. Zu möglichen weiteren, für das vorliegende Thema weniger relevanten Quellenstellen Greatrex/Lieu 2002, 44f. 30 Meier 2009, 176f. Für eine ereignisgeschichtliche Rekonstruktion des Krieges und der folgenden Konflikte bis 532 siehe die Monographie Greatrex 1998; zur Kontextualisiserung des Krieges zur Zeit des Anastasius Meier 2009, 174–222.
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tes ist sogar die unmittelbare Einwirkung des Krieges auf die Zivilbevölkerung zu fassen.31 Nur in der Schilderung der Ursachen des Krieges quellenbedingt dem offiziellen römischen Standpunkt verhaftet, schildert Josua die Geschehnisse mehrheitlich aus eigenem Erleben. Trotz des zwangsläufig regional engen Fokus32 ist gerade dieser Umstand der eigenen Anschauung bedeutsam, da hier ein Autor militärische Ereignisse schildert, der in seiner Darstellung und literarischen Technik von den klassizistischen Historiographen entfernt ist und dem nicht unterstellt werden kann, Ähnlichkeiten seines Berichtes mit deren Schilderungen würden allein aus ähnlichen Darstellungskonventionen oder einer ähnlichen gesellschaftlichen Stellung resultieren.33 Untersucht man seinen Bericht hinsichtlich des Themas von Krieg und Diplomatie, so zeigt sich aber, dass die Ergebnisse den aus Prokop und den anderen „großen“ Historikern des 6. Jahrhunderts bekannten durchaus ähnlich sind, seine Schilderung also deren Darstellung zu stützen geeignet ist. Auch darum werden die diplomatischen Vorgänge im Werk des Josua Stylites im Folgenden mit einiger Ausführlichkeit behandelt. Im Jahr 502 eröffnet Kawadh den Krieg mit der Belagerung und Einnahme von Theodosiopolis durch Verrat innerhalb weniger Tage. Die Stadt samt einiger zugehöriger Dörfer wird niedergebrannt, die entkommenen Bürger werden gefangengenommen und fortgeführt.34 Es bleibt eine Besatzung in der Stadt, die Zerstörung kann also nicht komplett gewesen sein. Danach wird Amida belagert.35
31 Meier 2009, 176f. 32 Josua ist sich dessen bewusst, wenn es bei Jos. Styl. 49 (Übers. nach Luther) heißt: „Wir aber erkannten, dass es nicht auf der ganzen Welt diesen Krieg gab.“ 33 Meier 2009, 179. Dagegen nimmt Greatrex 1998, 65, zumindest eine Vertrautheit des Autors mit dem Genre der klassizistischen Geschichtsschreibung an; siehe dahingehend auch die Arbeit Watt 1999. Aber auch Greatrex 1998, 73, betont die Bedeutung des Josua und geht davon aus, dass sein Bericht eine unabhängige Quelle bildet, da er von den Autoren der anderen erhaltenen Quellen (mit eventueller Ausnahme des Theophanes) nicht benutzt worden sein dürfte. 34 Jos. Styl. 48; vgl. Theophan. Conf. a. 5996. Das wird bei Ps.-Zach. Rhet. 7,3,b dahingehend relativiert, dass die Stadtbewohner zumindest in dem Sinne gnädig behandelt wurden, dass sie nicht ungeheuerlich schlecht behandelt wurden, was laut Kommentar Greatrex 2011, 235, Anm. 36, und Greatrex 1994, 86f., glaubwürdiger sei als Josuas Angabe. Das lässt sich nicht entscheiden, wenn auch zu bedenken ist, dass Pseudo-Zacharias mit weit größerem Abstand von den Geschehnissen schrieb als Josua und die Angaben des ersteren nicht bedeuten müssen, dass die Stadtbewohner freigelassen wurden, sondern nur, dass keine Misshandlungen stattfanden. Pseudo-Zacharias bezeugt gelegentlich auch eine besondere Einstellung gegenüber Kawadh, so lässt er bei 7,4,a, sogar Christus im Traum Kawadh erscheinen und dem Großkönig erklären, er werde ihm die Stadtbewohner ihrer Sünden wegen ausliefern. Somit erklärt Christus den zoroastrischen Perserkönig persönlich zum Werkzeug seiner Strafe; vgl. Bar Hebraeus, Chron. 8, 75–77. Kawadh ist nicht böse, er ist schlicht eine Geißel Gottes, was bei Jos. Styl. 5 abstrakter und weniger persönlich auf Kawadh bezogen bleibt, Meier 2009, 179–181; 200. Auch bei Vit. Sym. Styl. Iun. 57 ist dieses Denken anzutreffen, diesmal auf Chosraus Einnahme Antiochias bezogen. 35 Vgl. Theophan. Conf. a. 5996.
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Als aber der römische Kaiser Anastasios hörte, dass Kawadh sein Heer zusammengezogen hatte, wollte er ihm nicht im Kampfe begegnen, damit auf beiden Seiten kein Blut vergossen werde, sondern sandte ihm Geld durch Rufinos und trug diesem auf, dem Kawadh Geld zu geben und ihn wegzuschicken, wenn er sich an der Grenze befände und noch nicht in das Römische Reich einmarschiert wäre.36
Hier wird deutlich auf die Vermeidung des offenen Kampfes eingegangen. Rufinos trifft Kawadh – das Land verheerend – an und teilt ihm mit, er solle sich aus den Grenzgebieten zurückziehen und Geld annehmen. Kawadh aber nimmt Rufinos fest und verstärkt seinen Druck auf Amida.37 Der Hintergrund ist deutlich: Warum sollte Kawadh jetzt darauf eingehen, wenn die Römer sich doch offenkundig in einer so schlechten Position befinden, dass sie trotz seiner bisherigen Erfolge und Verwüstungen nicht einmal zur Abschreckung ein Heer entsenden, sondern ihm sofort Geld anbieten? Aus solch einer Situation lässt sich sicher noch Verhandlungsmasse gewinnen, nicht zuletzt in Form der wichtigen Stadt Amida. Und bis diese gewonnen ist, muss der Gesandte eben festgehalten werden. Die Belagerung scheitert aber vorerst.38 Daher wird der Sarazenenkönig Naaman mit seinen Truppen gen Süden nach Carrhae geschickt. Ein Teil des persischen Heeres verwüstet derweil die Gegend von Constantina. Ein römischer Gegenschlag unter den duces von Constantina und Melitene scheitert.39 Die sarazenischen Truppen plündern derweil bis Edessa und verschleppen Menschen, Vieh und Beute. Josua gibt eine Zahl von 18.500 Gefangenen an. Eugenius, der dux von Melitene, befreit derweil Theodosiopolis.40 Kawadh setzt seine Anstrengungen bezüglich Amida fort, die nach insgesamt drei Monaten von Erfolg gekrönt sind.41 Die Stadt wird verwüstet und geplündert,42 die meisten Einwohner werden gefangengenommen43 und eine Besatzung
36 Jos. Styl. 50 (Übers. nach Luther). 37 Jos. Styl. 50. 38 Dazu näher Ps.-Zach. Rhet. 7,3,c; Prok. Bell. 1,7,3f. Zur großen Ähnlichkeit der Berichte der beiden Autoren siehe die Arbeit Greatrex 2010. 39 Jos. Styl. 51. Zu den Sarezenen in diesem Krieg siehe Shahîd 1995, 12–17. 40 Jos. Styl. 52, Zusammenfassung der Ereignisse Theophan. Conf. a. 5996. PLRE II, Eugenius 6, S. 417. 41 Vgl. Theophan. Conf. a. 5996; Prok. Bell. 1,7,20–29. Bei Ps.-Zach. Rhet. 7,4,a dagegen erklärt er sich im Angesicht des drohenden Misserfolges bereit, gegen eine kleine Summe von der Stadt abzuziehen, die ihm eine Rechnung über die Kosten der Fourage seines Heeres ausstellt. Es erscheint aber Christus Kawadh im Traum und versichert ihm die Einnahme der Stadt. Die Unterhandlung mit der Stadt samt dem Angebot, gegen eine kleine Zahlung abzuziehen, erinnert weit eher an Chosrau im Jahr 540 als an seinen Vater. Dahingehend könnte der Autor auch von den Erfahrungen der späteren Zeit geprägt sein. Auch bei Prok. Bell. 1,7,16–19, steht Kawadh kurz davor, die Belagerung aufzuheben, wird aber durch eine von den Magiern als hoffnungsvoll interpretierte Begebenheit zur Fortsetzung der Belagerung bewegt. 42 Vgl. Theophan. Conf. a. 5996. Eine große Gründlichkeit bezeugende Detailfülle bietet Ps.Zach. Rhet. 7,4,f, sogar Bronze sei abmontiert worden.
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von 3.000 Mann installiert.44 Die Leichen der Gefallenen werden aus der Stadt gebracht und aufgeschichtet, allein am Nordtor waren es laut Josua 80.000.45 Daraufhin ließ Kawadh den Rufinos gehen, damit er hinginge und dem Kaiser die Dinge berichte, die sich zugetragen hatten. Er berichtete überall über jene Zerstörungen, und durch diese Berichte wurden die Städte östlich des Euphrats in Schrecken versetzt.46
Kawadh hat seine Position deutlich gemacht und genug Druckmittel gegenüber Anastasios gesammelt. Er verfügt über Amida und zeigt die Beliebigkeit, mit der er über römische Bürger verfügen kann. In einer Symbolhandlung führt er seine Macht Rufinos vor Augen, damit sich diesem die Schrecken einprägen und er gegenüber Anastasios die nötige Eindringlichkeit an den Tag legen wird. Daneben erreicht er auch, dass Rufinos public diplomacy für ihn macht, da er in den Städten, die er durchreist, von den Ereignissen berichtet und den Leuten klar sein muss, was mit ihnen geschehen wird, wenn sie sich nicht von Anfang an Kawadh unterwerfen. Die militärische Gewalt gewinnt so eine klare diplomatische Bedeutung sowohl gegenüber Anastasios als auch der römischen Bevölkerung. Kawadh führt nicht zuletzt seine Verhandlungsmasse vor und indem er den Diplomaten zu Anastasios entsendet, will er diesem nicht zuletzt vermitteln, dass er jetzt einen deutlich perserfreundlichen Frieden vorschlagen solle, indem er nicht zuletzt auf die Zahlungen eingeht, deren Forderung wesentlich zum Kriegsausbruch beigetragen hatte.47 Dem kommt Anastasios aber nicht nach, vielmehr schickt er ein Heer zur Überwinterung in die gefährdeten Städte.48 So hatte sich Kawadh die Abläufe offenbar nicht vorgestellt.
43 Zu einer Deportation von Handwerksmeistern Ps.-Zach. Rhet 7,4,f. Prok. Bell. 1,7,30 berichtet von Morden, Gefangennahmen und Plünderungen, wobei Kawadh unter Einfluss eines christlichen Priesters die schlimmsten Exzesse untersagt. Auch entlässt er die Gefangenen mit dem Anschein, sie seien entflohen, ebd. 1,7,34. Bei Greatrex 1998, 93, wird auf sphragistische Funde verwiesen, denen zu entnehmen ist, dass Kawadh eine eigene Stadt Amida gründete und mit Gefangenen besiedelte, wie dies später Chosrau bezüglich Antiochia unternehmen sollte. 44 Diese Zahl auch bei Ps.-Zach. Rhet. 7,4,f; Meier 2009, 199; dagegen sind es bei Prok. Bell. 1,7,32f., eintausend. 45 Jos. Styl. 53. Laut Ps.-Zach. Rhet. 7,4,d u. e, seien auf Geheiß des Königs drei Tage und Nächte lang Stadtbewohner jeden Geschlechts und Alters getötet worden. Er bietet ebenfalls die Zahl von 80.000. Es kommt, in Anbetracht der Schäden, die der persischen Armee durch die Einwohner zugefügt wurden, noch zu einer Dezimierung der männlichen Bevölkerung, ebd. 7,4,f. Die Existenz von Gräueltaten unter der Zivilbevölkerung in derartigen Situationen zeigt auch Joh. Eph. Vit. p. 218f. [ed. Brooks]; Greatrex 2011, 241, Anm. 65. Ps.-Dionys. von Tel-Mahre a. 814 erwähnt 85.000 Leichen, die in Amida durch das Nordtor getragen wurden, bei Bar Hebraeus, Chron. 8, 77 sind es wiederum 80.000 und die Dezimierung wird ebenfalls erwähnt. 46 Jos. Styl. 54 (Übers. nach Luther). 47 Jos. Styl. 19–21. 48 Jos. Styl. 54; Theophan. Conf. a. 5997.
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Dem Kawadh genügte aber die ganze Beute nicht, die er gemacht hatte, und die Gefangenen, die er genommen hatte, und war nicht durch das viele Blut gesättigt, das er vergossen hatte, sondern sandte Boten zum Kaiser [mit der Drohung]: „Sende mir Geld oder empfange Krieg!“49
Anastasios hält sich an letzteres und entsendet ein Heer unter drei Feldherren: Areobindos lagert mit 12.000 Mann bei Ammodius und Dara für den Vorstoß auf Nisibis, Patrikios und Hypatios belagern Amida mit ihren Heeresteilen, um die Besatzung zu vertreiben. Auch für den Nachschub wird gesorgt.50 Anastasios kann nicht auf Kawadhs Forderungen eingehen, ohne große Zugeständnisse machen zu müssen;51 zu schlecht wäre seine Verhandlungsposition. Der Krieg erscheint nun lohnenswerter als der Frieden und daher versucht er, seine eigene Stellung zu verbessern, indem er Kawadhs Handlungen spiegelbildlich folgt: Dieser zog gegen Theodosiopolis; so kann er nun gegen Nisibis ziehen; dieser hat Amida erobert, so kann er Amida zurückerobern. Kawadh entschließt sich erst zum Gegenschlag, als er erkennt, dass Areobindos über nur verhältnismäßig wenige Truppen verfügt.52 (Mit anderen Worten also: In dem Moment, da die Chancen deutlich zugunsten der Perser stehen und kein großer Aufwand zu erwarten ist.) Die 20.000 Mann des Kawadh werden aber in einer Verfolgung vor Nisibis geschlagen und viele getötet, vor dem persischen Gegenschlag unter Einsatz von Hunnen und Sarazenen muss Areobindos mit den Seinen allerdings in sichere Städte fliehen.53 Die erst verweigerte Hilfe der anderen Feldherren, die dazu ihre Belagerung aufgeben müssen, kommt zu spät.54 Nach Gefechten unter Beteiligung römischer und persischer Sarazenen, wendet sich das persische Heer in Richtung Opadna. Es kommt nur zum Zusammenstoß mit der Vorhut des Heeres des Hypatios, der Rest setzt sich nach Samosata ab.55 Kawadh will nun gen Edessa ziehen. Auf dem Weg belagert er Constantina. Da Anastasios nicht einlenkte, musste Kawadh den Krieg zwangsläufig weiterführen und weiter Verhandlungsmasse gewinnen, bis Anastasios einlenken würde. Dabei verschlechterte sich seine eigene Position mit zunehmender Dauer aber dahingehend, dass der risikoarme Einfallskrieg mit der zunehmend besseren Aufstellung römischer Truppen erheblich an Risiko zunahm und somit Kawadh seine Vorteile auch wieder zu verlieren drohte. Die Zeit arbeitet gegen Kawadh, solange er sich auf römischem Territorium aufhält. Dies wird besonders vor 49 Jos. Styl. 54. 50 Jos. Styl. 54; vgl. Ps.-Zach. Rhet. 7,4,g; vgl. ausführlicher Prok. Bell. 1,8,1–5.; zu den Heeresteilen vgl. Theophan. Conf. a. 5997. PLRE II, Fl. Areobindus Dagalaiphus Areobindus 1, S. 143f.; Patricius 14, S. 840–842; Hypatius 6, S. 577–581. 51 Vgl. Greatrex 1998, 94. 52 Jos. Styl. 55. 53 Jos. Styl. 55. 54 Jos. Styl. 55f.; vgl. zu den Ereignissen Theophan. Conf. a. 5997. Die besondere Schuld des Areobindos sowie der Feldherren betont auch Joh. Lyd. de mag. 3,53 in seiner kurzen Ausführung zu diesem Krieg. 55 Jos. Styl. 57.
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Constantina deutlich, da eine List fehlschlägt und die Belagerung sich hinzuziehen droht. Der Bischof der Stadt, Baradotos, kommt zu ihm. Als Kawadh die Ehrwürdigkeit des Mannes sah und auch die Wachsamkeit der Römer erkannte, schien es ihm nicht sehr günstig zu sein, mit diesem ganzen Heer, das bei ihm war, vor Constantina untätig zu bleiben, erstens, weil ihm keine Verpflegung in einem Landstrich zur Verfügung stand, der verwüstet war, und zweitens, weil er befürchtete, dass sich die Heerführer der Römer versammeln würden, der eine bei dem anderen, und sie gleichzeitig gegen ihn zögen.56
Die Belagerung von Constantina brachte ihm zunehmend mehr Nachteile als Vorteile und selbst die Einnahme der Stadt wäre wohl nicht die nunmehr damit verbundenen Risiken wert. Also gibt er die Belagerung auf und zieht gegen das größere Ziel, dass ihm mehr Vorteile verspricht, Edessa.57 Es wird auf dem Weg geplündert, die Edessener ihrerseits vernichten durch eine Taktik der verbrannten Erde das für Kawadh brauchbare Umland und bereiten sich auf die Belagerung vor.58 Damit hat sich seine Versorgungslage erneut drastisch verschlechtert und die Chancen nehmen immer mehr ab. In Anbetracht dessen, dass er immer noch Amida auf seiner Seite hat und etliche militärische Erfolge, ist das Risiko einer zwangsläufig längeren Belagerung nicht mehr den Zugewinn an Verhandlungsmasse wert, den seine Eroberung bringen würde. Ein Friedensvertrag wäre ratsam, aber Kawadh weiß ihn manipulativ mit einer letzten List zu verbinden. Er bittet Areobindos um einen Friedensvertrag, will die Gelegenheit aber nutzen, um Edessa im Handstreich zu gewinnen und Areobindos gefangen zu nehmen.59 Wenn es nicht gelingen sollte, könnte er sich auf seinen Friedenswillen berufen und Frieden schließen. Wenn es aber gelingen sollte, hätte er ohne Risiko doch noch Edessa gewonnen. Römische Vorsichtsmaßnahmen verhindern den Erfolg.60 Also wird zur Verhandlung geschritten. Die persische Seite verlangt 10.000 Pfund Gold und eine Garantie etablierter jährlicher Zahlungen. Areobindos will nicht mehr als 7.000 Pfund zulassen. Es wird stundenlang diskutiert. Die Situation ist verfahren.61 Weil sie aber keine Gelegenheit für ihre List fanden (aufgrund der Römer, die ihn bewachten) und weil sie sich auch fürchteten, mit Edessa zu kämpfen […], ließen sie Areobindos in Edessa [in Ruhe] und zogen hin, um gegen Carrhae zu kämpfen.62
Dort kommt es nicht zum Kampf, die Stadt wird einer Geisel wegen geschont. Die persischen Sarazenen ziehen plündernd in Richtung Euphrat.63 Kawadh wendet 56 57 58 59 60 61 62 63
Jos. Styl. 58 (Übers. nach Luther); vgl. Prok. Bell. 2,13,13–15. Jos. Styl. 58. Jos. Styl. 59. Jos. Styl. 59; zum bloßen Friedensangebot vgl. Theophan. Conf. a. 5997. Vgl. Meier 2009, 205f. Jos. Styl. 59. Jos. Styl. 59. Jos. Styl. 59 (Übers. nach Luther). Jos. Styl. 59f.
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sich wieder gegen Edessa, aber die Einwohner leisten Widerstand.64 Die Dinge wenden sich zum Schlechten. Wenn die Römer nicht auf seine Vorschläge eingehen wollen, muss er weiter Krieg führen und die Römer werden wissen, dass die Zeit auf ihrer Seite ist, zumal er in einem schlecht zu versorgenden Land mit einem Heer abwarten muss. Er kann nun aber auch nicht einfach aufgeben, da dann der ganze Feldzug umsonst gewesen wäre. Er muss die Vorteile ergreifen, die ihm geblieben sind. Areobindos und Kawadh treten wieder in Kontakt und Kawadh erklärt sich bereit, das römische Angebot anzunehmen und dann unter Empfang von Geiseln abzuziehen. So geschieht es, er fordert aber eine frühere Anzahlung, als abgemacht;65 wahrscheinlich um den Eindruck zu wahren, dass er immer noch aus einer Position der Stärke heraus handelt. Das wird auf römischer Seite aber in Edessa als Beleg seiner Unzuverlässigkeit aufgefasst. Areobindos schreibt Kawadh: Nun also wissen wir, dass du kein König bist. Es gibt nämlich keinen König, der ein Wort gibt und wieder bricht. Wenn er aber [sein Wort] bricht, ist er folglich kein König. Da nun von deiner Seite aus der Wortbruch erfolgt ist, sende mir den comes Basilios [i. e. die Geisel] und tu, was du zu tun vermagst!66
Dies lässt sich auch so formulieren: Der römischen Seite ist nicht entgangen, in welch schwieriger Situation sich Kawadh befindet. Wie er noch vor kurzem Rufinos bei sich festhielt, um eine bessere Verhandlungsposition zu erlangen, so lehnen sie nun seinen Friedenswillen ab, da es keinen Vorteil bedeuten würde, dem bedrängten Großkönig, der aus Mangel an Reserven sowieso bald abziehen müsste, für einen Frieden 7.000 Pfund Gold zu zahlen. Jetzt besteht die Chance, einen besseren „Deal“ herauszuschlagen. Das Gespräch des Areobindos mit den Edessenern dürfte eine Anfrage bedeuten, ob sich die Edessener in der Lage sähen, die Stadt weiterhin gegen die Perser zu verteidigen. Dies wurde offenkundig bejaht. In Anbetracht des auch bei Josua thematisierten Schutzes der Stadt Edessa durch Christus67 konnte ein Ablehnen des Ansinnens Kawadhs im Dienste einer besseren Verhandlungsposition gewagt werden. Daher lässt sich annehmen, dass seine Anforderung einer früheren Vorauszahlung absichtlich so gedeutet wurde, dass sie als unehrlich erschien, um einen Vorwand zu haben, den Krieg weiterzuführen, ohne im Nachhinein als Friedensverweigerer zu gelten, was im Falle eines Sieges des Kawadh eine ganz besonders schlechte Position bedeutet hätte. In diesem Sinne legt Areobindos auch wert darauf, dass die Erneuerung der Kämpfe nicht von den römischen Truppen ausgeht: „Areobindos befahl den Römern, nicht mit ihm zu kämpfen, damit von seiner Seite aus kein Vertragsbruch festgestellt werde.“68 64 65 66 67 68
Jos. Styl. 60. Jos. Styl. 61. Jos. Styl. 61. So Jos. Styl. 60. Jos. Styl. 62. Dazu könnte auch der Umstand passen, dass Areobindos die Bewohner der Dörfer um Edessa, die in die Stadt geflohen sind und sich gegen die Perser wenden, mit 300 Denaren belohnt. Sie müssen also in seinem Interesse gehandelt haben.
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Damit zeigt der wahrscheinlich an diplomatischen Feinheiten nicht besonders interessierte Josua Stylites mit großer Selbstverständlichkeit diplomatische Mechanismen auf. In der Stadt anwesende Dorfbewohner wehren sich gegen die Belagerer und setzen ihnen zu, Josua verbindet das mit göttlichem Wirken.69 Areobindos belohnt sie.70 Kawadh zieht sich an den Euphrat zurück und kontaktiert Anastasios. Die mit ihm verbündeten sarazenischen Truppen plündern auf der westlichen Seite des Flusses. Ein Teil der persischen Kavallerie nimmt derweil kampflos Batnae ein, da die Stadtmauern nicht mehr intakt sind.71 Anastasios geht aber immer noch nicht auf die Gesuche des Kawadh ein, was nachvollziehbar ist: Wenn er ihn schon so weit gebracht hat, sich fast gänzlich zurückzuziehen, wäre es töricht, jetzt auf seine Forderungen einzugehen. Kawadh klammert sich an seine Möglichkeiten, muss sich aber, da Anastasios ein weiteres Heer schickt, entlang des Euphrat in sein Reich zurückziehen.72 Auf dem Weg kommt es bei Callinicum zu einem Zusammenstoß persischer und römischer Truppenteile, der zugunsten der Römer ausgeht.73 Celer kommt mit dem neuen Heer des Anastasios nach Hierapolis, bemerkt aber, dass Kawadh bereits verschwunden ist und es Winter wird. Er tadelt die römischen Feldherren dafür, nicht angemessen zusammengearbeitet zu haben. Sie sollen in Städten überwintern und die weiteren Kämpfe abwarten.74 Wenn die Kooperation funktioniert hätte und Celer rechtzeitig angekommen wäre, hätte Kawadhs Zug in einer Katastrophe enden können. Dann wären ihm nur zwei Handlungsoptionen geblieben: Eine Schlacht zu riskieren, die sicher verlustreich geworden wäre und ihm im Fall einer Niederlage eine schlechte Verhandlungsposition eingebracht hätte, oder einfach abzuziehen und damit den ganzen Feldzug umsonst unternommen zu haben und danach auch noch als unleugbarer Kriegstreiber zu erscheinen. So kommt es aber nicht, da der Winter die Ereignisse unentschieden unterbricht. Er bietet Kawadh eine Atempause. Bisher ist sein Feldzug wenig erfolgreich verlaufen, da Anastasios es geschafft hat, nicht auf seine Gesuche einzugehen, obwohl der Großkönig sichtlich bemüht war, durch Verbreiten von Schrecken vor allem unter der Zivilbevölkerung sowie Vernichtung und Raub von Sachwerten Anastasios unter Druck zu setzen. Anastasios war sich aber wohl dessen bewusst, dass Kawadh im Grunde nichts in der Hand hatte, um ihn zum Nachgeben zu zwingen. Er hat (zumindest aus heutiger Warte) einigermaßen skrupellos in Kauf genommen, dass seine Bevölkerung unter Kawadhs Einfall zu leiden hatte, da dies akzeptabler als ein Ein69 70 71 72
Jos. Styl. 62f. Jos. Styl. 63. Jos. Styl. 63. Jos. Styl. 64. Laut Prok. Bell. 1,8,19 habe beim Rückzug des Kawadh ein von diesem zu führender Hunnenkrieg eine wichtige Rolle gespielt; vgl. Greatrex 2011, 246, Anm. 88. 73 Jos. Styl. 64. 74 Jos. Styl. 65; vgl. Theophan. Conf. a. 5997.
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gehen auf Kawadhs Forderungen erschien. Zugleich wissen beide, dass Zeit und naturräumliche Gegebenheiten auf Seiten der Römer sind. Anastasios betreibt daher durch Entsendung der Truppen eher Schadensbegrenzung bezüglich Plünderungen und Gefangennahmen, indem Kawadhs Truppen in ihrer Handlungsfreiheit beschränkt werden, als aktiv durch militärische Konfrontation an der Vertreibung Kawadhs zu arbeiten. In diesem Sinne erlässt er im Winter dem geschädigten Mesopotamien die Steuern.75 Im Winter richten sich die Konflikte auf Kawadhs letzten verbliebenen großen Vorteil, den sein Einfall gebracht hat, die Stadt Amida. Als diese sich im Winter durch Eröffnung von Märkten und persischen Nachschub versorgen will, greifen römische Truppen ein. Kawadh schickt eigene Truppen dagegen, die römischen unter Patrikios stellen sich nach anfänglichem Rückzug und siegen. Die römische Belagerung der Stadt wird vorangetrieben.76 Josua beschreibt Wunder, von denen die Römer bestärkt werden.77 Beide Seiten schicken Verstärkungen, den Römern gelingt aber ein Überfall auf die Weiden der persischen Lasttiere, von denen viele zusammen mit anderen Wertsachen erbeutet werden. Der römische Nachschub wird geregelt.78 Der Versuch, durch einen Stollen heimlich in die Stadt Amida einzudringen, misslingt.79 In einem Scharmützel, das vierzig römische Tote und 150 Verwundete, aber auf persischer Seite anscheinend nur 9 Tote und wenige Verwundete kostet,80 zeigt sich die Stärke der Stadt: Der Magister und die Feldherren glaubten, dass es sich nicht gebühre, mit ihnen zu kämpfen, weil der Sieg für die Römer nicht dadurch zustande käme, dass sie diese erschlügen. Denn ihnen stehe der Kampf mit allen Persern bevor. Wenn aber Kawadh besiegt sei, würden sich jene von selbst ergeben oder in ihrer Eingeschlossenheit zugrunde gehen. Deswegen befahl er, dass niemand mit ihnen kämpfen solle, damit nicht aufgrund derer, die aus den Reihen der Römer den Tod finden oder verwundet würden, die Stärke der Truppen abnehme.81
Die Überlegung ist nachvollziehbar: Der verlustreiche Sturm der Stadt lohnt sich nicht, wenn diese sowieso ausgehungert würde oder gleich aufgäbe, sobald Kawadh den Krieg beenden würde. Es wird Sommer und ein persischer Sarazenenanführer wechselt mit den Seinen die Seiten. Es kommt zu Kämpfen vor Amida und der dux von Arabia fällt.82 Da die Situation wider Erwarten stockt (Kawadh gibt nicht auf und die Verteidiger von Amida auch nicht), vergilt ein Teil der römischen Truppen Kawadh Gleiches mit Gleichem und bedient sich derselben Methode, der Kawadh sich bediente, um Anastasios zur Verhandlung zu zwingen, indem er ins persische Gebiet einfiel, plünderte, zerstörte und Gefangene machte. Es seien 10.000 Männer getö75 76 77 78 79 80 81 82
Jos. Styl. 66. Jos. Styl. 66. Jos. Styl. 67f. Jos. Styl. 69f. Jos. Styl. 71. Jos. Styl. 72. Jos. Styl. 73 (Übers. nach Luther). Jos. Styl. 75.
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tet und 30.000 Frauen und Kinder gefangengenommen worden, daneben gab es eine Beute von 120.000 Schafen, Rindern und Lasttieren. Durch einen Hinterhalt wird eine Macht von 7.000 Persern, die den Abtransport der Beute bei Nisibis verhindern will, aufgerieben. Ein armenisches Heer wechselt die Seiten und unterstellt sich den Römern.83 Auch Marcellinus Comes erwähnt einen römischen Einfall ins persische Land, bei dem viele ansässige Bauern wie Vieh getötet, reiche Beute gemacht und alles auf dem Weg verwüstet worden sei.84 Kawadh wurde das Heft des Handelns somit vollkommen aus der Hand genommen.85 Im Herbst verschärft sich die Hungersnot in Amida, es kommt zu Kannibalismus.86 Die Versorgung der römischen Belagerer ist dagegen hervorragend gewährleistet.87 Es kommt zu weiteren römischen Einfällen ins persische Gebiet, etwa 10.000 Mann persischer Kavallerie seien auf einer Verfolgung über den Euphrat getötet worden. Römische Aktionen nehmen zu: Besitz von Geflüchteten wird geplündert, Dörfer niedergebrannt, alle männlichen Bewohner älter als zwölf Jahre getötet, Kinder und Frauen werden gefangengenommen. Es ergeht ein Befehl des Magisters, dass jeder Römer, der einen männlichen Dorfbewohner von mehr als zwölf Jahren am Leben lasse, an seiner statt sterben solle und in jedem betretenen Dorf alle Häuser zerstört werden sollen. Nach Niederbrennen der Dächer werden auch die Wände der Gebäude umgestürzt. Weinreben, Ölbäume und andere werden vernichtet und die auf römischer Seite stehenden Araber plündern, verwüsten und verschleppen, was sich im persischen Gebiet erreichen lässt, nachdem sie den Tigris schon zuvor überschritten hatten.88 Kawadh soll offenbar zum Einlenken gezwungen werden, und dies gelingt; heißt es doch: „Als nun Kawadh sah, dass die Römer das Land zerstörten und es keinen gab, der vor ihnen standhielt, wollte er ihnen entgegenkommen.“89 Er gibt Geiseln und edle Gefangene zurück und den Leichnam des verstorbenen Olympios, der auf diplomatischer Mission im Sasanidenreich gestorben war, samt seinen Begleitern, die dokumentieren sollten, dass er eines natürlichen Todes gestorben war. Kawadh demonstriert also Friedensbereitschaft. Es wird auch die Versorgung
83 Jos. Styl. 75; vgl. zu den römischen Einfällen Theophan. Conf. a. 5998. 84 Marc. Com. a. 504. Marcellinus erwähnt die Episode nicht in der chronologisch richtigen Reihenfolge, sondern erst nach der römischen Wiedergewinnung Amidas, Croke 1995, 112. Laut ebd. könnte der Fokus auf Celer dessen mit Marcellinus gemeinsamer illyrischer Herkunft geschuldet sein. 85 Vgl. Meier 2009, 211. 86 Vgl. auch Ps.-Zach. Rhet. 7,5,c. 87 Jos. Styl. 76. 88 Jos. Styl. 79 (Übers. nach Luther). Auch bei Ps.-Dionys. von Tel-Mahre a. 816 wird erwähnt, dass alle männlichen Einwohner über 12 Jahren getötet worden seien; Frauen und Kinder seien gefangen genommen worden. 89 Jos. Styl. 80 (Übers. nach Luther); vgl. Theophan. Conf. a. 5998.
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der in Amida Eingeschlossenen vom Magister bewilligt.90 Als Rückversicherung lässt dieser einen seiner Feldherrn den Eid, der die Sicherheit der damit beauftragten Boten garantieren soll, durch Abwesenheit nicht schwören, damit er ohne Eidbruch gegen die Perser vorgehen könnte. Dies geschieht auch, da die Versorgungslieferung unter anderem Pfeile beinhaltet. Die Boten werden offenbar in Erkenntnis der Lage, dass die Versorgung der Besatzung von Amida im Falle eines ausbleibenden Friedens nichts anders als eine Stärkung eines aktuell geschwächten und ausgehungerten Gegners wäre, aufgehalten und angegriffen. Die römische List funktioniert dabei, die Perser nehmen das hin.91 Nun kommt ein strenger Winter und die Belagerer ziehen sich zum Teil mit ihrer Beute nach Hause, zum Teil in nahe Städte zurück. Das bietet den Persern eine letzte Chance und so fordert der Gesandte in Anbetracht der derzeitigen Lage, die Römer mögen nun Frieden schließen und den Truppen in Amida den Abzug gewähren, oder den Krieg weiterführen. Da sich das zerstreute römische Heer nicht sammeln lässt, wird auf römischer Seite ebenfalls auf den Frieden eingegangen. Der Abzug könne aber nur erfolgen, wenn beide Herrscher sich einig seien. Dabei zeigt sich, dass auch Josua ein Bewusstsein dafür hatte, dass Diplomatie nicht von Militärs nach eigenem Gutdünken, sondern nur von den Herrschern und ihren Bevollmächtigten betrieben werden darf. Pseudo-Zacharias Rhetor, dessen Bericht weit knapper ist, sich aber in vielen Punkten mit dem des Josua deckt, legt nahe, dass dies tatsächlich in der konkreten Situation von Bedeutung gewesen sein wird, denn bei ihm wird vor Amida ein Waffenstillstand zwischen den Militärs der beiden Seiten ausgemacht, um das Fortschreiten der humanitären Katastrophe in der abgeschnittenen Stadt zu verhindern. Die Stadtbevölkerung zahlt Kawadh 1.100 Pfund Gold. Es werden Friedenspunkte festgeschrieben und den Herrschern übersandt, der Großkönig hat aber im Traum die Eingebung, nicht zu unterzeichnen.92 Anastasios sei ebenfalls zornig auf die Militärs gewesen, da sie den Krieg nicht durch Einnahme Amidas gewonnen hätten, sondern durch Geschenke und Gold. Die Militärs berufen sich auf die Stärke des Gegners und seine Rolle als Geißel Gottes. Dann kommt auch das Fehlen einer grenznahen Festung zur Sprache.93 Dahinter könnte sich in der Tat verbergen, dass sowohl Kawadh als auch Anastasios ungehalten darüber sein mussten, dass Militärs Diplomatie betrieben und sie als Herrscher anschließend vor vollendete Tatsachen gestellt wurden.94 Anastasios wäre die Einnahme der Stadt lieber gewesen, da sie Kawadh in eine schlechtere Position gebracht hätte – 90 91 92 93 94
Jos. Styl. 80; Nechaeva 2014, 64. PLRE II, Olympius 14, S. 804. Jos. Styl. 80. Ps.-Zach. Rhet. 7,5,d. Ps.-Zach. Rhet. 7,6,a u. b. Selbst in der sehr knappen Chronik Marc. Com. a. 503 findet sich Raum, um zu implizieren, dass die Eigenmächtigkeit der Militärs falsch gewesen sei, heißt es doch, dass es die Feldherren gewesen seien, die Amida mit einer großen Menge Gold von den Feinden freigekauft hätten, obwohl Celer bereits mit 2.000 Mann Verstärkung auf dem Weg gewesen wäre.
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die friedliche Abstimmung ließ Kawadh zu viel Spielraum. Auch Kawadh hätte sicher lieber selbst agiert, als Andere die diplomatischen Entscheidungen treffen zu lassen. Auch in der Chronik des Theophanes scheint eine gewisse Eigenmächtigkeit der Militärs durch.95 Prokop betont ebenfalls die Eigenmächtigkeit, die er von den höheren Militärs tadeln lässt: Da die gewaltsame Einname der Stadt nicht gelingt, entschließt man sich zum Aushungern der Belagerten. Den Umstand, dass diese keine Lebensmittel mehr haben, kennen die Belagerer allerdings nicht, die vielmehr selbst die Nöte ihrer Soldaten bemerken: die Strapazen der Belagerung, die ungünstige Witterung und die Sorge vor einem mutmaßlich nahenden persischen Heer. Daher wird über einen möglichen Abzug nachgedacht, während die Belagerten ihren Lebensmittelmangel zu kaschieren suchen und ihrerseits einen freien Abzug erreichen wollen. Es kommt zu Verhandlungen mit dem Ergebnis, dass die Perser den Römern die Stadt gegen 1000 Pfund Gold überlassen wollen. So geschieht es. Erst beim Einzug in die Stadt wird den Römern bewusst, wie schlecht es um die Sache der Perser in der Stadt gestanden hatte, die für gerade einmal noch sieben Tage Lebensmittel gehabt hätten, so dass sich die Römer getäuscht vorkommen. Die römischen Feldherren machen ihren Soldaten Vorwürfe, dass sie nicht durchgehalten und die Stadt militärisch eingenommen hätten, sondern stattdessen römisches Gold an die Feinde verschleudert. Sie hätten große Schmach auf sich gezogen und die Stadt lediglich von den Persern zurückgekauft.96 Josua setzt fort: Anastasios befiehlt die Versorgung von Amida und schickt Kawadh Geschenke zur Besänftigung und will seinen Friedenswillen demonstrieren,97 offenbar um dem in einer ziemlich schlechten Verhandlungsposition befindlichen Kawadh Wohlwollen entgegenzubringen, damit dieser unter Wahrung seines Gesichts an Verhandlungen teilnehmen kann.98 Persische und römische Sarazenen geben keine Ruhe und plündern im jeweils anderen Gebiet, dafür werden sie von den eigenen Vorgesetzten bestraft.99 Es bestand kein Interesse daran, durch die Eigenmächtigkeit der Sarazenen wieder in einen Krieg getrieben zu werden, da der letzte gerade erst beigelegt werden konnte. Offenbar wird die Stadt Batnae zurückgegeben, denn der Statthalter von Edessa lässt sie wiederaufbauen.100 505/506 legen römische Militärs Anastasios die Nachteiligkeit der Lage vor Augen, dass es keine römische Stadt in unmittelbarer Grenznähe gebe.101
95 96 97 98 99 100 101
Theophan. Conf. a. 5998. Prok. Bell. 1,9,1–4; 20f.; 23. PLRE II, Glones, S. 513. Jos. Styl. 81. Zur besseren Position des Anastasios Haarer 2006, 64. Jos. Styl. 88. Jos. Styl. 89. Jos. Styl. 90; vgl. Ps.-Zach. Rhet. 7,6,a u. b.
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Und wenn es geschah, dass sie auf Truppen stießen, die stärker waren als sie, und sie kehrtzumachen gedachten, hielten sie große Mühsal aus, weil keine Stadt in ihrer Nähe war, um dort Zuflucht zu finden.102
Diese Bemerkung demonstriert die auch dem militärisch nicht unbedingt versierten Josua klare Bedeutung der Rückzüge und der Vermeidung von Kämpfen in den Konflikten dieser Zeit. Es kommt zur Befestigung von Daras, die Perser wollen, aber können es nicht verhindern.103 Auch Birthon und Europos werden befestigt.104 Die Verhandlungen zu einem Friedensvertrag verzögern sich durch den Tod eines Gesandten.105 Schließlich werden Ende 506 wechselseitig Geiseln gestellt und es kommt zu Verhandlungen, bei denen beide Seiten gegen Vereinbarungen verstoßen; so tragen die anwesenden Perser verdeckte Waffen, die Römer halten in der Nähe ein Heer bereit. Die persischen Unterhändler werden verhaftet, aber dann wieder freigelassen, damit nicht erneut Krieg ausbreche.106 Über den römischen Vertreter und den persischen Gesandten heißt es schlussendlich: Als der asṭabed nach einigen Tagen zu ihm herauskam, ließ er aus Friedensliebe alle Dinge fallen, die er sich vorgenommen hatte, für die Perser zu erreichen, setzte mit ihnen einen Vertrag auf und schloss Frieden. Sie schrieben füreinander Schriftstücke und setzten in ihnen eine bestimmte Zeitspanne fest, in der sie keinen Krieg gegeneinander unternehmen sollten.107
Hinter der Betonung der persischen Friedensliebe dürfte sich die entsprechende übliche Formalie zu Beginn der Verhandlungen verbergen, wie sie immer wieder bei Prokop und Menander demonstriert wird. In die Details der Verhandlungen hatte Josua offensichtlich keinen Einblick oder schlicht kein Interesse an diesem Thema.108 Prokop fasst knapp zusammen: Später, als sich der Hunnenkrieg in die Länge zog, willigten die Perser in ein siebenjähriges Abkommen mit den Römer […]. Dann zogen sich beide in ihr Land zurück und hielten Frieden.109
102 103 104 105 106 107 108
Jos. Styl. 90 (Übers. nach Luther). Jos. Styl. 90; vgl. Meier 2009, 212f. Jos. Styl. 91. Jos. Styl. 95. Jos. Styl. 97. Jos. Styl. 98 (Übers. nach Luther). Greatrex/Lieu 2002, 77: „Little is known of what these terms were.“ Ähnlich Marc. Com. a. 504, wenn dort auch singulär der Name des a secretis Armonius überliefert wird, der zur Ausarbeitung des Vertrages ausgesandt wurde, Croke 1995, 112. Laut Joh. Lyd. de mag. 3,53 sei es in den Verhandlungen wiederum um die persischen Ausgaben für den Erhalt der Festung Biraparakh gegangen und Anastasios habe den Persern letztlich eine bescheidene Zuwendung gegeben. 109 Prok. Bell. 1,9,24 (Übers. nach Veh): [...] ὕστερον δὲ Πέρσαι τοῦ πρὸς Οὔννους πολέµου σφίσι µηκυνοµένου ἐς σπονδὰς Ῥωµαίοις ξυνίασιν, αἵπερ αὐτοῖς ἐς ἑπτὰ ἔτη ἐγένοντο [...] ἐπ̓ οἴκου τε ἀµφότεροι ἀναχωρήσαντες ἡσυχῆ ἔµενον.
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Insgesamt demonstriert das Zeugnis des Josua Stylites in besonderer Weise das Zusammenwirken von Militäraktionen und Diplomatie im römisch-persischen Krieg des Anastasios, da Josua mit seinem besonderen Fokus auf den Leiden der Zivilbevölkerung deutlich aufzeigt, in welchem Maße Verwüstung, Plünderung und schiere Vernichtung im unbefestigten Feindesland integraler und ständiger Bestandteil der römisch-persischen Kriege waren,110 dessen Zweck offensichtlich nicht nur im Erlangen von Beute bestand (dies wäre leichter und schneller ohne Vernichtung zu erreichen gewesen),111 sondern vielmehr in der Erlangung von Druckmitteln, die den anderen Herrscher zum Eingehen auf Verhandlungen im eigenen Sinne bewegen sollten.112 Rein militärisch sind diese Handlungen geradezu nutzlos, da sie keine entscheidenden strategischen Positionen verändern, auch fördern sie nicht die eigene Stellung im Feindesland, sondern verschlimmern sie in Anbetracht der Leiden der Zivilbevölkerung und entsprechender Erzeugung von Widerstand und Widerwillen. Es werden keine Schlachten gewagt, sondern im Zweifelsfall sogar aktiv vermieden. Da es in diesen Kriegen aber gerade nicht um Eroberungen oder Entscheidungsschlachten geht, musste man solche auch gar nicht herbeiführen. Die Militärmaßnahmen sind nur vor dem Hintergrund des diplomatischen Austausches sinnvoll. Dieser Krieg wäre völlig nutzlos, wenn Kommunikation zwischen den beiden Seiten nicht der Normalfall gewesen wäre. Auch die Strukturen zeigen sich besonders hinsichtlich des militärischen Gleichgewichts: Immer wieder wird eine Feldschlacht als risikoreich vermieden und immer wieder ein risikoärmerer Weg gewählt. Josua Stylites ist aufgrund seines im Vergleich zu den klassizistischen Historiographen anderen Blickwinkels113 ein wichtiges unabhängiges Zeugnis für die Geläufigkeit und wahrscheinlich auch Richtigkeit von deren Darstellungen des Krieges und der Diplomatie in der behandelten Zeit. Auch andere diplomatische Methoden, die vor allem durch diese Autoren bekannt sind, schimmern im Bericht des Josua hervor. Mehrmals stützen wiederum auch Pseudo-Zacharias Rhetor, Prokop und Theophanes durch ihre Auffassungen die seine. Die Geschichtswerke des Prokop, Agathias und Menander zeigen nun neben der Natur dieses Krieges und seiner Bedeutung für die Diplomatie, die schon aus der Analyse der von ihnen geschilderten Verhandlungen im vorigen Kapitel deutlich geworden ist, auch den Umfang dieser Kriege und die Konfliktverlagerung. Generell darf bei den durchaus beeindruckenden klassizistischen Schilderungen von Kampfhandlungen und militärischen Aktionen durch Prokop und Aga110 Vgl. Meier 2009, 214. 111 So etwa angenommen bei Sundermann 1963, 57. Es wird aber richtig beobachtet, dass die Kriege stets den Charakter von Einfallszügen haben. So auch bei Brodka, 1998, 119, wenn auch „der Charakter des byzantinisch-persischen Krieges“ mit der „Schwäche von Byzanz“ als Ursache dieser Form des Krieges gesehen wird, 112 Vgl., wenn auch mit anderer Akzentuierung, Isaac 1995, 137. Als wirtschaftlich bedingtes Phänomen Sundermann 1963, 57. 113 Vgl. Greatrex 1994, 7.
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thias nicht übersehen werden, dass diese Gefechte oft seltener und von kleinerem Umfang gewesen sein müssen, als eine oberflächliche Lektüre vermittelt, da die Autoren es gerade darauf anlegen, die Ereignisse der eigenen Zeit als besonders groß und gewaltig herauszustellen, wie Prokop am Beginn seines Geschichtswerkes erklärt.114 Fragt man sich also, welche Kampfhandlungen zur Zeit dieser Autoren zwischen den Großmächten stattfanden und zieht bloße Plünderungen und Handlungen eines Heeres gegenüber der Zivilbevölkerung ab, so hält sich deren Ausmaß durchaus in gewissen Grenzen. Ab der Alleinherrschaft Justinians stellt es sich bei Prokop und Agathias Jahr für Jahr folgendermaßen dar: 530:115 Eine Schlacht bei Minduos, die Römer unterliegen. Vor Daras seien auf römischer Seite 25.000 Mann, auf persischer 50.000 im Einsatz gewesen. Es seien auf dem rechten persischen Flügel mindestens 3.000 Mann gefallen. Gegen Ende der Auseinandersetzung seien noch einmal 5.000 Perser gefallen. Es kommt zu keiner längeren Verfolgung.116 „Die Perser spürten kein Verlangen mehr, eine regelrechte Schlacht mit den Römern auszufechten. Doch fehlte es nicht an Überfällen, bei denen die Römer im Vorteil blieben.“117 Ein persischer Einfall ins römische Armenien wird durch einen Überfall auf das Lager des Heeres behindert. Vor Oktabe hat Sittas 1.000 Mann, die Perser mindestens 30.000; die Römer können in diesem Moment höchstens 15.000 aufbringen. Eine Schlacht zwischen den Römern des Sittas und den persischen Truppen führt zu Verlusten unter letzteren. Es gibt keine Verfolgung. Die Perser ziehen ab.118 531: Ein Perserheer von 15.000 Mann fällt in römisches Gebiet ein, wobei der Einfall sich nicht gegen Mesopotamien, sondern Euphratesia richtet. Belisar stellt sich ihm mit 20.000 Mann entgegen. Bei der Schlacht von Callinicum gibt es auf beiden Seiten hohe Verluste.119 Es kommt zu einem neuen Persereinfall und Martyropolis wird belagert, die Belagerung aber abgebrochen.120 532: Es wird der Ewige Frieden geschlossen. 533: Keine Kämpfe zwischen Römern und Persern. 534: Keine Kämpfe zwischen Römern und Persern. 535: Keine Kämpfe zwischen Römern und Persern. 536: Keine Kämpfe zwischen Römern und Persern. 537: Keine Kämpfe zwischen Römern und Persern. 538: Keine Kämpfe zwischen Römern und Persern. 114 Prok. Bell. 1,1,16f. Lee 1993b, 120, geht bei der Kritik der Darstellungen sehr weit. 115 Bei Greatrex 1998, 163f., wird festgestellt dass zwar schon seit 527 Krieg bestand, aber keine wesentlichen Operationen vor dem Jahr 530 stattgefunden haben, ebd. 164: „Neither power had anything to gain from a resumption of hostilities.“ 116 Prok. Bell. 1,13f. 117 Prok. Bell. 1,14,55 (Übers. nach Veh): Πέρσαι δὲ οὐκέτι µάχην ἐκ τοῦ εὐθέος ἐς Ῥωµαίους διενεγκεῖν ἤθελον. ἐγένοντο µέντοι ἀµφοτέροις τινὲς ἐξ ἐπιδροµῆς ἔφοδοι, ἐν αἷς οὐκ ἔλασσον Ῥωµαῖοι ἔσχον. 118 Prok. Bell. 1,15. PLRE IIIB, Sittas, S. 1160–1163. 119 Prok. Bell. 1,17f. 120 Prok. Bell. 1,21.
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539: Keine Kämpfe zwischen Römern und Persern. 540: Einfall des Chosrau ins Imperium. Sura wird mit einer List eingenommen und geplündert. Beroia wird nach Kämpfen eingenommen. Nach Kämpfen wird auch Antiochia eingenommen, den dortigen römischen Truppen aber Zeit zur Flucht gelassen.121 Der Einfall vergeht ohne eine Schlacht.122 Die Belagerung von Daras scheitert.123 541: Chosrau erobert Petra nach Kämpfen und Verhandlungen mit der Besatzung, letztere werden offenbar eigenmächtig geführt.124 Ein römisches Heer zieht derweil gegen Nisibis und wird aufgehalten, es gibt auf römischer Seite 50 Tote, auf persischer 150. Die Perser ziehen sich hinter die Stadtmauern zurück.125 Beim Angriff auf Sisauranon verlieren die Römer viele Soldaten, die Stadt wird eigenmächtig übergeben. Al-Harith plündert in Assyrien. Die Römer ziehen sich zurück.126 542: Chosrau fällt, den Euphrat zur Rechten, ins Imperium ein. Nach kurzem Widerstand wird Sergiopolis eigenmächtig übergeben. Die Römer stellen sich dem auf Palästina gerichteten Einfall nicht entgegen, sondern besetzten nur feste Plätze. Chosrau schadet den Städten auf dem Weg nicht. Ohne Waffengewalt endet der Einfall mit dem Abzug des Chosrau. Er nimmt Callinicum ohne Widerstand ein.127 543: Ein römischer Einfall von etwa 30.000 Mann erfolgt in Richtung Dubios. Eine persische Streitmacht von etwa 4.000 Mann stellt sich ihnen entgegen. Es gibt römische Verluste, aber eine nur kurze persische Verfolgung. Viele Römer kommen auf der Flucht um oder werden gefangen. Prokop schätzt die Niederlage als schwerwiegend ein.128 544: Chosrau führt ein Heer durch Mesopotamien und hat Edessa zum Ziel. Es kommt zu Scharmützeln. Die Stadt wird belagert und verteidigt. Chosrau zieht schlussendlich wieder ab.129 545: Es wird ein Frieden für fünf Jahre geschlossen.130 546: Keine Kämpfe zwischen Römern und Persern. 547: Keine Kämpfe zwischen Römern und Persern. 121 122 123 124 125 126 127 128 129
Prok. Bell. 2,5–9. Börm 2007, 159. Prok. Bell. 2,13. Prok. Bell. 2,17. Prok. Bell. 2,18. Prok. Bell. 2,19. Prok. Bell. 2,20f. Prok. Bell. 2,24f. Prok. Bell. 2,25f. Aktuell besteht eine Debatte über die Datierung römisch-persischer Geschehnisse 542–544, da Whitby 2021 entgegen einer sich verschiebenden sententia communis die traditionelle Datierung (die etwa Chosraus vierten Einfall in das Jahr 544 und den vorherigen römischen Zug auf 543 setzt) zu stützen sucht, dagegen Greatrex 2021 für die neuere Frühdatierung (die Chosraus Einfall 543 und den vorherigen römischen 542 sieht) eintritt. 130 Prok. Bell. 2,28.
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548: Keine Kämpfe zwischen Römern und Persern. 549: Es kommt zu Kämpfen um Petra. Es handelt sich um 6.000 Römer und 1.000 Verbündete gegen 1.500 Verteidiger.131 Mermeroes dringt mit einem Heer von mindestens 30.000 Mann vor und die Römer heben die Belagerung auf. Die Verteidiger hatten schwere Verluste. Ein Hinterhalt der Römer und Lazen glückt, 1.000 Perser werden getötet oder gefangengenommen. 14.000 Römer und Lazen überfallen das persische Heerlager und siegen, die meisten Perser werden niedergemacht. Es gibt eine lange Verfolgung. 132 550: Ein persischer Einfall nach Lazien findet statt.133 Eine für beide Seiten verlustreiche Schlacht endet zugunsten der Römer und ihrer Verbündeten.134 551: Das mit 2.300 Verteidigern bemannte Petra wird von einem 6.000 Mann umfassenden römischen Heer belagert. Nach schweren Verlusten auf beiden Seiten sind noch etwa 1.230 Verteidiger am Leben; davon werden 730 gefangen genommen und unter diesen sind nur noch 18 unverletzt. Die letzten 500 nehmen das römische Angebot zur Übergabe nicht an und verbrennen in der in Brand gesteckten Festung.135 Mermeroes zieht mit einem Heer gegen Archaiopolis, zu diesem gehören 4.000 Sabiren. Es stellen sich ihm römische Truppen mit insgesamt 12.000 Mann entgegen. Die Stadt wird belagert, ein Ausfall bringt den Persern Verluste bei und bei der Verfolgung fallen 4.000.136 Es wird in Byzanz ein fünfjähriger Waffenstillstand verhandelt.137 Es kommt zu einem Zusammenstoß zwischen Truppen des Mermeroes und lazisch-römischen, bei dem sich letztere zerstreuen.138 552: Der Waffenstillstand tritt in Kraft. Mermeroes wird von Archaiopolis abgewiesen und viele Perser werden bei der römischen Verfolgung niedergemacht; die aber durch die Perser zum Stehen gebracht wird.139 553: Offenbar keine Kämpfe zwischen Römern und Persern. wohl 554: Vorstoß des Mermeroes und Scharmützel.140 555: Es erfolgt ein römischer Angriff auf Onoguris von insgesamt über 50.000 Mann. Eine persische Verstärkung von 3.000 Berittenen wird durch einen römischen Überfall von höchstens 600 Berittenen in die Flucht geschlagen. Die etwa 3.000 Belagerten brechen aus und verfolgen die fliehenden Römer.141
131 132 133 134 135 136 137 138 139 140
Prok. Bell. 2,29. Prok. Bell. 2,30. PLRE IIIB, Mermeroes, S. 884f. Prok. Bell. 8,1. Prok. Bell. 8,8. Prok. Bell. 8,11f. Prok. Bell. 8,13f. Prok. Bell. 8,15. Prok. Bell. 8,16. Prok. Bell. 8,17. Agath. hist. 2,19–21. Hier wird durch den Wechsel von Prokop zu Agathias eine chronologische Unsicherheit aufgeworfen. 141 Agath. hist. 3,6–8.
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556: Nachoragan führt eine Armee von 60.000 Mann gegen Nesos. Durch eine Vorwarnung wird ein Überfall von etwa 3.000 Dolomiten der persischen Seite auf 2.000 Sabiren der römischen Seite ins Gegenteil verkehrt und die Dolomiten zerstreut, 800 fallen. Es stoßen Römer aus Archaiopolis hinzu und insgesamt bleiben nur etwa 1.000 Dolomiten am Leben.142 Es beginnt ein persischer Angriff auf Phasis, wird aber abgewiesen. Es kommt zu einer Verfolgung und 10.000 Mann Verlusten unter den Persern, dazu noch 2.000 unter den Angehörigen des Trosses. Unter den Römern gibt es etwa 200 Gefallene.143 557: Auf dem Zug gegen die Misimianen reiben römische Truppen 500 Sabiren auf, die für die persische Seite kämpfen. Nur 40 überleben.144 Es kommt zu weiteren Scharmützeln.145 Schließlich wird ein Waffenstillstand abgemacht.146 558: Wohl keine Kämpfe zwischen Römern und Persern.147 559: Wohl keine Kämpfe zwischen Römern und Persern. 560: Wohl keine Kämpfe zwischen Römern und Persern. 561: Wohl keine Kämpfe zwischen Römern und Persern. 562: Wohl keine Kämpfe zwischen Römern und Persern. Es wird deutlich, dass sich die Kampfhandlungen in Anbetracht eines zeitlichen Rahmens von über 30 Jahren selbst bei den Autoren, die bemüht sind, die Größe der Ereignisse herauszustellen, einigermaßen in Grenzen halten.148 Über die Trup142 143 144 145 146 147
Agath. hist. 3,17f. PLRE IIIB, Nachoragan, S. 909f. Agath. hist. 3,20–28. Agath. hist. 4,13f. Agath. hist. 4,15. Agath. hist. 4,23 u. 30. Auch wenn das Geschichtswerk des Menander Protektor nur fagmentarisch erhalten ist, gibt es keine Hinweise darauf, dass der Waffenstillstand von 557 in auffälligem Maße gebrochen worden wäre, vgl. Blockley 1985b, 254, Anm. 30. 148 Schippmann 1990, 55: „540 begann der Krieg. Aber die Zeiten der großen Unternehmungen waren vorbei. Es lief immer mehr auf Plünderungszüge bzw. Lösegeldzahlungen hinaus.“ Vgl. Brodka 1998, 119. Wohl zu stark Shahid 1972, 314f. über persische Feldzüge zur Zeit Justinians: „This was high-class brigandage and blackmail and was so conceived by Chosroes Anushravan himself, but it ensured that the scale of the war would remain Lilliputian, as in fact it did.“ Nur der Einfall von 540 wird als Ausnahme gesehen, ebd. 314, Anm. 77. Auch Fowden 1993, 35, stellt fest, dass die beiden Reiche im 5. und 6. Jahrhundert nicht grundlegend im großen Rahmen zusammenstießen, wenn auch die Beziehungen im 6. Jahrhundert wesentlich weniger friedlich wurden. Isaac 1992, 249: „After Julianʼs failure to follow in the footsteps of Alexander the wars between Byzantium and Persia became in themselves mere raiding expeditions.“ Generell Jones 1973, 1030f. Blockley 1992, 138: „The use of offensive war by both the Romans and the Persians primarily for political purposes called for a selfimposed restraint by both sides, even when committed to a campaign.“ Dagegen nimmt Howard-Johnston 2006, xiii, schon ab 502 einen eskalierenden Charakter des Krieges an, „the intensity and scale of fighting growing with the passage of time“; vgl. Payne 2013, 3, der „A century of almost continuous warfare followed immediately and suddenly upon an era of rarely interrupted peace.“ schreibt und bei Howard-Johnston 2013, 873, heißt es gar, schon Anastasios habe einen Perserkrieg „on the grandest possible scale“ führen müssen, wobei sich auf
13.3 Diplomatie und Krieg im 6. Jahrhundert
233
penzahlen lässt sich streiten,149 aber des Öfteren wird deutlich, dass es sich um Konflikte mit wenigen hundert (oder weniger) Opfern unter den Kombattanten handelt. Das verdeutlicht nicht nur den vergleichsweise kleinen und besonders gezielt ablaufenden Charakter der Einfallskriege, sondern auch den Umstand, dass beide Reiche in der Lage waren, ihre Kriege nicht eskalieren zu lassen, sondern in gegenseitiger Abstimmung zu betreiben.150 Hätten beide Seiten nicht gewusst, dass diese Einfälle letztlich diplomatische Mittel sind, die nur vor dem Hintergrund diplomatischen Austausches sinnvoll sind, wäre Gewalt automatisch mit größerer Gegengewalt beantwortet worden, die wieder Gegengewalt nach sich gezogen und somit Eskalation erzeugt hätte. Man wäre in die sunk-cost-fallacy geraten: Da die unterlegene Partei bereits viel in den Krieg investiert hat, ohne Vorteile zu erlangen, muss sie jetzt noch mehr investieren, um die ersten Investitionen nicht vergeblich werden zu lassen. Diese Spirale kam aber nicht zustande, vielmehr konnte man ganz offensichtlich davon ausgehen, dass man in der Lage sein würde, über kurz oder lang einen Frieden zu schließen.151 Hätte dieses Bewusstsein nicht bestanden, ist fraglich, ob solche Kriege geführt worden wären, da es sich bei den Einfallskriegen im Gegensatz zu Eroberungen nicht um Konflikte handelt, die sich damit lösen lassen, dass man die anderer Seite niederringt und vor vollendete Tatsachen stellt. Einfallskriege haben keinen „natürlichen“ Endpunkt, sie können weder militärisch gewonnen noch verloren werden, sondern benötigen Diplomatie im Hintergrund, um beendet werden zu können. Das BeTruppenzahlen berufen wird. Diese Zahlen lassen aber nicht auf die Größe des Krieges schließen, sondern dienen nicht zuletzt der Zurschaustellung der eigenen Macht und Entschlossenheit und damit dem Gewinn einer besseren Verhandlungsposition, indem die andere Seite eingeschüchtert wird. 149 Aus militärhistorischer Perspektive geht auch Koehn 2018 von verhältnismäßig geringen römischen Truppenzahlen in Justinianischer Zeit aus. Laut ebd. 176f. „entbehrten die militärischen Unternehmungen Justinians, die Prokop in klassischer Weise darzustellen beabsichtigte, völlig der typischen Merkmale großer Kriege. Es marschierten (abgesehen von der Schlußphase) keine gewaltigen Heere auf, und die entscheidenden Schlachten ließen sich an einer Hand abzählen, sofern sie überhaupt für den Kriegsverlauf von Bedeutung waren. Die meiste Zeit nämlich erschöpften sich die Kampfhandlungen in einer eher an Guerillataktiken erinnernden Kommandokriegsführung, bei der zwar effizient eingesetzte römische Truppen gegen oftmals zahlenmäßig überlegene Gegner durchaus mit taktischen (sic) Erfolg operierten, auf der strategischen ebene aber sich diese Kampfhandlungen als wenig effektiv darstellten.“ Zum Hintergrund dieser Annahmen anhand des Vandalenkrieges ebd. 173–176. Zur Erklärung geht Koehn vom Konzept des „lean warfare“ aus, ebd. 208: „Der Kaiser führte die Kriege so, dass er zwar auf kontinuierliche Einnahmen angewiesen war, aber die Staatskasse nicht über Gebühr belastete.“ Zu Hintergrund, Zerrüttung und Ende des „lean warfare“, wobei letzteres ab den letzten Jahren der 540iger postuliert wird, ebd. 208–212. Der Fokus des Autors liegt nicht auf den römisch-persischen Verhältnissen oder diplomatischen Hintergründen der begrenzten Kriegsführung. 150 Wenn auch nur ganz am Rande, so erwähnt auch Blockley 1992, 139, die Natur größerer Konflikte als „potentially uncontrollable“. 151 Zum hohen Preis der Kriege vgl. Haldon 1992, 282.
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wusstsein für schnelle Entfesselung dieser Kriege verweist ebenfalls auf das Bewusstsein, dass sie sich in der Regel auch schnell wieder beenden lassen würden. Dies ist besonders vor dem Hintergrund des angenommenen Gleichgewichts der Mächte sinnvoll, das Eskalation mit Risiken und nicht mit potentiell großen Siegen verbindet. Zudem sind diese Kriege ihrer Natur nach generell auf kurze Zeit angelegt,152 denn sie lassen sich zwar nach Verwüstungen und Plünderungen in einer Region fortsetzen, das bringt aber Risiken mit sich, da die andere Seite gewarnt ist und bemüht sein wird, benachbarte Regionen zu schützen. Wenn die anfängliche Region verheert ist, bedeutet dies automatisch einen Ausfall von Beute und zwangsläufig auch eine Abnahme diplomatischer Druckmittel, denn mehr als Menschen und materielle Werte zu vernichten ist nicht möglich. Wenn das geschehen ist und die andere Seite nicht auf die eigenen Vorstellungen eingeht, ist der anfängliche Impetus verwirkt. So wird ein Frieden geschlossen (oder eine Waffenruhe tritt ein) und über kurz oder lang verlagern sich die Konflikte auf einen anderen Raum. Kawadh und Chosrau suchen neue Einfallswege, wenn die etablierten nicht mehr erfolgreich sind.153 Als ein Mangel an Optionen in Mesopotamien eintritt, verlagert sich der Krieg zunehmend nach Lazien und damit in den südkaukasischen Raum generell, bis er auch dort mit einem Versiegen der Optionen und einer Pattsituation endet, die für keine Seite mehr große Gewinne von Verhandlungsmasse verspricht. Zunächst scheint Lazien ein neuer und unverbrauchter Schauplatz zu sein,154 an dem sich die Großmächte nicht in dieser Form gegenüberstanden – wie 152 So stellt Lenski 2007, 225, fest, dass die schlichteste Möglichkeit zum erfolgreichen Abschluss einer Belagerung, das Aushungern, in dieser Zeit in der Regel nicht in Betracht gezogen wurde. 153 Ein Beispiel für dieses Vorgehen aus der Zeit vor der Teilung Armeniens, aber in Anbetracht des schon weitgehend ausgebildeten Strukturmerkmals des angenommenen militärischen Gleichgewichts, bietet Amm. Marc. 14,3: Der persische Feldherr Norodares soll einen Einfall nach Mesopotamien unternehmen. Um die etablierten Befestigungen zu umgehen, plant er, über Wüstengebiete und entlang des Flusses Abora zur Zeit eines Jahrmarktes in die Gegend um Batnae einzufallen. Dies scheitert am Verrat von Überläufern, Ammian betont aber die an sich verheerende Qualität dieses Plans. Das zeugt von ähnlichem Denken wie es bei den Prokopischen Großkönigen des 6. Jahrhunderts anzutreffen ist. 154 Vgl. Fisher 2011a, 32: „Neither empire was able to conclusively eliminate the other, if indeed that was ever an aim, but as competition escalated, the Romans and Sasanians found themselves locked in a military stalemate with little opportunity to make progress in traditional theatres, such as Mesopotamia.“ Isaac 1992, 232; Garsoïan 2004, 329f.; vgl. für Armenien der Partherzeit in ähnlicher Lage Breeze 2012, 114: „In the desert there was little room for manoeuvre so the frontier remained static, but to the north, there was a continuous tussle to control the strategically located kingdom of Armenia lying to the north of the Parthian Empire and east of the Roman province of Cappadocia.“ Melko/Weigel 1981, 129, gehen von einem generellen Phänomen aus: „It would seem that in time of stability, peripheral locations may be unfortunate, because stable powers tend to use these regions for a battleground. Syria and Mesopotamia have often been in this position.“ Daryaee 2008b, 78, bringt die Verlagerung des Schauplatzes auch mit der Pest in Verbindung.
13.3 Diplomatie und Krieg im 6. Jahrhundert
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nicht zuletzt Prokops Beschreibung Laziens als einer Art wirtschaftlich, infrastrukturell und militärisch leerer tabula rasa nach Art eines Kartentisches aufzeigt155 – aber letztlich treten auch dort die aus den Kriegen des Südens bekannten Phänomene ein. Zwar gibt es in Lazien Eroberungen, aber nicht die Kriegsführung in Lazien ist anders, sondern lediglich die Landschaft, die bei gleicher Methode andere Resultate erzielt. Das heißt: Hier gibt es territoriale Eroberungen, aber nicht etwa, weil man entsprechende Methoden (kontrollierte Einnahme des Landes) benutzen würde; vielmehr setzt man dieselben wie in den Konflikten in Mesopotamien ein (Überfälle unternehmen, Festungen belagern etc.), die hier aber ganz andere Konsequenzen haben, aus denen eine gewisse Kontrolle über Territorien erwächst. Es gibt in Lazien nur wenige feste Plätze und bestimmte Wege; wer diese kontrolliert, gewinnt ein höheres Maß von Kontrolle über das Land und den Nachschub. Der Krieg ist trotzdem kein Eroberungskrieg, bei dem es um Territorialherrschaft ginge. Für Prokop ist Lazien nur Mittel zum diplomatischen Zweck, zur Erlangung von Verhandlungsmasse; also dem Schutz des Imperiums oder dem Erreichen des persischen Schwarzmeerzuganges. Dazu muss man das Hinterland kontrollieren (nicht direkt beherrschen!), wofür die Beherrschung der Festungen ausreichend ist. Es wäre auch personell, finanziell und wirtschaftlich ein unverhältnismäßig teures Unterfangen, dieses Bergland beherrschen zu wollen. Ein Unterschied zum Süden besteht auch in der Langfristigkeit: Man will den Zustand auf beiden Seiten über längere Zeit erhalten und braucht daher Nachschublinien, die im Süden entweder prinzipiell unnötig sind (im Fall des schnellen Überfalls) oder bereits vorhanden (aufgrund der direkten Nachbarschaft der beiden Reiche). Hinsichtlich der Strukturen lässt es sich so betrachten: Das Strukturelement des militärischen Gleichgewichts folgt aus Sicht der Akteure jeder Verlagerung des Schauplatzes auf dem Fuß.156 Letztendlich kommt es nicht nur auf allen Wegen Mesopotamiens, sondern auch in Lazien wieder zu einer Situation des Gleichgewichts. Dies musste den Akteuren wohl geradezu als Bestätigung ihrer Wahrnehmung erscheinen.157 Die Deutung Prokops bezüglich der Verlagerung des Kriegsschauplatzes lässt sich so verstehen: Nachdem also, wie erwähnt, Chosrau diesen vergeblichen Angriff [auf Daras] unternommen hatte, kam er zu der Einsicht, er könne sich, selbst wenn er eine andere römische Stadt zu erobern vermöge, doch niemals mitten unter den Römern behaupten; denn den Feinden blieben ja noch zahlreiche Festungen in seinem Rücken. Deswegen hatte er sich ja auch, als er Antiochia eingenommen und bis auf die Grundmauern zerstört hatte, aus dem römischen Gebiet zu-
155 Prok. Bell. 2,15,5 u. 11 u. 31–34; 2,28,27–29; 2,29,1; 8,13,15f. Zur Fehlerhaftigkeit dieser Darstellung siehe die Arbeit Braund 1991; vgl. Labas 2018, 95. Es ist auch zu bedenken, dass diese Art der Darstellung eben besonders gut zu Prokops Wahrnehmung des Raumes passte. Vgl. Stickler 2019, 157f., 160–163. 156 Vgl. Edwell 2015, 275; vgl. Greatrex 1994, 28; vgl. Isaac 1992, 423f. 157 Es ist auch naheliegend, dass ein Element der selbsterfüllenden Prophezeiung beteiligt war: Wenn beide Seiten davon ausgehen, die andere nicht besiegen zu können, ist es unwahrscheinlich, dass es große militärische Veränderungen geben wird.
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13 Methoden II rückziehen müssen. So wandte er sich in seinem unsicheren Planen einem entlegeneren Ziele zu, womit er freilich unausführbaren Unternehmungen nachging.158
Der in Mesopotamien bereits von beiden vorausgesetzte Umstand, dass die beiden Kräfte nie zu einem entscheidenden Sieg kommen würden, musste sich in diesem fremden Land erst einstellen.159 Im Süden waren die Festungen schon so angelegt, dass klar sein musste, dass man das Gleichgewicht nicht brechen können würde. Gewissermaßen hat sich die militärische Infrastruktur bereits auf dieses Gleichgewicht eingestellt:160 Es wird geplündert, aber kein Gebiet erobert. Alles ist darauf ausgerichtet. In Lazien war dem anfangs noch nicht so und es kam zu größeren Truppenbewegungen und der Kontrolle von Landstrichen, am Ende aber wagte auch in diesem Land keiner mehr, den ersten Schritt zu machen, da er gleichermaßen Gewinn wie Verlust bringen könnte. Das übliche Gleichgewicht hatte sich in der Wahrnehmung der Akteure nach den Jahren in Lazien auch dort eingependelt. Weder Perser noch Römer können die jeweilige Gegenseite komplett aus Lazien vertreiben; wie sie die Grenzräume im Süden nicht erobern können. Beide Seiten haben sich eingerichtet. Die Konflikte umfassen stets die gleichen Gegenden – so die Stadt Petra – genau wie im Süden. Die Strukturen stehen wiederum fest. Es ist wohl die Erkenntnis, dass dieselben Zustände im Norden eingetreten sind, die im Süden bereits vorlagen, die zum Frieden von 561 führt. Beide Seiten haben Gebietsgewinne bzw. eine Erweiterung ihrer Einflusssphäre zu verzeichnen. Rom hat offenbar die große Befürchtung abgewandt, dass Persien Zugang zum Schwarzen Meer erhalten könnte. Persien wiederum hat den römischen Einfluss im Kaukasus eingedämmt und seine Hintertür verbarrikadiert. Ein fairer „Deal“. Lazien wurde schlicht ein Teil der Front, wie es sie im Süden bereits gab, also ein Teil des großen römisch-persischen Begegnungsraumes. Ein in besonderer Weise im Verhältnis zwischen Diplomatie und Krieg zu fassendes Element dieses Raumes ist sein Netzwerkcharakter: Stets geht es um die Kontrolle derselben wichtigen Städte. Wären die Reiche anders aufgebaut und verfügten über Herrschaftsmethoden, die zu durchregierten modernen Flächenstaaten führten, wäre diese Methode nicht in gleichem Maße effizient gewesen, 158 Prok. Bell. 8,7,10f. (Übers. nach Veh): ταύτης οὖν, ὥσπερ µοι εἴρηται, ἀποτυχὼν ὁ Χοσρόης τῆς πείρας ἐς ἔννοιαν ἦλθεν ὡς, ἢν καὶ πόλιν οἱ Ῥωµαίων ἑτέραν τινὰ παραστήσασθαι δυνατὰ εἴη, ἀλλὰ καθίζεσθαι οὐ µή ποτε οἷός τε εἴη ἐν µέσῳ Ῥωµαίων, ὀχυρωµάτων τοῖς πολεµίοις ἀπολελειµµένων ὀπίσω πολλῶν. καὶ Ἀντιόχειαν γὰρ τούτου δὴ εἵνεκα ἐς ἔδαφος καθελὼν ἡνίκα ἐξεῖλεν, ἀπηλλάγη ἐκ Ῥωµαίων τῆς γῆς. διὸ δὴ µετεωρισθεὶς τὴν διάνοιαν ἐπὶ µακροτέρας ἐλπίδος ὠχεῖτο, διερευνώµενος ἀµήχανα ἔργα. 159 Vgl. Isaac 1992, 423f., über römisch-persische Kriege: „In the region south of the Caucasus there was still an effort to change the balance of power – with little effect. Elsewhere they resulted in much looting and robbery, but little permanent change before the end of the sixth century.“ Ebd. 232 wird angenommen, dass die Eröffnung des Kriegsschauplatzes Lazika auf persischer Seite zumindest zum Teil daran gelegen haben kann, dass dort größere Gewinne relativ leicht zu machen schienen, während es in Mesopotamien sehr schwer war. Vgl. Garsoïan 2004, 329f. zu diesem Gegenstand als Forschungsproblem. 160 Isaac 1995, 150f.; Greatrex 1994, 28.
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um diplomatische Verhandlungsmasse zu erlangen. Sie war nur sinnvoll, da sich die Reiche stark auf die Knotenpunkte der Städte (nicht zuletzt im Hinblick auf den Handel) stützten und diese daher besonders in den Grenzräumen (und damit auch Handelsräumen) Mesopotamiens von großer Wichtigkeit waren.161 All diese Elemente dürften in solcher Zusammensetzung ein Spezifikum der römisch-sasanidischen Konflikte sein, die in Konflikten der beiden Reiche mit anderen Gemeinwesen nicht in gleicher Form vorhanden gewesen sein dürften. Es ist ein bekanntes Phänomen, dass beide Seiten im Gegensatz zum gegenseitigen Umgang Schwierigkeiten damit hatten, gegenüber den unter dem Begriff der „Hunnen“ zusammengefassten Verbänden stabile Abkommen zu schließen: Wenn ein Stamm saturiert ist, tritt ein anderer an seine Stelle, mit dem kein Abkommen geschlossen wurde.162 Die diplomatische Stabilität, also das beständige Bestehen diplomatischer Kommunikation, ist eine Besonderheit im Umgang der beiden großen sesshaften Reiche. Andernorts gibt es Eroberungskriege und entscheidende militärische Siege, da sich das Verhältnis zu den davon betroffenen Gemeinwesen drastisch von dem zwischen den beiden Reichen unterscheidet.163 Nimmt man all diese speziellen Faktoren, durch welche die römisch-persischen Kriege der behandelten Zeit geprägt waren, zusammen, so lässt sich letztlich von Kabinettskriegen sprechen.164 Sie haben begrenzte Ziele und müssen ihrer Natur nach zwangsläufig von Diplomatie begleitet sein; Diplomatie entfesselt sie, begleitet sie dauerhaft und durch Diplomatie werden sie auch wieder beendet.165 Der Krieg ist der lange Arm der Diplomatie. Er dient dem Gewinn diplomatischer Verhandlungsmasse. Nicht territoriale Gewinne oder grundlegende Veränderungen des Machtgefüges, sondern menschliche wie materielle Ressourcen stehen im Fokus, da sie Verhandlungsmasse und politischen Druck schaffen:
161 Vgl. Smith 2007, 32f.; Smith 2005, 838–845; für militärischen Aspekt Liebeschuetz 1977, 499; angedeutet bei Frendo 1997, 115; vgl. schon für Partherzeit Breeze 2012, 4. 162 Vgl. Ball 2017, 169f.: Die größere Aufmerksamkeit des Sasanidenreiches dürfte daher insgesamt auf den östlichen Grenzen gelegen haben; ebd. 173. 163 Bereits die Lektüre etwa des Prokopischen Vandalenkrieges oder der Fragmente des Priskos über Attila zeigt, dass die Diplomatie zwischen Imperium und Vandalen bzw. Imperium und Attila nicht entlang der hier für Rom und das Sasanidenreich ermittelten Strukturen verlief. Der Autor der vorliegenden Arbeit hat im Rahmen der dieser zugrundeliegenden Dissertation eine solche knappe Untersuchung für das Vandalenreich und Attilas Hunnen vorgenommen, sie würde aber den Rahmen des vorliegenden Buches sprengen, insofern es sich nicht um eine Untersuchung des römisch-sasanidischen Verhältnisses handelt. 164 Dilleman 1962, 223f. mit einer vergleichbaren Beobachtung, wenn auch auf Basis ganz anderer Prämissen. 165 Vgl. Ziegler 1983, 16f. Zur Begleitung Justinianischer Perserkriege durch Diplomatie Ravegnani 2004, 184. Auch Diebler 1995, 188, betont die besondere Intensität der Diplomatie des 6. Jahrhunderts, wenn er auch zu bedenken gibt, dass wir über die der vorherigen Jahrhunderte weniger wissen. In Relation zur Kosteneffizienz des bzyantinischen Reiches setzt Haldon 1992, 284, die Abläufe.
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die eigenen werden möglichst geschont,166 der Gewinn von wichtigen Städten, Beute und Gefangenen sowie die Verwüstung von gegnerischem Gebiet ist das übliche Vorgehen. Entsprechend ist der Einfallskrieg die von beiden Seiten bevorzugte Form des Krieges und gemäß diesen Paradigmen wundert es nicht, wenn Prokop den Feind al-Mundhir hinsichtlich seiner Möglichkeiten außerordentlich schätzt:167 Der Wüstenräuber ist das Idealbild des Soldaten dieser Zeit, da er optimal an die Kriege dieser Zeit angepasst ist.168 Er kann schnelle Einfälle unternehmen, viel plündern und verwüsten und schnell wieder verschwinden, ohne für den Gegner greifbar zu sein.
166 Haldon 1992, 282, über Kosteneffizienz als generelle byzantinische Eigenschaft. Vgl. Ravegnani 2004, 183, zu Kosten Justinianischer Kriege; vgl. Jones 1973, 1030. Es wundert nicht, dass sowohl Byzanz als auch das wohl ebenfalls stark auf landwirtschaftlichen Erträgen fußende Sasanidenreich in ihren Kriegen um besondere Kosteneffizienz bemüht waren. Die Kosteneffizienz der Justinianischen Kriegsführung ist eines der Grundthemen der Arbeit Koehn 2018. 167 Prok. Bell. 1,17,40–48. Siehe zur Bedeutung der Sarazenen auch Kapitel 19.6 der vorliegenden Arbeit. 168 Vgl. Isaac 1992, 249.
14 METHODEN III Beschützerverhältnisse – „Adoptionen und Vormundschaften“ 14.1 DAS VERHÄLTNIS YAZDGARD I. – THEODOSIUS II. Obwohl die beiden letzteren titelgebenden Ausdrücke dieses Kapitels in der Literatur des Öfteren zu finden sind1 und leicht verständlich ist, was sie beschreiben – das Verhältnis Yazdgards I. und Theodosius II. sowie den Versuch Kawadhs, Chosrau I. von Justin I. adoptieren zu lassen2 – so sind sie doch dahingehend irreführend, dass es mit hoher Wahrscheinlichkeit in der behandelten Zeit weder Adoptionen noch Vormundschaftsverhältnisse im antiken oder modernen Verständnis dieser Begriffe zwischen römischen und persischen Herrschern gegeben hat. Yazdgard war sicher nicht tutor des Theodosius im Sinne des römischen Rechts und die Adoption Chosraus durch Justin war geplant, fand aber keinesfalls statt. Wiederum ist es die Begriffsverwendung, von der das Verständnis der Geschehnisse abhängt und es wird im Laufe des folgenden Kapitels versucht, geeignetere Begriffe zu finden. Unabhängig von jeglicher Bewertung gilt es zunächst festzuhalten, dass im Geschichtswerk des Prokop von Caesarea mit den Beziehungen YazdgardTheodosius und Justin-Chosrau zwei diplomatische Vorgänge geschildert werden, die sich bei erster Betrachtung tatsächlich so verstehen lassen, dass einerseits Yazdgard I. auf Wunsch des Arcadius dessen Sohn, Theodosius II., als Vormund diente und andererseits Justin I. nach Wunsch des Kawadh dessen Sohn Chosrau 1
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Dies ist auch der Grund, dass sie überhaupt im Titel des Kapitels und entsprechend im Inhaltsverzeichnis der vorliegenden Arbeit stehen. Schon Christensen 1925, 119, wendet sich dagegen, dass Verhältnis Yazdgards zu Theodosius als Adoption zu bezeichnen. Ein solch ungenauer Sprachgebrauch bei Canepa 2010, 123: „The fifth and early sixth centuries brought the courts even closer together, with symbolic familial relationships including politically motivated adoptions.“ In das 5. Jahrhundert fällt die Beschützerrolle des Yazdgard für Theodosius, diese war keinesfalls eine Adoption. In das erste Drittel des 6. Jahrhunderts fällt der Adoptionswunsch des Kawadh an Justin, diese Adoption kam aber nicht zustande. Es gab also keine „politically motivated adoptions“ in dieser Zeit, erst recht nicht mehrere. Das besondere Verhältnis zweier späterer Herrscherpersönlichkeiten – Maurikios und Chosrau II. – fällt weder zeitlich noch hinsichtlich der Strukturen, in die es eingebettet ist, in den Rahmen der vorliegenden Arbeit; vgl. Whitby 1988, 304–308; Schippmann 1990, 65; BacaWinters 2018, 71, 164f., 227f.; Jackson Bonner 2020, 261. Zum Gedanken einer Adoption Chosraus II. durch Maurikios Claude 1989, 34–36; Greatrex 1994, 37, 144 gehen von Adoption aus; vgl. Dölger 1953, 61, Anm. 63; Sako 1986, 35f. Zu der Idee, dass Maria, Tochter des Maurikios, Chosrau II. geheiratet habe, siehe die Arbeit Panaino 2006. Zur Frage nach der Bruder- und Sohnanrede Maksymiuk 2018, 597f.
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14 Methoden III
I. adoptieren sollte. Beide Fälle sind, sollten sie so oder auch nur so ähnlich stattgefunden haben, fraglos Zeugnisse diplomatischen Austauschs und einer diplomatischen Methode, die darin besteht, sich auf Herrscherebene über die Herstellung rechtlich-familiärer Beziehungen die Sukzession eines Nachfolgers durch die andere Großmacht garantieren zu lassen. Die Hintergründe sind allerdings komplex. Prokop lässt die Archäologie der Perserkriege mit der Theodosius-YazdgardEpisode beginnen:3 Arcadius sorgt sich bei Nahen seines Todes (408) um den noch jungen Sohn Theodosius II. und das Reich. Würde dieser einen Mitregenten bekommen, so wäre der zugleich sein erster Feind und würde den wehrlosen Theodosius wohl ermorden. Würde man diesen aber zum Alleinherrscher bestimmen, würde er als wehrloses Kind ebenfalls schnell Anschlägen und Intrigen zum Opfer fallen. Er hat in Konstantinopel zudem keinen Verwandten, der sein Vormund sein könnte. Auch Honorius ist in Anbetracht der italischen Verhältnisse nicht in der Lage, eine Stütze des jungen Theodosius zu sein. Zudem ist zu befürchten, dass das Sasanidenreich die Situation für einen Angriff nutzen könnte. Arcadius kommt in Anbetracht dieser Situation auf eine nach Prokops Meinung außerordentlich gute Idee, die er in seinem Testament niederlegt: Theodosius soll sein Nachfolger, Yazdgard aber dessen ἐπίτροπος sein. Der Großkönig soll das Kaisertum des Jungen durch die Fährnisse führen. Der als ritterlich geltende Yazdgard beweist Edelmut und erfüllt diese Pflicht. Er hält Frieden und schreibt an den Senat: Er sei bereit, ἐπίτροπος zu sein und werde den bekriegen, der Theodosius angreift. Diese Episode hat in der Forschung große Diskussionen über ihren Wahrheitsgehalt ausgelöst.4 Als Argumente gegen ihre Richtigkeit werden vor allem angeführt: Ein Kaiser stehe sui iuris und benötige daher weder einen Vormund noch könne er überhaupt einen solchen haben, denn ἐπίτροπος bedeute nichts anderes als einen Vormund. Zudem habe Theodosius schon zu Lebzeiten seines Va-
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Prok. Bell. 1,2,1–10. Unter verschiedener Wertung dessen, was ἐπίτροπος im konkreten Zusammenhang bedeutet, sprechen sich für die Korrektheit der Episode z. B. aus Haury 1906, 291–294 (in Auseinandersetzung mit Sauerbrei 1905); Ensslin 1928, 408; Vasiliev 1950, 265; Verosta 1964, 555; Cajas 1972, 71f.; Rubin 1986a, 689, Anm. 1; Rubin 1986b, 34; Claude 1989, 49, Anm. 92 mit Forschungsüberblick; so auch Greatrex 2008, 86; Liebeschuetz 1990, 127; Greatrex / Lieu 2002, 32; Shahbazi 2003b; Haarer 2006, 48; Daryaee 2009, 22; vgl. Lee 1991, 374, Anm. 49; Greatrex 1993, 1; Mazza 2004, 46f.; Maas 2016, 177; Labas 2018, 145. Dagegen: Sauerbrei 1905, 97; Güterbock 1906, 27f.; Cameron 1969/70, 149; Heil 2006, 172. Frye 1984, 319, stellt fest, dass die Szene nicht wahr sein muss, aber doch spätere Praktiken vorwegnimmt; vgl. Fisher 2004, 52, Anm. 3 etwas negativer. Winter 1987, 65, sieht zumindest die Vormundschaft als Legende. Eine amicitia Yazdgards und Arcadiusʼ soll es gegeben haben. Greatrex 1998, 13, stellt fest, dass in dieser Zeit zwischen den beiden Mächten jedenfalls enge Kontakte bestanden haben, selbst wenn die konkrete Episode erfunden sein sollte. Blockley 1992, 52, glaubt bei aller Unsicherheit zumindest an einen der Episode zugrundeliegenden Versuch; Börm 2007, 310f., an einen – wie auch immer gearteten – wahren Kern.
14.1 Das Verhältnis Yazdgard I. – Theodosius II.
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ters den Status eines Mitregenten innegehabt.5 In diesem Zusammenhang wurde auch darauf hingewiesen, dass Theodosius beim Tod seines Vaters 408 kein Säugling mehr war, sondern ein zur Artikulation seines Willens fähiges Kind und nur bei einem Säugling ein solches Verhalten nachvollziehbar wäre, da dieser jenseits aller rechtlichen Bestimmungen zwangsläufig jemandem benötigt, um Entscheidungen für ihn zu treffen.6 Auch die Überlieferungsgeschichte wird gegen die Wahrheit der Episode angeführt: Bereits Agathias äußert sich dazu und stellt fest, dass es ihm trotz all seiner Recherchen nicht möglich war, einen Parallelbericht zu finden.7 Nur Prokop überliefere die Episode. Die zahlreichen späteren byzantinischen Autoren, die sich nach Agathias über das Geschehen äußern, seien von Prokop abhängig und daher zu vernachlässigen, die Abwesenheit der Episode in zeitgenössischen Quellen8 aber ein Indiz für eine spätere Erfindung. Die Argumente, die in der Forschung für die Korrektheit der Episode angeführt werden, belaufen sich letztlich darauf, im Zweifelsfall Prokop zu glauben, da das Geschehen schließlich nicht unmöglich sei.9 Es wird also dem Prinzip gefolgt, dass in Abwesenheit von Parallelquellen im Zweifelsfall einem Quellenbericht Glauben zu schenken ist, da man sonst an jeder singulären Überlieferung zweifeln müsste. Außerdem hätten sich die römisch-sasanidischen Beziehungen dieser Zeit auf einem Höhepunkt der Verständigung befunden, was auch den Kontext der Episode plausibel erscheinen lassen würde.10 Erstaunlicherweise ist noch nicht die nächstliegende Frage als Ansatzpunkt zur Bewertung der Episode gewählt worden: War diese vor dem Hintergrund dessen, was wir über das römisch-persische Verhältnis wissen, sinnvoll und praktikabel? Prokop selbst beantwortet diese Frage, da er aus seiner Perspektive zu dem Schluss kommt, die Idee des Arcadius sei geradezu genial gewesen – und zwar in einem solchen Maße, dass sie dem politisch mehr oder weniger ungeschickten Arcadius eigentlich gar nicht zuzutrauen war und vielmehr gute Berater oder so5 6
Diese Argumente als typisch für Gegner der Korrektheit dieser Episode bei Pieler 1972, 410. Vgl. Börm 2009, 309. Aus ähnlichen Gründen setzt Maas 2016, die Berufung des Yazdgard als Beschützer auf das Jahr 402. 7 Agath. hist. 4, 26, 3–7. 8 So Heil 2006, 172, unter besonderer Berufung auf die Abwesenheit der Episode bei Sokrates Scholastikos. Schon Sauerbrei 1905, 97, dachte so. Laut Greatrex 2008, 86, das stärkste Argument gegen die Korrektheit der Episode. 9 Vgl. Haury 1906, 292f.; Greatrex 1994, 25, 36, stellt fest, dass die sententia communis sich langsam in Richtung der Glaubwürdigkeit der Episode verschiebe. 10 Man denke an den Vertrag von 408/9 bei Soz. hist. eccl. 9,4,1, der auch bei Socr. hist. eccl. 7,8 angedeutet sein und durch CJ 4,63,4, nahegelegt wird; vgl. Nikeph. Call. 14,1; Güterbock 1906, 74f., 78f.; Cajas 1972, 72; Greatrex 1994, 25, 36, Anm. 32; vgl. Sauerbrei 1905, 107; Liebeschuetz 1990, 128; Blockley 1992, 48; Greatrex 1993, 1. In Verbindung mit dem Beschützerstatus bringen ihn Greatrex/Lieu 2002, 33. Noch die syrische Chronik von 724, p. 137 [ed. Brooks], erwähnt Yazdgard in besonders lobender Weise, da er viele Gefangene in ihre Heimat entlassen habe.
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gar Gott ihm geholfen haben werden. Sie habe sowohl die Herrschaft des Theodosius als auch das Reich mühelos gerettet.11 Dieses Urteil wiegt schwer, hat es doch ein Historiker und Jurist gefällt, für den das römisch-persische Verhältnis nicht nur ein Hauptthema sowohl seiner historiographischen als auch beruflichen Tätigkeit war, sondern darüber hinaus auch jemand, der unter Belisar erleben konnte, wie sich die praktische Gestaltung von Diplomatie abspielte. Er war somit gerüstet, über römisch-sasanidische Diplomatie in Gegenwart und Vergangenheit Urteile abzugeben. Die Frage ist nun, worin genau diese Genialität bestanden haben soll. Vor dem Hintergrund der drei ermittelten Strukturen des diplomatischen Verhältnisses – angenommenem militärischen Gleichgewicht, Gleichrangigkeit und religiöser Neutralität – lässt sich dies erklären. Zunächst gilt es festzuhalten, dass der Begriff des ἐπίτροπος nicht zwangsläufig auf einen Vormund im strengen rechtlichen Sinne eingegrenzt werden muss, hat er doch ein weiteres Bedeutungsspektrum von „Aufseher, Statthalter, Verwalter“.12 Die ἐπιτροπή ist neben der Vormundschaft und dem Schiedsrichteramt auch generell das Überlassen, die Vollmacht, das Anheimstellen der Entscheidung. Wenn der Jurist Prokop das rechtlich spezifische Vormundschaftsverhältnis gemeint hätte, fragt sich, ob er sich nicht eindeutigerer Ausdrücke bedient hätte, vor denen er sonst nicht zurückschreckt, wenn es der Präzision des Ausdrucks dient.13 Agathias benutzt in seinem Blick auf die Szene Prokops andere Begrifflichkeiten.14 Es wird sich um ein juristisch nicht exakt zu fassendes Verhältnis gehandelt haben,15 das jenseits rechtlicher Bestimmungen stand und diese letztlich auch überhaupt nicht tangieren musste. Dies hatte auch nichts mit dem speziellen Zustand des Kaisers sui iuris und der Mitregentschaft des Theodosius zu Lebzeiten
11 Prok. Bell. 1,2,6. 12 Den Sprachgebrauch analysiert in diesem Sinne Pieler 1972, 402–408, auch Bezug nehmend auf die von Kawadh gewünschte Adoption Chosraus durch Justin. Selbst in juristischen Zusammenhängen war die Bedeutung des Terminus ἐπίτροπος in dieser Zeit aufgeweicht, und konnte zum Beispiel auch „Testamentsvollstrecker“ bedeuten. Nur im klassischen juristischen Sprachgebrauch wurde tutela mit ἐπιτροπή übersetzt, nachklassisch steht ἐπίτροπος für curator, wobei in dieser Zeit der Unterschied zwischen curator und tutor bereits verloren gegangen war, ebd. 415f. Vgl. Greatrex 1994, 36; vgl. Christensen 1925, 119; Frye 1984, 319. Maas 2016, 176–180, schreibt konsequent von guardianship und vermeidet eine Bewertung unter Verweis auf die Diskussion. 13 Rubin 1954, 32f. 14 Agath. hist. 4,26,3. Er verwendet die Begriffe φύλαξ und κηδεµών. Pieler 1972, 411f., nimmt an, dass dieser andere Sprachgebrauch vielleicht das Gewissen des Juristen Agathias beruhigen sollte. Prokop war allerdings auch Jurist. 15 Canepa 2009, 126; vgl. Pieler 1972, 409f.; Greatrex 1994, 37.
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seines Vaters zu tun.16 Yazdgard sollte nach dem Willen des Arcadius schlicht jener sein, der auf Theodosius II. im wahrsten Sinne des Wortes aufpasste, also Acht darauf geben würde, was mit diesem geschehe und wie es ihm ergehe. Er sollte der Garant der Sukzession und Sicherheit des gefährdeten Thronfolgers sein.17 Dieses Arrangement ist von großem politischen Vorteil für beide Seiten: Arcadius ist es gelungen, den Garanten der theodosianischen Sukzession aus der Atmosphäre des byzantinischen Hofes und generell der römischen Politik herauszuhalten. Yazdgard ist unabhängig von allen römischen Kreisen, Interessengruppen und sonstigen Einflüssen. Ob die Gefahr für die Herrschaft des Theodosius vom Militär, vom Senat, Interessengruppen des Hofes, von fremden Söldnern oder einem anderen Element der römischen Politik ausgehen mag: sie alle werden im Fall der Usurpation den mächtigen Yazdgard gegen sich aufbringen. Die einzige Chance eines Usurpators besteht darin, mit Duldung Yazdgards zu handeln, diesen also Theodosius abspenstig zu machen – aber das ist höchst unwahrscheinlich, da es zum einen einen Treuebruch Yazdgards bedeuten würde, der ihn das Gesicht vor den eigenen Leuten verlieren ließe, zum anderen aber auch, da dies die Eignung eines Usurpators aus römischer Sicht in Frage stellen würde, insofern er als ein Herrscher von sasanidischen Gnaden erschiene. Die Beschützerrolle des Yazdgard sorgt dafür, dass jeder Usurpator damit rechnen musste, am naturgemäß konsolidierungsbedürftigen Beginn seiner Herrschaft automatisch einen Perserkrieg führen zu müssen. Umgekehrt sichert eine stabile Herrschaft des jungen Theodosius auch ein friedliches Verhältnis des Imperiums zum Sasanidenreich, da sich Yazdgard zumindest nicht ohne schwerwiegende Gründe und Inkaufnahme eines Ansehensverlustes unter den Seinen gegen jenen wenden würde, den er behüten soll und Theodosius umgekehrt ebenfalls eine gewisse pietas an seinen Beschützer bindet. Zudem bietet der Großkönig als Beschützer die einzigartige Chance, den nebst dem Kaiser mächtigsten Menschen der bekannten Welt für diese Rolle zu gewinnen, der trotz seiner enormen Macht nicht die Möglichkeit hat, selbst zum Usurpator des römischen Kaisertums zu werden.18 Aus Sicht des Arcadius war die Idee der Beschützerrolle des Yazdgard somit sowohl für die theodosianische Sukzession als auch den römisch-sasanidischen Frieden und damit das Wohlergehen des Imperiums ein nachvollziehbarer Gedanke. Yazdgard wäre darauf aber wohl kaum eingegangen, wenn es nicht auch für ihn und das Sasanidenreich große Vorteile gebracht hätte. Er befand sich in einer Situation, da er durch Verträge an Rom gebunden war und daher auch im Fall römischer Schwäche nicht die Möglichkeit hatte, durch einen schnellen Einfall ins Imperium Prestige und Beute zu gewinnen, ohne als Vertragsbrecher sogleich 16 Pieler 1972, 419f.; Börm 2007, 309. Bei Blockley 1992, 52, wird auch auf das Verhältnis zwischen Stilicho und Honorius verwiesen; vgl. Börm 2007, 310, Anm. 7. 17 Vgl. Haury 1906, 293f.; Verosta 1964, 555; Pieler 1972, 420; Greatrex 1994, 36f. 18 Dieses Argument betont Maas 2016, 179f.
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wieder Prestige einzubüßen. Eine willkürliche militärische Aktion gegen Rom, soviel Nutzen sie zuweilen versprechen mochte, hätte automatisch das künftige sasanidisch-römische Verhältnis schwer belastet, da sie einen Vertragsbruch der persischen Seite bedeutete. Dies hätte auch ein Handeln gegen Eide und damit gegen göttliche Mächte bedeuten können. Mit der Beschützerrolle aber erhielt Yazdgard geradezu einen Freibrief, in der für ihn günstigsten Situation mit aller Kraft tätig zu werden. Ein Umsturz der theodosianischen Dynastie würde zwangsläufig zu innerrömischen Unruhen führen, vielleicht sogar zu einem Bürgerkrieg, und zwangsläufig zu einer anfangs wenig konsolidierten Herrschaft. Diese Situation wäre geeignet für einen persischen Einfall, sei es mit dem Ziel, Ruhm und Beute zu erwerben, vor allem aber auch, eine Vertragsrevision durchzuführen oder anderweitig Vorteile von dem geschwächten Imperium zu erlangen. Wenn Yazdgard in einem solchen Fall angriffe, handelte er nicht mehr gegen Verträge, sondern käme im Gegenteil seinen Pflichten als Beschützer nach, folgte den Erwartungen der pietas und führte damit einen durchaus gerechten Krieg. Auf persischer wie römischer Seite wäre dies deutlich und im Friedensvertrag hätte eindeutig Yazdgard die Oberhand, nicht nur der momentanen römischen Schwäche wegen, sondern da er auch aus römischer Sicht rechtlich solide Argumente hat, denen sich die römische Seite nicht verschließen kann. Yazdgard wäre nur dem Wunsch eines römischen Kaisers und damit römischem Interesse als Hüter des Theodosius nachgekommen. Yazdgard wird von Arcadius also ein gerechter Krieg in dem Moment zugesichert, da ein solcher für ihn am günstigsten wäre.19 Es ist naheliegend, dass Yazdgard den Senat und damit nicht nur die zentrale politische Instanz, sondern auch jenes Gremium kontaktiert haben wird, in dem besonders viele Kandidaten für eine künftige Usurpation versammelt waren, um ihn von seiner Rolle und deren Konsequenzen in Kenntnis zu setzen. Umgekehrt gewährt die Beschützerrolle aber auch Frieden, wenn er aus sasanidischer Sicht wünschenswert ist, denn in Zeiten römischer Stabilität, wie in der Herrschaft des Theodosius, kann ein Krieg für die Sasaniden nicht wünschenswert sein. Der junge Theodosius ist wohl aus persischer Sicht im Vergleich zu einem ambitionierten, kriegerischen und unberechenbaren Usurpator der bessere Partner.20
19 Es ist bemerkenswert, wenn es bei Liebeschuetz 1990, 127, heißt: „In 1 May 408 the emperor Arcadius dies. Immediately the king of Persia appears to have threatened war if anyone should prevent the succession of Arcadiusʼ son the infant Theodosius. This may have been a demonstration of monarchial solidarity, but it was also a threat of military intervention by Persia in the internal affairs of the Empire.“ Die Nachricht des Yazdgard war nicht etwa neben der Äußerung monarchischer Solidarität auch eine Drohung des militärischen Eingreifens in innerrömische Angelegenheiten, vielmehr war diese Drohung nichts anderes als die Äußerung monarchischer Solidarität. 20 Zu diesem Gedanken vgl. Haury 1906, 294.
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Die Idee des Arcadius ist somit ein für beide Seiten sehr positives Arrangement, das etliche Vorteile verspricht und das sich mit Prokop durchaus als sehr kluge politische Entscheidung auffassen lässt.21 Diese Auffassung setzt aber wiederum die drei ermittelten Strukturen voraus, um ihre Wirkung entfalten zu können: Wenn man nicht davon ausgegangen wäre, dass Rom und das Sasanidenreich militärisch ebenbürtig waren, wäre die Idee der Beschützerrolle in jedem Falle töricht gewesen: Wenn Rom wesentlich stärker war, warum sollte man sich dann von dem schwächeren Sasanidenkönig die Sukzession garantieren lassen? Unter Umständen würde das einen Usurpator gerade zur Handlung reizen, denn so hätte er in den instabilen ersten Zeiten seiner Regierung eine Chance, mit einem Krieg gegen einen schwächeren Gegner, den er wohl ohne große Risiken gewinnen könnte, nötiges innenpolitisches Prestige zu gewinnen und sein Umfeld gegen einen auswärtigen Feind zusammenzuschweißen. Wäre Rom als den Sasaniden unterlegen begriffen worden, wäre es töricht gewesen, dem stärkeren Feind ein solches Einfallstor zu bieten, damit er geradezu unter dem Schutz römischer Bestimmungen einen Krieg gegen das Imperium hätte führen dürfen. Vielleicht hätte der stärkere Herrscher daraus in freier Interpretation seiner Rolle auch eine Herrscherrolle im Imperium abgeleitet. Wenn sich auf der anderen Seite der Sasanidenkönig als Herr einer deutlich stärkeren Macht begriffen hätte, hätte es nicht der Beschützerrolle bedurft. Er würde dann sowieso in Siegesgewissheit einen Krieg beginnen, wenn es ihm opportun erschiene. Hätte sich der Sasanidenkönig als Herr einer Rom unterlegenen Macht verstanden, hätte er wohl ebenfalls keine Beschützerrolle angenommen, denn diese zwang ihn im schlimmsten Fall in einen für ihn unvorteilhaften Konflikt mit einem stärkeren Gegner. Der stabile Frieden hinge dann nicht von ihm, sondern nur von den römischen Verhältnissen ab. Egal welche der Seiten als stärker begriffen wurde: wenn ein Ungleichgewicht bestanden hätte, wäre die Beschützerrolle ein Funke gewesen, an dem sich leicht ein Krieg hätte entzünden können, der die schwächere Seite in einen Krieg mit der stärkeren gebracht hätte. Somit wäre sie kein Friedensgarant. Einleuchtend und naheliegend ist die Idee nur, wenn man eine militärische Ebenbürtigkeit ansetzt. Gleiches gilt für die sich gegenseitig zugestandene Gleichrangigkeit. Ohne einen Kontakt auf Augenhöhe ist das ganze Ansinnen des Arcadius hinfällig, denn es setzt voraus, dass eine Verständigung mit der anderen Seite möglich ist, ohne dass diese daraus falsche Schlüsse zieht und falsche Ansprüche ableitet. Arcadius musste wissen, dass Yazdgard nicht in Zukunft behaupten würde, er habe mit der Beschützerrolle auch eine höhere diplomatische Stellung zugestanden bekommen, denn der Beschützer musste schließlich mächtiger sein und höher stehen als der Beschützte, sonst würde man ihn nicht als Beschützer in Betracht ziehen. Es wird 21 Die Episode ist also durchaus nicht, „undoubtedly the most striking example of international confidence in Late Antiquity“, wie bei Whitby 2008, 135, angenommen.
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vorausgesetzt, dass beide die Interessen und Vorteile des anderen kennen und nachvollziehen können und man dieses Verständnis durch ein kontinuierliches Band der diplomatischen Kommunikation wahren wird. Ohne diese Voraussetzungen wären schweren diplomatischen Konflikten in der Zukunft Tür und Tor geöffnet. Es kam aber nicht zu solchen Verwicklungen, sondern vielmehr bis Anfang der 420iger und damit kurz vor dem Tod Yazdgards zu einem langen Frieden, der seinen Grund nicht zuletzt darin gehabt haben dürfte, dass sich beide Seiten dessen bewusst waren. Auch die dritte Struktur, die religiöse Neutralität, ist konstituierend für das Funktionieren der Beschützerrolle, denn beide Seiten vertrauen den Werten der anderen, auch wenn sie religiös anders fundiert sind, soweit, dass sich eine solche Beziehung darauf aufbauen lässt. Es wird, wie auch in Verträgen, davon ausgegangen, dass Yazdgard sein Wort halten und ein Beschützer des Theodosius im römischen Sinne sein wird, auch wenn er Zoroastrier und kein Christ ist. Umgekehrt nimmt Yazdgard die Rolle an, auch wenn Theodosius kein Zoroastrier ist. Der gegenseitige Vorteil wiegt schwerer als eventuelle religiöse Vorbehalte. Wenn Herrscher verschiedenen Glaubens symbolisch aufgeladene Brüder sein können, ist auch eine Beschützerrolle über den Glauben hinweg denkbar.22 Es lässt sich also festhalten, dass sich Prokops Urteil über die Genialität der Idee des Arcadius vor dem Hintergrund der drei Strukturen verstehen und bestätigen lässt. In Anbetracht dieser Gegebenheiten war das Handeln des Arcadius in der Tat von politischem Weitblick, großem Einfallsreichtum und sowohl im Interesse des Reiches als auch der Dynastie, wie auch das Entgegenkommen des Yazdgard vor diesem Hintergrund vollkommen nachvollziehbar ist. Somit fügt sich die Episode sehr gut in die diplomatischen Strukturen der behandelten Zeit ein, was ein Indiz für die Authentizität des Beschützerverhältnisses ist. Auffallend ist auch, dass die Zeit der parallelen Regierung Theodosiusʼ II. und Yazdgards in der Tat bis kurz vor ihrem Ende friedlich verlief.23 Der Krieg am Anfang der 420iger Jahre wurde letztlich durch das einzige Konfliktpotential ausgelöst, das nicht durch Diskussion und Entgegenkommen zu beseitigen war und bei dem auch die Beschützerrolle versagte, da es sich um die Rolle der Herrscher als Schirmherren des eigenen Glaubens im anderen Reich handelte.24 Der Schutz des wahren Glaubens und der Rechtgläubigen wiegt schwerer als die Beziehungen einzelner Menschen. Yazdgards späteres iranisches Epitheton als „Sünder“ könnte auch ein Indiz für die Korrektheit sein, da er als besonders ungewöhnlicher und von den althergebrachten Wegen abweichender König charakterisiert wird, der sich auch gegen 22 Cajas 1972, 72. 23 Vgl. Greatrex 1994, 37f. 24 Vgl. Greatrex 1994, 25f. Laut Liebeschuetz 1990, 129, könnten auch andere Gründe beim Kriegsausbruch eine Rolle gespielt haben: „A less pious consideration may have been that a dynasty as unmilitary as the first and second generation of descendants of Theodosius had to demonstrate that the Empire could nevertheless win victories under its rule.“
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den zoroastrischen Klerus neue Verbündete suchte, was vor einem zoroastrischen Hintergrund sündhaft erscheinen musste.25 Als erster Sasanidenherrscher nimmt Yazdgard das Epitheton „Ramšahr“ – „der Frieden über das Land bringt“ in seine Münzlegenden auf.26 Auch dies könnte Ausdruck einer Gesinnung sein, die später die Beschützerrolle ermöglichte und diese besonders im Interesse des römischsasanidischen Friedens annahm. Daneben sprechen auch werkimmanente Indizien in den Bella Prokops für die Korrektheit der Episode: Warum sollte Prokop explizit schreiben, dass Yazdgard einen Brief an den Senat verfasste, obwohl diese Erwähnung inhaltlich nichts Neues beiträgt, wenn er nicht damit sagen wollte, dass dieser Brief seine Quelle (oder die explizit angegebene Quelle seiner Quelle) für das Geschehen war?27 Es ist vorstellbar, dass Prokop Zugang zu derlei Archivalien hatte. Zudem ist die Rolle des Geschehens im Werkganzen zu berücksichtigen. Die Episode ist das erste historische Ereignis, das Prokop (nach dem Proöm) überhaupt schildert, es ist sein Einstieg in die Darstellung der Kriege Justinians und ganz besonders der römischpersischen Kriege, deren Vorgeschichte er hier berichtet. Will man annehmen, dass er die Episode nur vom Hörensagen kannte oder sie sogar selbst erfand, bedeutet dies, er hätte sein in antiker Tradition einem erheblichen Wahrheitsanspruch verpflichtetes Geschichtswerk mit einer zweifelhaften Szene begonnen. Das im folgenden geschilderte römisch-persische Verhältnis würde auf einer Halbwahrheit, wenn nicht gar einer Erfindung fußen und die Episode wäre somit ein ungünstiger Anfang für ein solches Geschichtswerk. Es lässt sich sogar so interpretieren, dass Prokop an dieser Episode besonders viel lag, da sich an ihr demonstrieren ließ, wie positiv die römisch-sasanidischen Beziehungen einst waren, bis sie sich immer mehr verschlechterten und schließlich in den Kriegen Justinians einen Tiefpunkt erreichten. Den Antipol der Beschützerepisode bildet die gescheiterte Adoption Chosraus durch Justin I. in Prokops Tagen.28 So weit war es mit dem römisch-persischen Verhältnis gekommen; so tief war der Abstieg seit der Zeit des Theodosius und Yazdgard. Zur vollen Wirksamkeit dieser Antithesen
25 Der Beiname des Sünders (arabisch al-aṯīm, mitteliranisch bazahkar/bazahgar) etwa bei Hamza al-Isfahani 54, tr. Hoyland, S. 68, Anm. 220; at-Tabari 847. Zu diesem Beinamen allgemein Klíma 1957, 42; Rubin 1986a, 679; Rubin 1986b, 34; Schippmann 1990, 41; Blockley 1992, 49f., Russell 1992, 525; Wiesehöfer 1993, 381, Anm. 91; Shahbazi 2003a, 355; Shahbazi 2003b; Daryaee 2008a, 59f.; Daryaee 2009, 21; Wood 2012, 62; Patterson 2017, 189; Labas 2018, 145; ausführlich die Arbeit Mosig-Walburg 2009b. 26 Huyse 2006; 185; Daryaee 2009, 21; Mosig-Walburg 2009b, 261f.; vgl. Daryaee 2008b, 63. 27 Zum Prinzip im Fall gegenwärtiger Herrscherbriefe Prokops Colvin 2013, 584: „It would be perverse to suggest that he must have got these details from anywhere other than the letters themselves. Occamʼs razor insists we should reject the idea of an intermediate oral source.“ 28 Zu einer Beziehung der beiden Szenen vgl. Greatrex 1994, 273; Bardill/Greatrex 1996, 178; Börm 2007, 310. Siehe auch Kapitel 12.2 der vorliegenden Arbeit.
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ist es nötig, dass der Beschützerstatus des Yazdgard zumindest nach Prokops bestem Wissen und Gewissen wirklich vorhanden war.29 Die gegen die Szene sprechenden Indizien, gerade jene der Überlieferung, lassen sich entkräften: der Mangel an zeitgenössischen Quellenbelegen ist damit zu erklären, dass die in Frage kommenden Quellen vor allem die Kirchengeschichtswerke des Sokrates Scholastikos, Sozomenos und Theodoret waren und somit Autoren, für welche die religiöse Neutralität der höchsten diplomatischen Ebene nicht galt. Es lief ihrem Darstellungsinteresse – demgemäß die theodosianische Dynastie durch ihre besondere Frömmigkeit und somit göttlichen Schutz entgegen aller Fährnisse an der Macht blieb30 – zuwider, ergänzen zu müssen, dass die Beschützerrolle eines ungläubigen Herrschers einen nicht geringen Beitrag dazu geleistet hatte.31 Da dieser Rolle, bedingt durch ihre besondere Natur, wahrscheinlich kein schriftlicher Vertrag zugrunde gelegen haben wird, ließ sie sich in den Kirchengeschichtswerken auch übergehen, denn dieses Abkommen konnte somit bei einer entsprechend freien Interpretation durch die drei Autoren nicht in gleichem Maße stichhaltig erscheinen wie andere römisch-sasanidische Verträge, es hatte wohl keine rechtliche Form und war damit für die Autoren, bei entsprechender Deutung cum ira et studio in Anbetracht des besonderen juristischen römischen Denkens, kein „richtiges“ Abkommen. Es ließ sich wegdiskutieren.32 Agathias, als späterer Zeuge der Tradition, glaubte durchaus nicht, dass Prokop Unrecht hatte. Ganz im Gegenteil stellt er fest, dass er zwar nirgendwo sonst diese Szene nachlesen konnte und nur als mündlich verbreitete Erzählung kennt, aber in Anbetracht der Belesenheit Prokops doch davon ausgeht, dass sein Bericht 29 Greatrex 1994, 272f., versucht die Korrektheit der Episode mit einem zusätzlichen werkimmanenten Umstand zu belegen: Er nimmt an, Prokop habe sein Geschichtswerk mit dieser Szene begonnen, da sie von keinem anderen Historiker erwähnt wurde. Dieser Gedanke ist spekulativ und berücksichtigt nicht die Rolle der Szene im Werkganzen (obwohl diese bei ebd. 273 angesprochen wird), aber bedenkenswert. 30 Es könnte in verlorenen Quellen auch Interpretationen gegeben haben, die es als besonderen Beleg theodosianischer Frömmigkeit werteten, dass Yazdgard seiner Beschützerrolle nachgekommen ist, in dem Sinne, dass Gottes Hilfe den Seinen alles möglich macht und sogar den heidnischen und feindlichen Perserkönig nicht nur von seiner Feindschaft gegen das christliche Imperium abbringt, sondern sogar zum Beschützer seines kaiserlichen Konkurrenten werden lässt. Ein Indiz dafür könnte die Idee bei Prok. Bell 1,2,6 sein, es hätten entweder kluge Berater Arcadius bei seiner Entscheidung geholfen, oder es handelte sich um göttliche Eingabe. Prokop pflegt für gewöhnlich nicht, Politiker unter göttlicher Inspiration agieren zu lassen. 31 Bardill/Greatrex 1996, 179; vgl. Haury 1906, 294; Greatrex 2008, 86. 32 Greatrex 1994, 35, hält für möglich, dass die Episode von den nach dem Krieg von 420 schreibenden Autoren nicht geschildert wurde, da diese zu einer Zeit schlechterer römischsasanidischer Beziehungen schrieben; vgl. Blockley 1992, 51; Greatrex/Lieu 2002, 32; Bardill/Greatrex 1996, 177f., führen das weiter aus: Den Autoren habe diese Episode nicht mehr in ihr Konzept gepasst, da sie die früheren römisch-sasanidischen Beziehungen vor dem Hintergrund der gegenwärtigen deuteten.
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korrekt gewesen ist.33 Das ist umso bemerkenswerter, als Agathias letztlich zugibt, die Genialität der Idee nicht zu verstehen und dazu einen Denkfehler anführt: Er glaubt, Prokop habe aus dem Frieden der Zeit des Theodosius und Yazdgard rückgeschlossen, dass Arcadius eine gute Idee hatte, obwohl es doch keine gute Idee sein konnte, seinen Sohn dem unbekannten, barbarischen und heidnischen Herrscher einer bitter verfeindeten Nation anzuvertrauen.34 Die Idee der bitter verfeindeten Nation kann Agathias aber nur aus den Erfahrungen seiner eigenen erschütterten Zeit (Abfassung des Werkes wohl um 580, also lange nach 561) haben, er urteilt also ebenso aus dem Späteren über das Frühere, wie er es Prokop vorwirft.35 Yazdgards Ehrlichkeit ist seiner Meinung nach lobenswerter als die Idee des Arcadius.36 Agathias ist sich aber seiner eigenen Unkenntnis in diesen Dingen immerhin bewusst,37 da er abschließend bemerkt, es müsste jeder Leser für sich anhand seiner eigenen Bewertungskriterien über die Episode entscheiden.38 Er stellt zudem fest, dass tatsächlich Frieden herrschte, solange Yazdgard lebte (was nicht korrekt ist), entweder aus Rücksichtnahme auf Theodosius und entsprechendem Pflichtgefühl oder anderer Umstände wegen.39 Ein interessantes Detail der Ausführungen des Agathias ist auch, dass er angibt, die Erzählung schriftlich zwar nur aus dem Geschichtswerk Prokops zu kennen, dass sie aber mündlich weit verbreitet und in verschiedenen gesellschaftli33 Agath. hist. 4,26,3f. Rubin 1954, 88; Bardill/Greatrex 1996, 178. Dies wird von Cameron 1969/70, 149, allerdings so gedeutet, dass Agathias Prokop widerlegen wollte. So auch McDonough 2008a, 131f.; vgl. Güterbock 1906, 28; dagegen Rubin 1957, 362; Börm 2007, 308, Anm. 3; vgl. Greatrex 2008, 86. 34 Agath. hist. 4,26,5–7. Maas 2016, 180. Zambarbieri 2017, 268, ordnet die Einschätzung des Agathias in den negativen und perserfeindlichen Impetus seines Exkurses über die Perserkönige ein. Zur perserfeindlichen Tendenz in den Exkursen des Agathias siehe auch Daryaee 2009, xix. 35 Vgl. Greatrex/Lieu 2002, 32. So bemerkt Maas 2016, dass für Agathias Religion ein wichtiger Faktor in der Einschätzung der Episode geworden ist, was auf eine Veränderung des römisch-persischen Verhältnisses zwischen der Zeit Prokops und Agathias und dessen klassizistischer Darstellung hindeuten könnte – oder schlicht eine andere Meinung des Agathias zeigt. Zum religiösen Einfluss auf das negative Perser- und das positivere Frankenbild des Agathias im Vergleich zu Prokop Greatrex 2018, 333f. McDonough 2011b, 57f., betont, dass Agathias perserfeindliche Haltung im konkreten Fall, aber auch generell unter den Autoren seiner Zeit eher die Ausnahme als die Regel gewesen sein wird und verweist auch auf die offizielle Sichtweise der herrscherlichen Brüderlichkeit. 36 Sauerbrei 1905, 92. 37 Vgl. Greatrex 1994, 35, der vorschlägt, dass die Unkenntnis des Agathias auch schlicht an der mangelhaften Recherche dieses Historikers gelegen haben könnte, vgl. Cameron 1969/70, 149; Bardill/Greatrex 1996, 178. 38 Agath. hist. 4,26,7: τούτων µὲν οὖν ἕνεκεν, ὥς πῃ ἕκαστος γνώµης τε καὶ ἀκριβείας ἔχοι, ὧδε κρινέτω. 39 Agath. hist. 4,26,8: ὁ δὲ Ἰσδιγέρδης εἴκοσι πρὸς τῷ ἑνὶ βασιλεύσας ἐνιαυτοὺς οὐδένα πώποτε κατὰ Ῥωµαίων ἤρατο πόλεµον οὐδὲ ἄλλο τι κατʼ αὐτῶν ἄχαρι ἔδρασεν‧ ἀλλὰ µεµένηκεν ἐς ἀεὶ εὔνους τε ὢν καὶ εἰρηναῖος, εἴτε οὕτω συµβάν, εἴτε καὶ ὡς ἀληθῶς φειδοῖ τοῦ παιδὸς καὶ τῶν κοινῶν τῆς κηδεµονίας νοµίµων.
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chen Kreisen im Umlauf sei.40 Es fragt sich, wie die weite Bekanntheit eines in der schriftlichen Überlieferung bis dahin offenbar nicht sehr beliebten Themas aus dem Beginn des 5. Jahrhunderts noch in der Zeit um 580, der Abfassungszeit der Historien des Agathias – oder zumindest zu dessen Lebzeiten – zu erklären ist. Die Korrektheit dieser Angabe wird durch den Umstand plausibilisiert, dass eine große Zahl späterer byzantinischer Historiker – gerade der Autoren populärer Geschichtswerke – die Episode ebenfalls berichtet und teils um Details bereichert, die nicht bei Prokop zu finden sind.41 So kommt vor allem das Element hinzu, Yazdgard habe in Erfüllung seiner Pflichten einen gewissen Antiochos an den byzantinischen Hof gesandt. Theophanes42 berichtet im frühen 9. Jahrhundert in seiner Chronik, dass die unsichere Stellung des jungen und schutzlosen Theodosius Arcadius bewogen habe, Yazdgard testamentarisch zu seinem Beschützer zu bestellen. Der habe dies akzeptiert und die Herrschaft des Thedosius bewahrt. Auch habe er Antiochos abgesandt und dem Senat brieflich mitgeteilt, dass dieser Mann ihn in seiner Beschützerstellung vertreten werde. Es möge niemand Ränke gegen das Kind spinnen, denn das würde Yazdgard zum Krieg zwingen. Antiochos sei bei Theodosius geblieben und habe sich auch für die Christen in Persien eingesetzt. Für die Verbreitung des Christentums im Sasanidenreich habe der Bischof Marutha als Mittelsmann fungiert.43 Ähnlich schreibt Georgios Kedrenos an der Wende vom 11. zum 12. Jahrhundert von der testamentarischen Bestimmung des Arcadius und erwähnt den von ihm gelobten Antiochos. Yazdgard habe an den Senat geschrieben und ihm mit unnachgiebigem Krieg gedroht, wenn Verrat an Theodosius begangen würde. So sei der Frieden gewahrt worden und zudem habe sich Antiochos für persische Christen eingesetzt und das Christentum hätte in Persien zugenommen. Es seien im Rahmen der Bestimmung des Arcadius auch 1.000 Pfund Gold an Yazdgard geflossen.44 Johannes Zonaras berichtet im 12. Jahrhundert neben den üblichen Details ebenfalls von Antiochos, der ein Eunuch gewesen sei.45 Außerhalb der griechischsprachigen Welt überliefert auch Bar Hebraeus im 13. Jahrhundert die Episode, wobei er das prokopische Schreiben an den Senat spiegelt, da er angibt, Yazdgard habe an alle edlen Römer geschrieben, wenn die40 41 42 43 44
Agath. hist. 4,26,4; McDonough 2011b, 58; Maas 2016, 177. Zu den Quellen auch Sauerbrei 1905, 91. Greatrex 1994, 37; Börm 2007, 310. Theophan. Conf. a. 5900 [p. 80 ed. de Boor]. Kedrenos, Historiarum Compendium 361,1f.; p. 586 [p. 575 ed. Tartaglia]. Blockley 1992, 52; Greatrex 1994, 36. Für Kedrenos ist Antiochos der ἐπίτροπος, was unabhängig von seinen Quellen wiederum keinen Vormund im juristischen Sinne bedeutet haben wird. 45 Zonar. 13,22 [p. 1184f. ed. Migne]. Bei Zonaras hat Antiochos die Funktionen des φύλαξ und κηδεµών inne, mit denen Agathias die Beschützerrolle des Yazdgard beschreibt. Von Antiochos ist auch weiterhin bei Zonar. 13,22 noch die Rede, allerdings nicht im Zusammenhang mit Theodosius.
14.1 Das Verhältnis Yazdgard I. – Theodosius II.
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se Verrat an dem jungen Theodosius begingen, würde ein endloser Krieg mit Yazdgard über sie hereinbrechen. Die Verbindung habe das Christentum in Persien gefördert und Marutha, der Bischof von Maiperkat, sei in dieser Angelegenheit Mittelsmann zwischen Sasaniden und Römern gewesen.46 Daneben erwähnt Bar Hebraeus einen namenlosen Beauftragten des Großkönigs, der wohl mit dem sonst Antiochos genannten zu identifizieren ist. Konstantin Manasses erwähnt in seiner Verschronik im 12. Jahrhundert ebenfalls die Kriegsdrohung des Yazdgard.47 Nikephoros Kallistos gibt im 14. Jahrhundert an, Theodosius sei zum Zeitpunkt der Handlung acht Jahre alt gewesen. Antiochos wird erwähnt und ein Brief wörtlich zitiert, in dem Yazdgard dem Senat im Verratsfall mit einem unnachgiebigen Krieg droht. So sei der Frieden gesichert worden. Antiochosʼ Tätigkeit wird noch ausgeschmückt, er habe sich pädagogisch um Theodosius gekümmert und sei nach vier Jahren wieder abgereist. Auch wird ein Friedensschluss zwischen den Mächten erwähnt.48 Alle diese Berichte ähneln sich mehr oder weniger stark in ihren Grundzügen, gehen aber in Details über Prokop hinaus.49 Es fragt sich, wie der Name des Antiochos in die Überlieferung eingedrungen sein sollte, wenn kein wahrer Kern (und wahrscheinlich eine frühe Quelle) hinter ihm stünde.50 Es entsteht durchaus der 46 Bar Hebraeus 8, 69. Zu Marutha siehe auch Kapitel 17.2 der vorliegenden Arbeit; vgl. Cajas 1972, 73; Blockley 1992, 48f.; Hartmann 2007, 81. 47 Konstantin Manasses, Compendium Chronicum 52f. [p. 316, V. 4–17 ed. Migne]. 48 Nikephoros Kallistos, hist. eccl. 14,1 [p. 1057 ed. Migne]. Es fällt auf, dass erst Theophanes (wie später Nikephoros Kallistos), mit dem Begriff curator das Verhältnis Yazdgards zu Theodosius in einen eindeutigen Terminus des römischen Rechts bringt, da dieses lateinische Lehnwort im Gegensatz zum griechischen ἐπίτροπος keine alltagssprachliche griechische Bedeutung hat. Der Gebrauch von curator statt tutor ist nachklassisch, Pieler 1972, 415f. Daraus lässt sich zwar nichts über den 400 Jahre älteren Vorgang ableiten, wohl aber über das Verständnis des Theophanes, der (bzw. dessen Quelle) eindeutig eine juristische Vormundschaft darin erkannte. 49 Sauerbrei 1905, 93f. Es wird im Folgenden eine allen – inklusive Prokop – gemeinsame schriftliche Quelle postuliert. 50 Pieler 1972, 409f.; vgl. Greatrex 1994, 35f., mit mutmaßlichen Quellen, auch Greatrex 2008, 87; vgl. Börm 2007, 310. In der Arbeit Bardill/Greatrex 1996, wird ausführlich versucht, die Historizität dieses Antiochos durch Identifikation mit einer gleichnamigen Person zu plausibilisieren. Dazu ist eine Vordatierung um einige Jahre nötig; vgl. Greatrex 2008, 86. Vgl. Scholten 1995, 228–230 Für Identität der beiden Hartmann 2007, 73f., Literaturschau ebd. Anm. 72; vgl. Börm 2010, 178; gegen Identität Heil 2006, 170–173. Zu Antiochos siehe auch Verosta 1964, 555; Frye 1984, 319. Bei Ioh. Mal. 14, 15, wird dieser Antiochos erwähnt, ein praepositus, patricius und cubicularius, der für Theodosius die Staatsgeschäfte verwaltet habe, bis dieser dagegen als Erwachsener aufbegehrt und Antiochos in den geistlichen Stand versetzt habe. Zusammengefasst ließe sich die historische Situation vielleicht so auffassen: Antiochos (PLRE II, Antiochus 5, S. 101f.) kam wohl schon zu Lebzeiten des Arcadius nach Konstantinopel (um 400), wurde also nicht erst 408 an den Kaiserhof geschickt. Vermutlich wurde der Hofeunuch von Arcadius testamentarisch zum Erzieher des Theodosius eingesetzt; die
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14 Methoden III
Eindruck, dass der Tradition ein bemerkenswertes historisches Ereignis zugrunde liegt, das so einprägsam war, dass es seine Spuren auch in der von Agathias erwähnten mündlichen Überlieferung hinterlassen hat und dem die späteren Autoren großes Interesse entgegenbrachten.51 Ein Indiz für diese mündliche Überlieferung könnte auch die Erwähnung der Episode im 10. Jahrhundert bei Hamza al-Isfahani sein, der den Namen des Bevollmächtigten des Yazdgard mit Sharwin Barniyan angibt, der zwanzig Jahre in diesem Auftrag gewirkt und anschließend die Stadt Bahsirwan/Bajarwan gegründet habe.52 Da eine der Quellen Hamzas beim Verfassen seines Werkes ein alter griechischprachiger Mann war, dessen Erzählungen mittels seines arabischsprachigen Sohnes dem Autor verdolmetscht wurden,53 lässt sich denken, dass die in Frage stehende Episode eines der Details war, das Hamza von dem Griechen erfahren hat, da er sie später, als er eine Königsliste samt kurzer Charakterisierung der persischen Herrscher auf Basis schriftlicher persischer Quellen bietet, nicht erwähnt oder auch nur andeutet.54 Es wirkt also, als sei die Episode in der mündlichen griechischen Überlieferung noch verfügbar gewesen, nicht aber in der schriftlichen persischen. In Anbetracht dessen, dass die Beschützerrolle des Yazdgard den römischen Zeitgenossen wohl kaum öffentlich groß herausgestellt worden sein wird, um nicht den persischen Einfluss zu stark zu betonen und auch das Leben der einfachen Menschen von diesem Ereignis nicht entscheidend geprägt wurde, fragt sich,
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späteren Quellen stellten dann eine irrige Verknüpfung zwischen der Beschützerrolle Yazdgards und der Tutorschaft des persischen Eunuchen her. Ob Antiochos um 400 vom Perserkönig nach Konstantinopel gesandt wurde, bleibt ungewiss. Er dürfte wohl eher aus den Diensten des persischen Generals Narses (Syn. ep. 110, um 404 verfaßt; PLRE II, Narses 1, S. 772f.) an den Kaiserhof gewechselt haben. Nach Scholten 1995, 229, sandte ihn Yazdgard als Tutor für Theodosius zu Arcadius. Antiochos habe vielleicht zuvor Yazdgard als Kämmerer gedient; ähnlich auch Blockley 1992, 52 (um 400). Laut Greatrex/Bardill 1996, 171–173, kam Antiochos im Zuge einer Übereinkunft über die Vormundschaft Yazdgards um 402/03 nach Constantinopel. Nach der PLRE II, Antiochus 5, S. 101f., bestätigte Yazdgard 408 lediglich die von Arcadius festgelegte Erzieherfunktion des Antiochos für Theodosius. Heil 2006, 170–173, bezweifelt dagegen die persische Herkunft des Antiochos, Synesius spreche eher vom comes und castrensis sacri palatii Narses (PLRE II, Narses 2, S. 773); Cod. Theod. 6, 32, 1, von 416, nicht von einem persischen General; die Entsendung durch den Perserkönig sei eine Erfindung. Pulcheria entband Antiochos wohl 413/14 von seinem Erzieherposten (Theophan. Conf. a. 5905, zu 412/13; Cedr. I p. 589,11–13 u. 21–22); Sturz durch Theodosius II.: nach Ioh. Mal. um 455; Theophan. Conf. a. 5936 (im Jahr 443/44); Cedr. I; p. 600 [p. 587 ed. Tartaglia] (im Jahr 444); Zon. 13,22,14–16 (nach Theodosiusʼ Hochzeit mit Eudokia). Das genaue Datum ist ungewiß: kurz nach 421 (laut Zon.), so PLRE u. Scholten 1995, 229f., (primicerius sacri cubiculi 414–419/20), oder erst 439, so Greatrex/Bardill 1996, 180–183. Der Verfasser der vorliegenden Arbeit dankt Herrn Udo Hartmann für entsprechende Hinweise. Vgl. dagegen Cameron 1969/70, 149. Hamza al-Isfahani 18f. (Übers. Hoyland). Hoyland 2018, 25. Hamza al-Isfahani 29, 54.
14.1 Das Verhältnis Yazdgard I. – Theodosius II.
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was den Reiz dieser Geschichte ausmachte, der sie in der mündlichen Überlieferung so lange lebendig erhielt und noch spätere Autoren anzog. Die literarische Attraktivität des Erzählstoffes liegt auf der Hand, weist doch die Episode einen ausgesprochenen Novellencharakter auf, indem sie von einem außerordentlichen Ereignis berichtet. Die Idee des Arcadius, die schon unter den Bedingungen ihrer Zeit außergewöhnlich und unkonventionell ist, musste vor dem Hintergrund späterer Zeiten, da sich Rom und Persien weit feindlicher gegenüberstanden, umso erstaunlicher und außergewöhnlicher erscheinen. Dies reizte, eine solche Geschichte weiterzuerzählen, zumal sie auch einen aitiologischen Charakter besitzt: So kam es, dass lange Zeit Frieden zwischen den Reichen herrschte. Auch der Topos des weisen orientalischen Herrschers wird durch Yazdgard in dieser Erzählung bedient. Zudem war die Frage nach der kaiserlichen Nachfolge im Imperium stets relevant, da sie nicht von selbst durch eine feste Regelung entstand, sondern sich jeder Kaiser erneut darum bemühen musste, was auch zum Weitererzählen der Episode in entsprechenden Situationen beigetragen haben könnte. Fragt man sich, wie die Jahre zwischen dem Ereignis und Agathias in der Überlieferung überbrückt wurden, da sich das römisch-persische Verhältnis zumindest 150 Jahre lang nicht grundlegend änderte, so ist auch zu bedenken, dass es der zweite Fall eines derartigen herrscherlichen Kontaktes, den Prokop schildert – das Adoptionsgesuch Kawadhs an Justin I. – gewesen sein könnte, der die Beschützerrolle des Yazdgard wieder in Erinnerung brachte, da dieses ungewöhnliche Ansinnen Kawadhs selbst den politisch weniger Interessierten angeregt haben könnte, sich zu fragen, ob es dergleichen schon einmal gegeben habe.55 Die naheliegende Parallele, die wohl auch Prokop im ersten Buch der Bella mit der Anordnung der Episoden ziehen will, ist jene zur Beschützerrolle des Yazdgard reichlich hundert Jahre zuvor. Beide Vorkommnisse waren außergewöhnlich und das jüngere könnte zur erneuten Verbreitung des älteren beigetragen haben. Fragt man nach schriftlichen Quellen der späteren byzantinischen Autoren, fallen zumindest zwei Elemente auf, die für solche sprechen, die über Prokop hinausgehen: die besondere Bedeutung des Antiochos und die mehrmals zu findende Angabe, das Christentum in Persien habe von diesem Verhältnis profitiert. Letzteres klingt nach einer Quelle mit kirchengeschichtlichem Fokus. Wie dem auch gewesen sein mag, so ist in jedem Fall unwahrscheinlich, dass es sich bei der Episode um eine bloße Erfindung gehandelt hat. Sie hinterlässt vielmehr den Eindruck eines rechtlich formlosen, aber moralisch bindenden Beschützerverhältnisses Yazdgards zu Theodosius, das große Vorteile für beide Herrscher und ihre Reiche versprach.
55 Bei Heil 2006, 173, wird es umgekehrt gesehen: Die Episode um Yazdgard und Theodosius sei eine Rückprojektion der Angelegenheit Kawadhs und Justins. Claude 1989, 33f., nimmt zumindest an, dass die Yazdgard-Theodosius-Szene eine Art Präzedenzfall für den Fall von Justin und Chosrau hätte sein können.
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Seine Vorzüge werden noch deutlicher, wenn sie mit der anderen Episode Prokops zu einem vergleichbaren Thema in Beziehung gesetzt werden – dem Adoptionsgesuch Kawadhs.56 14.2 DAS VERHÄLTNIS JUSTIN I. – CHOSRAU I. Die Szene um den Adoptionswunsch Kawadhs bezüglich Justin und Chosrau ist stärker ausgestaltet und offenbar verfügte Prokop zu diesem Ereignis seiner eigenen Lebenszeit über umfangreicheres Quellenmaterial, das er während seiner langen Tätigkeit unter Belisar eingesehen haben könnte, zumal es von Bedeutung für das Verständnis der folgenden justinianischen Beziehungen zum Sasanidenreich ist, das für Prokop von Vorteil war, um Belisar juristisch angemessen beraten zu können. In der Tat wundert auch nicht, dass der Jurist Prokop sich hier in einer gewissen Ausführlichkeit mit einem Rechtsakt und dessen Scheitern befasst. In der Mitte der 520iger Jahre sorgt sich Kawadh um seine Nachfolge und befürchtet, dass die Großen seinen Willen missachten und seinen Sohn Chosrau nicht zum Großkönig erheben könnten. Darum wünscht er Frieden mit den Römern und die Adoption Chosraus durch Justin. Prokop bietet ein dahingehendes Schreiben an Justin: Kawadh verzeiht die bisher vorgefallenen Konflikte. Er wolle Frieden zwischen den Völkern, Justin aber solle Chosrau adoptieren. Dieses Anliegen freut sowohl Justin als auch seinen Neffen Justinian. Der von Prokop positiv charakterisierte Jurist Proklos aber ist dagegen.57 Prokop lässt ihn eine Rede halten, in der seine Abneigung gegenüber Neuerungen und die Gefahr, dass Chosrau im Fall der Adoption Erbe Justins würde, thematisiert werden. Die Perser seien nur darauf aus, das Kaisertum zu rauben. Es sei ja ein allgemeines Gesetz bei Römern wie Barbaren, dass Kinder Anspruch auf das Erbe der Väter hätten. Dies beeindruckt Justin und Justinian. Kawadh schickt ein weiteres Schreiben darüber, wie die Adoption genau möglich sei und wünscht zudem, dass Männer von Rang zu Friedensverhandlungen gesandt würden. Proklos hebt erneut hervor, dass die Perser nur auf möglichst sichere Weise das Imperium gewinnen wollten. Daher sollte man wichtige Leute zur Friedensverhandlung schicken, zur Adoption aber erklären, sie nur nach der Art durchzuführen, wie sie einem Barbaren zukomme, also in Form der adoptio per arma. Prokop schildert nun die Zusammensetzung der Gesandtschaften und Chosraus Absicht, sogar persönlich nach Byzanz zu kommen,58 56 Prok. Bell. 1,11. 57 Zu diesem Proklos (PLRE II, Proculus 5, S. 924f.) siehe die Arbeit Pazdernik 2015. 58 Prok. Bell. 1,11,27. Der Besuch eines Großkönigs (oder seines präsumtiven Nachfolgers) in Konstantinopel ist während der gesamten parallelen Existenz des römischen und sasanidischen Reiches kein einziges Mal vorgekommen, wie sich überhaupt die Herrscher in der behandelten Zeit nicht persönlich gegenübertraten; Güterbock 1906, 7; Börm 2007, 152; vgl. Leppin 2006, 111; Lee 2008, 112. Bei Nechaeva 2014, 71, wird gemutmaßt, dass diese Distanz es beiden leichter ermöglicht hätte, die eigene Überlegenheit über den anderen nach in-
14.2 Das Verhältnis Justin I. – Chosrau I.
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wenn die Adoption erfolgreich sein sollte. Die Verhandlungen scheitern daran, dass die sasanidische Seite der römischen vorwirft, sich Kolchis angeeignet zu haben und die römische Seite nur die adoptio per arma anbietet. Es wird im Folgenden über Verschwörungen der Gesandten gemutmaßt, sie hätten durch Erwähnung der Kolchis die Verhandlungen absichtlich scheitern lassen und Prokop gestaltet weitere Intrigen aus, die an anderer Stelle der vorliegenden Arbeit wesentlich sind,59 aber nicht mehr Teil des Adoptionsgesuchs.60 Die Adoption kommt in keiner Form zustande. Im Gegensatz zu der Beschützerstellung des Yazdgard war diese Episode des prokopischen Geschichtswerkes keiner starken Kritik durch die Forschung ausgesetzt, wirkt doch bereits die Detailfülle und ihre Verknüpfung gut informiert.61 Ähnlich dem Fall des Arcadius wurde aber auch diese Szene zumeist erwähnt, ohne nach ihrer tieferen Bedeutung vor dem Hintergrund des damaligen römischsasanidischen Verhältnisses zu fragen. Dahingehend erfolgte der Hinweis, dass Prokop die Sache nicht richtig erfasst hätte, da das ganze Argument, Chosrau wolle das Erbe des Justin antreten, hinfällig sei, da man das Kaisertum als nicht vererbbare Würde auch nicht hätte per Erbe erwerben können.62 Dies verkennt unter Umständen – wie bereits die Idee der juristisch strengen Vormundschaft des Yazdgard über Theodosius – dass der Jurist Prokop wahrscheinlich angemessene und konkrete termini technici gebraucht hätte, wenn seine Intention in eine solche Richtung gegangen wäre. Prokop schreibt genau genommen keineswegs, dass er Chosrau unterstellt, er wolle das Kaisertum erben, vielmehr lässt er Proklos zu bedenken geben, dass Chosrau das Erbe Justins antreten und so Rom gewinnen könnte. Dies ist nicht so zu verstehen, dass er gar selbst Kaiser werden wollte (was wohl auch im nicht gegebenen Fall juristischer Korrektheit auf heftigsten Widerstand gestoßen wäre) oder das ganze Römische Reich erben wollte (was sowieso undenkbar war). Vielmehr beleuchtet die Yazdgard-Theodosius-Szene, worauf es ihm angekommen sein wird; es ist sogar davon auszugehen, dass Prokop in gestalterischer Absicht die Szenen bewusst parallel gesetzt hat.
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nen zu demonstrieren. Eine Begegnung, die unter dem Paradigma der Brüderlichkeit hätte ablaufen müssen, wäre letztlich nicht im Interesse der kaiserlichen oder großköniglichen Innenpolitik, vgl. ebd. 76; Lee 2008, 122. Siehe Kapitel 16.3. Prok. Bell. 1,11,31–39. Börm 2007, 311f.; vgl. Kirchner 1887, 8; Güterbock 1906, 29–31; Vasiliev 1950, 265; Claude 1989, 33; die Arbeit Pazdernik 2015. So Claude 1989, 33; Greatrex/Lieu 2002, 81. Ausführlich Maas 2016, 181f., der auch den umgekehrten Fall anführt: Es hätte im Fall der Adoption und eines frühen Todes des Chosrau Justin so wenig den persischen Thron von seinem Adoptivsohn geerbt, wie Chosrau den römischen von seinem Adoptivvater erben konnte. Börm 2007, 315, postuliert die Möglichkeit, dass man gewisse Freiheiten der barbarischen Interpretation des Rechts zuvorkommen wollte, wie es Attila einst praktiziert hatte, als er aus der vermeintlichen Verlobung mit Honoria weitgehende Ansprüche ableitete. Börm selbst glaubt aber nicht an diese Variante. Sie würde auch nicht zu der Form der Kontakte, wie sie zwischen den Großmächten bestanden, passen.
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Prokop konnte wahrscheinlich das Schreiben Kawadhs an Justin einsehen, da er es prominent erwähnt. Die gegebene Form dürfte gestrafft und literarisch überarbeitet sein, aber es ist durchaus an die Existenz eines solchen Dokuments zu denken, das Prokop gekannt und bei seiner Recherche für das Geschichtswerk (wenn nicht generell seiner beruflichen Tätigkeit) eingesehen haben kann.63 Kawadh wollte sich offenbar der Strategie bedienen, die Prokop auf römischer Seite Arcadius zuschrieb: In Anbetracht einer unsicheren Sukzession – bei Arcadius des angreifbaren jungen Sohns wegen, bei Chosrau um der brüderlichen Konkurrenz der potentiellen Nachfolger willen – will sich der Herrscher die Nachfolge durch sein römisches Gegenüber garantieren lassen.64 Bei Chosrau mag auch die Mazdakitenbewegung als Bedrohung eine Rolle gespielt haben.65 Zwar war Theodosius noch ein Kind und Chosrau bereits ein erwachsener Mann, aber die Bedrohung beider gestaltete sich im Fall des rundum belauerten Kindes und des von unmittelbaren Konkurrenten bedrohten Mannes ähnlich. Der im Folgenden fatale Unterschied besteht darin, dass Kawadh zu diesem Zweck mit der Adoption einen konkreten Rechtsakt ins Auge fasste statt der unbestimmten Beschützerfunktion des Yazdgard. Die Konsequenzen wären aber dahingehend ähnlich, dass dieses Arrangement dafür Sorge tragen würde, dass Chosrau eine gesicherte Position hätte, denn seine Konkurrenten müssten im Fall eines Umsturzes damit rechnen, dass sich Chosraus Adoptivvater Justin mit hoher Wahrscheinlichkeit zur kriegerischen Restauration oder Rache seines Adoptivsohnes anschicken würde.66 Der unausgesprochene Vorteil für Justin läge dann, wie zuvor bei Yazdgard, zum einen in der automatischen Erlangung eines bellum iustum, das er in diesem Fall gegen ein geschwächtes Sasanidenreich führen könnte, und zum anderen in dem 63 Greatrex 1994, 139, denkt an den jüngeren Kawadh als Quelle Prokops bezüglich der Nachfolger des Großkönigs Kawadh; vgl. Brodka 2016, 121, Anm. 44. Bezüglich der Echtheit des Schreibens ist er sich unsicher, ebd. 142f. 64 Vgl. Güterbock 1906, 30f.; Pieler 1972, 421. Verosta 1964, 599, denkt in beiden Fällen besonders an den Schutz vor den Adligen, die den jeweils anfälligen Herrscher umgeben. Deutlich Ensslin 1928, 410, zum Adoptionsvorhaben: „Natürlich war damit nur gemeint, daß der Kaiser in der Thronfolgerfrage mit seiner Macht die Ansprüche dieses Prinzen decken sollte.“ Zu sasanidischen Thronfolgeregelungen siehe die Arbeit Huyse 2009. Es lässt sich nicht sagen, ob Kawadh bei seinem Ansinnen den Komplex um Yazdgard und Theodosius vor Augen hatte, da sich dieser nicht in der auf sasanidische Traditionen zurückgehenden arabischen Chronistik findet. 65 Greatrex 1994, 141f.; Greatrex 1998, 134f.: vgl. Börm 2007, 321–325. Zu diesem Thema siehe auch Anhang 3 der vorliegenden Arbeit. 66 Bei Rubin 1960, 260, wird die Absicherung Chosraus dahingehend für Rom ins Negative gewendet: „Warum sollte man mit dem Votum für Kawāδs Erbfolgeregelung den Persern die voraussichtlichen Parteikämpfe innerhalb ihres Feudaladels ersparen?“ Wenn es aber tatsächlich zum Umsturz gekommen wäre, hätte das Imperium diesen wohl kaum verhindern können. Das ist auch nicht der Sinn der Adoption, sondern die Abschreckung potentieller persischer Usurpatoren in dem Bewusstsein, dass Justin nach einer Usurpation in die persischen Angelegenheiten im eigenen Sinne eingreifen könnte, also die Usurpation mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Römerkrieg nach sich ziehen würde.
14.2 Das Verhältnis Justin I. – Chosrau I.
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besonderen Prestigegewinn, der vor dem Hintergrund der üblichen Bruderanrede der Herrscher zum Tragen käme: denn Justin könnte Chosrau mit vollem Recht als seinen Sohn ansprechen und damit seinen eigenen Status hervorheben.67 Er hätte eine vor anderen Kaisern und Großkönigen der römisch-sasanidischen Geschichte besonders herausgehobene Position. Zum Nutzen beider Reiche aber ist die friedensstiftende Funktion dieser Adoption, da sich Vater und Sohn in die Herrschaft über die Welt teilen und aus Vater- und Sohnespflichten, also letztlich pietas, besonders geneigt sein müssten, ein friedliches Verhältnis zu führen und ein Umsturz im Sasanidenreich durch den Schutz Chosraus unwahrscheinlicher und somit ein stabiles Verhältnis der Reiche wahrscheinlicher gemacht wird. Im Grunde ist diese Idee durchaus nachvollziehbar und für beide Seiten von Vorteil. Die Waffenleihe scheint aber weniger verbindlich gewesen zu sein und sabotierte daher das Vorhaben.68 Prokop lässt Proklos Einwände anführen, die einleuchtend und berechtigt sind: Wenn Justin Chosrau adoptieren würde, wäre dieser nach römischer Ansicht einem leiblichen Sohn des Kaisers gleichgestellt. Das Problem entsteht erst in dem Moment, da Justin sterben wird, was 527 geschah und in Anbetracht des hohen Alters des Kaisers bereits absehbar war. Laut Malalas starb er im Alter von 77 Jahren,69 war also 525 bereits 75 Jahre und damit für antike Verhältnisse sehr alt. Wenn ein Vater stirbt, ist es nun an seinem Sohn, das Erbe des Vaters zu übernehmen und sich um die Verwaltung seines Nachlasses zu kümmern. Dabei wäre Chosrau nicht weniger verantwortlich und von keiner geringeren Beziehung zu Justin als Justinian, der andere Adoptivsohn des Kaisers. Chosrau hätte nun beim Tod des Kaisers mit der Erfüllung seiner Sohnespflichten einen Grund, um sich beständig in innerrömische Angelegenheiten einzumischen, was zudem durch römisches ius und römischen mos legitimiert wäre.70 Er würde eine Stimme am byzantinischen Hof erhalten und somit bis dato undenkbare diplomatische Möglichkeiten. Er hätte zuvor ungeahnte Chancen, das römisch-sasanidische Verhältnis zu seinen Gunsten zu manipulieren. Es ließen sich Verträge zuungunsten der römischen Seite schließen, die sich diesen schlecht verweigern könnte. Verweigerte sie sich, wäre dies ein legitimier Kriegsgrund für Chosrau sowohl vor seinen eigenen Großen, als auch der römischen Seite, und im Fall eines siegreichen Krieges wäre er in einer stark verbesserten Verhandlungsposition durch sein offen67 Pieler 1972, 424, sieht es ähnlich und zieht Parallelen zu römischen Plänen im germanischen Westen. 68 Christensen 1925, 119; Greatrex 1994, 146. Pieler 1972, 429, denkt daran, dass die Waffenleihe besonders gegenüber Personen der Rom unterlegenen Gemeinwesen zur Anwendung kam und daher für die Sasaniden nicht akzeptabel war. Generell zu frühmittelalterlichen Adoptionen Wielers 1959, 47–59. 69 Ioh. Mal. 17,23. 70 Vgl. Pazdernik 2015, 245: „Adoption ipso facto settles nothing; to the contrary, the multiplication of Justinʼs civil law heirs would not only be damaging to Justinianʼs prospects, inasmuch as this would debase his presumptive claim upon the throne, but also potentially destabilizing geopolitically, by offering Khusro a pretext for interfering with the succession.“
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kundig rechtlich solides und im römischen Sinne unbestreitbar auch gerechtes Handeln. In viele innenpolitische Angelegenheiten des Imperiums könnte Chosrau mit dem bloßen Verweis auf seine Stellung eingreifen, beginnend mit der Nachfolgefrage Justins, und es ließe sich von römischer Seite nicht bestreiten, dass seine Stimme Gewicht haben müsste. Prokop lässt Proklos befürchten, was Yazdgard einst von Arcadius zugebilligt worden war, nur in vielfach stärkerer Form: das Recht zu einer Intervention. Yazdgards Recht beschränkte sich nur auf den Fall, dass Theodosius gestürzt würde, Chosrau dagegen erhält nach Justins Tod eine umfassende Vollmacht.71 Vor dieser warnt Proklos. Die Souveränität des Kaisertums wäre diesem Denken gemäß gefährdet, was Prokop Proklos wohl mit den drastischen Worten, dass Justin nicht der letzte Kaiser sein und Justinian sich nicht den Weg zum Thron versperren solle, unterstreichen lässt. Die rechtlich verschiedene (wenn auch aus heutiger Warte nicht ganz klare)72 Natur der adoptio per arma würde dem wohl einen Riegel vorschieben, da sie mos und ius der Römer weit weniger berührt. In Anbetracht der geschilderten Gesandtenintrigen, deren Wahrheitsgehalt schwer durchschaubar ist, des kolchischen Konfliktes, Prokops Parteinahme gegen Justin und Justinian sowie seiner Einschätzung Kawadhs und Chosraus lässt sich nicht sagen, ob es von Anfang an Kawadhs Plan war, Chosrau neben der Sicherung seiner Herrschaft auch diese Option zur Einmischung in römische Angelegenheiten zu geben.73 Prokop will offenbar vermitteln, dass dem so war, stellt er doch Proklos als positive Figur heraus und korrigiert die diesem in den Mund gelegte Meinung nicht.74 Auch habe die Veränderung der Adoption zu einer Waffen71 In eine ähnliche Richtung denkt Pieler 1972, 424, sieht aber Chosraus Ansprüche eher als monetärer Art. 72 Es scheint sich um eine Besonderheit der germanischen, ganz besonders gotischen Welt gehandelt zu haben, Kiss 2015, 96, die aber auch zwischen römischen Kaisern und fremden Herrschern aus diesem Kulturkreis geübt wurde, so zwischen Justin I. und Eutharich, Cass. Var. 8,1,3; Kiss 2015, 97, 103, wenn sie nicht gar überhaupt erst im Kontakt zwischen den beiden Seiten ihre Form gefunden hat, Wolfram 2006, 99. Den geplanten Fall Justin – Chosrau hält Kiss 2015, 99f., für einen Sonderfall, der nicht klar als adoptio per arma erwiesen sei; dagegen Wolfram 2006, 101: „In bezeichnender Weise diskutiert Prokop von Caesarea den Wert der barbarischen Waffensohnschaft für die oström. Politik, allerdings am Beispiel der oström.-pers. Beziehungen. Eine derartige Adoption verpflichtete wie andere foedera [...] auch zu nichts. War es vorstellbar, daß ein amalischer W[affensohn] das Gotenreich erbte, konnte ein W[affensohn] des Augustus das Römerreich – abgesehen von der praktischen Unmöglichkeit einer solchen Herrschaftsübertragung – auch in der Theorie nicht erben, weil er durch die adoptio per arma kein erbberechtigter Ks.sohn wurde […].“ 73 Greatrex 1994, 144, geht von ehrlichen Absichten Kawadhs aus; vgl. Ensslin 1928, 410. Pieler 1972, 430, führt aus, dass auch die Möglichkeit besteht, dass Justin und Justinian kein besonderes Interesse an der Adoption hatten, da sie Kriegspläne gegen das Sasanidenreich schmiedeten. 74 Kirchner 1887, 8, gibt auch zu bedenken, dass in Prokops Darstellung die Adoption als eine Angelegenheit erscheint, die der sasanidischen Seite wichtiger ist als der römischen; Prokops
14.2 Das Verhältnis Justin I. – Chosrau I.
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leihe Mitschuld am Scheitern des Vorhabens gehabt. Es ist denkbar, dass Kawadh nichts dergleichen vorhatte und Prokop dies unter Bezugnahme auf die Interventionsfähigkeit des Yazdgard unterstellt, aber es wäre in Anbetracht der diplomatischen Raffinesse der römisch-persischen Kommunikation erstaunlich, wenn nicht daran gedacht worden wäre. Ebenso erstaunlich wäre, wenn die römische Seite es nicht bemerkt hätte. Vielleicht ist es das, was Prokop herausstellen will, indem es erst eines Proklos bedarf, um Justin und Justinian die recht offenkundigen Gefahren vor Augen zu führen. Dies wirft kein gutes Licht auf sie. Da Prokop Justin für ungebildet, Justinian aber für in jeder Beziehung schlecht und dumm hielt, wäre es ein passendes Mittel zur unverfänglichen Charakterisierung der beiden. Entsprechend lässt er Proklos auch nicht die genauen Details der Bedrohung durch Chosrau erläutern, sondern in drastischen und einfachen Worten vorstellen, wo die Probleme liegen. Anders konnte man es nach Prokop dem unfähigen Paar von Onkel und Neffe offenbar nicht erklären. Der Einsatz der Figur des Proklos ist ein Mittel, keine direkte Kritik zu üben, zudem ist denkbar, dass Aufzeichnungen des Proklos – wenn nicht gar dieser persönlich – Prokops Quelle dieser Episode waren, der er eine Referenz abstatten wollte.75 Dies wäre ein zusätzliches Mittel, die Glaubwürdigkeit des Ganzen zu untermauern. Eine dem Urteil des Agathias zur Beschützerfunktion Yazdgards vergleichbare ausführliche Aussage bezüglich dieser Episode fehlt in der Überlieferung – wohl nicht zuletzt, da die Adoption letztlich nicht stattgefunden hat und dies während des stärkeren römisch-sasanidischen Antagonismus der späteren Zeit als geradezu selbstverständlich erschienen sein muss – allerdings lobt Evagrius Scholastikos als jüngerer Zeitgenosse Prokops dessen Werk und erwähnt, dass dieser über das Adoptionsvorhaben geschrieben habe. Offenbar stellte sich für ihn keine Frage bezüglich der Echtheit des Vorgangs.76 Wie bereits die Beschützerrolle des Yazdgard, so zeigt auch das Ansinnen Kawadhs die Bedingtheit des römisch persischen Verhältnisses durch seine Strukturen: Wiederum wäre dieses Ansinnen kaum nachzuvollziehen, wenn von einem Machtgefälle zwischen Imperium und Sasanidenreich ausgegangen worden wäre; denn warum sollte man sich die Nachfolge seines Sohnes von einem Schwächeren schützen lassen und zu diesem Zweck auch noch eine Adoption durch eben diesen Interesse daran, auch den außerrömischen Interessen gerecht zu werden, sei an dieser Stelle deutlich. 75 Vgl. Claude 1989, 33, der annimmt, Proklos sei ein „Parteifreund“ Prokops gewesen; vgl. Colvin 2018, 206. 76 Theophan. Conf. a. 6013, der die Episode im gleichen Jahr wie die Zilgibis-Affäre berichtet, steht Prokops Schilderung nahe. Man könnte mutmaßen, dass durch die Auswahl dieser Ereignisse eine kausale Verbindung nahegelegt werden soll: Durch die gegenseitige Verständigung der Herrscher in der Zilgibis-Affäre war nach Meinung des Autors – oder vielmehr seiner Quellen – der Boden für das Adoptionsgesuch bereitet worden. Aber das lässt sich nicht sicher sagen.
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14 Methoden III
Schwächeren anstreben und somit den Unterlegenen zum Vater des Überlegenen machen? Und umgekehrt: Wenn der Kaiser als stärker gesehen wird, warum sollte man sich dann noch freiwillig in eine besondere Abhängigkeit begeben, indem man ihm den eigenen Nachfolger als Sohn anvertraut? In diesem Fall würde der Adoptivvater die Situation ungestört ausnutzen können und in allen Angelegenheiten intervenieren, die seinen Sohn betreffen, der sich als Vertreter der schwächeren Seite nicht angemessen wehren kann. Sinnvoll erscheint der Plan nur, wenn an ein Gleichgewicht gedacht wird. Ganz besonders kommt auch die sich gegenseitig eingeräumte diplomatische Gleichrangigkeit zum Tragen, denn hätten sich die beiden Herrscher nicht als würdige Partner akzeptiert, wäre es wohl kaum so weit gekommen, dass der eine die Adoption vorschlagen und der andere sie begeistert begrüßen kann.77 Offenbar sahen weder Kawadh noch Justin irgendeinen Ehrverlust mit dem Vorgang verbunden.78 In gleicher Richtung fällt auch die religiöse Neutralität auf, die noch stärker zum Tragen kommt als im Fall des Yazdgard: Denn es ist eine Sache, als rechtgläubiger Kaiser einen Ungläubigen zum Beschützer seines Nachfolgers zu machen, aber eine andere, als Bewahrer der guten Religion seinen Nachfolger von einem Ungläubigen adoptieren zu lassen. Dieser Umstand wird nicht als Problem angesprochen.79 Er hatte auf der realpolitischen Ebene der Diplomatie wahrscheinlich keine Bedeutung, da er sie im Sinne der Kommunikation gar nicht haben durfte. Bezüglich der diplomatischen Methode sind beide Episoden geeignet, die Kommunikation aus einem ungewohnten Blickwinkel zu beleuchten. Sie zeigen in besonderer Weise die Partnerschaftlichkeit des Umganges, die tiefer als die tagespolitischen Konflikte liegt und dann an der Oberfläche erscheint, wenn ein Abkommen beiden Seiten große Vorteile verspricht. Im Fall der Beschützerrolle des Yazdgard waren beide Seiten trotz ihrer zwangsläufig nie spannungsfreien Lage bereit, alle Bedenken außen vor zu lassen und sich auf einen Vorgang zu einigen, der beiden Herrscherhäusern und Ländern Vorteile versprach; darunter nicht zuletzt eine höhere Wahrscheinlichkeit, den derzeitigen Frieden zu bewahren und somit eine Verbesserung des Verhältnisses, die sich auf künftige Konfliktfälle
77 Maas 2016, 182. 78 Im Gegensatz dazu geht Claude 1989, 33, von anderen Prämissen aus und mutmaßt, das Problem der Adoption sei gewesen, dass Chosrau so von einer rangähnlichen zu einer fast ranggleichen Stellung gegenüber dem Kaiser gelangt wäre. Dem ist nicht so, vielmehr hätte Justin so eine ganz besondere Stellung erhalten – zwar keine unbedingt höhere, aber als Vater eine besondere mit besonderen Rechten und Pflichten – und dies ist keineswegs das Problem der Episode. Dass sich römische wie persische Herrscher im Rahmen des eigenen Landes als dem anderen überlegen begriffen, hat damit nichts zu tun. 79 Trotzdem wundert es Claude 1989, 33, dass eine solche Adoption angedacht gewesen sein soll, da Chosrau doch ein Heide war. Es wird später ebd. 39, hervorgehoben, dass eine Waffensohnschaft auch gegenüber Heiden und Häretikern möglich war, was impliziert, dass sie darum von römischer Seite vorgeschlagen wurde. Dies spielt bei Prokop aber keine Rolle.
14.2 Das Verhältnis Justin I. – Chosrau I.
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positiv auswirken konnte.80 So zeigt sich auch ein gewisser Weitblick der Entscheidungsträger, trotz Beharren auf der eigenen Position in kleinen Konflikten doch zu einer Einigung im Großen bereit zu sein, wenn diese eine grundlegende Verbesserung der Situation in Aussicht stellt.81 Die Formlosigkeit des Abkommens, die für seinen Erfolg wesentlich gewesen sein dürfte, sticht dabei zwar aus den in der Regel vertraglich gefestigten Abkommen zwischen den Mächten hervor, ist aber naheliegend, da hier nicht das Verhältnis zwischen den Reichen, sondern letztlich zwischen Individuen verändert wird, das im Folgenden auf die Reiche ausstrahlt. Es wird dazu allein bei der Ehre, der Herrscherwürde, dem mos angesetzt, um keine juristische, aber eine im wahrsten Sinne des Wortes moralische Pflicht zu schaffen. Somit wird eine persönliche Ebene genutzt, um auf dieser Diplomatie zu betreiben. Dies ist eine festzuhaltende diplomatische Methode, die in künftigen Jahrhunderten in Form byzantinischer Heiratspolitik noch andere Formen annehmen wird, hinsichtlich ihrer Funktion aber schon in der Beschützerrolle Yazdgards begründet liegt. Das Adoptionsgesuch Kawadhs, ob es nun ehrlich und konstruktiv gemeint gewesen sein mag oder nicht, geht zwar in die gleiche Richtung, scheiterte aber letztlich an der angestrebten und rechtlich verbindlichen Form der Adoption, die Chosrau Rechte und Pflichten gemäß mos und ius gegeben hätte, die ihn nach Justins Tod zu einem zumindest moralischen Gläubiger Roms gemacht hätten. Es kommt die Furcht beider Seiten zum Tragen, in eine Verhandlungsposition zu geraten, in der sie künftig eines deutlichen Fehlverhaltens überführt werden könnten und keinen Weg hätten, dieses abzustreiten. Sie wollten eine Situation vermeiden, in der sie sich nachweislich – also nach römischen wie persischen Kriterien – im Unrecht befanden, da sie dies in eine unterlegene Verhandlungsposition gebracht hätte. Der Verhandlung konnte aber in Anbetracht des angenommenen militärischen Gleichgewichts nicht ausgewichen werden. Kawadhs Ansinnen drohte zu solch einer Situation auf römischer Seite zu führen. Wenn wir auch zwangsläufig die Vorgänge durch den Filter der prokopischrömischen Darstellung wahrnehmen, ist im Übrigen doch bemerkenswert, wie Kawadh mit den Strukturen operiert: Es ist in Anbetracht der beständigen Bruderanrede zwischen den Herrschern sehr wahrscheinlich kein Zufall, wenn Kawadh vorschlägt, sein Nachfolger solle der Sohn des Justin werden, was schließlich nichts anderes bedeutet, als eine Vermengung der diplomatischen Bruderschaft mit einer verwandtschaftlichen Vaterschaft. Dies würde Justin ideell bestärken, denn er könnte Chosrau mit vollem Recht als „Sohn“ ansprechen und somit zumindest zu seinen Lebzeiten eine neue und einmalige Position gewinnen. Es ist denkbar, dass dies Teil des „Köders“ ist, den Prokop Kawadh mit dem Adoptionswunsch unterstellt: Der seiner Meinung nach nicht besonders weitsichtige 80 Vgl. Pieler 1972, 431f.; Claude 1989, 34. 81 Vgl. Edwell 2015, 228: Für Kawadh war die Frage der Nachfolge dringender als alle Konflikte, die ihn von Rom hätten abhalten können.
262 Justin soll nicht zuletzt damit zu der Adoption bewegt werden, die nach seinem Tod große Vorteile für das Sasanidenreich und große Nachteile für das Imperium mit sich bringen würde. Justin wurde also vermittelt, eine in Zukunft gegenüber Chosrau besonders gute Verhandlungsposition zu haben. Des Weiteren ist ein Detail besonders aufschlussreich hinsichtlich des Informationsgrads und des Kenntnisstandes der Entscheidungsträger beider Seiten über Kultur, Recht und Gesellschaft und generell über die Politik der anderen: Auf sasanidischer Seite ist laut Prokop sofort klar, dass nicht nur ein Unterschied zwischen förmlicher Adoption und Waffenleihe besteht,82 sondern auch, dass dieser Unterschied das Adoptionsgesuch sabotiert.
82 Vgl. Claude 1989, 34.
15 METHODEN IV Informationsbeschaffung und „intelligence“ 15.1 NATUR DER METHODE Es ist eine unabdingbare Voraussetzung diplomatischer Aktivität, sowohl die eigenen Möglichkeiten, Potentiale und Absichten als auch die seines Gegenübers gut zu kennen. Es muss ein Bewusstsein für das kommunikative Band, das beide Seiten verbindet, und seine Beschaffenheit bestehen, um auf dieser Basis entscheiden zu können, wie sich das diplomatische Verhältnis am besten im eigenen Sinne modifizieren lässt. Daher ist die Beschaffung von Informationen über all diese Elemente von größter Wichtigkeit für das Betreiben von Diplomatie, sei es im Altertum oder der Neuzeit. Während diese Beobachtung wenig mehr als ein Gemeinplatz ist, hat sich ein aus diesem folgender zweiter Gemeinplatz der Politikwissenschaft in der Alten Geschichte nicht durchgesetzt: Da Informationsbeschaffung für Diplomatie notwendig ist, müssen auch im Rahmen der Diplomatie Informationen gesammelt werden. Das Sammeln von Kenntnissen, auf deren Basis sich diplomatische Strategien entwickeln lassen, ist neben der Kommunikation das zweite große Tätigkeitsfeld von Diplomaten und diplomatischen Organisationen. Diplomatie ist so stark von Informationsbeschaffung durchdrungen, dass diese nicht etwa eine Tätigkeit ist, die Diplomaten „auch“ und gewissermaßen „nebenbei“ betreiben, sie ist vielmehr integraler Bestandteil ihrer Aufgabe als Diplomaten. Daher lässt sie sich auch nicht von anderen diplomatischen Methoden trennen, sie ist stets als Generalbass hinzuzudenken. Dies wurde von Wicqueforts englischem Übersetzer auf den Ausdruck gebracht, es gebe zwei Hauptfunktionen eines Gesandten: als Messenger of Peace einerseits und als honourable spy andererseits,1 woraus wohl in Kurzform das geflügelte Wort vom honourable spy entstanden sein dürfte. Diese Aussage ist vor dem Hintergrund frühneuzeitlicher Diplomatie des französischen Systems, also mittels des Unterhalts permanenter Botschaften in anderen Ländern, zu verstehen, reicht aber über dieses Verständnis hinaus, bietet es sich doch von jeher an, dass Gesandte, die berufsbedingt in den höchsten politischen Kreisen anderer Länder verkehren, diesen Umgang zur Informationsbeschaffung über eben diese Kreise nutzen und das gewonnene Wissen an ihre eigenen Heimatländer weitergeben werden, zumal jeder diplomatische Kontakt zwangsläufig einen Informationsgewinn über Absichten, Meinungen und Optionen des Gegen1
Wicquefort 1716, 296. Diese beiden Funktionen haben sogar als Schlagworte ihren Weg in den Index der damaligen englischen Übersetzung gefunden.
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15 Methoden IV
übers mit sich bringt. Zudem müssen Diplomaten, ob antike oder moderne, fremde Länder durchreisen, um an ihr Ziel zu gelangen und besonders in der Antike nahe den Schaltzentralen der fremden Macht lange Zeit wartend ausharren, so dass sie auch in diesem Kontext vielen Eindrücken ausgesetzt werden, die aufschlussreich sein können.2 Gemäß dem weiten Diplomatieverständnis, dem die vorliegende Arbeit verpflichtet ist, sind auch andere diplomatische Vorgänge geeignet, Informationen zu gewinnen, so der direkte herrscherliche Austausch über Nachrichten oder die Verständigung über Gesten – wie es generell in der Natur der Kommunikation zwischen zwei Seiten liegt, dass beide etwas über sich preisgeben müssen. Es mag dem klassischen Bild von Diplomatie als „sauberer“ Angelegenheit geschuldet sein, dass dieser nicht unbedingt ehrlich erscheinende Aspekt in der heutigen öffentlichen Wahrnehmung nicht die gleiche Präsenz besitzt wie Verhandlung, Kommunikation und sonstige Tätigkeiten aus dem Kernbereich der Diplomatie, aber im politikwissenschaftlichen Zusammenhang ist die Verbindung von Diplomatie und Informationsbeschaffung (um nicht zu sagen „Spionage“)3 selbstverständlich und hatte gerade für die Diplomatie vor dem Aufkommen der neuen Medien und technisch ausgereiften Geheimdienste der Moderne eine sehr große Bedeutung. Diese intelligence4 ist gewissermaßen die zweite Seite der diplomatischen Medaille, die mitgedacht werden muss, wenn diplomatische Tätigkei2 3
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Winter 1994, 590. Der Aspekt der gezielten Spionage bezüglich politischer Verhältnisse wird allerdings nicht thematisiert. „Spionage“ hat zwangsläufig den Beiklang des Illegalen, Verdeckten und Anstößigen. Es ist eine Frage der Betrachtungsweise, ob die diplomatische Informationsbeschaffung moralisch zu rechtfertigen oder an sich Spionage unter Missbrauch und Ausnutzung jener Freiheiten ist, die Diplomaten einzig und allein eingeräumt werden, um Kommunikation zwischen den Gemeinwesen möglich zu machen. Zur antiken Sicht weiter unten und ein möglicher Ansatz zur Klärung im Kapitel 16.1. Als Kompromiss lässt sich festhalten, dass es ein geradezu zwangsläufig auftretendes Phänomen ist, das Diplomatie durch ihre Rahmenbedingungen mit sich bringt, dass dieses schon immer bekannt war und man sich mit entsprechenden Gegenmaßnahmen darauf eingerichtet hatte. Man wird nicht die Diplomatie aufgeben, um zu verhindern, dass Diplomaten spionieren. Der Nutzen der Diplomatie überwiegt die dahingehenden Nachteile. Dieser in der Politikwissenschaft übliche Terminus hält die Mitte zwischen dem positiv klingenden „Informationsbeschaffung“ und dem negativ konnotierten „Spionage“. Definition des Begriffes von Weigall 2002, 120: „Information that is gathered covertly or openly by a government or agency about another country or allianceʼs intentions and capabilities. Strategic and military intelligence are concerned with discovering a range of things: the disposition and strength of military forces, weaponsʼ developments, plans, alliances and agreements, the capability and morale of military forces and civilian opinion. Effective intelligence gathering requires the wider appreciation of political, economic and social data, of a countryʼs underlying strength or potential responses. Quite frequently, excellent military intelligence is not balanced with political intelligence analysis of the same quality. […] The history of intelligence, which was often referred to as the missing dimension of international relations, has attracted growing scholarly attention in recent decades.“ Zu „strategic intelligence“ zwischen spätantikem Imperium und Sasanidenreich Lee 1993b, 109–128.
15.1 Natur der Methode
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ten untersucht werden sollen. Dies lässt sich nicht nur auf frühere Epochen übertragen, sondern ist auch schon geschehen, so besonders für die dem Untersuchungszeitraum und -ort der vorliegenden Arbeit nahestehenden mittelbyzantinische Welt, da sich viele derartige Fälle in den Quellen finden lassen, die von diplomatischer Informationssammlung berichten.5 In den Exzerpta de legationibus sollte man nach Corey Brennans Meinung Gesandtschaften schon dann als zumindest teils gescheitert werten, wenn sie zwar das Ziel ihrer Reise erreichen und ihr Anliegen durchsetzen, aber dabei nicht die gewünschten Informationen sammeln konnten.6 Dabei sind die Exzerpttexte selbst ein Indiz dafür, dass auch vor 5
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Vgl. Lee 1993b, 167; vor allem Koutrakou 1995, 125f. für das 8.–10. Jahrhundert: „In an era such as the Middle Ages, which lacks the modern concept of resident ambassadors, thus depriving governments of a reliable and constant source of information on foreign lands, peoples, rulers, customs and general activities abroad, one has to wonder both about the way of gathering such information and about the means of processing it. The obvious means were, after all, official, that is, diplomatic, contacts – even if embassies and missions were exchanged on an ad hoc basis –, as well as unofficial ones, that is, by making use of persons whose main feature was mobility through foreign lands, such as pilgrims, traders, merchants and, of course, spies. It must be pointed out, however, that there is lack of sufficient documentation concerning the relationship between diplomacy and espionage: this can be attributed to the nature of our sources, where such references, when they exist, are sporadic at best. They usually occur in the margin of some diplomatic encounter and they need to be discussed in parallel with an assessment of the political environment in which the relevant diplomatic contact took place. Furthermore, their haphazard character means that any picture to be drawn would by necessity give a rather fragmented view of espionage in diplomatic contacts. Nevertheless those references do allow for some observations as to the links existing between espionage and diplomacy in the middle-byzantine period, on the basis of the lowest common denominator, that is, the seeking and exchange of information, both through official and unofficial contacts.“ Shepard 1985, 292f.: „Byzantine diplomacy was painstaking in collecting information about numerous barbarian potentates, and about their political circumstances. Its scan encompassed the Balkans, the steppe- and forest-zones north of the Black Sea, Italy, Central and Northern Europe. The energy, and even enterprise, with which the Byzantines monitored and courted potentates and prominent persons of varying ranks pose a contrast to their often slow or muted military response to barbarian incursions.“ Auch bei Dvornik 1974, 165, einer Arbeit über den Ursprung von Nachrichtendiensten, die weder althistorisch noch byzantinistisch ist, wird die Bedeutung der Diplomatie für die Informationsbeschaffung herausgestellt: „The kind of intelligence about different peoples which we find in the treatises on strategy and military art had been obtained not only from military experience, but also by diplomatic means. The Byzantines were in a most difficult position. The boundaries no longer existed in the western provinces and in order to preserve what they could of the eastern part of the Roman Empire, it was necessary to open diplomatic relations with their neighbours, rivals and adversaries, and endeavor to learn as much as possible of their military and political characteristics.“ Die Kombination von diplomatischer und militärischer intelligence habe Byzanz über das 6. und 7. Jahrhundert gerettet, ebd. 166. Im Übrigen wird der entscheidende Schluss, dass Diplomaten nicht nur nebenbei Informationen sammeln, sondern dies eine ihrer Kernaufgaben ist, auch hier nicht gezogen. Ähnlich Austin/Rankov 1995, 16f., in ihrer Arbeit über Informationsbeschaffung in der römischen Kaiserzeit. Brennan 2009, 181: „The covert gathering of intelligence was a major function of embassies in all periods, amply documented in the De legationibus, and when ambassadors are effec-
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15 Methoden IV
der Spätantike zumindest auf römischer Seite ein Bewusstsein für die Verbindung von Diplomatie und Informationsbeschaffung bestand. Auch für das klassische Griechenland ist Ähnliches festgestellt worden.7 Daher ist es umso erstaunlicher, dass für die prinzipielle Verbindung von Diplomatie und Informationsbeschaffung in der Spätantike bisher noch kein derartiges prinzipielles Verständnis besteht,8 obwohl die Quellen durchaus den Schluss zulassen, dass es sich nicht anders verhielt als in der mittelbyzantinischen Zeit oder auch früheren und späteren Jahrhunderten, wie sich zeigen wird.9
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tively cut off by their hosts from vital information, they should be reckoned to have at least partly failed their mission.“ Mosley 1973, 4–6, 8f., 11. Whately 2013, 242: „Little work has been done on intelligence in Late Antiquity, whether strategic (the knowledge of the ability and willingness of the state to wage war) or tactical (knowing where to find the enemy and what tactics to use) […], even if diplomacy has been the subject of a considerable number of investigations.“ Hartmann 2007, 55: „Kenntnisse über die innere Verfaßtheit des Gegners, über Organisationsstrukturen und Stärke des Heeres, über Staat und Gesellschaft sowie über die Ziele der politischen Führer gelangten vor allem durch drei Gruppen an den Hof der anderen Macht: durch Spione, Überläufer und Diplomaten, die gleichsam hauptberuflich mit der Informationsbeschaffung und -übermittlung betraut waren.“ Ebd. 61: „Die wichtigste Quelle der Information über das gegnerische Reich stellten offenbar Gesandtschaften dar.“ Heil 2006, 165, über Informationsbeschaffung: „Römische Gesandte erlebten den sasanidischen Königshof hautnah, und sie konnten ihren Herrn (und die gebildete Öffentlichkeit) umgehend davon in Kenntnis setzen. Auch werden persische Gesandte im Römischen Reich gern Auskunft gegeben haben. Ferner konnte man sich an die vielen Armenier im Reich wenden, die mit den persischen Verhältnissen vertraut waren und für vieles als Mittler dienen konnten.“ Bemerkenswert ist die Idee, persische Gesandte hätten im Imperium Auskunft über Persien gegeben. Dies hätte aber nichts anderes als Verrat bedeutet. Interessant Chrysos 1992, 38, zusammenfassend am Ende eines Aufsatzes über byzantinische Diplomatie der Zeit von 300 bis 800: „No mention has been made of the intelligence gathering which was an essential aspect of diplomatic operations.“ Es wird also gerade dieses Thema ausgelassen; vgl. das Vorgehen in der Arbeit Lee 1986. Ähnlich findet die diplomatische Informationsbeschaffung keine Erwähnung in der Arbeit Antonopoulos 1992, die durch den Titel „The less obvious ends of Byzantine diplomacy“ geradezu prädestiniert für dieses Thema zu sein scheint. Bei Blockley 1992, 132, erscheint der spionierende Gesandte gewissermaßen als bloß gelegentliches Vorkommnis. Im Fazit heißt es bei ebd. 166 über das Militär: „it was almost the sole channel for foreign intelligence.“ Gillett 2003 behandelt unter dem Titel „Envoys and Political Communication in the Late Antique West“ zwar Informationsverbreitung durch Gesandte, aber nicht Informationsbeschaffung. Es fällt auf dass Chapot 1907, 226, eine gewisse Vorstellung von der Verbindung hat. Auch Obolensky 1963, 52, erwähnt sie am Rande. Beiläufig Canepa 2009, 129, über Imperium und Sasanidenreich in der Spätantike: „Then as now, diplomacy provided a prime opportunity and useful screen for gathering intelligence and allowed the two sovereigns a chance to learn about vital topics, such as the health of their opponent and his military intentions, preparedness, and economic strength, not to mention possible invasion routes.“ Wenn auch nicht so sehr für die Beschaffung politischer Informationen, aber doch kultureller, sieht Haussig 1959, 144, römische Diplomaten verantwortlich. Ein Bewusstsein für den Fall spionierender Kleriker in diplomatischer Mission bei Gero 1981, 36; vgl. ebd. 36, Anm. 56. Die Spionage der Diplomaten und ihrer Begleitung findet bei Diebler 1995, 205,
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Gerade in Anbetracht der schwerwiegenden Frage, woher antike Entscheidungsträger der höchsten politischen Ebene ihr Wissen bezogen, auf Basis dessen sie Entscheidungen treffen konnten, darf die diplomatische Informationsbeschaffung als wichtige Quelle für Kenntnisse über die Zwänge, Ambitionen, Wünsche und generell Zustände in der hohen Politik der anderen Seite nicht vernachlässigt werden – besonders in Anbetracht dessen, dass über die ihrer Natur gemäß geheime Arbeit eigentlicher Spione und verdeckter Agenten, die in anderen Ländern Informationen sammeln, zwangsläufig wenig bekannt ist und die Forschungsmeinungen zum Thema stark differieren.10 Besonders im Angesicht des wahrgenomeher als Möglichkeit Erwähnung. Vgl. Börm 2007, 153, wo es heißt, dass Emissäre „stets auch potentielle Spione waren“. Vgl. bereits Güterbock 1906, 15f.: „Überhaupt herrschte, wenn auch die Formen äußerer Höflichkeit meist gewahrt wurden, doch auf beiden Seiten ein starkes Mißtrauen; man rechnete auch bei den Gesandtschaften mit der Möglichkeit der Spionage oder gar eines plötzlichen feindlichen Überfalls.“ Vgl. Lee 1993b, 166: „Although spies are the agency which no doubt springs most readily to mind in the context of informationgathering, embassies also could make a major contributon in this area.“ Bei ebd. 169 wird von einer gewissen Selbstverständlichkeit solcher Informationsbeschaffung ausgegangen. Bei Nechava 2014, 56, wird ausnahmsweise die diplomatische Informationsbeschaffung als grundlegende diplomatische Methode angedeutet, wenn auch nicht ausführlich untersucht: „Spying activities by embassies were an important part of the empireʼs intelligence system and in some aspects can also be referred to as a method of diplomacy.“ Interessant die Zusammenstellung bei Leppin 2016, 112: „Border-spanning agents such as envoys and spies are indispensable for foreign politics.“ Vgl. Lung 2015, 42f.: „The narrative sources confirm the general idea that messengers were also acting in order to provide information to those who sent them (to not openly call them spies).“ Shahbazi 1990, 591: „Although it was rare for either ruler to refuse an audience to an ambassador, envoys were customarily denied access to state officials or institutions, in order to prevent them from gathering harmful intelligence.“ Becker 2020, 30, erwähnt als Nebeneffekt des Phänomens, dass in der Spätantike bestimmte Personen immer wieder römische diplomatische Aufgaben übernehmen, dass dieser Personenkreis eine Informationsquelle über die andere Seite geworden sein könnte. 10 Daher gibt es auch diverse Forschungsmeinungen zu den Phänomenen der arcani, cursores etc. Ausführlich Lee 1993b, 170–182; der auch von einem umfassenden Informationsstand beider Seiten über die militärischen Vorhaben der anderen ausgeht, ebd. 109–128. Lewin 2015, 158, schreibt beiläufig über die Römer, sie hätten „an efficient system for gathering intelligence“ besessen. Heil 2000, 143, Anm. 1, über römische Spione: „Verwandt wurden in der Regel eigene Soldaten, die verkleidet ins Feindesland eindrangen und nach ihrer Rückkehr rapportierten. Man hatte im Gebiet des Gegners aber keine permanenten Agentennetze mit quasi fest angestellten Informanten. Daß manche Leute wichtige Nachrichten gelegentlich für Geld ausplauderten [...] ändert daran nichts.“ Ebd. 166: „Alle Überläufer wurden sicher nach militärisch relevanten Informationen befragt. Doch hätten sie darüber hinaus weit mehr zu bieten gehabt. Ein Mann wie Hormisdas [Anm: der im Geschichtswerk des Ammianus Marcellinus prominente sasanidische Überläufer] hätte aus erster Hand über die gesamte innere Struktur des Sasanidenreiches in all ihren Verzweigungen berichten können. Doch inwieweit haben die Römer diese Chance genutzt? Da es kein Amt für strategische Studien gab, blieb die systematische Beschäftigung mit fremden Völkern der privaten Forschung überlassen.“ Vgl. Bréhier 1949, 246; Lieu 1986, 494; Matthews 1989, 35, 40; Mattern 1999, 69f. Zu Hormizd auch Kagan 2011, 168f. Greatrex 1994, 217, staunt über die Geschwindigkeit des Informationsflusses; vgl. Lee 1989a, 257f., der betont, dass gerade Feldzugsvorbereitungen
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langwierig und aufwändig waren und daher nicht lange verborgen bleiben konnten. Zum Phänomen der κατασκόποι Lee 1989b, zu Spionage auch Lieu 1986, 491; Crone 1991, 31; Howard-Johnston 2012, 121. Whitby 1992, 302, deutet eine gewisse Verbindung von Diplomatie und Informationssammlung an. Dagegen deutlich Isaac 1989, 233: „We have no indication that the Roman empire systematically collected and interpreted information beyond the territory under Roman control.“ Römer seien in den Krieg gezogen, ohne genau zu wissen, wohin es eigentlich ging. Extrem Isaac 1992, 402: „There is no lack of evidence to show that the Romans would embark on major military campaigns without an elementary understanding of where they were going.“ Vgl. Isaac 1995, 136: „All that an emperor fighting in Mesopotamia had at his disposal was the ancient literature in a better state of preservation than we have it. There were no military archives in Rome or Constantinople and we must avoid foisting modern military concepts on ancient warfare.“ Es habe dahingehend keinen staatlichen Sicherheitsapparat gegeben, eigentlich sei nur militärische Aufklärung betrieben worden, Isaac 1992, 406f. Drastisch auch Dvornik 1974, 118, für die Kaiserzeit, obwohl er bei ebd. 165, für Byzanz von ganz anderen Prämissen ausgeht: „[...] the Romans were reluctant to extend their intelligence services to foreign countries on a large scale. What took place some miles beyond the limes was unknown to them, unless a befriended tribe, for the sake of its own security, disclosed to the Romans the activities of the barbarians moving closer and closer to the limes, eager to partake of the riches which had accumulated in Roman provinces where civilization flourished. This lack of interest in detailed information as to the barbarian world was fatal to Rome […]“ Vgl. ebd. 137: „The corps of the agentes can be described, in some way, as the secret service of the state; aside from this corps, however, no autonomous organism which could be called central state police existed in Byzantium. The senior functionary in each judiciary or administrative field possessed his own police organization through which he transmitted and enforced his orders. This was especially the case with the governors of the provinces, and later on with the logothete of the post, and the strateges of the themes. Unfortunately we know very little of how this provincial and local police force was organized.“ Vgl. Garlan 1975, 153: „Improvements in the means of communication and of coding facilitated the task of the commander. But they never stimulated the establishment of an autonomous bureaucratic department at headquarters. Improvisation and pragmatism continued to characterise military intelligence and communications.“ Drastisch Ball 2016, 2, zu Rom gegenüber Iran: „No attempts were made at gaining worthwile intelligence.“ Dagegen Verosta 1964, 550: „The Persians entertained an excellent intelligence service within the Roman Empire – as vice versa the Romans had intelligence agents in Persia.“ Elton 1996, 20f.: „The factual accuracy of the material which has survived does not prove that Roman writers knew little about what happened beyond the frontier zone – on the contrary, it shows they knew a great deal, though this information might be hard to get at and was often distorted by stereotypes.“ Treffend Haussig 1050, 139, als Gegenpol zu Isaac über Rom und das Sasanidenreich: „Jeder kannte die Möglichkeiten des anderen.“ Vgl. Börm 2006, 309. Bei Blockley 1992, 132f., wird vom regulären Einsatz von Spionen ausgegangen, vor allem im Handelswesen, wenn auch in Abrede gestellt wird, dass die Römer systematisch und erfolgreich Informationen über die Perser gesammelt hätten; die Berufung auf Deserteure als Informationsquelle würde an der Effizienz der römischen Auslandsspionage, wenigstens im 4. Jahrhundert, zweifeln lassen. Zu römisch-sasanidischer Informationsbeschaffung siehe auch Hartmann 2007, 55–66. Gemäß der These der Arbeit Meier 2015 zeige der Mordversuch an Attila, dass die oströmische Administration über erhebliche Kenntnisse des Funktionierens der hunnischen Konföderation unter Attila verfügte, ebd. 653: „[…] in the case of Attila, the Romans must have been guided by specific knowledge about nomadic groups. When Theodosius II sent his envoy to the Huns with the secret mission to assassinate Attila, he knew exactly what he was doing. He knew
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menen militärischen Gleichgewichts, da kleine Veränderungen große Folgen nach sich ziehen konnten und daher ein möglichst hoher Kenntnisstand über die diversen Aspekte jeder politischen Situation nötig war, musste der Informationsbeschaffung ein hoher Stellenwert eingeräumt werden. Vor dem Hintergrund eines weiten Diplomatieverständnisses und der ermittelten Strukturen und Methoden ergeben die Quellen ein nachvollziehbares Bild, dass, modern ausgedrückt, auf folgenden Punkt hinausläuft: Es lässt sich in den Quellen jenseits der militärischen Aufklärung kein organisierter römischer „Nachrichtendienst“ entdecken, in dem alle Informationen zusammenliefen, da dieser „Nachrichtendienst“ kein anderer war als jener, der sich in der Gegenwart als diplomatischer Dienst bezeichnen lässt – also die Gesamtheit von Gesandten, ihren einheimischen Vorgesetzten und den sie umfassenden Strukturen.11 Für die persische Seite lässt sich in Anbetracht römischer Abwehrmaßnahmen Ähnliches mutmaßen. 15.2 DIE ABSCHIRMUNG DER DIPLOMATEN Das stärkste Indiz dafür, dass Diplomaten beider Seiten nicht nur gelegentliche Spionage zugetraut wurde, sondern man vielmehr fest davon ausging, dass diese jede interessante Kenntnis aufnehmen und jeweils nach Konstantinopel oder Ktesiphon weitergeben würden, ist der Aufwand, der betrieben wurde, um Diplomaten von Informationsquellen abzuschirmen. Im Zeremonienbuch ist eine Passage aus einem Werk des Petros Patrikios erhalten, die diesen Aufwand anhand eines Empfangs des persischen Gesandten Isdigusnas erahnen lässt.12 In minutiöser Genauigkeit wird nicht nur gelistet, wie ein persischer Gesandter auf seinem Weg durch das Imperium nach Konstantinowhy he was doing it. And, he knew just what the consequences might be.“ Dagegen Wirth 1999, 81. 11 Nechaeva 2014, 155–160, beobachtet Verbindungen von Spionage und Diplomatie, ebd. 162: „Undoubtedly ambassadors acted as spies, using their unique and very profitable conditions to observe and collect data on military affairs, an adversary rulerʼs personality, political and social situation, laws etc. In some cases diplomatic missions and negotiations were only a screen for what was actually a spy mission, but more often diplomats had to collect intelligence in addition to their main diplomatic and political tasks.“ Die Sammlung von intelligence war aber selbst schon ein solcher „main diplomatic task“. 12 Güterbock 1906, 18–24; Lee 1993b, 167; Gillett 2003, 224–226. Dvornik 1974, 174f., dazu: „The sending and receiving of embassies was organized in a manner best fitted to obtain the most intelligence from foreigners and yet not reveal to them any weakness that existed in the administration of the empire.“ Zur Datierung: Isdigusnas (Yazd-Gušnasp) aus der Familie der Zich kam 547/48 mit seiner Frau und reichem Gefolge in die Hauptstadt und blieb dort zehn Monate. 550/51 reiste er erneut für längere Zeit zu Waffenstillstandsverhandlungen an den Bosporus, wieder begleiteten ihn seine Familie und ein vielköpfiges Gefolge. Letzterer Aufenthalt dürfte der hier in Frage stehende sein, Const. Porphyr. de caer. 1,89–90, vgl. Blockley 1992, 157 (im Jahr 551).
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pel zu behandeln und in der Stadt selbst unterzubringen ist, sondern auch, welches Amt oder Gremium unter wessen Anleitung für welchen Teil der Behandlung verantwortlich ist, bis hin zu den Details der Ausstattung der Räumlichkeiten der Gesandten und der ihnen zur Verfügung stehenden Dienstleistungen. Auch der kaiserliche Empfang der Gesandten ist bis ins Detail reglementiert.13 Praktisch bedeutet dies vor allem eines: Ab dem Moment, da die Gesandten das Imperium betreten, werden sie immer von Römern begleitet und stehen somit unter permanenter Beobachtung.14 Es wird dem Gesandten sogar die Wahl zwischen Landund Seeweg bei Helenopolis gelassen, beides ist von römischer Seite im Voraus geplant.15 Dagegen nehmen sich die gleichfalls in das Zeremonienbuch aufgenommenen Maßnahmen beim Eintreffen weströmischer Gesandter in Konstantinopel geradezu bescheiden aus.16 Gegen eine Verzögerung durch Gesandte wird bestimmt, dass die römische Seite (vorbehaltlich einer kaiserlichen Sondergenehmigung) die Reisekosten für die An- und Abreise – also den Aufenthalt der Gesandten im Imperium – nur bis zu einer Dauer von 103 Tagen deckt.17 Dies lässt sich nicht nur als Maßnahme gegen absichtliche Verzögerungen, sondern auch gegen lange Aufenthalte der Gesandten im Imperium deuten, die auf diese Weise hätten versuchen können, Informationen zu sammeln. Die persischen Gesandten werden in Konstantinopel durch den Umstand, dass ihnen jegliche Tätigkeit des alltäglichen Lebens von römischem Personal abgenommen wird, effizient von der sie umgebenden römischen Umwelt abgeschirmt. Auch ihr Hauspersonal wird von römischer Seite gestellt,18 wobei anzunehmen ist, dass auf diese Weise ausgeschlossen werden soll, dass die Gesandten mit unbeteiligtem Personal zu tun haben, das sich leicht zu Spionage oder dergleichen gewinnen ließe, wenn es sich nicht sogar um im Voraus zu diesem Zweck in Konstantinopel eingesetzte persische Spione und Mittelsmänner handeln könnte. Es muss in der Unterkunft der Gesandten oder deren Nähe ein Bad vorhanden sein, das stets bereitet sein muss und den Gesandten allein zur Verfügung stehen soll.19 Dies ist wohl keine Geste der Höflichkeit, sondern nimmt den Gesandten die Möglichkeit, eine stark frequentierte öffentliche Therme zu besuchen, um dort Kontakte mit persischen Spionen, Mittelsmännern, Überläufern oder anderen Per-
13 De caer. 1,89f.; Ziche 2012, 319f. 14 Vgl. Whitby 1992, 300; Nechaeva 2012, 191f.; Nechaeva 2014, 42, 157; vgl. dagegen Hartmann 2007, 61f., dagegen die Annahme von Morley 2016, 125: „Diplomats had to travel across the other empireʼs lands in order to reach the court of the emperor or shah, and this meant they had many opportunities to interact with local populations.“ 15 De caer. 1,89, R 400f. 16 De caer. 1,87. 17 De caer. 1,89, R 400. 18 De caer. 1,89, R 401. 19 De caer. 1,89, R 402.
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sonen aufzunehmen20 – oder sich auch nur ein Bild von der öffentlichen Meinung über diverse Themen zu machen. Auch nach Pferden müssen sich die Gesandten nicht umsehen, sie werden ab dem Moment ihrer Ankunft gestellt.21 Diese Vorsichtsmaßnahmen könnten sich bis ins Extrem erstreckt haben, wenn man annehmen will, dass es nicht am bloßen Komfort der fremden Würdenträger gelegen haben dürfte, wenn die Bereitstellung des Bettzeugs zur Aufgabe des comes privatarum largitionum (später des sakellarios) auf Anweisung des magister officiorum gemacht wurde. Bettzeug aller Art ist sehr gut geeignet, in der Polsterung versteckte Unterlagen und dergleichen zu transportieren, die in Konstantinopel an Kontaktleute verbreitet oder von diesen empfangen und wieder ins Sasanidenreich gebracht werden sollten, zumal es sich verboten haben dürfte, immerhin zollfrei reisende Gesandte dahingehend zu untersuchen. Dies wird verhindert, indem ihnen alles Nötige von römischer Seite gestellt wird. Vielleicht vor einem ähnlichen Hintergrund erhalten sie auch andere Haushaltsgegenstände.22 Es wird sogar geregelt, wer dem Gesandten welche Verbindlichkeiten ausdrücken und ihn über den Fortgang seines Aufenthaltes informieren soll,23 so dass dieser auch über die Selbstverständlichkeiten seiner Mission und Reise einen festen Ansprechpartner hat und nicht andere Kontakte aufnehmen muss. Es ist zudem denkbar, dass der streng regulierte Ablauf der kaiserlichen Empfänge des Gesandten24 dessen Möglichkeiten zur Manipulation einschränken soll, da er seinen Auftritt vor dem Kaiser sonst nutzen könnte, um dessen spontane persönliche Reaktion auf bestimmte einstudierte Äußerungen des Gesandten zu erfahren, die ihm Klarheit über die Meinung des Herrscher zu bestimmten Themen geben könnte, also auch dem Bereich der Informationsbeschaffung zuzuordnen ist. Zu dieser Maßnahme wird ebenfalls das Detail gehören, dass der Kaiser einen Brief des Großkönigs offenbar nicht in Anwesenheit des Gesandten liest, sondern nur entgegennimmt und den Gesandten zum Gespräch später zu sich rufen lässt. Er kann auch den magister officiorum oder andere Personen aus seinem Umfeld mit dem Gesandten außerhalb des Palastes Unterredungen halten lassen.25 Bei etlichen Themen mag der Kaiser Sorge haben, nicht kompetent genug zu sein oder anderweitig im Gespräch mit dem Gesandten unfreiwillige diplomatische Nachteile zu erzeugen – vielleicht sogar etwas zu verraten, das nicht verraten werden darf – so dass er solche Unterredungen von anderen führen lässt, die besser darauf vorbereitet sind. Spätere byzantinische Handlungsanweisungen zum Umgang mit Diplomaten bauen auf ähnlichen Prinzipien auf, so eine Passage der anonymen Abhandlung 20 Vgl. Koutrakou 1995, 134, zu Gesandtschaften: „they provided an ideal contact point for passing over information gathered through other means, such as local contacts.“ 21 De caer. 1,89, R 402. 22 De caer. 1,89, R 401. 23 De caer. 1,89, R 402–404. 24 De caer. 1,89, R 405 – 1,90. 25 De caer. 1,89, R 406 u. 1,90, R 408f.
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über Strategie, in der darauf hingewiesen wird, dass die Begleiter von Gesandten unter strenger Überwachung bleiben sollten, damit sie nicht durch Gespräche mit Römern Informationen beziehen könnten. Wenn die Gesandten aus sehr fernen Ländern kämen, die nicht direkt an das Imperium grenzten, dürfe man ihnen das römische Land zeigen, ebenso wenn es sich um wesentlich schwächere Nachbarn handelt. Überlegenen Gegnern (wobei hier an die spätere Abfassungszeit der Passage zu denken ist) dagegen sollte man weder Wohlstand noch die Schönheit römischer Frauen zeigen, sondern die Zahl der Soldaten, den Glanz der Waffen und die Höhe der Mauern.26 Es ist durchaus vorstellbar, dass Gesandte in solchen Kontexten sogar gezielt mit Falschinformationen versorgt wurden.27 Umgekehrt ist bekannt, dass römische Gesandte auf dem Weg nach Ktesiphon nur auf einer festgesetzten Route und ausschließlich unter persischer Begleitung reisen durften – offenkundig, um zu verhindern, dass sie durch Inaugenscheinnahme, Befragungen und Abweichungen vom direkten Weg Informationen aller Art über das Sasanidenreich sammeln konnten.28 26 Peri Strategias 43 [ed. Dennis]; Greatrex/Lieu 2002, 128; Nechaeva 2012, 192. Laut Speck 1994, 364f., handelt es sich bei dem Text um eine Einführung für gänzlich unbefangene Leser. Üblicherweise wird die Basis des Textes in Justinianische Zeit datiert, zu dahingehenden Schwierigkeiten Lee/Shepard 1991, 25–30, 38f., die zu einer partiellen späteren Datierung ins 10. Jahrhundert neigen, wobei die hier angeführte Stelle in die wohl später abgefasste Partie 33–47 fällt. Bezüglich dieser Stelle wird von den Autoren auf die Ähnlichkeit zu den aus dem 6. Jahrhundert bekannten Praktiken verwiesen ebd. 31f. Die Autoren nutzen im Übrigen bei ihrer Datierung nicht das Argument, dass im Text vom Fall überlegener Gegner die Rede ist. Wer sollte aber im 6. Jahrhundert von einem römischen Autor so begriffen worden sein? 27 Vgl. Koutrakou 1995, 133. 28 Men. Prot. frg. 18,6,13–17, wenngleich Menander als offizielle Begründung die Gewährleistung des reibungslosen Ablaufes angibt. In Anbetracht des römischen Brauches lässt sich das wohl verallgemeinern. Ein Empfang römischer Gesandter in Nisibis samt folgender ehrenvoller Behandlung (also wohl Begleitung) bis Ktesiphon wird auch bei 9,1,25–28 erwähnt; vgl. 23,9,13–15; Lee 1993b, 167. Absichtliche Verzögerung Men. Prot. frg. 23,9,34–59,109– 117. Auf Bewachung der Gesandten in Ktesiphon verweist dabei (und nicht als einmalige Schikane) ebd. 105–109. Die arabische Überlieferung bietet weitere Anhaltspunkte, da auch in islamischer Zeit viele funktionierende und etablierte politische, wirtschaftliche und administrative Errungenschaften des Sasanidenreiches weiterlebten; Daryaee 2008b, 81f.; vgl. Daryaee 2010, 401f., 409; Russell 1986, 137. So berichtet Nizam al-Mulk 21,1f. von der Überwachung fremder Gesandter; dabei sollten Gesandte direkt an der Grenze abgeholt und zur nächsten Stadt begleitet werden, wo sie ein anderer Begleiter zur nächsten Stadt führe usw., bis zu ihrem Ziel, wobei gleich bei ihrem ersten Auftreten Boten die Entscheidungsträger in der Hauptstadt über die Gesandtschaft informieren sollten, bis hin zur Zusammensetzung des Gesandtengepäcks. In jeder Stadt sollen ihnen Offizielle Gastfreundschaft erweisen. Der Rückweg solle ebenso erfolgen. Es wird zur guten Behandlung von Gesandten ermahnt, denn selbst im Fall des Streits zwischen Königen müssten ihre Gesandten immer tadellos behandelt werden (wobei sich der Autor auch auf den Koran bezieht). Die Quelle des Textes oder Nizam al-Mulk selbst behandelt des Weiteren die Informationsbeschaffung der Gesandten mit einiger Ausführlichkeit: Man sollte wissen, dass Gesandte neben ihrem eigentlichen Auftrag
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Eine Parallelquelle zur Schrift des Petros Patrikios findet sich in den Bella Prokops, da es im achten Buch über den sasanidischen Gesandten Isdigusnas in Konstantinopel heißt: noch hundert andere Ziele haben. Sie informierten sich über den Zustand der Straßen, Bergpässe und Flüsse im Hinblick darauf, ob ein Heer sie passieren kann, wo Fourage vorhanden sei und wo nicht, wer die Kommandanten an den verschiedenen Orten seien, wie groß die Armee des Königs und wie sie ausgerüstet sei, welche Tischsitten und welchen Umgang er pflege, ob er Polo spiele und jage, welche Eigenschaften und Sitten er zeige, welche Absichten und Pläne er habe, sein Aussehen und Betragen, ob er grausam oder gerecht sei, alt oder jung, ob sein Land blühend oder im Verfall begriffen sei, ob seine Truppen zufrieden seien oder sich beschwerten, ob die Bauern reich oder arm seien, ob er geizig oder großzügig sei, ob er nachlässig in seinen Angelegenheiten sei, ob sein Wesir fähig, fromm und gerecht sei – oder das Gegenteil, ob seine Feldherren erfahren und kampferprobt seien oder nicht, ob sein Umfeld höflich und edel sei, welche Vorlieben und Abneigungen er habe, ob er beim Trunk fröhlich und humorvoll sei oder nicht, ob er in Glaubensdingen streng sei und Großmut und Gnade zeige oder ob er nachlässig und faul sei, ob er mehr zu Scherz oder Ernst neige und ob er Frauen oder Knaben bevorzuge. Wenn sie den König für sich gewinnen wollten, oder sich gegen ihn stellen oder seine Fehler kritisieren, wüssten sie dann jederzeit, wie sich in solch einem Fall vorgehen ließe. Da dem so sei, solle sich ein König laut ebd. 6 in ihrer Gegenwart entsprechend benehmen und angemessenes, tadelloses Auftreten an den Tag legen. Bezüglich der Auswahl eigener Gesandter wird ebd. 7 ein kurzer Katalog geboten: sie sollten Königen gedient haben, kühn sprechen können, weitgereist und umfassend gebildet sein, von gutem Gedächtnis und Weitblick, groß und gutaussehend sein, und wenn sie alt und weise wären, sei das nur umso besser. Ein Gefährte des Königs sei zuverlässig und wenn ein mutiger und mannhafter Mann, der die kriegerischen Übungen beherrscht und im Duell berühmt sei, sei das besonders gut, denn das würde der Welt zeigen, dass die eigenen Männer so seien wie er, gut sei auch ein Mann adeliger Herkunft, denn dann würde er allein schon deshalb Respekt erfahren und man sich weniger ihm gegenüber herausnehmen, ein Trinker, Narr, Spieler, Schwätzer oder Einfaltspinsel sollte der Gesandte nicht sein. Sehr oft schon hätten Könige Gesandte mit Geschenken in Geld oder Wertsachen geschickt, um Frieden gebeten und sich unterwürfig gezeigt, dann aber im Schutze der Illusion Truppen ausgesandt, um anzugreifen und zu siegen. Das Verhalten und die Vernunft eines Gesandten seien Leitschnur des Verhaltens, der Weisheit, des Urteils und der Größe eines Königs. Lee 1993b, 166f.; Nechaeva 2014, 146. Ähnliche Anforderungen werden im Buch der Krone (Kitab at-Tag) p. 122 [Pellat] des Pseudo-al-Jahiz aufgestellt, wobei sich explizit auf persischen Gebrauch berufen wird, wenn es darum geht, dass man einen Gesandten zunächst damit prüfen sollte, dass ihm auf einer Übungsmission innerhalb des Hofes ein Agent zur Seite gestellt wird, der dessen Handeln und Worte auf der Mission genau notiert, um diese Notizen dann mit dem Bericht, den der Gesandte selbst nach der Mission erstattet, vergleichen und Diskrepanzen aufdecken zu können. Dasselbe solle er dann auf einer wirklichen auswärtigen Mission überprüfen. Außerdem beruft sich der Autor auf Ardaschir, da er schreibt, dass man bedenken solle, wie viel Blut schon durch ein unlauteres Handeln von Gesandten vergossen worden sei, wie viele Armeen vernichtet wurden, wie viele Truppen besiegt, wie viele Frauen geschändet, wie viele Reichtümer geplündert und wie viele Abkommen durch Verrat und Lügen von Gesandten gebrochen worden seien. Man solle auch durch die Entsendung mehrerer unabhängiger Gesandter und Abgleich von deren Berichten Vorsorge gegen Fälschungen durch Gesandte treffen, die zum Beispiel im Eigeninteresse handeln könnten und so die Diplomatie anders als im Sinne ihres Herrschers verändern.
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15 Methoden IV Als einziger von allen Gesandten wurde er nicht überwacht, vielmehr genossen er und alle seine aus Barbaren bestehenden Begleiter – eine sehr stattliche Zahl – große Freiheit und konnten lange Zeit, mit wem sie nur wollten, Verbindung aufnehmen und Verkehr pflegen; auch durften sie sich überall in der Stadt bewegen, nach Belieben einkaufen und verkaufen sowie Abmachungen aller Art treffen und dabei vollkommen frei wie in einer eigenen Stadt verfahren. Kein einziger Römer begleitete sie oder war bei ihnen oder machte den Aufpasser, wie man doch gewohnt war.29
Daraus lässt sich schlussfolgern, dass Gesandte in der Regel unter Generalverdacht standen und keine beliebigen Verbindungen anknüpfen durften, ihr Verkehr in Konstantinopel beschränkt war, sie sich nicht frei bewegen konnten, ebenso nicht nach Belieben Geschäfte tätigen und bei ihren Gängen von römischen Aufpassern begleitet wurden. Diese Maßnahmen waren offenbar so gewöhnlich und selbstverständlich, dass Prokop allein die Ausnahme stark ins Auge fiel.30 Die Universalität der strengen Überwachung der Gesandten zeigt eine Stelle in Prokops Gotenkrieg, da Theodahat den römischen Gesandten Athanasios und Petros (Patrikios) damit droht, er könne einen Gesandten auch töten, wenn er eines Frevels am König (also sich) oder des Ehebruchs mit einer verheirateten Frau überführt sei.31 Prokop lässt die Gesandten darauf unter anderem antworten, dies sei nicht richtig, „denn, selbst wenn er es wollte, wäre Ehebruch für einen Gesandten unmöglich, da er doch ohne den Willen seiner Aufpasser kaum einen Schluck Wasser bekommt.“32 In Anbetracht der akuten römisch-gotischen Konflikte, aber auch der generell schwierigen Lage zwischen Gotenreich und Imperium liegt es nahe, dass römische Gesandte auch im Gotenreich streng überwacht wurden. 29 Prok. Bell. 8,15,20 (Übers. nach Veh): µόνος δὲ πρέσβεων ἁπάντων οὗτος ἐς πεῖραν φυλακῆς οὐδεµιᾶς ἦλθεν, ἀλλ̓ αὐτός τε καὶ ὅσοι αὐτῷ βάρβαροι εἵποντο πολλοὶ ἐσάγαν ὄντες ἐν πολλῇ ἐξουσίᾳ ἐγένοντο, ἐπὶ χρόνου µῆκος ἐντυγχάνειν τε καὶ ξυγγίνεσθαι οἷς ἂν βούλοιντο, καὶ τῆς πόλεως πανταχόσε περιπάτους ποιεῖσθαι, ὠνεῖσθαί τε καὶ ἀποδίδοσθαι ὅσα ἦν βουλοµένοις σφίσι, καὶ ξυµβόλαια ποιεῖσθαι πάντα ἐργασίᾳ τε τῇ περὶ ταῦτα ἐνδιατρίβειν ξὺν πάσῃ ἀδείᾳ, καθάπερ ἐν πόλει αὐτῶν ἰδίᾳ, Ῥωµαίων αὐτοῖς οὐδενὸς ἑποµένου ἢ ξυνόντος ὅλως ἢ τηρεῖν ἀξιοῦντος, ᾗπερ εἰώθει. 30 Vgl. Lee/Shepard 1991, 32; Lee 1993b, 167; Börm 2007, 153. Zu diesem Phänomen im 8.– 10. Jahrhundert vgl. Lee/Shepard 1991, 32–34; Koutrakou 1995, 126, 134, 141f.; vgl. 133 zu Möglichkeiten der Überwachten: „Although willing disinformation and misleading information were well within the normal parameters of diplomatic contacts, the envoys could at least observe first hand how things stood.“ Es ist auch in der Spätantike an Maßnahmen zu denken, spionierende Gesandte gezielt mit Falschinformationen zu versorgen. 31 Prok. Bell. 5,7,13–16; Nechaeva 2014, 62. PLRE IIIA, Athanasius 1, S. 142–144; PLRE IIIB, Petros 6, S. 994–998. 32 Prok. Bell. 5,7,18 (Übers. nach Veh): µοιχῷ µὲν γὰρ οὐδὲ βουλοµένῳ πρεσβευτῇ πάρεστι γίνεσθαι, ᾧ γε οὐδὲ ὕδατος µεταλαγχάνειν ὅτι µὴ γνώµῃ τῶν φυλασσόντων ῥᾴδιόν ἐστι. Stöhr 1933, 40; Gillett 2003, 244. Wäre er ein persischer Gesandter in Konstantinopel, würde es sich bei der Aussage, unbewacht nicht einmal Wasser zu bekommen, um keine Übertreibung handeln, wird doch in de Caer. 1,89 explizit geschrieben, es sollten den Gesandten Bedienstete zum Wasserholen zur Verfügung stehen. Wenn die gotische Praxis nur ansatzweise der oströmischen folgte, wäre das nachzuvollziehen.
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Fragt man nach Prokops Kompetenz in diesen Dingen, gilt es sich vor Augen zu halten, dass er sogar selbst einmal mit verdeckter Informationsbeschaffung in Syrakus betraut war – wenn auch nicht im Rahmen offizieller Strukturen, sondern im einmaligen Auftrag – aber auf jeden Fall ein entsprechendes Bewusstsein für die Bedeutsamkeit der Informationsbeschaffung gehabt haben wird; war doch seine Mission von einiger Bedeutung für den erfolgreichen Verlauf des Vandalenkrieges.33 Die Überwachung von Gesandten als selbstverständlicher Vorgang gewinnt in der Iohanneis des Corippus sogar Eingang in die epische Dichtung: Als maurusische Gesandte zu dem angelandeten Johannes kommen, lässt dieser sie nach dem Ausrichten ihrer den diplomatischen Gepflogenheiten widersprechenden Botschaft festhalten. Er werde ihnen später seine Antwort erteilen. Das Festnehmen erscheint nicht als ungewöhnlich und wird auch nicht begründet, vielmehr betont der Erzähler, dass Johannes die anmaßenden Gesandten trotz ihres schlechten Verhaltens nicht getötet habe. Der Grund für die Festnahme wird in dem Umstand liegen, dass die Gesandten, die man nicht abschirmen konnte, das römische Lager und Heer auf ihrem Weg zu Johannes sehen konnten und verhindert werden sollte, dass sie Bericht darüber erstatteten.34 Dies musste nicht explizit ausgesprochen werden. Umgekehrt ist auch vorstellbar, dass von Seiten des Gastlandes versucht wurde, fremden Gesandten geheime Informationen zu entlocken und generell durch Beobachtung der Gesandten auch selbst nützliches Wissen zu erlangen, statt nur fremde Informationsbeschaffung zu verhindern.35
33 Prok. Bell. 3,14,3–16. Im Übrigen liegt sogar ein klassischer Präzedenzfall für das Thema der Sicherheitsmaßnahmen gegenüber Gesandten vor. Thuk. 2,12, berichtet, dass im ersten Kriegsjahr der Spartaner Melesippos als Gesandter nach Athen geschickt, aber nicht angehört und ihm auferlegt wird, er solle noch am selben Tag wieder über die Grenze gehen. Zudem wird ihm für diesen Weg auch ein Geleit zugewiesen, was Thukydides explizit damit begründet, dass er mit niemandem ins Gespräch kommen sollte. Sowohl das Element der Verhinderung von Verzögerungen als auch der Begleitung der Gesandten ist vorhanden. 34 Coripp. Ioh. 1,460–493; der Erzähler kommentiert ebd. 494–508, dass Johannes dafür zu loben sei, die Gesandten nach ihrem anmaßenden und wohl unter dem Deckmantel der Diplomatie zur bloßen Provokation gedachten Auftritt nicht gleich getötet zu haben; vgl. auch Andres 2019, 141, Anm. 32. PLRE IIIA, Ioannes qui et Troglita 36, S. 644–649. 35 Koutrakou 1995, 134: über die spätere byzantinische Zeit: „It must be noted however that the communication of the information was not one-sided. The envoys also provided information – even inadvertently through their customs, appearance, speech, or even a less guarded tongue – on their patron and their people, thus contributing to the creation of their peopleʼs image in the host country.“
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15 Methoden IV
15.3 DIE SELBSTVERSTÄNDLICHKEIT DER „INTELLIGENCE“ Auch jenseits der angeführten Stellen setzt Prokop wie selbstverständlich voraus, dass es Spionage und Spionageabwehr nicht nur im diplomatischen Kontext gibt, so lässt er Belisar einmal sagen: Denn was sich im Lager herumspricht, kann nicht geheim bleiben, sondern verbreitet sich allmählich weiter und dringt schließlich sogar bis zu den Ohren der Feinde.36
Eine ähnliche Ansicht des Eunapios hat Eingang in die excerpta de sententiis Konstantins VII. gefunden: Eine jede Handlung werde von den Feldherren besser im Geheimen geplant. Wer im Krieg verdeckt handelt, ist stärker als jener, der sich in seinen Handlungen tollkühn verhält und alle sein Vorhaben wissen lässt.37
Die Anfälligkeit des römischen Heeres gegenüber Spionage und Verrat betont auch Zosimos im polemischen Ton: Sowie die Barbaren eine solche Unordnung bei den römischen Heeresverbänden beobachteten – die Überläufer und der leichte gegenseitige Umgang setzten sie ja von allem in Kenntnis – glaubten sie den Augenblick gekommen, das in so großer Sorglosigkeit dahinlebende Reich anzugreifen.38
Andernorts schildert Prokop einen mutmaßlichen Erfolg persischer Spionageabwehr:39 Ein gefangener persischer Kundschafter wird im römischen Heer verhört und auf Basis seiner Angabe das weitere Vorgehen geplant. Er hat aber gelogen, was eine falsche römische Planung und im Folgenden eine Niederlage gegen die bereits zur Schlacht aufgestellten persischen Truppen nach sich zieht. Es macht den Eindruck, dass der Kundschafter mit Absicht ausgeschickt wurde, falsche Informationen zu streuen, denn sein Handeln passt nicht nur exakt zur folgenden persischen Vorbereitung, sondern erfordert auch ein hohes Maß von Kaltblütigkeit, um in Todesgefahr eine schlüssige und glaubwürdige falsche Geschichte wiederzugeben. 36 Prok. Bell. 2,18,5: λόγος γὰρ ἐν στρατοπέδῳ περιφερόµενος οὐκ οἶδε τηρεῖν τὰ ἀπόρρητα, ἐπεὶ κατὰ βραχὺ προϊὼν µέχρι καὶ ἐς τοὺς πολεµίους ἐκφέρεται. Zum Phänomen Lee 1989a, 257f. 37 Eun. hist. frg. 23,4 [ed. Blockley]: ὅτι πᾶν ἔργον κρεῖττον ἀπορρήτως στρατηγούµενον· ὅστις δὲ ἐν πολέµῶ κρύπτει τὰ πλείονα, κρείττων ἐστὶν ἢ ὁ µετ᾿ἔργων θρασύτητος φανερῶς ἐπιών. (Übers. nach Blockley.) Vgl. Lib. or. 18,213. Eunapius zeigt auch im frg. 66,2 ein Bewusstsein für die Bedeutsamkeit von Informationsübermittlung, da er die Zeit der Vorherrschaft des Eunuchen Eutropius in Konstantinopel als eine Ära charakterisiert, in der es fast unmöglich war, gesicherte Informationen über Westrom zu erhalten und diverse Gründe anführt. 38 Zos. hist. 4,31,2 (Übers. nach Veh): τοιαύτην ὁρῶντες οἱ βάρβαροι κρατοῦσαν ἐν τοῖς στρατιωτικοῖς τάγµασι ταραχὴν (οἵ τε γὰρ αὐτόµολοι πάντα ἐσήµαινον αὐτοῖς καὶ ἡ τῆς ἐπιµιξίας εὐρυχωρία) καιρὸν ἔχειν ᾠήθησαν ἐπιθέσθαι τοῖς πράγµασιν ἐν ἀµελείᾳ τοσαύτῃ κειµένοις. 39 Prok. Bell. 2,25,10–35.
15.3 Die Selbstverständlichkeit der „intelligence“
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Agathias hebt an einer Stelle seines Geschichtswerkes, als Mermeroes zum Phasis vordringen will und sich im Rahmen einer List todkrank stellt, hervor, dass nicht einmal die Leute, die gegen Geld ihr Volk verraten und Informationen weitergeben, um die Wahrheit wussten, da diese nur wenigen Vertrauten des Mermeroes bekannt war.40 Dabei ist es das Vorhaben des Mermeroes, die Verräter absichtlich auf eine falsche Fährte zu führen, damit sie den Römern falsche Informationen liefern. So geschieht es.41 Dies impliziert, dass Verräter nicht nur häufig vorkamen, sondern man geradezu davon ausgehen konnte, dass alles, was sich im eigenen Lager herumsprach, durch Verräter auch unter der Gegenseite herumsprechen würde. Auch schon in früheren Jahrhunderten gibt es Indizien für die Alltäglichkeit der Spionage: Ammian erwähnt bewährte Spione,42 und beschreibt sogar im Rahmen eines Vergleiches, dass es ein Klischee vom Aussehen eines Spions (speculator) gab, da es über Procopius bei seiner Beobachtung der Lage in Konstantinopel heißt: „Wie ein ganz gerissener Spion, unkenntlich durch sein schmutziges, ausgemergeltes Gesicht, sammelte er die damals vielfach umlaufenden Gerüchte [...]“43 Das grenzüberschreitende kulturelle, wirtschaftliche und sprachliche Kontinuum Mesopotamiens wird die Informationsbeschaffung beider Seiten stark erleichtert haben.44 Die Verbreitung von Spionage über verdeckte Ermittler auf beiden Seiten wird in den Anekdota Prokops thematisiert (wenn auch die Angabe, Justinian habe die κατασκόποι gänzlich abgeschafft,45 überzeichnet sein wird): Seit langem wurden auf Staatskosten viele Agenten unterhalten, die als Händler oder unter einem sonstigen Decknamen in Feindesland und an den persischen Königshof zu gehen und alle Einzelheiten genau auszukundschaften hatten. Nach ihrer Rückkehr konnten sie dann den Statthaltern die feindlichen Geheimnisse berichten. Man war dadurch im Bild, nahm sich in acht, und nichts Unvorhergesehenes konnte eintreten. Über eine solche Einrichtung verfügten seit langem auch die Perser.46
40 41 42 43
Agath. hist. 2,19,7f. Heil 2006, 143, Anm. 1. PLRE IIIB, Mermeroes, S. 884f. Agath. hist. 2,19,7f. Amm. Marc. 16,9,2; zur Terminologie Komm. de Jonge XVI, 104f. Amm. Marc. 26,6,6: ritu itaque sollertissimi cuiusdam speculatoris ignotus ob squalorem vultus et maciem rumusculos colligebat tunc crebrescentes [...] PLRE I, Procopius 4, S. 742f. 44 Vgl. Kagan 2011, 161, 166; Elton 1996, 76, 97. 45 Prok. HA 30,14. Dazu die Arbeit Lee 1989b; Lee 1993b, 170; Dvornik 1974, 143, 146; Hartmann 2007, 56. Laut Börm 2007, 54, ist anzunehmen, dass Prokop über diese Einrichtung besonders informiert war, da er im Umfeld Belisars auch die Auswertung derartiger Rapporte miterlebte. 46 Prok. HA 30,12f. (Übers. nach Veh): ἄνδρες πολλοὶ ἐν δηµοσίῳ τὸ ἀνέκαθεν ἐσιτίζοντο, οἳ δὴ ἐς τοὺς πολεµίους ἰόντες ἔν τε τοῖς Περσῶν βασιλείοις γινόµενοι ἢ ἐµπορίας ὀνόµατι ἢ τρόπῳ ἑτέρῳ, ἔς τε τὸ ἀκριβὲς διερευνώµενοι ἕκαστα, ἐπανήκοντες ἐς Ῥωµαίων τὴν γῆν πάντα τοῖς ἄρχουσιν ἐπαγγέλλειν ἠδύναντο τὰ τῶν πολεµίων ἀπόρρητα. οἱ δὲ προὔµαθον
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Besonders Chosrau soll sich darum bemüht haben.47 Zuvor erwähnt Prokop auch, dass der seiner Meinung nach von Justinian ebenfalls vernachlässigte48 cursus publicus ebenfalls entscheidenden Anteil am Informationsstand der römischen Kaiser gehabt habe.49 Das sasanidische Nachrichtensystem war noch zur Zeit atTabaris als al-burud von legendärem Ruf;50 das königliche Wege- und Transportsystem dürfte dabei dem alten achämenidischen (und letztlich auch dem römischen) geähnelt haben.51 Nizam al-Mulk betont sowohl die Bedeutung eines Kuriersystems52 als auch jene umfassender Spionage durch verdeckte Agenten sowohl im In- als auch im Ausland.53 Vergleichbar ist Prokops Erläuterung im Rahmen des Perserkrieges: Von jeher unterhalten Römer wie Perser Kundschafter, die sich heimlich ins Feindesland begeben, alles ausspionieren, was dort geschieht, und nach ihrer Rückkehr ihren Vorgesetzten davon berichten. Viele bleiben ihrer Seite treu, manche verraten aber auch der anderen ihre Geheimnisse. Ein solcher persischer Spion, der eigentlich gegen Rom eingesetzt worden war, erschien vor Justinian und verriet unter anderem, dass sich bald ein Massagetenstamm zum Schaden der Römer nach Persien begeben, von dort ins römische Gebiet weiterziehen und sich da mit dem persischen Heer verbinden wollte. Justinian kannte die Ehrlichkeit seines Gegenübers aus Erfahrung und brachte ihn gegen hohe Summen dazu, sich zu dem Martyropolis belagernden Perserheer zu begeben, um zu melden, die Massageten hätten sich vom Kaiser kaufen lassen und würden sich nun gegen die Perser
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ἐφύλασσόν τε καὶ ἀπρόοπτον οὐδὲν ξυνέπιπτε σφίσι. τοῦτο δὲ τὸ χρῆµα κἀν τοῖς Μήδοις ἐκ παλαιοῦ ἦν. Veh übersetzt mit „Statthalter“ etwas frei, besser wäre „zuständige Stelle“ oder „Vorgesetzter“, wie bei Prok. Bell. 1,21,11 von ihm übertragen wird. Zu der Stelle auch Heil 2006, 143, Anm. 1. Prok. HA 30,13. Prok. HA 30,8–11; Dvornik 1974, 128, 143, 146. Prok. HA 30,2; Bréhier 1949, 264f. At-Tabari 836. Miri 2012, 104. Nizam al-Mulk 14,1. Man solle Kuriere entlang der Hauptstraßen stationieren und sie monatlich besolden und entschädigen, so dass man innerhalb vierundzwanzig Stunden erfahren könne, was im Umkreis von 50 Parasangen vor sich gehe. Nizam al-Mulk 13,1. Es sollten dauerhaft Spione als Händler, Reisende, Sufis, Hausierer und Bettler das Königreich durchmessen und Bericht über alles Gehörte erstatten, damit nichts Unvorhergesehenes geschehe und man reagieren könne, es seien schon oft Anschläge auf einen König so vereitelt worden. Über den Zustand der Bauern, sei er gut oder schlecht, solle sich ein König auch auf diese Art informieren, ebenso über die Absichten fremder Könige; so über Kriegsvorbereitungen; vgl. zum Inneren 10,1. Eine Verbindung zwischen diplomatischer Informationsbeschaffung und „Inlandsgeheimdienst“ bzw. „Spionageabwehr“ liegt bei Barhad-beshabba, hist. eccl. 613 [ed. Nau], nahe, da für die Zeit gegen Ende des 5. Jahrhunderts oder zu Beginn des 6. (Greatrex/Lieu 2002, 260, Anm. 90) davon berichtet wird, dass die Mitbürger des Narses diesen bei einem durchreisenden Gesandten des Großkönigs, der ins Imperium unterwegs ist, der Spionage für die Römer bezichtigen. Der Gesandte habe angekündigt, ihn bei seiner Rückkehr deshalb kreuzigen zu lassen. Der Tod des Gesandten verhindert das.
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wenden. Die persischen Anführer wussten daraufhin vor Angst nicht, wie sie handeln sollten.54 Bemerkenswert ist daran weniger der Umstand, dass es auf beiden Seiten Agenten und (bereits bewährte) Doppelagenten55 gibt, was nahe liegt, sondern vor allem, dass diese ihren Vorgesetzten Bericht erstatteten. Wenn es keine Organisation der Informationsbeschaffung jenseits der militärischen Aufklärung gegeben hätte, wem sollten diese Spione dann Bericht erstattet haben? Im Rahmen welcher Strukturen wäre es möglich gewesen, einen übergelaufenen persischen Spion vor den Kaiser persönlich zu bringen, wenn es keine dafür Zuständigen gegeben hätte? Dies sind Indizien dafür, dass es Stellen gegeben haben muss, an denen die gesammelten Informationen zusammenliefen und die diese verwalteten und organisierten.56 Besonders auffällig hinsichtlich der Geheimhaltung ist an dieser Episode auch, dass es Justinian persönlich ist, dem der Spion vorträgt. In Anbetracht einer Bemerkung in den Anekdota57 ist davon auszugehen, dass Prokop dies wörtlich meint, also der Kaiser in der Tat persönlich den Bericht des Mannes zur Kenntnis nimmt. Was in Anbetracht der erhabenen Stellung des byzantinischen Kaisers ungewöhnlich erscheint, ist letztlich ein praktisches und offenbar nötiges Vorgehen, denn es hätte sich wohl kein Kaiser dazu herabgelassen, wenn es nicht nötig gewesen wäre: Damit die geplante Operation funktionieren konnte, musste der Umstand, dass es sich bei dem persischen Spion um einen Doppelagenten 54 Prok. Bell. 1,21,11–16. Nechaeva 2004, 140; Heil 2006, 143, Anm.1. 55 Bei Nechaeva 2004, 140, wird die auch künftig ausgeübte Doppelagententätigkeit des Spions als Möglichkeit dargestellt; vgl. Nechaeva 2014, 162. Zum Thema der Doppelagenten vgl. Nechaeva 2012, 196. In Anbetracht dessen, dass er schon länger im Rahmen seiner Spionagetätigkeit für das Sasanidenreich persische Informationen an Justinian verriet, ist stark davon auszugehen. Das hängt auch vom Verständnis des Begriffes „Doppelagent“ ab. Nach konventionellem Verständnis handelt es sich um einen von zwei Seiten beauftragten Agenten, wobei er in der Regel die Tätigkeit für die eine Seite nur im Sinne der anderen ausnutzt. Es ist auch denkbar, dass keine Seite von der doppelten Tätigkeit weiß und der Agent somit unbekannte Ambitionen verfolgt; praktisch unmöglich ist aber, dass er im Interesse beider Auftraggeber gleichzeitig handelt. Der übliche Weg eines Agenten, zum Doppelagenten zu werden, ist die Einschleusung in nachrichtendienstliche Institutionen der anderen Seite, worauf aber die Entdeckung durch diese und das „Umdrehen“ folgt. 56 In der Arbeit Lee 1986 wird das Ganze gewissermaßen umgekehrt herausgestellt: Es fällt auf, dass Gesandte über die Absichten des diplomatischen Gegenübers laut den Quellen des Öfteren auf dem Laufenden sind. Denn wie sollte man jemanden zur Verhinderung eines Krieges entsenden, wenn man nicht zuvor in Erfahrung gebracht hat, dass sein Gegenüber Kriegspläne hegt? Dies wird in dem Aufsatz mit military intelligence in Verbindung gebracht. Es ist jedenfalls offenkundig, dass es zum bloßen Funktionieren der in den Quellen geschilderten Diplomatie solider Informationsbeschaffung bedarf. 57 Prokop bemerkt bei HA 15,12, dass Justinian jedermann Audienz gewährte: πολλὴ γὰρ ἀνθρώποις ἐξουσία ἐγίνετο, καίτοι ἀδόξοις τε καὶ ἀφανέσι παντάπασιν οὖσιν, οὐχ ὅτι ἐντυχεῖν τῷ τυράννῳ τούτῳ, ἀλλὰ καὶ κοινολογεῖσθαι καὶ ἐξ ἀπορρήτων συγγίνεσθαι. – „Selbst ganz schlichte und einfache Leute hatten volle Freiheit, diesem Tyrannen nicht nur zu begegnen, sondern auch mit ihm zu sprechen und sogar insgeheim zusammenzukommen.“ (Übers. Veh.)
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handelt, geheim bleiben. Zudem wäre es für künftige Kontakte zwischen den beiden Herrschern ungünstig gewesen, wenn sich diese Handlung Justinians herumgesprochen hätte, da sie geeignet war, das römisch-sasanidische Verhältnis zu belasten. In Anbetracht der offenbar von beiden Seiten angestrebten Informationssammlung und der Bereitschaft vieler Leute, gegen Geld Verrat zu begehen, ist der sicherste Weg zur Geheimhaltung einer Operation, wenn möglichst wenige Personen überhaupt von ihr Kenntnis haben und in sie involviert sind. Der Weg zwischen dem Spion, der über die Informationen verfügt und die Operation durchführen soll und dem Kaiser, der letztlich die Operation bestimmt, darf möglichst wenige Zwischenschritte aufweisen. Im konkreten Fall weist er unter Umständen überhaupt keinen Zwischenschritt auf, denn wenn der Spion bewährt war, konnte er darauf verweisen, wichtige Informationen für Justinian zu haben und letztlich zu ihm persönlich gelangen, ohne jeder Stelle zu erklären, was er genau zu verraten hatte.58 Denn an jedem Zwischenschritt zum Kaiser könnte sich jemand befinden, der den Spion wiederum der persischen Seite verrät, die ihm im folgenden misstrauen würde. Auch bei der Planung der Operation verhält es sich so: alle, die in die Bestechung des Spions und die Planung involviert sind, könnten Verrat begehen. Im von Prokop geschilderten Fall sind es daher nur der Kaiser und der Spion (und wohl noch wenige Vertraute im Hintergrund, die alles in die Wege leiten, aber nicht jedes Detail kennen müssen).59 Prokop wiederum wird von der Operation später durch Hermogenes erfahren haben,60 da er im letzten Satz vor dem Exkurs dessen Rückkehr aus Konstantinopel bei Sittas beschreibt. Es wird impliziert, dass es Hermogenes war, der Sittas über die Operation in Kenntnis setzte, da dieser im Rahmen seiner Feldherrenstellung offenkundig davon informiert werden musste.
58 Außerhalb der Spionage, aber doch bezüglich der Weiterleitung vertraulicher Berichte an den Kaiser bestätigt dies Agath. hist. 3,3,1f. durch eine ähnliche Schilderung: Als es in Lazien zunehmend zu Differenzen zwischen König Gubazes und den römischen Befehlshabern kommt, wird Johannes, der Bruder des Rustikos, von diesem und Martinos nach Konstantinopel geschickt, um Gubazes vor Justinian des Verrats zu bezichtigen. Justinian gewährt Johannes in dieser vertraulichen Angelegenheit eine geheime Audienz. Der folgende Dialog wird literarisch geformt sein, aber der Sachverhalt an sich erscheint bei Agathias als kein ungewöhnlicher. Zudem erwähnt Agathias ebd. 3,3,7 ein den Vorgang bezeugendes Dokument, da er schreibt, dass Justinian seine Meinung, die er Johannes während der Audienz mitgeteilt hat, auch in einem Brief an die Feldherren in Lazien sandte. 59 Es ist auch denkbar, dass dieses Vorgehen den zusätzlichen Effekt haben sollte, dass man bei einem möglichen erneuten Verrat des Spions auf sasanidischer Seite vielleicht nicht geglaubt hätte, dass er persönlich mit dem Kaiser reden durfte, so dass dies die generelle Glaubwürdigkeit seiner Angaben in Zweifel gezogen hätte. Das wäre aber in der Tat nur ein Nebeneffekt. 60 Bei Colvin 2013, 579, wird auf die Idee verwiesen, dass Prokops Quellen zumeist jene abseitigen Akteure gewesen sein werden, die er namentlich erwähnt. Zu Hermogenes und Malalas siehe Anhang 1 der vorliegenden Arbeit.
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Prokop konnte die Episode später in sein Geschichtswerk aufnehmen, da die Operation lange abgeschlossen, vergangen und somit auch nicht mehr geheimzuhalten war. Nachvollziehbar ist im Übrigen auch, dass Justinian den Spion reich entlohnt: denn ein einzelner Doppelagent kann nicht so viel Geld verschlingen, wie die militärische Operation kosten würde, die sein Handeln verhindern soll. Auch dahingehend passt das Handeln Justinians zur generell kosteneffizient betriebenen Diplomatie, mit möglichst geringem Aufwand das Verhältnis zum Sasanidenreich zu modifizieren. Bezüglich spionierender Diplomaten liegt nahe, dass auch sie eng mit dem Kaiser (oder Großkönig) zusammenarbeiteten, um die Geheimhaltung sowohl bei Entgegennahme ihres Auftrages als auch Bereitstellung der ermittelten Informationen zu gewährleisten, wie dies im Fall des Doppelagenten geschehen ist. In einem zwar nicht römisch-sasanidischen, aber gotisch-sasanidischen Kontakt wird dies für die persische Seite direkt belegt: Als Wittigis zwei für Geld gewonnene ligurische Priester als getarnte Gesandte in den Rollen eines Bischofs und seines Dieners zu Chosrau schickt, um dessen Unterstützung im Kampf gegen das Imperium zu gewinnen, schildert Prokop ebenfalls, dass sie zusammen mit ihrem Dolmetscher persönlich zu Chosrau vorgelassen wurden, um ihr Ansinnen vorzutragen.61 Es wurden also Gesandte auf geheimer Mission ähnlich behandelt wie der Doppelagent. Fragt man sich, woher Prokop dies genau gewusst haben will, so gibt er wenig später die Antwort darauf, da er die genauen Umstände schildert, unter denen der Dolmetscher bei seiner Rückreise im Imperium festgenommen und verhört wurde.62 Ein Indiz dafür, dass Spione und verdeckte Agenten keine Seltenheit waren, sondern man sich auf deren Auftreten eingestellt hatte, bietet diese Episode ebenfalls, da es über den Hinweg der gotischen Gesandten heißt: „So gelangten sie, ohne dass ein Römer davon merkte, nach Persien; man handhabte dort auch – es
61 Prok. Bell. 2,2,1–4. Gillett 2003, 220f. Es fällt in dieser Episode auf, dass Wittigis, anders als Kaiser und Großkönige, nicht auf einen derart ausgefeilten Apparat von Gesandten und verdeckten Agenten zurückgreifen konnte: Es wirkt einigermaßen improvisiert, dass er passende Kandidaten für die Mission erst bestechen muss, die sich wiederum selbst einen Dolmetscher suchen müssen, also offenbar nicht die nötigen Sprachkenntnisse besitzen, ihre Mission alleine auszuführen. 62 Prok. Bell. 2,14,11f. Ein sich in die Geschehnisse einfügendes Detail ist im Übrigen, dass die beiden Gesandten nicht zu Wittigis zurückkehrten, sondern einer vor Ort starb und der andere sich in Persien niederließ. Der Grund für das Ausbleiben der Rückkehr dieses Mannes wird sein, dass die Gesandtschaft in die Jahre 538 oder 539 fallen wird, Prokop die Verhaftung des Dolmetschers aber im Rahmen der Geschehnisse 540 erwähnt, der Fall des Wittigis also bekannt wurde, bevor der überlebende Gesandte die Rückreise antreten konnte. Dies spricht auch für die Geschwindigkeit, mit der sich Informationen bis ins Sasanidenreich verbreiteten.
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war ja Friede – die Überwachung nicht allzu streng.“63 Daraus lässt sich schlussfolgern, dass nach Prokops Meinung eine strengere Überwachung im Konfliktfall üblich war. Auf dem Rückweg gelingt es römischen Kräften schließlich auch, die rückkehrenden Dolmetscher festzunehmen. Während bereits diese Episode der in Verkleidung agierenden gotischen Gesandten kaum mehr der heute gängigen Vorstellung diplomatischer Tätigkeit, sondern dem Kreis der Geheimdienste angehört, wird dies durch eine Episode aus dem zweiten Buch der Bella noch überboten:64 Chosrau setzt mittels des persarmenischen Befehlshabers Nabedes den Bischof von Dubios für eine Gesandtschaft an den magister militum per Armeniam Valerianos ein, bedient sich also einer nicht seltenen diplomatischen Methode, indem er Akteure aussendet, auf deren Aufnahme bei der Gegenseite er hoffen kann und die nicht unmittelbar in seinem Dienst stehen (track-two-diplomacy).65 So argumentiert der Bischof auch, indem er zeigt, als Christ den Römern gegenüber positiv eingestellt zu sein und vermittelt, bei Chosrau ein Wort für die römische Sache einlegen zu können – wie es wohl auch sein Auftrag gewesen sein wird, um Vertrauen zu erzeugen. Nun wurde er im Rahmen der diplomatischen Mission aber von seinem Bruder begleitet, der zum Verräter wird und Valerianos die derzeitige schwache Situation des Chosrau erläutert, was Valerianos wiederum Justinian mitteilt, der auf Basis dieser Information einen Einfall in Persarmenien anordnet. Es funktioniert also in diesem Fall diplomatische Informationsbeschaffung auch in der umgekehrten Richtung: Denn gewöhnlich wird davon ausgegangen, dass Gesandte Informationen sammeln, hier aber kommt es dazu, dass ein Gesandter Informationen an die Gegenseite verrät. Es lässt sich weder sagen, ob dies mit Duldung oder auch nur Wissen seines Bruders geschehen ist, noch ob er dadurch Vorteile erlangt hat, aber letztlich ist er eine Art diplomatischer Doppelagent geworden, der für die eine Seite agieren soll, aber diese währenddessen an die andere verrät. Valerianos scheint dem gegenüber sehr aufgeschlossen gewesen zu sein. Es lässt sich mutmaßen, dass eine andere Stelle im Werk Prokops einen Fall diplomatischer Informationsbeschaffung schildert, der all diese Fälle in sich zusammenfasst und sogar noch überbietet: Er stellt fest, dass in Vorbereitung eines stabilen Friedensschlusses der sasanidische Gesandte Isdigusnas zu Justinian kommt und eine eigentümliche Behandlung erfährt; also kam der Barbar als Gesandter nach Byzanz und brachte auch seine Frau nebst zwei Töchtern mit, die ihm als Vorwand für das zahlreiche Gefolge dienen mußten. Als er dann vom Kaiser in Audienz empfangen wurde, konnte er sich weder im Großen noch im Kleinen zu irgendeiner wichtigen Angelegenheit äußern, hielt sich aber trotzdem nicht weniger als zehn Monate auf römischem Boden auf. Er übergab dem Kaiser die üblichen Geschenke und auch ein 63 Prok. Bell. 2,2,3 (Übers. nach Veh): […] ἅπαντάς τε Ῥωµαίους λαθόντες ἐς τὰ Περσῶν ἤθη ἀφίκοντο. ἅτε γὰρ ἐν σπονδαῖς καθεστῶτες οὐκ ἐς τὸ ἀκριβὲς ταύτῃ ἐφύλασσον. 64 Prok. Bell. 2,24,6–10. 65 Siehe dazu das 17. Kapitel der vorliegenden Arbeit. PLRE IIIB, Nabedes, S. 909; Valerianus 1, S. 1355–1361.
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Schreiben des Chosrau, in dem er Justinian um Auskunft bat, ob er sich bester Gesundheit erfreue. Diesem Isdigusnas aber erwies Kaiser Justinian von allen Gesandten, die wir kennen, die freundlichste Aufnahme und hielt ihn hoch in Ehren. Er ließ daher auch, wenn er ihn zur Tafel zog, seinen Dolmetscher Bradukios mit zu Tische liegen, eine Auszeichnung, wie sie niemandem je zuvor zuteil wurde. Denn keiner hatte es jemals erlebt, dass ein Dolmetscher mit einem niederen Würdenträger, geschweige denn mit dem Kaiser, den Tisch teilte. Der Herrscher empfing diesen Mann aber auch mit größerem Gepränge, als einem Gesandten entsprach, und ließ ihn ebenso auch wieder ziehen, obschon die Gesandtschaft, wie schon gesagt, keinen eigentlichen Zweck verfolgte. Wollte man nämlich die Aufwendungen berechnen, dazu die Geschenke, die Isdigusnas alle von Byzanz mitnahm, so fände man, dass sie mehr als zehn Kentenarien Gold ausmachten.66
Die Stelle wirft viele Fragen auf. Was die Inhaltsarmut der Gesandtschaft angeht, die keine Botschaft zu haben scheint, impliziert Prokop zumindest durch den Kontext, dass dies in dem Umstand begründet liegt, dass Isdigusnas eigentlich gar nichts verhandeln sollte, sondern nur auf dem Hinweg nach Konstantinopel mit seinem großen Gefolge in Daras einquartiert werden sollte, um die Stadt in Brand zu setzen und für die persische Einnahme vorzubereiten. Da dies durch die Aussage eines Überläufers scheiterte, musste er nun wohl oder übel die Gesandtschaft fortsetzen, die überhaupt nicht als solche geplant war und daher auch keinen gewichtigen Inhalt haben konnte.67 Das große Gefolge lässt sich auch durch diese Episode erklären.68 Offenkundig ist im Übrigen, dass Prokop Isdigusnas nicht mochte und offen als einen sehr schlechten Vertreter seines Volkes, sittenlos, gewalttätig, angeberisch und hochmütig beschreibt.69 Jenseits dessen lässt diese Episode nun etliche Schlüsse zu: Glaubt man Prokop, hat sich der Gesandte auf dem Hinweg durch den versuchten Handstreich auf Daras, der ruchbar wurde, in den Augen der römischen Seite auf das Schwerste 66 Prok. Bell. 2,28,38–44 (Übers. nach Veh): […] ὁ βάρβαρος οὗτος ὡς πρεσβεύων ἐς Βυζάντιον ἦλθε, τήν τε γυναῖκα καὶ θυγατέρας ἐπαγόµενος δύο (τοῦτο γὰρ ἦν αὐτῷ τὸ παραπέτασµα τοῦ ξυνεληλυθότος ὁµίλου), τῷ τε βασιλεῖ ἐς ὄψιν ἥκων ἀµφὶ µὲν τῶν σπουδαίων τινὶ οὐ µέγα οὐ µικρὸν ἴσχυσεν εἰπεῖν, καίπερ οὐχ ἧσσον ἢ µῆνας δέκα κατατρίψας ἐν Ῥωµαίων τῇ γῇ. τὰ µέντοι δῶρα παρὰ Χοσρόου, ᾗπερ εἴθισται, καὶ γράµµατα βασιλεῖ ἔδωκε, δι᾿ ὧν ὁ Χοσρόης Ἰουστινιανὸν βασιλέα σηµῆναι ἠξίου εἴ οἱ τὸ σῶµα ὑγιείας πέρι ὡς ἄριστα ἔχοι. τοῦτον µέντοι τὸν Ἰσδιγούσναν Ἰουστινιανὸς βασιλεὺς µάλιστα πρέσβεων ἁπάντων ὧν ἡµεῖς ἴσµεν ξύν τε πολλῇ φιλοφροσύνῃ εἶδε καὶ διὰ τιµῆς ἱκανῶς ἤγαγεν. ὥστε καὶ, ἡνίκα δὴ αὐτὸν ἑστιῴη, Βραδούκιον, ὅσπερ αὐτῷ ἑρµηνεὺς εἵπετο, ξὺν αὐτῷ ἐπὶ τῆς στιβάδος κατέκλινε, πρᾶγµα πώποτε οὐ γεγονὸς πρότερον ἐκ τοῦ παντὸς χρόνου. ἑρµηνέα γὰρ οὐδὲ τῶν τινι καταδεεστέρων ἀρχόντων, µή τί γε δὴ βασιλεῖ ὁµοτράπεζον γεγονότα οὐδείς ποτε εἶδεν. ἀλλὰ καὶ µεγαλοπρεπέστερον ἢ κατὰ πρεσβευτὴν τὸν ἄνδρα τοῦτον ἐδέξατό τε καὶ ἀπεπέµψατο, καίπερ ἐπ̓ οὐδενὶ ἔργῳ τὴν πρεσβείαν, ὥσπερ µοι εἴρηται, πεποιηµένον. ἢν γάρ τις τάς τε δαπάνας διαριθµήσαιτο καὶ τὰ δῶρα, ὅσα ἐνθένδε κεκοµισµένος Ἰσδιγούσνας ἀπιὼν ᾤχετο, πλέον αὐτὰ κατατείνοντα ἢ ἐς χρυσοῦ κεντηνάρια δέκα εὑρήσει. PLRE IIIA, Braducius, S. 248. 67 Siehe die Episode Prok. Bell. 2,28,15–37; Nechaeva 2012, 196f. 68 Wenn alle im Rahmen des geplanten Anschlages eingesetzten Personen noch zugegen waren, müsste es sich laut Prok. Bell. 2,28,31 um 500 gehandelt haben. 69 Prok. Bell. 2,28,16; 8,11,4.
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kompromittiert, muss sich aber nun zwangsläufig mit dem Kaiser persönlich auseinandersetzen. Trotzdem kommt es dazu, dass Isdigusnas und Justinian oft allein miteinander sprechen – der dazu nötige Dolmetscher ist räumlich so nah dabei, dass es Prokop stört. Die Gespräche finden also unter sechs Augen statt. Dabei ist keiner der besprochenen Inhalte an die Öffentlichkeit gedrungen und nicht einmal an Prokops Ohren, der weit besser informiert gewesen sein dürfte als die breite Öffentlichkeit. Justinian gab Isdigusnas des Weiteren weit mehr Geld als üblich und behandelte ihn in auffällig ehrender Weise. Prokop schätzt diesen Gesandten zudem als skrupel- und prinzipienlos ein. Fasst man all diese Umstände zusammen und vergleicht sie mit den bisher geschilderten Fällen diplomatischer Informationsbeschaffung, so drängt sich ein Schluss förmlich auf: Isdigusnas hat in Konstantinopel die Seiten gewechselt.70 Nachdem er in Anbetracht der gescheiterten Operation vor Daras in den informierten Kreisen Konstantinopels als Schurke erscheinen musste und die Inhaltslosigkeit seiner Gesandtschaft die Vorwürfe zu bestätigen schien, war abzusehen, dass er bei seiner Rückkehr zu Chosrau ebenfalls wenig Lob zu erwarten hätte.71 In dieser Situation bietet ihm Justinian aus Gründen der Geheimhaltung persönlich an, die Seiten zu wechseln und fortan verdeckt im römischen Dienst tätig zu sein. Dafür erhält er reiche Bezahlung. Da er von seiner Familie begleitet wird, hat er wenig zu verlieren. Isdigusnas informiert Justinian also in langen Gesprächen über all die Einsichten, die er im Laufe seiner Tätigkeit für das Sasanidenreich gewonnen hat, denn er hatte in diesem 70 Die Idee, man habe Isdigusnas während seine Aufenthaltes in Konstantinopel auf die römische Seite bringen wollen, wird auch bei Nechaeva 2004, 141–144 zumindest als Möglichkeit in Betracht gezogen: Die hohen Zahlungen an ihn seien kompromittierend. Prokop wird dem Vorhaben gegenüber kritisch eingestellt gewesen sein, sofern er davon wusste. Isdigusnasʼ guter Informationsstand über persische Politik sei auch zu bedenken. Es sei verdächtig, dass seine Behandlung im Sasanidenreich offenbar keinen Argwohn erregt, vielleicht weil er mit persischer Absicht als Doppelagent wirkte, also persisch gesteuerte Informationen an die römische Seite weitergab. Als alternative Begründung des langen Aufenthalts in Konstantinopel wird die Möglichkeit in Betracht gezogen, Justinian habe den Gesandten einfach so lange festhalten wollen, damit er nicht rechtzeitig Informationen über die römische Situation zu Chosrau bringen konnte; auch sei denkbar, dass ihm von römischer Seite bestimmte (Falsch-) Informationen vermittelt werden sollten, ebd. 142f. Das Fazit zur Episode ebd. 144: „The whole story of Isdigousnas is very uncertain, Procopius seems to stick to his individual opinion on the case, but he doesnʼt provide the full description and even satisfactory information, instead he uses the language of hints and discontent both about Justinian and Isdigousnas.“ Browning 1987, 128, sieht dagegen nichts Verdächtiges in der Handlungsweise Justinians und seinen langen Unterredungen mit Isdigusnas, sondern einen Ausdruck seiner Persönlichkeit. Lee 1993b, 167, über die Privilegien des Isdigusnas: „It is not known why this envoy was allowed such freedom, but clearly it was regarded as unusual.“ Es wäre schlussendlich auch denkbar, dass Prokop von der Doppelagententätigeit des Isdigusnas wusste oder sie zumindest vermutete, sie aber in seinem Werk nur andeuten konnte, da Isdigusnas, der noch im Werk Menanders eine wichtige Rolle spielt, bei Abfassungszeit des Prokopischen Werkes weiterhin aktiv war. Siehe S. 286, Anm. 79 der vorliegenden Arbeit. 71 Die Notsituation des Gesandten wird bei Nechaeva 2004 nicht bedacht.
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Land laut Prokop höchste Ämter inne.72 Die Kenntnisse des Isdigusnas konnten umso wertvoller sein, da sein Einsatz im Rahmen der Operation von Daras bereits auswies, dass Chosrau ihm eine Tätigkeit als verdeckter Agent in einem Fall von hoher Wichtigkeit zutraute. Ob diese Informationen alle der Wahrheit entsprochen haben werden, ist eine andere Frage, aber dieses Verhalten hätte doch in Anbetracht der speziellen Situation nahe und im Interesse des Isdigusnas gelegen. Im Hinblick auf seine eigene Zukunft hätte er seine Mission nicht nur verheimlichen, sondern eventuell sogar im Sasanidenreich nach Art eines Doppelagenten später als Erfolg stilisieren können: Er habe dem Kaiser glauben gemacht, für ihn zu arbeiten und dabei seinerseits Informationen gesammelt. So konnte er das Scheitern der Operation von Daras in einen Erfolg umwandeln. Für welche Seite er danach tätig sein würde, konnte von der konkreten Situation abhängen.73 Ein Indiz dafür, dass Isdigusnas mehr als ein bloßer Gesandter war, bietet die Fortsetzung seiner Geschichte im 8. Buch der Bella, da im Interesse einer allgemeinen Friedensregelung wieder Isdigusnas zu Justinian geschickt wird und wiederum von diesem eine nach Prokops Meinung übertrieben gute Behandlung erfährt und mit großem Pomp auftritt. Zudem erklärt Prokop: Bradukios aber kam nicht mehr mit ihm nach Byzanz; denn Chosrau hatte ihn, wie man sich erzählt, umbringen lassen, wobei er ihm nur den einen Vorwurf machte, er sei Tischgenosse des römischen Kaisers gewesen. „Er wäre ja“, meinte Chosrau, „als Dolmetscher niemals vom Kaiser derart ausgezeichnet worden, wenn er nicht die Sache der Perser verraten hätte.“ Einige behaupten aber, Isdigusnas selbst habe ihn verleumdet, dass er mit den Römern zu heimlichen Unterredungen zusammengetroffen sei.74
Es ist offenkundig, dass Bradukios für Isidgusnas ein erhebliches Sicherheitsrisiko bedeutete: Wenn Isdigusnas wirklich für Justinian tätig war (ob er das Chosrau nun verschwiegen oder als raffinierte List angepriesen haben mag), durfte es niemand erfahren. Bradukios aber kannte als Übersetzer der Gespräche zwangsläufig alle Details. Isdigusnas hätte allen Grund gehabt, ihn zu verleumden und so sicherzustellen, dass er nicht nur verschwindet, sondern auch, dass er – wollte er die Sache aufdecken – jegliche Glaubwürdigkeit verlieren würde.75 Denn wer sollte Bradukios glauben, wenn er sich auf die Anschuldigung durch Isdigusnas hin, er arbeite für die Römer, damit verteidigte, in Wahrheit arbeite doch Isdigusnas selbst für die Römer? Eine schlechtere Ausrede kann man sich kaum denken. Zudem verfügte Isdigusnas in der Tat über das stichhaltige Argument, dass Dolmet72 Prok. Bell. 2,28,16; Neachaeva 2004, 143. 73 Diese spezielle Freiheit eines Doppelagenten wird bei Nechaeva 2004 nicht bedacht. 74 Prok. Bell. 8,11,8f. (Übers. nach Veh): Βραδούκιος µέντοι ξὺν αὐτῷ ἐς Βυζάντιον οὐκέτι ἦλθεν, ἐπεὶ Χοσρόην φασὶν αὐτὸν ἐξ ἀνθρώπων ἀφανίσαι, ἄλλο οὐδὲν τῷ ἀνθρώπῳ ἐπενεγκόντα, πλήν γε δὴ ὅτι ὁµοτράπεζος τῷ Ῥωµαίων βασιλεῖ γέγονεν. „οὐ γὰρ ἂν“, ἔφη, „ἑρµηνεύς γε ὢν ἐς τοῦτο ἀξιώµατος πρὸς βασιλέως ἀφίκετο, εἰ µὴ καταπροδοὺς ἔτυχε τὰ Περσῶν πράγµατα.“ τινὲς δὲ τὸν Ἰσδιγούσναν αὐτὸν διαβαλεῖν φασίν, ὡς λάθρα Ῥωµαίοις ἐς λόγους ἔλθοι. 75 Dieser Aspekt kommt bei Nechaeva 2004 ebenfalls nicht vor.
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scher von den Römern in der Regel nicht so geehrt würden wie Bradukios, also etwas Seltsames vorgefallen sein müsse. Tatsächlich war das Verhalten Justinians dem Bradukios gegenüber ja eigentümlich76 – wenn wohl auch eher als Nebeneffekt der geheimen Unterhandlung mit Isdigusnas selbst. Isdigusnas baut seine Stellung in Konstantinopel im Folgenden noch weiter aus. Er führt weiter Verhandlungen und macht Justinian nicht zuletzt große Versprechungen, dass er Chosrau dahin bringen wolle, das persische Heer aus Lazika abzuziehen. Isdigusnas aber heimste so viel Geld wie noch nie ein Gesandter ein und kehrte, glaube ich, als der von allen Persern reichstgewordene nach Hause zurück; denn Kaiser Justinian hatte ihn mit höchsten Ehren ausgezeichnet und verabschiedete ihn mit glänzenden Geschenken. Als einziger von allen Gesandten wurde er nicht überwacht, vielmehr genossen er und alle seine aus Barbaren bestehenden Begleiter – eine sehr stattliche Zahl – große Freiheit und konnten lange Zeit, mit wem sie nur wollten, Verbindung aufnehmen und Verkehr pflegen; auch durften sie sich überall in der Stadt bewegen, nach Belieben einkaufen und verkaufen sowie Abmachungen aller Art treffen und dabei vollkommen frei wie in einer eigenen Stadt verfahren. Kein einziger Römer begleitete sie oder war bei ihnen oder machte den Aufpasser, wie man doch gewohnt war.77
Offenbar hatte Justinian Gründe, Isdigusnas außerordentlich zu vertrauen. Das lazische Versprechen erfüllte sich im Übrigen nicht, Chosrau wollte davon nichts wissen.78 Auch später ist Isdigusnas weiter als persischer Gesandter tätig.79 Nach landläufiger heutiger Ansicht gehört der Fall des Isdigusnas, sofern man ihn so interpretieren will, nicht in die Kategorie der Diplomatie, sondern der Ge76 Die Möglichkeit, dass Bradukios tatsächlich zum Verräter wurde, zieht Hartmann 2007, 65, in Betracht. Nach Garsoïan 1998, 101, wurden Dolmetscher per se als beinahe so etwas wie Verräter und Spione betrachtet; vgl. Hartmann 2007, 64f. In Anbetracht der Menge von Informationen, die ein Dolmetscher im Rahmen seiner Tätigkeit gewinnen kann, ist das Risiko nicht von der Hand zu weisen. Die dahingehend eindrucksvollste, wenn auch sagenhaft und dramatisch geformte Quellenepisode dürfte der Bericht des at-Tabari 1008f. sein, laut dem Herakleios und Shahrbaraz nach ihrer geheimen Unterredung, in der sie sich gegen Chosrau verbündeten, gemeinsam den zwischen ihnen übersetzenden Dolmetscher ermordeten, um keinen Mitwisser am Leben zu lassen. 77 Prok. Bell. 8,15,19f. (Übers. nach Veh): Ἰσδιγούσνας δὲ χρήµατά τε περιβαλόµενος, ὅσα οὐδεὶς πρέσβεων πώποτε, καὶ πάντων, οἶµαι, πλουσιώτατος Περσῶν γεγονὼς ἐπ̓ οἴκου ἀπεκοµίσθη, ἐπεὶ αὐτὸν Ἰουστινιανὸς βασιλεὺς ἐτετιµήκει τε ἐν τοῖς µάλιστα καὶ χρήµασι µεγάλοις δωρησάµενος ἀπεπέµψατο. µόνος δὲ πρέσβεων ἁπάντων οὗτος ἐς πεῖραν φυλακῆς οὐδεµιᾶς ἦλθεν, ἀλλ̓ αὐτός τε καὶ ὅσοι αὐτῷ βάρβαροι εἵποντο πολλοὶ ἐσάγαν ὄντες ἐν πολλῇ ἐξουσίᾳ ἐγένοντο, ἐπὶ χρόνου µῆκος ἐντυγχάνειν τε καὶ ξυγγίνεσθαι οἷς ἂν βούλοιντο, καὶ τῆς πόλεως πανταχόσε περιπάτους ποιεῖσθαι, ὠνεῖσθαί τε καὶ ἀποδίδοσθαι ὅσα ἦν βουλοµένοις σφίσι, καὶ ξυµβόλαια ποιεῖσθαι πάντα ἐργασίᾳ τε τῇ περὶ ταῦτα ἐνδιατρίβειν ξὺν πάσῃ ἀδείᾳ, καθάπερ ἐν πόλει αὐτῶν ἰδίᾳ, Ῥωµαίων αὐτοῖς οὐδενὸς ἑποµένου ἢ ξυνόντος ὅλως ἢ τηρεῖν ἀξιοῦντος, ᾗπερ εἰώθει. 78 Prok. Bell. 8,17,9. 79 So ist er am Vertrag von 561 beteiligt, Men. Prot frg. 6,1 auch später frg. 9,1 u. 3. Dazu Nechaeva 2004, 144, Anm. 28. In letzterem Fragment wird sein Tod erwähnt.
15.3 Die Selbstverständlichkeit der „intelligence“
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heimdienstoperationen,80 demonstriert aber – wie bereits die vorherigen Fälle – durch die Untrennbarkeit der diplomatischen Verhandlungen des Gesandten von seinen verdeckten Tätigkeiten die integrale Verquickung von „diplomatischem“ und „Nachrichtendienst“, die immer wieder mit der Sammlung (und umgekehrt auch dem Verrat) von Informationen zu tun hat. Dies ist nicht nur ein Phänomen des 6. Jahrhunderts: Bereits Ammian beschreibt, wie seine Einheit bei römischen Kundschaftern in Amida eine verschlüsselte Nachricht des im Sasanidenreich befindlichen Gesandten Procopius findet, die in einer Schwertscheide versteckt ist. Darin erstattet der derzeitige Gesandte und spätere Usurpator Konstantinopel vom Verrat des Antoninus und den Vorhaben des Großkönigs Bericht.81 Er übermittelt also auf einem geheimen Weg die Ergebnisse seiner Informationsbeschaffung, während er sich noch im Sasanidenreich im Rahmen seiner Gesandtschaft aufhält.82 Kurzum: Das spätantike römisch-sasanidische Verhältnis war von Spionage auf vielen Ebenen durchzogen und es waren auf der höchsten Ebene vor allem Gesandte, die sich im Rahmen diplomatischer Tätigkeit der Informationsbeschaffung widmen konnten. Dabei fällt auf, dass kein spätantiker Autor Informationsbeschaffung oder gar Spionage als etwas Ehrenrühriges versteht. Aus Prokops Archäologie des Vandalenkrieges lässt sich für diesen Autor sogar das Gegenteil annehmen – und das im Rahmen einer Gesandtschaft! – da er schildert, wie Kaiser Majorian, „der sämtliche römische Kaiser, die jemals den Thron innehatten, durch gute Eigenschaften aller Art übertraf“,83 „mild gegen seine Untertanen, aber furchtbar seinen Gegnern“,84 selbst die Informationsbeschaffung über Geiserich und den vandalischen Gegner in die Hand genommen haben soll: Unter fremdem Namen und mit gefärbtem Haar reiste er als kaiserlicher Gesandter zu Geiserich und brachte selbst
80 Für das byzantinische Reich des 8.–10. Jahrhunderts ist dieses Phänomen bekannt, Koutrakou 139. 81 Amm. Marc. 18,6,17–19; Hartmann 2007, 63; Nechaeva 2012, 192f.; siehe auch Kelly 2011, 123. 82 Es scheint überhaupt möglich gewesen zu sein, geheime Nachrichten zu verschicken, so berichtet Men. Prot. frg. 20,1,29–33 zeitlich nach dem Fokus der vorliegenden Arbeit von dem römischen Richter Asterios, der in persische Gefangenschaft geraten war und beim Versuch ertappt wurde, den Kaiser schriftlich zu einem Angriff auf die Perser in der für diese momentan schwierigen Situation zu drängen. Er wurde hingerichtet. Es fragt sich, ob es sich bei dem Vorhaben um die Frucht der Geistesgegenwart und des Einfallsreichtums eines durch Zufall in Gefangenschaft geratenen Juristen handelte, der darauf hoffte, den Kaiser mit der Macht seiner Argumente überzeugen zu können – sofern die Nachricht denn überhaupt ankäme – oder nicht vielmehr die missglückte Tat eines absichtlich in Gefangenschaft geratenen Agenten, der seiner Spionagemission nachging. 83 Prok. Bell. 3,7,4 (Übers. nach Veh): […] ξύµπαντας τοὺς πώποτε Ῥωµαίων βεβασιλευκότας ὑπεραίρων ἀρετῇ πάσῃ [...] 84 Prok. Bell. 3,7,14 (Übers. nach Veh): […] εἰς τοὺς ὑπηκόους µέτριος γεγονὼς, φοβερὸς δὲ τὰ ἐς τοὺς πολεµίους.
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in Erfahrung, was er wissen wollte.85 Wahrscheinlich will Prokop damit auch den Gegensatz zwischen dem mutigen und tatkräftigen Kaiser der Vergangenheit, der Spionage sogar in die eigene Hand nahm, und dem ungeschickten Justinian seiner Gegenwart, der die Nachrichtenbeschaffung eingeschränkt hat, aufzeigen. In jedem Fall aber demonstriert diese Episode die Bedeutsamkeit, die Prokop der Informationsbeschaffung – nicht zuletzt über Gesandte – zumisst. In diesem Sinne kritisiert er Justinians Vernachlässigung der Geheimdienste (wie so viele andere Aspekte seiner Regierung) in den Anekdota offen auf das Schärfste: „Seitdem waren die Rückschläge an der Tagesordnung, und auch Lazien ging an die Feinde verloren; denn die Römer wussten nicht, wohin in aller Welt der Perserkönig mit seinen Streitkräften gezogen war.“86 Somit erkennt Prokop in Geheimdienstoperationen fundamentale Elemente römischer Politik und Planung von erheblichen Konsequenzen. Die Gesandten müssen sich offenkundig nicht schämen, einen Beitrag zu diesem bedeutenden Element zu leisten. Auch im Gotenkrieg demonstriert Prokop beiläufig die Selbstverständlichkeit, mit der Gesandte diesem Teil ihrer Arbeit nachkommen: Als Theodahat seine Güter Justinian verkaufen will, wendet er sich an zwei römische Gesandte, die Bischöfe Demetrios und Hypatios, die ausschließlich religiöser Fragen wegen beim Papst in Rom sind, damit sie dieses Ansinnen an den Kaiser weiterleiten.87 Noch im selben Kapitel schickt Justinian den Gesandten Alexandros zu den erwähnten beiden Bischöfen unter einer als Vorwand erdachten Mission nach Rom, um Erkundigungen über Amalasunthas Lage einzuziehen. Er reist zu ihr nach Ravenna, überreicht Briefe der vorgeblichen Mission wegen und spricht heimlich über den wahren Grund des Kommens mit Amalasuntha. Diese hält öffentlich eine Rede zu der Mission, heimlich verständigt sie sich aber mit dem Gesandten.88 Die Gesandten kehrten nun nach Byzanz zurück und erstatteten Kaiser Justinian eingehenden Bericht, Alexandros über die Entschlüsse Amalasunthas, Demetrios und Hypatios über die mündlichen Erklärungen Theodahats; als mächtiger Herr in Tuscien und als Besitzer des meisten Landes dort könne dieser nach ihrer Auffassung seine Zusagen leicht erfüllen.89
Die Gesandten berichten also nicht nur das Vorgefallene, sondern geben auch eine fachliche Einschätzung zum Thema. Im nächsten Kapitel ist es der Gesandte Pet85 Prok. Bell. 3,7,6–11; Nechaeva 2012, 190f.; Nechaeva 2014, 156f. 86 Prok. HA 30,14 (Übers. nach Veh): ἐξ οὗ δὴ ἄλλα τε πολλὰ ἡµαρτήθη καὶ Λαζικὴ πρὸς τῶν πολεµίων ἑάλω, Ῥωµαίων οὐδαµῆ πεπυσµένων ὅποι ποτὲ γῆς ὁ Περσῶν βασιλεὺς ξὺν τῷ στρατῷ εἴη. 87 Prok. Bell. 5,3,4f. u. 9. 88 Prok. Bell. 5,3,13–28. PLRE IIIA, Alexander 1, S. 41f. 89 Prok. Bell. 5,3,29 (Übers. nach Veh): οἱ δὲ πρέσβεις ἐς Βυζάντιον ἐπανήκοντες ἅπαντα Ἰουστινιανῷ βασιλεῖ ἤγγειλαν· Ἀλέξανδρος µὲν ἅπερ τῇ Ἀµαλασούνθῃ δοκοῦντα εἴη, ∆ηµήτριος δὲ καὶ Ὑπάτιος ὅσα Θευδάτου λέγοντος ἤκουσαν, καὶ ὡς δυνάµει µεγάλῃ ἐν Τούσκοις ὁ Θευδάτος χρώµενος, χώρας τε ἐνταῦθα τῆς πολλῆς κύριος γεγονὼς, πόνῳ ἂν οὐδενὶ τὰ ὡµολογηµένα ἐπιτελεῖν οἷός τε εἴη.
15.3 Die Selbstverständlichkeit der „intelligence“
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ros, der von Justinian mit einem Vorwand auf eine diplomatische Mission geschickt wird, um in Wahrheit geheime Absprachen treffen zu können. Später schreibt er darüber einen Bericht und schickt ihn Justinian.90 Wenn man sich fragt, woher Prokop diese offenkundig streng geheimen Vorgänge gekannt haben kann, so bieten diese Stellen den Schlüssel: Er kannte sie offenbar aus den Berichten, die von den Gesandten abgegeben wurden und die Belisar später einsehen musste, um für den Gotenkrieg vorbereitet zu sein. Im Rahmen seiner Tätigkeit bei Belisar wird Prokop die Möglichkeit gehabt haben, diese Schriftstücke ebenfalls zu konsultieren. Generell sind Gesandtschaftsberichte der Schlüssel zu einem weitreichenderen Verständnis der Natur diplomatischer Informationsbeschaffung: Zwei spätantike Geschichtswerke, die in größeren Fragmenten erhalten sind, gehen mit ziemlicher Sicherheit auf diplomatische Informationssammlungen zurück, da sie von Autoren geschrieben wurden, die auf diesem Gebiet tätig waren, einerseits das des Olympiodor von Theben und andererseits jenes des Priskos von Panion; ersteren führten Gesandtschaftsreisen etwa in den Donauraum und zu den Blemmyern, letzteren an den Hof Attilas.91 Unter den späteren vermittelt Menander Protektor viel diplomatisches Material, so aus den Aufzeichnungen des Petros Patrikios wie wohl auch Gesandtschaftsberichten.92 Dazu kommt noch eine Stelle bei Malalas, die zum großen Teil wortwörtlich einem Gesandtschaftsbericht entnommen sein dürfte und die eine Gesandtschaft zu den Axumiten unter Angabe
90 Prok. Bell. 5,4,17–21. 91 Zu Olympiodor Matthews 1989, 44; Greatrex 1994, 15; Lee 2009, 8–10; zu Priskos Whitby 1992, 300f.; Greatrex 1994, 15; Elton 2014, 240. Nechaeva 2014, 141–144, 153; vgl. Lee 1993b, 168f. PLRE II, Olympiodorus (of Thebes) 1, S. 798f. Gillett 2003, 30f., wendet sich gegen die Deutung, dass die des Öfteren in den excerpta de legationibus fragmentarisch überlieferten Geschichtswerke dieser Zeit „a shift in fifth- and sixth-century eastern historiography from warfare to diplomacy as the main emphasis of historia, a shift which in turn reflects the increasingly formalised relations between the Roman and Persian states“ widerspiegeln, sondern geht davon aus, dass der diplomatische Fokus der erhaltenen Fragmente dem Thema der exzerpta de legationibus geschuldet ist, in denen der Sache gemäß nur Textstellen aufgenommen wurden, in denen es um Gesandtschaften geht. Auch Photios sei speziell an diesem Thema interessiert gewesen, da er sein Werk auf Bitten seines diplomatisch tätigen Bruders zusammenstellte. Vgl. Elton 2014, 241. Der diplomatische Hintergrund im Leben der Autoren wird dabei nicht berücksichtigt. Zu Priskos und seiner Informationssammlung Tausend 2004, 819; vgl. dagegen Stickler 2007, 76. PLRE II, Priscus 1, S. 906. 92 Über Menanders Türkenbericht Dvornik 1974, 170: „Menanderʼs report also contained many geographical details on the regions through which the envoys passed, details which were gladly received by the Byzantines as important intelligence on these foreign countries.“ Vgl. Nechaeva 2014, 143f., 153. Die Beobachtung ist richtig, wenn sie auch verkennt, dass diese Informationen wohl nicht nur „gladly received“ wurden, sondern es ein von Anfang an geplanter Bestandteil römischer Gesandtschaften war, solche Informationen zu erlangen.
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von auffälligen Details beschreibt,93 zudem seine Schilderung der Investitur des Lazenkönigs.94 Auffällig sind die stilistischen Parallelen, die Fragmente aller drei Autoren verbinden und zu markant sind, um bloße Zufälle sein zu können: Alle drei weisen eine enorme und für die antike Geschichtsschreibung untypische Detailfülle auf, deren Zweck nicht in jedem Fall zu erkennen ist. Wohl durch das Interesse des Exzerptors Photios bedingt, lässt sich feststellen, dass Olympiodor immer wieder erstaunliche bis kuriose Details über fremde Länder berichtet hat, was sich bei Priskos ins Prinzipielle steigert: In Anbetracht dessen, dass Priskos keine Autobiographie, sondern ein Geschichtswerk schrieb, ist der darin zu findende und in der ersten Person verfasste Bericht über die Gesandtschaftsreise zu Attila, an der er teilnahm, von enormer Länge und geradezu romanhafter Detailfülle. Nach Art eines literarischen Reisetagebuchs hält Priskos Personen, Gespräche, Beobachtungen, Wege, Bräuche, gesellschaftliche Veranstaltungen und sonstige Ereignisse genau fest. Selbst wenn vieles davon im Nachhinein im Sinne des Geschichtswerkes stilisiert sein sollte, ist dies alles doch nur damit zu erklären, dass Priskos tatsächlich vor Ort so viel wie möglich festhielt – und um es dann literarisch gestalten zu können, musste er noch viel mehr aufgeschrieben und sich gemerkt haben, um eine angemessene Auswahl für sein Geschichtswerk treffen zu können. Es ist den Fragmenten des Priskos deutlich die Handschrift des Gesandtschaftsberichtes zu entnehmen. Selbst in dem kurzen Ausschnitt des Berichtes, den Malalas zitiert, ist noch ein Stil zu erkennen, der Priskos Detailfülle in der Schilderung des Hunnenhofes und seiner Kultur ähnlich ist: sogar kleine kulturelle Details im Rahmen des diplomatischen Kontaktes werden aufgenommen. Auch Menanders Exkurse verweisen auf solche Quellen.95 All dies deutet darauf hin, dass Gesandte Berichte schrieben, in denen sie möglichst viele Informationen festhielten, die sie im Rahmen ihrer diplomatischen Tätigkeit über den Empfänger der Mission, sein Umfeld und sein Land in Erfahrung bringen konnten. Der Zweck der auf den ersten Blick wahllosen Detailfülle besteht darin, dass jede Information – mag sie derzeit noch 93 Ioh. Mal. 18,56: vgl. Theophan. Conf. a. 6064. Ausführlich in der Arbeit Kawar 1960a untersucht.; vgl. Pigulewskaja 1969, 182; Nechaeva 2014, 142f., 153. Scott 1992, 165, als Fazit dazu: „[...] this collection of short entries by Malalas, however unsatisfactorily brief they are, gives a remarkably clear picture of the course of this diplomatic tussle. It also appears to be based on excellent evidence, though that evidence appears to be confined almost entirely to diplomatic negotiations with scarcely anything on actual hostilities. […] [Malalas] would have seen and read in the course of his work many of the reports from diplomats who are likely to have been briefed and debriefed in the office of the comes Orientis in Antioch. Malalasʼs account may be brief and disjointed but he remains an excellent source.“ Als weniger zuverlässiger Bericht Smith 1954, 449. Zu den diplomatischen Quellen des Malalas siehe Anhang 1 der vorliegenden Arbeit. 94 Ioh. Mal. 17,9; Nechaeva 2014, 208–220. 95 Besonders deutlich über Gesandtschaften Men. Prot. frg. 10,1; 10,3; 10,4; 10,5; 12,6; 18,6; 19,1; 21; 23,9; 25,1; 25,2; 26,1 Whittow 2018, 282, sieht ebenfalls in Gesandtschaftsberichten dahingehende Quellen Menanders.
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so banal erscheinen – in künftigen diplomatischen Kontakten von Vorteil sein kann.96 Das Wissen lässt sich instrumentalisieren, wenn die richtige Situation zu seinem Einsatz gekommen ist. Allein schon dieser Detailfülle wegen versteht sich, dass solche Berichte niedergeschrieben und archiviert werden mussten, da sie eben nicht nur für die Gegenwart als Rapport in Konstantinopel, sondern offenbar auch für ihre zukünftige Verwendung geschrieben wurden.97 Auch in anderen Quellen finden sich Spuren der Benutzung solcher Berichte, so bei Prokop, wenn eine Einführung in fremde Weltgegenden gegeben werden soll. Sowohl bei der Schilderung lazischer Verhältnisse als auch dem Exkurs zum südarabisch-ostafrikanischen Raum spielen wirtschaftliche Zusammenhänge eine Rolle, die sonst außerhalb des prokopischen Gesichtskreises liegen, und daher wohl der Quelle geschuldet sind. Es lässt sich wiederum an Gesandtschaftsberichte denken.98 Auch bezüglich des Empfangs fremder Gesandter wurden wohl Informationen festgehalten. So berichtet Prokop, im 21. Regierungsjahr Justinians seien vier Gesandte der tetraxitischen Goten zu Justinian gekommen und baten ihn in der Öffentlichkeit um Entsendung eines Bischofs für ihr Volk. Im Geheimen aber stellen sie Justinian ihre Bedeutung für eine Strategie des divide et impera unter den benachbarten Völkern vor.99 Prokop kann nicht während des geheimen Teils zugegen gewesen sein und es hätte wohl auch niemand der wenigen Anwesenden das Risiko auf sich genommen, Prokop davon zu erzählen – er muss also dahingehende Aufzeichnungen gekannt haben. Dass diplomatische Berichte generell sehr detailliert gewesen sein müssen, zeigt auch Menander Protektor, da er sich über die Schriften des Petros Patrikios äußert, die dieser über den Vertrag von 561 geschrieben hatte, an dessen Aushandlung er wesentlich beteiligt war. Er habe in dem sehr dicken Band genau niedergelegt, was Chosrau und er besprochen hätten und zudem, wie sie es gesagt hätten (wenn auch unter Bemühen des Autors, sich dabei möglichst positiv in Szene zu setzen). Das Werk sei, von dieser Neigung des Autors abgesehen, zuver96 Vgl. Blockley 1992, 133, für den die Umstände aber (aus ebd. 132 u. 166 zu schließen) nicht zur eigentlichen Spionage zu zählen scheinen. Anhand von Beispielen trifft Becker 2020, 30f., die Feststellung, dass Gesandte viel beobachtet haben müssen, was ihnen nützlich war, zumal des Öfteren derselbe Personenkreis in diplomatischen Aufgaben Verwendung fand. 97 Lee 1993b, 167–169; Hartmann 2007, 55, Anm. 14. Zu Gesandtschaftsberichten Nechaeva 2014, 152–155. Zu Gegenmaßnahmen ebd. 144f. u. 156f. Colvin 2013, 581: „Although some have claimed that the existence or accessibility of written reports is unproven, scholarship of the last 30 years has done much to dispel such doubts, and it is no longer possible to argue that there is no evidence for the existence, retention, or availability to late antique historians of numerous classes of documents in archives in Constantinople.“ Bei Dvornik 1974, 174, wird an das ab dem 5. Jahrhundert existente scrinium barbarorum als mögliche Anlaufstelle gedacht. 98 Prok. Bell. 1,20f.; 2,15; 8,2,24f. Für Prokops Benutzung derartigen Archivmaterials vgl. auch Greatrex 1998, 63f.; generell Diplomatenberichte als Quelle Prokops Börm 2007, 157. 99 Prok. Bell. 8,4,11–13.
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lässig. Der Vertrag allein hätte nach Menanders Urteil genug Stoff für ein eigenes Geschichtswerk geboten.100 Eine derartige Detailfülle war in Anbetracht der Bedeutsamkeit des Vertrages ganz besonders wichtig, aber sie zeigt einmal mehr, dass Gesandte Berichte zu schreiben in der Lage waren, die auch kleinste Details berücksichtigten. Hätte Petros das Material nicht vor Ort gesammelt und notiert, hätte er wohl später nicht so viel über die Verhandlungen schreiben können – er war wahrscheinlich wie viele Diplomaten angehalten, auf diese Art und Weise über seine Mission Rechenschaft abzulegen und neugewonnene Informationen herauszustellen.101
100 Men. Prot. frg. 6,2,30–32. 101 Immerhin ist es anhand des Berichtes bei Menander noch nach über 1400 Jahren möglich, sogar protokollarische Aspekte des Vertragsschlusses zu erkennen, wie sie bei Nechaeva 2014, 112–116, untersucht werden.
16 METHODEN V Manipulation und „dark arts“ 16.1 NATUR DER METHODE Bereits im letzten Kapitel wurde mit der Informationsbeschaffung und generellen intelligence ein Gebiet betreten, auf dem die landläufigen Vorstellungen von sauberer und ehrenwerter Diplomatie kaum mehr aufrechtzuerhalten sind, stehen sie doch der geheimen Spionage zu nahe, um von ihr getrennt werden zu können, was in der Spätantike in offenbar noch höherem Maße der Fall war als in der Gegenwart. Während Informationsbeschaffung sich aber auch als etwas begreifen lässt, das im Grunde weder betrügerisch noch hinterhältig ist, da sie als zwangsläufiges Nebenergebnis aller diplomatischen Tätigkeit anfällt, die stets dazu führen wird, dass Diplomaten im Austausch und während des Aufenthaltes in der Fremde nahe den Zentren der Macht mit einer Vielzahl von Informationen konfrontiert sind,1 wird diese Grenze im nachfolgenden Kapitel überschritten. Diplomatische Informationsbeschaffung wurde, als Ausnutzung eines zwangsläufig eintretenden Zustandes, in der Spätantike nicht gescholten und die Gegenmaßnahmen zeigen an, dass man nur bemüht war, Diplomaten der anderen Seite nicht zu viel wissen zu lassen, aber keine Maßnahmen ergriff, um diplomatische Informationsbeschaffung per se abzustellen, vielmehr galt sie wohl auf allen Seiten als mehr oder weniger gegebene Selbstverständlichkeit, die man sich entsprechend auch nicht vorwarf. In dem Moment aber, da ein Element der Täuschung hinzutritt und die Aufgabe eines Diplomaten nicht mehr darin besteht, über Kommunikation das Verhältnis zwischen den Gemeinwesen zu regeln und zugleich Informationen zu sammeln, sondern die Kommunikation nur noch als Vorwand genutzt wird, um über diverse Mittel der Täuschung und Irreführung eine Veränderung des Verhältnisses zu bewirken, wird eine eigene und an sich inakzeptable Kategorie diplomatischen Verhaltens betreten. Dies ist bereits im Fall des Isdigusnas deutlich geworden: Ein bloßes Bemühen um Informationen 1
Lee 1993b, 169: „The fact that there is no more in the way of explicit examples of embassies gaining useful information should not lead one to minimise this particular source; the evidence […] about attempts to limit the opportunities available to foreign embassies for doing this shows clearly that it was an activity which was taken for granted.“ Blockley 1992, 127, bemerkt, wenn auch ohne größere Ausführung, die besondere Rolle der Spionage, da er nicht weiß, „wether or not the spying of Procopius in 357–8 was acceptable behaviour – and both the Romans and the Persians expected such and tried to control it by quarantining the embassies“.
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wäre ihm von Seiten der Römer wohl nicht zur Last gelegt worden, aber durchaus der Umstand, dass er einzig und allein auf eine diplomatische Mission geschickt wurde, um das in Gesandte gesetzte Vertrauen missbrauchen zu können, da er sich so leichter mit seinen Begleitern in Daras einquartieren und diese Stadt einem Einfall der Perser öffnen könnte. Informationsbeschaffung ist ein Gebrauch der Umstände, die Diplomatie sowieso mit sich bringen, derartiges Verhalten aber ein Missbrauch diplomatischer Methoden, um unter Vorspiegelung anderer Absichten das Verhältnis zwischen den Gemeinwesen über Manipulation und List zu verändern. Im Erfolgsfall hätte der Wechsel Darasʼ auf die persische Seite das römischpersische Verhältnis durchaus ebenso stark verändern können wie eine langwierige Vertragsverhandlung und wahrscheinlich sogar noch stärker, wäre dabei aber mit ganz anderen Mitteln bezweckt worden, die der römischen Seite nicht als redlich gelten konnten und der persischen Seite – hätte ein römischer Diplomat dergleichen versucht – ebenso wenig als redlich gegolten hätten. Während Diplomatie generell alle Formen der Modifikation des Verhältnisses zwischen den Reichen bedeuten kann, fallen derartige Maßnahmen in den speziellen Bereich der Manipulation. Denn während Verhandlungen, Symbolhandlungen, Schreiben und Gespräche, ja sogar Kriege und Kriegsdrohungen gemeinsam haben, das sie der anderen Seite eine klare Botschaft senden, die aufgenommen und im Rahmen des kommunikativen Prozesses, der Diplomatie ist, entsprechend beantwortet werden soll, um so im Austausch das gemeinsame Verhältnis zu verändern, wird hier der anderen Seite eine falsche Absicht vorgespiegelt, um eine bestimmte erwünschte Reaktion zu bezwecken, die von der anderen Seite aber nicht in Kenntnis der wirklichen Absicht vorgenommen wird, sondern der bloß vorgegebenen. Die andere Seite wird also getäuscht. In diese Kategorie fallen auch Maßnahmen, die der anderen Seite überhaupt nicht als gezielte Maßnahme ihres Gegenübers deutlich werden, aber ebenso eine Reaktion hervorrufen, die das diplomatische Verhältnis verändern kann: so etwa vertuschte politische Morde, absichtlich herbeigeführte Verzögerungen im diplomatischen Ablauf usw. So gescholten diese Maßnahmen auch sein mögen, ändert das doch nichts daran, dass auch sie einer Form der Modifikation des zwischen Gemeinwesen bestehenden Verhältnisses über Aktion und Reaktion und somit der Diplomatie zuzuordnen sind. Für derartige Maßnahmen gibt es in der modernen Diplomatie den Terminus der dark arts,2 der ihren besonderen Charakter deutlich werden lässt: Sie sind dunkel in zwei Bedeutungen des Wortes – sowohl moralisch verwerflich, als auch möglichst undurchschaubar; zudem sind sie ein Handwerk oder gar eine Kunst, die ein besonderes Können erfordern, da es sich um high-risk-highreward-Strategien handelt: Wenn Sie ans Tageslicht kommen und der anderen Seite (wenn nicht gar der eigenen Öffentlichkeit) bekannt werden, drohen sie das Ansehen diplomatischer und politischer Akteure im In- und Ausland auf das Schwerste zu schädigen. Dies bedeutet im Fall des römisch-persischen Verhältnis2
Sims 2013, 256f.
16.1 Natur der Methode
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ses einen schweren Stand für künftige Verhandlungen, da es sich um ein deutlich nachweisbares Fehlverhalten der einen Seite handelt. Gelingen die Maßnahmen aber, versprechen sie einen Erfolg von enormer Effizienz, der durch bloße Kommunikation entweder nur mit weit größerem Aufwand oder überhaupt nicht zu erreichen wäre. In der althistorischen Forschung hat dieses Phänomen keinen Namen und ist daher höchstens hinsichtlich einzelner Aspekte untersucht worden.3 In den Quellen ist, wenn sich bereits im Allgemeinen nur ein Bruchteil aller diplomatischen Vorgänge dokumentiert findet, im Fall der Manipulation ganz besonders damit zu rechnen, dass viele Vorgänge nicht dokumentiert worden sind – und
3
In der Arbeit Whitby 2008 wird der Ausdruck „dirty tricks policy“ für derartige Vorkommnisse verwendet. Für die Diplomatie der antiken griechischen Poleis behandelt Mosley 1973, 9–17, derartige Methoden ohne Nennung eines bestimmten Terminus mit einer gewissen Selbstverständlichkeit. Treffend Ager 2009, 15, für den Kontakt zwischen hellenistischen Mächten und der römischen Republik, aber auch generell: „The world of diplomacy, ancient or modern, is one that is naturally prone to the problems of culture clash. International diplomacy is the meeting-place of disparate cultures, and not infrequently serves as a sort of unarmed battleground of cultural concepts. Honest misunderstandings lead to sincere mutual bafflement. But diplomacy is also a field of manipulation, of perception, and of posturing. The genuine clash of cultures also provides ample opportunities for choosing to misunderstand: for choosing to regard a remark or action as an insult when no insult was intended, or for choosing to disregard the clearest deliberate affront, all according to the expediency of the moment. Greek and Roman diplomatic conflicts should not be seen as all purely of one type or the other: either genuine misunderstandings or cynical exploitations of cultural differences. Both responses no doubt played a role in the history of the interaction of the two peoples, and it is not always easy or possible to say whether a particular instance of diplomatic friction between Greeks and Romans constituted one or the other (or both at once).“ Da, wie Franklin/Shepard 1992, vii, in der Einleitung des von Ihnen herausgegebenen Bandes feststellen, „In common usage the very word ‚Byzantine‘ suggests intricate diplomatic deviousness“, besteht auf byzantinistischer Seite ebenfalls ein gewisses Bewusstsein für die dark arts. Oder ins Positive gewendet bei Shepard 1985, 233:„Byzantine diplomacy is as much vaunted by modern historians for its wiles and for its ‚long arm‘ as it was by foreign contemporary writers.“ Mullett 1992, 216, fasst diese wiles als eine Art Selbstverständlichkeit auf, denn Listen und Tricks könnten überall Kommunikation kontrollieren und damit auch Macht. Für das 8.10. Jahrhundert in Byzanz stellt Koutrakou 1995, 141, fest: „[...] there were embassies with other purposes than their ostensible aims and where ‚unofficial‘ contacts and gathering of information were the essential ingredients.“ Besonders für das 10. und 11. Jahrhundert in Byzanz beschäftigt sich Shepard 1985 mit „information, disinformation and delay“ in der Diplomatie. Antionopoulos 1992 befasst sich, wenn auch nur anhand weniger Beispiele, mit enger verstandenen „less obvious ends of Byzantine diplomacy“ im 6. Jahrhundert; vgl. Gillett 2003, 8. Mit dem Phänomen spätantiker Geiseln in der römisch-sasanidischen Diplomatie beschäftigt sich der Beitrag Lee 1991; vgl. Lee 2008, 116. Ein ebenfalls von Lee untersuchter Einzelaspekt sind Entführungen und Morde in der spätantiken römischen Diplomatie, denen sich die Arbeit Lee 2009 als einem „clandestine face of Roman diplomacy“ widmet, zu dem aber ebd. 4 festgestellt wird, dass seine Praktiken „largely overlooked in modern scholarship“ seien; teils gegen Lees Annahmen Meier 2015, 637.
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ganz besonders dann nicht, wenn sie erfolgreich waren, da die Verheimlichung stets ein Teil der dark arts ist. Die dark arts bilden keinen Methodenkanon innerhalb der diplomatischen Methoden, da ihre Maßnahmen so vielfältig sind wie die Diplomatie selbst, die sich schließlich auch in jedem kommunikativen Akt zwischen den zwei Seiten äußern kann. Gemeinsam ist ihnen im Fall der Manipulation allerdings stets, dass sie mit dem Mittel der Täuschung, also der Vorspiegelung falscher Tatsachen oder Absichten, agieren. Es finden sich somit etliche Methoden, die auch sonst der Diplomatie zugehören – allen voran Verhandlungen, aber auch Symbolhandlungen und andere – mit einem manipulativen Hintergrund. Da Verhandlung und Kommunikation über Gesandte den traditionellen Kern diplomatischer Methoden bildet, wundert es nicht, dass es wiederum diese Methoden sind, in denen Manipulation besonders zum Tragen kam. Beispielhaft ist Prokops Analyse der Ursachen des römisch-persischen Krieges unter Anastasios und damit einmal mehr ein Fall aus der Archäologie der Perserkriege: Kurze Zeit darauf schuldete Kawadh dem Hephthalitenkönig Geld. Da er nicht bezahlen konnte, bat er den römischen Kaiser Anastasios, ihm den Betrag zu leihen. Der beriet sich daraufhin mit einigen Vertrauten und befragte sie, ob er dem Wunsch entsprechen solle, fand sie aber der Gewährung eines Darlehens abgeneigt. Es sei, wie sie meinten, schädlich, wenn man mit eigenem Geld die Freundschaft der Feinde zu den Hephthaliten stärke. Beide möglichst miteinander zu verfeinden, bringe hingegen den Römern größeren Vorteil. Daher beschloss Kawadh, ohne weitere Veranlassung den Krieg gegen sie zu eröffnen.4
Diese lapidaren Worte, ob ihnen wahre Ereignisse zugrunde liegen mögen oder Prokop stark vereinfacht, zeigen ein Beispiel misslungener Manipulation, das von Prokop mit großer Selbstverständlichkeit präsentiert wird: Laut seiner Meinung wollte Kawadh gegenüber Anastasios mit der Bitte um ein Darlehen keinen Konflikt entzünden, sondern in Ansetzung der diplomatischen Brüderlichkeit und des schon seit vielen Jahrzehnten friedlichen Verhältnisses der Großmächte sein kaiserliches Gegenüber um ein Entgegenkommen bitten, das zudem für beide Seiten Vorteile geboten hätte: Kawadh, der für die Wiedererlangung seines Throns in der Schuld der Hephthaliten steht, bekommt die benötigten Mittel und begibt sich freiwillig in die Schuld des Anastasios, was dieser in Zukunft diplomatisch nutzen könnte. Laut Prokop geht Anastasios nicht darauf ein, allerdings aus einem manipulativen Hintergrund. Es wäre anzunehmen, dass Anastasios ablehnt, da er es schlecht vor den Seinen rechtfertigen kann, römisches Geld als Kredit an fremde Herrscher zu vergeben und sich so politischen Schaden zuziehen könnte. Zudem gilt Anastasios bei Prokop als sehr sparsam.5 Die Verweigerung erfolgt laut Prokop aber nicht aus diesen Gründen, sondern ist in dem Sinne manipulativ, dass mit ihr ein diplomatischer Hintergedanke verknüpft wird, 4 5
Prok. Bell. 1,7,1–3. Zitat siehe oben S. 149, Anm. 29. Prok. HA 19,5 u. 7.
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der nur funktioniert, sofern ihn Kawadh nicht erkennt: Anastasios habe, entgegen der aktuellen Lage und dem brüderlichem Usus, Kawadh als Feind betrachtet und gehofft, dass er sich in Ermangelung des römischen Darlehens mit den Hephthaliten weiter verfeinden würde, was ihm schaden musste. Die Absicht des Anastasios ist bei Prokop also eine manipulative, die auf Schädigung Kawadhs abzielt,6 geht aber nicht auf, da Kawadh in der römischen Ablehnung einen Affront gegen die Prinzipien des römisch-persischen Verhältnisses sieht, da sie der Brüderlichkeit entgegensteht. Entscheidend ist nicht, ob die Schilderung historisch korrekt ist, sondern vielmehr, dass gemäß Prokop auf diese Weise Diplomatie betrieben werden konnte. In diesem Sinne schreibt er auch über den vertragswidrigen Bau der Festung Daras nach dem Frieden von 506, als Kawadh mit einem Hunnenkrieg beschäftigt ist. Nach Beendigung desselben habe er eine vorwurfsvolle Gesandtschaft an die Römer geschickt, dass sie in direkter Grenznähe eine Stadt angelegt hätten, obwohl dies gemäß früheren Abkommen nicht zulässig wäre. Damals nun versuchte Anastasios teils durch Drohungen, teils durch Vorspiegelung von Freundschaft sowie durch beträchtliche Geldgeschenke die Anschuldigung zu entkräften und aus der Welt zu schaffen.
Zusätzlich wird noch Theodospiolis nahe der persarmenischen Grenze befestigt, wodurch laut Prokop also zwei Bollwerke gegen das Land der Perser entstanden wären.7 Ohne genauer auf Details einzugehen, fasst Prokop das Wesen der Manipulation an dieser Stelle zusammen: Anastasios handelt wissentlich gegen römisch-persische Abmachungen, täuscht aber die persische Seite mit diversen diplomatischen Mitteln – Drohung, Bestechung und Freundschaftsbekundung – über seine feindlichen Absichten. Sowohl Drohung als auch Zahlungen und Freundschaftsbekundungen können „legitime“ (also nicht manipulative) diplomatische Mittel im Angesicht einer Vertragsverletzung sein, in dem Sinne, dass sie ihre Absicht der anderen Seite gegenüber offenlegen; indem gedroht wird, sich mit Gewalt nur gegen ein früheres Fehlverhalten der anderen Seite wehren zu wollen, indem Zahlungen zur Bekräftigung einer neuen Abmachung geleistet werden und indem Freundschaft beschworen wird, um die aktuell entstandene Missstimmung überwinden zu können. Hier wird aber offenkundig keine dieser Methoden im üblichen Sinne gebraucht, sondern sie werden sämtlich missbraucht, da Anastasios eben nicht seine wirklichen Absichten kommuniziert oder versucht, mit den diplomatischen Mitteln den Konflikt, den der Vertragsbruch bedeutet, aus der Welt zu schaffen. Vielmehr versucht Anastasios, seinen Vertragsbruch durchzusetzen und durch Einsatz diplomatischer Mittel die persische Seite über dessen Ausmaß zu täuschen und mit möglichst geringen Konsequenzen davonzukommen. Dies bricht grundlegende Elemente des römisch-persischen Verhältnisses, so 6 7
Vgl. Iluk 1985, 83. Prok. Bell. 1,10,16–19. Zitat siehe oben S. 154, Anm. 55.
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das stete Bemühen, Konflikte beizulegen und die besondere Bedeutung des Rechts. Prokops Anastasios weiß, dass er unrecht handelt, aber ist durchaus bereit, dies für seinen Vorteil in Kauf zu nehmen, solange er keine schweren Konsequenzen tragen muss. An die Stelle einer Erwägung von Recht und Unrecht tritt ein Abwägen von Nutzen und Schaden. Das ist Manipulation. Es handelt sich um nichts anderes als die Anschauung eines Kriminellen, dass sich ein großer Raub selbst in Anbetracht der Verhaftung und folgenden Gefängnisstrafe lohne, wenn die rasch versteckte Beute nur groß genug sei. Offenkundig ist Prokops Anastasios im konkreten Fall so erfolgreich, dass er in Theodosiopolis das gleiche Vorgehen noch einmal wagen kann. In beiden Fällen mag als Rechtfertigung im Prokopischen Werk der Umstand eine Rolle spielen, dass sich Kawadh wenige Zeilen zuvor gewaltsam in den Besitz der Kaspischen Tore gesetzt hatte, was Anastasios, der die gleiche Möglichkeit als hunnisches Angebot erhalten hatte, zuvor aus strategischen (nicht moralischen!) Gründen ausgeschlagen hatte.8 Unrecht macht aber kein Unrecht wett und so ist dies keine Entschuldigung, Prokop führt sie auch nicht explizit an. Das Recht spielt bei der Handlung des Anastasios keine Rolle. Manipulation wird geradezu zur letzten Konsequenz der Eigenheit römischpersischer Verhandlungen, dass sich ein Rechtsbruch unter den gleich stark begriffenen Mächten im Fall des Leugnens zumeist nur schwer nachweisen lässt und es daher – gerade in Ermangelung eines unabhängigen Richters – zu Vergleichen und Kompromissen statt zu Urteilen kommt. Während für gewöhnlich aber beide Seiten ihre Verpflichtung gegenüber dem Recht, das als etwas Göttliches begriffen wird, betonen und auch ihre Bereitschaft, auf Basis der Gerechtigkeit Kompromisse zu schließen, um eine friedliche Koexistenz für längere Zeit zu sichern, tritt im Fall der Manipulation eine amoralische Realpolitik ans Tageslicht, die sich nicht um langfristige Folgen schert: Wenn es zwischen beiden Seiten keine Urteile geben kann und also im Fall eines Rechtsbruches auch keine Strafen, werden Recht und Unrecht zu stumpfen Werkzeugen, von denen man nichts zu befürchten hat. Recht und Unrecht spielen dann keine Rolle mehr, sondern nur noch Kosten und Nutzen. Nicht nur erlaubt, sondern geradezu geboten ist das, was für ein aktuelles Vorhaben mehr Nutzen als Schaden bewirkt.9 Diese Anschauung war für das römisch-persische Verhältnis sehr gefährlich und es wundert nicht, dass sich an Resultaten solchen Vorgehens langwierige Konflikte entzündet haben, da sie geeignet waren, das römisch-persische Verhältnis extrem zu belasten. Einem derartig handelnden politischen Akteur kann man nicht vertrauen und hätte sich eine derartige Anschauung durchgesetzt, wäre das römische-persische Verhältnis unweigerlich in den Zustand des ständigen Krieges verkommen. Es hätte den Zusammenbruch der etablierten Strukturen und Methoden bedeutet. Daher ist es ein 8 9
Prok. Bell. 1,10,9–12. Zum Zusammenfließen von Kategorien des Rechts und der realpolitischen Nützlichkeit bei Thukydides vgl. S. 178, Anm. 172 der vorliegenden Arbeit.
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Merkmal der Manipulation, dass sie nicht nur möglichst im Geheimen, sondern auch äußerst vorsichtig im Hinblick auf ihre Wirkung eingesetzt wurde. Selbst dann handelt es sich aber um eine wenig sichere Methode, wird doch Anastasios geglaubt haben, zu wissen, wie weit er im Angesicht eines gerade erst geschlossenen Friedens mit der Errichtung der Festungen gehen kann. Es sollten just diese auf Bruch der Abmachungen gegründeten Festungen in den nächsten Jahrzehnten aber immer wieder Gegenstand römisch-persischer Verstimmungen sein. Anastasios hatte einen aktuellen Vorteil erzielt, seinen Nachfolgern aber eine schwere Hypothek hinterlassen. So zeigt sich beispielhaft, wie verlockend es in Anbetracht des wahrgenommenen militärischen Gleichgewichts und der Gleichrangigkeit gewesen sein muss, sich durch Methoden der List einen Vorteil zu verschaffen, da die offenen Methoden nicht in der Lage zu sein schienen, einen großen Vorteil für die eigene Seite zu bewirken, aber auch, wie riskant ein solches Vorgehen war. Dies benennt Prokop mehr oder weniger deutlich, da er Alamundaros (al-Mundhir), dem seiner Meinung nach ganz besonders schweren und gefährlichen Feind der Römer,10 im Gespräch mit Kawadh die programmatischen Worte in den Mund legt: Herr, man soll sich nicht ganz und gar auf das Glück verlassen und auch nicht glauben, in allen Kriegen Erfolg haben zu müssen. Denn das entspricht weder den natürlichen Gegebenheiten noch sonst wie menschlicher Art, diese Denkweise ist vielmehr denen, die sie teilen, höchst schädlich. Wer für sich nämlich nur Vorteile erwartete, fühlt sich bei einem etwaigen Misserfolg unnötigerweise in seiner Hoffnung maßlos getäuscht. Daher verlassen sich auch die Menschen nicht allezeit aufs Glück und nehmen nicht ohne weiteres die Gefahr eines Krieges auf sich, selbst wenn sie darauf pochen dürfen, in jeder Hinsicht ihren Feinden überlegen zu sein; im Gegenteil, sie sind bemüht, ihre Widersacher durch Trug und allerlei Listen zu hintergehen. Denn wer in gleicher Gefahr schwebt, kann nicht mit Sicherheit auf Sieg rechnen.11
Ein schurkischer Realpolitiker Prokops spricht Maximen ebensolcher Realpolitik aus. In der Archäologie der Perserkriege schildert Prokop ein dem des Anastasios ähnliches Vorgehen auch für die persische Seite, da Peroz in einen hephthalitischen Hinterhalt gerät und in einer legendenhaften Szene durch eine fußfällige Verehrung vor dem König der Hephthaliten mit landesüblichem Eid beschwören soll, nie wieder Krieg gegen die Hephthaliten führen zu wollen, um sich und sein 10 Prok. Bell. 1,17,45. 11 Prok. Bell. 1,17,30–33 (Übers. nach Veh): οὐ πάντα, ὦ δέσποτα, χρεών ἐστι πιστεύειν τῇ τύχῃ οὐδὲ τοὺς πολέµους οἴεσθαι δεῖν κατορθοῦν ἅπαντας. οὐδὲ γὰρ εἰκὸς τοῦτό γε οὐδὲ ἄλλως ἀνθρώπειον, ἀλλὰ καὶ ἀξύµφορος αὕτη µάλιστα τοῖς αὐτῇ ἐχοµένοις ἡ ἔννοιά ἐστι. τοὺς γὰρ ἅπαντα σφίσιν ἐλπίσαντας τἀγαθὰ ἔσεσθαι σφαλέντας ποτέ, ἂν οὕτω τύχοι, ἡ ἐλπὶς οὐ δέον ἡγησαµένη τοῦ προσήκοντος µᾶλλον ἠνίασε. διὸ δὴ οὐκ ἔχοντες ἀεὶ ἐπὶ τῇ τύχῃ τὸ θαρρεῖν ἄνθρωποι οὐκ ἐκ τοῦ εὐθέος ἐς κίνδυνον πολέµου καθίστανται, κἂν τῷ παντὶ τῶν πολεµίων ὑπεραίρειν αὐχῶσιν, ἀλλ̓ ἀπάτῃ τε καὶ µηχαναῖς τισι περιελθεῖν τοὺς ἐναντίους ἐν σπουδῇ ἔχουσιν. οἷς γὰρ ἐκ τοῦ ἀντιπάλου ὁ κίνδυνός ἐστιν, οὐκ ἐν βεβαίῳ τὰ τῆς νίκης χωρεῖ.
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Heer zu retten. Laut Prokop kam Peroz auf folgende Lösung: Er fragt die Magier, ob er auf die Forderungen eingehen soll, woraufhin er den Rat erhält, bezüglich des Eides könne er nach Belieben verfahren, ansonsten aber den Feind überlisten, indem er den Brauch ausnutzt, täglich zur aufgehenden Sonne zu beten. Wenn er nun den geforderten Fußfall vor dem hephthalitischen Herrscher genau zu Tagesanbruch vornehme und die Sonne vor sich habe, könne er seine Handlung über die Sonnenverehrung rechtfertigen und Schmach von sich fernhalten. So geschieht es, Peroz gibt Friedenszusicherungen und zieht ab.12 Im Folgenden zeigt sich, dass Peroz sich nicht im Geringsten an seinen Eid gebunden fühlte.13 Wie im Fall des Anastasios schildert Prokop auch hier einen mutwilligen Missbrauch diplomatischer Gepflogenheiten, der im konkreten Fall nicht nur über wahre Absichten hinwegtäuscht, sondern den Sinn eines diplomatischen Vorgangs – durch Eid und symbolische Unterwerfung ein Versprechen möglichst fest zu machen – in sein Gegenteil, die Nichtigkeit des Versprechens, verkehrt. Wiederum geschieht diese Täuschung nach außen und nach innen, denn einerseits sollen den Hephthaliten ein Versprechen und eine Unterwerfung vorgetäuscht werden, an die sich Peroz von Anfang an nicht zu halten gedenkt und andererseits wird der Fußfall durch eine Sonnenverehrung ersetzt, um der persischen Seite zu vermitteln, dass sich Peroz nicht zum Fußfall vor den Hephthaliten herabgelassen hätte.14 Wie ein Vertragsbruch ist auch der konkrete Fall ein Bruch göttlicher Gebote, da Lüge und Vertragsbruch in den verschiedenen Spielarten des Zoroastrismus geächtet sind,15 aber der Pragmatismus siegt. Wenn Prokop meint, die Magier hätten geraten, der König könne es mit dem Eid halten, wie er wolle, so bedeutet dies entweder, dass sie ihm anheim stellten, ob er Frieden geloben wolle oder nicht; oder er unterstellt ihnen eine Anschauung, der gemäß das Staatsinteresse und die Pflichten eines Herrschers gegenüber seinem Volk und der in Sicherheit zu bringenden Armee im konkreten Fall stärker wiegen als ein künftiger Meineid. Vielleicht geht es auch um die Ansicht, dass ein Eid nach hephthalitischem Brauch keine Verbindlichkeiten gegenüber einem zoroastrischen Großkönig erzeugen kann. In einer Notsituation bedient sich Peroz also raffinierter Mani-
12 Prok. Bell. 1,3,18–22. 13 Prok. Bell. 1,4,1 (Übers. nach Veh): χρόνῳ δὲ οὐ πολλῷ ὕστερον ἀλογήσας τὰ ὀµωµοσµένα τίσασθαι Οὔννους τῆς ἐς αὐτὸν ὕβρεως ἤθελε. – „Bald darauf vergaß aber der König seinen Eid und wollte die ihm angetane Schmach an den Hunnen rächen.“ 14 Der Fußfall hat eine literarische Parallele in Plut. Art. 22,4; vgl. Greatrex 1994, 59. Es kann ein Wandersagenmotiv sein, eine Referenz durch Prokop (oder schon Eusebios, sofern man in dessen Gesandtschaftsbericht Prokops Quelle sehen will) oder eben eine tatsächliche persische List mit historischem Vorbild. Zu den Quellen der Artaxerxes-Vita siehe die Arbeit Binder 2011. 15 In der armenischen Wiedergabe dieser sowieso sagenhaft angehauchten Episode durch Lazar Parpetsi 85 (154f.) spielt dieser Aspekt eine größere Rolle. Die Lüge des Peroz kollidiert mit der notwendigen Gerechtigkeit des Königs; Greatrex 1994, 58.
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pulation, um seine Position zu retten.16 Wie im Fall des Anastasios sollte diese Manipulation verheerende Konsequenzen nach sich ziehen, denn bereits im nächsten Kapitel des Prokopischen Geschichtswerkes fällt Peroz mitsamt seinen Söhnen im Rahmen einer verheerenden Niederlage in einem neuen Krieg gegen die Hephthaliten.17 Die Perser müssen den Hephthaliten sogar Abgaben leisten.18 Wiederum ist der momentane Gewinn der Manipulation sehr groß, ihre längerfristigen Konsequenzen sind aber äußerst negativ. Fragt man, worin der wahre Kern dieser Geschichte abseits vom prokopischen Verständnis diplomatischer Manipulation besteht, so ist zu bedenken, dass Prokop im Rahmen dieser Episode die Anwesenheit eines römischen Gesandten namens Eusebios auf persischer Seite erwähnt.19 Es ist durchaus vorstellbar, dass dessen Gesandtschaftsbericht oder ein anderes Werk dieses Mannes Prokops Quelle gebildet hat, zumal gerade dieser Römer eine prominente Rolle im Kontext der Episode spielt, deren Höhepunkt darin besteht, als Außenstehender auf Wunsch der persischen Großen dem König einen Rat zu geben, da sich die Perser keine Kritik getrauten.20 Leider überliefert kein zoroastrischer Autor diese Episode, was besonders ihren religiösen Gehalt beleuchten könnte. 16.2 VIELFALT DER MANIPULATION Ein auffälliges Mittel zur Manipulation diplomatischer Vorgänge bilden absichtliche Verzögerungen des Ablaufs. So ist der Forschung bereits aufgefallen, dass Gesandte erst nach längerer Wartezeit zum Zweck ihrer Mission vorgelassen oder schlicht festgehalten werden, offenbar in der Hoffnung, dass sich mit der Zeit – so durch parallele Kampfhandlungen – eine bessere Verhandlungsposition ergeben wird. Auch dies fällt unter den Bereich der Manipulation, da es nichts anderes bedeutet als einen mutwilligen Missbrauch von technischen Gegebenheiten des diplomatischen Ablaufs.21 16 Laut Cenapa 2018, 65, könnte auch der Umstand eine Rolle gespielt haben, dass der Römer Eusebios zugegen war und man auch vor den Römern das Gesicht wahren wollte, wissend dass sich die Neuigkeiten über die Ereignisse verbreiten würden. 17 Prok. Bell. 1,4,14 u. 32. 18 Prok. Bell. 1,4,35. 19 Prok. Bell. 1,3,8. 20 Prok. Bell. 1,3,12–14. Auch Greatrex 1994, 60, und Canepa 2018, 65, halten den Gesandtschaftsbericht des Eusebios für eine mögliche Quelle Prokops. Vgl. dagegen Börm 2007, 127f., dagegen wiederum ebd. 152, Anm. 2. Es lässt sich auch mutmaßen, dass Eusebios im Rahmen der friedlichen römisch-persischen Kontakte des 5. Jahrhunderts. eine Art römischer Militärberater in Persien war, der im Sinne der Kooperation gegen gemeinsame barbarische Feinde wirken sollte, vgl. Börm 2007, 297. 21 Shepard 1985, 259: „Delay, as a function of diplomacy, could have the effect of a military solution.“ Vgl. Güterbock 1906, 15; Börm 2007, 157; Nechaeva 2014, 42–44. Eine Anwei-
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Im 21. Kapitel des ersten Buches der Prokopischen Bella wird ein Fall geschildert, aus dem (und aus dessen Präsentation durch den Autor) sich zumindest ableiten lässt, dass ein besonderer Fall von Ausnutzen eines Informationsvorsprungs besteht: 531 kommt Hermogenes in diplomatischer Mission zu Kawadh, doch fand er den Herrscher noch sehr auf die Römer erzürnt und konnte deshalb den Zweck seiner Sendung, den Abschluss eines Friedensvertrages, nicht erreichen; unverrichteter Dinge musste er die Heimreise antreten.22
Sittas soll im Osten das Kommando übernehmen. Es kommt zu einem Persereinfall in Mesopotamien, die Stadt Martyropolis wird eingeschlossen. Mittels einer bereits im Kapitel zur Informationsbeschaffung angeführten List, die den persischen Militärs den Seitenwechsel eines hunnischen Heeres vortäuscht, werden die Perser in Unruhe versetzt. Kawadh wird derweil schwer krank und stirbt nach der Bestimmung, Chosrau solle sein Nachfolger werden. Es kommt zum Streit zwischen Chosrau und Kaoses, der zugunsten Chosraus entschieden wird. Sittas und Hermogenes sorgen sich weiter um Martyropolis und schicken Gesandte zur persischen Seite, die Prokop vortragen lässt: Ihr stellt euch, ohne es zu merken, dem Perserkönig, den Gütern des Friedens und den beiden Staaten unnötigerweise in den Weg; denn Gesandte, vom Kaiser geschickt, stehen jetzt bereit und wollen sich zu eurem Herrn begeben, um die strittigen Punkte zu bereinigen und den Friedensvertrag mit ihm abzuschließen. Räumt denn möglichst schnell das römische Gebiet und lasst die Gesandten ihre Tätigkeit zum beiderseitigen Besten aufnehmen! Außerdem sind wir ja auch bereit, angesehene Männer als Geiseln zu stellen, dass eben dieser unser Vorschlag tatsächlich rasch verwirklicht wird.23
Und dann heißt es: Zufällig traf auch ein Bote aus der königlichen Residenz ein und meldete den Tod des Kawadh und den Regierungsantritt seines Sohnes Chosrau als König der Perser.24
Der unsicheren Lage und der Hunnenlist wegen, an die sie immer noch glauben, lassen sich die persischen Feldherren auf das Angebot ein. Sie heben die Belagerung auf und die Römer stellen zwei Geiseln.25 So weit Prokop. sung des Zeremonienbuches lässt sich als Maßnahme des Petros Patrikios gegen die absichtliche Verzögerung durch Gesandte begreifen, da es bei de Caer. 1,89, R 400 heißt, die römische Seite würde die Kosten der Gesandtschaft nur für eine Anreisezeit bis 103 Tagen und eine ebenso lange Rückreise decken. Der Kaiser könne das verlängern. 22 Prok. Bell. 1,21,1. Zitat siehe oben S. 168, Anm. 111. 23 Prok. Bell. 1,21,24f. (Übers. nach Veh): λελήθατε ὑµᾶς αὐτοὺς βασιλεῖ τε τῷ Περσῶν καὶ τοῖς τῆς εἰρήνης ἀγαθοῖς καὶ πολιτείᾳ ἑκατέρᾳ ἐµποδὼν οὐ δέον γινόµενοι. πρέσβεις γὰρ ἐκ βασιλέως ἐσταλµένοι τανῦν πάρεισιν, ἐφ̓ ᾧ παρὰ τὸν Περσῶν βασιλέα ἰόντες τά τε διάφορα διαλύσουσι καὶ τὰς σπονδὰς πρὸς αὐτὸν θήσονται· ἀλλ̓ ὡς τάχιστα ἐξανιστάµενοι τῆς Ῥωµαίων γῆς ξυγχωρεῖτε τοῖς πρέσβεσι πράσσειν ᾗ ἑκατέροις ξυνοίσειν µέλλει. ἕτοιµοι γάρ ἐσµεν ὑπὲρ τούτων αὐτῶν καὶ ὁµήρους διδόναι ἄνδρας δοκίµους, ὡς δὴ ἔργῳ οὐκ εἰς µακρὰν ἐπιτελῆ ἔσται. PLRE II, Caoses, S. 259. 24 Prok. Bell. 1,21,26. Zitat siehe oben S. 169, Anm. 119.
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Es lässt sich im Grunde ausschließen, dass die römische Gesandtschaft vor Eintreffen des Boten, der den Tod Kawadhs meldet, von diesem Ereignis noch nichts gewusst haben soll. Das gesamte Ansinnen der Verhandlung wäre unnütz, wenn sie nicht wüssten, dass der Großkönig gestorben ist. Ihre Aufforderung, die Perser sollten abziehen und Verhandlungen aufnehmen, ist in Anbetracht dessen, dass Kawadh gerade persönlich Verhandlungen zurückgewiesen hat und nur Rückschläge einstecken musste, aussichtslos. Warum sollte er jetzt das Land gegen Stellung zweier Geiseln räumen? Wo wäre seine Verhandlungsbasis? Er würde das Gesicht verlieren, denn er könnte nichts in die Waagschale werfen und nichts von den Römern fordern, denn außer zwei Geiseln steht ihm keine Verhandlungsmasse zur Verfügung. Die Römer würden ebenso wenig aus einer solchen Position heraus verhandeln. Sinnvoll ist die Episode nur, wenn man annimmt, dass die Gesandten sehr wohl wussten, dass Kawadh inzwischen tot und Chosrau König geworden war. So wird das römische Anerbieten sinnvoll, denn es drückt den Wunsch aus, einen Neuanfang mit dem neuen Herrscher zu wagen, reinen Tisch zu machen und zeigt ein Friedensbemühen der römischen Seite. Es zeigt, die Situation nicht ausnutzen zu wollen, indem etwa in der schwierigen Phase des persischen Regierungsanfangs angegriffen würde. Es soll tabula rasa gemacht werden, indem man der persischen Seite anbietet, freiwillig aus römischem Gebiet abzuziehen und ihr zudem durch Geiseln das Gefühl gibt, fair behandelt zu werden. Die Römer zeigen, dass sie offen und sauber agieren wollen. Grundlegend soll das Verhältnis zu Chosrau besser werden als das zu Kawadh. Mit dessen Tod sind die Kriegsgründe zwar nicht aus der Welt, aber es verhielt sich doch so, dass Kawadh bis zuletzt keinen Frieden schließen konnte, da er mehrfach von den Römern gedemütigt worden war. Er hatte eine derart schwache Position, dass er keine erfolgreichen Verhandlungen hätte führen können. Die tabula rasa bringt die Verheißung der Wiederherstellung eines guten Zustandes: der Augenhöhe, ohne große aktuelle Vor- und Nachteile. Die beiden Geiseln sollen den freien Abzug sichern und zeigen, dass es den Römern wirklich ernst mit dem Frieden ist. Es soll ein unbelastetes Verhältnis zu Chosrau hergestellt werden. Für die Römer bedeutet dies einen erheblichen Vorteil: Indem sie jetzt bezüglich der vordergründigen Kriegsgründe tabula rasa machen, besteht die Chance, dass sie ihre in letzter Zeit erworbenen Vorteile – in denen die eigentlichen Kriegsgründe bestanden! – behalten dürfen. Aus persischer Seite leuchtet ein, dass es nicht im Interesse eines neuen Großkönigs sein wird, als erstes den Krieg seines Vorgängers fortschleppen zu müssen und somit von Anfang an ein belastetes Verhältnis zur anderen Großmacht zu haben. Es ist wohl kein Zufall, dass wenige Zeilen vor der Schilderung dieses Ereignisses von Prokop umfänglich über Informationsbeschaffung und Spionage referiert wird. Die Episode setzt geradezu voraus, dass die römische Seite vor der of25 Prok. Bell. 1,21,26f.
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fiziellen Mitteilung vom Tod des Kawadh wusste und die Gesandtschaft ihr Ansinnen entsprechend anpasste. Im folgenden Kapitel Prokops, in dem der Weg bis zum Abschluss des Ewigen Friedens beschrieben wird, kommt es zu einem Fall, den man so deuten kann, dass Fehlinformationen für manipulative Zwecke genutzt werden: Zusammen mit Hermogenes gehen Rufinos, Alexandros und Thomas auf Gesandtschaftsreise zu Chosrau. Am Tigris treffen sie den Großkönig, der die Geiseln freigibt. Die Gesandten benutzen, um den König günstig zu stimmen, viele für sie – als Römer ihrer Stellung – nach Prokops Meinung unziemliche Schmeichelworte. Chosrau fühlt sich dadurch zur Nachgiebigkeit bewogen. Er bietet für 110 Kentenarien einen ewigen Frieden, Daras dürfe aber nicht mehr das Quartier des römischen Kommandos sein, sondern nur noch, wie früher, Konstantine. Die Rückgabe der festen Plätze in Lazika lehnt er ab, verlangt aber die Räumung von Pharangion und Bolon. Das gewünschte Gold will er als Ausgleich dafür, dass Daras ungeschleift bleibt und die Römer nicht gemeinsam mit den Persern die Kaspischen Tore bewachen. Die Gesandten sind im Allgemeinen einverstanden, aber nicht, was die Festungen angeht. Zur Rücksprache mit dem Kaiser wird Rufinos nach Byzanz geschickt, die anderen bleiben. Es gibt eine Frist von 70 Tagen. Justinian erteilt sein Placet. Es kommt aber vor Rufinosʼ Rückkehr das Gerücht nach Persien, Justinian habe Rufinos im Zorn hinrichten lassen. Chosrau ist beunruhigt und will fast schon sein ganzes Heer losschicken. Rufinos aber kommt und trifft unweit Nisibis auf den Großkönig. Die Gesandten wollen den Frieden festschreiben und haben die nötigen Beträge bereits dabei. Nun aber reut es Justinian, zugestimmt zu haben und er schreibt an die Gesandten, dass er die Übergabe ausdrücklich verbietet. Chosrau will nun auch nichts mehr vom Vertrag wissen. Rufinos wird klar, dass es unüberlegt war, mit dem Gold zu kommen. Er wirft sich auf den Boden und bittet Chosrau, das Gold wieder mitnehmen zu dürfen und dass der König nicht unmittelbar Krieg führen solle. Das gewährt Chosrau. Die Gesandten gehen mit dem Gold nach Daras. Das Perserheer kehrt um. Die Mitgesandten schöpfen Verdacht gegen Rufinos und zeigen ihn beim Kaiser an: er müsse mit Chosrau verschworen sein, sonst hätte dieser ihn nicht angehört und seine Bitten gewährt. Justinian vertraut ihm aber und schickt ihn mit Hermogenes wieder zum Großkönig, wo es zum Abschluss des Friedensvertrages kommt. Alle im Krieg eingenommenen Plätze sollen zurückgegeben werden, die Befehlsstelle in Daras wird abgebaut, die Iberer können in Byzanz bleiben oder nach Hause zurückkehren. (Manche machen dies, manche das). Die Römer geben die Festungen und das Gold den Persern, die Perser geben die feste Plätze in Lazika den Römern. Dagaris wird den Römern zurückgegeben, sie bekommen einen anderen wichtigen Mann als Garantie.26 Diese Episode des Prokopischen Geschichtswerkes ist vielschichtig.
26 Prok. Bell. 1,22; vgl. 8,13,15–20; Meier 2004, 197.
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Chosrau hat materiell noch weniger in der Hinterhand als Kawadh, denn Martyropolis ist als Druckmittel verschwunden. Die Verhandlungen versprechen aber wichtige Optionen: Zum einen den nötigen Frieden, der zur Herrschaftskonsolidierung nach innen wie außen bedeutsam ist und zum anderen eine Profilierung nach innen wie außen. Nach innen kann Chosrau zeigen, dass er in der Lage ist, tabula rasa zu machen und sich mit den Römern zu arrangieren, die er noch dazu bewegt, ihm sogar Gold zu geben. Nach außen kann er der römischen Seite zeigen, dass er ein ernstzunehmender Verhandlungspartner ist, der nicht im Schatten seines Vaters steht. Wenn all dies möglichst kostengünstig zu erreichen ist, hätte er bereits einen beachtlichen Erfolg zu verbuchen. Wenn der Frieden kein schmählicher Frieden ist, hat er sich sogleich als großer König profiliert. Und in der Tat sieht es zu Beginn für alle Optionen positiv aus: Er kann die Römer nicht zur Aufgabe Lazikas zwingen. Das wäre nicht möglich. In Anbetracht dessen verzichtet er aus seiner schwachen Position heraus großmütig, was ihn in folgenden Verhandlungen gut dastehen lässt und die Römer vielleicht bezüglich der Verhandlungen über die Festungen geneigt macht. Das wäre ein Kompromiss in Anbetracht des Umstandes, dass er Justinian zu nichts zwingen kann. Die Römer zur Zahlung und damit zu einer Handlungsweise zu bewegen, die sich unabhängig von ihrer Höhe zumindest nach innen als Tribut darstellen lässt, ist ein innenpolitischer Erfolg. Sieger ist offenkundig derjenige, der den anderen zahlen lässt. Der römischen Seite demonstriert er Verhandlungsbereitschaft. Die Schmeichelworte und den Fußfall des Rufinos zu akzeptieren, demonstriert allen Seiten königliche Großmut, zumal es sich um keine weltbewegende Summe gehandelt haben wird. Durch solche Handlungsweisen wird Chosrau im potentiell folgenden Konflikt positiv erscheinen. Er kann das Geschehen so darstellen: Der Großkönig hat nichts Hinterhältiges unternommen, sondern wollte nur den Frieden, was funktioniert hätte, wenn nicht der wechselhafte Kaiser, der es sich anders überlegte, einen folgenden Konflikt entzündet hätte. Erst Verhandlungen anzubieten, dann zuzustimmen und am Ende einen Rückzieher zu machen ist ein unwürdiges Verhalten. So weit zur Seite des Chosrau. Justinian verfolgt andere Ambitionen. An der Episode um das Gerücht ist zunächst eigentümlich, dass letztlich genau das Ergebnis des Gerüchts zustande kommt: Justinian will die Festungen doch nicht abgeben. Hätte er Rufinos wirklich aus Zorn hinrichten lassen, wäre das gleiche geschehen. Es wirkt so, als wolle er durch absichtliche Verbreitung des Gerüchtes Chosraus Handlungsweise testen. Die Römer wollten vielleicht erkunden, wie der ihnen noch unbekannte Großkönig in einem solchen Fall reagieren würde. Er hat eine klare und konsequente Handlungsweise demonstriert, was Römern wie Persern eindrucksvoll seine königlichen Eigenschaften zeigt. Wie hätte die römische Seite ohne das Gerücht ermitteln sollen, wie Chosrau reagieren würde, wenn die Festungen nicht übergeben würden – ohne zugleich ein
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wirkliches Risiko einzugehen? Rufinos ist erstaunlich pünktlich da, um das Gerücht zu zerstreuen. Für die Manipulation spricht auch, dass Justinian dann wirklich die Zustimmung widerruft, also jener Fall eintritt, den das Gerücht bereits ausgelotet hatte. Warum sollte Justinian nun Krieg gewollt haben, da ihm doch durch das Ausloten deutlich war, dass es im Fall der Ablehnung zu einem solchen kommen konnte? Man muss sich vor Augen halten, was sich die Römer als Initiatoren des Friedens gewünscht hatten. Frieden ist auch aus ihrer Sicht gut, sie wollten aber im vorigen Kapitel des Geschichtswerkes doch vor allem eines: einen Frieden zu ihren Gunsten und eine Festschreibung des Besitzstandes. Den größten Vorteil bedeuten aber die zwei vorgeschobenen Festungen. Und wenn sie diese nicht behalten dürften, wozu sollten sie Chosrau dann Gold zahlen? Der Vergleich, der „Deal“, musste besser werden. Warum ließ Chosrau Rufinos nach dem kaiserlichen Sinneswandel ziehen? Erst einmal war seine Familie mit Kawadh bekannt.27 Zudem gab es keinen Grund, aus dem er jetzt das Gold behalten sollte, solange es keinen Vertrag gab. Das hätte nur Missstimmungen erzeugt.28 Und warum sollte er jetzt angreifen? Er konnte keinen grundlosen und wenig erfolgversprechenden Krieg wollen, sondern vielmehr ebenfalls einen besseren „Deal“. Es kann durchaus sein, dass Rufinos derlei Dinge mit Chosrau besprochen hat, da Diplomatie sich mit dem Ausgleich von Interessen befassen muss. Die Römer wollten auch keinen Krieg, sofern der „Deal“ ein besserer werden könnte. Da Hermogenes nicht bei den Verhandlungen zugegen war, wurde ihm Rufinos verdächtig, aber offenbar hatte Justinian ihn mit dieser Mission betraut: Er sollte die Zustimmung zu den Festungen zurückziehen und erklären, dass es Neuverhandlungen geben müsse. Justinian zeigt Chosrau auf dessen königliche und diplomatisch geschickte Reaktion hin (klare Ablehnung gegenüber dem Anliegen hinsichtlich der Festungen; kein Geld ohne Vertrag einbehalten; Gesandte respektieren; keinen Krieg vom Zaun brechen, während die andere Seite noch verhandlungsbereit ist), dass er seine Anerkennung gewonnen und bewiesen hat, ein würdiges Gegenüber zu sei. Chosrau hat eine klare Position bezüglich der Festungen gezeigt und auch, dass er genau weiß, den Römern keinen Anlass zu einem Krieg zu geben, der als Resultat eines Fehlverhaltens seinerseits dargestellt werden könnte. Diese Machtspiele haben erreicht, dass Chosrau von den Römern ernst genommen wird und aus einer ganz anderen Position heraus verhandeln kann. Es ist deutlich, dass er sich seiner Interessen bewusst ist. Justinian wollte anfangs testen, wie weit er seine Vorhaben gegenüber dem unerfahrenen Chosrau durchsetzen konnte. Vielleicht konnte er ihm sogar die Festungen abtrotzen oder ihn zu einem unüberlegten kurzen Krieg bewegen, nach dessen verlustreichem Abschluss er zudem als Schuldiger erscheinen musste. 27 Prok. Bell. 1,11,24. 28 Vgl. Greatrex 1994, 217f.
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Chosrau aber hat eine klare Linie gezeigt und daher geht Justinian (vielleicht auch in Anbetracht des nahen Vandalenkrieges) darauf ein. Der neue Vertrag ist der alte (plus Iberer), nur von den Römern angenommen. Er ist für keine Seite perfekt, aber annehmbar. Chosrau hat sich profiliert und die Festungen zurückgeholt, Rom sichert Lazika und Daras. Es war wichtig, zusätzlich (das war beim ersten Mal offenbar nicht der Fall) auf die Iberer einzugehen, damit die ganzen Kriegsgründe sauber bereinigt werden. Das ist geschehen. All dies beinhaltet unter der Decke diplomatischen Austausches ein hohes Maß an Täuschung und Manipulation. Justinian versucht Chosrau mittels der diplomatischen Maschinerie auszuforschen und zu bestimmten Handlungsweisen zu drängen, ohne explizit zu vermitteln, welche dies sind und welchen Nutzen sie für die Römer haben. Es liegt nahe, dass besonders in Kriegszeiten Manipulation eine bedeutende Rolle spielt, da sich viele Möglichkeiten zur Täuschung bieten. So berichtet Prokop für das Jahr 542 einen Fall, da persische Manipulation auf römische Manipulation trifft. Chosrau befindet sich auf dem Vormarsch in römischem Gebiet. Da heißt es: Auf die Nachricht, dass Belisar mit dem ganzen römischen Heer in Europos ein Lager bezogen habe, beschloss Chosrau, seinen Vormarsch nicht weiter fortzusetzen. Er schickte einen der königlichen Schreiber namens Abandanes, der ob seiner Klugheit hohes Ansehen genoss, an Belisar und erteilte ihm den Auftrag auszukundschaften, über welche Feldherreneigenschaften er denn verfüge; zum Scheine sollte er sich indessen beschweren, dass Kaiser Justinian noch keine Gesandten nach Persien geschickt habe, um verabredungsgemäß die Friedensbedingungen festzulegen.29
Es wird ein typischer Fall des Missbrauchs diplomatischer Mechanismen geschildert, da die Verhandlungsbereitschaft nur ein Vorwand für die Informationsbeschaffung ist. Informationsbeschaffung ist somit nicht ein gewünschter und geplanter Nebeneffekt der Diplomatie, sondern Diplomatie nur noch der Deckmantel der Informationsbeschaffung. Belisar bekommt aber nicht nur diese Absicht mit, was für die Qualität römischer Spionage und Aufklärung spricht,30 sondern kontert mit einer manipulativen Symbolhandlung, die nicht einfach zu verstehen ist, zumal Prokop die persische Seite nicht gefragt haben kann, ob sie erfolgreich manipuliert worden sei. Prokop fasst Belisars Maßnahmen folgendermaßen zusammen: Belisar wählt 6000 ansehnliche Männer aus und entfernt sich weit vom Lager, als wolle er auf die Jagd gehen. Auf seinen Befehl überschreiten die Doryphoren Diogenes und Adolios derweil mit tausend Reitern den Fluss und gehen 29 Prok. Bell. 2,21,1 (Übers. nach Veh): Χοσρόης δὲ µαθὼν Βελισάριον παντὶ τῷ Ῥωµαίων στρατῷ ἐστρατοπεδεῦσθαι ἐν Εὐρωπῷ, πρόσω µὲν ἐλαύνειν οὐκέτι ἔγνω, τῶν δὲ βασιλικῶν γραµµατέων ἕνα, Ἀβανδάνην ὄνοµα, δόξαν ἐπὶ ξυνέσει πολλὴν ἔχοντα, παρὰ Βελισάριον ἔπεµψε, τὸν στρατηγὸν ὁποῖός ποτε εἴη κατασκεψόµενον, τῷ δὲ λόγῳ µεµψόµενον, ὅτι δὴ βασιλεὺς Ἰουστινιανὸς τοὺς πρέσβεις ἐς Πέρσας ἥκιστα πέµψειεν, ἐφ̓ ᾧ τὰ ἀµφὶ τῇ εἰρήνῃ κατὰ τὰ ξυγκείµενα πρυτανεύσωσιν. PLRE IIIA, Abandanes, S. 1. 30 Prok. Bell. 2,21,1.
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am dortigen Ufer auf und ab. Damit soll bei den Feinden der Eindruck erweckt werden, diese Truppen hätten vor, ihnen den Euphratübergang zu verwehren und damit die Rückkehr in ihr Land. Als Belisar erfährt, dass sich der persische Gesandte in der Nähe befindet, lässt er ein Leinwandzelt errichten und nimmt darin wie an einem abgelegenen Ort Platz, suggerierend, dass er ohne besondere Vorbereitung gekommen sei. Die Soldaten seiner Umgebung stellt er so auf, dass zu beiden Seiten des Zeltes Thraker und Illyrer stehen, dahinter Goten, Heruler, Vandalen und Maurusier, die über die Ebene streifen und nur nebenbei Notiz von dem Gesandten nehmen, wobei sie keine Militärkleidung tragen und nur mit Peitschen und als Waffen Schwertern, Äxten oder Bögen versehen sind, so dass sie den Eindruck erwecken, nur mit der Jagd beschäftigt zu sein.31 Belisar spricht dann mit dem Gesandten und Prokop lässt diesen bei Chosrau Meldung machen, Belisar sei der allerweiseste und allerklügste Feldherr und die Disziplin seiner Soldaten aufs allerhöchste zu bewundern.32 Es lässt sich nicht sagen, ob dies die persischen Beweggründe waren, aber die Strategie Belisars ist interessant. Er will in Anbetracht seiner geringen Stärke dem persischen Gesandten den Eindruck vermitteln, dass er einen Plan hat, während er in Wirklichkeit offenbar über keinen angemessenen Schlachtplan verfügte. Denn warum sollte Belisar sein Heer nicht in Alarmbereitschaft halten, aber doch den Flussübergang der Perser verhindern wollen? Er muss etwas vorhaben. Warum verhält er sich im Angesicht großer Gefahr so unbesorgt? Zudem: Warum sollte man ausgerechnet den berühmten Belisar schicken, wenn es keine große und gewagte Operation auszuführen gelte? Diese Berühmtheit spielt wohl ein gewisse Rolle, denn warum sonst drapierte Belisar Angehörige der zahlreichen ihm unterstehenden Hilfstruppen oder sogar direkt von ihm unterworfenen Völker in seine Umgebung, wenn nicht, um das Ausmaß seiner und der römischen Macht über den Erdkreis zu demonstrieren? Dies ruft den Vandalen- und Gotensieger Belisar in Erinnerung, den Sieger über zwei Könige, der schon früher auch den persischen Vorhaben große Hindernisse in den Weg gelegt hat. Die Tapferkeit der ihm unterstellten Truppen soll sich wohl nicht zuletzt darin zeigen, dass sie kein Interesse an dem persischen Gesandten bekunden, von dem nicht unwesentlich abhängt, ob es zum Kampf kommen wird. Es entsteht der Eindruck, Belisar wolle das persische Heer sogar absichtlich diesseits des Euphrat festhalten. Wenn er aber keine Kampfvorbereitungen trifft, muss er etwas absolut Unvorhersehbares vorhaben, was die persischen Militärs in höchste Alarmbereitschaft versetzen sollte. Auf einen kampfbereiten Belisar könnten sie sich, selbst in Anbetracht dessen, dass ihr Gegner der berühmte Belisar ist, auf eine ihnen bekannte und routinierte Weise vorbereiten. Da sie aber nicht wissen, was er vorhat und er offenkundig äußerst 31 Prok. Bell. 2,21,2–8. PLRE IIIA, Diogenes 2, S. 400f.; Adolius, S. 16. Die Jagd an sich ist dabei keine exzentrische Idee, wird sie doch bei Strategikon 12,4, als Mittel zur Beschäftigung und Übung des Heeres geraten; das Besondere ist vielmehr ihre Ausübung in Anbetracht der drohenden Gefahr des persischen Heeres. 32 Prok. Bell. 2,21,13f.
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selbstsicher ist, wissen sie auch nicht, worauf sie sich vorbereiten sollen. Die Handlung Belisars wird sie also in jedem Fall unvorbereitet treffen. Belisar nutzt die Angst vor dem Unbekannten meisterhaft aus. Wiederum ist es eine Form von Manipulation, denn er nutzt die ihrerseits manipulative Anwesenheit des Gesandten zur Vermittlung besonderer Informationen. Es werden dem persischen Gesandten bestimmte Umstände in der Erwartung vorgeführt, dass er daraus Schlüsse ziehen wird, die für die römische Seite positive Handlungen nach sich ziehen werden. Laut Prokops Meinung hat dies funktioniert. Wie alle Manipulationen war auch diese riskant, denn es hätte auch sein können, dass der Gesandte den Schluss zieht, Belisar müsste im Angesicht seiner zahlreichen Siege den Verstand verloren haben und größenwahnsinnig geworden sein. In diesem Fall hätte er Chosrau zum Angriff raten können, der wohl fatale Folgen für die römische Seite nach sich gezogen hätte. Eine besonders naheliegende Methode der Manipulation während des Krieges bildet der Versuch, Gesandte in der Hoffnung festzuhalten, dass sich die eigene Verhandlungsposition durch einen in der Zwischenzeit errungenen Sieg verbessern könnte.33 Dies ist auch Element des an Manipulation reichen und wiederum von Prokop geschilderten Kampfes um Edessa 544. Die persischen Befehlshaber treffen während der Belagerung häufig ihren römischen Widerpart Martinos, sie gaben sich dabei den Anschein, als wollten sie Friedensangebote entgegennehmen. Sobald sie jedoch die Aufschüttung fertiggestellt und bis dicht an die Stadtmauer herangeführt hatten, die von deren gewaltiger Höhe weit überragt wurde, wollten sie von dem Vertrag gar nichts mehr wissen und schickten Martinos fort, um sich weiterhin nur noch dem Kampfgeschehen zu widmen.34
Die Verhandlungsbereitschaft sichert also nur den römischen Kooperationswillen, solange die persischen Vorbereitungen zum Sturm der Stadt noch nicht fertiggestellt sind. Auch dies ist Missbrauch diplomatischer Vorgänge. Explizit stellt Prokop Manipulation bei der Schilderung des persischen Verhaltens nach der folgenden Niederlage der Belagerer fest: Während die Verfolgung der Perser noch andauerte, erschien, von Chosrau entsandt, der Dolmetscher Paulos mitten unter den Römern und teilte ihnen mit, Rekinarios sei zu Frie-
33 Es scheint sich der Leichtigkeit dieses Vorgehens wegen geradezu um eine Art Topos zu handeln, so wird dergleichen bei Soz. hist. eccl. 5,2,22 Kaiser Julian unterstellt. Auch Chosrau bedient sich bei seinem Einfall ins Imperium 540 dieser Methode, Prok. Bell. 2,4,26. Zur Praxis auch Dupont 1975, 202. Sie existierte schon im klassischen Griechenland, Mosley 1973, 17. Abzuwarten, um Vorteile zu gewinnen, ist auch eine beliebte (mittel)byzantinische Methode, vgl. Shepard 1985, 259. 34 Prok. Bell. 2,27,5f. (Übers. nach Veh): […] δόκησιν παρεχόµενοι ὡς τους ἀµφὶ τῇ εἰρήνῃ ἐνδέξονται λόγους. ἐπεὶ δὲ ὁ λόφος αὐτοῖς ἐτετέλεστο ἤδη, καὶ πλησιάζων µὲν τῷ περιβόλῳ τῆς πόλεως, ὕψει δὲ αὐτὸν πολλῷ ὑπεραίρων ἐπὶ µέγα ἐπῆρτο, Μαρτῖνον µὲν ἀπεπέµψαντο διαρρήδην ἀπειπόντες τὴν ξύµβασιν, ἔργου δὲ ἔχεσθαι τὸ λοιπὸν ἔµελλον. Aktuell besteht eine Debatte um die Datierung der römisch-persischen Geschehnisse 542–544, was auch die Belagerung Edessas beinhaltet, siehe S. 230, Anm. 129 der vorliegenden Arbeit.
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16 Methoden V densverhandlungen aus Byzanz eingetroffen. Daraufhin trennten sich beide Parteien. Rekinarios aber war schon einige Tage vorher im Lager der Barbaren angekommen, wovon die Perser den Römern jedoch nichts gesagt hatten. Offenbar warteten sie erst den Ausgang ihres Angriffs auf die Mauer ab, um im Falle ihrer Einnahme nicht den Eindruck zu erwecken, als verstießen sie gegen den Vertrag, im Falle einer Niederlage, wie sie denn auch eintrat, aber so zu tun, als legten sie nur auf Verlangen der Römer die Friedensbedingungen fest.35
Prokop unterstellt der persischen Seite einen charakteristischen Fall von Verzögerung im Dienste des eigenen Erfolges. Ein Abkommen mit Rekinarios, zu dem die Perser per se bereit waren, da auch sie sich für Friedensverhandlungen ausgesprochen hatten, hätte augenblicklich die Aussicht auf die Einnahme Edessas zunichtegemacht, da dann die Feindseligkeiten einzustellen gewesen wären. Wenigstens der Versuch zur Einnahme der Stadt sollte gemacht werden. Wenn er glückte, hätte die persische Seite gegen keinen Vertrag verstoßen, denn es war ja noch keiner mit Rekinarios abgemacht worden, wenn er aber nicht glückte, konnte man danach immer noch die Verhandlungen anknüpfen, als wäre nichts geschehen. Diese List setzte aber voraus, dass weder Rekinarios noch die römische Seite erfuhren, dass Rekinariosʼ Mission von persischer Seite mutwillig verzögert wurde. Offenbar erfuhren sie davon – oder zumindest bestand die verbreitete Anschauung, dass es sich so verhielt – und Prokop gab diese wieder. Wie es für gescheiterte Manipulation typisch ist, sorgt auch diese für ein gestörtes Vertrauensverhältnis und eine Eskalation der Lage. Chosrau sieht seine eigene Position offenbar gefährdet und wirft nun seinerseits den Römern Manipulation des diplomatischen Ablaufs vor. Es heißt: Als nun Rekinarios die Stadt betreten hatte, verlangten die Perser, die Friedensunterhändler sollten sich sogleich bei Chosrau einfinden, doch stellten die Römer das Erscheinen von Gesandten erst nach drei Tagen in Aussicht, da ihr Feldherr Martinos zur Zeit unpässlich sei. Chosrau hielt diese Angabe für unwahr.36
Er lässt den Kampf fortsetzen. Chosrau befand sich in diesem Moment in einer so schwierigen Verhandlungsposition, dass ihm eine Fortsetzung des schon einmal in einer Niederlage
35 Prok. Bell. 2,27,24–26 (Übers. nach Veh): ἔτι τε Περσῶν διωκοµένων Παῦλος ἑρµηνεὺς παρὰ Χοσρόου ἥκων ἐς µέσους Ῥωµαίους ἀπήγγελλε Ῥεκινάριον ἐπὶ τῇ εἰρήνῃ ἐκ Βυζαντίου ἥκειν, οὕτω τε ἀµφότεροι διελύθησαν. ἤδη δέ τισι πρότερον ἡµέραις ὁ Ῥεκινάριος ἐς τὸ τῶν βαρβάρων στρατόπεδον ἀφῖκτο. ἀλλὰ τοῦτο ἐς Ῥωµαίους ὡς ἥκιστα ἐξήνεγκαν Πέρσαι, καραδοκοῦντες δηλονότι τὴν ἐς τὸ τεῖχος ἐπι βουλήν, ὅπως, ἢν µὲν αὐτὸ ἐξελεῖν δύνωνται, µηδαµῆ ἐς τὰς σπονδὰς παρανοµεῖν δόξωσιν, ἡσσηθέντες δέ, ὅπερ ἐγένετο, τὰ ἐς τὴν ξύµβασιν, Ῥωµαίων προκαλουµένων πρὸς αὐτάς, θήσονται. PLRE IIIB, Paulus 9, S. 977; Recinarius, S. 1080f. 36 Prok. Bell. 2,27,27f. (Übers. nach Veh): ἐπεὶ δὲ Ῥεκινάριος ἐγένετο εἴσω πυλῶν, Πέρσαι µὲν ἠξίουν τοὺς τὴν εἰρήνην διοικησοµένους παρὰ Χοσρόην αὐτίκα δὴ µάλα ἰέναι, Ῥωµαῖοι δὲ σταλήσεσθαι πρέσβεις ἡµέραις τρισὶν ὕστερον ἔφασαν· τανῦν γὰρ σφίσι κακῶς τοῦ σώµατος Μαρτῖνον τὸν στρατηγὸν ἔχειν. Εἶναί τε ὑποτοπάζων οὐχ ὑγιᾶ τὸν λόγον Χοσρόης τὰ ἐς τὴν παράταξιν ἐξηρτύετο.
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endenden Kampfes um Edessa besser und aussichtsreicher erschien, als ein Anknüpfen von Verhandlungen. Bei solchen musste er zwangsläufig unterliegen, da die Verzögerung des Rekinarios bekannt geworden war und sich diese mutwillige Manipulation in Anbetracht so vieler Zeugen nicht mehr leugnen ließe. Das würde Chosrau in eine schlechte Verhandlungsposition bringen, zumal er aktuell durch die Niederlage auch militärisch im Hintertreffen war. So ergreift er mit dem Vorwurf, die Römer würden ihrerseits die Verhandlungen verzögern, den erstbesten Vorwand, um die Situation doch noch militärisch lösen zu können. Würde er Edessa einnehmen, hätte er trotz der vorherigen Manipulation eine starke realpolitische Stellung, die ihn auch in eine andere und bessere Verhandlungsposition bringen würde. Dies gelingt aber nicht. Zwei persische Sturmangriffe werden zurückgeschlagen.37 Danach erscheint der Dolmetscher Paulos als Gesandter vor den Mauern der Stadt und wünscht, dass Martinos den anberaumten Vertrag abschließen solle. Die Befehlshaber beider Seiten einigen sich auf eine edessenische Zahlung von fünf Kentenarien Gold an Chosrau, der dafür schriftlich zusicherte, den Römern keinen Schaden mehr zufügen zu wollen. Danach zieht er mit seinem Heer ab.38 Chosrau befand sich in einer drängenden Lage: Er hatte nicht nur Manipulation benutzt, sondern als das ruchbar wurde, den Römern genau das vorgeworfen, was er selbst zuvor unternommen hatte, um willkürlich und im Angesicht eines möglichen Friedens seine militärische Macht einzusetzen. Dies macht sein Verhalten in mehrfacher Hinsicht unredlich. Zudem hatte er mehrere Niederlagen hinnehmen müssen und offenbar schon vor seinen eigenen Leuten einen schweren Stand, da sie zwischen den Angriffen aufbegehrten.39 Daher konnte die Verhandlung schwerlich zu seinen Gunsten ausfallen. Davon zeugt sein schriftliches Versprechen, den Römern nicht weiter zu schaden, also ein wenig verbrämtes Eingeständnis sowohl seiner Niederlage als auch seiner Schuld, denn es wird schließlich vermittelt, dass er der römischen Seite geschadet hat und impliziert, es läge allein an ihm, dies in Zukunft nicht mehr zu tun. Somit heißt dies, dass sogar er allein die Schuld an den Geschehnissen trägt – sonst stünde es nicht in seiner Macht, zu versprechen, dass dergleichen künftig nicht mehr vorkommen soll. Wahrscheinlich als Versorgung für den Rückweg und damit Garantie eines schnellen Abzuges bekam er fünf Kentenarien Gold, symbolisch wird aber wichtiger gewesen sein, dass die römische Seite so dafür sorgte, dass er nicht komplett das Gesicht vor seinem Heer und seinen Großen verlieren musste, zumal im Fall des Gesichtsverlusts damit zu rechnen war, dass er sich zu unvernünftigen Mitteln hinreißen ließe, um sein Ansehen zu retten, etwa einem letzten verheerenden Angriff auf die schwer angeschlagene Stadt. Durch das Gold konnte Chosrau es so darstellen, als habe die Stadt für ihre Freiheit gezahlt, also doch seine Überlegenheit zugegeben. 37 Prok. Bell. 2,27,28–44. 38 Prok. Bell. 2,27,45f. 39 Prok. Bell. 2,27,37.
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Diese Episode zeigt einmal mehr die mit dem Mittel der Manipulation verbundenen Risiken. Im folgenden Kapitel des Prokopischen Werkes verstrickt sich Chosrau immer tiefer in die diversen Mittel der Manipulation, was ein einleuchtender Vorgang ist: Nicht zuletzt durch Manipulation hat sich Chosrau in eine schwache Verhandlungsposition gebracht; um diese nun schnell wieder zu stärken, ist in Anbetracht der militärischen Niederlagen das aussichtsreichste Mittel wiederum die Manipulation, diese ist aber risikoreich und bringt im Fall des Scheiterns eine noch schlechtere Position mit sich, die wiederum am leichtesten durch Manipulation zu verbessern scheint etc. Es kommt 545 zu einem für fünf Jahre angesetzten Friedensschluss, für den Chosrau einen Waffenstillstand, eine Zahlung und die Unterstützung des römischen Arztes Tribunos wünscht, was ihm gewährt wird.40 Er erhält zwanzig Kentenarien.41 Dieser Frieden ist offenkundig nicht zum Vorteil Chosraus. Er greift laut Prokop wiederum zur Manipulation: Der Perserkönig Chosrau aber hatte offensichtlich den Waffenstillstand nur in betrügerischer Absicht mit den Römern abgeschlossen; während sie wegen des Friedenszustandes ungerüstet waren, wollte er sie nämlich überfallen und so aufs Schwerste schädigen.42
Daher greift er 548 zu dem bereits im Kapitel zur Informationsbeschaffung behandelten Fall, dass Isdigusnas unter dem Vorwand einer Gesandtschaft die Stadt Daras einem persischen Handstreich öffnen soll.43 Dies bedeutet einen drastischen Missbrauch diplomatischer Mechanismen, denn wenn man damit rechnen muss, dass Diplomaten unter dem Deckmantel einer Mission nicht nur Agententätigkei40 Prok. Bell. 2,28,6–11. 41 Prok. Bell. 2,28,10. 42 Prok. Bell. 2,28,15 (Übers. nach Veh): Χοσρόης δὲ, ὁ Περσῶν βασιλεύς, ἔνδηλος γέγονε τὴν ἐκεχειρίαν νῷ δολερῷ πρὸς Ῥωµαίους πεποιηµένος, ἐφ̓ ᾧ δὴ αὐτοὺς διὰ τὴν εἰρήνην ἀναπεπτωκότας λαβὼν ἀνήκεστόν τι ἐργάσεται. 43 Prok. Bell. 2,28,16f.; 2,28,31–37: Börm 2007, 154f. Daras war dahingehend besonders anfällig, da es sich laut de Caer, 1,89, R 399 um die übliche Durchgangsstation persischer Gesandter nach dem Grenzübertritt handelte. Wohl aus dem Geschehen um Isdigusnas lernend, warnt der Autor Petros Patrikios den Leser in diesem Zusammenhang, da er eine Gesandtschaft eben dieses Isidgusnas als Beispiel für den Empfang persischer Gesandter erwähnt, dass es angezeigt sei, dass die Bevollmächtigten in Daras erhebliche Wachsamkeit und Vorsicht an den Tag legten, damit keine persische Gruppe unter dem Vorwand des Gesandten mit ihm zusammen hinein ginge, ihm geschlossen folgte und die Stadt durch Verrat überwältigte. Die Offiziellen sollten beachtliche Vorsicht bezüglich solch einer Gruppe walten lassen, mit dem Unerwarteten rechnen und sich vor dieser List vorsehen. Im Übrigen handelt es sich bei dem von Prokop geschilderten Vorfall um kein Alleinstellungsmerkmal der Stadt Daras oder auch nur der römisch-persischen Konflikte, denn bei Prok. Bell. 4,21,1–15, wird eine ähnliche Situation geschildert: Eine große Menge Maurusier fordert im Rahmen eines diplomatischen Vorganges Einlass in die Stadt Leptis Magna, es werden aber nur 80 von ihnen eingelassen. Prokop gibt die Meinung anderer wieder, dass die Maurusier der Absicht eines Mordanschlages am römischen Befehlshaber Sergios wegen zur Stadt gekommen seien. Die offenbar angespannte Situation eskaliert gewaltsam.
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ten, sondern sogar solche moderner militärischer Spezialeinheiten übernehmen, ist dies offenkundig geeignet, auf römischer Seite das Vertrauen in einen solchen diplomatischen Dienst und persische Diplomatie überhaupt zu untergraben. Erst werden Mechanismen der Diplomatie benutzt, um einen Frieden zu schließen und anschließend missbraucht, um gegen den Frieden zu handeln. Sie gewinnen den Charakter eines beliebig einsetzbaren Werkzeuges. Auch schmiedet Chosrau Pläne, wie sich Lazien an das Sasanidenreich binden ließe.44 Dazu hält er die Beseitigung des Königs Gubazes für einen ersten Schritt.45 Dafür wird im Folgenden der Laze Pharsanses, der bei Gubazes in Ungnade stand, gewonnen, der das Vorhaben aber in Wahrheit Gubazes verrät (und so offenbar wieder einen guten Stand bei diesem erhält).46 Gubazes berichtet das Vorgefallene Justinian und es kommt zu einer Fortsetzung des römisch-persischen Krieges.47 Chosrau verschlechtert durch die beständige Manipulation sein Verhältnis zu den Römern immer mehr, bis es unweigerlich wieder zum Krieg kommt. Er verschlechtert seine eigene Lage sogar noch, indem er die Lazen unter Gubazes, die er für sich gewinnen wollte, direkt in die Arme der Römer treibt.48 Derartige Methoden waren kein Privileg der persischen Seite. Im Gotenkrieg dürfte Belisars vermeintliches Entgegenkommen gegenüber dem gotischen Angebot, das weströmische Kaisertum zu übernehmen, ein Fall drastischer Manipulation sein, die das gesamte römisch-gotische Verhältnis verändert hat.49 Auch der römische Mord am Lazenkönig Gubazes ist ein manipulatives Mittel zur Veränderung des römisch-lazischen Verhältnisses,50 wie der folgende Schauprozess, der 44 45 46 47 48 49
Prok. Bell. 2,28,17–30. Prok. Bell. 2,28,30. PLRE IIIB, Gubazes, S. 559f. Prok. Bell. 2,29,1–7. PLRE IIIB, Pharsanses, S. 1016. Prok. Bell. 2,29,9–11. Prok. Bell. 2,29,9; vgl. Schippmann 1990, 57. Prok. Bell. 6,29. Da sich diese umfangreich interpretierbare Episode außerhalb des römischpersischen Verhältnisses bewegt, soll sie nur erwähnt werden. 50 Agath. hist. 3,2,1–3,5,5. Andere Interpretation bei Lee 2009, 11. Auch andernorts kamen Morde oder Mordvorhaben als Mittel der römischen Diplomatie durchaus vor, so wird bei Amm. Marc. 30,1 der Mord am Armenierkönig Pap geschildert, den Ammian bei ebd. 30,1,23 verurteilt, wenn auch nur, da er im Rahmen eines gastfreundschaftlichen Verhältnisses erfolgte; vgl. Lee 2009, 17f. Sonst nimmt Ammian gegenüber der Manipulation von Barbaren – so den Sachsen bei ebd. 28,5,3–7 – eine durchaus apologetische Haltung ein; Enßlin 1923, 30–33; Lee 2009, 17; vgl. Brandt 1999, 340f. zur Verbindung mit dem Ammianischen utilitas-Begriff. Einen später gescheiterten Mordversuch stellt die Anwerbung Edecos durch Chrysaphius für einen Mord an Attila bei Prisk. frg. 11,1 dar. Lee 2009, 5, 10, 22f. Bei Prok. Bell. 4,27,9–4,28,35, wird geschildert, wie der Armenier Artabanes den Tyrannen Gontharis im Auftrag der römischen Seite bei einem Gastmahl ermordet. Im Gegensatz zum Fall Ammians kritisiert Prokop nicht, dass die Tat im Rahmen eines Gastfreundschaftsverhältnisses geschieht, vielmehr habe sich Artabanes laut ebd. 4,28,42, damit großen Ruhm in aller Welt gesichert. Zu diesem speziellen Fall siehe Kapitel 19.5 der vorliegenden Arbeit. Zu Morden bei Banketten Lee 2009, 15–17. Spätantike politische Morde an auswärtigen Persönlichkeiten generell sind in der Arbeit Lee 2009 zusammengestellt; vgl. dagegen Meier 2015, 637.
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die Lazen wieder mit der römischen Seite versöhnen sollte, was in Anbetracht dessen, dass der Mord mit Billigung Justinians geschah, nichts anderes ist als der Missbrauch des diplomatischen Mittels der Symbolhandlung im Dienste der Manipulation, was Agathias ziemlich deutlich ausspricht, wenn es über den Kaiser heißt: Meines Erachtens war es kein bloßer Zufall oder eine Laune, die Kaiser Justinian zu der Anordnung bewegt hatten, dass der Prozess mit derartiger Gründlichkeit und genauer Beachtung rechtlicher Form geführt werden sollte, sondern eine verständige und angemessene Einschätzung der Lage. Sein Ziel bestand darin, die Einheimischen durch eine einigermaßen prahlerische Zurschaustellung der Erhabenheit des römischen Rechtswesens zu beeindrucken, um sie nicht nur besser an die römische Herrschaft zu gewöhnen, sondern auch jeglichen Vorbehalt oder jegliches Gefühl eines Missstandes, welches die Kolcher noch im Fall hegen mochten, da erwiesen würde, dass Gubazes von Anfang an des versuchten Überlaufs zu den Persern schuldig und sein Mord entsprechend vollkommen gerechtfertigt war, zu zerstreuen. Wenn aber die Mörder des Gubazes überführt würden, einen erdichteten Vorwurf vorgebracht und danach ein grausames Verbrechen begangen zu haben, so würden sie in diesem Falle verurteilt, von einem Boten in der Öffentlichkeit herumgeführt und schließlich geköpft und damit vor aller Augen dem rächenden Schwerte zugeführt. Somit würde die vollstreckte Strafe zweifach schrecklich und streng erscheinen. Denn der Kaiser wusste sehr gut, dass, wenn er befehlen würde, Johannes und Rustikos im Geheimen und mit hastiger Gerechtigkeit hinzurichten, die Kolcher nicht verspüren würden, dass ein Angriff auf ihre Ehre abgeschlagen worden sei oder dass sie eine angemessene Sühne für das begangene Verbrechen erhalten hätten.51
Laut des Juristen Agathias Meinung handelte es sich also um ein aus klarer Berechnung erfolgtes und inszeniertes Ereignis. Ein besonders deutliches Beispiel für das spätantike Bewusstsein, dass auch „nichtstaatliche“ Akteure eine wesentliche Rolle in manipulativen Vorgängen spielen konnten, bietet der elfte Artikel des von Menander Protektor überlieferten Friedensvertrages von 561. Es heißt: […] wenn eine Stadt eine andere Stadt schädigen wird oder irgendwie etwas von ihr zugrunde richtet, und zwar nicht nach der Kriegsgewohnheit oder mit einer militärischen Streitmacht, sondern mit List und Trug – es gibt nämlich solche Übeltäter, die dies betreiben, damit es ei-
51 Agath. hist. 4,1,4–6 (Übers. nach Frendo): καί µοι δοκεῖ βασιλεὺς Ἰουστινιανὸς οὐκ ἀπεικὸς οὐδὲ αὐτοµάτως ἀλλʼ ἐµφρονέστατα τοῦ δέοντος ἐστοχασµένος ξὺν τοιᾷδέ τινι τάξει καὶ εὐκοσµίᾳ τὴν κρίσιν προελθεῖν παρακελεύσασθαι, οὐ µόνον ὅπως οἱ ἐκείνῃ βάρβαροι, τῶν Ῥωµαϊκῶν σφίσι νοµίµων κοµπωδέστερον ἀναδεικνυµένων, θαυµάζοιέν τε αὐτὰ καὶ ἐπὶ πλέον ἄρχεσθαι ὑπὸ τούτων ξυνεθισθεῖεν, ἀλλὰ καὶ ὅπως, εἰ µὲν ὡς µηδίσας πρότερον ὁ Γουβάζης δικαιότατα φανείν ἀνῃρηµένος, µηκέτι ἀνιῷντο οἱ Κόλχοι µηδὲ ὥς τι δεινὸν πεπονθότες ἀγανακτοῖεν, εἰ δέ γε ἅπαντα καταψευσάµενοι καὶ ἄδικον µίασµα δράσαντες ἁλοῖεν οἱ ἀπεκτονότες oὕτω τε καταδιαιτηθέντες καὶ ὑπὸ κήρυκι ποµπῷ ἀνὰ τὰ πλήθη περιηγµένοι εἶτα τῷ παλαµναίῳ ξίφει ἁπάντων θεωµένων καρατοµηθεῖεν, τότε δὴ µεῖζόν τι δόξειεν εἶναι τὸ πέρας καὶ διπλασίων ἡ τιµωρία. ἠπίστατο γὰρ ὡς, εἰ µὲν οὕτω πως ἐν ἀπορρήτῳ βαρβαρικώτερον Ῥούστικόν τε καὶ Ἰωάννην διαφθαρῆναι παρακελεύσοιτο, οὐκ ἀποχρώντως ἡγήσασθαι ἂν τοὺς Κόλχους τὴν ὕβριν αὐτοῖς ἀπεσκευάσθαι, οὐδὲ προσήκουσαν ποινὴν κοµίσασθαι τῶν ἡµαρτηµένων. Whitby 2008, 120–122.
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nen Vorwand zum Krieg gibt –, es wurde also festgelegt, dass die Richter, die an den Grenzen beider Staaten eingesetzt sind, derartiges genau untersuchen und richtigstellen sollen.52
Städte sind an sich keine diplomatischen Akteure, aber es ist trotzdem möglich, durch sie böswillig das Verhältnis zwischen den Reichen zu ändern. Dieser Fall wurde explizit in diesem Friedensvertrag bedacht, es bestand also ein Bewusstsein für Manipulation „durch List und Diebstahl“ über Drittakteure. Auch sonst wird im Vertrag von 561, der grundlegende Probleme des römisch-persischen Verhältnisses beseitigen soll und daher gerade diese Probleme der ihm vorausgehenden Zeit aufzeigt, demonstriert, dass es Manipulation geben kann, bis hin zur böswillig falschen Auslegung eben dieses Vertrages, da es im zwölften Artikel heißt, dass Gott Feind und Widersacher dessen sein möge, der mit betrügerischer Absicht eine der Bestimmungen zu verändern sucht.53 Dass dieser Verdacht nicht unbegründet war, zeigt der dem Vertrag von 561 folgende Komplex um die Zugehörigkeit Suanias, das absichtlich nicht im Vertrag aufgenommen war, um noch darüber diskutieren zu können.54 Somit wurde bei Beilegung der großen Konflikte mit Absicht ein kleinerer verschleppt, da man sich von seiner späteren Beilegung Vorteile versprach, nicht zuletzt die größere Stabilität des geschlossenen Vertrages. Sogar dem in den Quellen für die behandelte Zeit nur zwei Mal festzustellenden Fall des Beschützerwunsches der einen Seite an die andere – so bei Arcadius bezüglich Theodosiusʼ II. an Yazdgard und Kawadh bezüglich Chosraus an Justin – unterstellt Prokop in einem Fall eine Manipulationsabsicht. Denn letztlich ist der im Kapitel zu diesen Themen weiter oben besprochene Plan, dass Chosrau nach Justins Tod eine Möglichkeit zur Intervention im Imperium bekommen soll, den Prokop durch Proklos aufklären lässt,55 nichts anderes als versuchte Manipulation, da eine Seite heimlich Ambitionen hinter vermeintlich offener Kommunikation mit klaren Absichten verbirgt. Wie so oft im Falle der Manipulation bringt auch diese Absicht, als sie von der Gegenseite entdeckt wird – zumindest in der Deutung Prokops – eine Verschlechterung des Verhältnisses zwischen den Reichen mit sich.56
52 Men. Prot. frg. 6.1,367–373 (Übers. nach Stein): ὥστε εἰ πόλις ἑτέραν ζηµιώσει πόλιν ἢ ὁπωσοῦν διαφθείρει τι τῶν αὐτῆς, µὴ τῷ νόµῶ τοῦ πολέµου µήτε µὴν δυνάµει στρατιωτικῇ, ἄλλως δὲ δόλῳ τινὶ καὶ κλοπῇ· εἰσὶ γὰρ τοιοίδε τινὲς ἀνοσιουργοὶ οἱ ταῦτα πράσσοντες, ὡς ἂν πολέµου ἔσοιτο πρόφασις· ἐβεβαιώθη τοιγαροῦν τὰ τοιουτότροπα ἀναζητεῖν ἐς τὸ ἀκριβὲς καὶ ἐπανορθοῦσθαι τοὺς δικαστὰς τοὺς ἐν τοῖς πέρασιν ἑκατέρας πολιτείας ἱδρυµένους. 53 Men. Prot. frg. 6.1,384–389. 54 Men. Prot. frg. 6,1,435–514, 545–603; Antonopoulos 1992, 317f. 55 Prok. Bell. 1,11,10–19. 56 Prok. Bell. 1,11,30; vgl. 1,12,1.
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16.3 MANIPULATION ZU INNENPOLITISCHEN ZWECKEN Die Szene um den Adoptionswunsch des Kawadh leitet zu einem Phänomen über, das sich mehrmals zumindest hinter den Quellenberichten mutmaßen lässt und eine Art der Manipulation bildet, die über diplomatische Absichten hinausweist: wenn diplomatischer Verkehr und seine Mechanismen benutzt werden, um mit ihnen einen rein innenpolitischen Zweck durchzusetzen. Es handelt sich um Manipulation, da solche innenpolitischen Ziele nicht Zweck der Diplomatie sind, sondern vielmehr diplomatische Mittel missbräuchlich angewendet werden müssen, um sie durchzusetzen.57 So ist im Rahmen der Verhandlungen um den Adoptionswunsch Kawadhs an Justin zu bemerken, dass die römischen wie persischen Gesandten, die in dieses Geschehen involviert sind, gewisse gemeinsame Auffälligkeiten aufweisen. Durch Proklosʼ Worte gewarnt, will Justin nur eine Adoption durch Waffenleihe zulassen. Als Gesandte werden Hypatios – der Neffe des Kaisers Anastasios – und der dem Kawadh persönlich bekannte Rufinos entsandt. Auf persischer Seite sind es Seoses, der laut Prokop Kawadh einst aus dem Gefängnis befreit, zu den Hephthaliten begleitet und dafür bei Kawadhs Wiedereinsetzung höchste Ehren erhalten hatte,58 und Mebodes. Die Verhandlungen scheitern an der Waffenleihe und dem persischen Vorwurf, die Römer hätten sich Lazika angeeignet.59 Über das folgende Geschehen schreibt Prokop: Später verleumdete Mebodes den Seoses bei Kawadh, er habe von sich aus, ohne Auftrag seines Herrn, Lazika ins Gespräch gebracht und dadurch – nach einer vorausgehenden Abrede mit Hypatios – den Friedensschluss vereitelt. Dieser habe nämlich aus bitterer Feindschaft gegen den eigenen Kaiser weder den Frieden noch die Adoption des Chosrau verwirklicht sehen wollen. Auch sonst erhoben die Gegner viele Klagen gegen Seoses und brachten ihn damit vor Gericht. Der ganze versammelte Perserrat ließ sich bei seiner Entscheidung mehr von
57 Ein Sonderfall innerhalb des Sonderfalls (da es kein im engeren Sinne missbräuchliches Benutzen diplomatischer Phänomene wäre) ist ein quellenmäßig schwer zu fassendes Phänomen, auf das Matthew Canepa den Blick gelenkt hat: Die Verwendung von Ritualen und ritualisierten Räumen in Konstantinopel, um den Empfang persischer Gesandter darin für das römische Publikum als Triumph über Persien gestalten zu können, Canepa 2009, 117. Vgl. Treitinger 1956, 201. Auch Elemente der Wagenrennen im Hippodrom werden so interpretiert, Canepa 2009, 113f., 168–170: Auf der Westseite der Basis des dortigen Theodosiusobelisken ist eine Darstellung östlicher Völker, die Tribut bringen, zu sehen. Dies hätten persische Gesandte, die im Kathisma saßen, nicht sehen können; den Zuschauern, die sowohl die Basis des Obelisken als auch das Kathisma im Hintergrund erkennen konnten, sei so aber deutlich geworden, wie sie die persischen Gesandten einzuordnen hätten. Zu diesem Phänomen vgl. Canepa 2010, 128. 58 Prok. Bell. 1,6,4–18; PLRE II, Fl. Hypatius 6, S. 577–581; PLRE IIIB, Mebodes (Māhbōdh), S. 868. 59 Prok. Bell. 1,11,19–30.
16.3 Manipulation zu innenpolitischen Zwecken
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Missgunst als von Rechtsempfinden leiten. Ärgerte sie doch sehr das ihnen ungewohnte Amt, dazu das Auftreten des Mannes.60
Es gibt weitere Anschuldigungen. Die Richter sprachen daraufhin das Todesurteil über Seoses, während Kawadh zwar den Eindruck erweckte, er tue als Freund ihm herzlich leid, in Wirklichkeit aber den Angeklagten gar nicht retten wollte.61
Prokop erinnert daran, dass Kawadh Seoses sein Leben verdankt. Rufinos andererseits verleumdete Hypatios beim Kaiser. Daher entsetzte ihn Justin seines Amtes und ließ auch einige von seinen Verwandten aufs Härteste foltern, konnte aber, was diese Verdächtigungen betraf, ganz und gar nichts Stichhaltiges herausbringen. Sonst tat er dem Hypatios nichts zuleide.62
Es fällt der spiegelbildliche Charakter der Episode auf: Der Justin unbequeme Hypatios wird von Rufinos verleumdet, ebenso der Kawadh unbequeme Seoses von Mebodes. Hypatios ist Justin ein Dorn im Auge, da er als Neffe des Anastasios, der unter diesem Prestige erworben hatte, durchaus kaiserfähig ist und über entsprechende Verbindungen zu verfügen scheint, die Justinians Nachfolge und damit die Pläne Justins bedrohen. Im Nikaaufstand sollte sich dies eindrucksvoll zeigen, da Hypatios zum Kaiser ausgerufen wird.63 Seoses ist Kawadh ein Dorn im Auge, da ihn Seoses zumindest moralisch in der Hand hat, denn Kawadh verdankt ihm sein Leben und seine Herrschaft. Kein lebender Perser kommt Seoses, der die einmalige Würde des Adrastadaran Salanes innehat,64 gleich und diese Machtstellung, vielleicht im Rahmen der Nachfolgefrage Kawadhs zuungunsten Chosraus ins Spiel gebracht, beunruhigt Kawadh. Mit Schippmann lässt sich da60 Prok. Bell. 1,11,31–32 (Übers. nach Veh): µετὰ δὲ Μεβόδης µὲν τὸν Σεόσην διέβαλλε Καβάδῃ, ὡς δὴ ἐξεπίτηδες, οὔ οἱ ἐπιτεταγµένον πρὸς τοῦ δεσπότου, τὸν Λαζικῆς λόγον προθείη, τὴν εἰρήνην ἐκκρούων Ὑπατίῳ τε κοινολογησάµενος πρότερον, ὃς δὴ βασιλεῖ τῷ οἰκείῳ εὐνοϊκῶς ὡς ἥκιστα ἔχων τήν τε εἰρήνην καὶ τὴν Χοσρόου ἐσποίησιν ἔργῳ ἐπιτελῆ οὐκ ἐῴη γενέσθαι. πολλὰ δὲ καὶ ἄλλα κατηγοροῦντες οἱ ἐχθροὶ τὸν Σεόσην ἐς δίκην ἐκάλουν. Περσῶν µὲν οὖν ἡ βουλὴ ξύµπασα φθόνῳ µᾶλλον ἢ νόµῳ ξυνειλεγµένοι ἐδίκαζον. τῇ τε γὰρ ἀρχῇ οὐ ξυνειθισµένῃ σφίσιν αὐτοῖς ἐπιεικῶς ἤχθοντο καὶ τῷ τρόπῳ τοῦ ἀνδρὸς χαλεπῶς εἶχον. 61 Prok. Bell. 1,11,36 (Übers. nach Veh): οἱ µὲν οὖν δικασταὶ θάνατον τοῦ ἀνθρώπου κατέγνωσαν, Καβάδης δὲ ὥσπερ µὲν ξυναλγοῦντι ἅτε φίλῳ τῷ Σεόσῃ ἐῴκει, ἐξελέσθαι δὲ αὐτὸν οὐδαµῆ ἤθελεν. 62 Prok. Bell. 1,11,38f. (Übers. nach Veh): καὶ Ῥουφῖνος δὲ Ὑπάτιον ἐς βασιλέα διέβαλλε. διὸ δὴ αὐτόν τε παρέλυσε τῆς ἀρχῆς βασιλεύς, καὶ τῶν οἱ ἐπιτηδείων τινὰς πικρότατα αἰκισάµενος οὐδὲν ὑγιὲς ἐν ταύτῃ τῇ διαβολῇ τὸ παράπαν εὗρε, κακὸν µέντοι οὐδὲν Ὑπάτιον ἄλλο εἰργάσατο. 63 Prok. Bell. 1,24,22–25. 64 Prok. Bell. 1,6,18. Zu Begriff und Hintergrund des Adrastadaran Salanes (artēštārān sālār) siehe Huyse 2002, 209; vgl. Klíma 1968, 229–231. Es dürfte sich entgegen Prokops Angabe bei Seoses (Siyāvuš) nicht um den einzigen Träger des Titels überhaupt gehandelt haben, im 5. Jahrhundert gab es wohl einen Präzedenzfall. Für den behandelten Zeitpunkt ist die Angabe aber wahrscheinlich richtig.
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von ausgehen, dass Seoses eine Stütze der mazdakitischen Bewegung war, was seinen großen Einfluss für Kawadh nur umso gefährlicher machen musste.65 Eigentümlich an der Verhandlung ist, dass Justin gewusst haben dürfte, dass die Waffenleihe von persischer Seite abgelehnt werden würde und Kawadh zumindest laut Prokop auch wusste, dass die Erwähnung Lazikas zum Abbruch der Verhandlungen führen würde. Die Schuld an der Erwähnung gibt er fälschlich Seoses. Nach Prokops Meinung, der das dahingehend eindeutige Verb διαβάλλω benutzt, ist die Anschuldigung des Mebodes erlogen. Ebenso verhält es sich mit den Anschuldigungen (wiederum heißt es verleumden – διαβάλλω) des Rufinos gegenüber Hypatios und auch dem Vorwurf, beide hätten sich abgesprochen. Beide sind nach Prokops Meinung unschuldig und beide ihren Herrschern unbequem, zudem beide von sie verleumdenden Kollegen begleitet und beide an einer Verhandlung beteiligt, von der abzusehen war, dass sie scheitern musste. Beiden wird vorgeworfen, heimlich zusammenzuarbeiten. In Anbetracht dessen, dass Rufinos ein guter Bekannter Kawadhs war, liegt nahe, dass Prokop darauf hinauswill, dass ein abgekartetes Spiel gespielt wurde: Rufinos (im Auftrag Justins) und Mebodes (im Auftrag Kawadhs) hätten dann, mit Rufinos als Mittelsmann zwischen beiden Seiten, die sowieso zum Scheitern verurteilten Friedensverhandlungen genutzt, um Widersacher ihrer Herrscher zu beseitigen. Es musste beiden Seiten, die bereits im schriftlichen Kontakt standen, klar sein, dass die Verhandlungen scheitern würden. Es war aber weder im Interesse Justins noch Kawadhs, innen- wie außenpolitisch als Schuldige an diesem Scheitern zu erscheinen. Es wurden also Sündenböcke gebraucht, um von den herrscherlichen Fehlern abzulenken. Wenn man demnach wusste, dass Sündenböcke gebraucht wurden, konnte man auch von vornherein solche Leute dazu machen, die sowieso beseitigt werden sollten. Man unterstellte also Hypatios und Seoses das, was Rufinos wirklich mit den Persern umsetzte: versteckte Zusammenarbeit. Eine Spitze Prokops gegen Justin und Justinian dürfte sein, dass die beiden es am Ende nicht einmal schaffen, Hypatios loszuwerden, Kawadh aber den Seoses beseitigen kann. Es ist nicht besonders wichtig, welche Teile dieser Episode Spekulation und literarische Absicht Prokops und welche korrekt wiedergegeben sind, entscheidend ist die ohne große Erklärungen auskommende Selbstverständlichkeit, mit der Prokop die Manipulation diplomatischer Vorgänge durch die Herrscherpersönlichkeiten für ihre innenpolitische Zwecke präsentiert. Dies geschieht unabhängig vom römisch-persischen Verhältnis, das sich durch die gescheiterten Verhandlungen sowieso verschlechterte. Der diplomatische Ablauf wird hier nicht in erster Linie manipuliert, um diplomatische Vorteile zu erringen, sondern innenpolitischer Absichten wegen.66 65 Schippmann 1990, 51. 66 Wenn auch nur ansatzweise, so ist der Verdacht, dass hier Manipulation am Werk gewesen sein muss, in der Literatur geäußert worden: So hat Rubin 1960, 260f., gemutmaßt, dass man Hypatios von Anfang an als Sündenbock auf die Gesandtschaftsreise geschickt habe, um ihn belasten zu können, falls etwas schiefgehen sollte. Diese Idee erwähnt auch Greatrex 1994,
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In den Anekdota schildert Prokop einen persischen Fall dieser Art von Manipulation, der dem Charakter des Werkes und seiner Intention entsprechend noch weit spekulativer ist: Nach Chosraus Einnahme Petras folgen Rückschläge für die persische Seite. Die Bedingungen des lazischen Landes machen dem persischen Heer zu schaffen, viele sind auch gefallen, viele verhungert und zudem bricht eine Seuche aus und fordert zahlreiche Todesopfer. Aus Persien kommt die Nachricht, dass Belisar bei Nisibis einen Sieg errungen habe, zudem Sisauranon erobert, Bleschames samt 800 Reitern gefangen genommen und Al-Harith mit einem Heer ausgesandt, um das Land jenseits des Tigris zu plündern. Ein von Chosrau gegen das römische Armenien gesandtes Hunnenheer wird von den Römern vernichtet. Es kommt zum Aufruhr im persischen Heer in Lazien und die Meinung wendet sich gegen Chosrau.67 Prokop berichtet die Vorgänge folgendermaßen: Aus Sorge um ihre Familien und ihr Vaterland wird im persischen Heer auf Chosrau geschimpft und ihm vorgeworfen, er sei grundlos, eidbrüchig und gegen allgemeines Menschenrecht während der Waffenruhe ins Gebiet der Römer vorgedrungen. Damit würde er einen alten und ehrwürdigen Staat beleidigen, den er nicht niederzuringen in der Lage wäre. Gedanken an einen Umsturz kommen auf. Chosrau ist besorgt und kommt auf folgende Idee: Er liest den Persern einen Brief vor, den Kaiserin Theodora zuvor Zaberganes geschickt hatte: Wie hoch ich von dir denke, Zaberganes – sehe ich doch in dir einen Freund unseres Staates – das weißt du seit deiner kürzlichen Gesandtschaftsreise zu uns. Dein Handeln dürfte dieser meiner Wertschätzung entsprechen, wenn du den König Chosrau für eine friedliche Politik gegenüber unserem Lande gewinnen wolltest. Denn in diesem Fall könnte ich dir große Belohnungen durch meinen Gemahl in Aussicht stellen, der nichts ohne meinen Willen tut.
Chosrau fragt daraufhin die Adligen, was von einem solchen Gemeinwesen zu halten sei, wo eine Frau regiere. Dies besänftigt den Aufruhr, trotzdem rückt der König nur sorgsam und ängstlich ab, da er den Zusammenstoß mit den Truppen des Belisar fürchtete, so dass er auch ohne Feindkontakt schließlich froh ist, ungeschoren in sein Land zurückgekehrt zu sein.68 So zumindest präsentiert Prokop die Geschehnisse.
145. Schippmann 1990, 51, geht davon aus, dass Seoses (Siyavusch) verleumdet wurde, da er eine Stütze der Mazdakitenbewegung gewesen sei und man ihn auf diese Weise beseitigen konnte; vgl. Schindel 2013, 138f. Einen eventuell vergleichbaren fränkisch-byzantinischen Fall behandelt Lung 2015, 39f. 67 Prok. HA 2,26–31. PLRE IIIA, Bleschames, S. 234. 68 Prok. HA 2,31–37, ebd. 33–36 (Übers. nach Veh): ὅπως σε, ὦ Ζαβεργάνη, διὰ σπουδῆς ἔχω, εὔνουν σε οἰοµένη τοῖς ἡµετέροις πράγµασιν εἶναι, οἶσθα ἐπὶ πρεσβείᾳ οὐ πολλῷ πρότερον ἐς ἡµᾶς ἀφιγµένος. οὐκοῦν πράττοις ἂν εἰκότα τῇ δόξῃ, ἣν ἐπὶ σοὶ ἔχω, εἴ γε βασιλέα Χοσρόην εἰρηναῖα πείθοις ἐς πολιτείαν τὴν ἡµετέραν βουλεύεσθαι. οὕτω γάρ σοι ἀγαθὰ µεγάλα πρὸς ἀνδρὸς ἀναδέχοµαι τοὐµοῦ ἔσεσθαι, ὅς γε οὐδὲν ἂν ὅ τι καὶ ἄνευ γνώµης τῆς ἐµῆς πράξειεν. Zu dieser Episode auch Canepa 2009, 155f. PLRE IIIB, Zaberganes 1, S. 1410.
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Zunächst einmal ist durchaus vorstellbar, dass ein derartiges Schreiben zur Steigerung der Moral im persischen Heer verlesen wurde und entsprechend auch, dass Prokop dies mitbekommen haben könnte. Äußerst unwahrscheinlich ist aber, dass es Theodora zur Verfasserin hatte, denn es widerspricht dem, was sich bisher bezüglich geheimer Korrespondenz und Bestechung feststellen ließ: In den im Kapitel zur Informationsbeschaffung behandelten Fällen fiel mehrmals auf, dass Bestechungsangebote und dergleichen Missionen, die absolute Geheimhaltung zur Bedingung ihres Erfolges haben, vom Kaiser persönlich unter wenigen Augen mit den beauftragten Agenten besprochen wurden. Dass Theodora nun ein solches Schreiben, das nichts anderes als einen Bestechungsversuch gegenüber dem Gesandten Zaberganes bedeutet, tatsächlich abgeschickt haben sollte, um sich damit derartig stark zu kompromittieren und ihren Erfolg von vornherein zu sabotieren, ist kaum denkbar.69 Denn in dem Moment, da dieses Schreiben versandt wird, kann sich Theodora bereits nicht mehr darauf verlassen, dass Zaberganesʼ Mission unentdeckt bleiben wird – kann das Schreiben doch selbst im Fall der Treue des Zaberganes jemandem in die Hände gefallen sein, der die Nachricht Chosrau überbringt, der sie dann nutzen könnte, um nicht nur Zaberganes zu misstrauen, sondern ihn sogar als Doppelagenten gegen Rom einzusetzen. Ebenso unwahrscheinlich ist die Betonung der eigenen Macht durch Theodora, die Chosrau laut Prokops Angabe für seinen propagandistischen Zweck nutzte. Dieser Zweck ist wahrscheinlich der wahre Hintergrund des Schreibens. Wenn dieses wirklich existierte und verlesen wurde, dann sehr wahrscheinlich als Erfindung im Auftrag Chosraus, die Prokop hervorragend in sein literarisches Programm zur Schmähung der Kaiserin passte. Der Moment der diplomatischen Manipulation besteht darin, dass Chosrau ein vermeintliches diplomatisches Dokument nutzt, um damit seine eigenen Großen und Soldaten zu beeinflussen. Dass dieses Dokument zudem gefälscht sein dürfte, bringt nur eine manipulative Ebene mehr ins Spiel. Der diplomatische Inhalt ist für diese Art der Manipulation nicht wichtig, da er nicht auf diplomatische Sachverhalte abzielt. Selbst wenn Prokop sich die ganze Episode nur ausgedacht haben sollte, so ist sie doch Zeugnis für seine Auffassung dieser besonderen Art der Manipulation, die in seiner Zeit offenbar durchaus vorstellbar war und plausibel erschien. Wäre sie unrealistisch, hätte Prokop sie schließlich nicht in dieses Werk aufgenommen, das aufgrund seines extrem parteiischen Charakters besonders glaubwürdig erscheinen musste. Im Übrigen fällt literarisch auf, dass Prokop die Episode – mag sie stimmen oder nicht – so einfügt, dass sie keine Auswirkungen auf die historischen Abläufe hat: Es ändert sich durch den Brief nichts und das Ergebnis der Auseinanderset-
69 Dagegen Rubin 1957, 534: „Theodoras Brief an Zaberganes ist kurz und sachlich, gehört zu jener Gattung, die auch in der Kriegsgeschichte den meisten Anspruch auf Echtheit erheben kann.“
16.3 Manipulation zu innenpolitischen Zwecken
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zungen in Lazien bleibt wie in den Bella.70 Die Perser lassen sich beschwichtigen, ziehen aber trotzdem ab. Ihre konkreten Sorgen werden nicht angesprochen. Es ist ja nicht so, dass man vor dem wilden lazischen Land und Belisar weniger Angst hatte, nur weil man wusste, dass Justinian ein Pantoffelheld ist. Und Chosrau bleibt in Prokops Erzählung nach wie im Unrecht; die Episode bestärkt nur seine Idee, dass es für die persische Seite doch noch die Hoffnung geben konnte, auf irgendeine Weise und eines Tages doch noch gegen Justinian zu gewinnen – aber eben nicht im Augenblick.71
70 Vgl. Prok. Bell. 8,7,3f. (Übers. nach Veh): „Sie (die Perser) schalten daher bei ihrem Rückzug nach Hause in aller Heimlichkeit auf Chosrau und nannten ihn den Verderber des Persergeschlechts. Ja, sie waren nach der Rückkehr aus Lazien, da sie dort fürchterliche Schläge erlitten hatten, einmal sogar nahe daran, sich ganz offen gegen ihn zusammenzurotten und ihn eines jämmerlichen Todes sterben zu lassen; doch er erfuhr noch rechtzeitig von dem Anschlag, besänftigte ihre einflussreichsten Männer mit vielen schönen Worten und rettete so sein Leben.“ – διὸ δὴ ἐς ἤθη ἐπανιόντες τὰ πάτρια Χοσρόῃ ὡς λαθραιότατα ἐλοιδοροῦντο καὶ διαφθορέα τοῦ Περσῶν γένους αὐτὸν ἀπεκάλουν. καί ποτε καὶ ἐκ Λαζικῆς ἐπανήκοντες, ἐπειδὴ ἐνταῦθα πάθεσιν ἔτυχον ὡµιληκότες ἀνηκέστοις τισί, ξυστήσεσθαί τε ἐκ τοῦ ἐµφανοῦς ἐπ̓ αὐτὸν ἔµελλον καὶ διαχρήσεσθαι θανάτῳ οἰκτίστῳ, εἰ µὴ προµαθὼν ἐφυλάξατο, θωπείᾳ πολλῇ τοὺς ἐν σφίσι λογιµωτάτους περιελθών. 71 Ein randständiges und märchenhaftes Beispiel von Manipulation diplomatischer Vorgänge im Dienste eines nichtdiplomatischen Zwecks aus späterer Zeit hat Matthews 1989, 35–37, herausgearbeitet, vgl. Hartmann 2007, 58: Im arabischen Buch der Krone (Kitab at-Tag) des Pseudo-al-Jahiz, p. 62–65 [übers. Pellat] schickt Chosrau einen todeswürdigen Sklaven, von dessen Schuld er weiß, aber keinen Weg findet, ihn berechtigt anzuklagen, ohne dass ein schlechtes Licht auf ihn zurückfallen würde, als Spion in der Verkleidung eines Händlers ins Imperium, wo er ihn sich zunächst etablieren lässt, bis es dahin kommt, dass er dem Kaiser persönlich Waren präsentiert, wobei dies von persischer Seite auf listige Weise so organisiert wird, dass der Händler in den Augen des Kaisers als hochrangiger Perser auf einer verdeckten Spionagemission erscheinen muss. Der Kaiser lässt ihn hinrichten. Somit lässt sich der Tod des Mannes nicht mit Chosrau in Verbindung bringen. Auch wenn das erfunden sein mag (und der Chosrau Anuschirwan der arabischen Überlieferung sowieso mehr als ein Idealherrscher nach Art des Königs Artus denn als eine historische Person erscheint, vgl. Gariboldi 2015, 48), so ist es doch ein Beispiel für das Verständnis des Mittels der Manipulation für nichtdiplomatische Zwecke. Eine vergleichbare Geschichte auf höherer Ebene wird von Pseudo-al-Jahiz, p. 181–185, berichtet: Im Römerkrieg Chosraus II. wird diesem sein Feldherr Shahrbaraz verdächtig gemacht, woraufhin er ihn letztlich ab- und durch seinen Bruder ersetzt. Der Feldherr verbindet sich mit dem römischen Kaiser und wendet sich gegen Chosrau. Dieser beauftragt einen Christen, einen in einem Stab versteckten Brief offensichtlich zu Shahrbaraz zu bringen, ihn aber stattdessen persönlich dem Kaiser zu überbringen, so dass dieser davon erfährt und denkt, eigentlich sei das Schreiben für den Feldherren bestimmt. Der Brief erweckt den Eindruck, Shahrbaraz sei ein Doppelagent, bekomme nun Instruktionen von Chosrau und solle sich bald in einer kritischen Situation gegen den Kaiser wenden. Dieser glaubt dem Schreiben und bricht seinen Feldzug ab. Historisch dürfte daran wenig außer dem Seitenwechsel des Feldherrn sein. Letztlich unterstützte Herakleios Shahrbaraz wohl sogar bei dessen späterer Usurpation, die ihn kurzzeitig zum Großkönig machte, er wird also vielleicht nicht als Doppelagent verdächtig gewesen sein.
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16.4 MANIPULATION UND HERRSCHERMORD Im Zusammenhang mit dem Mord an Gubazes stellt sich abschließend die auch von Alan D. Lee im Rahmen seiner Untersuchung zu Attentaten und Entführungen in der römischen Diplomatie aufgeworfenen Frage, warum laut den Quellen nie versucht worden ist, im römisch-persischen Verhältnis den Herrscher der anderen Seite zu ermorden, um das bestehende diplomatische Verhältnis neu zu ordnen. Lee versucht diese Frage damit zu beantworten, dass Großkönige (und in Analogie wohl auch Kaiser) zu gut bewacht gewesen seien, um einen solchen Versuch zu unternehmen – zudem hätte Rom im Fall des Sasanidenreiches wenig von einer Krise um die großkönigliche Nachfolge profitieren können.72 Dies sind aber keine besonders starken Argumente, wenn man sich vor Augen führt, wie viele bedeutende und hervorragend bewachte Staatsmänner im Laufe der Geschichte ermordet worden sind. Die Leibwächter müssen ihre Aufgabe schließlich in jedem einzelnen Augenblick im Leben eines Herrschers perfekt erfüllen und stets eine Unmenge von potentiellen Anschlagsmöglichkeiten bedenken, um ein Attentat, das ständig passieren kann, zu verhindern. Ein Attentäter dagegen muss nur einen einzigen unbedachten Augenblick lang Erfolg haben, um seine Mission durchsetzen zu können. Die Chancen stehen zugunsten des Attentäters. Ob die römische Seite von einer Krise der persischen Nachfolge profitieren konnte, hing von der jeweiligen Krise und generellen Lage im römisch-persischen Verhältnis ab. Wenn es mehrere konkurrierende Thronanwärter gab, wäre durchaus ein Attentat denkbar, um einen Konflikt zwischen diesen auszulösen und von der folgenden persischen Schwäche zu profitieren. Der Grund für die Abwesenheit derartiger Attentatsversuche an Kaisern und Großkönigen durch die jeweils andere Seite dürfte einmal mehr in den Strukturen des Verhältnisses zwischen den Reichen und Herrschern und den Konsequenzen dieser Strukturen zu suchen sein: Ein Attentat zu begehen, lohnt sich im konkreten Fall nicht, denn sollte die persische Seite herausfinden, dass der Kaiser Urheber des Attentats war, würde dies nicht nur mit ziemlicher Sicherheit einen Krieg heraufbeschwören, sondern zudem die römische Seite in eine künftighin sehr schlechte Verhandlungsposition
72 Lee 2009, 13f.: „If the object of abduction or assassination was the elimination of a problematic ruler, the Roman imperial authorities must also have calculated that the resulting succession crisis, in provoking dissension among now leaderless subjects, would further weaken a potential threat to the empire. Indirect evidence for this proposition comes from a marked feature of the catalogue of incidents: the lack of attempts to abduct or assassinate the kings of Sasanian Persia. On a generous estimate of Roman values, this might be attributable to respect for Persia as a civilized state of comparable standing to the Roman empire, but the subject matter of this article makes this unlikely. Kings of Persia may merely have been better protected – various sources attest to the existence of a royal bodyguard – and the Romans knew about the well-established procedures in Persia for dealing with succession crises. Thus, the assassination of a Persian king was unlikely to benefit the empire by destabilizing a rival.“
16.4 Manipulation und Herrschermord
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versetzen, was in Anbetracht der wahrgenommenen gleichen Stärke und Gleichrangigkeit tunlichst zu vermeiden war. Es fällt zudem auf, dass in den Quellen an keiner Stelle auch nur der Verdacht geäußert wird, am Tod eines Herrschers könnte die andere Großmacht beteiligt sein. Ein solches Attentat ist offenbar eine Idee, die den diplomatischen Gepflogenheiten völlig widersprach, da sie zu einer unausweichlichen Spirale gegenseitiger Anschuldigungen geführt hätte; ist doch zum Beispiel die Annexion eines Territoriums für die Gegenseite leicht zu beweisen, nicht aber, dass ein Attentat wirklich im Auftrag der anderen Seite stattgefunden hat. Wie sollte das auch möglich sein? Es gibt viele Motive für Attentate und auch ertappte Mörder können lügen. Wie so oft würde Aussage gegen Aussage stehen, die Gegenseite ihre Unschuld beteuern und ihrerseits anklagen, aus böswilligen Gründen beschuldigt zu werden. Da es auch in diesem Fall keine unabhängigen Untersuchungsgremien geben konnte, lohnte es sich nicht, andere solcher Taten zu beschuldigen und auch nicht selbst derartige Taten zu begehen, da es die Beziehungen zwischen den Reichen und Herrschern in jedem Fall drastisch verschlechtern würde. So ist es schon bei dem im Spannungsfeld zwischen Rom und Persien stehenden Lazenkönig Gubazes in einer kaiserlichen Äußerung der Fall: Ihn zu ermorden ist die allerletzte Option.73 Es braucht viel, damit der Mord an einer Person mehr politische Vorteile bringt als die folgende Verschlechterung des Verhältnisses zur anderen Großmacht Nachteile. Im Übrigen sticht der politische Mord als Methode der Manipulation unter den anderen heraus, denn während diese – seien es Symbolhandlungen, die von allen Seiten erfolgende Informationsbeschaffung, Drohung, militärische Aktion oder Verwendung von Klientelbeziehungen – sich durchaus auch im Rahmen einer von offener Kommunikation geprägten Diplomatie gebrauchen lassen, ist dies im Fall des Mordes per se nicht möglich. Sein Einsatz ist immer Manipulation, da er, würde er offen angekündigt, durch die folgende Belastung des diplomatischen Verhältnisses seinen Nutzen einbüßen würde. Es wäre auch eine unpassende Aussage, davon zu sprechen, ein Mord sei für eine Manipulation missbraucht worden, da sie impliziert, dass es auch konstruktive Morde gebe.
73 Agath. hist. 3,3,2–6.
17 METHODEN VI „Track-two-diplomacy“ und Drittakteure 17.1 NATUR DER METHODE Wie sich bereits im vorangehenden Kapitel gezeigt hat – und den folgenden zeigen wird – ist es zuweilen schwierig, Termini für bestimmte diplomatische Verhaltensweisen zu finden, die in der Alten Geschichte keinen Namen haben, aber auch nicht eins zu eins in der modernen Diplomatie vorkommen. Das Thema des folgenden Kapitels ist ein solches, da es sich mit Personen beschäftigt, die nicht im engeren Sinne Gesandte in diplomatischer Mission sind, aber doch die Aufgaben von Gesandten wahrnehmen, also das Verhältnis zwischen den Reichen modifizieren. In der Regel geschieht das im Auftrag einer Seite, es kommt aber auch der Fall vor, dass Personen im Interesse einer Stadt gegenüber einer Großmacht handeln, ihr Handeln aber mittelbar auch das Verhältnis zwischen den Großmächten beeinflusst. Wenn man die beiden Reiche als Staaten auffasst, so ließe sich von „nichtstaatlichen Akteuren“ sprechen, die keine dezidierten Vertreter einer Seite sind und nur ausnahmsweise in deren Verhältnis diplomatisch tätig werden. Denkbar ist auch die Bezeichnung als „Drittakteure“, um anzuzeigen, dass sie eben nicht direkt der ersten oder zweiten Seite unterstellt sind, wenngleich der Begriff missverständlich sein kann, da man ebenso Herrschaften und Länder, die nicht zu den Großreichen gehören, als „Drittakteure“ der internationalen Bühne bezeichnen könnte. Im Folgenden soll nur die erste dieser Bedeutungen verwendet werden. Ein Phänomen der modernen Diplomatie, da Drittakteure im Auftrag einer Seite Aufgaben von Gesandten wahrnehmen, bildet die track-two-diplomacy, die sich zur multi-track-diplomacy erweitern lässt.1 Dabei werden, zumeist in Anbetracht einer stagnierenden Verhandlung zwischen zwei Seiten auf der höchsten Ebene, statt Angehörigen des diplomatischen Dienstes andere Personen gewonnen, die außerhalb dieser Institutionen stehen, aber bezüglich derer davon auszugehen ist, dass sie auf der Gegenseite ein gewisses Ansehen genießen. Sie sollen dieses Ansehen und ihren durch keine diplomatische Routine verstellten Blick auf die Gegebenheiten an den Verhandlungstisch bringen, um die andere Seite zu bewegen, die Situation ebenfalls aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten und letztlich ein Entgegenkommen zu erwirken.2 Ein solcher Diplomat soll der Gegen1 2
Siehe dazu die Arbeit Volkan 1999. Auch wenn in der Antike „Diplomat“ kein Beruf war und sich das römische diplomatische Personal prinzipiell aus Personen zusammensetzte, die daher nicht Diplomaten von Beruf sein
17.1 Natur der Methode
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seite mehr Vertrauen abringen als die üblichen Akteure. Der Begriff bedient sich des Bildes, dass ein Eisenbahngleis durch ausweglose Verhandlungen blockiert ist und daher auf einem anderen weitergefahren werden muss. Dies kann auf mehreren Ebenen geschehen, indem verschiedene Akteure und Perspektiven eingeführt werden, so dass die track-two-diplomacy zur multi-track-diplomacy erweitert wird. Ist die track-two-diplomacy die Wahl zwischen mehreren Gleisen eines Bahnhofs, so ist die multi-track-diplomacy die Wahl zwischen den Ebenen eines Tiefbahnhofes. Das Risiko besteht darin, dass ein auf diese Weise herangezogener Gesandter nicht zuletzt durch seine diplomatische Unerfahrenheit und mangelnde „Weisungsgebundenheit“ im Vergleich zu den „offiziellen“ diplomatischen Akteuren eine gewisse Unzuverlässigkeit und Unberechenbarkeit mit sich bringen könnte. Es kann sein, dass er – wissentlich oder unwissentlich – durch sein Verhalten das diplomatische Verhältnis zum Gegenüber verschlechtert statt es zu verbessern oder der anderen Seite durch seine Argumente, Positionen oder Handlungsweisen Vorteile zuspielt. Solche Diplomatie kam auch in der Spätantike vor, so bietet Prokop ein archetypisches Beispiel aus dem Jahr 543, da die römischen Gesandten Konstantianos und Sergios zum Zwecke eines Friedensabkommens zu Chosrau geschickt werden, Konstantianos aber erkrankt und die Gesandtschaft sich verzögert. Chosrau will aber, wie man später erfährt, möglichst schnell ein Abkommen schließen, da er mit einem Usurpationsversuch und mit einer Krankheit, die auch sein Heer befallen hat, zu kämpfen hat.3 Deshalb schickte der damalige Befehlshaber in Persarmenien, Nabedes, auf königlichen Befehl den christlichen Bischof von Dubios an Valerianos, den Befehlshaber in Armenien; er sollte sich wegen der Saumseligkeit der Gesandten beschweren und die Römer mit allem Nachdruck zum Friedensschluss veranlassen. So kam denn der Bischof mit seinem Bruder nach Armenien und traf mit Valerianos zusammen. Als Christ sei er, wie er versicherte, den Römern wohlgesinnt und außerdem befolge König Chosrau jederzeit seine Ratschläge. Die
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konnten, Bréhier 1949, 246f., bildete sich doch eine gewisse Professionalisierung heraus, so dass auf römischer wie persischer Seite immer wieder ein bestimmter erfahrener Personenkreis Gesandtschaften übernahm; Gillett 2003, 20–22; Wiesehöfer 2007a, 134, Becker 2020, 30; siehe auch die Arbeit Mathisen 1986; vgl. Ganshof 1970, 38f. (dies hatte lange Tradition, vgl. schon zum klassischen Griechenland Mosley 1973, 94). Aber selbst ohne dies würden deutliche Unterschiede zwischen Gesandten und track-two-diplomats bestehen; Gesandte unterstehen unmittelbar und „weisungsgebunden“ den diplomatischen Entscheidungsträgern der eigenen Obrigkeit und handeln direkt in deren vorgegebenem Auftrag. Track-two-diplomats unterstehen weder unmittelbar „weisungsgebunden“ solchen diplomatischen Entscheidungsträgern, noch handeln sie in einem derart konkreten und klar erhaltenen Auftrag wie Gesandte. Der Spielraum in beiderlei Hinsicht ist ihre Chance, denn würde die andere Seite sie direkt mit diplomatischen Stellen verbinden und hätten sie nur deren klar definierten Auftrag auszuführen, gäbe es keinen Grund, auf die anders einzugehen als auf andere Gesandte, womit ihr Einsatz hinfällig wäre. Prok. Bell. 2,24,8. PLRE IIIA, Constantianus 1, S. 333f.; PLRE IIIB, Sergius 3, S. 1124.
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17 Methoden VI römischen Gesandten bräuchten daher nur mit ihm nach Persien zu kommen, wo sie ohne Schwierigkeiten den Frieden wunschgemäß abschließen könnten.4
In dieser Passage wird beispielhaft der Charakter der track-two-diplomacy deutlich: Da sich auf dem ersten Gleis – der Verhandlung Justinians und Chosraus über die Gesandten Konstantianos und Sergios auf oberster Ebene – nichts mehr bewegt, Chosrau es aber eilig hat und ein Eingeständnis dessen auch ein Eingeständnis eigener Schwäche wäre, eröffnet er ein zweites Gleis über den Bischof von Dubios auf einer niedrigeren Ebene: jenes zwischen Nabedes und Valerianos, die nah am militärischen Konfliktherd tätig sind. Der Bischof wird ausgewählt, da er als Christ bei christlichen Adressaten einen Vertrauensbonus gegenüber zoroastrischen oder andersgläubigen Gesandten haben soll und aus persischer Sicht wohl mit einem höheren Ansehen eines solchen Gesandten bei den Römern gerechnet wird. Es liegt an den Adressaten, dies so aufzufassen, aber das Potential ist gegeben. Zudem hat der Bischof die typische Eigenschaft eines track-twodiplomat, als ein Akteur an die Sache zu gehen, der über andere Qualifikationen und Perspektiven verfügt als ein gewöhnlicher Gesandter aus einem bürokratischen oder militärischen Kontext. So kann er einerseits darauf verweisen, als Christ (wenn auch nicht orthodoxer) die Dinge anders betrachten zu können und daher keine so vorgefasste Meinung gegenüber der römischen Seite zu haben wie dies üblicherweise bei persischen Gesandten der Fall ist, die streng im Auftrag des Großkönigs handeln. Andererseits kann er sich darauf berufen, als wichtiger Bischof Chosrau außerhalb des üblichen „Dienstweges“ persönlich zu kennen und einen anderen Zugang zu diesem zu haben. Er gibt also an, den gewünschten „frischen Wind“ in die unbewegliche Situation zu bringen. Er vermittelt den Römern, dass sie ihm mehr vertrauen könnten als den üblichen Diplomaten und daher auf das Ziel seiner Mission, Verhandlungen voranzutreiben, eingehen könnten. Ob sich die von ihm zugesagten Hoffnungen der Römer komplett erfüllen werden, steht auf einem anderen Blatt, aber Chosrau ging es durch Einsatz des Bischofs erst einmal nur darum, die Römer schnellstmöglich zur Fortsetzung des ins Stocken geratenen Friedensprozesses zu bewegen, ohne zugleich zu offenbaren, dass er sich aktuell in einer schwierigen Situation befindet und daher möglichst schnell Frieden mit den Römern schließen will. Würde er persönlich durch die herrscherlichen Kanäle auf Verhandlungen drängen, würde dies den Verdacht erwecken, dass er es offenbar eilig haben muss, sich also in einer schlechten Verhandlungsposition befindet und kurz über lang würde mit den gängigen Mitteln der Informa4
Prok. Bell. 2,24,6–7 (Übers. nach Veh): διὸ δὴ Ναβέδης τηνικαῦτα ἐν Περσαρµενίοις τὴν στρατηγίδα ἔχων ἀρχὴν τὸν ἐν ∆ούβιος τῶν Χριστιανῶν ἱερέα βασιλέως ἐπαγγείλαντος παρὰ Βαλεριανὸν τὸν ἐν Ἀρµενίοις στρατηγὸν ἔπεµψεν, αἰτιασόµενόν τε τὴν τῶν πρέσβεων βραδυτῆτα καὶ Ῥωµαίους ἐς τὴν εἰρήνην ὁρµήσοντα προθυµίᾳ τῇ πάσῃ. καὶ ὃς ξὺν τῷ ἀδελφῷ ἐς Ἀρµενίους ἥκων, τῷ τε Βαλεριανῷ ἐντυχὼν, αὐτός τε Ῥωµαίοις ἅτε Χριστιανὸς ἰσχυρίζετο εὐνοϊκῶς ἔχειν καί οἱ βασιλέα Χοσρόην πείθεσθαι ἀεὶ ἐς βουλὴν πᾶσαν· ὥστε ἢν Ῥωµαίων οἱ πρέσβεις ἐς τὰ Περσῶν ἤθη ξὺν αὐτῷ ἔλθωσιν, οὐκ ἄν τι αὐτοῖς ἐµπόδισµα εἴη τοῦ τὴν εἰρήνην ὅπη βούλονται διαθήσεσθαι.
17.2 Bischöfe als „track-two-diplomats“
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tionsbeschaffung herausgefunden, worin seine Schwierigkeiten bestehen, um diese gegen ihn zu verwenden. Somit nutzt Chosrau souverän die Mittel der tracktwo-diplomacy. Auch das Risiko der track-two-diplomacy taucht im Folgenden auf, da der Bruder des Bischofs, der ihn begleitet, im Anschluss Verrat an der persischen Seite begeht und Valerianos wichtige Informationen zukommen lässt.5 Dieses Ereignis war für Chosrau wahrscheinlich kaum abzusehen, als er die Entscheidung traf, das zweite Gleis der Verhandlungen zu eröffnen. Derartiges kann geschehen, wenn die Sympathie zur Gegenseite, auf der das Ansehen bei dieser Gegenseite – welches ihn in der track-two-diplomacy einsetzbar macht – beruht, stärker als die Treue zu der von ihm vertretenen Seite ist. Auch wenn der Bischof nichts vom Handeln seines Bruders gewusst haben sollte, so ist doch schon die Anwesenheit dieses Bruders etwas, das in der Diplomatie durch die üblichen Gesandten nicht vorgekommen wäre, da wohl kein Diplomat seinen Bruder auf eine Gesandtschaftsreise mitgenommen hätte, wenn dessen Loyalität gegenüber der eigenen Seite fraglich gewesen wäre. Insgesamt lässt sich feststellen, dass sich track-two-diplomacy vor dem Hintergrund der Strukturen des diplomatischen Verhältnisses als Methode besonders anbot, da sie einen Ausweg aus einer verfahrenen Verhandlungssituation versprach. In Anbetracht der ständigen Notwendigkeit der Kommunikation bei gleichzeitiger Unfähigkeit, im Konfliktfall eine schuldige Partei zum Bekenntnis ihrer Schuld zu bewegen – bedingt durch das wahrgenommene Gleichgewicht, die Gleichrangigkeit und religiöse Neutralität – kam es häufig zu verfahrenen Verhandlungen, so dass Ausweichen auf ein zweites Gleis der Verhandlung nahe lag. 17.2 BISCHÖFE ALS „TRACK-TWO-DIPLOMATS“ In der Forschungsliteratur ist der Terminus der track-two-diplomacy für die Spätantike nicht angewandt worden, aber es besteht ein gewisses Bewusstsein für zumindest den Einsatz von Bischöfen in diesem Sinne und generell als Drittakteure. So wurde bereits festgestellt, wie häufig gerade die persische Seite gegenüber dem christlich geprägten Imperium christliche Bischöfe (der persischen Kirche) einsetzt, wenn auch andere Gründe hinter diesem Phänomen vermutet wurden. So hat sich Nina Garsoïan in einer an Beispielen reichen Arbeit6 diesem Thema gewidmet und die besonderen Eigenschaften dieser Bischöfe herausgearbeitet, die sie zu geeigneten Gesandten machten: Sie kannten sich, bedingt durch ihre Einbringung in geistliche Netzwerke, sowohl mit grenzübergreifenden Bedingungen als auch den Umständen im Sasanidenreich und Imperium aus, hatten also ein 5 6
Prok. Bell. 2,24,8f. Garsoïan 1973. In neuerer Zeit befasst sich Jullien 2018 mit dem Phänomen, allerdings mit Fokus auf dem Katholikos Isoyahb von Gdala, der erst in der Zeit des Herakleios wirkte.
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17 Methoden VI
Bewusstsein für kulturelle Gemeinsamkeiten und Unterschiede, das für einen Diplomaten bedeutsam ist. Sie hatten zudem Loyalitäten auf beiden Seiten: So waren sie zwar keine orthodoxen Christen, nahmen aber die theologischen Diskurse des Imperiums ebenso wahr wie die des Sasanidenreiches und konnten Kontakte auf beiden Seiten der Grenze haben.7 Zugleich machten sie sich nicht sofort des Verrates verdächtig, da sie eben keine orthodoxen Christen waren und somit ein feststellbarer Unterschied zum Glauben des römischen Kaisers und seines Umfeldes bestand. Sie verfügten zumeist über die notwendigen Sprachkenntnisse, wenn sie an griechisch- und syrischsprachigen Diskursen teilnahmen.8 Der Großkönig hatte von ihrem Einsatz nicht zuletzt den Vorteil, dass sie im Gegenzug für sein Vertrauen seine Herrschaft stützen würden, die persische Kirche also eng an den Großkönig gebunden wurde. Durch diese Anbindung an den Großkönig bewahrte die persische Kirche zugleich ihre Unabhängigkeit vom Zoroastrismus und vom orthodoxen Christentum.9 Louis Sako mutmaßt des Weiteren, die leitende persische Idee sei auch gewesen, dass der römischen Seite eine Ablehnung der Gesandtschaft schwerer fiele, wenn sie es mit christlichen Diplomaten zu tun hätte.10 Zudem seien geistliche Gesandte finanziell günstiger gewesen als weltliche, da sich letztere durch ihre Reisen auch bereichern wollten, was Geistlichen offenbar nicht in gleichem Maße unterstellt wurde.11 Wie das Zusammenwirken dieser zusätzlichen Faktoren auch beschaffen gewesen sein mag, so ist festzuhalten, dass persische Bischöfe in erster Linie sehr geeignete Akteure der track-two-diplomacy gewesen sein müssen. Hätte ihr Einsatz gegenüber der römischen Seite keinen Erfolg gezeigt, hätte man sich wohl nicht dieses Mittels bedient.12 Bedingt durch die andersartige religiöse Situation im Imperium gibt es keine genaue Parallele zu den in diplomatischer Mission eingesetzten Bischöfen auf persischer Seite. Zwar fallen zum Beispiel römische Philosophen als Gesandte auf, aber diese haben nicht die prinzipiellen Vorteile, mit denen bei persischen
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Ebd. 138; Elton 1996, 100; vgl. Blockley 1992, 143f. Zu Bischöfen als Gesandten auch Grey 1973, 31f.; Isaac 1992, 246; Schrier 1992, 76f.; Kazhdan 1992, 9; Wiesehöfer 1994, 273; Diebler 1995, 196; Hartmann 2007, 86; Hauser 2008, 36f.; McDonough 2008b, 87; Nechaeva 2014, 99f.; Patterson 2017, 189f. 8 Sako 1986, 41; Jullien 2018, 201. 9 Garsoïan 1973, 138; vgl. McDonough 2008b, 87–89; Jullien 2018, 200f. 10 Sako 1986, 41. 11 Sako 1986, 42. Es ist aber wahrscheinlich davon auszugehen, dass auch so mancher geistliche Gesandte monetären Vorteil im Sinne hatte, und sei es nur, um dieses Geld für seine Stadt einsetzen zu können. Die Frage der Bereicherung zielt vor allem auf die Möglichkeit der Diplomaten ab, mit Waren grenzübergreifend steuerfrei zu handeln, vgl. Bréhier 1949, 249. Bei Sako 1986, 41, wird auch angenommen, dass die Römer vielleicht Geistlichen mehr Vertrauen entgegengebracht hätten als ihren weltlichen Beamten. 12 Vgl. Jullien 2018, 200; vgl. dagegen McDonough 2008b, 89.
17.2 Bischöfe als „track-two-diplomats“
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Bischöfen zu rechnen ist.13 So wurde laut Sokrates Scholastikos Bischof Marutha von Maiperkat im Auftrag Theodosiusʼ II. im Rahmen von track-two-diplomacy ins Sasanidenreich geschickt, aber aus anderen Gründen:14 Er gibt an, dass kontinuierlich Gesandtschaften zwischen den Herrschern hin – und hergingen, aber offenbar ohne große Erfolge. Der Kaiser entsandte nun Marutha, da dieser bei Yazdgard in hohem Ansehen stand und ihn außerdem einst geheilt haben soll und es gelingt Marutha, die Lage der Christen im Perserreich zu verändern.15 Auch in Anbetracht des hagiographischen Impetus der Stelle ist deutlich zu erkennen, dass Marutha entsandt wird, da die konventionellen Kanäle der Diplomatie seit längerer Zeit zu keinem Ergebnis geführt haben. Offenkundig steht er bei Yazdgard in hohem Ansehen und es gelingt ihm, ganz im Sinne der track-twodiplomacy, das diplomatische Verhältnis der beiden Reiche zu verändern. Es werden von der römischen Seite dabei persönliche Verbindlichkeiten ausgenutzt, um diplomatische Ergebnisse zu erzielen: Denn schließlich steht Yazdgard in Maruthas Schuld und muss diesem im Rahmen seiner großköniglichen Verpflichtung, Gerechtigkeit und Gleichgewicht zu schaffen, entgegenkommen. Wäre Yazdgard ein Privatmann, hätte dies keine politischen Konsequenzen: Yazdgard würde aus persönlichen Gründen in Maruthas Schuld stehen und dieser könnte die Schuld auch nur für einen persönlichen Vorteil nutzen. Da Yazdgard aber der Großkönig ist, lässt sich die persönliche Schuld nicht nur in Form eines persönlichen Vorteils einlösen, sondern auch für einen diplomatischen Zweck, den Yazdgard aber ebensowenig ablehnen kann wie eine persönliche Forderung Maruthas. Marutha macht mit persönlichen Verpflichtungen, die ihm gegenüber bestehen, Politik für das Imperium. Auch das ist track-two-diplomacy, da der Schlüssel zur Veränderung des Verhältnisses zwischen den Reichen in der Persönlichkeit und dem Ansehen des besonderen Diplomaten liegt. 13 Vgl. Lieu 1986, 493, zum Grund des Einsatzes von Philosophen: „Philosophers were sometimes employed by Roman government as members of diplomatic delegations to Persia because of their eloquence and mental agility.“ Ausführlicher zum Phänomen ebd. 493. Generell zu den römischen Philosophen am Perserhof siehe den Aufsatz Hartmann 2002; vgl. S. 132, Anm. 78 der vorliegenden Arbeit. Zu dem Fall des Philosophen (und laut Agathias Scharlatans) Uranios am Hofe Chosraus bei Agath. hist. 2,29–32, siehe S. 384, Anm. 66 der vorliegenden Arbeit. Uranios habe den römischen Gesandten Areobindos überzeugt, ihn auf einer Gesandtschaftsreise mit ins Sasanidenreich zu nehmen und gelangte tatsächlich zu Chosrau, Agath. hist. 2,29,9–11. 14 Socr. hist. eccl. 7,8; Blockley 1992, 48f.; Rist 1996, 32; vgl. McDonough 2008b, 88. Zur Rolle des Marutha auch Greatrex/Lieu 2002, 31, 34f.; Shahbazi 2003b; Jullien 2018, 202f. 15 Zur Chronologie: Um 399 dürfte er von Arcadius an den Hof des neuen Perserkönigs Yazdgard I. gesandt worden sein, wo der Arzt den König geheilt haben soll. Er erreichte Frieden mit Rom und für die Christen in Persien. Theodosius II. schickte ihn wohl um 408 erneut zu Yazdgard. Vgl. neben Socr. hist. eccl. 7, 8, 1–20 auch Theophan. Conf. a. 5906; 5916; Greg. Barhebraeus chron. eccl. III 45–47 u. 49 (um 399/400 u. 410); vita Maruthae 7–11 (Noret 1973, p. 86, 88, 90). Zu den Missionen vgl. auch Noret 1973, 100–103; Schuol 2005, hier 100–103 (Reisen 409 und 410; Dämonenaustreibung 415/20); Hartmann 2007, 81; vgl. Luther 2014, 183; Labas 2018, 145.
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17 Methoden VI
Im Gegensatz zu persischen Bischöfen, die als Gesandte tätig werden, ist es aber nicht seine Funktion als christlicher Bischof, die den Vorteil bringt. Ein vergleichbarer Fall bei Sokrates ist jener des Bischofs Akakios von Amida, wenn auch der Charakter der track-two-diplomacy auf den ersten Blick weniger deutlich ist.16 Nach dem Krieg von 421/22 wollten die römischen Soldaten ihre Gefangenen, die sie in der Arzanene gemacht hatten, nicht wieder ins Sasanidenreich entlassen, obwohl diese etwa 7.000 Personen hungern mussten, was den Großkönig besorgte. Akakios will das nicht zulassen, ruft den ihm unterstehenden Klerus zusammen und unterbreitet seinen Plan, die Gefangenen mit eingeschmolzenen Kirchenschätzen freizukaufen, was schließlich geschieht. An sich handelte der Bischof mit dem Freikauf von Gefangenen aus damaliger Warte wohl noch nicht per se politisch oder „diplomatisch“, sondern nur gemäß Erwartungen, die an das Bischofsamt gesetzt wurden. Zudem verpflegte er die Freigelassenen und sandte sie zum Großkönig. In Folge dessen setzt aber der diplomatische Charakter ein, denn der König habe durch diese Tat den Eindruck gewonnen, dass die Römer sowohl im Krieg als auch im Vollbringen guter Taten siegreich wären. Darum heißt es, dass er Akakios zu sich einlud, der dieser Einladung auf Geheiß des Theodosius nachkam. Zum einen leistet Akakios cultural diplomacy, indem er eine Tat im Angesicht des Großkönigs vollbringt (dieser ist der Adressat der Gefangenen!), von der absehbar ist, dass sie eine bestimmte Botschaft über „die Römer“ zu senden geeignet ist, wie Sokrates selbst schreibt. Wenn Akakios danach aber von Kaiser Theodosius zum Großkönig geschickt wird, der bereits ausgedrückt hat, dass er ihn gern kennenlernen würde, dann fungiert Akakios als typischer track-twodiplomat, wenn seine genaue Mission auch nicht bekannt ist. Er hat das dafür nötige Ansehen bei der Gegenseite erworben und handelt, wie es bei einem Diplomaten der Fall sein sollte, auf Geheiß seiner Regierung; aber nicht als „akkreditierter“ Diplomat, sondern als ein auf der Gegenseite geachteter kultureller Vertreter seines Landes. Laut Vööbus lässt sich auch in Barsauma von Nisibis eine Art track-twodiplomat erkennen.17 16 Socr. hist. eccl. 7,21. Bei Greatrex/Lieu 2002, 43, wird davon ausgegangen, dass die Handlung des Akakios im Gegenzug zu einer Rückgabe von Römern, die von den Hunnen gefangen genommen worden waren, durch Yazdgard I. stattgefunden habe. 17 Vööbus 1989, 824: „His Episcopal see was important for the Persian empire, as Nisibis was the point of contact between Persia and Byzantium. Arab nomads from both empires created ceaseless conflicts since they often met in the surrounding desert, and Barṣaumā, due to his strong loyalty to the Persian rulers and his abilities, was the right man for such a position. According to the words of the marzbān to the emperor, quoted by Barṣaumā himself: ‚The bishop of Nisibis is an expert in these affairs of the boundaries‘ (Synodicon orientale, p. 529). Besides using him in mediating services in conflicts, Pērōz valued the services of his trusted servant for diplomatic missions in negotiations with the Byzantines.“ Dazu passt wieder, dass sich mutmaßen lässt, dass Barsauma zugleich ein Spion war, siehe S. 121, Anm. 26 der vorliegenden Arbeit.
17.3 Ärzte als „track-two-diplomats“
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17.3 ÄRZTE ALS „TRACK-TWO-DIPLOMATS“ Ein Beispiel Prokops aus dem Jahr 544, bei dem ein Arzt und kein Bischof in römischer track-two-diplomacy tätig wird, zeigt die Vielfalt dieser diplomatischen Methode bei gleichbleibender Rolle der persönlichen Verbindlichkeiten: Chosrau geht gegen Edessa vor, der Feldzug beginnt aber nicht vielversprechend und laut Prokop sei Chosrau klar geworden, welche Schmach es bedeuten würde, nun schon zum zweiten Mal vergeblich gegen die Stadt zu ziehen. Daher will er sich seinen Abzug bezahlen lassen. Durch den Dolmetscher Paulos will er Verhandlungen mit den Stadtbewohnern anknüpfen. Da sich, wie man später erfährt, der magister militum Orientis, Martinos, zusammen mit dem Feldherrn Petros und dem iberischen Königssohn Peranios in der Stadt befindet,18 ist davon auszugehen, dass die folgenden diplomatischen Aktionen mit obrigkeitlicher Billigung und Leitung stattfinden. Vier vornehme Edessener werden zu Chosrau entsandt und der Perser Zaberganes erklärt ihnen drohend, dass sie den Frieden erkaufen müssten. Das edessenische Angebot, noch einmal die Summe zu zahlen, die bei Chosraus letzter Belagerung gezahlt wurde, lehnt Zaberganes unter verhüllten Drohungen ab. Sie sollten noch einmal ihr eigenes Wohl überdenken. Nach einer Weile lässt Chosrau die Gesandten wiederkommen und droht unter Auflistung seiner Erfolge. Schlimmes drohe den Edessenern, wenn sie ihm nicht alles Geld der Stadt überließen – zahlten sie aber, würde er abziehen. Auf solche Eröffnung hin zeigten sich die Gesandten bereit, den Frieden von Chosrau zu erkaufen, sofern er von ihnen nicht Unmögliches fordere. Kein einziger Mensch vermöge freilich, wie sie sagten, vor dem Entscheidungskampf die Grenzen der Gefahr deutlich zu erkennen; denn einen Krieg könnten die Beteiligten niemals auf Grund bestimmter Abmachungen führen. Darüber ärgerte sich nun Chosrau und so hieß er die Gesandten sich ungesäumt aus dem Staub machen.19
Die Belagerung verschärft sich. An dieser Stelle sind die Verhandlungen deutlich festgefahren. Chosrau hat sich bereits auf Drohungen verlegt und eine Forderung gestellt, die in ihrer Absolutheit nicht akzeptabel erscheint: Denn wer sollte kontrollieren, ob die Edessener wirklich all ihr Geld abgeliefert haben? Das wäre ein Einfallstor für die die Manipulation Chosraus, um am Ende doch die Stadt einnehmen zu können. Es kann sein, dass Chosrau überhaupt nicht diese Auffassung vertrat, sondern nur 18 Prok. Bell. 2,26,25. PLRE IIIB, Peranius, S. 989f.; PLRE II, Petrus 27, S. 870f. Aktuell besteht eine Debatte um die Datierung der römisch-persischen Geschehnisse 542–544, inklusive der Belagerung Edessas, siehe S. 230, Anm. 129 der vorliegenden Arbeit. 19 Prok. Bell. 2,26,21f. (Übers. nach Veh): ταῦτα οἱ πρέσβεις ἀκούσαντες ὡµολόγουν µὲν παρὰ Χοσρόου τὴν εἰρήνην ὠνήσεσθαι, ἤν γε σφίσι µὴ τὰ ἀδύνατα ἐπαγγείλειε· τοῦ δὲ κινδύνου τὸ πέρας οὐδενὶ τῶν πάντων ἔφασαν πρὸ τῆς ἀγωνίας ἔνδηλον εἶναι. πόλεµον γὰρ τοῖς αὐτὸν διαφέρουσιν ἐπὶ τοῖς ὁµολογουµένοις οὐ µή ποτε εἶναι. τότε µὲν οὖν ξὺν ὀργῇ ὁ Χοσρόης τοὺς πρέσβεις ἐκέλευεν ὅτι τάχιστα ἀπαλλάσσεσθαι.
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17 Methoden VI
sagen wollte, dass man ihm so viel geben mochte, wie entbehrlich sei, da es sich eben nicht kontrollieren ließ; aber schon die Formulierung konnte das Angebot den Edessenern offenbar nicht akzeptabel erscheinen lassen. Vielmehr antworten sie auf Drohung mit Drohung, denn ihre Rede bedeutet nicht anderes als die Ankündigung, dass auch der kriegerische Weg offenstünde und Chosrau sich entgegen seiner Aussagen nicht sicher sein könne, dass er seine alten Erfolge wiederholen würde. Chosrau kann dies nur mit Krieg beantworten, da sich der Loskauf Edessas schwerlich noch als Erfolg darstellen ließe (worauf es ihm laut Prokop schließlich ankam), wenn sich herausstellte, dass er viel gefordert, am Ende aber im Angesicht edessenischer Drohungen gefeilscht habe, also eine einzige belagerte Stadt ihn dazu bewogen hätte, in seinen Ansprüchen nachzulassen. Die diplomatische Situation ist also festgefahren. Martinosʼ Beteiligung an der Position der edessenischen Gesandten ist ziemlich sicher, wenn nicht gar die Details der Äußerungen auf sein Umfeld zurückgehen, denn er kann schwerlich als höchster Feldherr des römischen Ostens zulassen, dass sich eine Stadt – noch dazu eine, in der er persönlich anwesend ist – zu von Chosrau diktierten Bedingungen freikauft, ohne einen Kampf zu wagen. Er konnte nicht auf Chosraus Forderungen eingehen. Also kommt es zur Errichtung einer Belagerungsrampe, die von den römischen Truppen mit Geschossen und Ausfällen verzögert wird, bis die Perser die Baustelle mit Tierfellen vor Beschuss abschirmen und die Errichtung vorantreiben können. Da heißt es: Die Römer gerieten darüber in große Angst und Aufregung und schickten ihre Gesandten wiederum zu Chosrau; mit ihnen kam auch Stephanos, ein zu seiner Zeit hochangesehener Arzt, der früher einmal den erkrankten Kawadh, den Sohn des Peroz, geheilt und dafür von ihm reiche Belohnungen erhalten hatte. Sobald dieser Stephanos mit den übrigen Gesandten bei Chosrau eingetroffen war, richtete er an ihn folgende Worte: „Menschenfreundlichkeit hat allgemein von je als Zeichen eines edlen Königs gegolten. Du kannst dir also, großmächtigster König, durch Bluttaten, Schlachten und Versklavung von Städten vielleicht künftighin die anderen Beinamen erwerben, niemals aber wirst du den Ruf eines guten Königs besitzen. Nun sollte aber am allerwenigsten die Stadt Edessa von dir etwas Schlimmes erfahren; denn dort stamme ich her, ich, der ich ohne etwas von der Zukunft zu wissen, dich aufgezogen und deinem Vater den Rat gegeben habe, dich zu seinem Regierungsnachfolger zu bestellen. So bin ich vor allem Ursache gewesen, dass du den Perserthron besteigen konntest, meine Vaterstadt aber in die augenblickliche Bedrängnis geriet; fügen sich doch die Menschen das meiste Unglück, das sie treffen soll, im großen und ganzen selbst zu. Indessen, wenn du noch irgendwie solcher Wohltat wie der meinen gedenkst, so tue uns weiterhin kein Leid mehr an, sondern erweise mir diesen Dank, der dich, o König, vor dem Ruf eines Unmenschen bewahrt!“20
20 Prok. Bell. 2,26,31–37 (Übers. nach Veh): καὶ τότε Ῥωµαῖοι ἐς δέος µέγα ἐµπεπτωκότες τοὺς πρέσβεις παρὰ Χοσρόην σὺν θορύβῳ πολλῷ ἔπεµπον καὶ Στέφανον σὺν αὐτοῖς, ἔν γε τοῖς κατ̓ αὐτὸν ἰατροῖς λόγιον, ὃς δὴ Καβάδην τὸν Περόζου νοσοῦντά ποτε ἰασάµενος κύριος χρηµάτων µεγάλων πρὸς αὐτοῦ γέγονεν. ὃς δὴ, ἐπεὶ παρὰ Χοσρόην ξὺν τοῖς ἄλλοις ἐγένετο, ἔλεξεν ὧδε „Βασιλέως τὴν φιλανθρωπίαν ἀγαθοῦ γνώρισµα πάντες ἐκ παλαιοῦ νενοµίκασιν. οὐκοῦν, ὦ κράτιστε βασιλεῦ, φόνους σοι καὶ µάχας ἐργαζοµένῳ καὶ πόλεων ἀνδραποδισµοὺς
17.3 Ärzte als „track-two-diplomats“
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Chosrau stellt nun drei mögliche Konditionen, unter denen er abziehen würde. Die Römer sollten eine wählen: 1. Er würde abziehen, wenn ihm Petros und Peranios ausgeliefert würden, die der Autorität seines Vaters entgegenstanden. 2. Ebenso würde er gehen, wenn die Edessener ihm 500 Kentenarien Gold zahlten. 3. Die letzte Option bestünde darin, dass die Edessener einige seiner Leute in die Stadt einließen, die alles vorhandene Gold und Silber suchen und beschlagnahmen würden, andere Güter aber in Ruhe ließen.21 Nach Prokops Meinung stellte Chosrau solche Bedingungen, da er andernfalls mit der Eroberung der Stadt rechnete. Den Gesandten erscheinen die Optionen aber alle unerfüllbar.22 Der Kampf geht weiter. Die Entsendung des Stephanos stellt ein Beispiel improvisierter track-twodiplomacy dar. Die Edessener befinden sich, in Anbetracht der Schwierigkeiten bei der Bekämpfung der persischen Belagerungsrampe, deren stetiges Anwachsen sie beobachten können, in einer schlechten Verhandlungsposition, zumal sie die diplomatischen Brücken zuvor mit der Erklärung, auch der Kampf könne eine Lösung bringen, abgebrochen haben. Nun befinden sie sich im Kampf und die Lösung droht nicht zu ihren Gunsten auszuschlagen. Chosrau dürfte sich also kaum auf eine für sie akzeptable Lösung herunterhandeln lassen. Durch diese schlechte Situation auf dem Hauptgleis der Diplomatie bietet sich an, ein zweites Gleis zu eröffnen, da mit dem in Edessa ansässigen Arzt Stephanos mehr oder weniger zufällig jemand greifbar ist, der bei Chosrau hohes Ansehen genießt und in dessen persönlicher Schuld, wie im obigen Beipiel Maruthas von Maiperkat, der aktuelle Großkönig steht. Indem der Arzt seine Persönlichkeit und diese persönlichen Verpflichtungen auf römischer Seite in die Verhandlung einbringt, könnte er eine Wende bewirken und den momentanen militärischen wie diplomatischen Vorteil Chosraus ausbalancieren. Daher lässt ihn Prokop dann eine Rede halten, die direkt zum Punkt seines Anliegens kommt: Chosraus gesamte königliche Existenz verdankt sich Stephanos und man kann nicht stärker in jemandes Schuld stehen als Chosrau in der des Stephanos. Zuerst wurde Chosraus Vater von Stephanos geheilt (was Prokop nicht einmal in die wörtliche Rede einbringt) und dann Chosrau unter Stephanosʼ Mitwirkung auf den Thron gebracht. Entspreτῶν µὲν ἄλλων ἴσως ὀνοµάτων παρέσται τυχεῖν, τὸ δὲ ἀγαθῷ εἶναι δοκεῖν οὐ µήποτε ἔσται. καίτοι πασῶν γε ἥκιστα χρῆν τῇ Ἐδεσσηνῶν πόλει παρὰ σοῦ τι ξυµβῆναι φλαῦρον. ἐντεῦθεν γὰρ ἔγωγε ὥρµηµαι, ὅσπερ σε τῶν ἐσοµένων οὐδὲν προειδὼς ἐξέθρεψά τε καὶ τῷ πατρὶ τῷ σῷ ξύµβουλος γεγονὼς, ἐφ̓ ᾧ σε τῆς ἀρχῆς διάδοχον καταστήσεται, σοὶ µὲν τῆς Περσῶν βασιλείας αἰτιώτατος γέγονα, τῇ δὲ πατρίδι τῶν παρόντων κακῶν. οἱ γὰρ ἄνθρωποι τὰ πολλὰ τῶν ἀτυχηµάτων σφίσιν αὐτοῖς ἐκ τοῦ ἐπὶ πλεῖστον τῶν ξυµβησοµένων προστρίβονται. ἀλλ̓ εἴ τίς σε τῆς τοιαύτης εὐεργεσίας εἰσέρχεται µνήµη, µηδὲν ἡµᾶς ἐργάσῃ περαιτέρω κακόν, ταύτην διδούς µοι τὴν ἀµοιβὴν, ἐξ ἧς σοι, ὦ βασιλεῦ, τὸ µὴ δοκεῖν ὠµοτάτῳ εἶναι ξυµβήσεται.“ Hartmann 2007, 81. PLRE IIIB, Stephanus 9, S. 1185. 21 Prok. Bell. 2,26,38f.; vgl. Heil 2006, 154. 22 Prok. Bell. 2,26,40f.
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chend soll Chosrau diese Schuld jetzt abtragen, indem er Stephanos Vaterstadt „heilt“, wie dieser einst Chosraus Vater Kawadh geheilt hat, und Stephanosʼ Existenz sichern, wie dieser einst Chosraus Existenz gesichert hat. Zudem ist Chosrau schuld an der aktuellen Bedrängnis Edessas und damit auch der des Stephanos, hat sich also auch noch an seinem Wohltäter versündigt, wie auch an den Pflichten eines Königs. Diese Argumentation ist nicht wirkungslos, denn Chosrau lässt sich so weit davon beeinflussen, dass er trotz seiner eindeutig vorteilhaften militärischen Position von seinen bisherigen Forderungen abrückt: die Forderungen 1 und 3 sind definitiv weniger als das, was er zuvor forderte, da er nichts weniger als alles Geld und alles Vermögen in der Stadt verlangte. Die erste Option, die Auslieferung der beiden Abtrünnigen, stellt offenbar die Antwort und Erwiderung auf das Anliegen des Stephanos dar, indem er die Verwendung einer persönlichen Schuld für einen diplomatischen Zweck sehr geschickt imitiert: Wie Stephanos noch heute seinen Umgang mit Kawadh in Anschlag bringt, so Chosrau den des Kawadh mit Petros und Peranios. Wenn Stephanos noch heute davon zehren will, dass er an Kawadh (und nur mittelbar Chosrau) Gutes getan hat und dafür Belohnungen erhandeln will, so kann Chosrau das bewilligen, muss dann aber als gerechter König auch Petros und Peranios noch heute dafür bestrafen, dass sie damals an eben jenem Kawadh gefrevelt haben.23 Das ist die Balance der Gerechtigkeit. Wie es letztlich bloßer Zufall ist, dass Stephanos in Edessa lebt und es ausgerechnet Edessa ist, das Chosrau gerade belagert, so ist es auch Zufall, dass sich Petros und Peranios gerade in Edessa aufhalten, als es von Chosrau belagert wird. Die Situationen verhalten sich spiegelbildlich. Prokop lässt Stephanos nichts erwidern. Chosrau hat mit seiner Antwort die Beliebigkeit der römischen track-two-diplomacy gezeigt. Er könnte ebensolche Ansprüche geltend machen. Ein gewisses symbolisches Entgegenkommen – da er wissen dürfte, dass Martinos Petros und Peranios nicht ausliefern wird – besteht immerhin in dem Angebot, auch jetzt noch, in Anbetracht der voranschreitenden Belagerung, gegen Zahlung abzuziehen. Wenn man sich aber vor Augen hält, dass 23 Es dürfte sich bei Peranios um eben jenen Sohn des Ibererkönigs Gurgenes handeln, der zur Zeit des Kaisers Justin mit seiner Familie aus Iberien unter den Schutz des Imperiums geflohen war, da Kawadh Iberien durch eine Stärkung des Zoroastrismus stärker an das Sasanidenreich binden wollte und die Konversion des Königs angeordnet hatte, Prok. Bell. 1,12,11, PLRE IIIB, Peranius, S. 990. Peranios hatte sich also mit seiner Familie Kawadh widersetzt. Im Übrigen ist literarisch beachtlich, dass Prokop Peranios bereits an dieser Stelle des ersten Buches erwähnt, obwohl er erst gegen Ende des zweiten Buches relevant wird. Das zeugt von seinem kompositorischen Geschick. Thukydides verfährt bisweilen ähnlich, so wird etwa der Athener Aristokrates im fünften Buch als einer der Eidschwörenden im Nikasfrieden erwähnt, 5, 19 u. 24, tritt aber erst im achten Buch im Rahmen der Handlung in Erscheinung, 8,9; 8,89; 8, 92. Der Olympiasieger Dorieus von Rhodos wird im dritten Buch im Rahmen einer Datierung erwähnt, 3,8, tritt aber erst im achten als handelnde Gestalt auf, 8,35 u. 84. Der Spartaner Endios wird im fünften Buch als Gesandter in Athen erwähnt, 5,44; tritt dann aber erst wieder im achten Buch auf; 8,6; 8,12; 8,17.
17.3 Ärzte als „track-two-diplomats“
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Edessa bei der letzten Bedrohung gerade einmal zwei Kentenarien zur Schonung des Umlandes gezahlt hat,24 könnten 500 die finanziellen Möglichkeiten der Stadt übersteigen. Und der Vorschlag des Einlassens persischer Abgesandter zur Beschlagnahmung der Wertsachen droht leicht in eine List auszuarten, um die Stadt unter Vorwänden doch noch einnehmen zu können. Die track-two-diplomacy kann in diesem Fall nicht ihren Zweck, eine verfahrene diplomatische Situation wieder in Gang zu bringen, um Vorteile zu erzielen, durchsetzen. Chosrau war sich wahrscheinlich schon zu siegessicher, zudem war die ganze Angelegenheit im belagerten Edessa sehr improvisiert: man hatte bei der Wahl des track-two-diplomat keine Optionen, um einen passenderen Vertreter zu suchen und zu rekrutieren; der Einsatz des zufällig verfügbaren Stephanos war immer noch besser, als überhaupt keinen Versuch zu unternehmen. Prokop schildert daneben einen anderen Fall, da ein Arzt mit hoher Wahrscheinlichkeit als Drittakteur fungierte. So wird neben dem unter personellen Zwängen eingesetzten Arzt Stephanos auch der römische Arzt Tribunos erwähnt, der Chosrau gemäß dem Abkommen von 545 auf seinen Wunsch hin ein Jahr lang zur Verfügung stehen sollte.25 Über diesen berichtet Prokop im achten Buch der Bella ausführlicher, da Chosraus instabile Gesundheit erwähnt wird: Der König ließ immer wieder Ärzte von überall her zu sich kommen, so auch den aus Palästina stammenden Tribunos, der ein gelehrter Mann und exzellenter Arzt war sowie durch Frömmigkeit, Klugheit und redliches Denken hervorragend. Nachdem er einmal Chosrau geheilt hatte, wurde er mit vielen Geschenken bedacht und anlässlich des vorletzten Waffenstillstandes bat Chosrau Justinian, ihm diesen Arzt für ein Jahr zur Verfügung zu stellen. So geschieht es und Chosraus wird schließlich ein Wunsch eingeräumt, den dieser nicht etwa für Gold verwendet, sondern für die Freilassung einiger römischer Gefangener. Chosrau gewährt nicht nur dies, sondern befreit auch weitere dreitausend und all diejenigen, die Tribunos als Männer von Ansehen namentlich anführen kann. All dies bringt dem Arzt großes Ansehen in der Welt.26 Es wird an keiner Stelle explizit gesagt, dass Tribunos in römischem Auftrag agierte, aber es ist in Anbetracht der Details doch stark davon auszugehen. So handelt es sich bei Tribunos um einen Mann, der bei Chosrau im höchsten Ansehen steht und schon mit ihm persönlich zu tun hatte. Es besteht ein natürliches Vertrauensverhältnis zwischen beiden, da sie bereits Arzt und Patient waren. Tribunos musste, gemäß der antiken Medizin, Kenntnisse über die Lebensführung Chosraus erwerben, um diesen behandeln zu können.27 Dabei wird er Wissen erlangt haben, das der Öffentlichkeit nicht leicht zugänglich war. Allein schon des24 Prok. Bell. 2,12,34. 25 Prok. Bell. 2,28,8–10. Als Leibarzt des Königs (drustabed) wird ein Tribunianos von Ps.Zach. Rhet. 12,7,p erwähnt. PLRE IIIB, Tribunus 2, S. 1342. 26 Prok. Bell. 8,10,11–16. 27 Diese Nähe wurde im Sasanidenreich wohl selbst schon als eine Art Auszeichnung begriffen, Panaino 2010, 234.
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halb ist davon auszugehen, dass er für die römische Seite von Interesse war. Als Chosrau ihn dann im Rahmen des Abkommens von 545 wieder als Arzt gewinnen wollte, musste dies auf römischer Seite alle diplomatischen Hebel in Bewegung setzen, diesen Mann nicht nur zu finden, sondern ihn auch für die Sache des Imperiums einzusetzen und dahingehend angemessen vorzubereiten. Wann bestand schon die Möglichkeit, einen römischen Agenten ein Jahr lang in das unmittelbare Lebensumfeld Chosraus zu bringen?28 Es ist davon auszugehen, dass er seinen Wunsch nach Freilassung zahlreicher und ihm namentlich bekannter Gefangener nicht aus völlig freien Stücken äußerte, sondern vor Antritt seiner Reise hinsichtlich solcher Dinge instruiert worden war. Chosrau wird dies gewusst haben und ging darauf ein – das war eben der Preis, den er für seine Gesundheit zu zahlen bereit war. Ein Indiz für die Richtigkeit dieser Annahmen könnte Prokops Aussage sein, Tribunos sei klug, fromm und redlich gewesen. Was soll das anderes heißen, als dass er klug im Interesse des Imperiums sowie der Orthodoxie im Angesicht des zoroastrischen Perserkönigs agierte und zudem nach seiner Rückkehr ins Imperium bereitwillig über das Gesehene Auskunft gab? Es fragt sich, warum Prokop sonst die Eigenschaften des Tribunos loben sollte, der innerhalb seines Geschichtswerkes eine sehr unbedeutende und randständige Gestalt ist. Es ist möglich, dass er mit dieser Formulierung einen Hinweis auf Zusammenhänge geben wollte, die wahrscheinlich vertraulich waren bzw. die Prokop in entsprechenden Unterlagen gelesen hatte, aber nicht weitergeben durfte. Das ist aber Spekulation. Es bleibt festzuhalten, dass Tribunos als Arzt einen großen Einfluss auf Chosrau hatte und zumindest sein Vertrauensverhältnis bei Chosrau im Dienste der römischen Sache nutzte, sei es als verdeckter track-two-diplomat, sei es als Drittakteur, der eigenmächtig im Sinne des Imperiums agierte. In jedem Fall bewirkte er durch die Freilassung tausender (!) Gefangener eine Veränderung in der diplomatischen 28 Vgl. Diebler 1995, 205. Ein Beispiel für einen später eingesetzten Arzt ist der 576 auf eine römische Gesandtschaft zu Chosrau geschickte Zacharias (PLRE IIIB, Zacharias 2, S. 1411f.), Men. Prot. frg. 20,1,19–25; vgl. Ioh. Ephes. hist. eccl. 6, 12; 6, 26; Hartmann 2007, 81f. Dabei ist ihm ein besonders hoher Status innerhalb der Gesandtschaft zuzusprechen, vgl. Blockley 1985b, 278, Anm. 241. Ausführlicher zu dieser Person Blockley 1980, 91–94. Als bewährter Gesandter wird er bei Men. Prot. frg. 23,8, 1–12 wieder gegenüber dem Sasanidenreich eingesetzt, gelobt und erfährt eine Rangerhöhung. Ein weiterer Einsatz wird ebd. frg. 26,1 beschrieben. Auch wenn er Arzt war, handelte es sich aber offensichtlich nicht um einen track-two diplomat, sondern schlicht um ein Zeugnis des Umstandes, dass es den Beruf „Diplomat“ nicht gab, also technisch gesehen alle Gesandten andere Berufe hatten und lediglich gemeinsam, dass sie Personen in kaiserlichen Diensten am Hof mit entsprechenden Kompetenzen waren. Da Zacharias wohl seiner individuellen Fähigkeiten wegen und nicht, weil er auf persischer Seite ein besonderes Ansehen genossen hätte, als Diplomat eingesetzt wurde und immer wieder in diplomatischem Auftrag agiert, war er kein track-two diplomat. Er hatte sich auch nicht als Arzt am persischen Hof ausgezeichnet, sondern war Arzt am römischen Kaiserhof und gelangte aus dieser Funktion heraus in die Diplomatie, PLRE IIIB; Zacharias, S.1411. Bei einem track-two diplomat wäre ersteres zu erwarten. Zum Thema der Ärzte als Gesandte siehe den dezidierten Aufsatz Blockley 1980; Nechaeva 2014, 125f.
17.4 Freie Drittakteure
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Verhandlungsmasse zwischen den beiden Großmächten und agierte somit als Diplomat.29 17.4 FREIE DRITTAKTEURE Neben der geradezu eins zu eins in den Quellen zu findenden track-twodiplomacy, wie sie der Fall Stephanos demonstriert, gab es eine in den Quellen häufigere zweite Form der Diplomatie durch Drittakteure, die aber weder einen politikwissenschaftlichen noch geschichtswissenschaftlichen Namen hat und mit der track-two-diplomacy nicht identisch ist: Bei dieser agieren ebenfalls Akteure, die nicht zu den eigentlichen Gesandten und Diplomaten einer Seite gehören, und treten in Kommunikation und Verhandlung mit der anderen Seite; in diesem Fall unternehmen sie das aber, ohne von ihrer eigenen Seite dafür legitimiert zu sein. Sie mischen sich auf eigene Faust für ein der einen Seite unterstelltes Gemeinwesen in diplomatische Prozesse ein, verändern dabei aber nicht nur das Verhältnis zwischen dem von ihnen vertreten Gemeinwesen und der anderen Seite, sondern auch zwischen den beiden Großmächten, deren Dialog sie beeinflussen. Letzteres ist allen Fällen, die noch weit komplexer sein konnten, gemeinsam und zwingt dazu, diesen Fall in die Kategorie der römisch-persischen Diplomatie einzuordnen. Akteure in diesem Sinne lassen sich als „freie Drittakteure“ bezeichnen.30 Wiederum sind es besonders Bischöfe, die in diesem Sinne agieren, was von Garsoïan zumindest am Rande bedacht wurde.31 Die folgenden Episoden wirken eigentümlicher und schwerer verständlich als die bisherigen, was nicht zuletzt daran liegt, dass eine derartige Form von Diplomatie in der Gegenwart nur noch schwer vorstellbar ist, da in der heutigen Diplomatie Städte, Bistümer usw. nicht mit Staaten verhandeln und umgekehrt – erst recht nicht unter der Vermittlung von Personen, die keine etablierten Diplomaten sind – sondern nur Staaten untereinander, Staaten und NGOs oder NGOs untereinander – also nur Völkerrechtssubjekte. Im Folgenden wird ein Schlüssel für etliche Eigentümlichkeiten in dem Umstand zu suchen sein, dass es in der Gegenwart Nichtregierungsorganisationen wie das Internationale Rote Kreuz und überstaatli29 Es ist auf römischer Seite keine Parallele bekannt, dass ein persischer Arzt dergleichen in Konstantinopel bewirkt hätte, aber auch auf römischer Seite genoss der Arzt des Kaisers eine zwangsläufig hohe Vertrauensstellung, die über den rein medizinischen Aspekt hinausging, wie besonders eine Stelle in der Schilderung des Nika-Aufstands im Chronikon Paschale demonstriert, da es beiläufig heißt, der a secretis Thomas sei Justinians Arzt gewesen. Chron. Pasch. a. 531, p. 625. Dieser könnte derjenige Thomas sein, der bei Prok. Bell. 1,22,1 als Gesandter erwähnt wird. 30 Es handelt sich dabei nicht um einen politikwissenschaftlichen Terminus, sondern ein Konstrukt des Verfassers der vorliegenden Arbeit. 31 Garsoïan 1973, 120–123.
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che Gremien wie die Vereinten Nationen gibt, die Aufgaben übernehmen können, die in der Antike mangels alternativer Angebote von engagierten Privatleuten übernommen werden mussten. Etliche Beispiele für derartige Diplomatie bietet Prokop bei der Schilderung des Einfalls Chosraus ins Imperium im Jahr 540.32 Auf dem Weg des Großkönigs im Imperium ist Sura die erste Stadt, mit der er sich näher beschäftigt und bei der es zu Kampfhandlungen an den Mauern kommt, im Laufe derer Arsakes, der Befehlshaber der römischen Besatzung, fällt. Es wird nun berichtet: Die Römer sind durch den Tod des Befehlshabers so entmutigt, dass sie Chosrau um Schonung und Gnade für den Ort bitten wollen, was durch den Bischof der Stadt geschehen soll, der sich am nächsten Tag mit einigen Dienern samt Geflügel, Wein und Weißbrot zum Großkönig begibt, vor dem er sich niederwirft und weinend um Mitleid für die armseligen Menschen und eine Stadt bittet, die bei den Römern kein Ansehen genieße, aber früher auch bei den Persern keine Bedeutung gehabt hätte und in Zukunft wohl ebenso wenig haben werde. Er verspricht, die Surener wollten ein ihnen und ihrer Stadt angemessenes Lösegeld zahlen. Chosrau ist ihnen aber schlecht gesinnt, da sie auf seinem Feldzug die ersten Römer waren, die ihn nicht freiwillig in ihre Stadt aufgenommen und sogar gewagt hatten, gegen ihn gewalttätig zu werden und vornehme Perser zu töten. Er verbirgt seinen Zorn vorerst, um dann den Römern durch Bestrafung der Surener furchtbar und unbesiegbar zu erscheinen. Dadurch hofft er, so Prokop, dass sich dann alle, auf die er stoßen werde, ihm sofort unterwerfen würden. Er begegnet dem Bischof vorerst freundlich, nimmt die Geschenke an und stellt sich, als wolle er sich des Lösegeldes wegen mit den persischen Edlen beraten und der Bitte entgegenkommen.33 Er schickt den Bischof mit einem persischen Geleit in die Stadt, die Begleiter sollen aber in Wahrheit dem Bischof Hoffnungen und damit die Surener achtlos machen, um das Stadttor für einen persischen Einfall offen zu halten. So geschieht es. Die Stadt wird erstürmt, die Häuser geplündert, viele Einwohner getötet und die gesamte Stadt niedergebrannt. Zunächst ist an dieser Episode auffällig, dass Prokop nicht gewusst haben kann, was Chosrau dachte, als er sich zur Erstürmung der Stadt mittels einer List entschloss. Man kann aber davon ausgehen, dass Prokop ihm die Überlegungen zuschrieb, die aus seiner Kenntnis des Ablaufes und Kontextes am wahrscheinlichsten erschienen. In der Tat ist der Ablauf einleuchtend und aussagekräftig bezüglich der bischöflichen Diplomatie.34
32 Andeutungsweise zu Bischöfen 540 Gray 1973, 32; Edwell 2015, 242f. 33 Prok. Bell. 2,5,12–16. 34 Zu dieser, auf lokaler Ebene, Nechaeva 2014, 98–101; vgl. Leppin 2016, 113. Ein vergleichbares früheres Beispiel ist das Verhalten des Bischofs von Bezabde gegenüber Schapur, der seine Stadt eingeschlossen hat, bei Amm. Marc. 20,7–9, wobei der Bischof als Verräter verdächtigt wird, was Ammian aber nicht glaubt.
17.4 Freie Drittakteure
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Es stellt sich die Frage, warum die Surener ausgerechnet ihren Bischof als Gesandten einsetzen, um mit Chosrau in Verhandlungen zu treten, und sich keines weltlichen Würdenträgers bedienten. Die Antwort auf diese Frage wird sich in weiteren Prokopischen Episoden des Jahres 540 deutlich zeigen, muss an dieser Stelle aber vorweggenommen werden: Der Bischof wird gewählt, gerade weil er kein weltlicher Würdenträger ist. Offenkundig ist der Umstand, dass die Surener eigenmächtig Verhandlungen mit Chosrau anknüpfen, Verrat am Imperium – schließlich würde das Reich im Chaos versinken, wenn jede Stadt und jeder Landstrich eigenständig Außenpolitik betreiben und legal entscheiden könnte, sich einer anderen Macht zu unterstellen. Aus diesem Grund kann kein weltlicher Würdenträger, der im Sinne des Imperiums agieren muss und seine Autorität letztlich vom Kaiser erhalten hat, derartige Verhandlungen anknüpfen, ohne schlimme Konsequenzen fürchten zu müssen. Ein Bischof aber ist sowohl bezüglich der Quelle seiner Autorität als auch seiner Verantwortlichkeit anderen Prämissen verpflichtet. Er bezieht sein Amt nicht von einer weltlichen Stelle und seine Autorität geht letztlich nicht auf den Kaiser, sondern auf Gott zurück. Zudem ist er nicht dem Gesamtwohl und der Staatsraison des Imperiums, sondern dem Wohle seiner Gemeinde, seiner Stadt verpflichtet. Er hat, bedingt durch diese Optionen, eine Rechtfertigung für sein Handeln, da er anführen kann, nicht aus politischen, sondern aus humanitären Gründen Verhandlungen anzuknüpfen.35 Das Wohl seiner Gemeinde wiegt schwerer als die eventuellen Nachteile, die dem Reich aus seiner Handlungsweise erwachsen könnten. Es wird sich zeigen, dass diese Rechtfertigung nicht juristisch korrekt und daher sein Handeln aus römischer Sicht nicht legal war, wohl aber geduldet. Dieses Muster wird sich im Folgenden noch weitaus deutlicher abzeichnen. Die Ursache dieser Anschauung ist nicht zuletzt darin zu suchen, dass auch römische und persische Beamte und Militärs sich des Umstandes bewusst sein mussten, dass es keine Gremien gab, die in humanitären Notlagen unabhängig von den beiden Konfliktparteien agieren konnten, aber sehr wohl Situationen auftraten, in denen humanitäre Notlagen verhindert werden mussten. Man konnte den Betroffenen nicht das Recht absprechen, sich – auch gesetzeswidrig – selbst zu helfen, wenn ihre nackte Existenz bedroht war. Kirchliche Vertreter waren in diesem Rahmen noch am besten geeignet, Aufgaben moderner Nichtregierungsorganisationen zu übernehmen.36
35 Vgl., wenn auch mit anderer Akzentuierung, Diebler 1995, 197. Im Vergleich zu einer sonst von Bischöfen durchaus erwarteten humanitäen Leistung – dem Freikauf von Gefangenen – besteht beim Agieren als freie Drittakteure durchaus noch ein erheblicher Unterschied, denn Gefangene freizukaufen bedeutet im schlimmsten Fall, Sachen (da Sklaven rechtlich gesehen schließlich nur Sachen sind) von Feinden des Imperiums zu kaufen, mit einem fremden König über die Schonung einer römischen Stadt gegen eine Zahlung zu verhandeln, mischt sich aber deutlich in politische Angelegenheiten. 36 Vgl. Leppin 2016, 113: „[...] bishops stepped in of their own accord when the traditional political order had failed.“
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Im konkreten Fall war eine solche Situation gegeben, da derzeit keine diplomatische Kommunikation zwischen den Seiten bestand, seit Chosrau den römischen Gesandten Anastasios, der des Einfalls ins Imperium wegen zu ihm gekommen war, noch immer bei sich festhielt, um nicht das Überraschungsmoment der militärischen Operation zu gefährden. So konnte es keine Verhandlung zwischen römischen und persischen Gesandten über das Schicksal Suras geben. Das hätte auch nicht in Chosraus Interesse gelegen, da er in solchen Verhandlungen als derjenige, der mit dem Einfall ins Imperium nicht nur den Ewigen Frieden gebrochen, sondern nicht zu leugnen auch derjenige war, der als erster Gewalt eingesetzt hatte und sich mit einem Heer auf römischem Boden befand, eine sehr schlechte Position gehabt hätte. Zudem hätten langwierige Verhandlungen sofort den Impetus seines militärischen Vorhabens zerstört: Der Vorteil seines Feldzuges war – neben der reichen Beute – ja gerade, dass er so seine diplomatische Position gegenüber dem Imperium durch die Demonstration militärischer Macht entscheidend verbessern und also vollendete Tatsachen anführen konnte, wenn es bald wieder zu Verhandlungen zwischen den Reichen kommen würde. Daher war ihm momentan nicht an Verhandlungen mit kaiserlichen Gesandten gelegen. Also mussten die Surener in diesem Moment zur Selbsthilfe in Form der Gesandtschaft des Bischofs greifen. Chosrau lehnte diese nicht etwa ab, weil sie keine offizielle römische Gesandtschaft war, sondern vielmehr durch den Kontext bedingt: Es ist schlimm genug, dass sich Sura nicht sofort unterworfen hat, aber nach den Kampfhandlungen bei ihm zu erscheinen und nicht einmal eine bedingungslose Kapitulation anzubieten, sondern noch Vorschläge zu machen, musste Chosrau erzürnen. Es wäre für ihn nicht ruhmvoll gewesen, einen Vertrag anzunehmen, dessen Bedingungen ein sogar nach Aussage seines Bischofs völlig unbedeutender Ort diktiert hat, nachdem ein erster militärischer Anlauf gescheitert war und sogar vornehmen Persern das Leben gekostet hatte. Das wirkte so, als sei der Ort Sura siegreich aus der Auseinandersetzung mit Chosrau hervorgegangen und wolle ihn jetzt auch noch mit etwas Geld abspeisen, denn eine Summe, die dem Stand der Surener entspricht, kann nicht besonders groß sein. Die Geschenke des Bischofs ändern nichts an diesem Umstand. Chosrau entscheidet sich also, ein Exempel zu statuieren, auf dass andere Städte sehen mögen, dass sie sich ihm total zu unterwerfen hätten. Die folgende List sollte abschreckend deutlich machen, dass Chosrau über genug Intelligenz und Macht verfügte, sich nicht von einer Stadt der Größe Suras an der Nase herumführen zu lassen. Eine solche List wäre bei Verhandlungen zwischen Kaiser und Großkönig (siehe das Kapitel 16 zur Manipulation) von verheerenden Konsequenzen für das diplomatische Verhältnis der beiden Reiche gewesen, aber zwischen dem Großkönig und Sura macht sie nur deutlich, wie enorm das Machtgefälle zwischen beiden ist. Chosrau kann mit den Surener machen, was er will; sie müssen zufrieden sein, wenn er sie nicht komplett vernichtet. Das soll allen Städten eine Lehre sein, dass sie nicht mit Chosrau umgehen können, als
17.4 Freie Drittakteure
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wären sie der Kaiser, sondern sich ihrer eigenen Ohnmächtigkeit bewusst werden und entsprechend handeln sollen. In diesem Sinne handelt es sich auch um eine Geste, eine Symbolhandlung Chosraus, da dieser im Stil der public diplomacy auf die römische Bevölkerung Einfluss zu gewinnen sucht, indem er über einen symbolisch aufgeladenen Akt direkt mit ihr kommuniziert. Dazu passt auch, dass es just nach der Zerstörung der Stadt über Chosrau heißt: „Jetzt entließ er den Anastasios nach Hause: Er solle dem Kaisers Justinian berichten, an welcher Stelle er Chosrau, den Sohn des Kawadh, verlassen habe.“37 Das bedeutet kein Anknüpfen von Verhandlungen, sondern eine Machtdemonstration gegenüber dem Kaiser. Chosrau zeigt eindrucksvoll, wozu er in der Lage ist. Die Episode geht mit diesem Aspekt noch weiter und diesmal ist es Chosrau, der einen römischen Bischof als Drittakteur zu gewinnen sucht: Nachher aber, aus Menschenfreundlichkeit oder Habgier oder auch Gefälligkeit gegenüber einer Frau namens Euphemia, die er dort unter den Gefangenen ausgesucht und in leidenschaftlicher Liebe als besondere Schönheit zur Ehegattin erkoren hatte, entschloss sich Chosrau, den Surenern etwas Gutes zu erweisen. Sergiopolis, den Römern untertan und nach dem berühmten heiligen Sergios so benannt, ist von der eroberten Stadt 126 Stadien entfernt und liegt südlich davon in der sogenannten Barbaren-Ebene. Dorthin schickte der Perserkönig Gesandte und verlangte vom Ortsbischof Kandidos, er solle die 12.000 Gefangenen um zwei Kentenarien Gold loskaufen. Doch der erklärte, kein Geld zu haben, und lehnte das Geschäft offen ab. Darauf forderte Chosrau von ihm, er solle schriftlich wenigstens die spätere Entrichtung der Summe versprechen und so für billiges Geld eine derartige Menge Sklaven freikaufen. Kandidos war damit einverstanden. Unter heiligsten Eiden erklärte er sich bereit, binnen Jahresfrist das Gold beizubringen, und verpflichtete sich, wenn er in der festgesetzten Zeit das Geld nicht liefern könne, als Buße den doppelten Betrag zu entrichten; außerdem wolle er als Eidbrüchiger sein Bischofsamt zur Verfügung stellen. Kandidos gab diese Erklärung in Form einer Urkunde schriftlich ab, worauf ihm sämtliche Surener übergeben wurden. Doch nur eine kleine Zahl von ihnen blieb am Leben, die meisten starben bald darauf an den erlittenen Strapazen. Hierauf zog Chosrau mit dem Heere weiter.38
37 Prok. Bell. 2,5,27. Zitat siehe oben S. 176, Anm. 154. 38 Prok. Bell. 2,5,28–33 (Übers. nach Veh): µετὰ δὲ, εἴτε φιλανθρωπίᾳ εἴτε φιλοχρηµατίᾳ ἐχόµενος, ἢ γυναικὶ χαριζόµενος, ἣν δὴ ἐνθένδε δορυάλωτον ἐξελὼν, Εὐφηµίαν ὄνοµα, γυναῖκα γαµετὴν ἐποιήσατο. ἔρωτα ἐξαίσιον αὐτῆς ἐρασθεὶς (ἦν γὰρ τὴν ὄψιν εὐπρεπὴς µάλιστα) δρᾶν τι ἀγαθὸν ὁ Χοσρόης τοὺς Σουρηνοὺς ἔγνω. πέµψας οὖν ἐς Σεργιούπολιν, τὴν Ῥωµαίων κατήκοον, ἣ Σεργίου ἐπιφανοῦς ἁγίου ἐπώνυµός ἐστι, πόλεως τῆς ἁλούσης ἓξ καὶ εἴκοσι καὶ ἑκατὸν σταδίοις διέχουσα, κειµένη δὲ αὐτῆς πρὸς ἄνεµον νότον ἐν τῷ βαρβαρικῷ καλουµένῳ πεδίῳ, Κάνδιδον τὸν ταύτῃ ἐπίσκοπον κεντηναρίοιν δυοῖν δισχιλίους τε καὶ µυρίους ὄντας ὠνεῖσθαι τοὺς αἰχµαλώτους ἐκέλευεν. ὁ δὲ (χρήµατα γάρ οἱ οὐκ ἔφασκεν εἶναι) τὴν πρᾶξιν ἄντικρυς ἀνεδύετο. διὸ δὴ αὐτὸν ὁ Χοσρόης ἠξίου ἐν βιβλιδίῳ τὴν ὁµολογίαν ἀφέντα τοῦ δώσειν χρόνῳ τῷ ὑστέρῳ τὰ χρήµατα οὕτω δὴ ὀλίγων χρηµάτων πρίασθαι ἀνδράποδα τοσαῦτα τὸ πλῆθος. Κάνδιδος δὲ κατὰ ταῦτα ἐποίει, καὶ τὸ µὲν χρυσίον ὡµολόγησεν ἐνιαυτοῦ δώσειν, ὅρκους δεινοτάτους ὀµωµοκὼς, ζηµίαν δέ οἱ αὐτῷ διώρισε ταύτην, ἢν µὴ διδοίη χρόνῳ τῷ ξυγκειµένῳ τὰ χρήµατα, διπλάσια µὲν αὐτὰ δώσειν, αὐτὸν δὲ ἱερέα µηκέτι εἶναι, ἅτε τὰ ὀµωµοσµένα ἠλογηκότα. ταῦτα Κάνδιδος ἐν γραµµατείῳ γράψας τοὺς Σουρηνοὺς ἅπαντας ἔλαβεν. ὧν ὀλίγοι µέν τινες διεβίωσαν, οἱ δὲ πλεῖστοι ἀντέχειν τῇ
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Mit dem Thema der Rückführung von Gefangenen kommt wiederum ein Gegenstand ins Gespräch, der in der Gegenwart allein Sache von Staaten und Nichtregierungsorganisationen ist. Mit einer gewissen Selbstverständlichkeit aber wendet sich Chosrau erneut an einen römischen Bischof, von dem der Freikauf von Gefangenen im Rahmen seines Bischofsamtes wohl zu erwarten war. Die genauen Beweggründe bietet Prokop nicht, sondern drei Varianten, die von einem hohen Informationsgrad zeugen, wie auch sonst die Details der Stelle bemerkenswert sind. Auch wenn Prokop nicht gewusst haben kann, was Chosrau genau dachte, so lässt sich seine Meinung doch an den drei Varianten ablesen: Habgier ist in Anbetracht der geforderten gerade einmal zwei Kentenarien, die nicht einmal sofort gezahlt werden müssen, kein guter Beweggrund, zumal sie Chosrau unter veränderten Bedingungen zwischen Rom und Persien in den nächsten Monaten vielleicht nie ausbezahlt bekommen würde. Euphemia wird mehr der Inhalt eines Gerüchtes sein, es bleibt also als wahrscheinlichste Variante die erste, die Menschenfreundlichkeit Chosraus, die Prokop aber in Anbetracht seiner Tendenz kaum Chosrau offen zugeschrieben haben würde. Es ist aber in der Tat Sorge um Menschen, wenn auch nicht aus philanthropischen Gründen, die Chosrau bewegt haben dürfte, die Gefangenen loszuwerden. Denn was sollte er mit einem Tross von 12.000 zu versorgenden Personen anfangen, wenn er sich momentan auf einem möglichst schnell erfolgenden Einfall ins Imperium befand? Eine Armee ist nicht schneller als ihre langsamsten Bestandteile, die in diesem Fall die Gefangenen samt Kindern und Greisen sein dürften, zudem wird man keinen Proviant für 12.000 zusätzliche Menschen mitgenommen haben.39 Bei der Vernichtung Suras wird man wohl kaum Wasser und Nahrungsmittel aus der brennenden Stadt evakuiert haben, was Prokop wohl erfahren hätte, zumal auch solche Vorräte, die leicht transportabel sein mussten, nicht besonders lange gereicht haben würden. All dies musste Chosrau veranlassen, die Gefangenen möglichst schnell loszuwerden. Aus diesen Gründen konnte er sie auch nicht nach Persien bringen lassen, zumal es dafür eines starken Begleitschutzes bedurft hätte, den er nicht erübrigen konnte. Sie einfach zurückzulassen wäre ein Eingeständnis mangelnder Weitsicht gewesen und zudem keine Tat eines starken Königs: Denn warum nimmt er sie gefangen, um sie unmittelbar danach freizulassen? Das würde den Zweck der Abschreckung konterkarieren. Sie zu töten, wäre ebenfalls gegen die Anforderungen eines guten Königs und würde einerseits die künftigen Verhandlungen mit Justinian behindern, andererseits aber auch den abschreckenden Zweck konterkarieren, denn wenn ruchbar würde, dass Chosrau selbst Gefangenen gegenüber derart ξυµπεσούσῃ ταλαιπωρίᾳ οὐχ οἷοί τε ὄντες ὀλίγῳ ὕστερον διεφθάρησαν. ταῦτα διαπεπραγµένος Χοσρόης πρόσω ἐπῆγε τὸ στράτευµα. Diebler 1995, 197. 39 Mit diesem Problem und der folgenden humanitären Notlage hatte sich laut Zonar. 12,23 schon Schapur I. nach der Einnahme Antiochias am Orontes, Tarsusʼ und Kaisareias in Kappadokien konfrontiert gesehen. Schlussendlich soll er auf dem Rückzug die Tötung von Gefangenen veranlasst haben, um eine vom Tross zu überquerende Schlucht mit ihren Leichen aufzufüllen; vgl. Agath. hist. 4,24,3.
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grausam ist, könnte das viele Römer gerade anspornen, sich ihm doch nicht zu unterwerfen, sondern den Kampf vorzuziehen. Er will aber vermitteln, dass Unterwerfung die richtige Verhaltensweise ist. Also entscheidet er, die Gefangenen zu verkaufen, denn offenkundig könnte er sie nicht verkaufen, wenn er nicht immer noch Herr über sie wäre, demonstriert also nach wie vor Stärke. An Justinian kann er sich nicht wenden, da dies wiederum langwierig wäre und den Feldzug sabotieren würde, zudem drängt die Lage der unversorgten Gefangenen. Also wendet er sich an einen nahen Bischof, von dem er weiß, dass er als Bischof ein solches Geschäft wagen kann. Dass dieser nicht darauf eingeht, versetzt ihn offenbar in Panik, so dass er die Gefangenen praktisch verschenkt, nur um seinen Feldzug möglichst schnell fortsetzen zu können. Es ist auch an die voranschreitende Unterversorgung zu denken, denn selbst nach ihrer Freilassung sterben noch die meisten der Gefangenen. Der Grund des Bischofs für die Ablehnung könnte neben wirklicher Geldnot auch darin bestehen, dass er keine Möglichkeit sieht, von einem Tag auf den anderen 12.000 Menschen zu versorgen und hofft, Chosrau würde sich an jemand anderen wenden, der über bessere Ressourcen verfügt. Sein anschließendes überschwängliches Eingehen auf den Vorschlag Chosraus deutet aber eher auf finanzielle Gründe. Offenbar zog er die Freiheit der Gefangen trotz nachfolgender Versorgungsschwierigkeiten dem ungewissen Schicksal in der Gefangenschaft Chosraus vor. Dass diese Schwierigkeiten eintraten, zeigt der Umstand, dass noch nach ihrer Befreiung die meisten Gefangenen gestorben sein sollen. Kandidos spielt beim dritten Einfall Chosraus ins Imperium 542 noch eine Rolle und es wird deutlich, dass Chosrau sein Angebot durchaus erst nahm. Kandidos hat das Geld letztlich nicht aufgebracht und sorgt sich um seine Stadt und sich selbst. Er geht zu Chosrau und bittet ihn, nicht zu zürnen, er habe das Geld ja auch nie gehabt und daher anfangs den Kauf abgelehnt. Der Kaiser hätte ihm auch nichts gegeben. Chosrau lässt ihn foltern und verlangt die im eingetretenen Fall des Zahlungsverzuges vereinbarte doppelte Summe. Auf den Vorschlag des Kandidos hin bekommt Chosrau sämtliche Kleinodien der Kirche von Sergiopolis. Das genügt ihm aber nicht und so schickt er Leute zum Durchsuchen der Stadt, was allerdings ein Vorwand für den Versuch ist, sie zu besetzen. Dieser scheitert durch Verrat des Sarazenen Ambrus – die Perser werden nicht eingelassen. Also schickt sich Chosrau zur Belagerung an und die Stadtbevölkerung will nach kurzem Widerstand kapitulieren, als ihnen wiederum Ambrus die schlechte Versorgung des persischen Heeres verrät. Sie sollten nur ausharren. Das geschieht und die Perser ziehen ab.40 „Den Kandidos aber gab der König nicht mehr frei; er durfte ja auch, wie ich glaube, als Eidbrüchiger nicht mehr Priester sein.“41
40 Prok. Bell. 2,20,1–16. 41 Prok. Bell. 2,20,15f. (Übers. nach Veh): Κάνδιδον µέντοι Χοσρόης οὐκέτι ἀφῆκε. χρῆν γὰρ, οἶµαι, αὐτὸν τὰ ὀµωµοσµένα ἠλογηκότα ἱερέα µηκέτι εἶναι.
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Es ist davon auszugehen, dass Chosrau diesen Aufwand nicht der zwei Kentenarien wegen trieb, sondern des Umstandes wegen, dass sich jemand getraute, einen schriftlichen Vertrag mit dem Großkönig nicht einzuhalten. Aus Sicht des Kandidos war es wohl nicht besonders wahrscheinlich, dass Chosrau noch einen Einfall wagen und das Gold fordern würde. Zudem dürfte er es wirklich nicht gehabt haben – erst recht nicht vom Kaiser, denn dieser wird derartiges eigenmächtiges Handeln von Drittakteuren nicht auch noch durch eine nachträgliche Legitimation gefördert haben. Bestraft wurde Kandidos von ihm – wie für Geistliche in solchen Situationen offenbar die Regel – nicht, aber auch keineswegs unterstützt. Chosrau nun ging es um das Prinzip, um mittels dieser Symbolhandlung den römischen Städten zu vermitteln, dass er nicht so mit sich umgehen ließ. Daher wohl auch die Folter und Gefangennahme des Kandidos. Es ist ein wesentliches Element des großköniglichen Daseins, Gerechtigkeit zu wahren und Vertragstreue zu beweisen. In Anbetracht dessen kann man das Verhalten des Bischofs von Sergiopolis nicht dulden, zumal die Initiative zu diesem Vertrag auch noch von Chosrau ausgegangen war und er ein Jahr Zahlungsfrist eingeräumt hatte. Der Großkönig muss für Gerechtigkeit sorgen. Er muss Verträge halten und wenn er das kann, muss es auch Kandidos können. Dass Durchsuchen der Stadt nach Wertsachen, um das Geld doch noch aufzubringen, dürfte in der Tat bereits mehr ein Vorwand für die Einnahme des Ortes als Maßnahme zur Gewinnung des Geldes sein. Als Symbolhandlung ist aber auch diese Maßnahme bestens geeignet. Interessant ist zudem, dass Kandidos (wenn auch unter der Folter) die Auffassung vertritt, er dürfe seine persönliche Schuld aus dem Vermögen seiner Gemeinde begleichen. Dies spricht von einem Verständnis, demgemäß er die Gefangenen damals nicht als Privatmann freigekauft hat, sondern in seiner Funktion als Bischof der Stadt, so dass diese nun auch dafür aufkommen kann. Sollte dem so gewesen sein, ist das ein Indiz für das Bewusstsein, ein Drittakteur zu sein, also im Verkehr mit dem Großkönig eine Rolle innezuhaben, die über jene eines bloßen Privatmannes hinausgeht. Die Gefangennahme des Kandidos ist wohl ein Zeugnis einer schwierigen Situation Chosraus: Würde er ihn gehen lassen, könnte man behaupten, Kandidos hätte straflos den Großkönig geprellt und Chosrau ließe sich dergleichen gefallen. Bestrafen aber kann er ihn, den Bischof und Untertan des Kaisers, nicht wie einen eigenen Untertanen. Also nimmt er ihn mit. Prokop nimmt den Eidbruch des Kandidos sehr ernst. Die Episode zeigt, dass ein Vertrag mit Drittakteuren als durchaus bindend betrachtet wurde. Sie sind nicht etwa weniger für ihre Taten zur Rechenschaft zu ziehen als die großen Diplomaten, nur weil sie auf einer niedrigeren Ebene agieren. Sie sind Teil diplomatischer Vorgänge. Zurück ins Jahr 540: Eine Mischung aus den beiden bischöflichen Handlungsweisen geschieht im folgenden Verlauf des Feldzuges von 540, da erst ein Bischof bittend zu Chosrau
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kommt und dann derselbe von ihm für eigene diplomatische Zwecke eingebunden wird: Germanos befindet sich in Antiochia, aber das von Justinian angekündigte Heer trifft nicht ein. In Anbetracht struktureller Schwachstellen der Befestigung und der Möglichkeit, dass Chosrau versuchen könnte, Antiochia zu erobern und Germanos gefangenzunehmen, kommen die Einwohner der Stadt zu dem Schluss, sich freizukaufen, was zu einer merkwürdigen Szene bei Prokop führt: Sie schickten daher Megas, den Bischof von Beroia, einen klugen Mann, der sich damals gerade bei ihnen aufhielt, als Bittsteller zu Chosrau. Unweit von Hierapolis traf dieser auf seiner Reise das persische Heer, wurde vor den König geführt und richtete an ihn viele begütigende Worte: Er möge doch Mitleid mit Menschen haben, die ihm weder etwas zuleide getan hätten noch sich gegen das persische Heer wehren könnten. Denn für einen König zieme sich am allerwenigsten, Menschen, die sich ihm unterwerfen und keineswegs Widerstand leisten wollen, mit Füßen zu treten und ihnen Gewalt anzutun. Auch seine augenblicklichen Taten seien unköniglich und unedel. Habe er doch dem römischen Kaisers keine Zeit zur Entscheidung gelassen, um entweder im gegenseitigen Einvernehmen den Frieden zu befestigen oder unter Einhaltung der Vertragsbestimmungen – wie es recht und billig sei, zum Kriege zu rüsten. Statt dessen sei er, ohne dass ihr Kaiser schon etwas von ihrer derzeitigen Lage wisse, derart rücksichtslos gegen die Römer bewaffnet vorgegangen. Chosrau hörte sich die Ausführungen an, ließ sich aber – ungebildet wie er war – durch die vernünftige Rede in seinem Wesen nicht besänftigen, sondern ward in seinem Denken nur noch mehr bestärkt. Und er drohte mit der Unterwerfung Syriens und ganz Kilikiens, befahl Megas, sich ihm anzuschließen, und führte das Heer gegen Hierapolis. Nach seiner Ankunft schlug er dort ein Lager auf. Doch da er sah, dass die Stadtmauer stark befestigt und ausreichend mit Soldaten besetzt war, schickte er Paulos als Dolmetscher zu den Einwohnern und forderte von diesen Geld. Dieser Paulos war im römischen Reiche aufgewachsen und hatte in Antiochia die Elementarschule besucht; wie man sagte, soll er auch ein gebürtiger Römer gewesen sein. Die Einwohner von Hierapolis waren aber trotzdem in großer Sorge um ihre Stadtmauer, da sie ja bis zu dem dort aufragenden Berge hin ein weites Gelände umschloss, außerdem wollten sie eine Verwüstung ihres Gebiets vermeiden. Sie erklärten sich daher bereit, zweitausend Stathmen Silber zu bezahlen. Jetzt ließ Megas nicht mehr nach, Chosrau um Schonung für alle Bewohner der östlichen Landesteile zu bitten, bis dieser ihm zusicherte, für zehn Kentenarien Gold das gesamte Römerreich zu räumen.42
42 Prok. Bell. 2,6,17–25 (Übers. nach Veh): Μέγαν τοίνυν, τὸν Βεροίας ἐπίσκοπον, ἄνδρα ξυνετὸν (ἐπιχωριάζων γὰρ αὐτοῖς ἐτύγχανε τότε) Χοσρόου δεησόµενον πέµπουσιν, ὃς δὴ ἐνθένδε σταλεὶς καταλαµβάνει τὸν Μήδων στρατὸν Ἱεραπόλεως οὐ µακρὰν ἄποθεν. Χοσρόῃ τε ἐς ὄψιν ἥκων πολλὰ ἐλιπάρει ἀνθρώπους οἰκτεῖραι, οἳ οὔτε τι ἐς αὐτὸν ἥµαρτον οὔτε τῇ Περσῶν στρατιᾷ οἷοί τε ἀντιτείνειν εἰσί. πρέπειν γὰρ ἀνδρὶ βασιλεῖ πάντων ἥκιστα τοῖς ὑποχωροῦσι καὶ οὐδαµῆ ἐθέλουσιν ἀντιτάσσεσθαι ἐπεµβαίνειν τε καὶ βιάζεσθαι, ἐπεὶ οὐδὲ τῶν νῦν δρωµένων βασιλικόν τι οὐδὲ γενναῖον αὐτῷ ἐργασθείη, ὅτι δὴ οὐ παρασχόµενος τῷ Ῥωµαίων βασιλεῖ βουλῆς τινα χρόνον, ὥστε ἢ τὴν εἰρήνην κρατύνασθαι, ὅπη ἂν ἑκατέρῳ δοκοίη, ἢ τὰ ἐς τὸν πόλεµον ἐκ συνθήκης, ὡς τὸ εἰκὸς, ἐξαρτύεσθαι, ἀλλ̓ οὕτως ἀνεπισκέπτως ἐπὶ Ῥωµαίους ἐν ὅπλοις ἔλθοι, οὔπω τοῦ σφετέρου βασιλέως ἐπισταµένου τὰ σφίσι. ταῦτα ὁ Χοσρόης ἀκούσας λόγῳ ξυνετῷ τὸν τρόπον ῥυθµίζεσθαι ὑπὸ ἀµαθίας οὐδαµῶς ἴσχυσεν, ἀλλ̓ ἔτι µᾶλλον τὴν διάνοιαν ἢ πρότερον ἤρθη. Σύρους τε οὖν ἠπείλησε καταστρέψασθαι καὶ Κίλικας πάντας, καί οἱ τὸν Μέγαν ἕπεσθαι κελεύσας ἐς τὴν Ἱεράπολιν ἐπῆγε τὸ στράτευµα. οὗ δὴ ἀφικόµενός τε καὶ ἐνστρατοπεδευσάµενος, ἐπειδὴ τόν τε
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Diese Episode ist bezeichnend für das Verständnis von derartiger Diplomatie über freie Drittakteure, bei denen, wie bereits bei eigentlichen track-two-diplomats, der Fall vorkommen kann, dass sie diplomatische Gepflogenheiten nicht verstehen oder zumindest missverstehen.43 Aus Sicht des Lesers ist der Wunsch des Megas nachvollziehbar und menschlich. Man kann aber versuchen, aus den bisherigen Geschehnissen vor Sura Chosraus Sicht der Dinge abzuleiten: Unaufgefordert kommt ein Bischof vor ihn, den eine sehr große und berühmte Stadt schickt. Er behauptet, diese große und berühmte Stadt könne sich nicht gegen Chosrau wehren. Damit will man ihn offenbar für dumm verkaufen. Außerdem kritisiert er unverhohlen den Großkönig und wirft ihm vor, unköniglich zu handeln. Das kommt einer Beleidigung gleich. Zudem muss Chosrau sich sagen lassen, nicht friedenswillig, rücksichtslos und vertragsbrüchig zu sein – als könnte der Bischof von Beroia das einschätzen. Und gerade dieser Bischof bittet nun um Schonung. Aus einer solchen Perspektive erscheint Chosraus Handlungsweise durchaus nicht ungebildet, wie Prokop meint, sondern nachvollziehbar, ebenso seine Drohung, Syrien und Kilikien unterwerfen zu wollen. Denn Chosrau muss die antiochenische Gesandtschaft geradezu als Affront erscheinen. Vor Sura wurde deutlich, dass er allein die Bedingungen stellt, dass bei ihm allein die Initiative liegt. Alle anderen dürfen in Anbetracht seiner Macht gar keine Bedingungen stellen. Die Weltstadt Antiochia geht mit einem unverschämten Gesandten auf Chosrau zu, als könne man ihn ungestraft beleidigen und trotzdem erwarten, dass er Mitleid zeigen würde. Aus antiochenischer Sicht ist das Anliegen verständlich und derartige Gesandtschaften könnten sie an andere Städte schicken, aber eben nicht an den weltbeherrschenden Großkönig. Er weist das Anliegen zurück, da er Unterwerfung anzuordnen oder Zahlung anzubieten, aber nicht besserwisserische Bitten entgegenzunehmen pflegt. Er droht, da den Antiochenern nicht klar zu sein scheint, wie mächtig er ist und welche Möglichkeiten er hat. Wer ganze Landstriche erobern kann, wird kaum Antiochia schonen, weil er darum gebeten wird. Wahrscheinlich wird Chosrau zu diesem Zeitpunkt bereits die Eroberung Antiochias geplant haben und konnte allein aus diesem realpolitischen Grund Antiochia nicht schonen, aber seine Handlung hat eben auch wieder einen Symbolcharakter. Megas muss ihn allein schon begleiten, da er des Eroberungsplanes wegen περίβολον ὀχυρὸν ὄντα εἶδε καὶ στρατιωτῶν ἔµαθε φυλακτήριον διαρκῶς ἔχειν, χρήµατα τοὺς Ἱεραπολίτας ᾔτει, Παῦλον ἑρµηνέα παρ᾿ αὐτοὺς πέµψας. ὁ δὲ Παῦλος οὗτος ἐτέθραπτό τε ἐν γῇ τῇ Ῥωµαίων καὶ εἰς γραµµατιστοῦ παρὰ Ἀντιοχεῦσιν ἐφοίτησεν, ἐλέγετο δὲ καὶ Ῥωµαῖος γένος τὸ ἐξ ἀρχῆς εἶναι. οἱ δὲ µάλιστα µὲν καὶ ὣς ἀµφὶ τῷ περιβόλῳ δειµαίνοντες, χώραν περιβεβληµένῳ πολλὴν µέχρι ἐς τὸ ὄρος, ὃ ταύτῃ ἀνέχει, ἔπειτα δὲ καὶ τὴν γῆν ἀδῄωτον ἔχειν ἐθέλοντες, ὡµολόγησαν ἀργύρου σταθµὰ δισχίλια δώσειν. τότε δὴ Μέγας, ὑπὲρ τῶν ἑῴων ἁπάντων Χοσρόην ἱκετεύων οὐκέτι ἀνίει, ἕως αὐτῷ ὁ Χοσρόης ὡµολόγησε δέκα τε χρυσοῦ κεντηνάρια λήψεσθαι καὶ πάσης ἀπαλλαγήσεσθαι τῆς Ῥωµαίων ἀρχῆς. 43 Zu Megas und seinen Handlungen, wenn auch in anderem Kontext, siehe Downey 1953, 344– 346; vgl. Downey 1961, 537.
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keine exakte Antwort geben will, wie er auch den offiziellen Gesandten Anastasios bei sich behielt. Nach Hierapolis nimmt er ihn mit, da Hierapolis offenbar das nächste Ziel seines Feldzuges ist; schließlich hatte ihn Megas auf dem Weg angetroffen. Zudem gewinnt Chosrau durch Megas einen Drittakteur für sich. Auch der Dolmetscher Paulos nähert sich einem solchen an, da er nicht zuletzt seiner engen Verbindung zum Imperium samt zugehörigen Sprachkenntnissen wegen gewählt wird. Die folgende Szene um Hierapolis zeigt als Kontrapunkt zum ungebührlichen Wunsch Antiochias, wie sich Chosrau das Verhalten der Städte vorstellt: Beide Seiten wissen um die militärische Stärke der Befestigungen, wie auch, dass Chosrau mit dem Versuch der Erstürmung ein hohes Risiko eingehen würde. Die Einwohner der Stadt sind auch nicht auf die Probe erpicht. Beide wollen kein Risiko. Ein friedlicher Ausgang liegt in beider Interesse. Würde Chosrau zu viel verlangen, könnten es die Einwohner durchaus auf eine militärische Entscheidung ankommen lassen. Das wissen beide Seiten. Chosrau will aber sein Gesicht und Heer wahren und die Bürger ihre Stadt. Die Bürgerschaft der Stadt hört sich daher sein offenbar annehmbares Angebot an und stimmt ihm zu. Das bedeutet auf der Oberfläche für die Reputation des Großkönigs: Er fordert und sie erfüllen den Wunsch. Er befiehlt, sie gehorchen. Megas versteht als diplomatisch ungeschulter Drittakteur diese Mechanismen offenbar nicht sofort, da er nun Chosrau aus einer Position heraus bedrängt, die von einem Verständnis zeugt, demgemäß Chosrau ja alle Städte schonen könnte, wie er Hierapolis schont. Megas scheint nicht sofort zu verstehen, wo der Unterschied zwischen dem Eingehen der Stadt Hierapolis auf die Forderungen Chosraus und der Bitte Antiochias besteht. Dies verwundert nicht, da es sich um das Aufeinandertreffen verschiedener Weltanschauungen handelt und der König nach altorientalischen Herrscheridealen stets mit besonderer Souveränität, Einlösung der eigenen Ankündigungen und demonstrativer Sieghaftigkeit handeln muss, die dem mitten im Geschehen stehenden Megas und dem aus einer dezidiert römischen Warte urteilenden Prokop nicht vertraut bzw. genehm gewesen sein werden. Dass es Megas dann gelungen sein soll, Chosrau so sehr zur Last zu fallen, bis dieser die erwünschte Handlungsweise zeigte und wirklich ein Angebot machte, ist vielleicht als der zur Anekdote gewordene mühsame Ausgleich von kulturellen Unterschieden zu verstehen. Chosrau wird durchaus verstanden haben, was Megasʼ Anliegen war, aber er konnte darauf als Großkönig nicht eins zu eins eingehen. Die Initiative musste immer von ihm selbst ausgehen. Megas muss jedenfalls am Ende in der Lage gewesen sein, diese Initiative irgendwie herbeizuführen – wenn auch durch unorthodoxe und anscheinend langwierige Mittel. Dieser Ausgleich der verschiedenen Anschauungen war offenbar ein für beide Seiten anstrengender und mühsamer Prozess, der letztlich aber doch für Megas zum momentanen Erfolg führte. Später wird Megas im Werk Prokops mehr Geschick in diesen Dingen an den Tag legen. Die eigentümliche Präsentation Prokops macht den Eindruck, dass hier etwas wiedergegeben wird, was ihm nicht ganz verständlich oder (wahrscheinlicher)
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nicht recht war. Die Argumente werden korrekt angegeben sein, da sie völlig einleuchtend sind. Nicht zuletzt wird Megas eine diplomatisch gänzlich innerhalb der ermittelten Strukturen agierende Rede in den Mund gelegt: Diplomatie und Kommunikation sind Pflicht und es ist absolut unüblich, einfach so Verträge zu brechen und zur Gewalt zu greifen. Welchen Anteil Prokop an diesen Argumenten auch haben mag, so ist doch offenkundig, dass Chosrau darauf nichts sachlich erwidern konnte, denn es handelte sich eben um Selbstverständlichkeiten des diplomatischen Ablaufs. Hätte Prokop Chosraus Beweggründe, wie sie sich nach einer genauen Analyse darstellen, um Neutralität bemüht wiedergegeben und genau erklärt, wäre das wahrscheinlich der Intention seines Geschichtswerkes zuwidergelaufen, könnte doch sein, dass dann Chosraus Rolle als Aggressor eingeschränkt würde und die Sympathien sich verschieben könnten. Prokop verzerrt die Ereignisse wohl nicht, aber ist in seinen Analysen und Urteilen keiner Pflicht zu möglichst großer Neutralität unterworfen.44 Megas spielt in Prokops Fortsetzung der Geschehnisse weiterhin eine wichtige Rolle: Megas zieht gegen Antiochia, Chosrau mit seinem Heer gegen Beroia. Und sofort schickte Chosrau wieder den Paulos ab und verlangte von den Einwohnern Geldzahlungen, nicht in der gleichen Höhe, wie er sie von Hierapolis erhalten hatte, sondern doppelt so viel; sah er doch, dass ihre Stadtmauer viele sehr schwache Stellen hatte. Auch die Einwohner von Beroia setzten kein Vertrauen auf ihre Befestigung und waren gern mit allen Forderungen einverstanden [...]45
Es zeigt sich also der gleiche Vorgang wie bei Hierapolis: Dort forderte Chosrau nicht so viel, da beiden Seiten das Risiko der Erstürmung bewusst war. Hier würde Chosrau die Erstürmung leichter fallen, was beiden Seiten klar ist, so dass Chosrau von den weniger wehrhaften Einwohnern von Beroia mehr verlangen kann. Sie sind wehrloser und daher leichter unter Druck zu setzen.46 Da sie das Geld nicht komplett aufbringen können, fliehen sie in die Oberstadt und Chosrau schreitet nach Nichterhalt des Geldes und kampfloser Einnahme der 44 Zur feindseligen Einstellung Prokops gegenüber Chosrau, die zu Verzerrungen, Fehlinterpretationen und Auslassungen geführt haben könnte, Börm 2006, 302; vgl. Brodka 1998, 115–118, 124. 45 Prok. Bell. 2,7,5f. (Übers. nach Veh): καὶ χρήµατα Χοσρόης τοὺς Βεροιαίους τὸν Παῦλον στείλας εὐθὺς ἔπραττεν, οὐχ ὅσα πρὸς τῶν Ἱεραπολιτῶν ἔλαβε µόνον, ἀλλὰ καὶ τούτων διπλάσια, ἐπεὶ τὸ τεῖχος αὐτοῖς ἐπιµαχώτατον ὂν πολλαχῆ εἶδε. Βεροιαῖοι δὲ (θαρρεῖν γὰρ ἐπὶ τῷ περιβόλῳ οὐδαµῆ εἶχον) ξὺν προθυµίᾳ µὲν ὑπεδέξαντο ἅπαντα δώσειν [...] 46 Letztlich sind diese Methoden Chosraus nichts anderes als Raubüberfälle, nur nicht zwischen Individuen. Auch ein Räuber bevorzugt wehrlose Opfer, die er ohne Gewalt und mit entsprechend geringem Aufwand dazu bewegen kann, ihm seine Wertsachen auszuhändigen. Ein wehrhaftes Opfer könnte sich dagegen zur Wehr setzen und dem Räuber nicht nur Mehraufwand bei seinem Raub, sondern auch ein erhöhtes Risiko bringen, verletzt oder gar gefasst zu werden. Der Räuber muss bei jedem Opfer Nutzen und Risiken eines Überfalls gegeneinander abwägen.
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Unterstadt zum Angriff gegen jene. Den dorthin Geflohenen geht aber schnell das Wasser aus. Prokop unternimmt nun eine Wendung zurück zu Megas, der jetzt als Drittakteur alle Verhandlungen Chosraus in sich zusammenführt. Megas berichtete nach seiner Ankunft in Antiochia über seine Abrede mit Chosrau, konnte jedoch deren Durchführung keineswegs erreichen. Hatte doch Kaiser Justinian Johannes, den Sohn des Rufinos, und den Geheimschreiber Julianos als Gesandte an Chosrau geschickt. […] Diese Gesandten blieben nun nach ihrem Eintreffen in Antiochia, und der eine von ihnen, Julianos, verbot jedermann ausdrücklich, Geld an die Feinde zu zahlen und die kaiserlichen Städte loszukaufen, ja verdächtigte sogar den Erzbischof Ephraimios bei Germanos, als wolle er dem Chosrau die Stadt in die Hände spielen. Daher musste Megas unverrichteter Dinge zurückkehren.47
Ephraimios flieht aus Furcht vor dem persischen Angriff nach Kilikien; Germanos stößt mit einigen Begleitern zu ihm.48 Diese Stelle bietet den oben angekündigten Beleg für das Verbot, diese Art von Diplomatie über freie Drittakteure zu betreiben, die keine offiziellen tracktwo-diplomats sind, sondern engagierte Privatleute.49 Es ist offenkundig verboten, sich durch derartige regionale Sonderverhandlungen mit dem Großkönig in die kaiserliche Diplomatie einzumischen. Es wird deutlich, dass Verhandlungen und Zahlungen nur im Auftrag des Kaisers und durch die von ihm bestimmten Gesandten erfolgen dürfen. Schließlich darf es nicht passieren, dass Städte die Seiten wechseln, Sonderfrieden schließen oder anderweitig nicht nur die kaiserliche Diplomatie sabotieren, sondern auch militärische Vorteile preisgeben.50 Denn jede sich Chosrau ergebende Stadt ist eine, die ihn nicht am Vormarsch hindert. Megas 47 Prok. Bell. 2,7,14–17 (Übers. nach Veh): ὁ δὲ Μέγας εἰς Ἀντιόχειαν ἀφικόµενος ἀγγείλας τε ὅσα οἱ πρὸς Χοσρόην ξυνέκειτο, ἔργῳ ταῦτα ἐπιτελεῖν οὐδαµῆ ἔπειθεν. ἐτύγχανε γὰρ Ἰουστινιανὸς βασιλεὺς Ἰωάννην τε τὸν Ῥουφίνου καὶ Ἰουλιανὸν τὸν τῶν ἀπορρήτων γραµµατέα πρέσβεις παρὰ Χοσρόην στείλας. [...] οἳ δὴ ἐς Ἀντιόχειαν ἀφικόµενοι ἔµενον. Ἰουλιανός τε, τῶν πρέσβεων ἅτερος, διαρρήδην ἀπεῖπεν ἅπασι χρήµατα µὴ διδόναι τοῖς πολεµίοις, µηδὲ τὰς βασιλέως ὠνεῖσθαι πόλεις, ἀλλὰ καὶ τῷ Γερµανῷ διέβαλλε τὸν ἀρχιερέα Ἐφραίµιον, ἅτε τῷ Χοσρόῃ ἐνδοῦναι τὴν πόλιν ἐν σπουδῇ ἔχοντα. διὸ δὴ Μέγας ἄπρακτος ἀνεχώρησεν. Downey 1953, 344–346. PLRE IIIA, Iulianus 8, S. 731f.; Ioannes 7, S. 625f. 48 Prok. Bell. 2,7,17f. 49 Vgl. Börm 2006, 309; Downey 1961, 537: „As it was proper in the circumstances, the ambassadors were instructed to forbid the negotiation by the cities of individual ransoms, a process which would be in the end much more costly and would hamper future diplomatic dealings.“ Downey 1953, 342: „Evidently the emperor was anxious to prevent local separate bargains with the enemy, and was attempting to initiate negotiation on a higher level.“ Weitere Indizien für ein derartiges Verbot vgl. Prok. Bell. 2,12,1f.; 2,13,5f., wenn Prokop in letzterem Fall auch Buzes unterstellt, eine private Lösegeldzahlung der Edessener an Chosrau zum Freikauf von Gefangenen seiner persönlichen Gier wegen unterbunden zu haben. Naheliegender (oder zumindest als Begründung des Buzes denkbar) wäre aber, dass Städte dergleichen prinzipiell nicht vornehmen durften. 50 Downey 1953, 342: „Evidently the emperor was anxious to prevent local separate bargains with the enemy, and was attempting to initiate negotiation on a higher level.“
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hatte Chosrau so weit gebracht, sein Angebot des Abzugs gegen zehn Kentenarien zu unterbreiten, aber dies ist allein schon deshalb nicht annehmbar, da ein römischer Kaiser seine Diplomatie nicht über die eigenmächtige Vermittlung nahöstlicher Bischöfe zu erledigen pflegt. Er bestimmt den Inhalt der Diplomatie selbst, wie Chosrau über die seine entscheidet. Es sind viel zu viele unbekannte Faktoren im Spiel, wenn man sich auf Megas verlassen würde, da Chosrau nach einem Abkommen leicht behaupten könne, es seien noch ganz andere Dinge mit Megas abgemacht worden. Es muss derartiger Einmischung in die Diplomatie ein Riegel vorgeschoben werden. Davon abgesehen lässt sich der Kaiser nicht so offenkundig erpressen, denn Chosraus Angebot ist nichts anderes als Erpressung mit militärischer Gewalt. Ein Annehmen des Angebotes wäre ein Eingeständnis römischer Schwäche, das künftige Verhandlungen erschweren würde. Dazu kommt, dass der Kaiser während des ganzen bisherigen Einfalls keine Truppen gesandt hat, die sich Chosrau entgegengestellt hätten. Dass der Verdacht der eigenmächtigen Diplomatie nun auch auf den Erzbischof fällt, verwundert nicht, da es eben immer wieder Bischöfe sind, die aus den bekannten Gründen mit derartigen Missionen betraut werden und gut vorstellbar ist, dass Ephraimios die Sicherheit Antiochias auf diese Art selbst in die Hand nehmen würde.51 Dass der Erzbischof danach die Stadt verlässt, dürfte nicht zuletzt (neben dem Sicherheitsstreben) aus diesen Vorwürfen resultieren, von denen er sich im wahrsten Sinne des Wortes distanzieren will. Bemerkenswert ist im Übrigen, dass Megas Antiochia wieder verlassen darf. Er wird harsch kritisiert, aber nicht bestraft. Es ist davon auszugehen, dass ein weltlicher Würdenträger nicht so glimpflich davongekommen wäre, zeigt sich aber auch, dass im Fall der geistlichen Würdenträger die Handlungsweise als Drittakteur zwar ebenfalls alles andere als legal ist, aber doch ein gewisses Verständnis für das Handeln aus humanitären Gründen in Abwesenheit von Nichtregierungsorganisationen aufgebracht wird. Im Notfall muss jemand solche Dinge in die Hand nehmen. Seine Handlungsweise wird zumindest geduldet. Im Folgenden bietet Prokop einen längeren Dialog zwischen Megas, der inzwischen nach Beroia (seiner Bischofsstadt) gekommen ist, und Chosrau. Das Gespräch ist stilisiert, aber in Anbetracht der zu den geschilderten Vorgängen hervorragend passenden Argumente fragt sich, ob es nicht doch einen wahren Kern – vielleicht über Aufzeichnungen des Megas vermittelt? – enthalten kann.52 Megas wirft Chosrau vor: Er habe ihn zum Abschluss eines Vertrages nach Antiochia geschickt und derweil an den Leuten von Beroia gefrevelt und ohne Not die
51 Vgl. Downey 1961, 538f. 52 Besonders auffällig ist, wie detailliert Prokop die Abläufe schildert – und generell, wie stark er Megas zum Protagonisten dieses Teils seines Werkes macht. In Anbetracht dessen, dass Megas kein offizieller Diplomat oder Militär war, gibt das einen Hinweis darauf, dass die Quelle Prokops einen Fokus auf diesem Megas gehabt haben muss, also wohl etwas mit ihm zu tun gehabt haben dürfte.
17.4 Freie Drittakteure
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Stadt zerstört. Chosrau erwidert, Megas sei selbst schuld, denn er sei zu spät zurückgekommen und die Stadtbewohner seien töricht. Sie haben uns doch für ihre Schonung eine bestimmte Menge Silber zu zahlen versprochen, glauben aber auch jetzt noch nicht, den Vertrag erfüllen zu müssen, sondern setzen sich im Vertrauen auf die Stärke des Platzes in unverschämter Weise über uns hinweg, dass uns, wie du selber siehst, gar nichts anderes übrig bleibt, als die Festung zu belagern.53
Er hofft auf die Götter. In dieser Rede spiegelt sich genau die Anschauung, die sich bereits mehrfach gezeigt hat: Die Forderungen Chosraus und die Stärke der Städte stehen in einem Verhältnis zueinander. Wenn die Städte stark sind, fordert Chosrau nicht viel, da ein Kampf dann nicht in seinem Interesse liegt. Wenn die Städte schwach sind, fordert Chosrau viel, da ein Kampf dann nicht im Interesse der Stadtbewohner liegt. Die Einwohner von Beroia durchbrechen aus seiner Sicht diesen Mechanismus, indem sie Chosrau betrügen: Sie versprechen etwas, das sie nicht halten können und setzen am Ende doch auf den Kampf. Damit scheinen sie das gnädige Angebot Chosraus, Geld zu zahlen und so Frieden zu wahren, frevelhaft auszuschlagen. So kann Chosrau nicht mit sich umgehen lassen, also muss es Konsequenzen geben. Man darf ihn nicht einfach an der Nase herumführen und hoffen, am Ende ungeschoren davonzukommen. So sieht Chosrau die Götter auf seiner Seite: denn er hat eine friedliche Lösung angestrebt, obwohl er die schwache Stadt sofort hätte angreifen können. Wenn die Schwachen (und Ungläubigen) das ausschlagen, werden die Götter auf Chosraus Seite stehen. Dies sind auch Elemente der Symbolhandlung und public diplomacy, da Chosrau den römischen Städten zeigt, dass nicht er es ist, der einen Kampf beginnen will. Er bietet auch in Fällen, da er sich offenkundig leicht mit Gewalt durchsetzen könnte, Frieden an. Wer diesen aber ausschlägt oder gar das Entgegenkommen Chosraus missbraucht, darf keine Gnade erwarten. Bemerkenswert ist nun die Erwiderung des Megas: Wenn man nur darauf sehen wollte, dass du als König gegen bemitleidenswerte und ganz missachtete Menschen solche Vorwürfe erhebst, dann müsste man sich ohne Widerrede deinen Worten fügen, denn zu deiner Machtvollkommenheit gehört es von Natur aus nun einmal auch, dich mit deiner Auffassung durchzusetzen. Wenn jedoch die Möglichkeit bestünde, alle anderen Rücksichten fallen zu lassen und nur das Wort der Wahrheit zu wählen, dann dürfte es dir, mein König, unmöglich sein, uns einen berechtigten Vorwurf zu machen. Höre nur alles gnädig an! Schon am siebten Tage, nachdem du mich mit deiner Botschaft an die Leute von Antiochia abgesandt hattest, bin ich wieder vor deinem Antlitz erschienen – wie könnte das wohl schneller geschehen? –, musste aber feststellen, dass du so schweres Leid meiner Vaterstadt angetan hast. Schon haben ja ihre Bewohner den gesamten kostbaren Besitz hergegeben und kämpfen nur ums nackte Leben, wozu sie, glaube ich, eher imstande sind, als dir
53 Prok. Bell. 2,7,21 (Übers. nach Veh): οἵ γε τακτὸν ἡµῖν ὡµολογηκότες ἀργύριον δώσειν ὑπὲρ τῆς σφῶν αὐτῶν σωτηρίας, οὔπω καὶ νῦν ἐπιτελεῖν οἴονται δεῖν τὰ ξυγκείµενα, ἀλλ̓ ἀνέδην οὕτω χωρίου ἰσχύϊ θαρσήσαντες περιορῶσιν ἡµᾶς ὡς µάλιστα ἠναγκαςµένους ἐς φρουρίου πολιορκίαν, ὡς ὁρᾷς δήπου, καθίστασθαι.
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17 Methoden VI noch irgendwie den Rest des Geldes zu entrichten. Denn was ein Mensch nicht hat, kann er wohl unmöglich hergeben. Schon lange haben die Menschen richtig und treffend die Bezeichnungen für Dinge voneinander abgegrenzt. Dazu gehört auch die Unterscheidung zwischen Trotz und Unvermögen; denn ersterer entwickelt sich infolge zuchtloser Wesensart zu Widerstand und erweckt dann natürlich gerne Hass, während Nichtkönnen durch seine Hilflosigkeit zwar zum gleichen Ergebnis führt, indessen von Natur aus volles Mitleid findet. Lass uns also, mein König, die wir in allem das schlimmste Los gezogen haben, wenigstens den einen kleinen Trost hinwegnehmen, nicht den Eindruck zu erwecken, als hätten wir unser Unglück selbst verschuldet! Daher begnüge dich mit der empfangenen Geldsumme, indem du sie nicht an deiner Machtstellung misst, sondern dir das Leistungsvermögen der Beroier vor Augen hältst! Darüber hinaus aber wende keine Gewalt gegen uns an, damit man nicht etwa von dir den Eindruck gewinnt, als seist du außerstande, deine Vorhaben auch tatsächlich durchzuführen! Hat doch Übermut stets zu Misserfolg geführt, während es sich als das Beste erwies, Unmögliches erst gar nicht anzustreben.54
Bei Bedarf könnte er weitere Argumente von den Verteidigern der Oberstadt bekommen. Chosrau erlaubt ihm, zu diesen zu gehen und er kehrt weinend zu Chosrau zurück. Er fällt ihm zu Füßen und bittet, den Einwohnern Beroias ihr nacktes Leben zu schenken, denn anderes hätten sie nicht mehr. „Die Klagen des Mannes bewogen Chosrau, die Bitte zu erfüllen, und so gab er allen Leuten in der Oberstadt sein eidliches Versprechen.“55 Die Beroier dürfen abziehen. Die Soldaten der Besatzung laufen zumeist freiwillig zu Chosrau über und begründen das mit ausstehenden Soldzahlungen. Zum Zeitpunkt des Dialoges war Megas bereits als freier Drittakteur mehrerer Seiten innerhalb weniger Tage unterwegs: Zuerst spricht er im Auftrag Antiochias bei Chosrau vor, dann begleitet er Chosrau nach Hierapolis und agiert dort selbstständig für den ganzen römischen Osten, dann zieht er im Auftrag Chosraus zu54 Prok. Bell. 2,7,23–32 (Übers. nach Veh): εἰ µὲν, ὅτι βασιλεὺς ἀνθρώποις οἰκτροῖς τε καὶ ἀτιµοτάτοις ταῦτα ἐπικαλεῖς, σκοπήσειεν ἄν τις, ἀνάγκη µηδὲν ἀντιλέγοντα τοῖς εἰρηµένοις ὁµολογεῖν· τῇ γὰρ ἐξουσίᾳ τῇ ἄλλῃ καὶ τὸ τῷ λόγῳ κρατεῖν ἕπεσθαι πέφυκεν. ἢν δέ τῳ ἐξῇ τἄλλα ἀποσεισαµένῳ τὸν ἀληθῆ λόγον ἑλέσθαι, οὐδὲν ἂν ἡµῖν, ὦ βασιλεῦ, δικαίως ἐπικαλεῖν ἔχοις· ὅπως δὲ ἅπαντα ἀκούσῃ πρᾴως. ἐγὼ µὲν γὰρ, ἐπειδὴ ἅπερ Ἀντιοχεῦσιν ἐπήγγελλες, δηλώσων ἐστάλην, ἑβδοµαῖός σοι ἐς ὄψιν ἥκων (οὗ τί ἂν γενέσθαι δύναιτο θᾶσσον;) ταῦτά σοι ἐξειργασµένα ἐς πατρίδα τὴν ἐµὴν εὗρον. οἱ δὲ δὴ πάντων ἤδη τῶν τιµιωτάτων ἐκστάντες, εἶτα ἐς τὸν περὶ ψυχῆς ἀγῶνα καθίστανται µόνον, κρείσσους, οἶµαι, γεγενηµένοι ἤ σοί τι τὸ λοιπὸν τῶν χρηµάτων εἰσφέρειν. τὸ γὰρ ἐκτιννύναι τι τῶν οὐ παρόντων ἀνθρώπῳ ἂν οὐδεµία µηχανὴ γένοιτο. πάλαι δὲ τοῖς ἀνθρώποις εὖ τε καὶ καλῶς διώρισται τὰ τῶν πραγµάτων ὀνόµατα· ἐν οἷς καὶ τόδε ἐστὶν, ἀγνωµοσύνης κεχωρίσθαι ἀσθένειαν. ἡ µὲν γὰρ τρόπου ἀκολασίᾳ ἐς τὸ ἀντιτείνειν χωροῦσα µισεῖσθαι, ὡς τὸ εἰκός, εἴωθεν, ἡ δὲ τῷ τῆς ὑπουργίας ἀδυνάτῳ ἐς ταὐτὸ τοῦτο ἐκφεροµένη ἐλεεῖσθαι ἱκανῶς πέφυκεν. ἔασον τοίνυν ἡµᾶς ἅπαντα, ὦ βασιλεῦ, κληρωσαµένους τὰ χείριστα τοῦτο γοῦν φέρεσθαι παραµύθιον, τὸ µὴ δοκεῖν τῶν ξυµπεπτωκότων ἡµῖν αὐτοὺς αἰτίους γενέσθαι. καὶ χρήµατα µέν σοι, ὅσα λαβὼν ἔχεις, διαρκεῖν οἴου, µὴ τῷ σῷ ταῦτα σταθµώνενος ἀξιώµατι, ἀλλὰ τὴν Βεροιαίων σκοπῶν δύναµιν. περαιτέρω δὲ ἡµᾶς βιάζου µηδέν, µή ποτε δόξῃς οἷς ἐγκεχείρηκας ἀδύνατος εἶναι· τὸ γὰρ ὑπερβάλλον ἀεὶ τῷ ἀµηχάνῳ τετίµηται· τὸ δὲ µὴ τοῖς ἀδυνάτοις ἐγχειρεῖν κράτιστον. 55 Prok. Bell. 2,7,35 (Übers. nach Veh): ταῖς τε τοῦ ἀνδρὸς ὀλοφύρσεσιν ὁ Χοσρόης ἠγµένος τὴν δέησιν ἐπιτελῆ ἐποιεῖτο, καὶ διοµοσάµενος ἅπασι τοῖς ἐν ἀκροπόλει τὰ πιστὰ ἔδωκε.
17.4 Freie Drittakteure
353
rück nach Antiochia, um ohne den Auftrag Antiochias oder des römischen Ostens zurück zu Chosrau zu kommen und unmittelbar zum selbsternannten Vertreter Beroias bei Chosrau zu werden. Es dürfte sich um eine in den Quellen beispiellose „Karriere“ eines freien Drittakteurs handeln, der die ihm gebotenen Freiheiten allseitig nutzt. Auffällig ist dabei, dass er nach Art eines track-two-diplomat ein gewisses Vertrauen bei allen Seiten genießt – oder es sich vielmehr erwirbt. Anfangs wird Chosrau ihn nicht gekannt haben, aber zum Zeitpunkt des Dialoges von Beroia ist davon auszugehen, dass er ein gewisses Vertrauen zu diesem Mann gefasst hat, um zumindest seine Positionen zur Kenntnis zu nehmen. Wenn ein track-two-diplomat bereits die Eigenschaft haben muss, auf der Gegenseite Ansehen zu besitzen, so hat sich Megas dieses Ansehen im Laufe seiner Missionen verdient. Auch Chosrau muss gesehen haben, dass es eines gewissen Mutes und einer erheblichen Entschlusskraft bedurfte, um die Missionen des Megas auf sich zu nehmen und seine Positionen vor dem Großkönig zu vertreten, wie besonders im Rahmen der Anekdote von Hierapolis deutlich wird. Psychologisierend könnte man annehmen, dass es eine für den in einer bestimmten Hofatmosphäre lebenden Großkönig ungewohnte Situation war, sich mit einem derartig auftretenden freien Drittakteur auseinanderzusetzen, der nicht an die Gepflogenheiten der persischen Umgangsformen gebunden war. Eine wesentliche Chance dieser freien Drittakteure ist die Möglichkeit, als Vermittler kultureller Unterschiede aufzutreten und so Kommunikation zu befördern. Den üblichen Diplomaten ist das nicht möglich, da man ihnen stets einen Hintersinn unterstellen würde. Megas agiert gerade im Fall Beroias nach Art eines Unterhändlers in einer Geiselnahme, der zwar auf einer Seite – jener der Polizei – steht, aber einen Interessenausgleich zur Auflösung der Situation durch Kommunikation bewirken will. So steht Megas auf Seiten seiner Stadt, ist aber bemüht, Chosrau nicht nur die Position der Einwohner, sondern vielmehr die Ursachen der aktuellen Situation darzulegen und ihn nicht herunterzuhandeln, sondern Verständnis bei ihm zu erzeugen. So argumentiert er gegenüber Chosrau mit den Zwängen beider Seiten: Der Großkönig kann, der Erwartungen seines Amtes wegen, nicht eingestehen, im Unrecht zu sein. Er hat Recht – da er das Recht des Stärkeren auf seiner Seite weiß. Wenn man aber dieses Machtgefälle und die Erwartungen an das Amt des Großkönigs beiseite lässt, ergibt sich das Bild, wie es die Einwohner von Beroia sehen. Sie haben alles verloren und wollten nicht Chosrau betrügen, sondern konnten das Geld einfach nicht aufbringen. Sie sind also ebenfalls nicht im Unrecht. Megas sagt nicht: Eine Seite hat Recht und eine Unrecht, auch nicht: beide Seiten haben Recht und daher stehen ihre Ansprüche unversöhnlich nebeneinander, sondern: beide Seiten haben nicht Unrecht. Dem Großkönig kann man nicht sagen, das er im Unrecht ist, da er das – zumindest in diesem Moment – nicht eingestehen dürfte, ohne sein Gesicht zu verlieren. Man kann ihm aber auch nicht Recht geben, da die Einwohner Beroias nicht böswillig handelten.
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17 Methoden VI
So schlägt Megas umsichtig eine Verständigung vor: Wenn Chosrau weiterhin auf seinen Forderungen besteht, welche die Stadt gar nicht zu leisten in der Lage ist, kann er sie zwar unterwerfen, wird aber das Geld trotzdem nicht bekommen, also seine Forderung unerfüllt bleiben. Das wäre eine Niederlage und würde ihn töricht erscheinen lassen, was nicht im königlichen Interesse liegt. Auch ein komplettes Abrücken von seinen Forderungen wäre eine Niederlage. Daher soll er andere Maßstäbe anlegen und sich mit dem, was die Stadtbewohner leisten könnten, zufriedengeben. Wenn sie nichts als ihr nacktes Leben retten, hat er offenkundig schon gesiegt. Megas weist an dieser Stelle ein großes Verständnis für die Zwänge auf, denen der Großkönig unterliegt. Bei dem Rest der Episode scheint es sich wieder um Symbolpolitik zu handeln – der weinende Megas zeigt den Ernst der Lage und die Unterwerfung. Chosrau nimmt sie an und leistet einen Eid, der seine Worttreue demonstriert und seine Fähigkeit, Gnade zu erweisen. Er zeigt sich als kluger Herrscher, der guten Worten gegenüber offen ist. Dieser Akt ist offenbar wieder für die römische Öffentlichkeit bestimmt, um ein bestimmtes Bild Chosraus zu vermitteln.56 Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Megas in diesem Teil des Prokopischen Geschichtswerkes beispielhaft die Handlungsoptionen, Risiken und Chancen demonstriert, die mit einem freien Drittakteur, der nicht im Auftrag einer der beiden Großmächte handelt, verbunden sind. Megas war, in Anbetracht seiner außerordentlich schwierigen Lage, durchaus erfolgreich. Selbstverständlich kann Prokop all das frei erfunden und komponiert haben, aber wenn dem so sein sollte, passt es so gut in die diplomatischen Strukturen und Methoden, dass es ein außerordentlicher Zufall sein müsste. Im Übrigen spiegelt sich wieder der Umstand, dass Gepflogenheiten der einen Seite auch der anderen Seite bekannt sind: Chosrau scheint nie zu fragen, warum eigentlich ein Bischof mit ihm verhandelt. Offenbar wusste er, dass weltliche Würdenträger nach einer Mission als Drittakteur mit erheblichen Konsequenzen zu rechnen hatten (und auf persischer Seite dürfte es nicht anders gewesen sein). Ein weiterer bemerkenswerter Fall, der den Kreis zu Hierapolis und Beroia schließt, ist im Anschluss an die Episode zu finden: Während in Hierapolis in Anbetracht der Stärke der Stadt Chosrau den Kampf zu vermeiden suchte und daher 56 Der Seitenwechsel der römischen Truppen geschieht wohl nicht des ausstehenden Soldes wegen, sondern aus dem schlichten Grund, dass sie die Unterstadt in die Hände der Perser fallen ließen und die Oberstadt räumen mussten, was nicht nur Desertion, sondern auch Verrat ist. Sie hätten auf der römischen Seite sowieso nichts mehr zu hoffen gehabt, daher war die persische vorzuziehen Das ist kein einmaliges Vorkommen. Bei der persischen Belagerung Petras im Jahr 541 knüpfen ebenfalls die Stadtbewohner Verhandlungen an, übergeben und die Soldaten laufen über, Prok. Bell. 2,17,27f. Dies ist gerade im Fall der strategisch bedeutsamen Stadt Petra nicht verwunderlich. Mit der Übergabe wird allerdings kaiserliche Politik torpediert. Zu diesem Phänomen vgl. Heil 2006, 154f.
17.4 Freie Drittakteure
355
wenig Lösegeld forderte und in Beroia aufgrund der Schwäche der Stadt die Einwohner den Kampf zu vermeiden suchten und Chosrau daher viel forderte, will Chosrau den Kampf um das inzwischen vorbereitete Antiochia anfangs offenbar so sehr vermeiden, dass er seine ursprüngliche Lösegeldforderung sogar reduziert.57 Im Verlauf des Feldzuges Chosraus wird er später in Apameia wieder mit einem Bischof zu tun haben, der zur Rettung seiner Stadt in die römisch-persische Diplomatie eingreift.58 Der Bischof Thomas lässt den König in die Stadt ein und als dieser daraufhin mehr als den zuvor in Antiochia mit offiziellen römischen Diplomaten vereinbarten Betrag fordert, liefert ihm jener die verfügbaren Kleinodien samt dem Reliquiar des Splitters vom Wahren Kreuz aus. Damit handelt Chosrau (unter einem entsprechend scheltenden Kommentar Prokops)59 gegen diplomatische Abmachungen und Thomas gegen das Verbot, nicht auf eigene Faust Verhandlungen zu betreiben, aber letztlich wird auf diese Weise eine Notlage entschärft. Zumindest unterstellt Prokop Chosrau bei Nichterfüllen seiner Bedingungen ein gewaltsames Vordringen,60 das Thomas zu verhindern suchte. In den bisher angeführten Fällen war der Einsatz von Drittakteuren deutlich als solcher zu erkennen. Es gibt noch andere Stellen, da er zumindest sehr wahrscheinlich ist und geeignet, andere Aspekte des Einsatzes solcher Akteure zu beleuchten. Auch Prokops Zeitgenosse Malalas zeigt, trotz der Andersartigkeit seines Geschichtswerkes, ein gewisses Bewusstsein für das Handeln von Drittakteuren. So demonstriert ein Bericht des Malalas den aus heutiger Sicht schwer nachvollziehbaren, aber vor dem Hintergrund spätantiker Diplomatie naheliegenden Fall, dass nicht ein Drittakteur und eine Großmacht, sondern zwei Drittakteure – auf verschiedenen Seiten, aber nicht in deren Auftrag – miteinander verhandeln und trotzdem Diplomatie betreiben, da sie das Verhältnis zwischen den Großmächten beeinflussen. Wohl für das Jahr 530 setzt Malalas Folgendes an: Der Patriarch Ephraimios bekommt eine Petition von jenen, die in der Gefangenschaft des al-Mundhir geblieben sind und in der die Gefangenen auf ihr Elend hinweisen. Es seien aus Angst vor Verrat schon einige Gefangene von al-Mundhir hingerichtet worden. Die Lebenden bieten an, das Imperium um Lösegeld zu bitten, worauf al-Mundhir nach Fürsprache des Stammesanführers Taizanes eingeht und eine Frist von 60 57 Prok. Bell. 2,8,4. 58 Prok. Bell. 2,11,14–30. Mit Evagr. hist. eccl. 4,25, lässt sich noch stärker annehmen, dass der Bischof Thomas der prinzipielle Ansprechpartner Chosraus in Apameia wurde; denn er ist es, an den Chosrau während des Wagenrennens die Frage richtet, ob es ihm gefalle, ihn in seiner Stadt zu sehen, was dieser verneinte. Die ehrliche Antwort habe Chosrau Respekt abgenötigt. 59 Prok. Bell. 2,11,27. Die Motivation Chosraus zu solchem Handeln ist nicht klar, siehe zu möglichen Erklärungen das Kapitel 18.3 der vorliegenden Arbeit. 60 Prok. Bell. 2,11,25f.
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17 Methoden VI
Tagen einräumt. Der Bittbrief wird in Antiochia verlesen und die Bewohner samt Klerus und dem Patriarchen selbst spenden in einem öffentlichen Akt reichlich, so dass die Gefangenen freigekauft werden können.61 Bedingt durch die Vertrautheit des Malalas mit antiochenischen Gegebenheiten62 ist zumindest dem antiochenischen Teil der Episode Glauben zu schenken. Es fällt zunächst auf, dass die Bitte der Gefangenen an das Imperium nicht dazu passt, dass schlussendlich die Nachricht in Antiochia verlesen und ihr dort durch Spenden nachgekommen wird. Eine Nachricht an das Imperium hätte offenkundig nach Konstantinopel gehen müssen. Dieser Widerspruch war für Malalas offenbar kein solcher. Vielmehr scheint der Weg nach Antiochia für ihn der nachvollziehbare gewesen zu sein. In der Tat ist dies vor dem Hintergrund der Diplomatie über Drittakteure einleuchtend: Die Großmächte befinden sich im Krieg. Al-Mundhir (Alamundaros) hatte kein Interesse daran, die Gefangenen weiterhin zu versorgen und fürchtete zudem Verrat. Solange er sie nicht verkaufen konnte, benötigten sie weiterhin Unterhalt, ohne Gewinn zu bringen. An Justinian konnte er sich nicht direkt wenden, da ihn dies wohl in den Augen Kawadhs verdächtig gemacht hätte – schließlich befinden sich Justinian und Kawadh im Krieg. Es ist zudem fraglich, ob Justinian darauf eingegangen wäre, da es eine Stärkung des al-Mundhir und damit mittelbar der Gegenseite im aktuellen Krieg bedeutet hätte und zudem eine Verhandlung, die Kawadh übergeht. Das hätte Kawadh Material für Anklagen gegeben und die künftige römische Verhandlungsposition erschwert. Al-Mundhir musste also einen anderen Ansprechpartner finden. So entschied er sich, die Stadt Antiochia zu kontaktieren, wo es wiederum der Patriarch zu sein scheint, der sich besonders angesprochen fühlte. Die Antiochener nehmen die Sache selbst in die Hand und kaufen al-Mundhir die Gefangenen ab, ohne höhere diplomatische Ebenen zu involvieren. Da al-Mundhir als Drittakteur ohne den Auftrag einer der beiden Großmächte unter den aktuellen Bedingungen keinen zuverlässigen Weg hatte, sein Anliegen in die höchste Ebene der Diplomatie zu tragen, diese also für ihn versperrt war, suchte er sich ein Gegenüber, das ebenfalls auf einer niedrigeren Ebene agierte und schloss mit diesem sein Geschäft ab. Der Freikauf der Gefangenen wird nicht ohne Folgen für das römisch-persische Verhältnis geblieben sein, aber er geschah allein durch Drittakteure, die sich somit in die Diplomatie einmischten, ohne dass auch nur einer der beiden Partner von höherer Ebene dahingehend beauftragt gewesen wäre. Negative Konsequenzen blieben offenbar sowohl für al-Mundhir als auch für die Antiochener aus, da sie schließlich keine eigenmächtigen Verhandlungen mit Beauftragten des Imperiums respektive des Sasanidenreiches führten. Al-Mundhir hatte so wenig einen persischen Auftrag wie die Antiochener einen römischen. In diesem Sinne war ihnen nichts vorzuwerfen. Al-Mundhir ist mit Kawadh verknüpft, aber kein Untergebener und ähn61 Ioh. Mal. 18,59. PLRE IIIB, Taizanes, S. 1214. 62 Siehe dazu Anhang 1 der vorliegenden Arbeit.
17.5 Grenzfälle
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lich ist der Patriarch Antiochias zwar ein Römer, aber doch durch seine geistliche Position aus dem weltlichen Verwaltungsapparat herausgehoben. Die besondere Stellung der beiden ermöglicht den Kontakt. Ein Beleg für die eigenartige Position des al-Mundhir auch in den Augen des Malalas bietet dieser einige Kapitel später, da es heißt, al-Mundhir habe an die Römer eine Nachricht geschrieben.63 Er bitte um den Diakonen Sergios als Gesandten, damit er durch diesen einen Frieden vermitteln könne – gemeint ist offenbar ein Frieden zwischen den beiden Großmächten. Dies funktioniert nicht, aber al-Mundhir wird beschenkt, wie auch Kawadh. Wiederum setzte al-Mundhir also seine Stellung für eine Rolle als Drittakteur ein. Es ist nicht entscheidend, welcher wahre ereignisgeschichtliche Kern in dieser Episode steckt, sondern vor allem, dass auch Malalas ein Bewusstsein für das Dasein von Drittakteuren zeigt und derartige Politik wie selbstverständlich präsentiert. Einen anderen Blick auf die Rolle der Bischöfe als Vertreter ihrer Stadt im Angesicht auswärtiger Feinde bietet Theodoret in einer legendenhaften Stelle seiner Kirchengeschichte. Bei der Belagerung von Theodosiopolis (er erwähnt nicht, welche Stadt dieses Namens gemeint ist) durch den Großkönig Bahram, habe der Bischof Eunomios persönlich die Verteidigung der Stadt 30 Tage lang geleitet, als die römischen Feldherren ihr nicht zu Hilfe zu kommen wagten. Da ein barbarischer Verbündeter des Perserkönigs offen Gott lästert, lässt Eunomios ein großes Katapult, das den Namen des heiligen Thomas trägt, in Stellung bringen und den Lästerer damit töten. Dies habe Bahram zum Abzug bewegt.64 Der bemerkenswerte Aspekt dieser Erzählung liegt in der Selbstverständlichkeit, mit der Theodoret das Handeln des Bischofs erzählt. Sein militärisches Engagement für die Stadt erscheint viel mehr bewunderns- als tadelnswert. 17.5 GRENZFÄLLE Da sich gezeigt hat, dass es Diplomatie bezüglich Rom und dem Sasanidenreich nicht nur durch bevollmächtigte direkte Vertreter der beiden Reiche gab, sondern auch durch bevollmächtigte Drittakteure der einen und direkte Vertreter der anderen Seite in Form der track-two-diplomacy, sowie indirekte Vertreter einer Seite und einen nicht bevollmächtigten Drittakteur der anderen oder gar nicht bevollmächtigte Drittakteure auf beiden Seiten, die trotzdem das diplomatische Verhältnis verändern konnten, fällt es schwer, die Kategorie der Drittakteure „nach unten hin“ abzugrenzen: Wer war kein Drittakteur mehr? Die offensichtliche Grenze ist dort gegeben, wo der vermeintliche Drittakteur kein Bewusstsein mehr dafür hatte, ein solcher zu sein, also mit hoher Wahr63 Ioh. Mal. 18,61. 64 Theod. hist. eccl. 5,39. Schrier 1992, 79–81, nimmt an, dass es sich bei der Stadt um Resaina handelt.
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17 Methoden VI
scheinlichkeit nicht wusste, dass er sich gerade in das diplomatische Verhältnis der Reiche einmischte. Diplomatie ist eine intentionale Angelegenheit und dies war den bisherigen Fällen gemeinsam: Die Beteiligten wussten offenkundig um die Konsequenzen ihres Handelns. Ein Fall, in dem es sich nicht mehr sagen lässt und der die Grenze bildet, ist die Episode um König Kawadh und den heiligen Mann Jakobos. Im Jahr 502 belagert Kawadh Amida. In Endielon, eine Tagesreise von Amida entfernt, lebt der Eremit Jakobos, den die Öffentlichkeit in ihren Angelegenheiten oft um Rat fragt. Einige auf Seiten der Perser stehende Hephthaliten, die zum Plündern in die Gegend gekommen sind, sehen den Eremiten und wollen mit ihren Bögen auf ihn schießen, ihnen erstarren aber beim Versuch die Hände und sie können sie nicht mehr bewegen.65 Die Nachricht davon verbreitet sich im Heer bis zu Kawadh, der sich selbst davon überzeugt. Die Perser staunen und der Großkönig bittet Jakobos freundlich, den Barbaren ihre Sünden zu erlassen. So geschieht es, worauf Kawadh dem heiligen Mann einen Wunsch einräumt, davon ausgehend, dass es auf Geld hinauslaufen werde. Jakobos aber bittet darum, dass alle Flüchtlinge, die im Laufe des Krieges zu ihm kommen würden, ihm überlassen blieben. Kawadh gewährt den Wunsch und bestätigt dieses Asylrecht schriftlich. Viele strömen daraufhin zu Jakobos und bringen sich so in Sicherheit.66 Wie so oft bezüglich Schilderungen der diplomatischen Vorgänge ist nicht von entscheidender Bedeutung, ob sich die Dinge exakt so zugetragen haben, ob das Wunder also diese Form hatte, ihm Suggestion zugrunde lag oder es nur eine Legende ist, sondern vielmehr sind es die diplomatischen Mechanismen, die sich erkennen lassen. Diese Stelle wirft die Frage auf, ob der fromme Jakobos die Absicht hatte, in das römisch-persische Verhältnis einzugreifen. Es steht außer Frage, dass er den Krieg zwischen beiden Seiten mit der ihm von Kawadh verliehenen Vollmacht veränderte. Es gibt aber kein Indiz, dass er aus diesem Grund um die Vollmacht bat, während ein Drittakteur dadurch definiert würde, dass er aus diesem Grund handelt oder zumindest ein Bewusstsein für die Einbettung seines Handelns in die Diplomatie der Großmächte hat. Jakobos benötigt diesen Hintergrund aber nicht: er hat einfach eine gute Tat getan, indem er Menschen eine Möglichkeit gab, sich vor den Schrecken des Krieges in Sicherheit zu bringen.67 65 Prok. Bell. 1,7,5–8. 66 Prok. Bell. 1,7,9–11. 67 Ein ähnlicher Fall könnte in der knappen Rückblende bei Prok. Bell. 2,13,8–15 vorliegen. Chosrau leitet einen Anspruch auf die Stadt Konstantine ab, da Kawadh einst vor diese Stadt gezogen sei und die Belagerung begonnen habe, als der einheimische gottgefällige Priester Baradotos mit Wein, Feigen, Honig und Weißbrot zu ihm gekommen sei und ihn um den Abbruch seines Angriffes gebeten habe. Die Stadt sei arm und habe keine militärische Besatzung. Kawadh habe ihm das bewilligt und ihm zudem den für die Belagerung vorgesehenen Proviant geschenkt. Chosrau leitete laut Prokop aus dieser Episode Ansprüche auf die Stadt ab. Vielleicht ging es darum, dass die Stadt sich damals Kawadhs Wohlwollen anheimgestellt hatte, was sich als Unterwerfung deuten ließe. Baradotos jedenfalls scheint, ähnlich Jakobos, nicht in bischöflich-diplomatischer Funktion, sondern als heiliger Mann auf frommer Mission
17.5 Grenzfälle
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Dass Kawadh dagegen diplomatisch handelt, ist deutlich: nach Art von Anekdoten um große Herrscher der Geschichte – so Alexander im Angesicht des Diogenes – räumt er dem Wundertäter einen Wunsch einen und profiliert sich zugleich als durchaus menschlicher Herrscher, da er auf die Nöte der Zivilbevölkerung Rücksicht nimmt. Auf diese zielt seine Maßnahme auch, es ist public diplomacy. Man kann davon ausgehen, dass Kawadh einem römischen Beamten diesen Wunsch nicht gestattet hätte. Es wäre ja in Anbetracht der Eroberung der Stadt ohne politischen Effekt, dem Feind vorher zu erlauben, diese zu evakuieren. In diesem Falle hätten die Römer schließlich gedacht, dass er sowieso keine rohe Gewalt einsetzen würde, sich also vor der Konfrontation scheue. Es wäre von Kawadh aber auch ungeschickt gewesen, in Kauf zu nehmen, dass bei der Erstürmung der Stadt die Zivilbevölkerung umkäme, denn damit wären die Sympathien in der römischen Bevölkerung, deren Kooperation schließlich in Kawadhs Interesse war, endgültig verspielt gewesen. Kawadh bedient sich also des frommen Mannes, um zugleich bei der Zivilbevölkerung gut dazustehen und nicht seine Ernsthaftigkeit gegenüber den Römern zu verlieren. Es ist zu bedenken, dass er im Folgenden68 mit der Erstürmung der Stadt begann. Seine Hoffnung war vielleicht auch, dass die Zivilbevölkerung die Stadt komplett verlassen und einfach übergeben würde, was sich aber nicht erfüllte. Es dürfte dabei ohne Relevanz sein, dass Kawadh Zoroastrier war, Jakobos aber Christ, denn einem Wundertäter sollte man schließlich, egal welchen Glaubens, mit Respekt begegnen. Dass Prokop behauptet, Kawadh habe daran geglaubt, dass Jakobos Geld wolle, ist seiner Tendenz geschuldet – auch Kawadh musste klar sein, dass ein Eremit nicht an irdischen Gütern interessiert ist, sondern mit voller Absicht ein Leben ohne solche gewählt hat. So stark sich also Kawadh im Rahmen der Episode diplomatischer Methoden bedient haben mag, so lässt sie sich doch nicht als Zeugnis für die Handlungsweise von Drittakteuren anführen – es fehlt ein Indiz für die Intention des Jakobos in dieser Richtung.
tätig gewesen zu sein. Es war sicher nicht seine Absicht, einem künftigen Großkönig Ansprüche auf Konstantine zuzuspielen oder auch nur das römisch-persische Verhältnis seiner Zeit zu verändern, sondern allein Kämpfe zu verhindern und Leben zu retten. 68 Prok. Bell. 1,7,12.
18 METHODEN VII Symbolhandlungen 18.1 NATUR DER METHODE Diplomatie ist ein kommunikativer Prozess. Kommunikation beschränkt sich aber nicht auf verbalen Austausch in mündlicher oder schriftlicher Form – also sprachliche Ausdrucksmittel – sondern kann auch durch andere Mittel erfolgen, sofern diese geeignet sind, Träger einer Botschaft zu sein, die von einer Seite ausgeht und von der anderen verstanden werden kann. Letzteres Element ist konstitutiv für Diplomatie: die Botschaft des Senders muss den Empfänger erreichen, also für ihn verständlich sein. Ob der Kaiser einen Brief an den Großkönig schreibt, eine Gesandtschaft schickt oder einen Feldzug beginnt: er muss stets dafür sorgen, dass der Großkönig den Zweck dieser Handlungen versteht, um darauf reagieren zu können – schließlich ist die Reaktion Zweck jeder diplomatischen Aktion. Diplomatische Aktionen können noch weit vielgestaltiger sein und gehen über diese naheliegenden Mittel hinaus, sofern sie kommunikativen Charakter haben und für beide Seiten verständlich sind. Ein bemerkenswertes, wenn auch schwer verständliches Mittel bilden die Symbolhandlungen,1 deren Einsatz eine eigene diplomatische Methode darstellt. Diese bedeutet, dass diplomatische Botschaften durch nichtverbale Zeichen ausgetauscht werden; durch Handlungen, die mit einer bestimmten Bedeutung aufgeladen sind, die für das Gegenüber verständlich ist.2 In diesem Zusammenhang ließe sich auch das Wort „Geste“,3 im Sinne der Redewendung „eine noble 1
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Bezüglich Chosraus I. fällt der Terminus der „symbolischen Handlungen“ bei Börm 2006, 312, Anm. 43, wenn auch mit etwas anderer Akzentuierung: „Im Kontext dieser Untersuchung soll unter ‚Herrschaftsinszenierung‘ eine äußerliche Umsetzung der vom Herrscher beanspruchten bzw. ihm zugesprochenen Befugnisse und Eigenschaften verstanden werden, die in Form von symbolischen Handlungen erfolgt. Eng verbunden hiermit ist die Demonstration von Legitimität: Der Besitz von Herrschertugenden, die göttliche Sanktionierung der monarchischen Stellung und ggf. auch die Akzeptanz durch die Untertanen werden durch ausgewählte Gesten, Rituale und Insignien zur Schau gestellt.“ Derartige Methoden sind es, die auch in der Diplomatie Anwendung finden. Für das Phänomen der Symbolhandlung wird im Titel der Arbeit Knippschild 2002 der Terminus der „(rechts)symbolischen Akte“ verwendet, aber das deutsche „Handlung“ und das lateinische actio lassen sich hier synonym gebrauchen. Vgl. Canepa 2009, 24: „From the perspective of two universal empires, the economic, demographic, and political forces that facilitated Roman-Sasanian interaction also provided the stage and actors for their dramatic expressions of power.“ Diese „dramatic expressions“ sind es, von denen das vorliegende Kapitel handelt. Börm 2006, 312, Anm. 43, in diesem Sinne, siehe S. 360, Anm. 1 der vorliegenden Arbeit.
18.1 Natur der Methode
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Geste“, als Umschreibung für Symbolhandlungen verstehen, wenngleich eine „Geste“ eigentlich nur eine Symbolhandlung durch körperliche Bewegungen bedeutet, die Symbolhandlung als diplomatische Methode aber weit mehr umfassen kann als eine solche.4 Der Begriff der „Symbolhandlung“ deutet dabei auch auf den oft metaphorischen Charakter dieser Methode, die meist Stilmitteln in literarischen Werken ähnelt, mit denen ein Autor eine Aussage vermitteln will, ohne sie explizit niederzuschreiben; wie ein Symbol für ein Konzept steht, ein Vergleich entfernte Dinge einander annähern, eine Metapher schwer Fassliches fassbar machen soll, so besteht die Methode oft darin, über eine schlichte Handlung einen größeren Zusammenhang zu veranschaulichen und die eigene Aussageabsicht pointiert und eindrucksvoll zur Schau zu stellen. Zumeist sind die Symbolhandlungen – wie literarische Stilmittel – auf ihre eindrucksvolle und einprägsame Wirkung hin angelegt, die eine bloße verbale Äußerung nicht in gleicher Art zu leisten vermag. Die in den Quellen zu findenden Symbolhandlungen haben oft ein Element der public diplomacy – gehen also von den diplomatischen Stellen (zumeist einem der Herrscher) aus, sind aber nicht nur auf die diplomatischen Stellen der anderen Seite gerichtet, sondern vor allem auf die Öffentlichkeit und deren Meinung auf dieser Gegenseite. Diese Beeinflussung der öffentlichen Meinung in einem anderen Gemeinwesen, durchaus zu Recht mit dem Begriff der Propaganda in Verbindung gebracht,5 hat letztlich keinen anderen Zweck als andere diplomatische Methoden auch – eine Modifikation des Verhältnisses zwischen den Gemeinwesen – nur statt zu versuchen, direkt die Entscheidungsträger der anderen Seite zu beeinflussen, wird zuerst versucht, die öffentliche Meinung zu verändern, damit sich durch deren Druck auch die Meinung der Entscheidungsträger ändert. Ein Vorteil der Symbolhandlungen gegenüber anderen diplomatischen Methoden besteht – neben ihrer hohen Versatilität in Anbetracht gerade relevanter Themen, für die andere Methoden weniger geeignet waren – vor allem in der Kosteneffizienz. Kriege sind teuer, Verhandlungen kosten Geld, eine Geste aber ist kostenlos.
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Für den Terminus der „Geste“ als mit einer Botschaft aufgeladener körperlicher Bewegung ist in den Altertumswissenschaften traditionell der Begriff der „Gebärde“ üblich, so schon im Klassiker zum Thema, Sittl 1890. Es lässt sich public diplomacy sogar als bloßer Euphemismus für „Propaganda“ verstehen, dahingehend existiert der im doppelten Sinne beschönigende Begriff der white propaganda, die im Gegensatz zur black propaganda ihre Quellen offenlege. Public diplomacy ist in diesem Sinne zwar Propaganda für eine fremde Bevölkerung, aber eben nur „weiße“. Mit anderen Worten: public diplomacy ist ein Euphemismus für white propaganda und white propaganda wiederum ist ein Euphemismus für „Propaganda“ schlechthin; vgl. Berridge 2010, 179–182. Ebd. 190 erklärt der Autor diesen eigentümlichen Sprachgebrauch damit, dass kaum ein Außenministerium der Gegenwart von sich behaupten würde, Propaganda zu verbreiten, sondern höchstens public diplomacy, denn Propaganda ist stets das, was „die anderen“ machen. Zum Begriff und seiner Geschichte Hamilton/Langhorne 2011, 234–237. Der Begriff der Propaganda wird in der vorliegenden Arbeit sparsam eingesetzt, um nicht zu viele anachronistische Assoziationen mit sich zu bringen.
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18 Methoden VII
Im Verhältnis Roms und des Sasanidenreiches gehen die Symbolhandlungen zumeist von den Herrschern aus und sind auch auf den jeweils anderen Herrscher – oder eben dessen Öffentlichkeit – gerichtet, denn die Methode setzt voraus, dass der Sender einer solchen aufgeladenen Botschaft nicht nur eine prominente und von allen Seiten beobachtete Person ist, sondern auch eine solche, deren Handlungsweise man auf der eigenen wie der Gegenseite zu interpretieren gewohnt ist. Schließlich hatte weder ein Kaiser noch ein Großkönig (wie wohl jede vormoderne Herrscherpersönlichkeit) ein Privatleben im modernen Sinne: alles spielte sich unter den Augen anderer ab und aufgrund der Machtfülle und des Einflusses der Herrscher war dieses Umfeld gewohnt, jede Handlung gewissermaßen zwischen den Zeilen zu lesen und nach ihrer symbolischen Bedeutung zu fragen.6 Dies wurde durch den ritualisierten Charakter der Politik in spätantiken Gesellschaften bestärkt. Auch für die Gegenseite muss es selbstverständlich gewesen sein, nach der Botschaft hinter den auf sie gerichteten herrscherlichen Handlungen zu fragen. Die besondere Schwierigkeit besteht darin, dass eine solche Interpretationsarbeit nach anderthalb Jahrtausenden in einem anderen kulturellen Kontext unsicher und mehr oder weniger spekulativ ist. Dies kann aber in der spätantiken Gegenwart nicht der Fall gewesen sein. Wenn die Chance hoch gewesen wäre, dass eine Symbolhandlung auf der anderen Seite völlig missverstanden werden könnte, hätte dies verheerende Auswirkungen auf das diplomatische Verhältnis haben können und sie wäre daher wahrscheinlich nicht als diplomatische Methode eingesetzt worden. Die Quellen bezeugen derartige Symbolhandlungen aber, indem sie Akte der spätantiken Herrscher schildern, die aus heutiger Warte seltsam wirken und nicht auf den ersten Blick als kommunikative Akte verstanden werden können, aber in den Quellen wie selbstverständlich Resultate nach sich ziehen, die bezeugen, dass es sich um damals offenkundig für die Akteure, die Gegenseite wie auch das intendierte Publikum der Quellen verständliche Symbolhandlungen gehandelt haben muss. Es ist also davon auszugehen, dass von der gegenseitigen Verständlichkeit derartiger Botschaften ausgegangen wurde, also dahingehend eine gemeinsame Sprache bestand, wie sie besonders Matthew Canepa in seinen Studien herausgestellt hat.7 Kaiser und Großkönige verfügten über ein gemeinsa6
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Demandt 1996, 11f., 14, mit Quellenbelege zur Ansicht, dass man in einer so hohen Stellung nichts verbergen könne. Zur Legitimation des Titels „Das Privatleben der römischen Kaiser“ für die Arbeit Demandt 1996, 22–32; 27, Einschränkung ebd. 30. Problematisierung der Begriffe von „privat“ und „öffentlich“ für spätantike römische Kaiser Staesche 1998, 15–26. Zur Privatsphäre in kaiserlichen Villen durch Teilung der Gebäude in verschiedene Sphären siehe den Aufsatz Booms 2012, mit der richtigen Anmerkung über die zeit- und kulturgebundene Natur der Konzepte von „öffentlich“ und „privat“ ebd. 91. Canepas Ideen übersteigen dabei den Bereich diplomatischen Kontakts bei weitem, Canepa 2009, 2f.; vgl. Canepa 2010, 127f. Es geht um kulturelle Prozesse und Praktiken, die Austausch beförderten und Kommunikation beschleunigten, sei es freundlicher Austausch oder gegnerischer, agonaler Wettbewerb. Für das Verhältnis der Sasanidenkönige zu den sarazenischen Herrschern von al-Hira ist eine ähnliche Ansicht bei Morley 2017, 274, festgestellt worden. Schon Chrysos 1978, 71, geht bezüglich des Vertrages von 561 (562) davon aus, die
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mes Reservoir von Zeichen, Symbolen und geradezu kodierten Handlungen, die einander verständlich waren.8 Es bestand gewissermaßen ein semiotisches System der Diplomatie, das sich aus heutiger Warte nur noch in Fragmenten fassen lässt, von dessen Vorhandensein aber auszugehen ist. Es liegt nahe, dass ein großer Teil derartiger Handlungen überhaupt nie Niederschlag in den Quellen gefunden hat, mit dem Großteil der Quellen verloren gegangen ist und selbst in den erhaltenen zu einem Teil nicht als solcher erkannt werden kann, da ein Verständnis des kulturellen Hintergrundes fehlt. Man kann sich dem Thema also nur annähern, wobei die ermittelten Strukturen und Methoden des diplomatischen Verhältnisses aber eine erhebliche Hilfe sein können, da sie einen Rahmen vorgeben, innerhalb dessen sich die Symbolhandlungen – wie alle anderen diplomatischen Akte auch – bewegt haben werden. Ähnlich wie bei sonstigen Methoden der Diplomatie ist auch bezüglich der Symbolhandlungen, die sich in den Quellen finden lassen, weniger entscheidend, ob sie wirklich ereignisgeschichtlich so stattgefunden haben, wie sie dargestellt werden, sondern weit mehr, dass spätantike Autoren sie als ohne Erklärung verständliche – und daher wohl übliche – Methoden diplomatischer Kommunikation präsentieren. 18.2 SYMBOLHANDLUNGEN IN PROKOPS ARCHÄOLOGIE DER PERSERKRIEGE Bereits am Anfang des Prokopischen Geschichtswerkes – und damit wieder in der für das römisch-persische Verhältnis paradigmatischen Archäologie – steht eine Episode, die eine typische Symbolhandlung darstellt – sie ist aus heutiger Sicht schwer verständlich, war es aus damaliger aber offenbar nicht, da Prokop keinerlei Kommentar für nötig hält:9
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beiden Großmächte hätten „not only in their political and military aspirations and their ideological representation, but also in their attitude toward the powerless countries whose future was entirely decided by them“ die gleiche Sprache gesprochen. McDonough 2011a, 295, betont, dass Iran und Rom auch in den diplomatischen Feinheiten miteinander vergleichbar waren. Wenn auch hinsichtlich der Kommunikationsmittel eingeschränkter, so doch treffend Canepa 2009, 8: „Through art and ritual, Roman and Sasanian sovereigns could communicate complex, multivalent, even contradictory, messages about their identity.“ Vgl. Canepa 2010, 128. Zum Thema der Rituale Canepa 2009, 18; zum Austausch der beiden Reiche als kommunikativem Prozess – wenn auch mit Fokus auf materiellen Elementen – ebd. 21f., Canepa 2010, 144: „The end result of these processes of cross-cultural interaction was not just the exchange of cultural material but, at various times throughout their mutual histories, the fusion of the two realmsʼ ritual-visual practices to form an extra-cultural and extrareligious language of debate and legitimacy.“ Die Datierung des dieser Episode zugrundeliegenden Ereignisses ist davon abhängig, wie man sie rekonstruiert und mit anderen Quellenberichten abgleicht. Anatolios war 433–446
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18 Methoden VII Als dann Theodosius zum Manne herangereift und zu Jahren gekommen, Isdigerdis aber an einer Krankheit gestorben war, brach der Perserkönig mit starker Heeresmacht ins Römerreich ein, tat jedoch keinen Schaden, sondern kehrte, ohne etwas unternommen zu haben, in sein Land zurück. Das kam so: Kaiser Theodosius schickte Anatolios, den magister militum per Orientem, ohne alle Begleitung als Gesandten zu den Persern. Sobald er in die unmittelbare Nähe ihres Heeres gekommen war, stieg er allein vom Pferd und begab sich zu Fuß zu Bahram. Der König sah ihn und fragte seine Begleitung, wer denn der Mann sei, der sich da nähere. Es sei der römische magister militum, lautete die Antwort. Durch die außerordentliche Ehrung fühlte sich der König so überrascht, dass er sein Pferd wandte und zurückritt, worauf ihm das ganze Perserheer folgte. Als Bahram wieder in seinem eigenen Lande war, empfing er den Gesandten aufs huldvollste und kam dem Friedensgesuch des Anatolios in allen Punkten entgegen. Danach sollten weder Perser noch Römer auf ihrem Gebiet in Grenznähe irgendwelche neuen Festungen anlegen. Beide Völker aber widmeten sich nach Abschluss des Vertrages nach eigenem Belieben ihren inneren Angelegenheiten.10
Es ist zunächst bemerkenswert, dass Elishe ähnliche Ereignisse schildert, allerdings unter einer anderen Prämisse: Theodosius habe Yazdgard (nicht Bahram!) bei einem Einfall einfach durch viele Schätze, die der magister militum per Orientem Anatolios übermittelt habe, und andere Zugeständnisse besänftigt und zur Umkehr bewegt.11 Ausgerechnet das in diesem Fall wichtigste Element – eine magister militum per Orientem (PLRE II, Fl. Anatolius 10, S. 84–86), es müsste sich also um einen Krieg handeln, der zu Beginn der Regierungszeit Yazdgards II. (439–457) und nicht Bahrams V. (421–439) stattfand, wie Prokop angibt (und auch Theophan. Conf. a. 5921). Marcellinus Comes (a. Cyri solius) datiert den Krieg in das Jahr 441 mit den Worten: Persae, Saraceni, Tzanni, Isauri, Hunni finibus suis egressi Romanorum sola vastaverunt. missi sunt contra hos Anatolius et Aspar magistri militiae pacemque cum his unius anni fecerunt. Der Krieg 420/21 gegen Bahram Gor war auch mit bedeutend größeren Kämpfen (in Armenien und um Nisibis) verbunden; Ardabourios war damals der zuständige magister militum. Siehe zu diesen Zusammenhängen den Aufsatz Greatrex 1993, wo die Rückzugsepisode bei Prokop ins Jahr 440, datiert wird, ebd. 2, Anm. 4 u. 8f. Greatrex geht davon aus, dass Anatolios beide Könige getroffen und Prokop dies zu einer Episode zusammengeführt habe, was aber nicht sicher ist. Auch Börm 2007, 228f. setzt die prokopische Szene ins Jahr 440 oder 441. 10 Prok. Bell. 1,2,11–15 (Übers. nach Veh): ἐπεὶ δὲ Θεοδόσιος µὲν ἀνήρ τε ἐγεγόνει καὶ ἡλικίας πόρρω ἀφῖκτο, Ἰσδιγέρδης δὲ νοσήσας ἐξ ἀνθρώπων ἠφάνιστο, ἐπῆλθε µὲν ἐς Ῥωµαίων τὴν γῆν Οὐαραράνης ὁ Περσῶν βασιλεὺς στρατῷ µεγάλῳ, ἔδρασε δὲ οὐδὲν ἄχαρι, ἀλλ̓ ἄπρακτος ἐπανῆλθεν εἰς τὰ οἰκεῖα τρόπῳ τοιῷδε. Ἀνατόλιον τὸν τῆς ἕω στρατηγὸν Θεοδόσιος [ὁ] βασιλεὺς πρεσβευτὴν ἐς Πέρσας µόνον αὐτὸν ἐτύγχανε πέµψας· ὃς ἐπειδὴ ἄγχιστα ἐγεγόνει τοῦ Μήδων στρατοῦ, ἀποθρώσκει µὲν τοῦ ἵππου µόνος, πεζῇ δὲ βαδίζων ἐπὶ Οὐαραράνην ᾔει. καὶ αὐτὸν Οὐαραράνης ἰδὼν τῶν παρόντων ἀνεπυνθάνετο ὅστις ποτὲ ὁ προσιὼν εἴη. οἱ δὲ τῶν Ῥωµαίων εἶναι στρατηγὸν ἔφασαν. καταπλαγεὶς οὖν τῷ ὑπερβάλλοντι τῆς τιµῆς ὁ βασιλεὺς αὐτὸς στρέψας τὸν ἵππον ὀπίσω ἀπήλαυνε, καί οἱ ἅπας ὁ τῶν Περσῶν λεὼς εἵπετο. γενόµενος δὲ ἐν γῇ τῇ οἰκείᾳ τόν τε πρεσβευτὴν ξὺν φιλοφροσύνῃ πολλῇ εἶδε καὶ τὴν εἰρήνην ξυνεχώρησεν οὕτως, ὥσπερ Ἀνατόλιος αὐτοῦ ἔχρῃζεν, ἐφ̓ ᾧ µέντοι µηδέτεροι ἐν χωρίῳ οἰκείῳ ἐν γειτόνων τοῖς τῶν ἑτέρων ὁρίοις ὄντι ὀχύρωµα νεώτερόν τι ἐργάζονται. οὗ δὴ αὐτοῖς ἐξειργασµένου ἑκάτεροι τὰ οἰκεῖα ὅπη ἐβούλοντο ἔπρασσον. Zur wohl zugrundeliegenden historischen Gestalt des Anatolios PLRE II, Fl. Anatolius 10, S. 84–86. 11 Elishe 1, p. 7. Bei Veh 1970a, 458f., wird dieser Variante gefolgt: Die Episode gehöre in den Krieg von 441, gemeint sei Yazdgard II. und es sei von römischer Seite Tribut geleistet worden. Greatrex 1993, 8, nimmt an, dass es sich bei dem hier geschilderten Zusammentreffen
18.2 Symbolhandlungen in Prokops Archäologie der Perserkriege
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Zahlung – fehlt bei Prokop. Es stellt sich die Frage, ob Prokop dies als ehrenrührig weggelassen hat,12 es vielleicht nicht wesentlich war oder es tatsächlich keine Zahlung gegeben hat. Auffällig ist, dass Agathias, der Prokops Werk des Öfteren zur Quelle hatte, die Episode ebenfalls erwähnt, aber anders schildert, als es bei Prokop der Fall ist. So erwähnt er im Rahmen seiner Zusammenfassung der aus Aufzeichnungen in den persischen Königsarchiven mit Vermittlung des Dolmetschers Sergios gewonnenen Informationen über die persische Geschichte,13 dass Bahram ins Imperium eingefallen sei, aber als er einen freundlichen und höflichen Empfang durch die römischen Befehlshaber der betroffenen Grenzregionen erhielt, habe er sich schnell zurückgezogen, ohne Schaden anzurichten.14 Auffällig ist nun, dass dies im Widerspruch zu Prokops Bericht steht, der eindeutig von einem einzigen Mann, Anatolios, berichtet. Wenn Agathias diesen Bericht von Prokop übernommen hätte – auf dessen Aussagen über die Beschützerrolle Yazdgards er unmittelbar zuvor eingeht15 – würde es in Anbetracht der intensiven Auseinandersetzung mit der Frage um die Beschützerrolle sehr verwundern, wenn er Prokops Werk unmittelbar darauf so falsch wiedergegeben hätte. Es ist vorstellbar, dass Agathias an dieser Stelle tatsächlich eine unabhängige persische Aufzeichnung über die Geschehnisse widerspiegelt, was ihr zusätzliche Glaubwürdigkeit verleihen würde. Nicht zuletzt ist sich Agathias dessen bewusst, dass es – zumindest bezüglich der Zeit Kawadhs – Diskrepanzen zwischen Prokops Schilderung und den persischen Aufzeichnungen gibt, wobei er schlussendlich dafür eintritt, den persischen Quellen die größere Glaubwürdigkeit einzuräumen.16 Welche Position man beziehen mag, so ist die Zahlung jedenfalls nicht nötig, um Prokops Schilderung zu erklären, wenn man von einer diplomatischen Symbolhandlung ausgeht:17
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des Großkönigs und Anatoliosʼ um ein anderes, separates Ereignis handeln könnte, das ins Jahr 440 zu datieren wäre. Greatrex 1994, 38f., nimmt an, dass der persische Rückzug in Wirklichkeit erkauft worden sei, Prokop aber lieber eine ansprechende literarische Erzählung bietet, die für die römische Seite schmeichelhafter ist. Vgl. Greatrex 1993, 2. Agath. hist. 4,30,2–4; Pugliese Carratelli 1971, 600. Zu Sergios Hartmann 2007, 65. Agath. hist. 4,27,1. Agath. hist. 4,26,3–8. Agath. hist. 4,30,5. Es sei am Rande erwähnt, dass Malalas bei Ioh. Mal. 14,23 eine völlig andere Version der Beilegung des entsprechenden Konflikts bietet. Zudem wird nur ein magister militum per Orientem namens Prokopios erwähnt, der keine entsprechende Rolle spielt. Bei Malalas gibt es auch keinen Ehrkonflikt, vielmehr bietet Bahram („Βλάσσης”) Theodosius an, statt einer Schlacht ein Duell zwischen zwei Vertretern der beiden Seiten stattfinden zu lassen. Gewinnt der Perser, soll Theodosius Bahram 50 Talente Gold zahlen und Geschenke geben, gewinnt aber der Römer, werde Bahram einen Friedensvertrag über 50 Jahre eingehen. Auf römischer Seite wird der Gote Areobindos eingesetzt und gewinnt.
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Der Schlüssel zum Verständnis der Episode ist die Frage, worin genau die Ehre bestehen soll, die Bahram von Theodosius angetan wurde und ihn so beeindruckt haben soll, dass er das Feld räumte. Um diese Ehre zu verstehen, muss man nach dem Kontext fragen. Prokop schildert die Episode im Anschluss an seine Ausführungen zum Beschützerverhältnis Yazdgards I. und Theodosiusʼ II. Da Yazdgard stirbt, erlischt die Verbindlichkeit. (Es ist bekannt, dass schon am Ende der Regierung Yazdgards der Konflikt von 420 mit Rom entbrannt war, was Prokop aber nicht erwähnt.) Bahram will mit dem gescheiterten Einfall wohl prüfen, wie weit er als neuer Großkönig gehen kann. Das Motiv ist, dass es aktuell keinen Friedensvertrag mit Rom gibt und er schließlich machen kann, was er will. Da er gerade König geworden ist, ist denkbar, dass er den persischen Großen seine kriegerische Kraft beweisen will – und auch dem römischen Gegenüber. Es lässt sich der Kontrast ausmachen: Yazdgard hatte sich auf die Beschützerrolle eingelassen und musste die entsprechenden Konsequenzen tragen – Bahram dagegen kann ungebunden und frei agieren. Dies sendet ein Signal an die römische Seite, dass Bahram ein anderer König als Yazdgard sein will. Es macht dabei nicht den Eindruck, dass er einen großen Krieg sucht, der wohl auch nicht in seinem Interesse gelegen hätte und dem die Großen wahrscheinlich auch nicht zugestimmt hätten. Vielmehr wollte er mit einer Machtdemonstration zeigen, wozu er in der Lage war und sich somit profilieren. Theodosius hatte sicher auch kein Interesse an einem Krieg und verweist Bahram geschickt in seine Schranken. Der Kaiser entsendet nun nicht etwa ein Heer, als er provoziert wird, sondern zeigt seine friedliche Gesinnung durch Entsendung eines einzelnen wichtigen Mannes, dessen Verlust für das Imperium sehr empfindlich wäre. Und dieser Mann erscheint zudem auf unkriegerische Art – zu Fuß. Das ist es wohl, was Bahram in besonderer Weise ehrt.18 Es geht nicht darum, dass der hohe Militär Anatolios als Gesandter geschickt wird, sondern darum, dass Theodosius es wagt, einen für ihn so wichtigen Mann ohne Schutz zu Bahram und seinem Heer zu schicken, obwohl dieser aus seiner kriegerischen Gesinnung keinen Hehl gemacht hat. Eigentlich wäre in einer solchen Situation, da eine Seite bereits mit Heeresmacht auftaucht, zu erwarten, dass ein römisches Heer erscheint. Auch Bahram wird damit gerechnet haben. Theodosius aber konterkariert diese Erwartung durch die Entsendung des Anatolios völlig. Denn eigentlich wäre zu erwarten, dass Anatolios als derjenige, in dessen Händen der Schutz des römischen Ostens liegt, in den Bahram gerade einfällt, diesem mit Heeresmacht entgegentritt. Anatolios setzt sich tatsächlich für den Schutz des Ostens ein, aber ohne Heer. Dies lässt sich als Symbolhandlung des Theodosius gegenüber Bahram mit folgendem Inhalt verstehen: Du bist ein so wahrhafter Ehrenmann, dass ich dir selbst in dem Moment, da du alle friedlichen Absichten vermissen lässt, meinen 18 Zur Ehrbezeugung durch Absteigen vom Pferd Börm 2007, 103f. Komplett anders interpretiert Kaldellis 2004, 67–69, die Episode, der sie, sofern man sie für bare Münze nähme, für „hopelessly confused and useless“, ebd. 68, hält. Es würde sich vielmehr um eine symbolisch zu verstehende paradigmatische Passage handeln.
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Oberbefehlshaber über den ganzen Osten allein entgegenschicken kann und doch weiß, dass du ihm kein Leid zufügen wirst. In so hohem Maße vertraue ich deiner Ehrenhaftigkeit, dass du dem Gesandten nichts tun wirst. Im Umkehrschluss bedeutet das: Also siehst du, dass auch ich ein Ehrenmann mit redlichen, friedvollen Absichten bin. Bahram wird mehr als deutlich gemacht, dass er als Aggressor identifiziert wurde, aber Theodosius trotzdem noch bereit ist, darüber hinwegzusehen und den Frieden bevorzugt. Theodosius geht auf die Provokation nicht ein, sondern stellt noch mehr seine Friedensliebe unter Beweis. Er zeigt, dass er Bahram vollkommen vertraut und lässt die Aggression im Sande verlaufen. Theodosius zeigt dabei keine Schwäche, denn die Anwesenheit des Anatolios demonstriert, dass er militärisch weiß, wer hier eigentlich zuständig wäre. Einen Kriegsgrund aber hat Bahram nicht. Also kann er jetzt nichts erwidern. Wenn er jetzt angreifen würde, wäre er ganz offenkundig (und auch aus persischer Sicht) ein unbestreitbarer Aggressor. Wenn Theodosius ihm ein Heer entgegengestellt und ebenfalls Aggression gezeigt hätte, wäre es vielleicht anders. Warum redet Bahram aber nicht auf römischem Boden mit Anatolios? Wenn man mit einem ganzen Heer erscheint und sich diesem ein einzelner Mann entgegenstellt, muss man (zumal kein Kriegsgrund besteht) sich ihm ebenfalls alleine stellen, da es andernfalls vor den eigenen Leuten äußerst unangenehm auffallen würde, erst recht bei einem Großkönig, auf dem kriegerische Erwartungen und solche der Rechtschaffenheit und des Ausgleichs ruhen. Wenn eine ganze Gesandtschaft vor ihm steht, ist es selbstverständlich, dass seine Leibwächter ihn begleiten, denn es könnte ein Hinterhalt geplant sein. Wenn aber ein einzelner Mann – und noch dazu ein so wichtiger Mann wie Anatolios vor ihm steht – gibt es nur eine Option, auf ihn einzugehen: von Mann zu Mann. Zumal der Großkönig der persischen Erwartung nach durch sein Königsheil kriegerisch jedem anderen einzelnen Krieger überlegen sein müsste, also keine Gefahr droht. Da die Entsendung des einzelnen Mannes durch Theodosius als Gesandten aber schon die Erwartung deutlich gemacht hat, dass Bahram ihm keinesfalls etwas tun wird, kann Bahram jetzt nicht anders reagieren, als ihm tatsächlich nichts zu tun. Er müsste also unter vier Augen mit ihm reden. Worüber aber? Er ist in einer dafür denkbar ungeeigneten Position, da er mit einem Heer in einem fremden Land steht und Theodosius ihn trotzdem noch so ehrt und seine friedlichen Absichten zeigt. Bahram weiß, dass er keine Argumente für seinen Angriff hat. Daher kann er nicht mit ihm reden. Er würde sich in einer sehr ehrlosen Verhandlungsposition befinden: Theodosius hat seine Ehrenhaftigkeit gezeigt, er selbst nur seine Ehrlosigkeit. Er muss zurück in sein Land, um den status quo wiederherzustellen. Dort kann er auf Theodosiusʼ Wunsch der unbefestigten Grenzregion eingehen, da er sich nun als ein Ehrenmann erwiesen hat. Theodosius hatte seine Ehrenhaftigkeit schon bewiesen, indem er Anatolios entsandte. Nun können sie sich unbelasteter austauschen.
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Diese Episode ist auch ohne eine Zahlung, wie sie die Parallelquellen annehmen, verständlich. Es kann aber ebenfalls sein, dass der Vertrag mit Zahlungen besiegelt wurde.19 Wie dem auch gewesen sein mag, so zeigt Prokop – wieder einmal in der Archäologie der Perserkriege! – an einem mustergültigen Beispiel, was Symbolhandlungen sind und worin ihr Nutzen besteht. Denn welchen Vorteil hat (Prokops) Theodosius von dem geschilderten Vorgehen? Er vermittelt sein Anliegen mit besonderer Intensität, wozu ein Schreiben wohl nicht in der Lage gewesen wäre und demonstriert (Prokops) Bahram auf eine besonders intensive Art, worin sein Anliegen besteht, was Bahram zum Einlenken bewegt. Letztlich geht es um Vermeidung eines Krieges. Dahingehend zeigt sich auch der zweite Hintergrund der Symbolhandlung: Während ein Krieg stets teuer und mehr oder weniger riskant ist20 – und überhaupt ungeahnte Konsequenzen nach sich ziehen kann – kostet eine Symbolhandlung weit weniger oder ist sogar völlig kostenlos. Symbolhandlungen sind in vielerlei Hinsicht effizient: sehr kostengünstig, schnell, von potentiell starkem Effekt, vielfältig einsetzbar und selbst wenn sie fruchtlos bleiben, ist damit in der Regel kein großer materieller Verlust verbunden. Sie bedeuten ein weit geringeres Risiko als ein Krieg. So wundert es nicht, dass Symbolhandlungen Eingang in die spätantiken diplomatischen Methoden gefunden haben.21 Im konkreten Fall nutzt Theodosius eine Symbolhandlung, um einen potentiellen militärischen Konflikt in eine Art Ehrkonflikt umzuwandeln, der im Gegensatz zu einem kriegerischen schnell, einfach und kostengünstig gelöst werden kann. Dies passt sehr gut in die ermittelten Strukturen des römisch-persischen Verhältnisses: Die diplomatische Gleichrangigkeit bringt die Notwendigkeit mit sich, miteinander kommunizieren und die Handlungen des anderen richtig verstehen zu können. Da diese gemeinsame Ebene besteht, lässt sich auch mit den Gepflogenheiten dieser Ebene operieren, so in Form des dargestellten Ehrkonflikts. Keiner will in seiner Ehrenhaftigkeit zurückstehen und keiner vor dem anderen Herrscher das Gesicht verlieren, was auch innenpolitisch fatal sein könnte. Es zeigt sich auch, dass beide Seiten die Zwänge der anderen kennen, also Bahram nicht in eine Ecke gedrängt wird, aus der er sich nur mit irrationalem Handeln befreien könnte, was nicht im Interesse beider Seiten wäre. Ihm wird die Option
19 Für Börm 2007, 228f., sind die Zahlungen der wesentliche Aspekt. Es ließe sich im Übrigen auch noch an weitere Aussagen der Anatolios-Episode hinsichtlich Prokops eigener Zeit über Kontraste und Analogien denken; das weitere Geschichtswerk demonstriert, wie weit man in seiner Zeit von solcher Ritterlichkeit entfernt war, so dass wieder die frühere Zeit als Kontrapunkt dienen und gezeigt werden kann, wie tief das römisch-persische Verhältnis gesunken ist. 20 Mattern 1999, 142, zum Umstand, dass sich auch die Römer dessen bewusst waren; Haldon 1992, 282, zu Byzanz. Vgl. Blockley 1992, 108, 165. Für die sasanidische Seite vgl. Greatrex 1998, 59. 21 Canepa 2010, 135, sieht symbolische Ausdrücke als Ergänzung militärischer Macht.
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gegeben, sich unter Wahrung des Gesichts zurückzuziehen, ohne feige zu erscheinen. Bezüglich des militärischen Gleichgewichts zeigt sich wieder, dass keine Seite diejenige sein will, die offenkundig mit Aggressionen begonnen hat. Mit diesen Voraussetzungen wird hier operiert. Zudem ist die Kriegsvermeidung ein deutliches movens. Wenige Seiten nach dieser Episode, die den Einsatz von Symbolhandlungen zwischen den Herrschern demonstriert, berichtet Prokop von Ereignissen, die zwar legendenhaft anmuten, aber nicht zuletzt den Einsatz von Symbolhandlungen gegenüber einem größeren Publikum, eine Art public diplomacy mit symbolischem Kapital, plausibel machen. Eine an sich nebensächliche Bemerkung wird dabei enorm ausgebreitet, so dass anzunehmen ist, dass Prokop ihr eine gewisse Relevanz einräumte. Er berichtet im Rahmen der Schlacht gegen die Hephthaliten, in der Peroz fiel: Vor seinem Sturz bemerkte der Großkönig die Gefahr und nahm daher eine weiße, sehr große Perle, die er am rechten Ohr trug, ab und warf sie weg, damit niemand sonst mehr dieses Prunkstück tragen könnte, das von einer Art war, wie es noch kein König vor ihm besessen hatte. Prokop selbst glaubt diese Geschichte nicht, sondern nimmt vielmehr an, bei dem Sturz sei Peroz das Ohr zerquetscht worden und die Perle verloren gegangen. Der Kaiser bemühte sich danach sehr, die Perle von den Ephthaliten zu bekommen, hatte jedoch keinen Erfolg, da diese sie selbst nicht finden konnten. Später dann soll sie von ihnen gefunden und an Kawadh verkauft worden sein.22 Im Anschluss berichtet Prokop in der vielleicht seltsamsten Erzählung seines gesamten Geschichtswerkes unter Einbeziehung eines in die Perlmuschel verliebten Seehundes von der persischen Auffassung über die Herkunft dieses Kleinods.23 Es bleibt festzuhalten: 1. Es gab eine berühmte Perle, eingefügt in Schmuck, die zum Schatz persischer Großkönige gehörte. 2. Diese ging unter unbekannten Umständen beim Tod des Peroz verloren. 3. Der römische Kaiser – wahrscheinlich Zenon – wollte sie unbedingt haben, konnte sie aber nicht bekommen. 4. Angeblich verkauften sie die Hephthaliten später an Kawadh. 5. Sie hatte in der persischen Überlieferung eine eigene Herkunftssage. Zieht man alle märchenhaften Elemente ab, so bleibt doch immer noch ein politisch völlig einleuchtender Kern, der sich – bis hin zu Details – im Schicksal und der Bedeutung des Diamanten Koh-i-Noor in der Neuzeit wiederfindet. Auch diesen umgeben Sagen über seine wechselhafte Bedeutung in der südasiatischen Geschichte – die in Ausläufern hin auf die mythische Vorzeit erweitert wurden – bis
22 Prok. Bell. 1,4,14–17. 23 Prok. Bell. 1,4,18–31.
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er schließlich Aufnahme unter die britischen Kronjuwelen fand.24 Die berühmteste Sage dürfte jene sein, nach der Nadir Schah, nachdem er 1739 Delhi erobert hatte, den berühmten Diamanten nicht finden konnte und erst auf den Hinweis der Kurtisane Nur Bai hin erfuhr, dass der besiegte Mogulherrscher Muhammad Schah ihn in seinem Turban versteckt bei sich trage. Nadir veranstaltet eine Zeremonie, um dem besiegten Herrscher seinen Thron zurückzugeben und bot als Zeichen der neuen Freundschaft an, die Turbane zu tauschen. Dieses Ansinnen konnte sein Gegenüber nicht ausschlagen und so verlor er den Stein. Als Nadir ihn im Geheimen aus dem Turban auswickelte, soll er bei seinem Anblick „Berg des Lichts!“ ausgerufen haben, wovon der Koh-i-Noor seinen Namen erhielt.25 Aus Indien wie Pakistan und von Seiten der Taliban gab es bisher verschiedenartige Forderungen zur Rückgabe des Steins.26 Dabei geht es offenkundig nicht in erster Linie um den materiellen Wert des zweifellos sehr wertvollen Diamanten, sondern vor allem um das symbolische Kapital, das sich durch ihn erwerben lässt. Seine stets zwischen Geschichte und Sage pendelnde Vergangenheit hat ihn mit Bedeutung und Prestige aufgeladen und zu einem Symbol der Herrschaft werden lassen. Wenn es einer Macht gelingen würde, dieses dem Vereinigten Königreich wegzunehmen, würde dies eine große symbolische Niederlage desselben und einen entsprechend großen symbolischen Sieg der gewinnenden Seite bedeuten. So ist auch die Erzählung um die Perle zu verstehen.27 Sie ist ein individuelles und offenbar recht bekanntes Kleinod, an das sich ebenfalls Sagen knüpfen – nicht zuletzt ist auch die Anekdote, dass Peroz sie noch im Angesicht des Todes weggeworfen haben soll und woran Prokop nicht glaubt, eine solche, die sich offenbar im Umlauf befand. Dass der römische Kaiser sie zu erwerben wünschte,28 ist der Wunsch nach dem Gewinn des symbolischen Kapitals, das die Perle verkörpert. Dieses könnte er in durch Zurschaustellung der Perle öffentlichkeitswirksamen Auftritten abrufen und für sich nutzen. Für die römische Öffentlichkeit würde somit ein Sieg des Kaisers über den Großkönig deutlich – auch wenn die Perle nur gekauft worden wäre – denn der Besitzerwechsel der Perle demonstriert, dass der Kaiser sogar in der La24 Wermusch 1985, 308f. Dabei dürfte ein Großteil der den Edelstein umgebenden Sagen nicht über das frühe 19. Jahrhundert hinausgehen, da der Diamant überhaupt erst in dieser Zeit mit derart großer Symbolkraft aufgeladen wurde, Dalrymple/Anand 2017, 1–9. 25 Wermusch 1985, 309. Diese Episode dürfte nicht einmal über das mittlere 19. Jahrhundert hinausgehen, wenn sie auch einen wahren Kern haben könnte, Dalrymple/Anand 2017, 79f. 26 Dalrymple/Anand 2017, 276–283. 27 Walker 2018, 254: „The story of Perozʼs giant pearl hinges on the assumption that Roman, Persian, and Hunnic leaders all appreciated the jewelʼs valence as a potent sign of royal authority.“ Diese Arbeit befasst sich generell mit der kulturellen symbolischen Bedeutung von Perlen in der Spätantike; ebd. 154, wird herausgestellt, dass Perlen wohl „quintessential insignia of power in the Iranian world of Late Antiquity“ gewesen seien. Im Sasanidenreich seien sie Symbole königlicher Autorität geworden. 28 Auch wenn Veh 1970a, 460, die Geschichte der Perle „orientalischer Fabulierkunst“ zuschreibt, geht er davon aus, dass die kaiserliche Absicht bezüglich der Perle auf eine byzantinische Zwischenquelle schließen lässt.
18.3 Chosraus Symbolhandlungen im Imperium 540
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ge ist, die dem Großkönig wertvollsten Schätze zu gewinnen, auch wenn dieser sie am eigenen Körper trägt. Zudem erinnert die Perle an den Untergang des Peroz. Die Wirkung auf die persische Öffentlichkeit ist auch deutlich. Gegenüber dem Großkönig würde ihr Zurschaustellen einen Affront bedeuten, für die Öffentlichkeit wiederum eine ständige Erinnerung an die Niederlage des Peroz und den Umstand, dass sich die römischer Seite dieser dunklen Stunde sasanidischer Geschichte und der dahingehenden Schmach bewusst ist. Es ist gut vorstellbar, dass man sie später in der Diplomatie nicht nur auf diese provokative Weise genutzt hätte, sondern noch mehr auf produktive, in dem ihre Rückgabe gegen ein persisches Entgegenkommen in anderen Angelegenheiten in Aussicht gestellt worden wäre. Auch dies hätte einen Einsatz von Symbolen und Symbolhandlungen bedeutet. Prokop belegt ein Bewusstsein für das römische Interesse an der Gewinnung eines auf diese Art nutzbaren Gegenstandes; und wenn die Hephthaliten die Perle tatsächlich später an Kawadh verkauften, ist es ein Indiz für ähnliches persisches Denken (und vielleicht auch ein Bewusstsein der Hephthaliten dafür). Schon Prokops Archäologie zeigt also die Bedeutung und Anwendung von Symbolhandlungen auf. 18.3 CHOSRAUS SYMBOLHANDLUNGEN IM IMPERIUM 540 Auf persischer Seite wird der Einsatz von Symbolhandlungen besonders während des Einfalls des Chosrau ins Imperium während des Jahres 540 deutlich, da eine im Werk Prokops – oder anderer spätantiker Autoren – ohne jede Parallele existierende Fülle von Symbolhandlungen präsentiert wird. So ist es schon eine beiläufige Erwähnung Prokops, welche die vielfältigen Möglichkeiten des Einsatzes der Symbolhandlungen zeigt: Chosrau befindet sich in Begleitung des römischen Gesandten Anastasios, der zur Verhinderung des Krieges zu ihm geschickt worden war,29 und den er offenbar nicht entließ, damit er nicht in Konstantinopel Bericht erstatten und so das Überraschungsmoment des persischen Einfalls zunichte machen konnte. Als Chosrau gegen die Stadt Sura vorgeht, die sich ihm nicht unterwirft, und der römische Befehlshaber gefallen ist, wollen die Surener um Gnade bitte. Sie machen Chosrau ein Angebot.30 Chosrau aber grollte den Surenern, weil sie ihn als erste von allen Römern, auf die er getroffen sei, nicht freiwillig in ihre Stadt aufgenommen, sondern sogar die Hand gegen ihn zu erheben und eine große Zahl angesehener Perser zu töten gewagt hätten. Doch ließ er seinen Zorn nicht offen merken, sondern verbarg ihn sorgfältig hinter seiner Miene, um durch Bestrafung der Surener den Römern als furchtbar und unbezwinglich zu erscheinen. Auf diese
29 Prok. Bell. 2,4,14–26. 30 Prok. Bell. 2,5,8–13.
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18 Methoden VII Weise hoffte er nämlich, dass sich ihm alle, auf die er stoße, jederzeit sofort unterwerfen würden.31
Mit List nimmt er die Stadt ein. Sofort ließ Chosrau in seinem Zorn die Häuser plündern; viele Einwohner wurden niedergemetzelt, alle übrigen zu Sklaven gemacht und die gesamte Stadt bis auf den Boden niedergebrannt. Jetzt entließ er den Anastasios nach Hause: Er solle dem Kaiser Justinian berichten, an welcher Stelle er Chosrau, den Sohn des Kawadh, verlassen habe.32
Hier bedient sich Chosrau wiederum einer Symbolhandlung. Er gibt Anastasios keinen Auftrag, Justinian eine wörtliche Botschaft oder einen Brief zu übermitteln, sondern lediglich, die Lage zu schildern. Er erhofft sich offenbar von dem die Schrecken schildernden Augenzeugenbericht des Diplomaten gegenüber Justinian eine stärkere Wirkung als von einem bloßen Schreiben.33 Es soll deutlicher werden, wie ernst die Lage und wie entschlossen Chosrau ist. Auch die Betonung der Stelle, an der Chosrau steht, soll zeigen, dass und wo er sich im Imperium befindet. So kann sich Chosrau auch keine Übertreibung vorwerfen lassen – er hat sich durch das Festhalten des Anastasios einen glaubwürdigen römischen Zeugen gesichert, der seine Taten belegen kann. Er muss keine Propaganda über den Umfang seiner Taten betreiben, da Anstasios diese glaubwürdiger als jede persische Verlautbarung wiedergeben wird. Justinian muss verstanden haben, was ihm Chosrau mit der Entsendung des Diplomaten sagen wollte und der Bericht des Anastasios dürfte seine Wirkung nicht verfehlt haben.34 Wiederum wird der verstärkende Einsatz der Symbolhandlung gegenüber einer bloßen Nachricht nach Art eines literarischen Stilmittels deutlich. Eine andere Symbolhandlung Chosraus schildert Prokop, deutlich wertend, nach der Einnahme Antiochias:
31 Prok. Bell. 2,5,14f. (Übers. Nach Veh): Χοσρόης δὲ Σουρηνοῖς µὲν χαλεπῶς εἶχεν, ὅτι δὴ αὐτῷ πρῶτοι περιπεπτωκότες Ῥωµαίων ἁπάντων οὔτε τῇ πόλει ἐδέξαντο ἐθελούσιοι, ἀλλὰ καὶ ἀνταίρειν οἱ ὅπλα τολµήσαντες πολύν τινα δοκίµων Περσῶν ὅµιλον ἔκτειναν. τὴν µέντοι ὀργὴν οὐκ ἐξήνεγκεν, ἀλλ̓ ὑπὸ τῷ προσώπῳ ἀκριβῶς ἔκρυψεν, ὅπως τὴν κόλασιν ἐς Σουρηνοὺς ποιησάµενος φοβερόν τε Ῥωµαίοις αὑτὸν καὶ ἄµαχόν τινα καταστήσηται. οὕτω γάρ οἱ προσχωρήσειν οὐδενὶ πόνῳ ὑπετόπαζε τοὺς ἐν ποσὶν ἀεὶ γενησοµένους. 32 Prok. Bell. 2,5,26f. (Übers. nach Veh): εὐθὺς µὲν οὖν θυµῷ ὁ Χοσρόης ἐχόµενος τάς τε οἰκίας ἐληίσατο καὶ τῶν ἀνθρώπων πολλοὺς µὲν κτείνας, τοὺς δὲ λοιποὺς ἅπαντας ἐν ἀνδραπόδων ποιησάµενος λόγῳ πυρπολήσας τε ξύµπασαν τὴν πόλιν ἐς ἔδαφος καθεῖλεν. οὕτω τε τὸν Ἀναστάσιον ἀπεπέµψατο, Ἰουστινιανῷ βασιλεῖ ἀπαγγέλλειν κελεύσας ὅπῃ ποτὲ γῆς Χοσρόην τὸν Καβάδου ἀπολιπὼν εἴη. 33 Percy 1921, 451, sieht Chosraus grausame Behandlung der Städte vor Antiochia direkt mit dem Zweck verbunden, Schrecken zu verbreiten. 34 Bei Prok. Bell. 2,6,9 wird berichtet, Justinian sei sehr beunruhigt gewesen, als er Nachricht von dem persischen Angriff erhalten habe. Es dürfte sich aber in diesem Fall nicht um den Bericht des Anastasios gehandelt haben, da dieser schließlich zu Beginn des Angriffs eine Weile bei Chosrau festgehalten wurde und die Neuigkeiten daher auf anderen Wegen schneller nach Konstantinopel gekommen sein werden.
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Dieser Mensch überlistete ebenso die Einwohner von Sura, die ihm vorher nicht das Mindeste zuleide getan hatten, und stürzte sie auf die erwähnte Art ins Unglück, wie er auch bei folgender Gelegenheit seinen Charakter zu erkennen gab: Bei Einnahme der Stadt sah er nämlich, dass eine schöne und vornehme Frau von einem Barbaren mir roher Gewalt an der linken Hand fortgeschleppt wurde, ihr kleines, eben der Mutterbrust entwöhntes Kind aber nicht loslassen wollte, sondern mit der anderen Hand hinter sich herschleifte – das Kleine war bei dem gewaltsamen Lauf nicht mitgekommen und zu Boden gestürzt. Da soll, wie man erzählt, Chosrau – natürlich nur zum Schein – in Klagen ausgebrochen sein, und indem er sich den eben Anwesenden, darunter auch dem Gesandten Anastasios, wie zu Tränen gerührt zeigte, feierlich zu Gott gefleht haben, er möge den Schuldigen an diesem Unglück bestrafen. Er wollte damit auf den römischen Kaiser Justinian anspielen, wiewohl er genau wusste, dass er die Hauptschuld an allem trage.35
Als Quelle Prokops erscheint hier Anastasios oder dessen Bericht – denn es handelt sich nach Prokops Aussage um eine umgehende Anekdote; und warum sollte er den bereits bekannten Anastasios, den er an dieser Stelle nichts sagen oder anderweitig agieren lässt, erwähnen, wenn nicht, um ihn als Gewährsmann anzuführen? Ob und wie Chosrau sich verstellte, kann Prokop nicht gewusst haben, es ist eine Interpretation im Sinne seiner Intention. Unabhängig davon ist aber der symbolische Charakter deutlich: In Anwesenheit mindestens eines ihm bekannten Gesandten klagt Chosrau den Urheber der aktuellen Übel an; offenkundig, damit dieser Akt über den Gesandten Justinian erreicht. Prokop versteht den Akt als gegen Justinian gerichtet und als Zeitgenossen und Kenner des römisch-persischen Verhältnisses ist ihm dahingehend Glauben zu schenken. Chosrau klagt also im Angesicht einer einprägsamen Schreckensszene des Krieges, Gott möge den Übeltäter Justinian bestrafen. Dies könnte er ihm schwerlich direkt sagen, da dies zu unlösbaren religiösen Anschuldigungen führen würde, die gemäß der üblichen religiösen Neutralität der beiden Seiten vermieden wurden. So sendet Chosrau seine Nachricht über das Mittel der Symbolhandlung an Justinian: Er redet nicht direkt mit ihm, sondern wendet sich an Gott, aber für die Gesandten sicht- und hörbar, damit diese die Szene in Konstantinopel berichten. Chosrau will sagen, dass Justinian im Unrecht ist und nachdenken sollte, ob die göttlichen Mächte, nicht zuletzt jene des Rechts, wirklich mit ihm sind. Er solle im Angesicht der Schrecken des Krieges umdenken und Chosrau Zugeständnisse machen. Das wird der Eindrücklichkeit wegen mit Emotiona35 Prok. Bell. 2,9,9–11 (Übers. nach Veh): ὃς καὶ Σουρηνοὺς, πρότερον οὐδὲν τὸ παράπαν ἠδικηκότας, δόλῳ τε περιελθὼν καὶ τρόπῳ ἀπολέσας τῷ εἰρηµένῳ, ἐπειδὴ γυναῖκα κοσµίαν τε καὶ οὐκ ἀφανῆ ἁλισκοµένης τῆς πόλεως εἶδεν ἐκ χειρὸς µὲν τῆς ἀριστερᾶς πρός του τῶν βαρβάρων ἑλκοµένην ξὺν πολλῇ βίᾳ, παιδίον δὲ, ὅπερ αὐτῇ ἄρτι τοῦ τιτθοῦ ἀπαλλαγὲν, ἀφεῖναι µὲν οὐ βουλοµένην, ἕλκουσαν δὲ θατέρᾳ χειρὶ ἐµπεπτωκὸς εἰς τὸ ἔδαφος, ἐπεί οἱ ξυντρέχειν οὐχ οἷόν τε ἦν τοῦτον δὴ τὸν βίαιον δρόµον, τὸν οἰκεῖον κἀνταῦθα ἐνδέδεικται τρόπον. φασὶ γὰρ αὐτὸν στενάξαντα δῆθεν τῷ λόγῳ, δόκησίν τε ὡς εἴη δεδακρυµένος παρεχόµενον τοῖς τότε παροῦσιν ἄλλοις τε καὶ Ἀναστασίῳ τῷ πρεσβευτῇ, εὔξασθαι τὸν θεὸν τίσασθαι τὸν τῶν γεγονότων κακῶν αἴτιον. Ἰουστινιανὸν δὲ τὸν Ῥωµαίων αὐτοκράτορα παραδηλοῦν ἤθελεν, ἐξεπιστάµενος ὅτι δὴ αὐτὸς αἰτιώτατος ἁπάντων εἴη.
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lität verbunden, indem die Verschleppung von Frau und Kind zur Botschaft gehört. Wenn die Gesandten die Szene wiedergeben, müssen sie zwangsläufig auch diesen vermeintlichen Grund für Chosraus Klage berichten. Chosrau will, dass Justinian die Schrecken des Krieges nahegehen und er von ihnen und dem Umstand, dass Gott nicht mit Justinian sein kann, wenn er so etwas zulässt, zu einem Entgegenkommen gegenüber Chosrau bewegt wird. Chosrau muss einfach im Recht sein, wenn Gott die Römer so straft, daher auch die Anrufung des Göttlichen. Und wenn Justinian jetzt nicht einlenkt, da dies offenkundig geworden ist, kann es gut sein, dass Gott Chosrau erhören und auch Justinian selbst strafen wird. Das ist wohl Gegenstand dieser geradezu multisensorischen Botschaft, da die Szene des Hintergrundes, die Rührung Chosraus, seine Gesten und seine Worte alle zu einem Gesamtbild verschmelzen, das mit Bedeutung aufgeladen und den Gesandten mitgegeben wird. Auch das Niederbrennen der Stadt Antiochia nach Versklavung ihrer Einwohner und persischer Plünderung muss als Symbol konzipiert sein.36 Einen rationalen strategischen Grund kann es dafür kaum geben, denn militärisch war die Stadt bisher kein Hindernis und hatte auch keine das Sasanidenreich gefährdende Lage. Chosrau hat überhaupt keinen wirtschaftlichen oder finanziellen Nutzen davon, Antiochia in Brand zu setzen, wohl aber einen symbolischen: Der Feuerschein der Stadt ist das im wahrsten Sinne des Wortes flammende Zeichen des persischen Erfolges. Chosrau hat gesiegt. Er kann ins Imperium ziehen, eine der wichtigsten Städte des Imperiums ihrer Menschen berauben, plündern, und vernichten. Niemand hält ihn auf. Justinian hat versagt. Der Nutzen ist nur symbolisch, aber auch dies ist ein mächtiges politisches Kapital. Das Symbol ist in der Diplomatie nicht schwächer als die Materie. Und welche mächtigere Symbolhandlung als das Niederbrennen Antiochias könnte man sich vorstellen? Es steht außer Frage, dass Chosrau mit dieser Handlung seine Gunst bei der römischen Zivilbevölkerung nicht nur der Gegend um Antiochia verspielt hat, aber er befindet sich sowieso am Ende seines Feldzuges. Weiter muss er nicht vordringen. Er hat seine Position gegenüber Justinian mächtig gestärkt und seine Kraft demonstriert, nicht zuletzt in einer gewaltigen Symbolhandlung. Die brennende Stadt ist das Feuerzeichen der Stärke Chosraus, das weit in die römische Welt hinausstrahlt. Den besonderen Charakter des Sieges hielt Chosrau auch mit künstlerischen Mitteln fest, indem er ihn in seinem Thronsaal in Ktesiphon in einem Wandgemälde oder Mosaik verewigen ließ, das wohl nicht nur für ein persisches Publikum, sondern auch fremde Würdenträger, die in der Audienz erschienen, gedacht war.37
36 Prok. Bell. 2,9,14–18. 37 Dies ist in Form einer lyrischen Ekphrasis in einem Gedicht des abbasidischen Dichters Buḥtūrī aus dem 9. Jahrhundert überliefert, der die Darstellung noch sehen konnte, Shahid 1995, 235f. Greatrex/Lieu 2002, 107, weisen auch auf die Parallele zu Prok. Aed. 1,10,11–16
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In folgenden Abschnitten des Prokopischen Geschichtswerkes wird gezeigt, wie Chosrau nach Verhandlungen mit den Gesandten, in denen die realpolitischen Gegebenheiten geregelt werden,38 diese generelle Botschaft mittels weiterer Symbolhandlungen gegenüber dem Kaiser und der Öffentlichkeit beider Reiche ausdifferenziert. Es lassen sich folgende Taten als besonders eigentümlich – und daher wohl symbolisch aufgeladen – verstehen: 1. Chosrau begibt sich nach Seleukeia.39 Da er dort keine römische Besatzung vorfand, tat er den Einwohnern nichts zuleide; er badete lediglich allein im Meer, brachte der Sonne und wem er sonst von den Göttern wollte, unter häufigen Anrufungen Opfer dar und zog sich dann wieder zurück.40
2. Er wünscht nach seiner Rückkehr in die Nähe Antiochias, die Stadt Apameia zu besichtigen. Die Gesandten gestatten dies unter der Auflage, dass Chosrau die Stadt zu keinem anderen Zweck besuchen und kein Geschenk über tausend Litren Silber annehmen würde. Prokop unterstellt Chosrau eine Plünderungsabsicht.41 3. Er besichtigt in der Vorstadt Daphne den heiligen Hain und die Quellen und opfert den Nymphen.42 4. Es kommt zu einem Zwischenfall. Ein mit Chosrau befreundeter Perser verfolgt bei der Kirche des hl. Michael den Antiochener Aeimachos. Dieser tötet den Perser und nimmt dessen Waffen, Rüstung und Pferd an sich. Chosrau erfährt davon und befiehlt, die Kirche des Erzengels niederzubrennen. In Daphne glauben die Leute aus dem Gefolge des Chosrau, es sei die Kirche des hl. Michael in Daphne gemeint und brennen sie daher nieder; gemeint war aber eine andere.43 5. Chosrau besucht mit seinem Heer Apameia, wo sich ein großer Splitter des wahren Kreuzes in einem wertvollen Reliquiar befindet. Das Volk hat Angst vor Chosrau und bittet den Bischof Thomas, ihnen zum vielleicht letzten Mal die Reliquie zu zeigen. Diese erstrahlt auf wundersame Weise. Dies gibt dem Volk neue Hoffnung. Thomas begibt sich zu Chosrau und erklärt auf dessen Frage hin, keinen Widerstand leisten zu wollen. Thomas kommt Chosraus Bitte um Aufnahme mit einer Einladung entgegen und der König betritt mit 200 vornehmen Persern die Stadt. Dort hält sich Chosrau nicht an die Abmachung mit den Gesandten und fordert 11.000 Stathmen Silber sowie alle Kleinodien. Dass er es dabei bewenden ließ, verbindet Prokop mit göttlichem Eingreifen. Er nimmt das Reliquiar des
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hin, da erwähnt wird, dass Justinian Belisars Siege auf einem Mosaik in der Chalke in Konstantinopel darstellen ließ; Merrills/Miles 2010, 233. Prok. Bell. 2,10,10–24. Prok. Bell. 2,11,1. Prok. Bell. 2,11,1 (Übers. nach Veh): […] ἐνταῦθά τε Ῥωµαίων οὐδένα οὔτε εὑρὼν οὔτε λυµηνάµενος ἀπελούσατο µὲν ἐκ τῆς θαλάσσης τῷ ὕδατι µόνος, θύσας τε τῷ ἡλίῳ καὶ οἷστισιν ἄλλοις ἐβούλετο, πολλά τε ἐπιθειάσας ὀπίσω ἀπήλαυνεν. Prok. Bell. 2,11,1–4. Prok. Bell. 2,11,4–6. Prok. Bell. 2,11,6–13.
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Kreuzpartikels an sich, überlässt die Reliquie selbst aber auf dessen Wunsch hin dem Bischof Thomas.44 6. Anschließend kommt es zu der eindrucksvollen Hippodrom-Episode: Danach veranlasste er aus brennendem Ehrgeiz, dass sich das Volk in die Rennbahn hinaufbegab und die Rennfahrer ihre gewohnten Spiele abhielten. Und er stieg dort auch selbst empor und legte Wert darauf, sich die Darbietungen als Zuschauer zu betrachten. Da er schon lange zuvor gehört hatte, dass Kaiser Justinian die Farbe der Venetoi, das Blau, außerordentlich schätzte, wollte er auch hier den entgegengesetzten Weg einschlagen und den Grünen den Sieg verschaffen. Als nun die Rennfahrer von den Schranken aus starteten, wollte es der Zufall, dass der Blaue überholte und die Führung übernahm. Ihm folgte in der nämlichen Wagenspur der Grüne. Chosrau aber meinte, dies sei absichtlich geschehen, er wurde ungehalten und schrie unter Drohungen, der Kaiser sei unberechtigterweise den anderen zuvorgekommen. Hierauf ließ er die vornweg laufenden Pferde anhalten, damit sie weiterhin nur noch auf dem hinteren Platze kämpften, und so gewann, nachdem sein Befehl ausgeführt war, Chosrau mit der grünen Partei scheinbar den Sieg. Da trat ein Einwohner von Apameia vor den König und beklagte sich, ein Perser sei in sein Haus eingedrungen und habe seiner Tochter, einer Jungfrau, Gewalt angetan. Diese Anzeige versetzte Chosrau in glühenden Zorn; sofort ließ er den Mann herbeiholen und befahl, als er zur Stelle war, seine Aufpfählung im Lager. Doch das Volk, das davon erfuhr, erhob mit aller Kraft ein riesiges Geschrei und bat den Schuldigen vom Zorne des Königs frei. Chosrau versprach den Leuten auch seine Begnadigung, doch ließ er ihn bald danach heimlich aufpfählen. Nach solchen Taten trat er mit dem ganzen Heer den Rückmarsch an.45
Die einzelnen Episoden lassen sich – wenn auch mit Querverbindungen – vor dem Hintergrund der Symbolhandlungen nacheinander untersuchen. 1. Zunächst ist das Bad Chosraus im Meer, verbunden mit Opfern, eigentümlich. Es ist anzunehmen, dass es sich hierbei um eine symbolisch aufgeladene
44 Prok. Bell. 2,11,14–30. 45 Prok. Bell. 2,11,31–38 (Übers. nach Veh): µετὰ δὲ φιλοτιµίᾳ πολλῇ χρώµενος τόν τε δῆµον ἐς τὸ ἱπποδρόµιον ἀναβαίνειν ἐκέλευε καὶ τοὺς ἡνιόχους ἀγωνίζεσθαι τὰ εἰωθότα σφίσιν. οὗ δὴ καὶ αὐτὸς ἀναβὰς θεατὴς γενέσθαι τῶν ποιουµένων ἐν σπουδῇ ἐποιεῖτο. ἐπεὶ δὲ ἠκηκόει πολλῷ πρότερον Ἰουστινιανὸν βασιλέα χρώµατος τοῦ Βενέτου, ὃ δὴ κυάνεόν ἐστιν, ἐκτόπως ἐρᾶν, ἀπ̓ ἐναντίας αὐτῷ κἀνταῦθα ἰέναι βουλόµενος ἤθελε τῷ πρασίνῳ τὴν νίκην ἁρµόσαι. οἱ µὲν οὖν ἡνίοχοι ἀπὸ βαλβίδων ἀρξάµενοι ἔργου εἴχοντο, τύχη δέ τις τῷ τὰ Βένετα ἐνδιδυσκοµένῳ ἐγένετο παρελάσαντι ἐπίπροσθεν ἰέναι. εἵπετο δὲ αὐτῷ κατὰ τὰς αὐτὰς ἁµατροχιὰς ὁ τὸ πράσινον ἀµπεχόµενος χρῶµα. ὅπερ ἐξεπίτηδες ὁ Χοσρόης γεγονέναι οἰόµενος ἠγανάκτει τε καὶ ξὺν ἀπειλῇ ἀνεβόα τὸν Καίσαρα προτερῆσαι τῶν ἄλλων οὐ δέον, ἐκέλευέ τε τοὺς προτέρους ἰόντας ἵππους ἐπέχεσθαι, ὅπως τὸ λοιπὸν κατόπισθεν γενόµενοι ἀγωνίζωνται· ὅπερ ἐπειδὴ οὕτως ἐπέπρακτο ὥσπερ ἐκεῖνος ἐκέλευε, νικᾶν οὕτως ὅ τε Χοσρόης καὶ µέρος τὸ πράσινον ἔδοξεν. ἐνταῦθα τῶν τις Ἀπαµέων Χοσρόῃ ἐς ὄψιν ἥκων ᾐτιᾶτο Πέρσην ἄνδρα ἐς τὴν οἰκίαν τὴν αὐτοῦ ἀναβάντα τὴν παῖδα οὖσαν παρθένον βιάζεσθαι. ὁ δὲ ταῦτα ἀκούσας καὶ τῷ θυµῷ ζέων ἄγεσθαι τὸν ἄνδρα ἐκέλευε. καὶ ἐπεὶ παρῆν ἤδη, ἀνασκολοπισθῆναι αὐτὸν ἐν τῷ στρατοπέδῳ ἐπέστελλε. γνοὺς δὲ ὁ δῆµος παντὶ σθένει ἀνέκραγον ἐξαίσιον οἷον, πρὸς τῆς τοῦ βασιλέως ὀργῆς τὸν ἄνθρωπον ἐξαιτούµενοι. Χοσρόης δὲ ὡµολόγησε µὲν αὐτοῖς τὸν ἄνδρα ἀφήσειν, λάθρα δὲ ἀνεσκολόπισεν οὐ πολλῷ ὕστερον. ταῦτα µὲν οὖν τῇδε διαπεπραγµένος παντὶ τῷ στρατῷ ὀπίσω ἀπήλαυνεν.
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Demonstration des bisherigen Erfolges handelt:46 Chosrau hat das römische Reich durchzogen, bis er ans Meer gelangt ist und somit erst einmal nicht mehr nach Westen weiterziehen kann. Kein damals lebender Mensch hatte erlebt, dass ein Großkönig das Mittelmeer erreicht hatte. Letztmals war Schapur I. so weit ins Imperium eingefallen. Chosrau taucht den symbolisch aufgeladenen königlichen Körper in ein Gewässer, dass die Römer als mare nostrum, als ihren persönlichen Transport- und Handelsraum verstehen und das die Hauptschlagader ihres Reiches darstellt. Das mag vielfältige kulturelle Konnotationen gehabt haben, über die sich aber nur spekulieren lässt: Vielleicht injiziert er symbolisch etwas von seinem Wesen in das den Persern an sich fremde Gewässer und demonstriert somit, dass er es sich zu eigen macht. Wenn es sich wirklich um ein Bad gehandelt haben soll – also samt Bewegung und Reinigung im Meer statt nur kurz einzutauchen – könnte das auch die Aussage bedeuten, dass die Lebensader des Imperiums, von der seine Existenz entscheidend abhängt, Chosrau gerade einmal zum Bade genug ist. Dass der Akt mit einem Opfer verbunden ist, deutet auch an, dass Chosrau den Göttern dafür danken möchte, so weit gekommen zu sein. Da die Verhandlungen bereits geführt sind, steht er am Ende seines Feldzuges und das Eintauchen im Meer ist die nach allen Seiten gerichtete Demonstration eines krönenden Abschlusses: Er ist bis ans Ende des Kontinents gekommen. Wie ein ost-westlicher Alexander auf der Suche nach dem Ende der Welt hat er das Meer erreicht, das den Weltteil begrenzt, auf dem sich sein Reich befindet. Der Akt ist auf globaler, welthistorischer, kosmischer Ebene ein dramatischerer und eindrucksvollerer Abschluss des Feldzuges als die Vernichtung Antiochias. Wiederum handelt es sich ausschließlich um einen symbolischen Akt, es lässt sich kein unmittelbarer materieller Vorteil daraus ziehen, aber das ist charakteristisch für die angewandte diplomatische Methode. Chosrau zeigt auch: wenn er wollte, würde ihm jetzt das Reich offenstehen, denn auch die fernsten Gebiete des Imperiums ließen sich nun leicht zu Schiff erreichen. Er hat den Kern des Imperiums erreicht. Er hat in sein Herz gestochen. Diese Demonstration muss für Perser wie Römer verständlich gewesen sein, denn nicht zuletzt Prokop schildert sie weder mit Verwundern noch von Erklärungen begleitet.47 46 Bei Börm 2006, 310, wird angenommen, durch die rituelle Waschung melde Chosrau nach altorientalischem Brauch Besitzansprüche an dem von ihm bezwungenen Land an, aber auch angemerkt, dass dies die Möglichkeit der Sasaniden zur Rezeption alter mesopotamischer Traditionen zur Voraussetzung hat; vgl. Börm 2007, 291. 47 Börm 2006, 310: „In jedem Fall muß der König damit gerechnet haben, daß die Geste allgemein verstanden werden würde: Der symbolische Gehalt der Handlung lag wohl auf der Hand, unabhängig davon, ob man an altorientalische Vorläufer dachte oder nicht.“ Er mutmaßt ebd. 310f. weiter, dass vielleicht einige Römer sie nicht verstanden haben, andere sie aber durchaus verstanden zu haben scheinen. Bezüglich der religiösen Seite der Opfer des Chosrau lässt sich an eine Form des āb-zōhr denken, da es offenbar zoroastrischer Brauch war, vor einer Schlacht am nächstliegenden Gewässer ein Reinigungsritual der Verschmutzung eben dieses Wassers wegen durchzuführen. Es kann auch als Entschuldigung für eine eigene Verschmutzung des Wassers oder eine solche durch Verstorbene erfolgen, Boyce
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2./3. Die Frage Chosraus an die Gesandten, ob er Apameia besuchen dürfe, ist keine leere Höflichkeitsformel, sondern diplomatische Notwendigkeit. Denn die gewaltlose Rückkehr in sein eigenes Reich hängt davon ab, dass sich die Gesandten an die Abmachungen halten. Wenn sie wollten, könnten sie den gesamten Vorgang sabotieren und Chosraus Rückzug gefährden. Er befindet sich immer noch tief im Feindesland. Es ist davon ausgehen, dass die Gesandten Chosraus Wünsche bewilligen werden, da sie sich in seiner Gewalt befinden, aber sie haben theoretisch auch andere Handlungsoptionen. Wenn es keine Diplomatie gibt, wird es zum Kampf kommen, Diplomaten haben also durchaus eine erhebliche Macht. Was Chosrau mit dem Besuch Apameias – jenseits der Unterstellung, einzig und allein der Schätze wegen diesen Ort besuchen zu wollen – bezwecken wollte, ist wiederum schwer zu sagen, aber es lässt sich mutmaßen, dass er sich mit diesem Akt als kulturell interessiert und aufgeschlossen gegenüber römischen Dingen darstellen will. Zudem zeigt sich eine gewisse Analogie zum Besuch Daphnes in religiösen Angelegenheiten: In Daphne opfert er den Nymphen, zeigt also Respekt gegenüber paganer Religion, in Apameia verschont er die Reliquie, zeigt also Respekt gegenüber dem Christentum. Daphne ist eine bedeutende pagane Stätte, Apameia des Kreuzes wegen eine berühmte christliche. Chosrau besucht beide und zeigt seine Vertrautheit mit römischer spätantiker Kultur, die sich aus paganen und christlichen Elementen gebildet hat. Der Großkönig projiziert hier gegenüber der römischen Seite nicht, wie oftmals gegenüber der persischen – das Bild des unbezwinglichen und gerechten altorientalischen Herrschers, sondern das eines mediterranen Weltbürgers, der sich kulturell auch im Imperium souverän und weltmännisch zu geben weiß. Dies passt zu seinen folgenden Akten im Hippodrom von Apameia, da sich zeigen wird, dass er hier vor römischen Augen direkt mit dem Kaiser in Konkurrenz treten will.48 Er demonstriert im Angesicht der Öffentlichkeit, dass er durchaus kein Barbar ist, wie Prokop die Perser prinzipiell betitelt. Er vermag die römische Kultur- und Religionslandschaft zu lesen. Diese Vielgestaltigkeit der Projektionsmöglichkeiten Chosraus gegenüber der römischen Seite – mal ist er unbezwingbarer altorientalischer Herrscher, mal kulturell interessierter Reisender, mal geradezu Alternative zum nach religiöser Uniformität strebenden Kaiser, mal zeigt er Neigung zum Paganen, mal zum Christlichen – demonstriert, dass Chosrau als Herrscher über ein Weltreich und aktuell auch als Akteur im Imperium bestrebt ist, allen alles zu sein, also um Akzeptanz bei verschiedenen Gruppen wirbt. Der Kaiser hat sich auf die Unterstützung einer Konfession festgelegt, Chosrau dagegen kann nicht nur für Zoroastrier, Juden und persische Christen seines Reiches, sondern auch für Orthodoxe und sogar Pagane sorgen. Dieses Vorgehen entspricht ziemlich genau moderner public diplomacy, bei der es darum geht, sich direkt bei der Öffentlichkeit eines anderen Landes 1985a, 48–50; vgl. Boyce 1992a, 693–700. Der Akt des Badens an sich ist dabei durchaus etwas, dem die Wassergottheiten zumindest nicht entgegengesetzt sind, vgl. Boyce 1985b, 58. 48 Canepa 2018, 68; vgl. Payne 2013, 21f.
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beliebt zu machen. Symbolhandlungen nach Art Chosraus sind dafür ein geeignetes Mittel. 4. Trotz seiner Abneigung gegenüber Chosrau behauptet Prokop nicht etwa, Chosrau habe in Daphne nach seinem paganen Opfer die Kirche des hl. Michael niederbrennen lassen, um zu zeigen, dass er gegen das Christentum und für pagane Religion eintritt,49 sondern stellt klar heraus, dass es sich um ein Missverständnis handelt. Es ist aber durchaus vorstellbar, dass die Öffentlichkeit dies nicht so wahrgenommen hat, sondern vielmehr den Eindruck gewann, Chosrau wolle hier religiös Stellung beziehen. Das wäre ein Fall verfehlter Symbolhandlung, da eine Handlung, die gar kein Symbol sein soll, da es sich um einen Unfall handelt, als solches gedeutet wird. Dies ist bei Handlungen eines Herrschers, der immer im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit seiner Umgebung steht, zumindest gelegentlich schwer zu vermeiden. Der Befehl zum Niederbrennen der anderen Kirche des Erzengels dürfte weit mehr ein Akt für die persische als für die römische Umgebung des Großkönigs sein, da der Umstand, dass es dem unbewaffneten Aeimachos zu Fuß gelungen war, einen gepanzerten persischen Krieger mit nichts als einem Stein zu bezwingen, an ein Wunder grenzt, für das offenbar in der nächsten kultischen Einrichtung, der Kirche des hl. Michael, die Ursache zu suchen ist. Chosrau – der kein Christ war und daher ein eigenes Verständnis wundersamer Ereignisse hatte – kann dieses Wunder aber nicht gutheißen und muss demonstrieren, dass er stärker als die Macht dieser wunderwirkenden Kirche ist, indem er sie niederbrennt. Daraus spricht magisches Denken.50 Er muss seine Autorität hochhalten und kann nicht zulassen, dass vielleicht im persischen Heer davon ausgegangen wird, dies könnte die Stärke des Christentums nach Art eines Kampfes David gegen Goliath beweisen. Daher bedient er sich magischer Mittel, die wohl dem von Volksglauben geprägten Denken des persischen Heeres nahe stehen, um die Machtlosigkeit
49 Bei Börm 2006, 316f., wird angenommen, Chosrau habe eine Rolle als Schutzherr der heidnischen Altgläubigen angenommen. Damit habe er die Rolle des Kaisers als Schutzherr der Christen „gespiegelt“ und das sei als Signal an die persische Seite gedacht gewesen, da die Paganen im Imperium keine besondere Stütze mehr hätten bilden können. Römische Monophysiten hätte er nicht gut fördern können, da diese bereits in Persien ihre eigene Kirche hatten, ebd. 317, Anm. 63. Es wird edb. 323 angemerkt, dass Chosrau dabei kein prinzipieller Feind des Christentums gewesen sei. 50 Nicht im Sinne von Magiern als Begriff der zoroastrischen Priesterschaft, sondern der Naturreligionen und des Volksglaubens. Vyse 1999, 16: „Das magische Prinzip der Übertragung glaubt an eine fortdauernde Verbindung zwischen zwei Dingen, die irgendwann einmal Kontakt miteinander hatte.“ Otremba/Nigge 1989, 6: „Magisches Denken ist meist ein in sich kohärenter, streng kausaler Denkablauf. Dieser Denkablauf vollzieht sich meist im Sinne einer ‚Wenn-Dann-Beziehung‘.“
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der Kirche zu demonstrieren.51 Dass schlussendlich die falsche Kirche niedergebrannt wird, ist ein Zeugnis menschlichen Versagens. 5. In Apameia hält sich Chosrau nicht an die Abmachung, wobei sich der Hintergrund, bedingt durch Prokops einseitige Bewertung, nicht mehr ermitteln lässt.52 Da er vom Bischof eingeladen wird, ist anzunehmen, dass ihm auch Gastgeschenke zustanden, die eines Großkönigs würdig waren. Bemerkenswert ist, dass Prokop erwähnt, Chosrau habe viel Silber gefordert, aber nicht, ob dieses auch übergeben wurde. Er erwähnt nur, dass Chosrau die Kleinodien bekam. Es kann gut sein, dass Chosrau dies nicht als der Abmachung mit den Gesandten widersprechend wahrnahm, da in dieser ausschließlich von einer bestimmten Menge Silber die Rede war. Chosrau konnte sich nicht leisten, vom Bischof eine so große Summe zu fordern, wie Prokop ihm zuschreibt, und sie dann nicht zu bekommen, ohne sich bloßzustellen. Es macht eher den Eindruck, dass die gesamte Forderung Chosraus sich auf die Kleinodien bezieht. Es wäre, wie bereits festgestellt, für Chosrau unklug gewesen, offen gegen die Vereinbarung mit den Gesandten zu verstoßen, denn der Vertragsabschluss liegt schließlich auch in seinem Interesse. Denkbar ist auch, dass Chosrau seinen Sieg besonders auskosten wollte, indem er demonstrierte, dass er sich im römischen Land betragen könnte, als würde es ihm gehören. Das würde zumindest zu der folgenden Inszenierung als kaisergleiche Gestalt im Hippodrom passen, wobei die Forderung der Kleinodien an die persischen Gefolgsleute gerichtet wäre, die Inszenierung im Hippodrom aber besonders an die Römer. 6. Diese Episode ist die komplexeste und am schwierigsten verständliche unter den Symbolhandlungen Chosraus.53 Es lässt sich zumindest folgendes annehmen: Chosrau setzt sich hier an Stelle des Kaisers, denn dieser ist aktuell weder für diese Stadt noch die anderen von Chosrau durchzogenen Gebiete da.54 Er vollführt eine zutiefst kaiserliche Handlung, indem er als Herrscher ein Wagenrennen besucht und zudem in dessen Organisation eingreift.55 Damit macht er auch etwas zutiefst Römisches – für die Römer – 51 Börm 2006, 323, Anm. 80, geht umgekehrt davon aus, dass es sich beim Niederbrennen von Kirchen um eine Strafaktion an der römischen Bevölkerung gehandelt habe. Dies kann durchaus auch eine Rolle gespielt haben. 52 Ähnlich die Bewertung bei Evagr. hist. eccl. 4,26. 53 Laut Canepa 2009, 312, Anm. 67, ist die volle Signifikanz der Geste den modernen Interpreten bisher entgangen, so deutlich sie damals gewesen sein mag. 54 Börm 2006, 312, sieht diese Botschaft auch an die Perser gerichtet. 55 Cameron 1976, 182: „Even outside the Roman world, presidency of the Circus games was recognized as the most conspicuous symbol of its masterʼs power and glory.“ Zu Chosrau und vergleichbaren Szenen ebd. 182f. Bei Ioh. Mal. 15,8 wird der Samaritaneraufstand unter einem gewissen Justasas (wohl im Jahr 484) geschildert. Dieser hält in Caesarea Einzug und sieht sich ein Rennen an. Dies wird auch im Chron. Pasch. a. 484 berichtet. Im Samaritaneraufstand von 529 wird der Räuberhauptmann Julianos Sabaron gekrönt und nahm laut Ioh. Mal. 18,35 in Neapolis (Nablus) an einem Wagenrennen mit einer Schar Samaritaner als Zuschauer teil. Der christliche Wagenlenker Nikeas siegt vor den jüdischen und samaritanischen
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denn Wagenrennen sind der populäre römische Sport schlechthin.56 Es lässt sich annehmen, dass er nun in einer Symbolhandlung das Volk in seiner eigenen Sprache ansprechen und ihnen zeigen will, worum es bei dem aktuellen Krieg eigentlich geht. Es geht um Blaue (Römer unter Justinian – denn offenkundig ist es seine Farbe)57 gegen Grüne (Perser unter Chosrau). Die Blauen sind nach Chosraus Präsentation Betrüger, denn sie manipulieren einen guten Start herbei (wie Justinian im Frieden eine gute Position für den Krieg vorbereitete) und liegen daher vorn. Das sehen die römischen Zuschauer des Rennens (die uninformierte römische Öffentlichkeit) nicht, aber Chosrau öffnet ihnen durch Offenlegung dieses Betruges die Augen. Die Blauen haben Schuld: „der Kaiser sei unberechtigterKollegen, was der Usurpator als schlechtes Omen sieht und ihn deshalb enthaupten lässt. Als er besiegt wird, wird auch er enthauptet und sein Kopf Justinian geschickt. Hier ist eine deutliche Parallele zum Verhalten Chosraus zu erkennen. Diese Episode wird auch bei Johannes von Nikiu 93,4 berichtet; der zum König gekrönte Räuberhauptmann behauptet, Gott habe ihn gesandt, das Reich der Samaritaner wiederzuerrichten. Das Wagenrennen fehlt in der Version des Geschehens, die bei Euthychios von Alexandria 252 geboten wird. Zu diesem Aufstand Sartre 1982, 168–170; Meier 2004, 194f. Bei Amm. Marc. 14,11,12 hält der Caesar Constantius Gallus in Konstantiopel ein Wagenrennen ab und führt mit einem goldenen Kranz die Siegerehrung durch, als wäre seine Sache in Sicherheit. Das Wagenrennen ist hier ein Symbol für die Inszenierung einer sicheren innenpolitische Stellung; der Kaiser kann sich der Masse ohne Bedenken aussetzen. Laut Evagr. hist. eccl. 5,1 war es Brauch, dass sich ein Kaiser bei Regierungsantritt im Hippodrom in Konstantinopel zeigt, Petros Patrikios stellt in de Caer. 1,91, R 417 – 1,93, klar, dass dem zu seiner Zeit, bei Anastasios und Justin I. der Fall war, beim Regierungsantritt Leos I. sei es noch nicht so gewesen. Bei der Caesarerhebung Leos II. habe man bereits den Hippodrom in den Ablauf involviert, ebd. 1,94, R 431f. Justinian sei von den Vorgängern bei seiner Erhebung abgewichen, ebd. 1,95. Dass bei Ioh. Mal. 14,16 der praefectus praetorio et urbi Kyros mit Beifall bedacht wird, missfällt Theodosius II. und Kyros wird Opfer einer Intrige. Der Hippodrom war die Plattform für öffentliche Meinungen schlechthin und wer dort akklamiert wurde, hatte es nicht mehr weit bis zum Kaisertum. Man denke auch an die Usurpation während des Nikaaufstandes bei Prok. Bell. 1,24, das wohl prominenteste Beispiel. Zumindest laut Zos. hist. 1,61,1 hat sich bereits Kaiser Aurelian in Antiochia im Hippodrom gezeigt, als er gegen einen palmyrenischen Usurpator zog. Dies geschah wahrscheinlich, um den Antiochenern, die bei seiner Ankunft im Rahmen des Zuges gegen Zenobia aus Angst vor einer Bestrafung ihres Seitenwechsels wegen geflohen waren (ebd. 1,51), zu zeigen, dass sie nichts von ihm zu befürchten hätten. Auch hier erscheint der Hippodrom wieder als typische Bühne des Herrschers. Es fragt sich, ob gerade im Fall der Samaritaneraufstände deren Häupter tatsächlich Usurpationsbestrebungen oder ähnliche hohe politische Ambitionen hatten, oder nicht vielmehr deren Auftreten im Hippodrom erst zu der römischen Deutung führte, dass sie solche hätten. Auch westliche Könige wohnen Wagenrennen bei, so Totila bei Prok. Bell. 7,37,4 oder die Frankenkönige, die ihnen direkt vorstehen, ebd. 7,33,5; wobei Prokop letzteres ebd. 5f. unmittelbar in den Kontext der fränkischen Anmaßung setzt, Goldmünzen mit dem eigenen Bild schlagen zu lassen, also scheint auch für ihn der Vorsitz bei den Spielen etwas speziell Kaiserliches zu sein. Zu letzteren beiden Börm 2006, 311f. Zu den Samaritaneraufständen Crown 1989, 74–76. 56 Vgl. Whitby 1992, 257; Börm 2006, 311: Die Römer haben die Geste offenbar gut verstanden. 57 Vgl. Meier 2004, 319.
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weise den anderen zuvorgekommen“. Das wissen die Römer bisher nicht, aber Chosrau zeigt es ihnen. Das ist die Schlüsselstelle, um die Symbolhandlung verstehen zu können. Chosrau gibt offen eine Anleitung zur Deutung einer Metapher: Die Blauen stehen hier für Justinian. Chosrau stellt nun mit seinem Eingriff in das Rennen (mit seinem Krieg) nur das Recht wieder her: Er bremst die Blauen (Justinian) aus und sorgt für den Sieg der fairen grünen Partei (der Perser unter ihm selbst). Das ist zwar regelwidrig, schafft aber Gerechtigkeit. So ist auch sein Krieg rechtswidrig (er dürfte ihn nach Vertrag nicht führen), aber er schafft Recht, indem er ein früheres Unrecht wettmacht. Das ist die Art, mit der Chosrau die Frage, wer die Kriegsschuld trägt, für die römischen Zuschauer einprägsam präsentiert. Er benutzt ein Medium, das die Leute kennen, um es ihnen damit vor Augen zu führen. Er könnte verbal immer wieder beteuern, dass er keine Schuld am Krieg habe, aber wer würde ihm das – als einem Feind der Römer, der gerade die Stadt Antiochia niedergebrannt hat – schon glauben und wer überhaupt seine Argumente verstehen? Er spielt sein Anliegen den Zuschauern vor, indem er eine Sportmetapher im echten Leben umsetzt. Das Rennen ist also eine Art allegorisches Schauspiel für die Bevölkerung, mittels dessen sie sein Anliegen verstehen soll. Daher wird auch direkt gesagt, dass „der Kaiser“ zuvorgekommen sei, damit sie die Analogie verstehen. Chosrau hätte wahrscheinlich keinen solchen Aufwand getrieben, wenn nicht davon ausgegangen werden konnte, dass sein an ein ritualisiertes öffentliches Leben gewohntes Publikum ihn verstehen würde. Chosrau handelte klug und einfallsreich, indem er die Form des Wagenrennens nutzte, um darin eine neue Aussage anschaulich zu machen58 und sich Gehör bei den Römern zu verschaffen, das ihm im Fall einer bloßen Rede wohl nicht gegeben worden wäre. Es steht außer Frage, dass dieser Akt, sollte er den dargelegten Hintergrund gehabt haben, zudem weit eindrucksvoller und einprägsamer als eine Rede war. Public diplomacy muss anschaulich und beeindruckend sein. Die Behandlung des Vergewaltigungsvorwurfes musste erfolgen, da das Geschehen sonst geeignet gewesen wäre, Chosrau und generell die Perser bei der Bevölkerung noch stärker in Misskredit zu bringen.59 Wiederum passt der symbolische Gehalt, der Chosrau mit dem Kaiser in Verbindung bringt: Der Hippodrom ist der einzige Ort, an dem die Masse mit dem Kaiser in Kontakt treten kann. Aber eben nur als Masse. Chosrau dagegen hat ein offenes Ohr und spricht sofort Recht, auch im Einzelfall. Zudem zeigt er: Wenn das Volk mit diesem Spruch 58 Vgl. den Ausdruck bei Canepa 2010, 135: „[…] the Roman hippodrome at Apamea and the hippodrome games themselves became a Sasanian triumphal space and ritual, through Kosrow Iʼs appropriation of them.“ Börm 2006, 311, sieht die Handlungsweise Chosraus als eindeutige Machtdemonstration. 59 Laut Börm 2006, 313, habe Prokop bei der Schilderung des Komplexes um den Vergewaltiger Informationen unterschlagen, daher sei manches unklar. Seine folgenden Überlegungen gehen daher in eine andere Richtung als die in der vorliegenden Arbeit vertretenen, ebd. 314.
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nicht einverstanden ist, dann fügt er sich dem, geradezu im Sinne des alten senatus populusque Romanus, da auch das Volk ein entscheidender Akteur des römischen Gemeinwesens war. Chosrau demonstriert seinem Publikum, wie sich ein Kaiser zu verhalten hat.60 Trotz alledem ist geradezu selbstverständlich, dass er den Vergewaltiger dann doch hinrichten lässt: Er ist immer noch der Großkönig und seine Demonstration für die Römer ändert daran nichts, dass er als Großkönig in Ausübung seiner Rolle als Wahrer der Gerechtigkeit agieren muss und daher auch bestimmt, wer lebt und wer stirbt. Er muss den Täter hinrichten, da es eine persische Erwartung an den und kosmische Pflicht des Großkönigs ist, Recht wiederherzustellen – und im Militär schlicht Disziplin herrschen muss.61 Das widerspricht hier der Erwartung der Römer, denen er es auch Recht machen will. Da kollidieren die verschiedenen Rollen des Chosrau – eine gegenüber den Persern und eine gegenüber den Römern. Die wahrscheinlich daraus resultierende Bemühung, wenigstens die römische Seite nichts von der Hinrichtung wissen zu lassen – wie es Prokop mit der Schilderung andeutet, die Vollstreckung sei heimlich geschehen – ging offenbar nicht auf, denn sogar Prokop erfuhr davon. Eine letzte große Symbolhandlung des Feldzuges unterstellt Prokop Chosrau, indem er behauptet, dieser habe auf dem Rückweg ins Sasanidenreich Edessa erobern wollen, da diese Stadt laut der Abgarlegende durch den Schutz Christi un-
60 Laut Canepa 2009, 173, spricht Chosrau mit seinem Auftreten im Hippodrom eine ernsthafte Herausforderung an die Legitimität der Herrschaft Justinians aus; vgl. Börm 2006, 312. 61 Eine ziemlich ähnliche Szene präsentiert Prokop im Gotenkrieg, da er bei Prok. Bell. 7,8,12– 25, schildert, wie nach der Übergabe Neapels an die Goten ein Römer zu Totila kommt und einen Goten beschuldigt, seine Tochter vergewaltigt zu haben. Nach einem Geständnis des Täters lässt Totila diesen inhaftieren. Die vornehmen Goten wollen nicht, dass dieser Mann bestraft wird, da er als tapferer Krieger bekannt ist und bitten den König daher um seine Begnadigung. Prokop lässt daraufhin Totila eine Rede halten, in der er darlegt, dass er für den Erhalt des göttlichen Kriegsglücks kein Unrecht in seinem Heer dulden könne. Es nutze nichts, einen guten Krieger zu bewahren und die göttliche Gunst dabei zu verlieren, zumal niemand, der so verworfen sei, Kriegsglück haben könne. Die Adligen sehen das ein, der Mann wird hingerichtet und sein Vermögen fällt an das Opfer seiner Tat. Aber nicht nur Persern und Goten scheint ein solches Denken zumindest zugeschrieben worden zu sein, Agathias behauptet Ähnliches von Narses, da dieser bei Agath. hist. 2,7,2–7, erfährt, dass einer der wichtigsten Anführer der Heruler einen seiner Diener eines kleinen Vergehens wegen getötet hat und dieses Unrecht kurz vor einer Schlacht nicht ohne einen Sühneakt stehen lassen will. Der Heruler bereut sein Vergehen aber nicht, sondern behauptet, nach Belieben mit seinen Sklaven umgehen zu können. Daraufhin lässt ihn Narses auf der Stelle töten. Damit zieht er sich im Angesicht der kommenden Schlacht den Unmut anderer Heruler zu, die sich nun weigern, auszurücken. Ihre Furcht vor dem Vorwurf der Feigheit siegt aber und sie nehmen letztlich doch an den Kämpfen teil. Agathias vermittelt bei 2,7,5, dass Narses durch seine Handlungsweise eine so große Gewissheit des kommenden Sieges mit göttlicher Hilfe gewonnen hatte, dass er sogar riskierte, die Kooperation der Heruler zu verlieren. Dies erinnert an die Handlungsweise Totilas und ihre Begründung, wenn Agathias sich in der Episode nicht gar auf das Vorbild Prokops bezieht.
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einnehmbar sei.62 Wenn sich dies wirklich so verhalten sollte, wäre die Handlungsweise zumindest nachvollziehbar, da Chosrau so seinen großen und an symbolisch aufgeladenen Höhepunkten reichen Feldzug mit einem ebenso symbolischen Sieg über Christus hätte krönen können. Erst besiegt und übertrifft er Justinian in Antiochia, dann erreicht er in Seleukeia das Ende seines Weltteils und zum Abschluss erringt er einen Sieg gegen den Gott seiner Gegner. In Antiochia setzt er sich symbolisch an die erste Stelle der Sasanidenkönige, in Seleukeia zieht er mit den Kayaniden gleich und in Edessa übertrifft er sie alle. Es bleibt eine Unterstellung Prokops, aber es wäre im Rahmen des bisherigen denkbar, dass Chosrau auch dieses symbolische Kapital gewinnen wollte, um es in Zukunft einsetzen zu können, wenn es um christliche Angelegenheiten gehen würde. Beim vierten Einfall Chosraus, im Jahr 544, unterstellt Prokop ihm wiederum, Edessa des göttlichen Schutzes wegen anzugreifen.63 Im Nachgang des Feldzuges berichtet Prokop über die Gründung Chosroantiocheias.64 Auch hier ist der symbolische Aspekt deutlich: Chosrau demonstriert nicht zuletzt Justinian und der römischen Seite, dass er nicht nur eine der wichtigsten Städte des Imperiums zerstören und ihre Bevölkerung versklaven, sondern dieser Bevölkerung die Stadt auch im Sasanidenreich wieder aufbauen kann. Die „Versetzung“ einer Weltstadt ist für Chosrau kein Problem. Damit erfüllt er auf persischer Seite auch altorientalische Erwartungen, indem er Gefangene ansiedelt. Mit der Unterstellung der Gefangenen unter einzig seine Autorität vermittelt er zudem, dass er sich persönlich dem Schutz jener Leute widmen wird, die der Kaiser nicht zu schützen in der Lage war. Chosrau beweist auch Großmut und handelt geradezu vergilisch-römisch, da er gemäß des bekannten Diktums die Hochmütigen erst bestraft, dann aber die Unterwürfigen geschont hat.65 Die Gründung der Stadt bringt daneben auch materielle Vorteile, so den bekannten Umstand, dass vor allem Fachkräfte römischen Handwerks am Hof des Großkönigs für dessen Projekte gesucht wurden und mit der besonderen Erhebung der Stadt zu einem Fluchtort für entflohene Römer wurde auch dafür gesorgt, dass sie ihre Attraktivität für römischen Zuzug behielt.66 In Anbetracht all dieser Vor62 Prok. Bell. 2,12,6–34. 63 Prok. Bell. 2,26,1–4. Es besteht derzeit eine Debatte um die Datierung der römisch-persischen Geschehnisse 542–544 samt der Belagerung Edessas, siehe S. 230, Anm. 129 der vorliegenden Arbeit. 64 Prok. Bell. 2,14,1–4. Christensen 1944, 386; Lieu 1986, 499; Börm 2007, 172, 175f. Für die Gründlichkeit der Nachbildung Antiochias spricht auch das bei mehreren Autoren zu findende Detail, Chosrau habe vor der Vernichtung der Stadt Bildwerke und selbst Marmor von Gebäuden abnehmen lassen: Joh. Lyd. de mag. 3,54,216.14–22, auch Ps.-Dionys. Tel-Mahre II, 69.7–15; und Chr. a. 1234, 56, 192.29–193.10. 65 Verg. Aen. 6, 853. 66 Zu den Effekten von Deportationen nach Persien Metzler 1977, 213–259; Lieu 1986, 479; Jullien/Jullien 2002, 153–187; Morony 2004a, 189; Morony 2004b, 161–163; Hartmann 2007, 74–78; Daryaee 2010a, 408; McDonough 2011a, 302; Simpson 2017, 43; zu religiösen
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teile ist auch damit zu rechnen, dass Chosrau auf diese Weise unzufriedenes, aber ambitioniertes und fähiges Personal der verschiedenen Handwerke aus dem Imperium anziehen wollte, das sein Know-how mit ins Sasanidenreich bringen sollte. 18.4 RÖMISCHE SYMBOLHANDLUNGEN GEGENÜBER DEN LAZEN 556 Auf römischer Seite bezeugen die Quellen keine Reihe von Symbolhandlungen eines Kaisers, die sich in gleichem Maße verfolgen ließe wie die des Chosrau im Jahr 540, doch lässt Agathias zumindest die Komplexität ahnen, die auch auf der römischen Seite bei der Umsetzung von Symbolhandlungen zur Verfügung stand, da er im vierten Buch seines Geschichtswerkes den römischen Schauprozess des Jahres 556 um den Mord am Lazenkönigs Gubazes durch die römischen Feldherren Rustikos und Johannes ausführlich schildert.67 Offenkundig genoss der Jurist Konsequenzen Rist 1996, 20. Zum Phänomen der Deportationen siehe auch den Artikel Kettenhofen 2011. Es lässt sich mutmaßen, dass die Episode Agath. hist. 2,29–32, um den Arzt und (zumindest nach Meinung des Agathias) Pseudo-Philosophen und Hochstapler Uranios, der bei Chosrau zu großem Ansehen gelangte, einen ähnlichen Hintergrund hat. Die echten Philosophen, die zuvor zu ihm gereist waren, konnte er nicht halten, da sie ihm offenbar nicht nach dem Munde reden wollten und nicht bereit waren, seine Herrschaft philosophisch zu unterstützen oder gar für die griechisch-römische Welt als eine Art Idealherrschaft zu verklären, ebd. 2,30,3–2,31,2. Uranios scheint dahingehend weniger Skrupel (oder ein anderes philosophisches Verständnis) gehabt zu haben, ebd. 2,32,1f. Agathias erwähnt bei ebd. 2,31,3f., dass Chosrau gegenüber Justinian in den damaligen Vereinbarungen eines Waffenstillstandes (es handelt sich um die Bestimmungen des Ewigen Friedens 532) aber darauf bestanden habe, dass die zuvor erwähnten Philosophen wieder ins Imperium kommen und dort ungestört ihre pagane Religion ausüben könnten. Warum sollte er darauf Wert gelegt haben? Es ist vorstellbar, dass er damit eine Botschaft ins Imperium senden wollte, dass er ein Herrscher von philosophischem Verständnis mit großer Wertschätzung auch der griechischen Kultur sei, was nicht nur sein Bild unter den Intellektuellen des Imperiums in einem Akt der cultural diplomacy verändern konnte, sondern wiederum auch ein Ansporn für unzufriedene Denker im Imperium hätte gewesen sein könnte, ihr Glück in seinem Umfeld zu versuchen und ihr Wissen ins Sasanidenreich zu bringen. Uranios zumindest verfolgte laut ebd. 2,32,3 (Übers. nach Frendo), eine solche Absicht, als er ins Imperium zurückkehrte: ὅµως, καίτοι φαυλότατός γε ὢν καὶ καταγέλαστος, ἀλλὰ τῷ πολλάκις ὑµνεῖν τὸν βάρβαρον καὶ διʼ ἐπαίνου ποιεῖσθαι αὐτὸς δή που κατὰ τὸ µᾶλλον ἔπεισε τοὺς πολλούς, ὡς εἴη σφόδρα πεπαιδευµένος. – „Obwohl der Mann gleichermaßen ein Gauner und ein Narr war, schaffte er es durch sein Loblied auf den Barbaren die Öffentlichkeit von dessen Darstellung als eines Mannes von Bildung zu überzeugen.“ Besonders die Leichtgläubigen habe er einfach gewinnen können, ebd. 2,32,4. Agathias misst Chosrau dabei keine höhere Bildung zu als einem Schüler und Mitstreiter des Uranios, wenn er auch außerordentlich große andere Verdienste gehabt haben mag, ebd. 2,32,5; vgl. Chaumont 1985, 608f. Zu Uranios und den Philosophen siehe den Aufsatz Hartmann 2002, Zambarbieri 2017, 270–276; Hartmann 2007, 90; Hartmann 2018, 897–912, 1200, 1422, 1640 mit weiterer Literatur. Nechaeva 2014, 112, geht davon aus, dass sich Chosrau mit der Protektion der Philosophen über die Behandlung der Minderheiten ein Einfallstor in innerrömische Angelegenheiten verschaffen wollte. 67 Agath. hist. 4,1,1–4,11,3.
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Agathias die im Rahmen eines historiographischen Werkes nur selten gegebene Möglichkeit, ein Gerichtsverfahren zu schildern und gestaltet es daher mit langen wörtlichen Reden und insgesamt einem erheblichen Umfang als eine zentrale Episode seines Werkes.68 Agathias macht dabei keinen Hehl daraus, dass dieser gesamte Prozess eine Symbolhandlung sein soll, um die Lazen durch die Bestrafung der Königsmörder zu versöhnen und auf der römischen Seite zu halten, heißt es doch: Meines Erachtens waren es kein bloßer Zufall oder eine Laune, sondern eine vernünftige und zur rechten Zeit getroffene Einschätzung der Situation, die den Kaiser Justinian dazu gebracht hatten, anzuordnen, dass der Prozess mit solcher Gründlichkeit und minutiöser Einhaltung juristischer Form durchgeführt würde. Sein Ziel bestand darin, die Einheimischen durch eine einigermaßen prahlerische Zurschaustellung der Erhabenheit des römischen Rechtswesens zu beeindrucken, um sie nicht nur besser an die römische Herrschaft zu gewöhnen, sondern auch jeglichen Vorbehalt oder jegliches Gefühl eines Missstandes, welches die Kolcher noch in dem Fall hegen mochten, da erwiesen würde, dass Gubazes von Anfang an des versuchten Überlaufs nach Persien schuldig und sein Mord entsprechend vollkommen gerechtfertigt war, zu zerstreuen.69
Auch von der beeindruckenden Natur eines solchen rechtlichen Vorgangs wird ausgegangen.70 Solche Vorgänge bringen Ehrfurcht und Erstaunen trotz ihres häufiges Vorkommens selbst in die Herzen der Einwohner Konstantinopels, so dass sich unschwer vorstellen lässt, welchen Effekt sie auf Barbaren hätten, für die sie eine völlige Neuheit darstellten.71
Zum Ziel passend lautet der letzte Satz der ausführlichen Schilderung des Prozesses: Die Kolcher ihrerseits behielten und erneuerten ihre alte Neigung zu den Römern.72
Von der Fähigkeit der Lazen, selbst Gerechtigkeit zu üben, hat Agathias eine sehr negative Meinung, da er unwidersprochen ein Zitat des Angeklagten Rustikos formuliert, das wohl nach Art des Prokop, Kaiserkritik den Feinden des Kaisers in den Mund zu legen, in diesem Fall dem Königsmörder beigelegt wird: 68 Vgl. Kaegi 1981, 57. 69 Agath. hist. 4,1,4 (Übers. nach Frendo): καὶ µοι δοκεῖ βασιλεὺς Ἰουστινιανὸς οὐκ ἀπεικὸς οὐδὲ αὐτοµάτως ἀλλʼ ἐµφρονέστατα τοῦ δέοντος ἐστοχασµένος ξὺν τοιᾷδέ τινι τάξει καὶ εὐκοσµίᾳ τὴν κρίσιν προελθεῖν παρακελεύσασθαι, οὐ µόνον ὅπως οἱ ἐκείνῃ βάρβαροι, τῶν Ῥωµαϊκῶν σφίσι νοµίµων κοµπωδέστερον ἀναδεικνυµένων, θαυµάζοιέν τε αὐτὰ καὶ ἐπὶ πλέον ἄρχεσθαι ὑπὸ τούτων ξυνεθισθεῖεν, ἀλλὰ καὶ ὅπως, εἰ µὲν ὡς µαδίσας πρότερον ὁ Γουβάζης δικαιότατα φανείν ἀνῃρηµένος, µηκέτι ἀνιῷντο οἱ Κόλχοι µηδὲ ὅς τι δεινὸν πεπονθότες ἀγανακτοῖεν [...] 70 Agath. hist. 4,1,7. 71 Agath. hist. 4,1,8 (Übers. nach Frendo): ταῦτα γὰρ καὶ τοὺς ἐν Βυζαντίῳ ἀστούς, καίτοι θαµὰ ἐκεῖσε γιγνόµενα, καταπλήττει καὶ ἐξίστησι τῶν φρονηµάτων, µή τί γε βαρβάρους καὶ οὐκ εἰθισµένους. 72 Agath. hist. 4,11,4 (Übers. nach Frendo): οἱ δὲ Κόλχοι αὖθις διετέλουν εὖνοι ὄντες ἐς τὰ µάλιστα Ῥωµαίοις καὶ τὸν πρβότερον ἀνανεούµενοι τρόπον.
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Alle barbarischen Völker sind ihrer Natur nach so veranlagt, dass sie selbst als Untertanen der Römer im Geiste weit von diesen entfernt stehen, und – sich gegen die Auferlegung der Herrschaft des Gesetzes auflehnend – instinktiv zu unstetem und aufrührerischem Verhalten neigen. Sie würden nichts lieber denn weiterhin als ihre eigenen Herren leben, keiner äußeren Rechtsprechung untertan, nur sich selbst zum Gesetz. Und wenn ihnen dies nicht möglich ist, so sind sie bestrebt, sich jenen Gemeinwesen anzugliedern, mit denen sie am meisten gemeinsam haben.73
Gubazes sei vom selben Schlag gewesen und habe auch die innewohnende verräterische Neigung seines Volkes besessen.74 Ausführlich lässt Agathias Rustikos die Fehlverhalten des Gubazes aufzählen und erklären.75 Es spricht Bände über die Einschätzung des Rechtsverständnisses der Lazen durch Agathias, wenn er im Anschluss an die Wiedergabe der Anklage schreibt: Als die Ankläger so ihre Anschuldigungen vorbrachten, konnte die kolchische Bevölkerung, die da versammelt war, die Begrifflichkeiten, in welche die Anschuldigungen gebracht waren, weder verstehen noch die eingesetzten rhetorischen Mittel schätzen. Da sie trotzdem mit den Fakten vertraut waren, auf denen jeder einzelne Anklagepunkt beruhte, unterstützten sie begeistert die Bemühungen der Anklage, indem sie ihren Tonfall wiederholten und ihre Gesten nachahmten. In gleicher Weise veränderte sich ihre Stimmung, je nachdem wie sie eine Veränderung des Tonfalls in den Stimmen der Ankläger zu vernehmen glaubten. Als dann die Rede der Anklage zu ihrem Ende kam und der Richter eine Weile pausierte, um nachzudenken, waren sie mit stiller Entrüstung erfüllt, da die Angeklagten nicht auf der Stelle hingerichtet worden waren. Und da der Richter den Angeklagten ein Zeichen gab, ihre Sache vorzubringen, war die versammelte Menge bereit, einen Tumult zu beginnen und murmelte bereits; ihre Stimmen wurden schon deutlich vernehm- und erkennbar.76
Wenn es nach ihnen ginge, gäbe es hier gar kein Recht, vielmehr würden sie die Angeklagten sogleich ohne Urteil hinrichten. Das ist aus römischer Sicht barbarisch, sogar tierisch und besonders muss es aus Sicht des Juristen Agathias so erscheinen. Die Quintessenz ist dann (wie ja unterschwellig schon am Anfang des 73 Agath. hist. 4,8,5 (Übers. nach Frendo): ἅπαν µὲν οὖν ἀεὶ βάρβαρον φῦλον, εἰ καὶ κατήκοον ᾖ τοῖς Ῥωµαίοις, ἀλλὰ τῷ τῆς γνώµης ἀλλοτριωτάτῳ διεστηκὸς καὶ τῇ τάξει τῶν νόµων ἀχθόµενον ἐπὶ τὸ νεωτεροποιὸν καὶ ταραχῶδες φέρεσθαι πέφυκεν· καὶ ἥδιστα µὲν ἂν ἐφʼ ἑαυτῷ βιοῦν διατελοίη µηδαµῶς ὑφʼ ἑτέροις ταττόµενον, ὡς µηδὲ τῶν ἀδικηµάτων εὐθύνας ὑπέχειν. εἰ δὲ τοῦτο µὴ οἷόν τε, τὸ γοῦν τὰ ὁµοδίαιτα τῶν ἐθνῶν καὶ µᾶλλον τοῖς οἰκείοις πλησιάζοντα τρόποις ἐπάγεσθαι προὔργου ποιοῦνται. 74 Agath. hist. 4,8,6. 75 Agath. hist. 4,8,6–4,10,6. 76 Agath. hist. 4,7,1–2 (Übers. nach Frendo): οὕτω δὲ τῶν κατηγόρων τοῖς ἐπικλήµασι χρησαµένων τὰ πλήθη τῶν Κόλχων (αὐτοῦ γὰρ ξυνήθροιστο) ἐπαΐειν µὲν οὐ µάλα ἠδύναντο τῆς τῶν λόγων ἀπαγγελίας ἢ τῆς τῶν νοηµάτων δεινότητος· ὅµως δὲ τὸ χρῆµα γιγνώσκοντες, ἐφʼ ᾧπερ ἕκαστα ἐτύγχανον προηγµένα, ἀγωνιζοµένοις τε αὐτοῖς ἔτι ξυνεµόχθουν τῇ προθυµίᾳ καὶ συµπεριήγοντο ταῖς µεταβολαῖς τῶν σχηµάτων· οὕτω τε τὰς ψυχὰς διέκειντο, ὡς ἂν αὐτοῖς ἐκεῖνοι φρονήµατος ἔχειν ἢ οἴκτου ἐδόκουν. καὶ εἶτα, ἐπειδὴ τοῦ ῥητορεύειν ἐπέπαυντο, αὐτίκα οἵ γε, ἐπισχόντος βραχὺ τοῦ δικαστοῦ καὶ βουλευοµένου, κατεµέµφοντο ἡσυχῇ καὶ ἠγανάκτουν, ὅτι δὴ µὴ εὐθὺς οἱ ἐναντίοι ἀνῄρηντο· τοῦ δὲ παρακελευσαµένου καὶ λέγειν αὐτοῖς ἅττα ἂν ἐθελήσαιεν, τότε δὴ καταβοᾶν ἐς τὸ ἐµφανὲς ἵεντο, καὶ ἤδη ὑπετονθόρυζον καὶ ἤδη ἡ φωνὴ ἐς τὸ σαφέστερον διεκρίνετο.
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Prozesses erscheint), dass es sich um einen glücklichen Umstand handelt, dass es die Römer gibt, die für echte Gerechtigkeit sorgen und es die Römer sind, die über die Lazen herrschen und nicht diese selbst. Nach dieser Anschauung, welche die Rustikos in den Mund gelegte Meinung widerspiegelt, hätten die Lazen eigentlich gar keinen solchen Prozess verdient und sein Zweck besteht nur in der Symbolhandlung für den diplomatischen Zweck, sie auf Seiten des Imperiums zu halten. Das hätte Agathias wohl nicht explizit schreiben dürfen, aber die unterschwelligen Tendenzen der Darstellung sind deutlich. Der Prozess ist eine einzige große Symbolhandlung – wohl finanziell und personell intensiver als die üblichen Gesten, aber verglichen mit dem potentiellen Abfall der lazischen Verbündeten eine nur sehr kleine Investition. Die Geste richtet sich dabei nach Art der public diplomacy nicht nur an Gesandte und sonstige Personen des diplomatischen Ablaufs, sondern direkt an die lazische Bevölkerung. Es handelt sich nicht um einen Vorgang zwischen Rom und dem Sasanidenreich, sondern nur um Vorkommnisse am Rand dieses Verhältnisses, trotzdem ist der souveräne und auch kreative Umgang mit dem Mittel der Symbolhandlungen zu bemerken. Generell fällt auf, wie vielgestaltig dieses diplomatische Mittel einsetzbar war und wie die Akteure die Methode beherrschten, viele verschiedene Handlungen mit Botschaften aufzuladen, die vom Empfänger verstanden werden konnten. Agathiasʼ Informationsstand über den Prozess muss gut gewesen sein, denn warum hätte er den Umstand erwähnen sollen, dass Stenographen zugegen waren,77 wenn nicht, um anzudeuten, dass er deren – oder daraus hervorgegangene – Aufzeichnungen einsehen konnte, zumal das ganze benötigte Personal aus Konstantinopel78 und damit wahrscheinlich dem weiteren oder näheren juristischen Umfeld des Agathias stammte? Auch an anderer Stelle erwähnt er eine Symbolhandlung gegenüber den Lazen, wenn auch weniger ausführlich, da bezüglich des Herrschaftsantritts des nach dem Mord an Gubazes von einer Gesandtschaft der Lazen gewünschten79 Königs Tzath geschildert wird, wie dieser in Konstantinopel mit den Insignien seiner Würde investiert und bei seiner Ankunft in Lazika von einer römischen Militärparade in polierten Rüstungen begrüßt und geehrt wird.80 Agathias fasst zusammen: In ihrer Freude über den Anblick vergaßen die Lazen ihre Notlage für den Augenblick, stießen zu den anderen und begleiteten ihn beim Klang der Trompeten mit hocherhobenen Bannern. Die Parade war von einer Pracht und Herrlichkeit jenseits des hinsichtlich des lazischen Königtums üblichen Maßes.81
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Agath. hist. 4,1,2. Agath. hist. 4,1,2. Agath. hist. 4,14,3. Agath. hist. 3,15,2f. Agath. hist. 3,15,4 (Übers. nach Frendo): οἱ δὲ Λαζοὶ ἐς τὸ χαῖρον µεταβαλόντες καὶ µόλις ἀποπαυσάµενοι τῆς ἀνίας στοιχηδόν οἱ παρωµάρτουν σάλπιγγές τε πάντοθεν ἐπήχουν καὶ τὰ
18.4 Römische Symbolhandlungen gegenüber den Lazen 556
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Es dürfte der Zweck der Pracht eben jenes Empfangs sein, die Lazen durch Erfüllung ihres Wunsches nach dem König Tzath (wie später auch ihr Wunsch82 nach einer Strafe für die Königsmörder erfüllt wird) etwas darüber hinwegzutrösten, dass sie sich in gefährlicher militärischer Lage befinden und die mit ihnen verbündeten Römer ihren letzten König ermordet haben, zumal Agathias erwähnt, dass der dahingehend geplante Prozess der militärischen Lage wegen erst einmal verschoben werden musste.83 Die Symbolhandlung ist dabei reichhaltig. Wie sollte man eindrucksvoller zeigen, dass Römer und Lazen zusammengehören, als durch die Inszenierung einer solchen gemeinsamen Veranstaltung am Beginn der Herrschaft des neuen Königs? Unter seiner Herrschaft soll offenbar alles anders werden. Er kommt aus Konstantinopel, der Kaiser macht ihn zum König – was er durch lazische Tradition bereits ist – und ein hochrangiger Militär begleitet ihn; daher müssen ihn die Römer respektieren, denn er ist ein echter und wirklicher König. Der Kaiser bestätigt keine Marionettenkönige, sondern geht auf die Wünsche der Lazen ein. Wenn Justinian einen König anerkennt, müssen dies auch die Römer. Sie dürfen ihn nicht weniger respektvoll behandeln als es durch die Lazen geschieht – das zeigt die Parade. Es ist auch eine Darstellung der kaiserlichen Missbilligung der Taten der Königsmörder. Als Botschaft an die Lazen ließe sich auch an weitere Aspekte denken, durch die sich die römische Seite im Vergleich zur persischen profilieren könnte: Wie konntet ihr an einen Seitenwechsel denken,84 da doch der Kaiser selbst diesen Mann des Königtums für würdig befindet? Würde der Großkönig auch so handeln? Hätte Chosrau ebenfalls die Wünsche der Lazen berücksichtigt? Hätte der seine Feldherren verhaften lassen, wenn sie einen Lazenkönig ermordet hätten? Wäre der auf die Wünsche eurer Gesandtschaft so schnell und umfassend eingegangen? Das Recht ist im Imperium zu Hause. Justinian lässt dies durch eine symbolisch aufgeladene Inszenierung vermitteln und antwortet somit eindrucksvoll auf ein durch lazische Gesandte vorgebrachtes Anliegen. Die Handlung geschieht somit absichtlich im Rahmen diplomatischer Kontakte und beinhaltet zudem, durch die Breitenwirkung der Inszenierung, wieder ein Element der public diplomacy.
σηµεῖα ἐς ὕψος ἐπῆρτο. καὶ ἦ ἡ ποµπὴ φαιδρά τε ἐπιεικῶς καὶ γαυροτάτη καὶ πλέον ἢ κατὰ τὴν Λαζῶν βασιλείαν ἐξωγκωµένη. 82 Agath. hist. 3,14,3. PLRE IIIB, Tzathes 2, S. 1347. 83 Agath. hist. 3,15,1. 84 Agath. hist. 3,8,7–3,10,12.
19 METHODEN VIII Beziehungen zu den Gemeinwesen zwischen den Großmächten 19.1 NATUR DER METHODE UND DES RAUMES ZWISCHEN DEN REICHEN Erinnert man sich an die klassische Diplomatiedefinition Sir Ernest Satows, laut der Diplomatie „the application of intelligence and tact to the conduct of official relations between the governments of independent states, extending sometimes also to their relations with vassal states“ sei,1 so fällt auf, dass Beziehungen zwischen souveränen Mächten und von diesen abhängigen politischen Gebilden nur ausnahmsweise der Diplomatie zugerechnet werden. Auch andernorts wurde betont, dass es Diplomatie nur zwischen souveränen Mächten geben könne, nicht aber innerhalb eines Abhängigkeitsverhältnisses.2 In diesem Sinne wären die Beziehungen zwischen dem Römischen Reich und dem Sasanidenreich (ob man sie als „Staaten“ definieren will oder nicht), Teil der Diplomatie, die Beziehungen zwischen diesen Mächten und südkaukasischen, ostafrikanischen, arabischen oder sonstigen sarazenischen politischen Gebilden aber nicht, da die Großmächte diesen nicht auf Augenhöhe begegneten und ein Gefälle der komplexen Großmächte gegenüber den kleineren Partnern in administrativer, militärischer, wirtschaftlicher und ideologischer Hinsicht wirksam war. Wenn eine Seite zur Durchsetzung ihres Willens mehr oder weniger großen Zwang ausüben kann und die andere sich dessen bewusst ist und einlenken muss, liegt keine Diplomatie im klassischen Sinne vor, da sich die mächtige Seite nicht auf die Feinheiten diplomatischer Kommunikation einlassen muss – so das klassische Verständnis. Im Sinne eines weiten Diplomatieverständnisses soll dieses Gefälle aber nicht als Faktor begriffen werden, der „richtige“ Diplomatie verhinderte, sondern als Chance, um einen Blick darauf zu werfen, wie sich die kleineren Mächte, die räumlich wie politisch zwischen Rom und Iran agierten, behaupteten und welches Licht ihr Verhalten auf das römisch-persische Verhältnis zu werfen geeignet ist. Denn im Gegensatz zum klassischen Verständnis, das eine bloße und gewissermaßen natürliche Abhängigkeit zwischen den Großmächten und den kleineren Nachbarn voraussetzt, wie sich dies in der Neuzeit oft beobachten lässt, waren die spätantiken Machtverhältnisse anders geartet. Ein spezielles Zusammenwirken des diplomatischen Verhältnisses zwischen den beiden Großmächten und den speziellen naturräumlichen Gegebenheiten des zwischen ihnen befindlichen Raumes vom Kaukasus bis in die arabi1 2
Satow 1922, Bd. 1, 1. Vgl. Berridge/James 2003, 69f.
19.1 Natur der Methode und des Raumes zwischen den Reichen
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sche Wüste sorgte dafür, dass einige politische Gebilde eben dieses Raumes ein erstaunliches Maß von Freiheit und Macht besaßen, das weit über ihre geographisch verhältnismäßig kleinen Einflussbereiche hinausging und unmittelbaren Einfluss auf das römisch-persische Verhältnis nahm.3 Dabei soll nicht Gegenstand sein, wie die Diplomatie zwischen den Großmächten und den zwischen ihnen befindlichen Gemeinwesen beschaffen war, denn selbst gemäß einem weiten Diplomatieverständnis kann es nicht Gegenstand einer Untersuchung der Diplomatie zwischen Rom und Persien sein, die Diplomatie zwischen Rom und den verbündeten sarazenischen Akteuren, dem Sasanidenreich und seinen sarazenischen Verbündeten,4 beiden Seiten und armenischen oder sonstigen südkaukasischen Herrschaften oder gar den quellenmäßig noch schwerer zu fassenden Gebilden der Himyariten bzw. generell des ostafrikanischsüdarabischen Kulturkreises einzubeziehen. Vielmehr geht es darum, wie die Großmächte die kleineren Mächte nutzten, um das Verhältnis zur jeweils anderen Großmacht zu verändern. Dazu kommt aber als besonderer Faktor der konkreten Fälle der angesprochene Umstand, dass die kleineren Mächte nicht bloße Vasallen der großen waren und deren Willen ausführten, also nur gemäß deren Plänen agiert hätten, sondern vielmehr selbst nicht weniger eigensinnig agieren konnten als die Großmächte, auch wenn sie mit ihnen verbündet waren, und so nicht nur das Verhältnis zwischen sich und den Großmächten, sondern auch der Großmächte untereinander wiederum beeinflussten – wenn dies meistenteils auch nur mit-
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Vgl. sehr knapp Suny 1994, 20: „The endless struggle between Rome-Byzantium and Iran, both of which claimed suzerainty over Caucasia, was prolonged precisely because neither great empire was able to overwhelm the other entirely and decisively. This balance between the imperial powers permitted the smaller states of Caucasia to maintain a precious degree of political and cultural autonomy, although the danger of being swept under Iranian or Byzantine hegemony persisted.“ Vgl. Browning 1987, 113: „For centuries the first rule of survival for Armenia, crushed between two great powers, had been never to commit itself irrevocably to either.“ Vgl. Güterbock 1900, 4; Blockley 1984, 37; Braund 1994, 271, 275; Vgl. Fisher 2011a, 33: „As each side sought to gain an advantage through military means or, alternatively, diplomatic intrigue, Romans and Sasanian interest in Armenia, the Caucasus, and Arabia increased, drawing the people who lived there into imperial affairs in more direct ways than before. In the end, clientship would subordinate Tzani, Lazicans, Arabs, and others to the interests of their patrons, and would exert immense political, cultural, and religious pressures on these groups. Yet at the same time, it also provided unprecedented access to the means, especially for the elites places between the empires, in Arabia, in Iberia, in Armenia, and elsewhere, to build wealth and power through becoming associated and involved in the affairs of these two powerful states.“ Bei Garsoïan 2004, 329f., wird darauf hingewiesen, dass sich die Maßstäbe der mesopotamischen Begegnung der Großmächte nicht an den Norden anlegen lassen. Zu den Termini für die sarazenischen Akteure siehe S. 450, Anm. 254 der vorliegenden Arbeit; Fisher 2015a, 6; vgl. Kawar 1958, 252; Fisher 2011b, 249, 252; Elton 2014, 235; Fisher 2017, 183.
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19 Methoden VIII
telbare Folge ihrer Ambitionen in Bezug auf den eigenen Raum gewesen sein mag. Es besteht kein Mangel an Literatur zu diesen schwer zu fassenden spätantiken Herrschaften, Föderationen, Stämmen und sonstigen politischen Schöpfungen. Im Folgenden soll nur gefragt werden, welche neuen Perspektiven das in der vorliegenden Arbeit vertretene weite Diplomatieverständnis samt den ermittelten Strukturen auf die Rolle der kleineren Herrschaften zwischen den Großmächten im diplomatischen Zusammenspiel eben dieser Großmächte ermöglichen kann. Zunächst ist festzustellen, dass es sich bei der Idee, den Kontaktraum der beiden Reiche5 und die zwischen ihren Sphären liegenden politischen Gebilde als ein Ganzes zu begreifen, um kein Phänomen der Retrospektive handelt. Bereits antike Autoren dachten auf diese Weise, wenn auch aus der irrigen Anschauung heraus, dass alle Gebirge und Erhebungen zwischen dem Kaukasus im Norden und (dem in geringerer Entfernung gedachten) Vorderindien oder Ägypten bzw. Äthiopien im Süden eigentlich zum Kaukasus gehörten und somit letztlich ein einziges Gebirge bildeten, das den in Frage stehenden Raum zusammenfasste.6 Somit waren auch aus antiker Anschauung der Kaukasusraum und der weit entfernte arabische durchaus in gewisser Weise verbunden und bildeten nicht „zufällig“, sondern zwangsläufig die nördlichen und südlichen Kontaktzonen zwischen den Reichen. Wenn auch nicht aus den Gründen eines imaginären Gebirges, sondern aus naturräumlichen, wirtschaftlichen und sozialen, so hat diese Anschauung doch im Grunde richtig erfasst, dass es erhebliche Gemeinsamkeiten zwischen diesen Akteuren, ihrem Verhältnis zu den Großmächten und der Art und Weise gibt, wie sie das Verhältnis zwischen diesen Großmächten beeinflussten, sie also doch in dieser Hinsicht miteinander verbunden waren. Anhand der Quellen soll folgendes Phänomen aufgezeigt werden: Bedingt durch ihre Lage im Spannungsfeld der beiden Imperien gerieten diese kleineren Mächte mitten in den diplomatischen Austausch zwischen den Großmächten, da sie als Dreh- und Angelpunkte der römischen wie persischen Machtpositionen der
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Dieser wird bei Greatrex 1998, 19–24, näher vorgestellt. Fowden 1993, 103. Braund 1986, 43–46, erklärt das Phänomen, das sich bis in islamische Zeit hielt, ausführlich, Arr. an. 5,3,3f,; Philostr. Apoll. 2,2–3; Oros. hist. 1,36–47; es war wohl von indischen Handelswaren auf dem Phasis beeinflusst, Plin. Nat. 6,52; Sen. Med. 483f. Johannes Tzetzes erklärte in seinem Kommentar zu Lykoph. Alex. 174, die Kolcher seien indische Skythen; die skythische Expedition nach Indien bei Philostr. Apoll. 3,20 meint wohl das; letztlich hängt auch die Anschauung, dass der Ursprung der Kolcher in Ägypten läge, wahrscheinlich damit zusammen, Hdt. 2,104f.; Diod. 1,55,4f.; Amm. Marc. 22,8,24. Vgl. Mattern 1999, 37. Zum Südende andeutungsweise Brown 2018, 97. Nero plante Aktionen in Äthiopien und auch im Kaukasus (Plinius NH 6,181; Cass. Dio 63[62], 8,1), Heil 1997, 7; man denke auch an das augusteische Vorbild, Fowden 1993, 103. Fowden spricht zudem die Stärke monophysitischen Christentums in der in Frage stehenden Region als verbindendes Element an. Zum spätantiken Indien-Begriff Johnson 2015, 409–413.
19.1 Natur der Methode und des Raumes zwischen den Reichen
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Grenzregion begriffen wurden.7 Somit sind sie eine wichtige Masse in den beiderseitigen sicherheits- und machtpolitischen Vorhaben. Dies führte aber nicht dazu, dass sie zu einem bloßen Spielball römischer und persischer Politik wurden, sondern vielmehr gelang es ihnen, ihre von beiden Seiten umworbene Lage zu nutzen, um im eigenen Interesse geschickt zwischen den beiden Mächten zu lavieren. Ein dazu notwendiger Faktor, der dies überhaupt erst ermöglichte, war die Unzugänglichkeit sowohl des kaukasischen Gebirgsraumes als auch der Wüstenregionen für die militärischen Machtmittel der Großmächte, deren Zwangsmaßnahmen in diesen Räumen ins Leere liefen.8 Die Akteure dieser Räume waren für das Römische Reich wie das Sasanidenreich nicht greifbar, wenn sie es nicht wollten und bewahrten sich somit zumeist vor gewaltsamen Übergriffen der zweifellos ressourcenstärkeren Großmächte. Durch ihr Handeln veränderten sie nicht nur ihr eigenes Verhältnis zu den Imperien, sondern immer wieder auch das zwischen diesen wirkende Verhältnis, selbst wenn dies nicht in ihrem unmittelbaren Interesse gelegen haben mag. Ein besonderes Verständnis von Loyalität sowohl der südkaukasischen Gesellschaften als auch der sarazenischen kam dem entgegen. Zudem handelt es sich um einen der seltenen Fälle, bei dem Mutmaßungen über wirtschaftliche Interessen und Erwägungen der Großmächte angestellt werden können. Wie bereits festgestellt, waren beide Großmächte bezüglich des zwischen ihnen wahrgenommenen militärischen Gleichgewichts besorgt, dass es Stück für Stück erschüttert werden und in der Zukunft einmal zusammenbrechen könnte, also die andere Seite böswillig durch kleinere Veränderungen darauf hin arbeiten könnte, den status quo in Zukunft zu beenden. Von besonderer Relevanz waren in einer solchen Weltsicht offenkundig die Kontaktzonen der beiden Mächte, da hier die Interessen auch räumlich unmittelbar aufeinander trafen. Hier konnten bereits kleine Veränderungen große Wirkungen nach sich ziehen, was zu einer erheblichen Fragilität der Region führte. In Anbetracht dieser Empfindlichkeit lagen die kleineren Mächte der Weltgegend im Fokus beider Seiten, da sie – die nicht unmittelbar in das römisch-persische Gefüge eingebunden waren – durch ihre Politik gewaltige Kettenreaktionen zwischen den Großmächten auslösen konnten. Dies ließ sich von beiden Seiten nutzen, war aber ein zweischneidiges Schwert, da diese kleineren Mächte eine Unbekannte in der sonst möglichst ausgewogenen Glei-
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Toumanoff 1971, 114: „Caucasia formed a great natural fortress between the two empires from which each of the rivals could control the delicate frontier-line that lay between them in the south.“ Verosta 1964, 526: „The Romans, because of lack of manpower and money, could never master the Arabian desert and its tribes, nor could the Persians. The only alternative was to conclude treaties of friendship or of alliance with the Arab or Georgian states, city-states or with the more powerful chieftains of the tribes.“ Die Bezeichnung als „georgisch” ist in diesem Zusammenhang anachronistisch. Zu Armenien Heil 1997, 15–24.
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19 Methoden VIII
chung des Gefüges im römisch-persischen Grenzgebiet bildeten, mit der sich für beide Seiten operieren ließ, die aber nicht endgültig aufgelöst werden konnte.9 19.2 ZUM SÜDKAUKASISCHEN RAUM IM 4. JAHRHUNDERT Bereits Ammian, der sich wohl kaum als besonderer Freund nichtrömischer Völker bezeichnen lässt, bietet eine eigentümliche Szene, die eine Sonderstellung der Armenier aufzeigt.10 Schon Kaiser Constantius habe den armenischen König Arsakes zu sich gebeten und ihn liebenswürdig aufgenommen, um ihn eindringlich dazu aufzufordern, dass er ein verlässlicher und treuer Freund bleiben möge, da Schapur dem Vernehmen nach wiederholt mit Ränken, Drohungen und Listen versucht hätte, ihn vom römischen Bündnis ab- und den Persern zuzuwenden. Arsakes gibt die eidliche Zusicherung, er könne eher von seinem Leben als von seiner Überzeugung lassen. Laut Ammian wurde er später in keinem Punkt untreu, denn ihn hätten zu viele Gunstbeweise an Constantius gefesselt; an erster Stelle unter diesen habe gestanden, dass er die Tochter des früheren praefectus praetorio (die einstige Braut des kaiserlichen Bruders Constans) zur Frau bekommen hatte. Es ist bemerkenswert, dass Ammian besonders herausstellt, dass Arsakes nicht untreu geworden sei, da dies doch eigentlich als Normalfall eines solchen Herrschers gegenüber dem in Ammians Darstellung ganz besonders konsequenten und souveränen Imperium anzunehmen wäre. Es fragt sich auch, warum Constantius solch einen König um etwas bitten sollte, da ein einmal gegebenes Versprechen doch eigentlich selbstverständlich sein sollte. Dies alles ist nur einleuchtend, wenn man sich vor Augen hält, dass schon in Ammians Urteil Arsakes offenkundig die Wahl hatte, ob er es lieber mit der römischen oder der persischen Seite halten wollte und keine großen Konsequenzen zu befürchten gehabt hätte, wenn er die Seiten wechselte. Beide Seiten waren um ihn mit diversen diplomatischen Mitteln bemüht und Arsakes hatte, bedingt durch dieses Interesse beider Seiten, eine gewisse Wahlmöglichkeit. Dies machte besonderen römischen Aufwand nötig, um ihn bei seiner Treue zu halten, so die Ehre, eine Frau heiraten zu können, die für die römische Kaiserfamilie nicht zu gering befunden worden war. Möglicherweise handelt es sich bei einem Bericht im Buzandaran Patmutʼiwnk‘ um eine andere Fassung des Geschehens, die Arsakesʼ Lage aus
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Verosta 1964, 529: „The allies and clients of the two great powers were not supposed to change over to the other great power. Such a sudden change of alliance and clientship could disturb or even undo the balance of power between the two empires.“ Ebd. 531f.: „There was continuous diplomatic activity from both sides, to keep the Arab and Caucasian nations in the own camp and thus to maintain the balance of power beyond the common frontier of the two Empires. Only in times of tension did both parties try to outmanoeuvre each other, mainly by paying gifts and subsidies to the other powerʼs allies and vassals.“ 10 Amm. Marc. 20,11,1–3.
19.2 Zum südkaukasischen Raum im 4. Jahrhundert
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armenischer Sicht umreißt:11 Es sei Zwietracht zwischen Arsakes und Schapur gesät worden, so habe es geheißen, letzterer wolle ersteren ermorden, was zu dreißig Jahren Krieg (oder Konflikt) geführt hätte. Es wird nicht deutlich gemacht, wer Zwietracht gesät hat, die römische Seite wäre als Nutznießer allerdings denkbar. Auf jeden Fall ist deutlich, dass das Verhältnis der beiden Seiten schwierig war. Ein armenischer Herrscher musste stets auf der Hut sein. Das Folgende deckt sich mit Ammians Aussage, Arsakes sei der römischen Seite nie untreu geworden: Immer wieder habe Schapur versucht, Arsakes für sich zu gewinnen, aber ihn nie dazu bewegen können. Er habe immer wieder Gesandte und Geschenke geschickt, aber Arsakes habe nicht reagiert. Sollte letzterem Umstand ein wahrer Kern zugrunde liegen, so demonstriert er eindrucksvoll die Unabhängigkeit der Armenier. Denn zumindest im Fall Roms wird ein Gegner der Großmächte, der Diplomatie ablehnt, grausam und bis zur Vernichtung bekämpft.12 Sollte sich Schapur wirklich dergleichen von Arsakes gefallen lassen haben, so würde dies deutlich demonstrieren, wie groß dessen Freiheiten und wie wichtig die armenischen Gebiete für Schapur gewesen sein müssen. Trotz der zweifelhaften Details wird durch den Bericht im Buzandaran Patmutʼiwnk‘ durch einen Autor, der selbst dem in Frage stehenden Kulturkreis angehört, das Selbstbewusstsein der Beteiligten deutlich, eine besondere Stellung innezuhaben, die sonst nur durch fremde Autoren belegt wird.13 Seinen deutlichsten Ausdruck findet das in einer programmatischen Aussage, die der Autor dem listigen Vasak gegenüber Schapur in den Mund legt: Ich habe auf zwei Bergen gestanden, verlagert auf den rechten Fuß drückte ich den rechten Berg nieder, verlagert auf den linken den linken Berg. Der eine Berg aber war der Großkönig und der andere der Kaiser. Solange Gott es gab, warf ich beide zu Boden.14
Als Schapur schließlich die Oberhand gewinnt, wenden sich die armenischen Großen an den Kaiser, der ihnen den bei sich befindlichen Pap zum König gibt und militärisch unterstützt.15 Aber auch dieser Pap ist sich offenbar seiner Position bewusst und nimmt sich Freiheiten heraus, so ernennt er einen eigenen Patriarchen ohne Genehmigung Kaisareias16 und hat die Absicht, seine Loyalität in einer günstigen Situation auf Schapur zu übertragen:17 Er schickt diesbezüglich Gesandte zu ihm und versucht offenbar vom Kaiser loszukommen, indem er horrende Forderungen an diesen stellt, so eine Abtretung von zehn Städten samt Edessa. 11 Buzandaran Patmutʼiwnk‘ 4,20 (143); 4,21 (144). 12 Siehe die Arbeit Andres 2019. In Anbetracht der sonst so ähnlichen Diplomatie des Sasanidenreiches sollte es dort nicht wesentlich anders gewesen sein. 13 Schlussendlich habe Schapur Arsakes laut Buzandaran Patmutʼiwnk‘ 4,53 (170f.) mit einer List bezwungen. 14 Buzandaran Patmutʼiwnk‘ 4,54 (175); Whitby 2008, 128. 15 Buzandaran Patmutʼiwnk‘ 5,1 (191); 5,4 (198). PLRE I, Papa S. 665f. 16 Buzandaran Patmutʼiwnk‘ 5,29 (230). 17 Ebd. 5,32 (235–237).
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Wenn der Kaiser keinen Konflikt wolle, solle er diese herausgeben, sonst gäbe es Krieg. Alle armenische Großen unter der Führung des Musel wollen Pap von seinem Vorhaben, den Pakt mit dem Imperium zu brechen, abbringen. Der geht nicht darauf ein. Es sind aber noch römische Truppen unter ihren Feldherren, vor allem Terentius,18 im Land. Der Kaiser schickt diesen heimlich Nachricht, Pap zu töten. Dies geschieht auf einem Bankett. Die Umstände der Ermordung des Pap zur Zeit des Kaisers Valens schildert auch Ammianus Marcellinus.19 Terentius rät dem Kaiser, einen anderen König nach Armenien zu schicken, damit die den Römern so wichtigen Armenier nicht aus Abneigung vor Pap oder aus Furcht vor seiner Rückkehr sich auf die Seite der Perser schlagen, diese warteten ja nur brennend darauf, das Land mit Gewalt, Furcht und Schmeichelei zu sich herüberzuziehen. Pap flieht. Der Kaiser fürchtet, Pap möchte die Treue brechen. Der König soll also gefangen genommen werden. Das scheitert. Der Kaiser schmiedet neue Pläne. Ein Geheimschreiben legt die Pläne in die Hände des Traianus, des Befehlshabers in Armenien.20 Der will den König mit tückischen Lockungen heranziehen: Bald gibt er Briefe, die von gnädiger Gesinnung des Valens zeugen sollen, bald nimmt er an einem seiner Festgelage teil und lädt schließlich Pap zu einem Frühstück ein. Pap kommt und wird ermordet. Ammian kritisiert den Bruch der Gastfreundschaft. Es wird ein großer Teil der römischen Maschinerie zur diplomatischen Manipulation herangezogen und gegen den armenischen König eingesetzt. Diesem wird also – bedingt durch seine Möglichkeit zum Seitenwechsel – eine große Macht zugebilligt und seine Ermordung hat offenbar eine erhebliche Priorität. Der Bruch der Gastfreundschaft, der selbst den mit den Härten des Krieges vertrauten Berufssoldaten Ammian schockiert21 – ist ein Zeugnis der Bedeutung, die dem Erreichen dieses Ziels zugebilligt wurde. Im Buzandaran Patmutʼiwnk‘ wird das Verhalten der armenischen Großen nach dem Tod Paps geschildert und es werden Musel Worte in den Mund gelegt, durch die sowohl die spezielle armenische, als auch generell die Lage mehrerer südkaukasischer politischer Gebilde zwischen den Reichen zusammengefasst wird: Wir können nicht in den Dienst der heidnischen Perser eintreten und den König von Griechenland befeinden. Wir dürfen uns nicht beide Könige zu Feinden machen und können nicht ohne die Hilfe des einen leben.22
Sie entscheiden sich im Folgenden für die römische Seite.23 18 19 20 21 22 23
PLRE I, Terentius 2, S. 881f. Amm. Marc. 30,1. PLRE I, Traianus 2, S. 921f. Amm. Marc. 30,1,23. Buzandaran Patmutʼiwnk‘ 5,33 (237) – Übers. nach Lauer. Ebd.
19.2 Zum südkaukasischen Raum im 4. Jahrhundert
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Diese Episoden vor der Teilung Armeniens beschreiben zwar für Armenien ein Phänomen, das danach nicht mehr in gleicher Form bestand,24 aber doch immer wieder in der Grenzregion der kommenden zweihundert Jahre zu beobachten ist.25 Die Teilung selbst zeigt die offenkundigen Grenzen des Phänomens an: Wenn sich die beiden Großmächte einig sind, endet die Wahl- und Wechselmöglichkeit der Armenier und somit auch die besondere Machtstellung, die sie diesen Möglichkeiten verdanken.26 24 Ammian schreibt im Folgenden die Bemühungen zur Teilung Armeniens direkt den Vorgängen um die Ermordung Paps zu, Amm. Marc. 30,2,1f. 25 Wenn auch auf die spätere Zeit bezogen, so erweist sich auch bei Sebeos 15 ein Bewusstsein für die besondere kaukasische Situation, da dieser Autor Kaiser Maurikios seinem persischen Pendant den Vorschlag machen lässt, die Armenier beider Machtbereiche zu deportieren, da sie ein krankhaftes und ungehorsames Volk seien, das zwischen den beiden stehe und Probleme bereite. Wenn sie in ihrem Land blieben, würden weder Kaiser noch Großkönig Ruhe genießen können. 26 Besonders anschaulich bei Buzandaran Patmutʼiwnk‘ 6,1 (265f.), wenn auch aus einseitig armenischer Perspektive, da Rom wie Persien eine armenische Fraktion in einem Bürgerkrieg stützen: „Die Griechen unterstützten den König Arschak von Armenien und der Perserkönig den Chosrau. Da kamen die Truppen des Königs von Griechenland zu Hilfe. Der König Arschak war im Kanton Ekeghikh, und die Truppen der Perser und der König Chosrau waren im Kanton Airarat. Boten und Gesandte beider Könige, des von Griechenland und des von Persien, gingen und kamen umeinander. Die Könige von Griechenland und Persien fassten nun den Plan gegenseitiger Eintracht und Nachgiebigkeit und hielten es für gut, das Land Armenien zunächst in zwei Teile zwischen sich zu teilen, denn sie sagten: ‚Zwischen uns liegt dieses mächtige und wohlhabende Reich; es ist gut, dass wir in der Lage sind, dieses Reich hierdurch zu zerstören und zu vernichten. Wir werden zunächst dasselbe in zwei Teile mit den beiden arschakunischen Königen teilen, die wir bestellt haben, danach werden wir uns Mühe geben, gegen dieselben zu operieren, sie arm zu machen, sie in Dienstbarkeit zu bringen, damit sie zwischen uns das Haupt zu erheben nicht mehr im Stande sind.‘ Sie führten diesen Plan aus und teilten das Land in zwei Teile. Der Anteil der persischen Seite gehörte dem König Chosrau, der griechische Anteil gehörte dem König Arschak. Aber auch viele Kantone wurden hier und dort von ihnen weggenommen und abgerissen, und es blieb nur ein kleiner Teil beider Länder für die zwei Könige übrig. Beide arschakunische Könige von Armenien, Arschak und Chosrau, zwischen welchen die siunischen Kantone beiden Teilen des armenischen Reiches geblieben waren, zogen und stellten fest in Ruhe eine Grenze zwischen beiden Teilen, und beide Teile Armeniens gehorchten den zwei Königen, jeder dem seinigen. Doch war der Teil Chosraus größer als der Arschaks. Viele Kantone waren von beiden abgerissen worden. Das Reich Armenien war verkleinert, geteilt, zu Grunde gerichtet; es war herabgekommen von seiner Größe damals und für die Zukunft.“ (Übers. nach Lauer) Es kommt in Anbetracht des Fokus der vorliegenden Untersuchung nicht auf die Korrektheit der Details an, wohl aber auf die Korrektheit der Mechanismen, die hier einleuchtend dargestellt werden. Für die Zeit vor der Teilung Armeniens kommt auch Mosig-Walburg 2009a, 330f. zu einem vergleichbaren Ergebnis bezüglich der Chancen und Risiken der Stellung der Armenier zwischen den Großmächten: „Bei allen Bemühungen von Römern und Persern, Einfluß auf Armenien zu gewinnen oder diesen zu erhalten, darf der Anteil des selbstbestimmten Handelns der Armenier auf die Entwicklung der Ereignisse nicht unterschätzt werden. […] Die Armenier waren sich der Bedeutung ihres Landes zwischen den beiden Großmächten als Zünglein
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19.3 ZUM SÜDKAUKASISCHEN RAUM IM 5. JAHRHUNDERT Priskos ermöglicht schlaglichtartig einen Blick auf die südkaukasische Situation in der beginnenden zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts und damit in eine sonst quellenmäßig gerade für die in Frage stehende Region schlecht zu erfassende Zeit, da in einem seiner Fragmente von König Gubazes I. von Lazika berichtet wird.27 Hier erscheinen Lazika (Kolchis) und sein König in einer ähnlichen Position wie Armenien und seine Könige bei Ammian: Nach einem römischen Feldzug gegen die Lazen bereiten die Berater des Kaisers einen zweiten Feldzug vor und überlegen, ob man den selben Weg wie zuvor nehmen solle oder durch Armenien nahe des persischen Territoriums ziehen, nachdem man erst eine Gesandtschaft geschickt hätte, um den Großkönig zu gewinnen. Der Seeweg schien völlig unpraktisch zu sein. Gubazes schickte derweil selbst Gesandte an beide Großmächte. Da der Großkönig in einem Krieg mit den kidaritischen Hunnen beschäftigt war, verbannte er die Lazen, die zu ihm flohen. Roger Blockley warf die Frage auf, welche Bedenken der Großkönig gehabt haben könnte, lazische Flüchtlinge aufzunehmen und denkt an mazdakitische Unruhen, die ihn beschäftigt hätten.28 Es dürfte sich vor dem diplomatischen Hintergrund aber um eine recht einfach zu beantwortende Frage handeln: Wenn sich der Großkönig gerade im Krieg mit den Kidariten befand, hatte er keinerlei Interesse daran, einen Krieg mit der römischen Seite zu riskieren. Nichts anderes als dieses Risiko aber hätte der Umstand bedeutet, lazische Flüchtlinge – also Gegner der Römer – bei sich aufzunehmen. Es wäre ein diplomatischer Affront gewesen und hätte sehr wahrscheinlich auch einen Verstoß gegen römisch-persische Abkommen bedeutet, denn für gewöhnlich gehörte es zu römisch-persischen Verträgen, dass keine Seite dem Feind der anderen Schutz gewähren sollte. Ob die Römer in dieser Situation wirklich angegriffen hätten, ist völlig nebensächlich, vielmehr ging es darum, sich keine Blöße zu geben. Und ein derartiger Affront – sehr wahrscheinlich auch ein Vertragsbruch vor aller Augen – hätte die sasanidische Seite in eine schlechte Verhandlungsposition gebracht. Wiederum ist in der Szene auch die schlechte Erreichbarkeit der südkaukasischen Akteure deutlich, zudem das Maß, indem sie durch ihr Handeln im Eigeninteresse das römisch-persische Verhältnis veränderten. Dies zeigt sich besonders in einem Fragment, das den Fortgang des Geschehens schildert:29 Gubazes schickt nun eine Gesandtschaft an die Römer und bittet offenkundig um Frieden. Die Römer antworten, dass sie die Feindseligkeiten einstellen würan der Waage des politischen Gleichgewichts bewußt. Zu Zeiten politischer Unabhängigkeit wurden sie von beiden umworben. Sowohl für die Römer als auch für die Perser erwiesen sie sich als unberechenbare Partner. Sie waren stets auf die Wahrung eines Höchstmaßes an Unabhängigkeit bedacht […]“ 27 Priskos frg. 33,1 [ed. Blockley]. PLRE II, Gobazes, S. 515. 28 Blockley 1983, 394, Anm. 143. 29 Priskos frg. 33,2 [ed. Blockley].
19.3 Zum südkaukasischen Raum im 5. Jahrhundert
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den, wenn entweder Gubazes selbst seine Herrschaft aufgäbe oder er seinen Sohn von der Nachfolge ausschlösse, denn es sei nicht recht, dass beide das Land im Gegensatz zum alten Brauch regierten. Der von Priskos besonders gelobte magister officiorum Euphemios unterbreitet den Vorschlag,30 dass einer von beiden die Herrschaft aufgeben solle. Gubazes entscheidet sich dafür, selbst abzudanken. Er schickt Gesandte an Kaiser Marcian, dieser solle jetzt nicht aus Wut gegen ihn die Waffen erheben, denn Kolchis habe nur noch einen Herrscher. Der Kaiser befiehlt ihm, auf römisches Gebiet zu kommen und seine Entscheidung zu erklären. Gubazes sagt zu, will aber den römischen Gesandten Dionysius, der zu ihm geschickt worden war, als Sicherheit für sich selbst, also zur Geisel. Also wird Dionysios nach Kolchis geschickt und sie legen ihre Differenzen bei.31 Warum die römische Seite keine zwei Herrscher in Lazika bestehen lassen will, ist die Frage. Dem liegt wohl die Angst zugrunde, dass es einer mit den Persern halten könnte, man ihn aber bei einer Gleichberechtigung der lazischen Herrscher nicht dafür belangen könnte, da der andere ja nach wie vor zur römischen Seite stehen könnte. Das würde für große Uneinigkeit sorgen. Die Sorge könnte zudem sein, dass der Sohn zu den Persern wechseln könnte und wenn sein Vater sterben würde, hätte der Sohn das Recht, komplett zu herrschen, denn er hatte ja auch zuvor schon auf gleicher Ebene mit seinem Vater geherrscht. Diese rechtliche Frage ist wichtig, da die Perser dann einen gerechten Anspruch des Sohnes stützen würden und die Römer im Konfliktfall eine schlechte Verhandlungsposition hätten. Es fällt auf, dass die römische Seite Gubazes stark entgegenkommt, was gegenüber Persien nachvollziehbar wäre, hier aber gegenüber einem kleinen Herrschaftsbereich am Rande der bekannten Welt geschieht. Gubazes darf sogar eine Geisel fordern. All dies illustriert die Bedeutung, die ihm im Spannungsfeld zwischen den Imperium zugemessen wird. Es wirft bereits die Bedeutung, die Lazika in den Kriegen zwischen Justinian und Chosrau im 6. Jahrhundert bekommen wird, ihre Schatten voraus – sowohl hinsichtlich der besonderen Rolle zwischen den Reichen als auch der schwierigen militärischen Lage und der gewissen Freiheiten, die damit für die lazischen Akteure verbunden sind. Auch ein bisher neben Armeniern, Lazen und Kolchern nicht erwähntes Volk des in Frage stehenden Raumes demonstriert die naturräumlichen Besonderheiten und Chancen seiner Stellung: So stellt sich bei Elishe der König der Albaner gegen den Großkönig Peroz, verbündet sich mit elf anderen Königen der Region, holt Hunnen von jenseits des Kaukasus zu Hilfe und bringt den Sasaniden so großen Schaden bei, dass diese so weit gehen, ebenfalls hunnische Verbände anzu-
30 PLRE II, Euphemius 1, S. 424. Priskos dürfte einer seiner Mitarbeiter gewesen sein. 31 PLRE II, Dionysius 8, S. 364.
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werben, um gegen ihn zu kämpfen.32 Aber ihr folgender Sieg lässt sich, bedingt durch naturräumliche Gegebenheiten, nicht fruchtbar machen: Obwohl seine (des Königs der Albaner) Truppen versprengt und von ihm getrennt waren, gelang es ihnen (den Persern) nicht, ihn zu unterwerfen, zudem wurden sie auch noch von schrecklichen Drangsalen überkommen, einige durch den Krieg, andere durch schmerzhafte Krankheit. Die Blockade dauerte so lang, dass der größere Teil des Landes verwüstet war, doch nicht einer schwankte oder verließ ihn (den König).33
Peroz bietet dem Albanerkönig an, ihn in Ruhe zu lassen, sofern er seine (also des Großkönigs) Schwester und Nichte, die sich bei ihm befanden und vom Zoroastrismus zum Christentum bekehrt worden waren, übersende. So geschieht es.34 19.4 DIE SÜDKAUKASISCHEN GEMEINWESEN DES 6. JAHRHUNDERTS IN DEN NARRATIVEN 19.4.1 Prokop Für das sechste Jahrhundert ist es in besonderer Weise wiederum Prokop, der nicht nur aufgrund seiner Erfahrung im Dienst Belisars, sondern auch des schieren Umfangs seines Werkes wegen einen komplexeren Einblick in die diplomatischen Mechanismen ermöglicht, als dies für die früheren Jahrhunderte der Fall ist. Eine zum besseren Verständnis des Prokopischen Berichts nötige Voraussetzung bietet aber Malalas, da er schildert, wie es dazu kam, dass die im 6. Jahrhundert zwischen Rom und dem Sasanidenreich so bedeutsamen Gebiete der Lazen zu einer näheren Beziehung mit dem Imperium kamen. Seine Aussagen sind, wie so oft, überblicksartig und wahrscheinlich sehr einseitig, aber die Grundzüge lassen sich entnehmen. Um 522 wendet sich der Lazenkönhig Ztathios35 von Kawadh und der persischen Seite ab, die bis dahin üblicherweise die lazischen Könige investiert hatte, da er das Christentum annehmen will. Daher bittet er Justin um die Investitur aus kaiserlicher Hand und die Taufe. Dies geschieht. Er heiratet eine aristokratische römische Frau.36 32 33 34 35
Elishe 7, p. 197f. Elishe 7, p. 198 (Übers. nach Thomson). Elishe 7, p. 198f. PLRE II, Ztathius, S. 1207. Es ist deutlich, dass die griechischsprachigen Autoren mit den einheimischen kaukasischen Eigennamen wenig anfangen konnten, es fragt sich aber, wie man sich die lazische Herrscherreihenfolge des 6. Jahrhunderts vorzustellen hat, da Malalas hier über Ztathios berichtet und Prokop ausführlich über Gubazes, bei Prok. Bell. 8,9,7f. aber erwähnt, wie der persische Feldherr Nabedes bei den Apsiliern auf die Römerin Theodora trifft, die Witwe des früheren Lazenkönigs Opsites, des Onkels des Gubazes. War dieser Opsites mit dem Ztathios des Malalas identisch, ein kleinerer König, oder eine ganz andere Person, die zwischen Ztathios und Gubazes regierte? In Anbetracht dessen, dass die römische Frau des Ztathios bei Malalas Valeriana heißt, werden sie wohl nicht identisch gewesen sein. 36 Ioh. Mal. 17,9; Ioh. Nik. 90,35–38; Chron. Pasch. 522.
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Daraufhin habe es laut Malalas zwischen den Herrschern einen Austausch gegeben, da Kawadh Justin ausrichten ließ: Freundschaft und Frieden herrscht zwischen uns in Wort und Tat; und Du begehst Dinge wie ein Feind. Siehe, Du hast nämlich den Lazenkönig, der mir untertan ist, Deinerseits inthronisiert; er untersteht aber nicht der römischen Leitung, sondern seit Menschengedenken dem Staat der Perser.37
Darauf habe Justin geantwortet: Wir haben keinen der Untergebenen eures Königreiches dazugenommen, noch auf ihn eingewirkt – nein, ein gewisser Mann namens Ztathios ist zu uns in unseren Kaiserpalast gekommen. Er fiel uns zu Füßen und flehte uns an, man möchte ihn doch vom abscheulichen Heidenglauben, unheiligen Opfern, Verirrung durch unreine Geister erlösen, und er wolle Christ werden, gewürdigt der Macht des ewigen Gottes und des Schöpfers von allem. Und es war nicht statthaft, ihn, der in eine bessere Ordnung gelangen und den wahren Gott anerkennen wollte, davon abzuhalten. Infolgedessen haben wir ihn, nachdem er Christ geworden und der himmlischen Sakramente teilhaftig geworden war, in sein eigenes Land entlassen.38
Lapidar fasst Malalas zusammen: Und daraus entstand Feindschaft zwischen Römern und Persern.39
Diese milderst sich vorerst durch die Affäre um den Hunnen Zilgibis, die beide Herrscher sich wieder einander annähern lässt, ab.40 Bezüglich der Episode ist festzuhalten, dass die Ereignisgeschichte korrekt erfasst sein wird, die Schreiben aber – wie des Öfteren bei Malalas – geschönte römische Verlautbarungen für die Öffentlichkeit wiedergeben.41 Es ist zwar richtig, dass der römische Kaiser – wie weiter oben gezeigt – religiösen Verpflichtungen bezüglich christlicher Flüchtlinge unterlag, allerdings dürfte er kaum eine solche 37 Ioh. Mal. 17,9 (Übers. nach Thurn/Meier): φιλίας καὶ εἰρήνης ἀναµεταξὺ ἡµῶν λαλουµένης καὶ γινοµένης τὰ ἐχθρῶν πράττεις. ἰδοὺ γὰρ τὸν ὑποκείµενόν µοι βασιλέα Λαζῶν αὐτὸς προεχειρίσω, µὴ ὄντα ὑπὸ τὴν Ῥωµαίων διοίκησιν, ἀλλʼ ὑπὸ τὴν Περσῶν πολιτείαν ἐξ αἰῶνος. 38 Ioh. Mal. 17,9 (Übers. nach Thurn/Meier): ἡµεῖς τινα τῶν ὑποκειµένων τῇ ὑµετέρᾳ βασιλείᾳ οὔτε προσελαβόµεθα οὔτε προετρεψάµεθα, ἀλλʼ ἐλθὼν πρὸς ἡµᾶς τις ὀνόµατι Ζτάθιος εἰς τὰ ἡµέτερα βασίλεια ἐδεήθη προσπίπτων ἡµῖν ῥυσθῆναι µυσαροῦ τινος καὶ Ἑλληνικοῦ δόγµατος καὶ θυσιῶν ἀσεβῶν καὶ δαιµόνων ἀδίκων πλάνης καὶ γενέσθαι χριστιανός, ἀξιούµενον τῆς δυνάµεως τοῦ αἰωνίου θεοῦ καὶ δηµιουργοῦ τῶν ἁπάντων. καὶ κωλῦσαι τὸν βουλόµενον εἰς βελτίονα τάξιν ἐλθεῖν καὶ γνῶναι θεὸν ἀληθινὸν οὐκ ἐνεδέχετο, ὥστε χριστιανὸν αὐτὸν γενόµενον καὶ ἀξιωθέντα τῶν ἐπουρανίων µυστηρίων εἰς τὴν ἰδίαν ἀπελύσαµεν χώραν. 39 Ioh. Mal. 17,9 (Übers. nach Thurn/Meier): καὶ ἐγένετο ἐκ τούτου ἔχθρα µεταξὺ Ῥωµαίων καὶ Περσῶν. 40 Ioh. Mal. 17,10. 41 Es ist bemerkenswert, dass Johannes von Nikiu den Inhalt dieser Schreiben praktisch gleich wiedergibt, Ioh. Nik. 90,39f., und vor allem auch das recht offiziöse (vgl. Howard-Johnston 2021, 17) Chronikon Paschale für das Jahr 522. Im Vergleich mit Malalas sind die Episoden auch in ihrem Ablauf nahezu identisch. Zum „Propagandacharakter“ des Malalas siehe Anhang 1 der vorliegenden Arbeit.
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Nachricht an Kawadh geschickt haben, die nicht nur die Frage der Investitur ignoriert, sondern den Großkönig auf religiöser Basis drastisch beleidigt. Es wäre ein Fall eingetreten, der – wie oben gezeigt – tunlichst zu vermeiden war, denn ihrer Natur nach absolute religiöse Wahrheitsansprüche machen einen diplomatischen Ausgleich mit Vertretern anderer Religionen unmöglich. Justin dürfte nicht so argumentiert haben und zumindest bei den ausführlichen Historikern des 6. Jahrhunderts, Prokop, Agathias und Menander Protektor, ist ein solches Verhalten eines Kaisers von Justin bis 561 nicht anzutreffen. Gegenüber der römischen Öffentlichkeit dürfte eine solche Darstellung dieses Nachrichtenwechsels allerdings positive Resonanz erzeugt haben, denn sie zeigt Justin als christlichen Kaiser, der in Fragen des Glaubens zu keinem Ausgleich bereit ist und lieber Konflikte mit dem Großkönig riskiert, als einen Konvertiten abzuweisen. Die im modernen Sinne weit mehr politische als religiöse Seite des Umganges mit Ztathios – seine Investitur – wird in diesem Nachrichtenwechsel ausgeblendet. Justin handelt darin aus hehren Motiven, nicht aus bloßen machtpolitischen Aspekten. Es gilt in jedem Fall festzuhalten, dass Ztathios die Option hatte, sich der römischen Seite zu unterstellen, was für die Folgezeit bedeutsam sein wird. 527/528 kommt es aber, nunmehr zur Herrschaftszeit Justinians, des Seitenwechsels wegen zum Krieg zwischen Persern und Lazen, bezüglich dessen Ztathios Justinian um militärische Hilfe bittet, die er laut Malalas gesandt habe, nicht nur in Form der Entsendung von Truppen, sondern auch durch die drei Feldherren Belisar, Kerykos und Eirenaios. Es gibt auf beiden Seiten hohe Verluste.42 Wie die späteren Historiker zeigen, war der Versuch Kawadhs, Lazien wieder unter seine Botmäßigkeit zu bringen, zunächst nicht erfolgreich. Den von Malalas geschilderten Ablauf gilt es sich bei den folgenden Ausführungen Prokops vor Augen zu halten. So ist es ein südkaukasischer Vorgang, der im Prokopischen Geschichtswerk den Anstoß für die langwierigen Kriege Justinians im Osten bildet und zugleich für die ersten Kampfhandlungen zur Zeit Justinians (noch als Feldherr) und Belisars, die Prokop nach seiner Archäologie des ersten Buches schildert:43 Kawadh habe einen Einfall ins Imperium unternehmen wollen, sich aber durch die Iberer daran gehindert gesehen, die ihm zwar untertan, aber Christen waren. Er will sie zuerst vom Christentum abbringen und zum Zoroastrismus bekehren, weshalb er sich an ihren König Gurgenes wendet. Daraufhin wendet sich Gurgenes wiederum an Kaiser Justin. Dieser solle ihm eidlich versprechen, die Iberer nicht den Persern preiszugeben. Justin sagt zu und lässt in Bosporos (das sich Justin unlängst unterstellt hat) Hunnen zur Unterstützung der Iberer anwerben. Als dies nicht gelingt, schickt der Kaiser den Feldherrn Petros mit anderen Hunnen nach Lazika, um dort für Gurgenes zu wirken. Kawadh schickte derweil ein Heer 42 Ioh. Mal. 18,4; Theophan. Conf. a. 6020; Chron. Pasch. 528; Ioh. Nik. 90,52f. Bei HowardJohnston 2008a, 122, werden die Ereignisse als römischer Gegenschlag für die Ereignisse ab 502 dargestellt. PLRE IIIA, Cerycus, S. 278f; PLRE II, Irenaeus 7, S. 625f. 43 Prok. Bell. 1,12. Zum Status der Lazen im Werk Prokops siehe die Arbeit Sartor 2018; zum transkaukasischen Kriegsschauplatz bei Prokop Stickler 2019.
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gegen Gurgenes und die Iberer, der mit dem iberischen Adel nach Lazika flieht, da er keine genügende römische Unterstützung bekommen hat. Nach ihrer Ankunft im lazischen Gebiet machten sie halt und leisteten im Schutze des unwegsamen Geländes den Feinden Widerstand. Die Perser aber, die ihnen gefolgt waren, konnten gegen sie nichts Wesentliches ausrichten, da ihnen das Land in seiner Unzugänglichkeit Schwierigkeiten bereitete.44
Die Iberer fliehen schließlich nach Konstantinopel. Der Kaiser tritt dafür ein, Iberien auch gegen den Willen der Lazen mit diesen zusammen zu verteidigen. Zu diesem Zweck lässt er zwei Festungen im kargen lazisch-iberischen Grenzgebiet mit Römern besetzen. Anfangs wurden sie von den Lazen mühsam mit Lebensmitteln versorgt, später aber stellten diese ihre Leistung ein, worauf die Römer die Festungen aufgaben und die Perser sie mühelos in Besitz nehmen konnten.45
Daraufhin treten das erste Mal Justinian und Belisar im Krieg in Erscheinung und bald wird Prokop Belisar beigeordnet. Das geschilderte Geschehen ist vielschichtig. Prokop weiß nicht, warum Kawadh jetzt einen Einfall planen sollte und versucht es auch nicht zu begründen. Allein aus den Taten kann er es offenbar auch nicht ableiten. Die Prinzipien lassen sich jedoch erahnen: Unabhängig davon, ob es in zwei Monaten oder in zwei Jahren wieder Krieg mit den Römern geben wird, so ist doch ziemlich wahrscheinlich, dass es in Anbetracht der gespannten Situation (man denke an die Affäre um den Adoptionswunsch bezüglich Chosraus) wieder zum Krieg kommen wird, da es aus verschiedenen Gründen immer wieder Krieg zwischen Römern und Persern gab. In den letzten Jahrzehnten haben die Römer ihre geopolitische Situation allerdings verbessert, was in Anbetracht der Ideologie des Gleichgewichts bedeutet, dass sich die Lage der Perser aus deren Sicht verschlechtert haben muss. Und wenn die Römer über Lazika verfügen, muss Kawadh dem etwas entgegensetzen, um sich ebenfalls eine gute Position im südkaukasischen Raum zu sichern, wozu sich die engere Anbindung der benachbarten Iberer an das Sasanidenreich anbietet. Lange Jahre hat die Religion der Iberer nicht gestört, nun aber wird sie als diplomatisches Mittel zur engeren Anbindung (wie es andernorts mit dem Christentum über die römische Mission geschehen konnte) relevant, zumal in Anbetracht der aktuellen Lage im direkt benachbarten Lazika Kawadh die Iberer als „fünfte Kolonne“ der römischen Seite gefürchtet haben könnte. Die Religion im Sinne der Glaubensinhalte dürfte ihm dahingehend gleichgültig sein, da es allein 44 Prok. Bell. 1,12,12f. (Übers. nach Veh): ἐν δὲ τοῖς Λαζικῆς ὁρίοις γενόµενοι ἔµενον ταῖς τε δυσχωρίαις φραξάµενοι τοὺς πολεµίους ὑφίσταντο. Πέρσαι δὲ αὐτοῖς ἐπισπόµενοι οὐδὲν ὅ τι καὶ λόγου ἄξιον ἔπρασσον, τοῦ πράγµατος σφίσι διὰ τὰς δυσχωρίας ἀντιστατοῦντος. 45 Prok. Bell. 1,12,19 (Übers. nach Veh): οἷς δὴ κατ̓ ἀρχὰς µὲν ἐπιτήδεια µόλις Λαζοὶ ἔφερον, ὕστερον δὲ αὐτοί τε πρὸς τὴν ὑπουργίαν ἀπεῖπον καὶ Ῥωµαῖοι τὰ φρούρια ταῦτα ἐξέλιπον, οἵ τε Πέρσαι πόνῳ αὐτὰ οὐδενὶ ἔσχον. Dazu auch Prok. Bell. 8,13,15–20. PLRE II, Gurgenes, S. 527.
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um Fragen kultureller Nähe und Loyalität geht. Militärisch erobern muss er das iberische Land nicht, denn es gehört ja bereits zu seinem Machtbereich. Er will sich also kultureller Methoden bedienen. Die Frage ist, ob er nicht hätte sehen können, dass dies die Iberer in solchem Maße gegen ihn aufbringen würde, dass sie sich an die römische Seite wenden würden. Das lässt sich nicht sagen, seine Absicht wird das Geschehene keinesfalls gewesen sein, denn schließlich hatten die Römer nun einen Verbündeten mehr und genug Zeit, ihr Vorgehen zu planen. Es wird ein Risikospiel Kawadhs gewesen sein, da die Optionen knapp bemessen waren: Wenn es funktionierte, Iberien an sich zu binden, wäre die Lage gegenüber Rom besser. Wenn es nicht funktionierte, käme es zum Krieg. Irgendwann würde es aber sowieso wieder zu einem derartigen begrenzten Krieg kommen. Finanziell und in jeder anderen Hinsicht wäre die Option besser, die Iberer ruhig und im Frieden zum Zoroastrismus und damit mittelbar auch zu größerer Nähe zum Sasanidenreich und Kawadh zu bringen. Da aber im Fall der Vermeidung des Dilemmas – in Form der absoluten Untätigkeit Kawadhs, die Gefahr droht, dass die Iberer im schlimmsten Fall irgendwann von allein zu Rom überlaufen würden (denn über diese Freiheit verfügen sie!), ist doch der riskante Versuch besser, dem schon jetzt einen Riegel vorzuschieben. Entsprechend greift Kawadh an, als klar wird, dass sich die Iberer ihm gar nicht völlig unterwerfen wollen. Dies gibt ihm auch einen Kriegsgrund.46 Rom sucht beim Auftreten der Iberer noch nicht die direkte Konfrontation mit dem Sasanidenreich. Nicht umsonst werden zwei Anläufe unternommen, es durch den Einsatz der Hunnen bei einem Stellvertreterkrieg zu belassen, der das römische Territorium, die römische Armee und den Staatshaushalt am wenigsten belasten würde. Da sich keine hunnische Truppe gewinnen lässt, werden Hunnen unter römischer Führung eingesetzt, wobei an eine covert operation zu denken ist, für die 46 Hätte er Iberien, das bereits zu seinem Machtbereich gehörte, gleich angegriffen und gewaltsam annektiert – also der königlichen Verwaltung entzogen und der persischen Administration unterstellt – hätte dies ebenfalls zu einer römischen Einmischung nach einem dahingehenden Hilferuf der Iberer führen können. Der größte Nachteil eines solchen Vorgehens – neben der sofortigen und drastischen Eskalation der Lage – wäre der, dass Kawadh keinen Rechtfertigungsgrund gehabt hätte, ein Volk zu überfallen, das sich ihm bereits unterstellt hatte. Dies hätte seinem Ansehen sowohl unter den persischen Großen, seinem Volk als auch im Austausch mit anderen kaukasischen Herrschaften und vor allem den Römern geschadet, wäre es doch nicht zuletzt ein Anreiz für die den Iberern benachbarten Gebiete, sich ebenfalls dem Imperium zu unterstellen, da ihnen das gleiche Schicksal wie den Iberern drohen könnte. Es hätte wohl auch den christlichen Kaukasusraum in sich mehr zusammengeschweißt. Zur Bedeutung des Christentums in diesem Raum und der mit der Mission verbundenen Gefahr für das Sasanidenreich Howard-Johnston 2021, 19: „Since its first appearance in these northern lands, Christianity had acted as a corrosive agent, breaking down the traditional cultural connections between the local nobilities of the region and those of the Iranian plateau and its fringing mountains. Behind the advance of the new faith, Roman authority had been pushed outwards step by step towards the main Persian dependencies in Transcaucasia.“ Vgl. ebd. 113.
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das Imperium im Zweifelsfall keine Verantwortung übernehmen musste. Die Hunnen würden als Söldner auf iberischer Seite erscheinen, womit Rom nominell keinen Krieg führen würde. In Anbetracht der Methode, dass Rom wie Persien in ihren Konflikten immer wieder die Schuld an den Eskalationen und Vertragsbrüchen abstreiten, um möglichst nichts zugeben zu müssen, was sie in eine schlechtere Verhandlungsposition bringen würde, ist dies ein nachvollziehbares Vorgehen, das ähnlich noch in der Gegenwart praktiziert wird.47 Als die Gefechte aber in Lazika und damit auf einem dem Imperium unterstellten Territorium stattfinden, ist es offenkundig, dass Rom mit offenen Karten spielen kann. Andernfalls müsste sich der Kaiser fragen lassen, wie er denn den Iberern Schutz zusichern könne, da sie doch gar nicht seine Untertanen sind? Die Sachlage ist klar, als in Lazien Krieg herrscht und die iberischen Großen in Konstantinopel sind. Aus persischer Sicht ist es nach wie vor eigentlich nur ein Krieg gegen die Iberer, der sich nun teils auf römisch dominiertem Boden abspielt. Ihren Willen zum Krieg demonstrieren die Perser dann, indem sie ebenfalls mit offenen Karten spielen: Sie übernehmen die beiden römischen Festungen in Lazika. Auch wenn diese unbesetzt sind, so nehmen sie doch Festungen ein, die kurz zuvor römisch besetzt waren. Das letzte aller Mittel wird nun ergriffen: der offene Krieg. Es ist ohne Augenwischerei deutlich, dass beide Seiten um die derzeitige Lage wissen. Sie kämpfen schon eine Weile gegeneinander, aber auf einer niedrigeren Ebene. Wenn nun der Kaiser die Feinde des Großkönigs in Konstantinopel schützt und die Perser römische Festungen einnehmen, ist alles gesagt, was es zu sagen gibt. Die Gründe sind ausreichend gegeben. Es ist verständlich, dass die Lazen an all dem keinerlei Interesse hatten, denn es ist einzig ihr Land, das in Mitleidenschaft gezogen wurde, obwohl innerhalb der beteiligten Parteien der Römer, Perser, Iberer und Lazen sie die einzigen waren, die keinen Anteil an der Eskalation der Lage hatten. Ebenso ist nachvollziehbar, dass die beiden Festungen, die von römischen Truppen bezogen wurden, bald keine Versorgung mehr durch die lazische Seite erfuhren, denn diese Versorgung würde den Lazen doch im Nachhinein nur zum Schaden gereichen, da es diese Festungen sein würden, und damit erneut lazisches Gebiet, wo mit einem Zusammenstoß zwischen den Mächten zu rechnen war. Da die Kriege dieser Zeit üblicherweise mit Einfällen in gegnerisches Territorium geführt wurden, um mittels der Zerstörung die eigene Kraft und Entschlossenheit zu zeigen, die Gegner einzuschüchtern, mit Schaden zum Einlenken zu bewegen und Beute zu machen, konnten die Lazen wissen, dass sie ganz besonders unter der Eskalation zu leiden haben würden, an der sie keinen Anteil hatten und von der sie letztlich wohl auch keinen Vorteil haben würden. Sollten sie einmal unter persische Vorherrschaft
47 Die moderne Analogie ist der Einsatz von Soldaten und Einheiten ohne Hoheitszeichen, durch die sich Staaten an Konflikten beteiligen, mit denen sie nicht in Verbindung gebracht werden wollen. Diese Truppen sind über kurz oder lang zu identifizieren, aber ein Nachweis ist schwierig.
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geraten, würde ihnen die Kooperation mit der römischen Seite wahrscheinlich noch zum Schaden ausgelegt. Der Konflikt zwischen den Großmächten entwickelt sich im Folgenden in den üblichen Bahnen eines Einfallskrieges, mittels dessen ein für die eigene Seite besonders vorteilhafter „Deal“ herausgehandelt werden sollte. Für die Frage der Handlungsspielräume der Iberer und ihres Einflusses auf die Großmächte ist zu bedenken, dass die so erklärten Vorgänge eine unausgesprochene Voraussetzung hatten, derer sich Gurgenes und die Seinen bewusst sein mussten: Gurgenes konnte offenbar davon ausgehen, dass Justin seinem Ansinnen positiv gegenüberstehen würde. Diese lapidare Feststellung ist von einiger Tragweite, wenn man den gegenteiligen Fall konstruiert: Kawadh will Iberien fester an sich binden und drängt Gurgenes darum zur Konversion. Dieser bittet Justin daher um die eidliche Zusage, die Iberer nicht den Persern preiszugeben. Der Kaiser antwortet aber, dass ihm der Schutz der Iberer nicht das Risiko wert sei, sich mit Kawadh zu verfeinden. Gurgenes solle sich auch nicht auf lazisches Gebiet begeben, um keinen Anlass zum Krieg zwischen Rom und Persien zu bieten. Dem war aber nicht so. Gurgenes konnte offenbar damit rechnen, dass man ihm im Imperium nicht nur Schutz zusagen, sondern ihn auch militärisch unterstützen würde. Er nutzte die als Hintergrund der Episode zu erkennende besondere Lage seiner Herrschaft, die inmitten der fragilen Kontaktzone der Großmächte für beide von Interesse war, um sich auf die andere Seite zu schlagen. Dabei wird auch die Rolle des Kaisers als eines christlichen Schutzherrn wichtig sein, denn auch diese nutzt Gurgenes für sein diplomatisches Ansinnen; wird es doch dieses Element sein, an dem er Justins Verantwortung für die Iberer festmacht, die ihm politisch eben nicht unterstanden. Letztlich nutzt Gurgenes damit diplomatische Methoden, derer sich auch die Großmächte untereinander bedienen. Dies spricht für ein Verständnis derartiger Abläufe, da ein solches nötig ist, um innerhalb dieser Zusammenhänge im eigenen Interesse agieren zu können. Dabei zeigt sich auch ein zweites Element der zwischen den Imperium stehenden politischen Akteure: Gurgenes wird nicht die Absicht gehabt haben, die Großmächte zum Krieg zu treiben, mittelbar hatte sein Handeln aber genau diese Folge. Sein Interesse dürfte eher darin bestanden haben, seinen Glauben sowie seine eigene Stellung und damit nicht zuletzt seine Machtposition zu bewahren, aber bereits kleine Erschütterungen des empfindlichen Grenzraumes konnten von großer Wirkung auf das Verhältnis der römischen und persischen Anrainer sein. Wiederum spielt in der Episode auch die besondere Beschaffenheit des südkaukasischen Raumes für militärische Operationen eine Rolle: So ist das lazischiberische Land laut Prokop so karg, dass Festungen nur schwer zu versorgen und daher schwer zu halten sind, zugleich sorgt die Unwegsamkeit des lazischen Grenzgebietes dafür, dass Gurgenes dort eine Weile einen Guerillakrieg gegen die
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persischen Truppen führen kann, obwohl er keine große Unterstützung durch das Imperium erfahren hatte. Die „Unangreifbarkeit“ der südkaukasischen Herrscher, die bereits oben im albanischen Fall deutlich wurde, ist hier nicht nur naturräumlich, sondern auch machtpolitisch durch die Option zum Seitenwechsel zu verstehen: Da beide Seiten an ihnen interessiert sind, wird sie keine Seite abweisen. So lange die Seiten in Konkurrenz stehen, besteht auch diese Freiheit der zwischen ihnen stehenden Akteure.48 Diese eigentümliche Freiheit, die sogar für an sich politisch unbedeutende und geradezu neutrale politische Verbünde gelten konnte, wenn ihre Lage nur geeignet genug war, demonstriert Prokop mit dem Beispiel der Tzanen. Diese hätten auf sehr unwegsamen Bergen zwischen Armenien und Persarmenien bei der Quelle des Phasis gelebt und wären seit jeher frei (also neutral) gewesen. Sie lebten von Raubzügen gegen die umwohnenden Römer und andere. Um das zu verhindern, schickte ihnen der römischer Kaiser jährlich Gold und sie gaben Eide dafür, nicht zu plündern. An diese fühlten sie sich aber nicht gebunden, sondern plünderten weiter, bis ans Schwarze Meer.49 Ihre Beutezüge dauerten dabei nur kurze Zeit, worauf sie sich sogleich wieder nach Hause zurückzogen. Stießen sie vielleicht einmal auf ein römisches Heer, so unterlagen sie wohl im Kampfe, waren aber infolge der Unwegsamkeit des Geländes ganz und gar nicht zu fassen.50
Bereits die Selbstverständlichkeit, mit der dies von Prokop erwähnt wird, illustriert, dass sie militärisch nur schwer zu greifen waren. Bezeichnend ist nun, wie der Ausweg aus dieser Situation aussieht: Sittas nun hatte sie vor diesem Krieg in einer Schlacht besiegt und durch viele gute Worte und entsprechende Maßnahmen völlig auf seine Seite zu ziehen vermocht.51
Sie schlossen sich dem römischen Heer an und wurden Christen.52 Dies muss um das Jahr 525 gewesen sein. Es lässt sich wohl guten Gewissens sagen, dass selbst dieses politisch so unbedeutende Volk eine erhebliche Freiheit – sowohl durch die naturräumliche Lage als wahrscheinlich auch die Grenzposition bedingt – besessen haben muss, wenn 48 Vgl. Hitchins 2001, 464: „Between the 3rd and 7th centuries C.E. Iberia maintained a precarious existence between the two great rivals for control of the Caucasus, namely Persia and Rome (later Byzantium). Georgian kings successfully played one off against the other and thereby preserved their freedom of action.“ 49 Prok. Bell. 1,15,19–22. 50 Prok. Bell. 1,15,23f. (Übers. nach Veh): […] δι᾿ ὀλίγου τε τὴν ἔφοδον πεποιηµένοι εὐθὺς ἐπ̓ οἴκου ἀπεκοµίζοντο. καὶ Ῥωµαίων ἴσως ἐντυχόντες στρατῷ ἡσσῶντο µὲν τῇ µάχῃ, ἁλώσιµοι δὲ παντάπασιν οὐκ ἐγίνοντο χωρίων ἰσχύϊ. 51 Prok. Bell. 1,15,24 (Übers. nach Veh): […] µάχῃ τοίνυν ὁ Σίττας αὐτοὺς πρὸ τοῦδε τοῦ πολέµου νικήσας, ἐπαγωγά τε πολλὰ ἐς αὐτοὺς εἰπών τε καὶ πράξας, προσποιήσασθαι παντελῶς ἴσχυσε. 52 Prok. Bell. 1,15,25.
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es regelmäßig Eide brechen sowie den Kaiser betrügen konnte und ein römischer Feldherr sich noch nach einem Sieg des Mittels der Überredung bedienen musste, um es auf seine Seite zu ziehen. Prokop kritisiert das nicht. Es ist ein zwangsläufiger Teil der dortigen politischen Situation. Eine ähnliche Anschauung steht möglicherweise auch hinter einer etwas rätselhaften, 537 anzusiedelnden Episode am Ende des ersten Buches des Prokopischen Geschichtswerk, da ein gewisser Soldat Johannes einen Umsturz in der Stadt Daras angezettelt und sich zum τύραννος aufgeschwungen haben soll. Im dortigen Palast habe er sich niedergelassen und seine Herrschaft gefestigt.53 Diese aus heutiger Warte etwas skurrile Episode kommentiert Prokop aber unerwartet: Hätten damals die Perser nicht mit den Römern in Frieden gelebt, so wäre für die Römer daraus entsetzliches Unheil entstanden. So aber ließ es der vorausliegende Vertrag, von dem ich bereits sprach, nicht dazu kommen.54
Am vierten Tag nach seinem Aufstand wird Johannes durch eine Verschwörung abgesetzt und der Palast niedergebrannt, er selbst später getötet.55 Die Episode hat durch ihren Kontext geradezu den Charakter des Bathos: Nach all den gewaltigen Geschehnissen des ersten Buches in Prokops Geschichtswerk – dem Proöm, der Archäologie, den Taten des Belisar, dem Konflikt zwischen den Reichen unter Justinian und Kawadh, den Kampfhandlungen, dem Aufstieg Chosraus, dem Schluss des Ewigen Friedens, dem Nikaaufstand und dem Sturz Johannes des Kappadokers endet das Buch ausgerechnet mit einem Unbekannten, der für vier Tage in einer einzigen Stadt die Macht an sich reißt und an dessen Sturz ein Wurstverkäufer56 beteiligt gewesen sein soll. Seinem Urteil nach zu schließen, empfand Prokop dieses auch von anderen Autoren erwähnte57 Ereignis allerdings nicht als komisch, sondern als großes Gefahrenpotential. Fragt man sich, worin dies bestanden haben soll, so lässt sich erneut auf die besondere Natur des Grenzraumes verweisen: Daras war einer der zentralen Angelpunkte römisch-persischer Konflikte seit seiner Befestigung durch Anastasios, von der römischen Seite als Grenzfestung großer Bedeutung gehütet und von der persischen als eben solche erstrebt. Wie die Mächte des Kaukasus – aber noch darüber hinaus – ist auch diese Stadt ein Ort hoher Fragilität im römisch-persischen Machtgefüge, eine potentielle Bruchstelle dieses Gefüges, wie ein schwaches Kettenglied in dem Band, das beide Seiten verbindet. Die Gefahr der Erhebung des Johannes bestand darin, dass er Ambitionen gehabt haben könnte, die Situation der Stadt nach Art der südkaukasischen Herrscher für seine eigenen Zwecke zu 53 Prok. Bell. 1,26,5f. PLRE IIIA, Ioannes Cottistis, S. 639f. 54 Prok. Bell. 1,26,7 (Übers. nach Veh): καὶ εἰ µὴ Πέρσας ἔχεσθαι εἰρήνης ἐς τοὺς Ῥωµαίους τηνικαῦτα ξυνέβη, ἀνήκεστα ἂν ἐνθένδε Ῥωµαίοις ἐγεγόνει κακά. νῦν δὲ τοῦτο ἐκώλυσε φθάσασα, ὥσπερ µοι ἐρρήθη, ἡ ξύµβασις. 55 Prok. Bell. 1,26,8–12. 56 Prok. Bell. 1,26,9. 57 Marc. Com. addit. a. 537.4; vgl. Ps.-Zach. Rhet. 10,1,c; Greatrex/Lieu 2002, 101. Bei Marcellinus trägt dieser Johannes den Beinamen Cottistis.
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nutzen, indem er damit drohen konnte, sie an die persische Seite zu übergeben. Dabei war das Potential seiner eigenen Ambitionen äußert gering und wohl nicht Prokops Sorge, denn welche Art von Herrschaft sollte er schon in dieser einzelnen Stadt ausüben, die sich nicht im schlimmsten Fall militärisch, sei es von römischer oder persischer Seite, beenden ließe? Er hatte im Gegensatz zu den südkaukasischen Herrschern nicht das Glück, in seinem Herrschaftsbereich für die Großmächte militärisch nur äußerst schlecht erreichbar zu sein. Die Gefahr bestand wohl vielmehr darin, dass die Erschütterungen, die der Umsturz mit sich brachte, dazu hätten führen können, dass die Stadt unter mehr oder weniger großer Beteiligung des Johannes den Persern anheim fallen würde und damit dem Imperium ein wichtiger Trumpf aus der Hand genommen wäre.58 Dies verhinderte der momentane Frieden. Prokop bietet damit einen Ausblick auf die Geschehnisse des zweiten Buches, da die Phase des Friedens beendet sein wird. Einen weiteren Fall, der wiederum zeigt, dass es bezüglich der besonderen Rolle der Akteure zwischen den Großmächten nicht auf die militärische Schlagkraft, wirtschaftliche Ressourcen oder auch nur ein hohes Maß politischer Organisation ankam, findet sich im zweiten Buch Prokops.59 Der Überläufer Symeon, der das Pharangion-Gebiet den Römern zugespielt hatte, erhält von Justinian einige Dörfer mit armenischen Bewohnern.60 Er wird von den früheren Eigentümern ermordet, seine Mörder fliehen ins Sasanidenreich und Justinian überträgt das Eigentum Symeons Neffen Amazaspes. Der aber wird von seinem Verwandten Akakios bei Justinian verleumdet, die Armenier zu misshandeln und die Absicht zu hegen, Theodosiopolis und andere Städte an die Perser verraten zu wollen. Im Auftrag des Justinian ermordet Akakios Amazaspes und bekommt dessen Stellung.61 Er ist grausam und legt den Armeniern hohe Abgaben auf, die sie nicht zahlen können. Darum verschwören sie sich, ermorden ihn und suchen im Pharangion-Gebiet Zuflucht. Betrachtet man diese Abläufe, so tragen sie viele Züge eines Westerns: Es geht um Landeigentum, Fragen des Rechts und Goldminen, Korruption und Verleumdung, Morde aus Habgier unter Verwandten, Rache, Grenzgemeinden im Würgegriff eines habgierigen Vorgesetzten, die sich gegen denselben gewaltsam und in Selbstjustiz zur Wehr setzen, eine Gegend voller feindseliger Einheimischer, die gewissenlose Akteure anzieht, und immer wieder nimmt die Natur der 58 Eine eventuell ähnliche Episode auf persischer Seite findet sich bei Jos. Styl. 22, da der Versuch der Errichtung einer Sonderherrschaft in Nisibis zur Zeit des Kawadh erwähnt wird. 59 Prok. Bell. 2,3,1–7. 60 Prok. Bell. 2,3,1; vgl. 1,15,27–30; Preiser-Kapeller 2010, 156f. PLRE IIIB, Symeon 1, S. 1211f. 61 Zur von Prokop übergangenen Justinianischen Rechtsreform Armeniens Güterbock 1900, 57f.; Adontz 1970, 142–154; Bowersock 1982, 171; Labas 2018, 182; zur administrativen Reform Edwell 2015, 243; generell Güterbock 1900, 3; Adontz 1970, 109; Grousset 1984, 239f.; Redgate 1998, 154. Worum es sich bei der Stellung des Akakios genau handelte, wird im Kapitel 19.5 der vorliegenden Arbeit zur Sprache gebracht. PLRE IIIA, Amazaspes, S. 54; Acacius 1, S. 8f.
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frontier eine entscheidende Rolle ein. Einerseits ist es die Grenze zwischen Imperium und Sasanidenreich (analog zu den USA und Mexiko), andererseits jene zwischen Siedlungsland und wildem Kaukasus (analog dem „wilden“ Westen) und nicht zuletzt zwischen Zivilisation und Barbarei, da die allgemeine Verrohung der Akteure auf allen Seiten ein wichtiges Element bildet. Diese literarische Gestaltung des Faktorenbündels einer antiken frontier-Situation durch Prokop führt zu Szenen, die aus den literarischen Formen moderner frontier-Situationen bekannt sind. Für die Frage nach den Hintergründen der besonderen Stellung der kleineren Akteure zwischen den Großmächten ist eines im Hinterkopf zu behalten: Es handelt sich hier um eine Weltgegend, in der man sich selbst helfen musste, um sein Recht zu erlangen. Es war kein Verlass auf politische und juristische Mechanismen. Dies wird bei der Frage nach der speziellen geistigen Disposition, die zu den häufigen Seitenwechseln führte, noch von Bedeutung sein. Prokop fährt in seiner Schilderung damit fort, dass Justinian Sittas gegen die Armenier schickt.62 Nach seiner Ankunft in Armenien betrieb er die Kriegsführung zunächst nur lässig, suchte vielmehr gütlich auf die Bevölkerung einzuwirken und die früheren Verhältnisse wieder herzustellen. Aus diesem Grunde versprach er ihnen auch, beim Kaiser darauf hinzuarbeiten, dass ihnen die neue Steuerabgabe erlassen werde.63
Er rüstet sich aber zum Kampf, als Adolios, der Sohn des Akakios, viele Vorwürfe über ihn bei Justinian zu Gehör bringt. Er will erst einige Armenier auf seine Seite bringen, es kommt aber zu einem Missverständnis,64 welches dazu führt, dass der Stamm der Aspetianen von Sittas eine schriftliche Sicherheitszusage bekommt, aber trotzdem Frauen und Kinder des Stammes von Römern getötet werden. Es kommt zum Kampf, wobei sich andere Armenier den Aspetianen anschließen.65 62 Prok. Bell. 2,3,8. 63 Prok. Bell. 2,3,9 (Übers. nach Veh): ὃς δὴ ἐς Ἀρµενίους ἐλθὼν τὰ µὲν πρῶτα ἐς τὸν πόλεµον ὀκνηρῶς ᾔει, τιθασσεύειν µέντοι καὶ ἐπὶ τὰ πρότερα ἤθη ἀντικαθιστάναι τοὺς ἀνθρώπους ἠπείγετο, πείθειν βασιλέα ὑποσχόµενος ἀφεῖναι αὐτοῖς τὴν καινὴν τοῦ φόρου ἀπαγωγήν. 64 Zur genauen Natur dieses Missverständnisses siehe die Arbeit Andres 2019. Zu den schriftlichen Zusagen in diesem Fall und nach weiterem Seitenwechsel der Aspetianen PreiserKapeller 2010, 158: „The main element of the negotiations between Sittas and the Aspetianoi are the written and sealed pledges in which the conditions of defection were laid down. These documents would bind both sides but had the main purpose of assurance for the aristocrats delivering themselves to a powerful new lord. […] These written pledges are the equivalent of the oaths of fidelity (erdumn, uχt), which verified the caѓayutʽiwn-relation between nobleman and lord according to ancient Armenian customs. As the Armenians ask for written pledges in the history of Procopius, we can assume that they knew within the Roman state system, based on script, one needed written documents to assert his claims.“ Zur caѓayutʽiwnBeziehung siehe besonders ebd. 145 u. weiter unten Kapitel 19.5 der vorliegenden Arbeit. PLRE IIIA, Adolius, S. 16f. 65 Prok. Bell. 2,3,10–19.
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Da aber beide Parteien in schwierigem und steilem Gelände operierten, spielte das Gefecht nicht an einem Platz, sondern zog sich über den Fuß der Berge und über Schluchten hin.66
Sittas fällt.67 Es wird angedeutet, dass es zu Verrat gekommen ist, denn der Arsakide Artabanes, der Sittas hinterrücks getötet haben soll, ist Prokop offenbar nicht nur dem Namen nach bekannt, sondern sein Vater Johannes soll ein Freund des Sittas gewesen sein und er wird später noch wie selbstverständlich auf römischer Seite kämpfen.68 Justinian setzt Buzes als Befehlshaber ein, der den Armeniern durch Gesandte mitteilen lässt, er wolle sie mit dem Kaiser versöhnen. In Wahrheit aber will er sie mit List fangen. Diese List wird allerdings erkannt und nur der Arsakide Johannes, der Vater des Artabanes, gefangen und getötet.69 Seitdem bestand für die Armenier keine weitere Aussicht mehr, mit den Römern zu einer Verständigung zu kommen, und da sie auch den Kaiser nicht durch Krieg besiegen konnten, begaben sie sich unter Führung des Bassakes, eines tatkräftigen Mannes, zum Perserkönig.70
Wieder tritt ein wesentliches Element hinzu: die Unwegsamkeit und militärische Schwierigkeit des Geländes. Es dürfte außer Frage stehen, das ein römischer Feldherr wie Buzes, oder gar der berühmte Sittas, in der Lage gewesen sein dürfte, in offener Feldschlacht die armenische Truppe zu vernichten. Es gibt solche Schlachten aber in dem in Frage stehenden Gebiet nicht und daher sind sich beide Feldherren darin einig, die militärische Lösung hintanzustellen. Es ist offenbar nicht schändlich, dass Sittas und Buzes nicht sofort versuchen, mit der aufständischen Gruppe militärisch fertig zu werden, sondern beide sich anfangs bemühen, die Situation anderweitig zu lösen, Sittas mit Verhandlung, Buzes mit List. Offenbar war beiden die Schwierigkeit einer militärischen Konfrontation bewusst, die sich am Beispiel des Sittas bewahrheiten sollte.71 Das Verhalten des Artabanes aber soll bei der Frage nach dem südkaukasischen Loyalitätsverständnis noch eine Rolle spielen.72 In diesem Moment hat Prokop jedenfalls wiederum das Faktorenbündel aufgebaut, das den Weg selbst für einen kleinen oder kleinsten politischen Verbund wie die armenische Gruppe – die nicht einmal eine angestammte Form, geschwei66 Prok. Bell. 2,3,19 (Übers. nach Veh): ἅτε δὲ ἐν δυσχωρίαις χαλεπαῖς τε καὶ κρηµνώδεσιν ἑκάτεροι ὄντες οὐκ ἐν ἑνὶ χώρῳ ἐµάχοντο, ἀλλὰ διασκεδαννύµενοι ἔν τε ὑπωρείαις καὶ φάραγξι. 67 Prok. Bell. 2,3,20–26. 68 Prok. Bell. 2,3,29. Ausführlich zu Artabanes Kapitel 19.5 weiter unten. 69 Prok. Bell. 2,3,27–31. PLRE IIIA, Buzes, S. 254–257; Ioannes 28, S. 641. 70 Prok. Bell. 2,3,31 (Übers. nach Veh): ἀπ̓ αὐτοῦ οὔτε τινὰ ἐλπίδα ἐς Ῥωµαίους Ἀρµένιοι ξυµβάσεως πέρι τὸ λοιπὸν ἔχοντες οὔτε βασιλέα τῷ πολέµῳ ὑπεραίρειν οἷοί τε ὄντες παρὰ τὸν Περσῶν βασιλέα ἦλθον, Βασσάκου σφίσιν ἡγουµένου, δραστηρίου ἀνδρός. PLRE IIIA, Bassaces, S. 177. 71 Vgl. Browning 1987, 113. Browning sieht in der Episode auch eine Absicht des Sittas, die armenischen Anführer zu entzweien. 72 Siehe Kapitel 19.5 der vorliegenden Arbeit.
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ge denn Dauerhaftigkeit über den momentanen Zweck hinaus hat – ebnet, sich erfolgreich an die andere Großmacht wenden zu können. Die Landschaft, besonders Pharangion, ist als eine etabliert, die zum Grenzraum gehört und schon zuvor eine Bedeutung zwischen den beiden Großmächten hatte,73 zudem ist auch ihre militärische Unwegsamkeit eindrucksvoll demonstriert worden. Da, wie Prokop schreibt, die Armenier aber auch nicht militärisch gegen Justinian bestehen können, nutzen sie die Besonderheit dieser Lage und wenden sich an Chosrau. Es gilt sich dahingehend noch einmal vor Augen zu halten, dass es sich hier nicht um die Ebene handelt, auf der ein König wie Gurgenes, der über ein eigenes Territorium gesetzt ist und über administrative Strukturen, einen Adel usw. verfügt, mit einem anderen Herrscher wie Justinian umgeht: Hier wendet sich eine aus dem Zweck und der Not geborene armenische Gemeinschaft einer unwegsamen Region unter einem von ihnen bestimmten Vertreter, Bassakes, an den König der Könige, der einen Großteil der bekannten Welt beherrscht. Trotzdem schenkt er ihnen seine Aufmerksamkeit, da sein Interesse an der Region besteht. Prokop nutzt die Gelegenheit, die vornehmen Armenier vor Chosrau eine Rede halten zu lassen. Er kann kaum gewusst haben, welche Argumente tatsächlich ausgetauscht wurden, sondern breitet offenbar seine eigene Ansicht zum Thema aus: so spielen Recht und Unrecht eine große Rolle und wie es in den Reden der Gegner des Kaisers typisch ist, spricht Prokop Kaiserkritik aus, so an Justinians vermeintlichem Weltherrschaftsanspruch, der sich in alle Himmelsrichtungen erstrecke,74 womit er auch an die Rede der gotischen Gesandten, die er in seinem Werk kurz zuvor gegenüber Chosrau halten ließ, anbinden kann.75 Dabei fällt auch das Argument, Justinian habe durch sein Verhalten bereits den Ewigen Frieden gebrochen, Chosrau hätte damit Grund genug, gegen ihn loszuschlagen: Nicht brechen ja den Frieden diejenigen, die zuerst die Waffen ergreifen, sondern jene, die man mitten im Frieden hinterhältiger Anschläge gegen ihre Nachbarn überführt, und das Verbrechen hat der begangen, der den Versuch unternommen hat, mag ihm auch der Erfolg versagt bleiben.76
Es fragt sich, ob die bedrängten Armenier in einem solche Maße weltpolitisch gedacht haben oder nicht vielmehr allein die eigene Notlage den Ausschlag gegeben haben mag – entscheidend ist, dass Chosrau sich nach Diskussion mit den Seinen entschloss, gegen das Imperium zu kämpfen77 und die Lage der Armenier somit weltpolitische Folgen hatte, oder zumindest als Katalysator der bestehenden Spannungen fungierte, wenn man Prokops Bericht für zu stark personalisiert und auf die Armenier fokussiert hält. 73 74 75 76
Prok. Bell. 1,15,27–30. Prok. Bell. 2,3,32–53. Prok. Bell. 2,2,4–11; vgl. Prok. Bell. 2,3,54. Prok. Bell. 2,3,50f. (Übers. nach Veh): λύουσι γὰρ τὴν εἰρήνην οὐχ οἳ ἂν ἐν ὅπλοις γένοιντο πρῶτοι, ἀλλ̓ οἳ ἂν ἐπιβουλεύοντες ἐν σπονδαῖς τοῖς πέλας ἁλοῖεν. 77 Prok. Bell. 2,3,55.
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Die Rolle der Armenier, um die sie laut Prokop in Chosraus kommendem Krieg bitten, ist jene der ortskundigen Wegweiser für sein Heer.78 Dies dürfte Prokop durch seine militärischen Verbindungen herausgefunden haben. Der Seitenwechsel ist also zur Vollkommenheit gediehen, da sie sich nicht nur der anderen Seite unterstellen, sondern auch für diese im Krieg tätig sein wollen. Ihre Rolle muss der immer wieder thematisierten Unwegsamkeit des Geländes wegen auch für das persische Heer von großer Bedeutung gewesen sein. Mit der Schilderung der Geschehnisse ab 541 demonstriert Prokop nun, dass die Mechanismen gleich blieben, unabhängig davon, auf welche Seite gewechselt wurde, da nun die Lazen als mittelbare Folge des Seitenwechsels der iberischen Edlen von den Persern zu den Römern ihrerseits von den Römern zu den Persern wechselten.79 Nach den Erfolgen Chosraus bei seinem großen Einfall des Jahres 540 rufen die Lazen ihn zu Hilfe. Früher waren sie zwar den Römern untertan, leisteten aber keine Abgaben und waren ihnen Gehorsam nur insofern schuldig, als der Kaiser ihren König investieren durfte. Den Schutz der Grenzen übernahmen sie auf eigene Kosten. Mit dem Seitenwechsel des Gurgenes wurden aber römische Truppen in Lazika stationiert und der Feldherr Petros behandelte die Lazen schlecht, dazu kommt noch die Entsendung des Johannes Tzibos durch Justinian, der die Stadt Petra erbauen lässt und das Land ausplündert, indem er dort ein Handelsmonopol festsetzt, da der lazische Außenhandel nur noch über diesen Ort erfolgen soll.80 Auch sonst waren die Barbaren über die Anwesenheit des römischen Heeres – einen bisher für sie ungewohnten Zustand – zutiefst empört. Da sie dies für nicht mehr erträglich hielten, entschlossen sie sich, auf die Seite der Perser und des Chosrau zu treten, und schickten deshalb, ohne dass die Römer etwas ahnten, sogleich Gesandte zu ihnen. Diese sollten sich von Chosrau die eidliche Zusicherung geben lassen, dass er die Lazen niemals gegen ihren Willen 81 den Römern ausliefern werde und ihn dann selbst mit dem persischen Heer ins Land holen.
Die Parallele zu den Iberern ist an dieser Stelle extrem deutlich, da Gurgenes seinerzeit ebenfalls eidliche Zusicherungen eines Herrschers wünschte und am Ende ebenfalls Truppen entsandt wurden – nur hatte sich Gurgenes an die Römer gewandt und die Lazen wandten sich nun an die Perser.82
78 79 80 81
Prok. Bell. 2,3,53. Prok. Bell. 2,15. Prok. Bell. 2,15,1–11; Labas 2018, 106. PLRE IIIA, Ioannes qui et Tzibus 20, S. 638f. Prok. Bell. 2,15,12f. (Übers. nach Veh): ἅµα δὲ καὶ ἄλλως οἱ βάρβαροι ἤχθοντο ἐπιχωριάζοντι αὐτοῖς οὐκ εἰωθὸς πρότερον τῷ Ῥωµαίων στρατῷ. ἃ δὴ οὐκέτι φέρειν οἷοί τε ὄντες Πέρσαις τε καὶ Χοσρόῃ προσχωρεῖν ἔγνωσαν, πρέσβεις τε αὐτίκα τοὺς ταῦτα διαπραξοµένους κρύφα Ῥωµαίων παρ᾿ αὐτοὺς ἔπεµψαν. οἷς δὴ εἴρητο τὰ πιστὰ πρὸς Χοσρόου λαβοῦσιν, ὅτι γε οὔποτε Λαζοὺς ἄκοντας ἐκδώσει Ῥωµαίοις, οὕτω δὴ αὐτὸν ξὺν τῷ Περσῶν στρατῷ ἐς τὴν χώραν ἐπαγαγέσθαι. 82 Die Parallele geht bis ins Vokabular. Prok. Bell. 1,12,5: διὸ δὴ Γουργένης προσχωρεῖν Ἰουστίνῳ βασιλεῖ ἤθελε τά τε πιστὰ ἠξίου λαβεῖν ... Ebd. 2,15,13: οἷς δὴ εἴρητο τὰ πιστὰ πρὸς Χοσρόου λαβοῦσιν ...
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Prokop lässt die lazischen Gesandten sodann im Rahmen einer heimlichen Audienz eine Rede vor Chosrau halten – wie er schon die Armenier eine Rede vor demselben halten ließ – und legt ihnen darin seine Ansichten in den Mund. Bemerkenswert ist, dass die Lazen Prokops offen sagen, sie seien früher schon einmal Bundesgenossen der Perser gewesen und wollten es wieder sein.83 Das aus Sicht der Gegenwart sehr naheliegende Argument gegen eine Aufnahme der Lazen bei den Persern – dass sie schon einmal von ihnen abgefallen seien und das wiederum geschehen könnte – wird von Prokop nicht als solches gesehen, vielmehr lässt er die Gesandten andeuten, die Schuld am damaligen Seitenwechsel könnte durchaus bei den Persern zu suchen sein!84 Dies verweist erneut auf ein spezielles Ethos, das in dieser Weltgegend verbreitet war und auch Prokop offenbar als dortzulande gängig empfand,85 allerdings auch wieder auf die geradezu drastisch vorgebrachte Freiheit jener politischen Gebilde, die für beide Großmächte von Interesse sind. Sie wissen, dass Chosraus Interesse an ihrem Gebiet so groß ist, dass sie sich laut Prokop sogar in ihrer Bitte an den Großkönig einige Freiheiten herausnehmen können. Besonders bezeichnend ist der nahtlose Übergang zwischen der typisch prokopischen Beschwörung des Rechts und der lapidaren Auflistung der Vorteile, die Chosrau durch den Seitenwechsel hätte: Dies ist so etwa der Anlass für unseren Parteiwechsel und er hat das Recht auf seiner Seite. Was ihr aber für euch selbst an Vorteilen einheimsen werdet, sofern ihr der Bitte des Lazenvolkes nachkommt, das wollen wir gleich näher ausführen […]86
Damit vermengt Prokop Dinge, die nicht zusammengehören und Chosrau nicht schmeicheln. Wenn es im Rahmen des Hilfsgesuchs an Chosraus heißt: „Ihr handelt damit der Gerechtigkeit entsprechend, deren Pflege immer bei den Persern zu Hause ist ...“ 87, ist es absurd, Chosrau das Ganze noch durch Vorteil schmackhaft machen zu wollen. Denn wenn er gerecht handelt, hat er selbstverständlich Vorteile, da gerecht zu handeln zu den besonderen Pflichten des Großkönigs gehört, deren Einhaltung seinen Erfolg garantiert. Es erscheint eines Großkönigs unwürdig, ihm materielle Vorteile aufzuzählen, nachdem man erklärt hat, dass es sich um eine Angelegenheit der Gerechtigkeit handelt. Das wirft kein gutes Licht auf die Lazen und erzeugt den Eindruck, als würde Prokop dies gemäß folgendem Muster sagen lassen: Unsere Sache ist gerecht, falls das aber nicht überzeugend genug sein sollte, so kannst du auch einfach an die materiellen Vorteile denken. Das wird sogar mehr oder weniger unumwunden in den abschließenden Worten der Rede gesagt: 83 84 85 86
Prok. Bell. 2,15,14f. Prok. Bell. 2,15,16. Siehe dazu das Kapitel 19.5 der vorliegenden Arbeit. Prok. Bell. 2,15,26 (Übers. nach Veh): ἡ µὲν οὖν τῆς ἀποστάσεως αἰτία τοιαύτη τις οὖσα τὸ δίκαιον ἐφ̓ ἑαυτῆς ἔχει· ὅσα δὲ ὑµῖν αὐτοῖς ξύµφορα ἔσται, δεχοµένοις τὴν Λαζῶν δέησιν, αὐτίκα ἐροῦµεν. 87 Prok. Bell. 2,15,19 (Übers. nach Veh): τῆς δικαιοσύνης ἄξια πράσσοντες, ἣν περιστέλλειν ἀεὶ πάτριον Πέρσαις.
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Da nun das Recht die Führung hat und auch der Vorteil mit dabei ist, so zeugt es unserem Dafürhalten nach wohl nicht von Klugheit, sich unseren Worten zu verschließen.88
Es mangelt also auch nicht an einer indirekten Beleidigung Chosraus: Wenn er die Lazen nicht unterstützen würde, wäre er dumm. Dies lässt Zweifel an der Gerechtigkeit der lazischen Sache aufkommen und möglicherweise gehört es zu der gewissen Unverfrorenheit der Rede, die Prokop den Lazen aufgrund ihres Handlungsspielraumes in den Mund legt.89 Die Vorteile sieht Prokop klar und deutlich: eine Ausdehnung der persischen Macht um ein altes Königtum, den Ruhmgewinn, den Zugang zum Schwarzen Meer und damit Konstantinopel über den Seeweg, der Zugang zu den umwohnenden kaukasischen Barbaren und die Möglichkeit der Einflussnahme auf diese.90
88 Prok. Bell. 2,15,30 (Übers. nach Veh): ἡγουµένου τοίνυν τοῦ δικαίου, προσόντος δὲ τοῦ ξυµφέροντος, τὸ µὴ οὐχὶ τοὺς λόγους προσέσθαι οὐδεµιᾶς ἂν εὐβουλίας οἰόµεθα εἶναι. Von einem ähnlichen Tenor ist die Rerde der Kerkyräer in Athen im ersten Buch des Thukydides geprägt, Thuk. 1,33 u. 36. 89 Es gibt einige Dinge an Prokops Bericht, die stutzig machen. Prokop erwähnt, dass die lazischen Gesandten, ohne dass die Römer etwas ahnten, zu Chosrau kamen (Prok. Bell. 2,16,12). Ihre Audienz ist heimlich (ebd. 2,15,14). Nach der Audienz und der Entscheidung Chosraus zum militärischen Eingreifen heißt es, ebd. 2,15,35 (Übers. nach Veh): οὔτε τὸ βούλευµα ἐς Πέρσας ἐξενεγκών, πλήν γε δὴ οἷς τὰ ἀπόρρητα κοινολογεῖσθαι µόνοις εἰώθει, καὶ τοῖς πρέσβεσιν ἐπαγγείλας ὅπως τὰ πρασσόµενα µηδενὶ φράσωσιν, ἀλλ̓ ἐς Ἰβηρίαν τῷ λόγῳ ἐστέλλετο, ὡς τὰ τῇδε καταστησόµενος πράγµατα· ἔθνος γὰρ Οὐννικὸν ἐνταῦθά πη ἐπισκῆψαι τῇ Περσῶν ἀρχῇ ἐπεφήµιζεν. – „Er ließ aber außer seinen vertrauten Beratern keinen Perser etwas von dem Plane wissen und verbot auch den Gesandten, irgend jemand über sein Vorhaben zu unterrichten, stattdessen sprach er von einem Zuge nach Iberien; ein hunnisches Volk sei dort ins Perserreich eingefallen, und er wolle nun die Dinge dort in Ordnung bringen.“ Die Frage ist in Anbetracht dieser großen Geheimhaltung, ob die lazischen Gesandten wirklich aus eigenem Antrieb zu Chosrau kamen, oder ob die Initiative nicht von diesem ausgegangen sein könnte. Chosrau dürfte durchaus gewusst haben, worunter die Lazen litten, schließlich hatte er sein Augenmerk auf dieser Weltgegend. Es wäre ein großer Zufall, wenn er nichts davon gewusst hätte, denn eine derartige Geheimhaltungsoperation ließe sich nicht durchführen, wenn die Gesandten plötzlich vor ihm stünden und Chosrau in diesem Augenblick den Plan fasste, sie zu unterstützen. Eine derartige Aktion muss geplant werden. Der Umstand, dass die Lazen betont heimlich zu Chosrau gekommen sein sollen, legt bereits nahe, dass es von Anfang an unter dem Wissen Chosraus so geplant war; denn solche Vorgänge vor den Römern geheimzuhalten kann nicht einfach gewesen sein, wie sich im Kapitel 15.3 der vorliegenden Arbeit zeigt. Es ist fraglich, ob der Plan hätte funktionieren können, wenn die Gesandten heimlich loszogen, zu Chosrau wollten und der nichts davon gewusst hätte. Rom hatte seine Augen und Ohren sicher auch am Perserhof. Es muss also eine wirkliche und von vornherein geplante Verschlusssache gewesen sein. Sie erzeugt beim Lesen auch einen entsprechenden Eindruck, nur konnte Prokop von den Umständen nicht wissen, weil das Vorgehen zum Zeitpunkt der Ausführung eben erfolgreich vor den Römern geheimgehalten wurde – im Gegensatz zu vielen anderen Ereignissen. Die Rede gibt schließlich nur das wieder, was Prokop schon größtenteils als Erzähler geäußert hat und was er eben selbst wissen konnte. 90 Prok. Bell. 2,15, 27–29.
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Das ist es wohl, was Chosrau überzeugte. Da nun die Bereitschaft zum Seitenwechsel, die Bereitschaft zur Unterstützung durch Chosrau und das Interesse am in Frage stehenden Gebiet etabliert ist, fehlt noch ein Aspekt, den Prokop erneut betont: die militärische Unwegsamkeit des Geländes. Bezüglich dessen lässt er Chosrau nun die Gesandten ausfragen: Aus vielen Berichten habe er nämlich, wie er sagte, früher entnehmen müssen, dass das Land selbst für einen rüstigen Wanderer ziemlich unwegsam sei; außerordentlich gebirgig, werde es weithin von dichten und ausgedehnten Waldungen bedeckt.91
Die Lazen beruhigen ihn und wollen den Persern dahingehend den Weg weisen.92 Hier schließt Prokop den Kreis zu den Armeniern. Im Übrigen ist es nach Goten und Armeniern die dritte Rede Prokops, die Feinde der Römer gegenüber Chosrau halten. Prokop macht keinen Hehl daraus, dass sich seiner Meinung nach Justinian den Seitenwechsel der Lazen selbst zuzuschreiben habe. Wie festgestellt, waren sie es, die unter den Beteiligten des Seitenwechsels des Gurgenes am meisten zu leiden hatten, obwohl sie als einzige nichts damit zu tun und keinen Vorteil davon hatten. Es ist nur einleuchtend, dass die Lazen es jetzt Gurgenes gleichtun. Auch sie verfügen über die entsprechenden Freiheiten. Immer und immer wieder zeigen Parallelismen im Werk Prokops, wie ähnlich die Lage der verschiedenen südkaukasischen Akteure ist und welche Handlungsspielräume durch sie entstehen und wie souverän diese von den Akteuren genutzt werden. Der Plan geht auf: Chosrau kommt mit einem Heer nach Durchquerung Iberiens nach Lazien, wo sich der Lazenkönig Gubazes samt seinem Land dem Schutz des Großkönigs unterstellt und ihm als seinem Herrn huldigt.93 Im Rahmen der Ereignisse nach dem Abschluss eines fünfjährigen Friedens 545 unterstellt Prokop Chosrau große weitere Pläne mit Lazien und Iberien, die deutlich aus den bereits etablierten Mechanismen und Handlungsmöglichkeiten dieser Akteure hervorgehen. Dabei ist nicht wesentlich, ob Chosrau diese Ideen gehegt haben mag oder Prokop sie ihm nur zuschreibt: sie fügen sich in das Bestehende ein. So hätte Chosrau den Plan gehegt, die Lazen aus Lazika zu vertreiben und an ihrer Stelle Perser anzusiedeln.94 So könnte er das Land enger an sich binden und mit diesem zugleich Iberien, „wenn die Iberer niemand mehr hätten, wohin sie sich bei einem etwaigen Abfall in Sicherheit bringen könnten.“95 Denn die Lage in Iberien war derzeit so, dass die Iberer durch die Flucht des Gurgenes 91 Prok. Bell. 2,15,32 (Übers. nach Veh): πολλῶν γὰρ ἀπαγγελλόντων ἔφασκεν ἀκηκοέναι τὰ πρότερα δύσοδον ἐπιεικῶς καὶ ἀνδρὶ εὐζώνῳ τὴν χώραν εἶναι, κρηµνώδη τε ὑπερφυῶς οὖσαν καὶ δένδροις συχνοῖς τε καὶ ἀµφιλαφέσιν ἐπὶ µακρότατον συνεχοµένην. 92 Prok. Bell. 2,15,33–35; vgl. Labas 2018, 107. 93 Prok. Bell. 2,17,1f. 94 Prok. Bell. 2,28,17; von Börm 2007, 173, 176, mit Ps.-Zach. Rhet 10,13f. in Verbindung gebracht. 95 Prok. Bell. 2,28,19 (Übers. nach Veh): […] οὐκ ἂν ἔτι ἐχόντων Ἰβήρων ἐφ̓ οὕστινας ἀνθρώπων ἀποστάντες σωθήσονται [...]
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keinen König hatten, Chosrau ihnen aber nicht erlaubte, einen neuen zu bestimmen und die Iberer voll Missgunst gegenüber den Persern waren und mit einem Aufstand zu rechnen war. Mit Lazien würde Chosrau auch Zugang zu den kaukasischen Barbaren gewinnen, die er gegen das Imperium einsetzen konnte. Der größte Vorteil aber wäre der Seeweg über das Schwarze Meer mit den daraus folgenden militärischen Möglichkeiten.96 Die Sorge Chosraus um Iberien ist nachvollziehbar, da er mehrfach erleben konnte, wie leicht der Seitenwechsel den Akteuren fällt. Solang er Lazien nicht hat, ist Iberien nicht sicher. Wenn Lazien sich wieder dem Kaiser zuwenden würde, könnten das auch die Iberer und bekämen aus diesem Land Rückendeckung. Chosrau hat diese Option umgekehrt nicht: Wenn er Iberien hält, hält er nicht automatisch auch Lazien. Daher ist es für die Befestigung Iberiens nötig, erst Lazien zu gewinnen. Dies hat sich bereits am Fall des Gurgenes gezeigt. Solange aber die Lazen die Vorteile ihrer Stellung (beide Seiten sind an Ihnen interessiert, schwierige militärische Erreichbarkeit) haben, könnten sie leicht wieder zum Imperium zurückwechseln. Daher wird Chosrau von Prokop der Plan zugeschrieben, den Konflikt an der Wurzel anzupacken: Er kann zwar nicht den Umstand ändern, dass sein Militär Schwierigkeiten hat und er kann auch nicht ändern, dass sich neben ihm auch der Kaiser für Lazien interessiert, aber er könnte vielleicht ein anderes konstitutives Element ändern: Die Lazen können nur solange die Seiten wechseln, solange sie ein Bewusstsein dafür haben, ein eigener Akteur jenseits der beiden Seiten zu sein. Wenn es kein politisches Gebilde der Lazen mehr gäbe, sondern Perser in Lazien lebten, es also einfach einer der Seiten fest zugehörte, wäre das Problem beseitigt. Damit Lazien die Seiten wechseln kann, muss es auch von Lazen bewohnt sein, die ihr Land als ein eigenes Gebilde begreifen.97 Vor dem Hintergrund orientalischer Bevölkerungsdeportationen konnte der Gedanke durchaus aufkommen.98 Eine gewisse Dringlichkeit gewann Chosraus Plan vor dem im Folgenden von Prokop geschilderten Hintergrund, dass die Lazen mit der derzeitigen Situation unzufrieden waren, nicht zuletzt aufgrund religiöser Unterschiede zwischen Lazen und Persern und dem Verlust der wirtschaftlichen Anbindung an das Imperium.99 Die Beseitigung des Gubazes sollte der erste Schritt sein.100 Dies wird dem Phabrizios aufgetragen, der den angesehenen Lazen Pharsanses kontaktiert,101 da dieser die Gunst des Gubazes verloren hat. Er wird angeheuert, um Gubazes zu ermorden, in Wahrheit aber verrät er Gubazes den Plan. Bei diesem Vorgang, den Prokop nicht begründet, könnte es sich wieder um die Äußerung einer besonderen Form der Loyalität unter diesen Akteuren handeln, die sich, wie noch gesondert 96 97 98 99 100 101
Prok. Bell. 2,28,20–23. Vgl. Braund 1994, 275; Sartor 2018, 273. Vgl. Börm 2007, 176. Prok. Bell. 2,28,24–29. Prok. Bell. 2,28,30. PLRE IIIB, Phabrizus, S. 1014f.; Pharsanses, S. 1016.
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zu zeigen sein wird, immer wieder dahingehend äußert, dass nur das eigene Volk oder eigene politische Gebilde den Referenzrahmen des eigenen Handelns bilden. Pharsanses mag viele Vorteile von Chosrau erhalten, da die Beseitigung eines Feindes des Großkönigs, noch dazu selbst eines Königs, im Interesse der Perser liegt. Pharsanses begriff sich aber offenbar nicht als Perser, sondern als Laze und welchen Ruhm kann ein Laze dabei gewinnen, die Perser beim Mord an seinem eigenen König zu unterstützen? Welche Ehre könnte er im Gegenteil vor allen Lazen gewinnen, wenn er seinen König trotz des persönlichen Konflikts warnen und ihm so das Leben retten würde, so dass er für immer in seiner Schuld stünde! Das würde ihn bei Gubazes wieder in höchstes Ansehen bringen. Als Gubazes von dem Plan erfährt, sinnt er auf Abfall von der persischen Seite.102 Prokop geht davon aus, dass er sich seiner Handlungsfreiheit völlig bewusst war. Daher zögert er nicht, Justinian von der Lage in Kenntnis zu setzen sowie um Verzeihung und Hilfe zu bitten, denn die Lazen könnten nicht allein die Herrschaft der Perser abwerfen.103 Hier bemüht Prokop keine große Rede und keine Gerechtigkeit, sondern lässt es bei den lapidaren realpolitischen Erwägungen bewenden. Justinian nimmt erfreut an und schickt Truppen.104 Die Parallele zu Chosrau ist deutlich, der ebenso erfreut war, als die Lazen zuvor auf seine Seite wechseln wollten und ebenfalls Truppen entsandt hatte. Es wird nicht einmal angedeutet, dass Justinian den Lazen ihres Abfalls wegen zürnen könnte. Die Aussicht auf die erneute Vorherrschaft über Lazien in der umstrittenen und wichtigen Weltgegend reichte völlig aus, derartige Loyalitätserwägungen beiseite zu lassen. Gubazes nutzt sofort seine Landeskunde und Verbindungen, um den Römern militärisch zu helfen.105 Dabei ist eine bemerkenswerte Spiegelung des Planes Chosraus zur Deportation der Lazen zu bemerken: Schon lange zuvor hatte er [i. e. Gubazes] außerdem die Alanen und Sabiren als Bundesgenossen gewonnen, und diese waren bereit, für drei Kentenarien nicht nur gemeinsam mit den Lazen deren Land vor Verwüstungen zu bewahren, sondern auch Iberien so von Leuten zu entblößen, dass es künftighin auch den Persern nicht mehr möglich sei, von dort aus ihre Einfälle zu unternehmen.106
Dabei gewinnt Gubazes im unmittelbaren Fortgang eine gewisse Dreistigkeit im Umgang mit Justinian, da er sich, offenbar seiner besonderen Stellung bewusst, durchaus anmaßend gegenüber dem Kaiser benimmt:
102 103 104 105 106
Prok. Bell. 2,29,7. Prok. Bell. 2,29,9. Prok. Bell. 2,29,10. Prok. Bell. 2,29,13–29. Prok. Bell. 2,29,29 (Übers. nach Veh): ἐτύγχανε δὲ πολλῷ πρότερον Ἀλανούς τε καὶ Σαβείρους ἐς ξυµµαχίαν ἐπαγόµενος, οἵπερ ὡµολόγησαν κεντηναρίων τριῶν οὐχ ὅσον ἀδῄωτον Λαζοῖς ξυµφυλάξειν τὴν γῆν, ἀλλὰ καὶ Ἰβηρίαν οὕτω καταστήσεσθαι ἀνδρῶν ἔρηµον ὡς µηδὲ Πέρσαις ἐνθένδε τὸ λοιπὸν ἰέναι δυνατὰ ἔσεσθαι.
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Die entsprechenden Gelder werde ihnen, wie Gubazes versprach, der Kaiser bezahlen. Er selbst berichtete nun Kaiser Justinian von dem mit den Barbaren getroffenen Abkommen und bat ihn, er möge ihm die genannte Summe zusenden und außerdem den schwer heimgesuchten Lazen eine gewisse Entschädigung gewähren. Nach seinen Erklärungen schuldete die Staatskasse auch ihm selbst die Besoldung für zehn Jahre; denn obwohl er den Silentiarioi im Kaiserpalaste angehöre, habe er von dort, seitdem Chosrau ins Kolcherland gekommen sei, nichts mehr erhalten. Kaiser Justinian zeigte sich zwar geneigt, der Bitte zu willfahren, doch kam eine Abhaltung dazwischen und so schickte er das Geld nicht zur rechten Zeit ab.107
Dieses Verhalten grenzt schon an Erpressung. Es muss auch Gubazes klar gewesen sein, dass er nicht rechtmäßig römisches Geld für die Zeit fordern kann, in der er sich persönlich samt seinem Land dem Schutz Chosraus unterstellt und ihm als seinem Herrn gehuldigt hatte. Justinian aber ist so vom Wohlwollen des Gubazes und seiner Kooperation abhängig, dass er sich praktisch erpressen lässt. Gubazes könnte auch wieder mit den Lazen auf die persische Seite wechseln und wäre wohl in Anbetracht des aktuellen Krieges willkommen. Beide wussten das. Als es militärisch für die römische Seite schlecht aussieht, werden Gubazes und die Lazen von Justinian beschenkt108 – offenbar, da es dann ganz besonders auf deren Kooperation ankommt. Interessant ist der Umstand, dass Gubazes später in einer Mahnrede, die ihn Prokop an die Seinen vor einem Gefecht halten lässt, darauf hinweist, die Lazen müssten tapfer kämpfen, um den Plänen der Perser zu entgehen.109 Wahrscheinlich hätten die Lazen auch andere Optionen gehabt, aber es liegt im Interesse des Gubazes, seine Leute anzuspornen. Der Einfluss der Lazen gegenüber Justinian bleibt auch im Folgenden ungebrochen. So verklagen sie den Feldherrn Dagisthaios bei Justinian, dieser habe Verrat begangen. Er würde mit den Persern gemeinsame Sache machen. Der Kaiser lässt ihn daraufhin in Hausarrest festhalten und setzt Bessas an seiner Stelle ein. Prokop äußert sich über die Korrektheit der Anschuldigungen nicht.110 Wohl im Jahr 550 wird im Rahmen der römisch-lazischen Kämpfe mit den Persern der Seitenwechsel eines weiteren kleinen Akteurs angeführt. Die Abasgen seien zu dieser Zeit zu den Persern übergelaufen, wobei diese Episode das bei Prokop immer wieder festzustellende Faktorenbündel, das eine gewisse Freiheit der kleinen Akteure überhaupt erst möglich macht, auf andere Art illustriert: Die Abasgen seien früher den Lazen Untertan gewesen, hätten aber zwei eigene Köni107 Prok. Bell. 2,29,29–32 (Übers. nach Veh): ταῦτά τε σφίσι τὰ χρήµατα βασιλέα Γουβάζης ὑπέσχετο δώσειν. αὐτὸς µὲν οὖν ἀνενεγκὼν ἐς βασιλέα Ἰουστινιανὸν τὰ ξυγκείµενα τοῖς τε βαρβάροις τὰ χρήµατα ταῦτα ἱκέτευε πέµπειν καὶ Λαζοῖς ἄγαν κεκακωµένοις παραψυχὴν προέσθαι τινά. ἔφασκε δὲ καί οἱ αὐτῷ τὸ δηµόσιον τὰς συντάξεις ὀφείλειν ἐνιαυτῶν δέκα, ἐπεὶ ἐν τοῖς σιλεντιαρίοις ἐν παλατίῳ τασσόµενος οὐδὲν κεκοµισµένος ἐνθένδε εἴη, ἐξ οὗ δὴ ἐς γῆν τὴν Κολχίδα Χοσρόης ἦλθε. βασιλεὺς δὲ Ἰουστινιανὸς ἐπιτελέσειν µὲν διενοεῖτο τὴν αἴτησιν, ἐπιγενοµένης δέ οἱ ἀσχολίας τινὸς οὐκ ἔπεµψε τῷ καθήκοντι χρόνῳ τὰ χρήµατα. 108 Prok. Bell. 2,30,28. 109 Prok. Bell. 8,8,10f. 110 Prok. Bell. 8,9,1–4. PLRE IIIA, Dagisthaeus 2, S. 380–383.
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ge gehabt, einen im Westen ihres Gebietes, einen im Osten. In der Zeit Justinians wurden sie Christen, dieser setzt auch Priester bei ihnen ein und lässt das Christentum verbreiten. Da setzen die Abasgen ihre beiden Könige ab und leben ohne deren Herrschaft.111 Danach erfolgt eine Invasion römischer Truppen im Sinne einer Annexion des abasgischen Gebietes; auch werden den Abasgen laut Prokop drückende Bestimmungen auferlegt. Daher setzen sie ihre Könige wieder ein112 und In ihrer Verzweiflung an allem Guten wollten sie eben die alten Zustände, obwohl sie ihnen übel genug erschienen, gegen die neuen, ja noch schlimmeren Verhältnisse eintauschen, und so traten sie in aller Heimlichkeit – denn sie bangten vor der Macht der Römer – auf die Seite der Perser.113
Der persische Befehlshaber Nabedes hält sich im Rahmen seines Einfalles in Lazien später in ihrem Gebiet auf und nimmt Geiseln als Unterpfand der Treue.114 Man kann nicht behaupten, dass es den Abasgen an Vorbildern für ein solches Verhalten gefehlt hätte. Besonders der Umstand, dass die Lazen, denen sie noch vor kurzem untertan waren, mit einer gewissen Leichtigkeit bereits zwei Mal die Seiten gewechselt hatten, ließ wohl ein ähnliches Verhalten auch den Abasgen zumindest möglich, wenn nicht sogar sehr ratsam erscheinen. Dabei bedachten sie laut Prokop allerdings nicht, dass sie nicht über die naturräumlichen Gegebenheiten verfügten, die Grundbedingung der Flexibilität der kleinen Akteure dieser Weltgegend sind – denn sobald sie von den Großmächten mit militärischer Macht zur Rechenschaft gezogen werden können, gibt es keinen Grund, warum die Großmächte sich einen solchen Seitenwechsel gefallen lassen sollten. Prokop illustriert den an sich sehr unwegsamen naturräumlichen Aspekt der Tracheia genannten Landschaft mit treffenden Worten, da ein römisches Heer gegen sie entsandt115 wird, letztlich gelingt es den römischen Truppen aber, die Schwierigkeiten zu Schiff zu überwinden, die Abasgen zu überfallen.116 Viele werden niedergemacht. Römische Truppen kämpfen in der Festung und stecken sie in Brand. Einer der Abasgenkönige kann mit einigen Begleitern zu Hunnen in den Kaukasus fliehen, der Rest verbrennt.117
111 Prok. Bell. 8,3,12–21. 112 Prok. Bell. 8,9,10f. 113 Prok. Bell. 8,9,12 (Übers. nach Veh): ἐς ἀγαθῶν γὰρ ἐκπεπτωκότες ἀπόγνωσιν τὰ πρότερον δόξαντα σφίσι µοχθηρὰ εἶναι τῶν ἐπιγενοµένων ἅτε πονηροτέρων ὄντων, ὡς τὸ εἰκός, ἀντηλλάσσοντο, δύναµίν τε ἀπ̓ αὐτοῦ τὴν Ῥωµαίων δειµαίνοντες Πέρσαις ὡς λαθραιότατα προσεχώρησαν. 114 Prok. Bell. 8,9,6. PLRE IIIB, Nabedes, S. 909. 115 Prok. Bell. 8,9,12f. 116 Prok. Bell. 8,9,15–23. 117 Prok. Bell. 8,9,24–29.
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Die Römer machten auch die Frauen der Könige sowie ihre ganze Nachkommenschaft zu Gefangenen, sie rissen die Festungsmauern bis zum Erdboden nieder und verwandelten das Land weithin in eine Wüste.118
Selbst die beste Verteidigung nutzt nichts, wenn sie sich umgehen lässt. Die Abasgen mögen vor dem Horizont ihrer bisherigen militärischen Erfahrungen gegen benachbarte Herrschaften optimal geschützt gewesen sein und auf dieser Erfahrung ihre Hoffnungen auch im Kampf gegen römische Truppen gesetzt haben, im Angesicht einer Großmacht und deren militärtechnischen Möglichkeiten zeigt sich aber, das ihr Land eben nicht unwegsam genug war, um sich die Freiheit zum Seitenwechsel herausnehmen zu können, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen. Diese Schilderung illustriert zudem einen Aspekt, der sich an den bisherigen Quellenstellen weniger gut fassen ließ, da bisher die Seitenwechsel in aller Regel erfolgreich verliefen oder es sogar möglich war, sich ohne schwerwiegende Konsequenzen wieder der anderen Großmacht zu unterstellen. Diese Option war die Ausnahme, nicht die Regel, und wurde in der Tat von den Großmächten nur gelitten, da sie – bedingt durch eine besonders schwierige naturräumliche Lage und die Unterstützung der anderen Großmacht – mit keinem zu rechtfertigenden Materialaufwand rückgängig zu machen war. Dies verweist aber keineswegs auf eine prinzipielle Akzeptanz derartiger Seitenwechsel, sie wurden lediglich aus praktischen Gründen hingenommen. Wenn die entsprechenden Faktoren nicht gegeben waren, hatten die Großmächte – wie hier im Fall der Abasgen und des Imperiums deutlich – keinerlei Gründe, die Akteure nicht mit aller Härte zu bestrafen. Es versteht sich, dass es Verschiebungen von Machtverhältnissen im sensiblen Raum zwischen Imperium und Sasanidenreich zu verhindern galt, soweit es nur ging und mit einem möglichst abschreckenden Beispiel andere von ähnlichen Vorhaben abzubringen. Der konkrete Fall der Abasgen war umso dringlicher, insofern deren Seitenwechsel bedeutet hätte, dass persische Truppen Lazien vom Norden her bedrohen und Zugang zum Schwarzen Meer hätten erhalten können.119 Dies war geeignet, auf längere Sicht das Gleichgewicht nicht nur in der betroffenen Region zu bedrohen. Die Handlungsweise des Nabedes hatte das persische Interesse an den Abasgen bereits deutlich bekundet. Es musste von Seiten des Imperiums eingegriffen werden, bevor mit persischen Verstärkungen für die Abasgen zu rechnen war.120 118 Prok. Bell. 8,9,31 (Übers. nach Veh): ἐζώγρησαν δὲ Ῥωµαῖοι καὶ τὰς τῶν ἀρχόντων γυναῖκας ξὺν γόνῳ παντί, τοῦ τε φρουρίου τὸν περίβολον ἐς ἔδαφος καθεῖλον καὶ τὴν χώραν ἔρηµον κατεστήσαντο ἐκ τοῦ ἐπὶ πλεῖστον. 119 Veh 1966, 1087. 120 Die unmittelbar folgende Episode des prokopischen Geschichtswerkes, 8,10,1–7, ist verwandt, aber kein Gegenstück zu den Abasgen, da hier keine Positionierung eines kleinen Akteurs zwischen den Großmächten, sondern nur zwischen anderen kleinen Akteuren stattfindet. Ebenso wenig fällt ein Fall des folgenden Kapitels, 8,11,22–30, da geschildert wird, wie Sabiren in die römischen Truppen kamen, die Petra belagern, unter die Kategorie der Akteure
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Für die Zeit 551/52 muss Prokop bezüglich des nun schon einige Zeit von Römern und Lazen gemeinsam geführten Krieges feststellen: Der Lazenkönig Gubazes war ein Römerfreund, da er, wie ich schon an früherer Stelle erwähnte, von Chosrau wusste, dass dieser ihm nach dem Leben trachtete. Die übrigen Lazen aber, die von den römischen Soldaten übel behandelt wurden und vor allem den Feldherrn des Heeres grollten, standen meist ganz auf Seite der Perser, nicht weil sie deren Macht begrüßten, sondern weil sie sich von der römischen Herrschaft befreien wollten und diejenigen Widrigkeiten wählten, mit denen sie es bisher noch nicht zu tun gehabt hatten.121
Das erinnert an Prokops Ausführungen zu den Abasgen, mit dem entscheidenden Unterschied, dass sich die Lazen in einer Lage befinden, die einem Seitenwechsel weit höhere Erfolgschancen verleiht. Der Privatmann Theophobios tritt zu diesem Zweck mit dem persischen Feldherrn Mermeroes in Kontakt und bekommt im Gegenzug für die Auslieferung der Festung Uthimereus besondere Freundschaft des Chosrau und Ansehen bei den Persern mit allen daraus folgenden Konsequenzen versprochen.122 So geschieht es.123 Die auf den Seitenwechsels einer einzigen Festung folgenden Verschiebungen der Machtverhältnisse in Lazien124 sind typisch für den sensiblen Südkaukasusraum zwischen den Mächten. Gubazes bleibt trotz der sich verschlechternden Lage aber dem Imperium treu und die Lazen fol-
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zwischen den Großmächten.Es wird angegeben, dass die Sabiren generell teils mit den Römern, teils den Persern verbündet gewesen wären und Gold bekommen hätten, wenn Bedarf nach ihrer Hilfe bestanden hätte. Es wird sich also um Söldner mit einem bestimmten ethnischen Hintergrund gehandelt haben, aber nicht um einen Fall von Diplomatie, da die Gemeinwesen in einem solchen miteinander verhandeln müssten. Die Natur der Söldner wird auch darin klar, dass sie sich als Experten für Belagerungstechnik erweisen, die sie beiden Seiten – je nachdem, mit wem sie verbündet sind – zur Verfügung stellen, 8,11,27f.; 8,14,4f. Auch die Dolomiten bei 8,14,6f. (vgl. Agath. hist. 3,17,7–9) sind bloße Söldner, wenn auch in Form typischer ethnic soldiers nach Enloe 1980, 26f. (vgl. Haldon 1995, 7, 25; als generelles Phänomen in sasanidischen Armeen Shahbazi 1987, 497; zu Dailamiten auch Rubin 1957, 512), die mit den kleinen politischen Akteuren des Raumes zwischen den Reichen zwar die unzugängliche Lage gemein haben, allerdings nicht die Zwischenposition, ihr Gebiet ist also nicht für zwei Seiten interessant, so dass sie diese nicht wechseln können. Sie haben vielmehr einen losen Verbund zur immer gleichen Seite, also zumindest die durch ihren unzugänglichen Raum gegebene gewisse Freiheit, sich nicht allzu eng an ein Reich anschließen zu müssen. In der Regel bringen sie eine Spezialisierung mit, die ihrer harten und unwegsamen Herkunftsregion entspricht. Prokop erwähnt all diese Faktoren, die auch für ethnic soldiers anderer Epochen charakteristisch sind, bei 8,14,6–10. Prok. Bell. 8,16,2f. (Übers. nach Veh): Γουβάζης ὁ Λαζῶν βασιλεὺς Ῥωµαίοις εὐνοϊκῶς ἔσχεν, ἐπεί οἱ Χοσρόην, ὥσπερ µοι ἐν τοῖς ἔµπροσθεν λόγοις ἐρρήθη, ἐπιβουλεύειν θάνατον ᾔσθετο. τῶν δὲ ἄλλων Λαζῶν οἱ πλεῖστοι ἀνήκεστα πρὸς τῶν Ῥωµαίων στρατιωτῶν δεινὰ πάσχοντες καὶ διαφερόντως τοῖς ἄρχουσι τοῦ στρατοῦ ἀχθόµενοι ἐµήδιζον ἐκ τοῦ ἐπὶ πλεῖστον, οὐ τὰ Περσῶν ἀσπαζόµενοι, ἀλλ̓ ἀπαλλαξείοντες τῆς Ῥωµαίων ἀρχῆς καὶ τῶν δυσχερῶν τὰ τέως µὴ παρόντα αἱρούµενοι. Prok. Bell. 8,16,4f. Prok. Bell. 8,16,7–14. Prok. Bell. 8,16,13–15.
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gen ihm in die Sicherheit der Berge.125 Einmal mehr betont Prokop die dahingehende Stärke der Landschaft (wenn auch ihre Risiken): Ebenso verlebten auch die übrigen Lazen – aus Achtung gegenüber ihrem König Gubazes – die Winterszeit auf den Höhen. Denn da für Angreifer diese Berge, zumal in der Winterszeit, unbezwingbar und völlig unzugänglich sind, so brauchten sie dort keine Gefahren von den Feinden zu befürchten, starben aber elendiglich an Hunger, Kälte und anderen Drangsalen.126
Das nutzt Mermeroes, da er ihnen mittels Überläufern Hilfe verspricht, etliche Lazen zum Abfall bewegt und Gubazes schriftlich zum Seitenwechsel auffordert, indem er ihm vorhält, dass Gubazes ihn nicht militärisch besiegen könnte. Er solle Chosrau um Verzeihung bitten, der würde sie gewähren, ihm seine Herrschaft belassen und ihm Geiseln stellen. Wolle er nicht, so solle er wenigstens ins Exil gehen, damit die Lazen sich eines Besseren besinnen könnten. Die Römer würden ihm auch in Zukunft nicht helfen können.127 Wiederum fällt auf: Trotz der aktuell für die Perser weit besseren militärischen Lage ist er laut Prokop nicht imstande, sie gewaltsam zu etwas zu zwingen, sonst könnte er schreiben, dass Gubazes aufgeben solle, da er, Mermeroes, gegen ihn kämpfen und ihn besiegen werde. Prokop formuliert es aber genau andersherum: Gubazes könne nicht gewinnen. Die Initiative scheint also nicht bei Mermeroes zu liegen, sondern Gubazes zugeschrieben zu werden, wie es der Natur seines Landes entspricht, was sogar so weit geht, dass nicht Gubazes dem Chosrau für seine Treue Geiseln stellen solle, sondern Chosrau sie Gubazes stellen werde! Chosrau scheint Verzeihung in diesen Fällen schnell gewährt zu haben, denn die bisherigen Seitenwechsel thematisiert Prokop nicht. Die realpolitische Bedeutung des Gubazes lässt solche moralischen Erwägungen völlig verstummen. Man vergleiche die römische Behandlung der Abasgen und die persische des Gubazes! Der fundamentale Unterschied zwischen den südkaukasischen Akteuren ist hier nur die Menge der Verhandlungsmasse auf ihrer Seite. Das Faktorenbündel bringt noch den hungernden Gubazes auf dem Berge, der seines Landes zum großen Teil und langsam auch seiner Leute verlustig geht, in eine Position, da der König der Könige, den er einst verraten hat, ihm anbietet, bei einem Seitenwechsel Geiseln zu stellen und ihn in seiner Herrschaft zu bestärken. Andernfalls solle er ins Exil gehen. Somit ist selbst die Ablehnung mit einer denkbar milden Bitte verbunden – verglichen mit der Vernichtung, die den Abasgen zuteil wurde. Gubazes ließ sich nicht darauf ein. Man kann wohl behaupten, dass Prokop diese Haltung in Form des persischen Schreibens außerordentlich gut begründet hat: Wenn der Großkönig ihn noch immer so fürchtet, dass er solche Angebote 125 Prok. Bell. 8,16,20f. 126 Prok. Bell. 8,16,21 (Übers. nach Veh): καὶ οἱ ἄλλοι δὲ Λαζοὶ τῇ πρὸς βασιλέα Γουβάζην αἰδοῖ τὴν τοῦ χειµῶνος ὥραν οὐδέν τι ἧσσον ἐν τοῖς σκοπέλοις κατέτριβον, δύσκολον µὲν ἐνταῦθα οὐδὲν πρὸς τῶν πολεµίων δειµαίνοντες, ἐπεὶ τοῖς ἐπιβουλεύουσιν, ἄλλως τε καὶ κατὰ τὸν χειµῶνα, ταῦτα τὰ ὄρη ἀµήχανά τε καὶ ὅλως ἀπρόσοδα ξυµβαίνει εἶναι, λιµῷ δὲ καὶ ψύχει καὶ τῇ ἄλλῃ κακοπαθείᾳ δυσθανατῶντες. 127 Prok. Bell. 8,16,22–30.
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macht, muss Gubazes noch nicht aufgeben. Auf lange Frist hält Prokop die Haltung des Gubazes aber nicht für richtig.128 19.4.2 Agathias Agathias setzt an, da der Lazische Bericht im achten Buch Prokops aufhört und folgt auch in seinem Verständnis der besonderen Mechanismen der kleinen Akteure des Südkaukasusraumes Prokop. So nimmt sich Gubazes wohl im Jahr 555 nach all den Leiden (und wahrscheinlich auch in Anbetracht der von Chosrau erhaltenen Angebote, wenn man Prokop folgen will, zumindest aber im Bewusstsein seiner Position und Situation, auch auf persischer Seite aufgenommen zu werden) einige Freiheiten im Umgang mit römischen Würdenträgern heraus. So schrieb er laut Agathias an Justinian und machte die römischen Feldherren für die aktuell schwierige Lage der römisch-lazischen Sache verantwortlich, ganz besonders Bessas. Auch Martinos und Rustikos (der in keiner militärischen Funktion zugegen war) werden erwähnt.129 Gegen letztere beide habe er sowieso (nach Agathiasʼ Meinung aus Neid) Vorbehalte gehabt. Er habe sogar bei etlichen Anlässen abfällig von ihnen gesprochen und sie als feige Angeber ohne Pflichtgefühl geschmäht. Bei offiziellen Zusammenkünften habe er freimütig seine Missbilligung der beiden sogar in Gegenwart von Gesandten benachbarter Herrscher geäußert.130 Da Justinian bereits einen Groll gegen den korrupten Bessas gehegt habe, glaubt er dem Bericht. Er setzt Bessas ab und schickt ihn ins Abasgenland. Obwohl er gegenüber Martinos ebenfalls eine Abneigung gehabt habe, gibt er diesem den Oberbefehl.131 Es ist an sich bemerkenswert, dass nicht nur Gubazes so mit den römischen Würdenträgern, die ihre Autorität immerhin von höchster Stelle beziehen, umgehen kann, sondern Justinian seinem Wort (wenn auch in Anbetracht eigener Vorbehalte) offenbar mehr Glauben schenkt als seinen eigenen Leuten. Dies ist wohl wiederum als Resultat der Bedeutsamkeit des Gubazes und Laziens für die römische Stellung im Kaukasus und damit mittelbar für die Stellung des Imperiums gegenüber dem Sasanidenreich zu verstehen. Martinos und Rustikos lassen die Handlungen des Gubazes aber nicht auf sich sitzen und verschwören sich gegen ihn, da sie ihn bei Justinian anzeigen, er arbeite heimlich mit den Persern zusammen.132 Diese Anschuldigung war offensichtlich nicht besonders weit hergeholt, sondern ein in Anbetracht der besonderen Situation sehr naheliegender und realistischer Vorwurf. Das von Agathias dargestellte Gespräch zwischen Johannes, dem Bruder des Rustikos, und Justinian ist 128 129 130 131 132
Prok. Bell. 8,16,31–33. Agath. hist. 3,2,3–5. Agath. hist. 3,2,9–11. Agath. hist. 3,2,6–8; vgl. für eventuelle Gründe ebd. 4,21,1–3. Agath. hist. 3,3,1–2.
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dahingehend interessant, dass Justinian noch Zweifel hegt und darum mit Gubazes selbst sprechen will. Rustikos fragt, da er die Entdeckung des Planes fürchtet, was geschehen solle, wenn Gubazes nicht freiwillig kommen sollte. Da lässt Agathias Justinian nicht etwa antworten, dass man ihn dann eben mit Gewalt bringen solle, sondern vielmehr: „Du musst ihn zwingen, da er ein Untertan ist […] und es irgendwie ersinnen, ihn herzuschicken.“133 Daraufhin antwortete Johannes auf der Stelle: „Was aber, wenn er sich dem Zwang widersetzen wird?“ – „Dann“, sagte der Kaiser, „wird er mit Sicherheit das Schicksal des Aufständischen erleiden und elend zugrunde gehen.“ – „In diesem Fall, Herr“, sagte Johannes, „würde jener, der ihn tötete, nichts zu fürchten haben?“ – „Nichts“, antwortete der Kaiser, „sofern er sich widersetzt, Widerstand leistet und dann als ein Feind getötet wird.“134
Dies wird den Feldherren auch schriftlich mitgeteilt.135 Offenbar fürchtet Justinian in der Schilderung des Agathias Gubazes so sehr, dass er sich scheut, durch seine Behandlung Aufsehen zu erregen. Wenn er sich widersetzte, solle er lieber als Aufständischer getötet werden als ihn mit einem Skandal abzuführen. Wahrscheinlich wurde das auch für unwahrscheinlich gehalten, da er sich zurückzuziehen wusste. Einen Hintergrund dürfte sehr wahrscheinlich der Umstand gebildet haben, es sich nicht mit den lazischen Bundesgenossen zu verderben, wie dies bald darauf fast eingetreten wäre, nach-dem die Verschwörer zur Tat schritten und Gubazes ermordeten.136 Vor seiner Ermordung lässt Agathias die beiden noch einmal durch Gubazes kritisieren.137 Die Lazen wollen nun nichts mehr mit den Römern zu tun haben, weder in militärischen noch zivilen Angelegenheiten.138 In seinen folgenden Ausführungen betont Agathias nicht zuletzt die besondere Stellung der Lazen,139 was sich sowohl auf klimatische als auch politische Zusammenhänge beziehen könnte. In einer langen romanhaften Episode gestaltet Agathias nun die verschiedenen Meinungen bezüglich des weiteren lazischen Vorgehens, die damals unter den 133 Agath. hist. 3,3,4 (Übers. nach Frendo): ἀναγκαστέον αὐτὸν […] κατήκοον ὄντα καί πάσῃ µηχανῇ ἐκτεµπτέον. 134 Agath. hist. 3,3,5f. (Übers. nach Frendo): εὐθὺς δὴ οὖν ὑπολαβὼν ὁ Ἰωάννης· „ἀναγκαζόµενος δὲ εἴ γε ἀντισταίν, τί ἂν γένοιτο ἐπὶ τούτοις;“ „τί δὲ ἄλλο γε“ ἔφη ὁ βασιλεὺς „ἢ πείσεται τὰ τῶν τυράννων καὶ κάκιστα ἀπολεῖται;“ „οὐδὲν οὖν ἔσται δέος, ὦ δέσποτα“ ἦ δὲ ὁ Ἰωάννης „τῷ τοῦτον ἀποκτενοῦντι;“ „οὐ µὲν οὖν“ ἔφη „εἴ γε ἀντιταττόµενος καὶ ἀνηκουστῶν ὡς πολέµιος διαφταρείν“. 135 Agath. hist. 3,3,7. Der Wortlaut dieses Briefes – wie nah am Original oder wie stark ausgestaltet dieser auch sein mag (Agathias räumt ein, dass es nicht der exakte Wortlaut ist) – wird ebd. 4,2,2–6, geboten. 136 Der Mord bei Agath. hist. 3,3,7–3,4,6. 137 Agath. hist. 3,4,2–4. 138 Agath. hist. 3,4,8. 139 Agath. hist. 3,5,2. Dabei zeichnet Agathias, im Gegensatz zu Prokops Lazika-Topos ein Bild des genauen Gegenteils: Lazika sei nicht besonders arm, sondern besonders reich; vgl. Braund 1991, 221. Zur Darstellung des südkaukasischen Schauplatzes bei Prokop siehe die Arbeit Stickler 2019.
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Lazen geherrscht haben sollen.140 Der perserfreundliche Aeetes betont dabei nicht zuletzt, dass Gubazes ermordet worden sei, als wäre er der geringste der kaiserlichen Untertanen. Vorbei seien die Tage, da die Lazen über andere geherrscht hätten.141 Und Agathias legt ihm bemerkenswerte programmatische Worte in den Mund: Ich wünschte, dass das kolchische Gemeinwesen immer noch über seinen alten Einfluss verfügte, keine Hilfe fremder Mächte nötig hätte und in allen Angelegenheiten, die Krieg und Frieden berühren, völlig unabhängig wäre. Aber da wir, sei es durch den Lauf der Zeiten, die Launen des Glücks oder vielleicht auch eine Mischung der beiden, zum Stand eines untertänigen Volkes herabgewürdigt wurden, scheint es mir für uns lohnenswerter, jener Seite beizutreten, deren Einstellung die vernünftigere und deren Wohlwollen ihren Verbündeten gegenüber nicht Schwankungen unterworfen ist. Auf diese Weise werden wir unsere wahren Feinde überwinden, da ihr vergangenes Fehlverhalten nicht unbestraft bleiben wird und wir die nötigen Maßnahmen ergriffen haben werden, um unsere künftige Sicherheit zu garantieren.142
Dabei spricht Agathias nicht nur die bedeutende Wahlfreiheit der Lazen aus, sondern erstmals auch, dass sie eine Seite wählen müssten, da sie allein nicht bestehen könnten. Dieser Aspekt des Zwanges, eine Wahl zu treffen, ist bei Prokop nicht thematisiert worden. Agathias schaltet sich als Erzähler nach der propersischen Rede ein und merkt an, dass die bejahenden Jubelrufer, die sofort die Seiten wechseln wollten, nicht bedachten, dass die Perser noch nicht darüber in Kenntnis gesetzt waren und sie nicht in der Position waren, den Wechsel ohne Erregung von Aufmerksamkeit durchzuführen; oder sich zu verteidigen, wenn die Römer diesen mit Gewalt verhindern143 würden.144 Für Agathias bedarf es also für einen solchen Seitenwechsel nur einer Nachricht an die Perser. Deren Zustimmung kann offenbar vorausgesetzt werden, wenn es um die Lazen geht.
140 Agath. hist. 3,8,4–3,14,3. 141 Agath. hist. 3,9,3. PLRE IIIA, Aietes, S. 32. 142 Agath. hist. 3,9,9–11 (Übers. nach Frendo): ἠβουλόµην µὲν οὖν τῇ Κολχικῇ πολιτείᾳ τὴν παλαιὰν δύναµιν προσγενέσθαι, ὡς µηδαµῶς αὐτὴν ξένης τινὸς καὶ ἐπήλυδος ἐπικουρίας προσδεῖσθαι, ἀλλ᾿ εἶναι τοῖς πᾶσιν ἔς τε πόλεµον καὶ ἐς εἰρήνην αὐταρκεστάτην. ἐπεὶ δὲ εἴτε χρόνου περιφορᾷ εἴτε τύχης ἐναντιώµασιν εἴτε καὶ ἀµφοτέροις ἐκβιασθέντες ἐς τοῦτο ἥκοµεν ἀσθενείας, ὡς ὑφ᾿ἑτεροις τετάχθαι, κράτιστον οἶµαι προσχωρεῖν τοῖς ἐµφρονεστέροις καὶ τὴν εὔνοιαν πρὸς τὸ οἰκεῖον καὶ ἔνσπονδον ἐν τῷ ἀτρέπτῳ παρεχοµένοις. οὕτω δὲ καὶ περιεσόµεθα τῶν ὡς ἀληθῶς πολεµίων, τῷ µήτε παντάπασι τὸ φθάσαν ἀτιµώρητον καταλειφθῆναι καὶ τοῦ µέλλοντος πέρι, ὅπως ἐν τῷ ἀσφαλεῖ κείσεται, τὰ δέοντα παρεσκευάσθαι. 143 Gemeint ist: Im Falle dieses überstürzten Seitenwechsels. Im Falle eines organisierten, wie dies mehrfach geschah, konnte die betroffene Großmächte nicht viel unternehmen. Dies wird in den nächsten Sätzen des Agathias deutlicher. 144 Agath. hist. 3,11,1.
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Den Gegenredner Phartazes lässt Agathias unter anderem mit religiösen Gründen argumentieren145 und damit, dass ein Seitenwechsel jetzt, da so viele Römer im Lande seien, schlimme Konsequenzen nach sich ziehen würde.146 Ersteres sei laut Agathias ausschlaggebend für die Entscheidung der Lazen gewesen, Phartazes zu folgen.147 Daher schicken die edlen Lazen eine Gesandtschaft an Justinian, um die Wahrheit über den Mord an Gubazes aufzudecken, um Bestrafung der Täter und die Investition des sich in Konstantinopel aufhaltenden Tzath, des Bruders des Gubazes, als ihres neuen Königs zu bitten.148 Justinian ist von der Gerechtigkeit des Anliegens überzeugt und eilt, ihm nachzukommen.149 Der besonders literarische Charakter der Episode fällt auf: Halbherzig will Agathias überzeugen, dass Aeetes wirklich so eine Rede gehalten haben könnte, indem er begründet, er sei für einen Barbaren sehr redegewaltig gewesen und habe die feineren Elemente der Rhetorik von Natur aus verstanden.150 Es mangelt auch nicht an Eigenlob, das Agathias dem Phartazes in den Mund legt, da er diesen über die vorangegangene Rede des Aeetes sagen lässt, dass sie ein großartiges Beispiel der Redekunst und daher von größter Überzeugungskraft sei,151 obwohl Agathias diese Rede aller Wahrscheinlichkeit nach selbst geschrieben hat. Die rhetorisch ausstaffierte Versammlung mit sauberer und sehr akademischer Rede und Gegenrede der Akteure hat neben der Zurschaustellung Agathiasʼ rhetorischer Fähigkeiten einzig den Zweck, die verschiedenen Sichtweisen zu erklären und wie man nach Agathiasʼ Meinung auf die Ansicht gekommen sein mag, welche schlussendlich aus der Handlung der Lazen sprach. Da Agathias den Glauben in der Erwiderungsrede als großes Motiv erwähnt, stellt sich die Frage, ob und in welchem Maß das seine Ansicht, eine allgemein verbreitete römische Perspektive, eine echte lazische Position oder communis opinio aller Seiten war.152 Im Gegensatz zu den Fragen der strategischen Lage besteht hier das Problem der bisher mangelnden Parallelquellen. Das gilt auch für die Frage danach, wie stark die Römer in Lazien vertreten waren. Dahingehend wird nur deutlich: Lazien war nicht im landläufigen Sinne von den Römern besetzt. Die römischen Soldaten blieben in ihren Festungen und mischten sich of145 Zu diesem Aspekt, auch hinsichtlich der Bedeutung innerhalb des Weltverständnisses, das dem Werk des Agathias zugrundeliegt, Brodka 2004, 167–172. PLRE IIIB, Phartazes, S. 1016. 146 Agath. hist. 3,12,10; 3,12,13; Fisher 2017, 168. 147 Agath. hist. 3,14,1. 148 Agath. hist. 3,14,2f. 149 Agath. hist. 3,14,4. 150 Agath. hist. 3,8,8. Dies geschieht zudem mit klassischer Präzedenz: Thukydides setzt voraus, dass die Spartaner für gewöhnlich in lakonischer Kürze sprechen; wenn er aber in seinem Geschichtswerk doch längere Reden durch Spartaner halten lässt, findet er dafür Entschuldigungen, die er den Akteuren in den Mund legt oder als Erzähler einflicht, etwa 4,17 u. 4,84. 151 Agath. hist. 3,11,4; vgl. die Erklärung bei ebd. 4,7,1. 152 Ganz von der Frage zu schweigen, ob es letzten Endes wirklich der Beweggrund war, also der Wahrheit entspricht.
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fenbar nicht in die regulären Abläufe lazischen politischen und gesellschaftlichen Lebens ein.153 Die Grundannahme der ganzen Szene fügt sich jenseits dieser Fragen völlig in das Bekannte: Die Lazen können sich aussuchen, zu wem sie halten wollen. Agathias konnte das wohl kaum eindrucksvoller darstellen, als es in dieser Episode geschehen ist. Wäre er nicht von dieser Wahlmöglichkeit ausgegangen, wäre diese Szene seines Geschichtswerkes eine unsinnige Erfindung. Von besonderer Bedeutung – und mit weit größerer Wahrscheinlichkeit historisch als diese zur Episode gewordene Interpretation der Vorgänge durch Agathias – ist die esandtschaft an Justinian. Die Lage muss sehr ernst gewesen sein, wenn eine Abordnung edelster Lazen persönlich vor Justinian erschien. Dieses Zeichen sollte Justinian wohl die Dringlichkeit ihres Anliegens vor Augen führen. Nicht umsonst eilte er sehr, dieses zu erfüllen, denn er wird genau gewusst haben, dass die Lazen auch auf die persische Seite überlaufen konnten (oder dies in einem für das Imperium wahrscheinlich schmerzhaften Versuch zumindest wagen würden), wenn sie es gewollt hätten. Auch wenn der Vorgang bittend und höflich erscheint, so hat letztlich doch bisher keiner der Akteure des Südkaukasusraumes Justinian derart drastisch erpresst. Keiner war bisher zu dergleichen in der Lage. In der geschickten Gestaltung eines harten Anliegens in einer schmeichelnden Form erweisen sich die lazischen Edlen als geschickte Diplomaten im antiken wie modernen Sinne. Letztlich wollen sie nichts anderes, als die Anerkennung eines selbstgewählten Königs durch Justinian, ein Eingeständnis einer durch die römischen Feldherren begangenen Ungerechtigkeit (an der Justinian nicht unwesentlich beteiligt war!) und Sühne für eben dieses Unrecht. Sie wollen eine Anerkennung der Legitimität ihrer Königsherrschaft154 im Angesicht römischer Ansprüche und vor allem, dass sich das Imperium bei ihnen entschuldigt und Wiedergutmachung leistet. Das Recht ist dabei der Ansatzpunkt, aber eben offenkundig ein Mittel zum Zweck. Agathias zeigt mit der dargestellten Rede und Gegenrede der vorangehenden Szene nicht zuletzt, dass sich die Lazen ihrer strategischen Bedeutung und der aus dieser erwachsenen Macht vollauf bewusst waren. Sie mussten nicht mit einem Wechsel auf die persische Seite drohen, denn Justinian kannte die unausgesprochene Drohung sehr gut. Sie muss allen Beteiligten völlig klar gewesen sein. Justinian musste schlichtweg darauf eingehen, da er diese potentielle und wohl ziemlich wahrscheinliche Konsequenz einer Ablehnung des lazischen Anliegens nicht riskieren konnte; zumal es mit vergleichsweise geringen Kosten zu 153 Selbst in der Gegenrede, die ein Bild der römischen Truppen als Gefahr zeichnet, werden sie nur für die Städte erwähnt; über diese besetzten sie das Land, Agath. hist. 3,12,13. 154 Deutlich Agath. hist. 3,14,3 über die Einsetzung des Tzath (Übers. nach Frendo): ὡς ἂν αὐτοῖς πάλιν ὁ πάτριος διασῴζοιτο νόµος καὶ ἡ ἀνέκαθεν τοῦ βασιλείου γένους ἀκραιφνὴς ὁµολογία. – „So bliebe ihre väterliche Verfassung wiederum erhalten und die ununterbrochene Thronfolge sowie der Bestand des Königsgeschlechts gewahrt.“
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erfüllen war, wenn auch unter dem Bauernopfer des Rustikos und Johannes (den wichtigeren Feldherrn Martinos, den er trotz Antipathie noch brauchte, konnte er schonen),155 denen gegenüber er sowieso nicht sonderlich positiv eingestellt gewesen zu sein scheint. Wohl um eine Symbolhandlung einzusetzen und die Erfüllung der lazischen Bitte möglichst sichtbar und mit großer Geste durchzuführen – auf dass auch alle seine Gerechtigkeitsliebe sehen mögen – und um somit dem Akt eine sichtbare Form zu verleihen, schickte er daraufhin Athanasios zur Untersuchung des Vorfalls.156 Zudem wird klar, dass er auch Tzath nach Tradition eigenhändig zum König gemacht hat.157 Somit hat er auch dieses Anliegen der Lazen bewilligt. Passend ist, dass die römischen Militärs Tzath größten Respekt entgegenbringen, als er in Lazien ankommt.158 Offenkundig soll ein Fall wie der Mord an Gubazes nicht wieder vorkommen und die Lazen sollen auch keinen Grund mehr haben, sich über die Behandlung durch das römische Heer zu beschweren. Das lazische Publikum ist begeistert von der Zeremonie.159 Zusammenfassend lässt sich sagen: Die Lazen haben ihre Macht geschickt genutzt. Die zum juristischen Vorgang gewordene Versöhnung ist der darauf folgende römische Prozess um die Königsmörder, den der Jurist Agathias mit großer Ausführlichkeit und wiederum großen Reden ausgestaltet.160 Ein solcher Aufwand wäre wohl nicht getrieben worden, wenn die Lazen nicht über die aus ihrer besonderen Stellung resultierende Macht verfügt hätten. Justinian konnte es sich nicht leisten, einen Abfall der Lazen zu riskieren, so dass er bemüht sein musste, sie zufrieden und somit der römischen Seite zu erhalten. Den Zweck des Prozesses – eine Besänftigung der Lazen und stärkere Gewöhnung an die Herrschaft des Imperiums – nennt Agathias explizit als seine eigene Meinung.161 Neben dem Beispiel der erfolgreichen Anwendung ihrer Machtmittel beschreibt Agathias auch einen Fall, da ein kleinerer südkaukasischer Akteur nicht in der Lage ist, sich durch Einsatz derartiger Mittel gegen das Imperium zu behaupten. Es handelt sich um den Untergang der Misimianen,162 in dessen Schilderung der Fokus allerdings auf anderen Themen liegt.163 Im Rahmen der Geschehnisse des Jahres 558 bewegt sich Agathias wider einmal auf Prokops Spuren, da er einen Aufstand der Tzanen schildern kann, der
155 156 157 158 159 160
Agath. hist. 4,11,1; 4,15,5. Vgl. Agath. hist. 3,14,4, nur Schilderung der Handlung. Agath. hist. 3,15,2. Agath. hist. 3,15,3. Agath. hist. 3,15,4. Agath. hist. 4,1,1–4,11,4. Dieser Prozess wird im Kapitel 18.4 der vorliegenden Arbeit ausführlicher behandelt. 161 Agath. hist. 4,1,4. 162 Agath. hist. 3,15,6–3,17,3; 4,12,1–4,13,1; 4,15,6–4,20,9. 163 Zudem ist diese Episode auch schon Gegenstand der Arbeit Andres 2019.
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an Prokops Darstellung ähnlicher Vorgänge um 525 erinnert,164 auch wenn die Geschehnisse durch einen Abstand von über 30 Jahren voneinander getrennt sind. Agathias beschreibt, dass nach dem römisch-persischen Waffenstillstand von 557 die Mehrzahl der Tzanen, obwohl sie nun schon lange mit den Römern verbündet waren, das geordnete Leben aufgaben und sich dem Räuberwesen in den ihnen zugänglichen Gegenden bis nach Armenien zuwandten. Von römischer Seite wird der selbst aus dem Tzanenland stammende Theodoros zur Beseitigung des Problems abgeschickt. Mit seinen Truppen begibt er sich auf einem ihm bekannten Weg ins Herz des Tzanenlandes. Bei der Stadt Theodorias spricht er mit Vertretern des friedlichen Teils der Tzanen, die von ihm beschenkt und gelobt werden. Anders gesinnte Tzanen greifen die Römer an, werden aber besiegt und getötet oder zerstreut. Justinian erlegt den Tzanen einen jährlichen Tribut auf, um den Tzanen ihre Stellung klarzumachen. Justinians Stolz auf diese Errungenschaft lässt sich aus der Erwähnung der Unterwerfung der Tzanen im allerersten Satz der Justinianischen Novellae ablesen.165 Wie bei Prokop plündern auch hier die Tzanen, obwohl sie auf römischer Seite stehen, bei Prokop sogar mit römischen Subsidien versehen. Wie bei Prokop kommt es zu einer Schlacht, in der sie besiegt werden und sich den Römern danach fügen. Bei Agathias tritt das Element des Tributes hinzu. Es zeigt sich, dass der Spielraum der Tzanen nach den bei Prokop geschilderten Vorgängen offenbar nicht wesentlich kleiner geworden war, da sie immer noch die Möglichkeit hatten, sich wieder einer räuberischen Lebensweise zuzuwenden. Sie zogen Vorteile aus der Lage ihres Landes. Die kaiserlichen Maßnahmen – einen Experten für eben dieses Land zu entsenden und danach Tribut aufzuerlegen – waren momentan geeignet, die Lage zu stabilisieren, änderten aber nichts am prinzipiellen Spielraum der tzanischen Akteure, die ihre geographische Position weiter nutzen konnten. Auch die Annahme des Christentums durch die Tzanen, die Prokop berichtet, war kein Garant der Stabilität.166 Der Umgang mit den Tzanen verweist auf ein Bewusstsein für dieses Problem; so soll Sittas die Tzanen seinerzeit noch nach ihrer Niederlage mit Worten überzeugt haben, den Römern treu zu sein, wie später Theodoros die treu gebliebenen Tzanen beschenkt und ehrt. Die Tzanen lassen
164 Prok. Bell. 1,15,19–25. Es entbehrt in Anbetracht der Schilderung des Agathias nicht einer gewissen Ironie, dass Prokop seine Ausführungen mit den Worten ἐτύγχανον δὲ καὶ ὀλίγῳ πρότερον καταστρεψάµενοι τὸ Τζανικὸν ἔθνος, οἳ ἐν γῇ τῇ Ῥωµαίων αὐτόνοµοι ἐκ παλαιοῦ ἵδρυντο [...] – „Kurz zuvor hatten sich die Römer auch das Volk der Tzanen, das seit alters unabhängig in ihrem Gebiet wohnte, untertan gemacht“ (Übers. nach Veh) beginnen lässt. Justinian konnte diese Untertänigkeit 558 erneut feiern. 165 Cod. Iust. Nov. 1, praef. Dazu auch Agath. hist. 5,1,1–5,2,5; Howard-Johnston 1995, 187; Greatrex 2007, 112f. Der Stolz Justinians ist wohl nicht zuletzt aus der militärischen Lage der Zeit zu begründen: da es um den Erhalt des angegriffenen status quo im Osten und Rückgewinne im Westen geht, ist die neue Untertänigkeit der Tzanen ein auffälliges Ereignis. PLRE IIIB, Theodorus 21, S. 1251f. 166 Prok. Bell. 1,15,25.
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sich letzten Endes nicht langfristig zur Loyalität gegenüber dem Imperium zwingen, sie müssen überzeugt werden. Selbst die in Prokops Bauten erwähnten Maßnahmen Justinians, das Tzanenland durch Fällen von Bäumen und Anlage von Wegen gangbarer zu machen, zu missionieren und Soldaten in Kastellen dort zu stationieren, verweisen zwar auf ein Bewusstsein für die mit der besonderen geographischen Lage einhergehende Freiheit der Tzanen, waren aber offenbar selbst nicht geeignet, deren Situation dauerhaft zu verändern.167 19.4.3 Menander Auch der dritte der großen Historiker des 6. Jahrhunderts, Menander Protektor, erwähnt ähnliche Mechanismen in einem Fragment seines Werkes, das von besonders großer Tragweite ist, da es die Bestimmungen des grundlegenden Friedensvertrages von 561 beinhaltet und daher einen Einblick gewährt, welche Aspekte des römisch-persischen Verhältnisses und der römisch-persischen Konflikte von den Beteiligten für besonders wichtig gehalten wurden. Nach Betrachtung der vorangehenden Jahrzehnte ist es geradezu selbstverständlich, dass die Vorherrschaft in Lazien nach den mehrmaligen Seitenwechseln endgültig geklärt werden musste. Man einigte sich darauf, dass Lazien römische Einflusssphäre sein solle, der Frieden auch für Lazika selbst gelte168 und somit der mit Ztathios und Justin begonnene Prozess endlich abgeschlossen werde. Sofern sich beide Seiten an dieses Abkommen streng gehalten hätten (und Abkommen werden stets so geschlossen, als ob dies der Fall wäre), hätte es das Ende der besonderen Stellung und damit der gewissen Freiheit und Machtposition der Lazen bedeutet, da die Wahlfreiheit in dem Moment nicht mehr besteht, da das Gebiet nicht im Kreuzfeuer der Interessen beider Großmächte steht, sondern klar der einen zugeordnet werden kann und die andere das weder bestreitet noch verändern will. Wie Chosrau laut Prokop Lazien dem Einfluss des Imperiums entziehen wollte, indem er es durch Besiedelung mit Persern einfach dem Sasanidenreich anschloss, so ist es nun in einem rechtlichen Abkommen dem Imperium unterstellt worden. Die Zeitgenossen waren sich also völlig bewusst, dass die umstrittene Stellung Laziens ein Konfliktherd war und wahrscheinlich auch, dass die daraus resultierende Machtstellung der Lazen die Konflikte noch anheizte und schwieriger gestaltete, da die im eigenen Interesse handelnden Lazen die Großmächte geradezu in Konflikte hineinzogen. Ein zweiter Fall, der die Eigentümlichkeit des Südkaukasusraumes zwischen den Mächten illustriert, ist der Streit um Suania, dessen Zugehörigkeit nicht im 167 Prok. Aed. 3,6,9–26. 168 Men. Prot. frg. 6,1,142–150. Im Vertragstext selbst dürfte dies laut der entsprechenden Anmerkung bei Blockley 1985b im neunten Artikel, Men. Prot. frg. 6,1,358–361, inbegriffen sein; Güterbock 1906, 66f.
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Vertrag festgelegt wurde, da sie zu umstritten war.169 Da man sich nicht einigen konnte, ließ man Suania außen vor. Der Hintergrund dürfte sein, dass sich von Suania aus leicht das Schwarze Meer erreichen lässt, was die alte römische Angst des persischen Zuganges zu diesem Gewässer wiederbelebte. Wieder ist es wohl die besondere geografische Lage, die ein Gebiet für beide Mächte besonders interessant macht. In diesem Zusammenhang thematisiert Menander noch einmal die speziellen diplomatischen Probleme des Südkaukasusraumes, der enorm komplex ist, von beiden Seiten erstrebt und in dem gleichzeitig viele andere politische Vorgänge zwischen den regionalen Herrschaften und Gemeinwesen vorgehen, die wiederum die Großmächte tangieren und deren Verhältnis verändern. Er lässt den Diplomaten Petros unter anderem sagen: Suanien gehörte den Römern, und die Römer gaben den Suanen Befehle. Nun war, als Tzathios die Suanen anführte, ein gewisser Deitatos, ein Römer, Befehlshaber der dort stationierten römischen Truppen; aber auch andere Römer hielten sich bei den Suanen auf. Weil eine Feindschaft zwischen dem König der Lazen und dem Römer Martinos, der damals der Befehlshaber dort war, ⟨ 〉, deswegen schickte der Kolcher den Suanen nicht die gewohnte Getreideversorgung (es war nämlich Brauch, dass vom König der Kolcher Getreide geschickt wurde). Deshalb haben die Suanen, ungehalten darüber, dass sie die übliche Lieferung nicht bekommen hatten, die Perser benachrichtigt, dass sie ihnen, wenn sie hinkämen, Suanien übergeben würden.170
Es zeigt sich schon an diesem kleinen Beispiel die enorme und kaum absehbare Verflechtung des südkaukasischen Raumes, da ein kleiner Anstoß durch eine Großmacht viele Mechanismen in Gang setzt, die schlussendlich wieder auf die Ebene der Großmächte zurückfallen können. In der folgenden Diskussion schlägt Petros dem persischen Unterhändler vor, er könnte doch einfach sagen, dass Rom Lazien samt den ihm Unterstehenden bekommen solle. Daraufhin meint der Zich, wenn er das zuließe, würden die Römer auch Iberien ins Gespräch bringen und behaupten, auch das sei den Lazen untertan. Man konnte sich nicht einigen.171 Mit der nach dem Vertragsabschluss stattfindenden Diskussion zwischen Petros und Chosrau über die Zugehörigkeit Suanias konnte Menander unter Anführung alter Dokumente, Rechtsansprüche und diverser Argumente etliche Teubnerseiten füllen.172 Menander betont, diese
169 Men. Prot. frg. 6,1,239–242. Zu den Saunen siehe die Arbeit Berndt 2012. 170 Men. Prot. frg. 6,1,248–259 (Übers. nach Stein): Σουανία Ῥωµαίοις ὑπῆρχε, καὶ Ῥωµαῖοι Ζουάνοις ἐκέλευον. ἀµέλει Τξαθίου Σουάνων ἐξηγουµένου ∆είτατός τις Ῥωµαῖος ἀνὴρ τῶν ἐκεῖσε Ῥωµαϊκῶν καταλόγων ἐτύγχανε προεστώς· ἀλλὰ καὶ ἕτεροί τινες Ῥωµαίων ἐν Σουάνοις ἐποιοῦντο τὰς διατριβάς. δυσµενείας δέ τινος µεταξὺ τοῦ Λαζῶν βασιλέως καὶ Μαρτίνου τοῦ Ῥωµαίου τηνικαῦτα ἐκεῖσε στρατηγοῦντος, τούτου ἕνεκα ὁ Κόλχος οὐκ ἀπέστειλε Σουάνοις τὸ σύνηθες σιτηρέσιον· ἔθος γὰρ πέµπεσθαι σῖτον ἐκ τοῦ Κόλχων βασιλέως. διὸ δυσανασχετοῦντες οἱ Σουάνοι τῷ τῶν νενοµισµένων ὑστερηθῆναι κατάδηλον ἐποιήσαντο Πέρσαις ὡς, εἰ γενήσοιντο αὐτοῦ, Σουανίαν ἐγχειρίσουσιν αὐτοῖς. 171 Men. Prot. frg. 6,1,275–284. 172 Men. Prot. frg. 6,1,435–514 u. 546–603.
19.5 Loyalität der südkaukasischen Akteure
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Argumente nur sprachlich verändert zu haben, man könnte sie sonst auch in den Aufzeichnungen des Petros genau nachlesen.173 So scheint auch ein geradezu humoristischer Austausch weitgehend den Gegebenheiten entsprochen zu haben, der besonders illustriert, auf welche Weise um ein kleines Land am Rande der bekannten Welt verhandelt wurde, da es eben aufgrund seiner Lage besondere Relevanz174 für die Weltpolitik hatte: Der König sagte: „Als ich Skandeis, Sarapa und die Lazike unter meine Kontrolle brachte, da hattet ihr, wie ihr sagt, Suania als Untertanen. Aufgrund dessen ist offenkundig, dass sie den Lazen nicht untergeben waren. Wenn es nämlich so wäre, wären sie ebenfalls mit ihren Herrschern zu uns übergegangen.“ Petros erwiderte darauf: „Das ist nicht geschehen, weil der Suane nicht abgefallen ist, so wie der, dessen Sklave er war, der Laze. Ich meine damit, dass der Sklave unseres Sklaven keineswegs rebelliert hat.“ – „Heute“, sagte der König, „sind schon zehn Jahre vergangen, seitdem wir Suanien in unseren Besitz brachten. Oft empfingen und schickten wir Gesandte zu den Römern. Und warum habt ihr seit jener Zeit nicht irgendein Wort hinsichtlich Suanias geäußert?“ – „Weil du damals“, sagte Petros, „auch Herr von Lazika warst. Wenn ich zu dir gesagt hätte, du sollest mir Suania abtreten, hättest du entgegengehalten: ‚Weswegen?‘ Wenn ich daraufhin gesagt hätte: ‚Weil es Lazika untergeordnet ist‘, hättest du geantwortet, ob wir denn wüssten, wer du in der Lazike seiest; und dann hätten wir überhaupt nichts mehr zu widersprechen gehabt.“175
Man fand keine Lösung für das suanische Problem.176 19.5 LOYALITÄT DER SÜDKAUKASISCHEN AKTEURE In Anbetracht der dargestellten Situation der verschiedenen Akteure des Südkaukasusraumes und der daraus resultierenden Wahlfreiheit, die eine Machtstellung der Akteure gegenüber den Großmächten bedeutete, die in keinem Verhältnis zu 173 Men. Prot. frg. 6,2. 174 Dazu auch Men. Prot. frg. 9,1,13–16: Suania sei an sich nicht wertvoll, wohl aber durch seine Lage, da es den Persern ein Einfallstor gen Lazien bieten würde. Güterbock 1906, 106f. 175 Men. Prot. frg. 6,1,546–562 (Übers. nach Stein): ὁ δὲ βασιλεὺς εἶπεν· ὁπηνίκα ἔγωγε παρεστησάµην Σκάνδεις τε καὶ Σάραπα καὶ Λαζικήν, ὑµεῖς, ὥς φατε, τηνικαῦτα Σουανίαν ἐν ὑπηκόων εἴχετε µοίρᾳ. ἔνδηλον οὖν ἐντεῦθεν ὡς οὐκ ἐτύγχανον ὄντες ὑπὸ Λαζούς. ἦ γὰρ ἂν καὶ αὐτοὶ ξὺν τοῖς κρατοῦσιν ἡµῖν προσεχώρησαν. ὁ Πέτρος ἔφη ἀµοιβαδόν· τοῦτο οὐ γέγονεν, ἐπεὶ ὁ Σουάνος οὐκ ἀπέστη, καθὰ δήπουθεν οὖ δοῦλος ἦν ὁ Λαζός. φηµὶ δὲ ὡς τοῦ καθ᾿ἡµᾶς δούλου ὁ δοῦλος ἀφηνίασεν οὐδαµῶς. τήµερον, ἦ δὲ ὁ βασιλεύς, δέκα ἤδη παρῳχήκασιν ἐνιαυτοὶ ἐξ οὗ Σουανίαν ἐν κατοχῇ ἐποιησάµην· πρέσβεις πολλάκις ἐδεξάµεθά τε καὶ ἐξεπέµψαµεν ὡς Ῥωµαίους· καὶ τί δῆτα ἐξ ἐκείνου τὸν ὁντιναοῦν οὐ κεκινήκατε λόγον ἕνεκα Σουανίας, ἐπειδὴ τηνικαῦτα, ἔλεξεν ὁ Πέτρος, καὶ Λαζικῆς κύριος ἐγεγόνεις. καὶ εἴπερ ἔφην ὡς δεῖ παραχωρῆσαί µοι Σουανίας; ἀντέλεξας ἄν· τίνος χάριν; καὶ εἴπερ αὖθις ἔφην· ἐπεὶ Λαζικῆς ἐστι κατήκοος, ἀπεκρίνω· τίνα γάρ σε γνωρίζοµεν Λαζικῆς; καὶ λοιπὸν ἀντερεῖν εἴχοµεν τὸ παράπαν οὐδέν. Auch Güterbock 1906, 59, betont, dass die Reden im Geschichtswerk Menanders, die auf Aufzeichnungen des Petros Patrikios zurückgehen, nicht den Eindruck des üblichen Usus antiker Geschichtsschreiber machen, den handelnden Personen bloß erfundene Texte zuzuschreiben. 176 Men. Prot. frg. 6,3.
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ihren vergleichsweise geringen räumlichen, militärischen und wirtschaftlichen Ressourcen gestanden haben dürfte, ist auffällig, dass die untersuchten römischen Autoren der Spätantike diese für das Imperium zweischneidige Wahlfreiheit nicht besonders negativ als Ausdruck einer Untreue der Südkaukasier zum Imperium (oder Sasanidenreich) auffassten, obwohl die Seitenwechsel aus heutiger Sicht nichts anderes als eine Form von Verrat bedeuten. Dies ist umso auffälliger, als ein Abfall von politischen Gebilden und Personenverbänden andernorts drastisch von den Autoren gegeißelt wird.177 Agathias bemühte sich dagegen sogar um177 Man denke an Prokops Exkurs über die Heruler Bell. 6,14, der in 6,14,34–42 kulminiert, da mehrfach die besondere Untreue der Heruler gescholten und in der Reihenfolge ihrer Schandtaten noch vor dem Brauch des widernatürlichen Geschlechtsverkehrs aufgelistet wird. Kurzum heißt es bei ebd. 41 (Übers. nach Veh): „Es gibt nämlich keine unberechenbareren und unzuverlässigeren Menschen als die Heruler“ – ἀσυνθετώτεροι γὰρ ἢ ἀσταθµητότεροι Ἐρούλων εἰσὶν ἀνθρώπων οὐδένες. Auch die folgende Episode 6,15,27–36 über die Königswahl der Heruler lässt sich als Illustration anführen. Für Ammians noch drastischeres Bild hunnischer Untreue siehe Amm. Marc. 31,2,11 (Übers. nach Veh): per indutias infidi inconstantes, ad omnem auram incidentis spei novae perquam mobiles, totum furori incitatissimo tribuentes. inconsultorum animalium ritu, quid honestum inhonestumve sit, penitus ignorantes, flexiloqui et obscuri, nullius religionis vel superstitionis reverentia aliquando districti, auri cupidine immensa flagrantes, adeo permutabiles et irasci faciles, ut eodem aliquotiens die a sociis nullo irritante seape desciscant itidemque propitientur nemine leniente. – „Bei Abschluss eines Waffenstillstandes erweisen sie sich als treulos und unbeständig, lassen sich schon von jedem leichten Hauch einer neuen Hoffnung bewegen und verfallen dann ganz und gar der leidenschaftlichen Raserei. Gleich unvernünftigen Tieren ist ihnen der Begriff „Ehre“ und „Unehre“ völlig unbekannt; trügerisch und dunkel sind ihre Worte, sie selbst fühlen sich auch nie von irgendwelcher Achtung gegenüber Religion oder auch nur Aberglauben gebunden, brennen vielmehr nur von unersättlicher Goldgier. Dabei sind sie so wankelmütig und jähzornig, dass sie mehrfach am gleichen Tag ohne irgendwelche Veranlassung ihre Bundesgenossen verlassen und, ohne dass jemand sie begütigt, ebenso rasch wieder mit ihnen Freund werden.“ Bei 14,2,1f., vergleicht er die untreuen und unzuverlässigen Isaurier mit wilden Tieren. Bei 14,4,1 werden die als besonders unzuverlässigen und untreu geltenden Sarazenen mit Geiern verglichen; vgl. 31,15,2 über die siegreichen Goten nach Adrianopel, die mit blutrünstigen Tieren verglichen werden. Bei 16,11,9 werden Alemannen, die entgegen Verträgen und Eiden, Frieden zu halten, wieder Streifzüge unternommen haben, auf einer Rheininsel von römischen Truppen ungeachtet Geschlechts oder Alters ut pecudes niedergemacht. Zu Ammians Tiervergleichen Barnes 1998, 107–110; vgl. Maenchen-Helfen 1997, 7f.; Stickler 2007, 18; Rosen 2016, 37f. Zum römischen Vergleich von Barbaren und wilden Tieren samt dem Prozess der Zähmung Lund 1990, 16–19, vgl. Vössing 2014, 146. Generell ist bei Ammian deutlich zu spüren, dass er alle menschlichen Handlungen aus der Warte des römischen Rechts- und Wertesystems beurteilt. So zieht es z. B. keinen Tadel nach sich, dass römische Truppen bei 24,2,3 nach dem Einzug in die größtenteils verlassene Stadt Diacira die vor Ort gebliebenen Frauen töten und die Ortschaft niederbrennen, als aber wenige Seiten später bei 24,2,4 der Sarazene Malechus Podosacis erwähnt wird, der in römisches Gebiet eingefallen ist und auch Zivilisten getötet hat, wird er als „verrufener Verbrecher“ apostrophiert. Evagr. hist. eccl. 4,26 stellt die einem denkenden Menschen, geschweige denn einem König, unwürdige Irrationalität des Vertragsbruches Chosraus hervor. Auch der bei mehreren Autoren im Kontext der Zilgibis-Affäre erwähnte Vergleich der untreuen Hunnen mit Hunden
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ständlich, in der Rede- und Gegenrede der Lazen Argumente für und gegen den Wechsel von der römischen zur persischen Seite darzustellen und in literarischer Form abzuwägen. Dies erfordert zumindest ein gewisses Verständnis für die Situation der Betroffenen. In der Tat lassen sich in den Schriften der spätantiken Autoren immer wieder Indizien finden, die für einen speziellen Loyalitätsbegriff der südkaukasischen Akteure sprechen, der auch den römischen Autoren bekannt gewesen sein muss, und die ermittelten Strukturen sprechen dafür.178 Dieser im Folgenden zumindest zu umreißende Begriff ist für die römisch-persische Diplomatie dahingehend bedeutsam, als er zum einen zeigt, wie sehr sich die diplomatischen Akteure kulturellen Eigenheiten anderer Gemeinwesen und Weltgegenden bewusst und darauf einzugehen bereit waren – was nicht zuletzt eine der Voraussetzungen erfolgreicher Diplomatie ist – und zum anderen einen weiteren Blick darauf ermöglicht, dass auch die südkaukasischen Akteure selbst sich ihrer besonderen diplomatischen Stellung zwischen den Reichen bewusst waren und eine Mentalität besaßen, die dieser Stellung sehr entgegenkam oder zumindest von ihr gefördert wurde. Dies demonstriert einmal mehr die Selbstverständlichkeit von Diplomatie und die große Auswirkung der diplomatischen Mechanismen zwischen den Großmächten, die sogar die kleineren südkaukasischen Akteure wesentlich in ihren Handlungsoptionen und Verhaltensweisen beeinflusste.
könnte in eine ähnliche Richtung gehen (zumal die Untreue gerade keine traditionell dem spezifischen Tier Hund zugeschriebene Eigenschaft ist). Chron. Pasch. a. 522; Ioh. Mal. 17, 10, 12f.; Theophan. Conf. a. 6013; Johannes von Nikiu 90,44. Zu Tiervergleichen bei Ammian, wenn auch aus anderer Warte, ohne Bezugnahme auf das Recht, siehe die Arbeit Wiedemann 1986. Zu Hunnen und Wölfen Maenchen-Helfen 1997, 6. Zum Hintergrund der Tiervergleiche siehe auch die Arbeit Andres 2019. 178 Für religiös-politische Loyalitäten im Armenien des 4. Jahrhunderts und dahingehende Quellenprobleme wird ein Rekonstruktionsversuch in der Arbeit Garsoïan 1971 (vgl. Garsoïan 1967) unternommen. Treffend Toumanoff 1989, 419, zu den Bagratiden: „The partition of Armenia in 387 into an Iranian and a Roman vassal state, then the annexation of the Western kingdom by the Empire, and finally the abolition of the East Armenian Monarchy in 428, which ended the perennial tension between the Armenian Crown and the insubordinate dynastic princes who were its vassals, placed these princes in the necessity of choosing between the two rival imperial allegiances. The Bagratids proved successful in maneuvering between the two powers.“ Garsoïan 2000 über das Haus Mamikonean: „The loyalty of the Mamikoneans to the Byzantine empire and their hostility to Persia were not [...] unshakeable. Their political position oscillated and could on occasion be reversed.“ Vgl. Preiser-Kappeler 2010, 143: „Individual noblemen and clans could gain a variety of options within this framework, and even the aristocracy at large could achieve a certain degree of autonomy for the countryʼs affairs if equilibrium between the neighboring great powers or a momentary power vacuum would allow it.“ Zu Lazika Lang 1966, 100: „The Lazic kings did their best to play off the Persians and Byzantines against one another. They had in fact little reason to prefer the Christian Greeks to the infidel Persians, especially as agents of the emperor Justinian assassinated the able Lazic king Gubaz II in 553.“
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Das beste Beispiel für eine solche Weltanschauung südkaukasischer Akteure bietet der von Prokop sowohl im südkaukasischen, als auch im afrikanischen und italischen Kriegsschauplatz sowie in Konstantinopel behandelte Arsakide Artabanes,179 den Otto Veh aus gegenwärtiger Sicht in seinem Verzeichnis der Eigennamen bei Prokop treffend umreißt: „Arsakide, erfolgreicher römischer Feldherr, doch von zweifelhafter Charakterart, in Afrika und Italien tätig“.180 Zunächst ist aus einer Erwähnung im vierten Buch zu schließen, dass die früheste bekannte Tat des Artabanes die Ermordung des Akakios ca. 539 war und somit des proconsul Armeniae primae.181 Dann tritt er auf, da Sittas gegen aufständische Armenier vorgeht und sein Agieren ist etwas undurchsichtig. So heißt es, sein Vater Johannes sei ein guter Freund des Buzes gewesen.182 Als Sittas nun im Kampf gegen die Armenier am Kopf verletzt wird, habe Artabanes ihn von hinten mit der Lanze getötet. Dieses Ende habe nicht Leistungen und Taten des Sittas entsprochen. Prokop ergänzt, dass manche auch berichteten, Sittas sei nicht durch Artabanes, sondern durch einen sonst unbedeutenden Armenier namens Solomon getötet worden.183 Im Rahmen einer auf ein römisches Versöhnungsangebot hin erfolgenden Gesandtschaft der Armenier erscheint Johannes, der Vater des Artabanes, später bei seinem vermeintlichen Freund Buzes, dem Nachfolger des Sittas, wird aber von den Römern entgegen den Versprechungen getötet.184 Zunächst stellt sich die Frage, auf wessen Seiten Artabanes zum Zeitpunkt der erwähnten Schlacht stand. In Anbetracht des Umstandes, dass Johannes ein Freund des Buzes war, des hinterrücks erfolgenden Angriffs und der Unsicherheit über die Identität desjenigen, der Sittas getötet hat (es muss also von Relevanz gewesen sein, was es bei einem armenischen Aufständischen als Täter wohl weniger wäre, sehr wohl aber bei einem möglichen Täter, der auf römischer Seite bekannt war), dürfte er offiziell zunächst auf römischer Seite gestanden haben, sich dann aber (wohl nach dem Mord an Akakios) den Aufständischen und somit der 179 Man könnte anhand des im folgenden aus Prokop geschlossenen Lebenslaufs annehmen, dass es sich nach modernen Kriterien nicht um ein- und dieselbe Person handeln kann, aber aus Details wird deutlich, dass es sich in der Tat um ein- und denselben Artabanes gehandelt hat, siehe PLRE IIIA, Artabanes 2, S. 125–130. Das Leben des Artabanes ist ein Fall, da sich antike und moderne Verständnisse von grundlegenden gesellschaftlichen Phänomenen wie Loyalität und Identität stark unterscheiden. 180 Veh 1970b, 579. Zu Artabanes auch Shahid 1972, 311f. 181 Prok. Bell. 4,27,17; PLRE IIIA, Acacius 1, 8f. Es ist bemerkenswert, dass Prokop diesen Umstand nur an dieser Stelle, in einer Rede des Gregorios an Artabanes in Africa, erwähnt, nicht aber bei Prok. Bell. 2,3,7, als er die Ermordung des Akakios in ihrem zeitgenössischen und geografischen Kontext erwähnt. Vielleicht verfügte er bei Abfassung des zweiten Buches noch nicht über diese Information, die sich angeboten hätte, Artabanes so als Figur des Geschichtswerkes einzuführen; vielleicht hatte er auch andere Beweggründe. Zu Akakios auch Preiser-Kapeller 2010, 152f. 182 Prok. Bell. 2,3,20. In Vehs Übersetzung steht fälschlich, er sei ein Freund des Sittas gewesen. 183 Prok. Bell. 2,3,22–27. 184 Prok. Bell. 2,3,28–31.
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Seite seines Vaters zugewandt haben. Beim Tod des Sittas mag auch List beteiligt gewesen sein, in dem Sinne, dass Artabanes seine Kenntnisse der römischen Seite nutzte. Die Ermordung seines Vaters lässt sich dahingehend nicht einordnen, da es nicht heißt, dass sie aus Rache der Tat seines Sohns wegen erfolgte. Wäre dem so, hätte es Prokop vielleicht erwähnt. Für Artabanes anfängliche Beteiligung an der römischen Sache spricht auch folgender späterer Satz Prokops, da es um das Auftreten des Artabanes in Africa 546 oder etwas früher zusammen mit seinem Bruder Johannes geht: „diese hatten sich erst kurz zuvor vom persischen Heere getrennt und waren mit den anderen Armeniern wiederum zu den Römern übergelaufen.“185 Dies impliziert folgenden Ablauf: Artabanes stand zu Beginn auf römischer Seite, wechselte aber zur Sache der Aufständischen und tötete Akakios. Nach der Tat an Sittas, die er beging oder der er zumindest beschuldigt wurde, und dem Tod seines Vaters, wandte er sich zusammen mit anderen vornehmen Armeniern unter Führung des Bassakes186 dem Sasanidenkönig zu und tritt ins persischen Heer ein. Zusammen mit seinem Bruder und anderen trennte er sich später von diesem und kehrte auf die römische Seite zurück. Wesentlich ist zunächst: Artabanes hatte für den Tod des Sittas, obwohl er zumindest dringend tatverdächtig war, weder vor seinem Wechsel ins Sasanidenreich noch nach seiner Rückkehr ins Imperium negative persönliche Konsequenzen zu erleiden, die sich in den Quellen fassen ließen. Sei es, weil sich seine Beteiligung nicht nachweisen ließ, sei es, weil der Mord an seinem Vater als Ausgleich begriffen wurde, oder aber aus dem römischen Verständnis einer speziellen südkaukasischen Ethik heraus, die weiter unten behandelt wird. Der Mord an Akakios, immerhin jenem (wahrscheinlich) consularis Armeniae Magnae und später proconsul Armeniae Primae, der vor, während und nach der Justinianischen Reform des römischen Armenien im betreffenden Raum agierte und somit wenigstens mittelbar an dieser beteiligt gewesen sein muss,187 hatte anscheinend gar keine negativen Konsequenzen, ebenso wie der Wechsel erst zu den Aufständischen und dann auf die persische Seite. Er wurde keineswegs von den Römern abgewiesen, als er zurückkehren wollte. In Africa fällt sein Bruder Johannes.188 Beim Aufstand des Gontharis aber stellt er sich diesem Aufständischen zum Schein zur Verfügung, um ihn dann zu beseitigen. Zu seinen Mitverschwörern gehören der Doryphore Artasires und Artabanesʼ Neffe, Gregorios.189 Dieser habe Artabanes laut Prokop mit folgender Rede von der Sache überzeugt: 185 Prok. Bell. 4,24,2 (Übers. nach Veh): […] ἔναγχος δὲ ἀπολιπόντες τὸ Περσῶν στράτευµα, ἔς τε Ῥωµαίους αὖθις ξὺν τοῖς ἄλλοις Ἀρµενίοις αὐτόµολοι ἥκοντες. 186 Prok. Bell. 2,3,31f. 187 PLRE IIIA, Acacius 2, 8f. Die Reform wird von Prokop nicht in den Bella, sondern nur in Aed. 3,1,16–29, erwähnt. 188 Prok. Bell. 4,24,15. 189 Prok. Bell. 4,27,9f. PLRE IIIA, Artasires 2, S. 132; Gregorius 2, S. 547f.
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19 Methoden VIII Artabanes, im Augenblick ist einzig und allein dir die Möglichkeit geboten, Belisars Ruhm zu erringen, ja ihn sogar noch weit zu übertreffen; kam doch dieser mit einem gar ansehnlichen Heer und reichen Geldmitteln, die ihm der Kaiser zur Verfügung gestellt hatte, hierher nach Libyen, hatte außerdem Befehlshaber und Ratgeber in Menge bei sich, des weiteren eine Flotte von unerhörter Größe, viele Reiter und Waffen und, kurz gesagt, die gesamte sonstige Ausrüstung in einem Ausmaß, wie es dem Römerreich entspricht. Und nur so war es ihm unter großen Mühen möglich, Libyen den Römern zurückzugewinnen. All das ist nun auf eine Weise verloren gegangen, dass es zur Zeit keinen Unterschied bedeutete, wenn überhaupt nichts geschehen wäre; dabei darf man nicht einmal in Rechnung setzen, dass den Römern jetzt als Folge von Belisars Sieg nur Verluste an Gut und Blut geblieben sind und sie sich auch als unfähig erwiesen haben, ihren Besitz zu behaupten. Dies alles nun dem Kaiser zurückzugewinnen, liegt ausschließlich bei deinem Mut, deiner Klugheit und tapferen Hand. Bedenke also, dass du altem Arsakidengeschlecht entstammst, und beherzige wohl: Männern edler Abkunft geziemt es, sich immer und allenthalben ehrenhaft zu zeigen! Du hast ja schon viele bewundernswerte Taten für die Freiheit vollbracht. Noch jung an Jahren, hast du Akakios, den Führer der Armenier, sowie den römischen Feldherrn Sittas getötet und dadurch bei König Chosrau solches Ansehen erlangt, dass du gemeinsam mit ihm gegen die Römer ziehen durftest. Nun, da du in einem Alter stehst, dass es deine Pflicht sein müsste, das römische Reich nicht einem tollen Hunde unterliegen zu lassen, beweise, dass du, mein Bester, dank deiner edlen Herkunft und deinem tapferen Sinn jene früheren Taten vollbracht hast!190
Prokop resümiert: „Soweit die Worte des Gregorios. Sie bestärkten Artabanes noch mehr in seinem Vorgehen gegen den Gewaltherrscher.“191 Es dürfte sich aus heutiger Sicht um eine der eigentümlichsten Reden des Geschichtswerkes handeln, da die in ihr vertretenen moralischen Auffassungen sehr fremd erscheinen. Sowohl der Mord an Akakios, die Tötung des Sittas, der Kampf mit Chosrau gegen die Römer, als auch der kommende Anschlag auf Gontharis fallen unter den großen Begriff der ἐλευθερία. Allesamt gelten als bewunderungswürdige Taten und eines Arsakiden würdig. Nahtlos lassen sich die Leistun190 Prok. Bell. 4,27,11–18 (Übers. nach Veh): Ἀρταβάνη, νῦν σοι πάρεστι µόνῳ τὸ Βελισαρίου ἀναδήσασθαι κλέος, µᾶλλον δὲ αὐτὸ καὶ πολλῷ ἔτι ὑπερβαλέσθαι. ὁ µὲν γὰρ στρατιὰν ἀξιολογωτάτην καὶ χρήµατα µεγάλα παρὰ βασιλέως λαβὼν ἐνταῦθα ἧκεν, ἄρχοντας µὲν ἔχων τούς οἱ ἑποµένους καὶ ξυµβούλους πολλούς, στόλον δὲ νηῶν οἷον οὔπω ἡµεῖς ἀκοῇ ἴσµεν, ἵππον τε πολλὴν καὶ ὅπλα καὶ τὰ ἄλλα ἁπλῶς εἰπεῖν ἅπαντα ἐπαξίως οἱ παρεσκευασµένα τῆς Ῥωµαίων ἀρχῆς. οὕτω τε πόνῳ πολλῷ ἀνεσώσατο Λιβύην Ῥωµαίοις. ἅπερ ἅπαντα οὕτως ἀπόλωλεν ὥστε, εἰ µηδὲ ἀρχὴν ἐγεγόνει, ἔν γε τῷ παρόντι ἐν ἴσῳ εἶναι· πλήν γε δὴ ὅτι ἀποκέκριται Ῥωµαίοις τανῦν ἐκ τῆς Βελισαρίου νίκης τοῖς τε σώµασι καὶ τοῖς χρήµασιν ἐζηµιῶσθαι, καὶ πρός γε τὸ µηδὲ φυλάξαι τἀγαθὰ δυνατοῖς γεγονέναι. τὸ δὲ πάντα ταῦτα ἀνασώσασθαι τανῦν βασιλεῖ ἐν τῇ σῇ µόνῃ ψυχῇ τε καὶ γνώµῃ καὶ δεξιᾷ κεῖται. οὐκοῦν ἐκλογίζου µὲν ὡς εἶ Ἀρσακίδης ἀνέκαθεν γένος, ἐνθυµοῦ δὲ ὡς τοῖς εὖ γεγονόσιν ἀνδραγαθίζεσθαι ἀεί τε καὶ πανταχῆ πρέπει. πολλὰ γοῦν σοι ἔργα ὑπὲρ τῆς ἐλευθερίας θαυµαστὰ πέπρακται. Ἀκάκιον γάρ, νέος ὢν ἔτι, τὸν Ἀρµενίων ἄρχοντα, καὶ Σίτταν τὸν Ῥωµαίων στρατηγὸν ἔκτεινας, καὶ ἀπ̓ αὐτοῦ Χοσρόῃ βασιλεῖ γνώριµος γεγονὼς ξὺν αὐτῷ ἐπὶ Ῥωµαίους ἐστράτευσας. ἐπεὶ δὲ τηλικόσδε εἶ, ὡς σὸν εἶναι µὴ περιορᾶν τὴν Ῥωµαίων ἀρχὴν ὑπὸ κυνὶ µεθύοντι κεῖσθαι, ἐνδείκνυσο τανῦν ὡς εὐγενείᾳ τε καὶ ψυχῆς ἀρετῇ ἐκεῖνα, ὦ ᾿γαθέ, τὰ πρόσθεν εἰργάσω [...] 191 Prok. Bell. 4,27,19 (Übers. nach Veh): Γρηγόριος µὲν τοσαῦτα εἶπεν· Ἀρταβάνου δὲ τὴν διάνοιαν ἐπὶ τὸν τύραννον ἔτι µᾶλλον ὥρµησεν.
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gen im Dienste Roms mit denen für die armenischen Aufständischen und Chosrau in eine Reihe setzen. Dabei spielt der Umstand, dass all diese Taten völlig unterschiedlichen Zwecken dienten, keine Rolle. Sie sind tapfer, ehrenhaft und ruhmvoll, ob nun für die Unabhängigkeit der aufständischen Armenier von Rom, die Position Chosraus (zumindest mittelbar gegen Rom) oder die Wiedererrichtung der römischen Herrschaft in Libyen. Es ist auch gleich, ob dies durch Mord (Akakios), mehr oder weniger listigen Kampf (Sittas), in offener Schlacht (für Chosrau), oder Verschwörung und Mord (für Rom an Gontharis) geschieht. Der Erfolg entscheidet, egal mit welchen Mitteln und zu welchem Zweck. Diese Anschauung, die drastischer nirgendwo zur Sprache gebracht wird, ist jene, die das Verhalten der südkaukasischen Akteure gegenüber den Großmächten, aber auch untereinander prägt. Einziger Referenzpunkt ist der Ruhm nach einem einheimischen, südkaukasischen Verständnis. Der Ruhmerwerb folgt weder römischen noch persischen Regeln, sondern primär einheimischen.192 Die einheimische armenische Aristokratie und deren Wertekosmos bilden den einzigen Resonanzboden der Taten des Artabanes. Und da sich in Armenien selbst kaum noch große Taten vollbringen lassen, müssen sie andernorts vollbracht werden.193 Dazu passt, dass sich sogar Beziehungen zwischen armenischen Aristokraten und römischen Kaisern respektive Großkönigen in das kaukasische Wertgefüge in Form der persönlichen aristokratischen caѓayutʽiwn-Beziehungen einfügen ließen,194 so dass die sich heute stellenden Fragen nach der politischen Loyalität zu einer der beiden Großmächte gar nicht gestellt werden mussten und die Beziehungen stets in einem persönlichen Rahmen zu begreifen waren. Artabanes dürfte es weder darum gegangen sein, dass Rom das weit von Armenien entfernte Libyen zurückgewinnt, noch darum, dass Chosrau eine bessere Position im Südkaukasusraum erhält, sondern einzig und allein darum, wie sich dies in der armenischen Präsentation, in seinem Nachruhm und vielleicht auch dessen literarischer Darstellung,195 ausmachen würde. Der Ruhm auf römischer 192 Zu Indizien in armenischen Quellen siehe weiter unten im vorliegenden Kapitel. 193 Vgl. Adontz 1970, 159: „The Armenians who threw in their lot with that of the Empire dedicated themselves to its interests with exceptional devotion, and their gifts, emerging from the narrow confines of political life in their native land, displayed themselves in all their strength and diversity.“ 194 Preiser-Kapeller 2010, 145: „The term which Sebēos and other historians used to describe this relationship between the Emperor or the Great King and the individual aristocrats is caѓayutʽiwn; this is the same term which describes the allegiance of the Armenian princes to their king in earlier times. In that way, the Emperor took the place of the Armenian king in this relationship. For the aristocrat, caѓayutʽiwn included the obligation for military serice to his lord (tēr). But this relationship also included mutual commitments, which according to the Armenian tradition were sealed through a reciprocal oath (uχt, erdumn). As a result of this oath, one side took upon itself the duties of lordship and protection, and the other those of faithful service and obedience.“ Vgl. Morley 2017, 274. 195 Der Terminus der geste wird bei Garsoïan 2000 in diesem Zusammenhang verwendet, da die Existenz einer solchen zum Haus Mamikonean postuliert wird.
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oder persischer Seite ist nur ein Nebeneffekt und nur insofern wichtig, als er sich in einen spezifisch armenischen, eines Arsakiden würdigen Ruhm umwandeln lässt. Das soziale Kapital der Großmächte muss erst in eine südkaukasische Währung gewechselt werden, um für Artabanes wertvoll und verwendbar zu sein. Prokop stellt diese im Grunde beinahe unpolitische Ansicht – macht sie doch keinen Unterschied zwischen den Ansprüchen des Imperiums und denen des Sasanidenreiches – in einer Rede eines Armeniers an einen anderen vor. Prokop beweist ein großes Verständnis dieser moralischen Auffassung, wie er auch ein großes Verständnis der speziellen politischen Lage der südkaukasischen Akteure beweist. Die aristokratische Auffassung und die politische Lage decken sich: Wer solch eine Anschauung hegt, für den kann es nicht verwerflich sein, mit einem ganzen Personenverband und Land von der Seite des Kaisers auf die des Großkönigs zu wechseln und umgekehrt, sofern es Vorteile vor dem speziellen eigenen Horizont verspricht, also Vorteile für den persönlichen Ruhm, das Land, religiöse Freiheit, materiellen Gewinn usw. Der Wechsel ist in diesem Sinne kein Treuebruch gegenüber einer Seite, denn Treue kann es nur innerhalb des eigenen moralischen Rahmens, nur innerhalb der eigenen armenischen aristokratischen Welt geben. So fällt es auch für Lazen, Iberer, Albaner und noch weit kleinere Gesellschaften auf. Wenn diese Anschauung aus heutiger Sicht problematisch erscheinen mag, so ist dies nicht nur Resultat völlig andersartiger politischer Verhältnisse, sondern nicht zuletzt auch der speziellen diplomatischen Situation des Südkaukasusraumes geschuldet: Wenn sich Römer und Perser gegenseitig des Vertragsbruches beschuldigen, so haben sie keinen höheren Richter, der über sie urteilen und strafen könnte. Sie müssen als Parteien, die sich als gleich stark begreifen, die Probleme unter sich ausmachen. Wenn aber eine Großmacht einen kleinen südkaukasischen Akteur beschuldigt, dann kann dieser sich seiner militärisch und wirtschaftlich weit unterlegenen Ressourcen wegen nicht aus eigener Kraft wehren; die Großmacht ist dann Ankläger, Richter und Vollstrecker in einem. In Anbetracht einer solchen Situation mussten die südkaukasischen Akteure im schieren Eigeninteresse ihre Gegebenheiten optimal einsetzen, indem sie die Unzugänglichkeit ihres Landes und die Rivalität der Großmächte nutzten, um gegen diese bestehen zu können. Die südkaukasischen Mächte standen schon immer – und stehen bis heute – im Schatten sie umgebender Großmächte und die Behauptung einer, wenn auch eingeschränkten, Unabhängigkeit, entspringt nicht zuletzt aus einer Bereitschaft, sich nicht dauerhaft an eine Großmacht zu binden, sondern deren Spannungen untereinander zu nutzen. Zum Ruhm einer Seite beigetragen zu haben, ist in dieser Welt vergänglich, sobald der Wechsel zu einer anderen erfolgt. Aber persönlicher Ruhm vergeht nicht, er lässt sich überall erwerben, wo speziell aristokratischkriegerische Tugenden an den Tag gelegt werden können. So ist auch die Freiheit, die Prokop Gregorios als Beweggrund betonen lässt, in diesem Sinne zu verstehen: Als Artabanes von der römischen Seite auf die der Aufständischen gewechselt ist, hat er sich von der römischen Gewalt gelöst, als er
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Akakios ermordet hat, ging es um das Ende einer Unterdrückung der Armenier und somit auch seine eigene Freiheit, als er Sittas ermordet, geht es um das Ende einer Bedrohung der Aufständischen und damit seiner eigenen Freiheit, als er zu Chosrau wechselt, besteht die Freiheit darin, dass er sich den Römern unterwerfen müsste, zu Chosrau aber freiwillig gehen kann, als er für Chosrau kämpft, ist das seine freie Entscheidung und mittelbar ein Kampf gegen seine alten Gegner, als er dann wieder auf die römische Seite wechselt, entzieht er sich dem Befehl Chosraus und entscheidet sich freiwillig, die Seiten zu wechseln, als er für Rom gegen Gontharis kämpft, befreit er nicht zuletzt sich und seine Armenier von der Abhängigkeit gegenüber dem Tyrannen, in die sie sich begeben mussten. Freiheit ist in diesem Sinne keine Freiheit von allen möglichen Zwängen, sondern vor allem persönliche Wahlfreiheit, die im Bereich der Gemeinwesen der Wahlfreiheit zwischen den Großmächten entspricht. Die Freiheit wird nicht als Freiheit von einem Umstand, sondern Freiheit zu einer Handlung begriffen. Diese besonderen Anschauungen bringt Prokop dann auch bei der Schilderung der Ermordung des Gontharis zum Ausdruck. Der Armenier Artasires weist Artabanes an, ihn im Fall des Scheiterns ihres Vorhabens zu töten, damit er nicht die Verschwörer unter Folter verraten müsse.196 Die Armenier nutzen auch ihre den anderen Anwesenden unverständliche Muttersprache, um sich während des Anschlags zu koordinieren.197 Das Fazit Prokops zeigt wieder Artabanesʼ Ambitionen: Artabanes erwarb sich mit dieser Tat großen Ruhm in aller Welt. Auch Preiekta, die Gemahlin des Areobindos, überhäufte ihn sogleich mit reichen Geschenken, während ihn der Kaiser zum Oberbefehlshaber über ganz Libyen ernannte. Doch bat er bald darauf den Herrscher, er möge ihn zu sich nach Byzanz berufen, und Justinian entsprach dem Wunsche.198
Offenbar war Artabanes nicht daran gelegen, den vergleichsweise ruhigen und renommierten Posten als magister militum per Africam199 im nun vorerst befriedeten Gebiet anzunehmen, da dies keine ruhmvollen Taten ermöglichte. Möglicherweise hatte er bereits den Gedanken der kommenden Verschwörung, wie ihm Prokop im siebten Buch seines Geschichtswerkes unterstellt.200 Ein Bewusstsein nicht nur Prokops für die südkaukasischen Gegebenheiten demonstriert der weitere Lebenslauf des Artabanes. Er hat sich mit der Kaisernichte Preiekta, deren ermordeten Ehemann Areobindos er durch seinen Mord an Gontharis gerächt und deren Heirat mit eben 196 Prok. Bell. 2,28,13. 197 Prok. Bell. 2,28,16. 198 Prok. Bell. 4,28,42–44 (Übers. nach Veh): Ἀρταβάνης τε ἐκ τοῦ ἔργου τούτου κλέος περιεβάλετο µέγα ἐς πάντας ἀνθρώπους. καὶ Πρεϊέκτα µὲν εὐθὺς ἡ Ἀρεοβίνδου γυνὴ µεγάλοις αὐτὸν ἐδωρήσατο χρήµασι, βασιλεὺς δὲ στρατηγὸν αὐτὸν κατεστήσατο Λιβύης ἁπάσης. οὐ πολλῷ δὲ ὕστερον Ἀρταβάνης µὲν ἔχρῃζε βασιλέως ὅπως αὐτὸν ἐς Βυζάντιον µεταπέµποιτο, βασιλεὺς δὲ τὴν δέησιν ἐπιτελῆ ἐποιεῖτο. 199 PLRE IIIA, Artabanes 2, 127. 200 Prok. Bell. 7,31,4.
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diesem Aufständischen er zugleich verhindert hatte, verlobt und will sie unbedingt heiraten. Dabei schreibt Prokop dieser Frau nur ein Motiv der Dankbarkeit zu, Artabanes aber die Ambition, mittels dieser Verbindung in Zukunft Kaiser werden zu können.201 Prokop kritisiert das als typisch menschliche Schwäche.202 Er lässt sich nach Konstantinopel rufen, statt den Oberbefehl in Libyen auszuüben und wird dort bewundert. „War er doch ein hochgewachsener, schöner Mann und edler Charakter, dabei kein Freund vieler Worte.“203 Aus moderner Sicht ließe sich nur schwer sagen, worin sich die positiven Charaktereigenschaften bisher geäußert haben sollen – zeigte sich seine Entschlusskraft bisher doch hauptsächlich in der erfolgreichen Durchführung von Mordanschlägen und Seitenwechseln. Prokop verstand offenbar den armenischen Aspekt im Handeln des Artabanes; bereits Corippus sieht in seinem Epos aus einer anderen Perspektive die Leistung eher darin, Artabanes davon überzeugt zu haben, den Anschlag zu unternehmen. Es war Athanasios, der ihn (laut Corippus) überzeugte, alles für die Freiheit zu riskieren, die hier klar als Freiheit der römischen Herrschaft von Gontharis zu verstehen ist.204 Seine Ambition auf das Kaisertum ist auch vor dem armenischen Hintergrund verständlich: kein anderer Armenier konnte behaupten, in eine solche Stellung gekommen zu sein, die eine ganze Großmacht mit sich bringt. Er erhält militärische Ehrungen und wird Konsul.205 Die Ehe mit Preiekta bleibt ihm aber verwehrt, da er in Wahrheit schon verheiratet ist, sich aber bereits vor langer Zeit von seiner Frau getrennt hatte, die nun allerdings zu Theodora nach Konstantinopel kommt und auf den Missstand hinweist. Theodora zwingt Artabanes, seine Frau wieder anzunehmen, Preiekta wird anderweitig verheiratet. Das habe ihn zornig gemacht. Nach Theodoras Tod verstößt er seine Frau wieder.206 Nun erwähnt Prokop bei der Schilderung des Anfangs der justinianfeindlichen Verschwörung eine eigentümliche Geschichte, die wiederum mit einem Armenier verbunden ist: Nun lebte in Byzanz auch ein Armenier namens Arsakes, ein Arsakide und Verwandter des Artabanes. Dieser war kurz zuvor als Staatsverbrecher entlarvt und ganz offen des Hochverrats überführt worden; er hatte nämlich bei den Römern einen Umsturz zugunsten des Perserkönigs Chosrau geplant. Des Kaisers Strafe war mild, er ließ ihm nur einige Streiche auf den Rücken aufmessen und ihn dann auf einem Kamel durch die Stadt führen. Sonst erlitt er weder an Leib noch Vermögen Schaden, ja er brauchte nicht einmal in die Verbannung zu ge-
201 Prok. Bell. 7,31,1–5. PLRE IIIB, Preiecta 1, S. 1048f. 202 Prok. Bell. 7,31,6. 203 Prok. Bell. 7,31,9 (Übers. nach Veh): ἦν γὰρ εὐµήκης τε τὸ σῶµα καὶ καλὸς, τό τε ἦθος ἐλευθέριος καὶ ὀλίγα ἄττα φθεγγόµενος. βασιλεὺς δὲ αὐτὸν ἐν τοῖς µάλιστα ἐτετιµήκει. 204 Coripp. Ioh. 4,232–242. 205 Prok. Bell. 7,31,10; PLRE IIIA, Artabanes 2, 128. 206 Prok. Bell. 7,31,11–16.
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hen. Gleichwohl war Arsakes über diese seine Behandlung erbittert und begann gegen Justinian und den Staat hochverräterische Pläne zu schmieden.207
Hochverrat ist kein Kavaliersdelikt. Es ist wiederum eine erklärungsbedürftige Szene,208 die aber vor der Annahme eines spezifischen armenisch-aristokratischen Ethos verständlich wird. Es fällt zunächst auf, dass die Strafe eine Ehrenstrafe ist, da sie explizit weder Leben noch Vermögen betrifft. Von einer abschreckenden Wirkung ist nicht auszugehen, es ist also eher an den reinen Strafcharakter gegenüber dem Täter zu denken. Vor dem Hintergrund eines aristokratischen armenischen Ehrverständnisses, da Ruhm und Ansehen im Mittelpunkt stehen, ließe sich denken, dass eine solche Bestrafung schlimmer als die Todesstrafe sein könnte, da mit dem Tod des Täters dessen Verantwortlichkeit und Scham endet, er die Schande einer solchen Bestrafung aber sein Leben lang ertragen muss. Er hat sein Gesicht verloren. Das Exil ist unnötig, denn wohin sollte er fliehen? In den armenischen Raum keinesfalls, im persischen könnte ihn Chosrau nicht aufnehmen, ohne diplomatische Konflikte zu riskieren. Aus kaiserlicher Perspektive fragt sich, ob es nicht trotzdem klüger gewesen wäre, den Täter hinzurichten, um einen zweiten und noch verzweifelteren Tatversuch zu vermeiden. Offenbar hielt dies Justinian nicht für nötig. Auch dazu könnte die südkaukasische Vorstellung eine Erklärung bieten: Justinian war sich bewusst, dass der Umsturzversuch des Arsakes anderer Art war als eine vergleichbare römische Tat. Zum einen dürfte es kaum einen römischen Verschwörer gegeben haben, der an einem wie auch immer gearteten Umsturz zugunsten Chosraus interessiert gewesen wäre, zum anderen dürften die Beweggründe des Arsakes „unrömische“, wenn nicht geradezu unpolitische gewesen sein. Wenn auch er aus Beweggründen persönlicher Zurücksetzung oder Ehre gehandelt hätte und Justinian dies klar gewesen wäre, ließe sich auch die Strafe verstehen: Arsakes wollte sich rächen und mit einer ruhmvollen Tat, von der die Welt erschüttert wird, beweisen und das propersische Kapital, das damit zu gewinnen wäre, gegenüber Chosrau nutzen, um es dann in armenisches soziales Kapital umzuwandeln. Wel207 Prok. Bell. 7,32,1–4 (Übers. nach Veh): ἦν δέ τις Ἀρσάκης ὄνοµα ἐν Βυζαντίῳ, Ἀρµένιος γένος, Ἀρσακίδης ἀνὴρ, τῷ Ἀρταβάνῃ κατὰ γένος προσήκων. ὃς δὴ κακουργῶν ἐς τὴν πολιτείαν οὐ πολλῷ ἔµπροσθεν ἐφωράθη καὶ προδοσίας διαφανῶς ἑάλω ἅτε δὴ ἐς Χοσρόην τὸν Περσῶν βασιλέα πράγµατα ἐπὶ Ῥωµαίοις νεώτερα πράσσων. βασιλεύς τε αὐτὸν ἄλλο µὲν εἰργάσατο οὐδὲν ἄχαρι, ξάνας δὲ οὐ πολλὰς κατὰ νώτου ἐπόµπευσε καµήλῳ ἀνὰ τὴν πόλιν ὀχούµενον, οὐδὲν µέντοι αὐτὸν οὔτε τοῦ σώµατος οὔτε τῆς οὐσίας ἀφείλετο, οὐ µὴν οὐδὲ φυγῇ ἐζηµίωσε. δυσφορούµενος δὲ ὅµως τοῖς ξυµπεπτωκόσιν Ἀρσάκης δολώσεις ἐπί τε Ἰουστινιανῷ καὶ τῇ πολιτείᾳ ἐπινοεῖν ἤρξατο. PLRE IIIA, Arsaces, S. 123f. 208 Veh 1966, 1072: „Über den Hochverrat des Arsakes gegen Justinian und die Gründe seiner milden Bestrafung sind wir nicht weiter unterrichtet.“ Er mutmaßt ebd. 1073 sogar: „Der Hinweis auf schriftliches Untersuchungsmaterial macht es sehr wahrscheinlich, dass Prokop seine Darstellung aus amtlichen Dokumenten schöpfte. Daher dringt er vielleicht auch nicht in die letzten Hintergründe der Affäre ein und vermag auch nicht die Milde des Kaisers ganz verständlich zu machen.“
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cher Armenier konnte schon von sich behaupten, die Lage des Gleichgewichts der Mächte – und damit ein Ordnungsprinzip der Welt auch in armenischen Quellen209 – geradezu im Alleingang durchbrochen zu haben. Welcher Ruhm wäre so zu gewinnen! Mit Ruchbarwerden und Scheitern seines Vorhabens samt folgender Bestrafung aber hat Arsakes sein Ansehen bei Armeniern und Persern verloren, bei den Römern sowieso. Daher ging vermeintlich keine Gefahr mehr von ihm aus. Dies erwies sich im Nachhinein als Fehleinschätzung. Durch sein Bündnis mit dem ebenfalls Justinian zürnenden und ruhmvollen Artabanes konnte er Ansehen zurückgewinnen, sofern er sein Gesicht wiedergewann: Dies konnte aber nur noch durch den Tod des Justinian geschehen. So wundert es nicht, dass er Artabanes in Prokops Vorstellung an der Ehre packt: Er habe ihn ständig verhöhnt und einen Helden genannt, der zum Feigling geworden sei.210 Das ist schlimmer als ein Feigling, der immer ein solcher war, da der Held, der niedergeht, im Gegensatz zum ständig Feigen sein Gesicht verloren hat. Es versteht sich, dass er auch auf den gemeinsamen Referenzrahmen – Armenien und die aristokratische Familie – rekurriert: Er habe große Taten für Rom vollbracht und sich mit Titeln zufrieden gegeben, während Armenien unterdrückt, von Steuern schwer belastet, sein Vater hinterhältig ermordet, seine gesamte Verwandtschaft versklavt und über das Imperium verstreut und Arsakes selbst grausamen Misshandlungen unterworfen gewesen sei.211 Arsakes beklage das Schicksal des Artabanes mit den zwei Frauen. Es sei kein Grund mehr, Justinians Leben zu schonen.212 Er erklärt ihm die Motive der Mitverschwörer und zieht ihn auf seine Seite.213 Artabanes konnte sich diesen Argumenten wohl nicht verschließen. Dabei gilt es sich vor Augen zu halten, dass trotz dieser Argumente die Motive beider nicht politischer, sondern persönlicher Natur sind: Arsakes will sein Gesicht wiedergewinnen, Artabanes sich für die Schmach rächen, die ihm durch die Affäre um Preiekta und wohl auch die römische Behandlung Armeniens und seiner Familie angetan worden war. Es dürfte nicht um eine wie auch immer geartete Befreiung Armeniens gehen, sondern einen persönlichen Konflikt um die Wahrung oder Wiederherstellung der Ehre. Es wird zudem impliziert, dass Artabanes bei dieser Gelegenheit zum Usurpator werden wollte,214 wobei wiederum nicht das Kaisertum als Werkzeug zur Befreiung Armeniens angestrebt wird (das könnte ein Nebeneffekt sein), sondern aus dem Grund, das Justinian ihm die Chance auf eben dieses Kaisertum mit Preiekta vorenthielt, er aber keine Zurücksetzung 209 Man denke an das Bild der zwei Berge für die beiden Reiche im Buzandaran Patmutʼiwnk‘ 4,54 (175). 210 Prok. Bell. 7,32,5. 211 Prok. Bell. 7,32,6–8; Preiser-Kapeller 2010, 154. 212 Prok. Bell. 7,32,8f. 213 Prok. Bell. 7,32,10–12. 214 Warum sonst sollten die Verschwörer laut Chanaranges Angst haben, Belisar könnte, wenn der Kaiser vor dessen Eintreffen in Byzanz ermordet würde, ein Heer sammeln? Prok. Bell. 7,32,39.
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dulden konnte. Überspitzt: Er musste geradezu aus Trotz versuchen, Kaiser werden. Arsakes aber sah auf diese Weise eine Aussicht auf Ausgleich der erlittenen Schmach. Die Verschwörung fliegt auf.215 Prokop schildert den Prozess und lässt sich die Akteure ausführlich der Frage nach Verzögerungen und der römischen Mittäterschaft des Germanos und seines Sohnes widmen,216 die Armenier aber – und damit die Urheber und Anführer des Vorhabens! – legt er mit einem Satz ad acta: Kaiser Justinian enthob Artabanes seines Amtes, sonst tat er ihm und auch den Mitverschworenen nichts an; sie wurden lediglich in ehrenvolle Haft genommen, nicht im Staatsgefängnis, sondern im kaiserlichen Palast.217
Das zeigt sehr deutlich den Unterschied in der Gewichtung: Eine politische römische Verschwörung ist drastisch und gefährlich, der Rachegedanke der Armenier dagegen unpolitisch. Sie handeln so, weil sie ihren Ehrbegriffen gemäß nicht anders können.218 Da kein Schaden entstanden ist, muss man ihnen darum nicht stärker als auf symbolischer Ebene begegnen. Justinian wusste das offenbar, wie Prokop sein eigenes Bewusstsein für die Motive der südkaukasischen Akteure zeigt. Artabanes wird einige Kapitel später von Prokop als Ersatzmann des ungeeigneten Liberios für die Führung der diesem anvertrauten Flotte von Justinian wieder in Ehren aufgenommen219 und im nächsten Buch Prokops mit der größten Selbstverständlichkeit wieder als römischer Feldherr erwähnt, der auf Justinians Anordnung hin das gesamte römische Heer in Sizilien anführt; auch eine Stelle in den Prokopischen Bauten dürfte sich darauf beziehen.220 Offenbar überwogen aus Justinians Sicht dessen militärische Fähigkeiten die Schwere der Tat bei weitem.221 Die Vorteile des südkaukasischen Ethos – bei allen derartigen Nachteilen – äußerten sich offenbar vor allem in der kriegerischen Eignung und besonderen Tapferkeit südkaukasischer und besonders armenischer Soldaten. So sind es immer wieder sie, die als freiwillige Einzelkämpfer hervortreten.222 Diese Taten sind nur erklärbar, wenn man voraussetzt, dass es ihnen darum ging, vor aller Augen 215 Prok. Bell. 7,32,22–42. 216 Prok. Bell. 7,32,42–50. 217 Prok. Bell. 7,32,51 (Übers. nach Veh): βασιλεὺς δὲ Ἰουστινιανὸς παρέλυσε τὸν Ἀρταβάνην ἧς εἶχεν ἀρχῆς, ἄλλο δὲ αὐτὸν εἰργάσατο οὐδὲν ἄχαρι, οὐ µὴν οὐδὲ τῶν ἄλλων οὐδένα, πλήν γε δὴ ὅτι ἅπαντας οὐ ξὺν ἀτιµίᾳ ἐν φυλακῇ ἔσχεν, ἐν Παλατίῳ µέντοι, οὐκ ἐν τῷ δηµοσίῳ οἰκήµατι. 218 Vgl. Redgate 1998, 155: „Artabanesʼ participation, in 548, in an unsuccessful conspiracy in Constantinople was probably due to personal as much as to political reasons.“ Für „nationale“ Beweggründe Adontz 1970, 160f. 219 Prok. Bell. 7,39,8. 220 Prok. Bell. 8,24,1; Aed. 1,1,16f. 221 Bei Browning 1987, 132, wird die extreme Milde gegenüber den Verschwörern betont und resignierend festgestellt: „Such was the official version of these events. What really happened we shall never know, since all the participants took utmost care to cover up their tracks.“ 222 Chapot 1907, 208, Anm. 3.
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Kriegsruhm zu erwerben und dafür auch ihr eigenes Leben zu riskieren. Denn welchen Ruhm verschafft es, ein namenloser Soldat unter Tausenden im römischen Heer zu sein? Als Teilnehmer der größeren Schlachten vorangehenden Zweikämpfe dagegen konnte man sich im wahrsten Sinne des Wortes einen Namen machen, der teils noch heute durch die Erwähnungen in den Geschichtswerken der Zeit erhalten ist. So trat im Gotenkrieg der Armenier Anzalas, ein Doryphor des Narses, zum Zweikampf gegen den Römer Kokkas an, der zu Totila übergelaufen war, und siegte.223 In Lazien stellte sich ein ins römische Armenien übergelaufener Persarmenier Artabanes, der sich schon zuvor ausgezeichnet hatte, ebenfalls als Vorkämpfer zur Verfügung und siegte.224 Über diesen heißt es explizit, dass er bei jeder Schlacht, an der er teilnahm, in solcher Weise auftrat.225 Ein Armenier Johannes, genannt Guzes, Sohn des Thomas, ist derjenige, der mit einigen armenischen Gefolgsleuten den Zugang zur Festung Petra an einer als uneinnehmbar geltenden Stelle für die Römer bahnt.226 Er war bereits zuvor aufgefallen, da er mit fünfzig Männern in das belagerte Petra eingedrungen war und dort Justinian zum Sieger ausgerufen hatte.227 In diesem Fall hält Prokop sogar das Patronym fest. Auch bei Agathias kommt dergleichen vor, so erwähnt er in Italien den Armenier Chanaranges, der gern Gefahren auf sich nahm, wenn die Situation es rechtfertigte, und sein Zelt sogleich möglichst nah bei den feindlichen Truppen aufstellte.228 Auch in ähnlichen Gesellschaften gab es wohl solche Gestalten mit derartigen Motivationen, so schreibt Agathias, der Hunne Ragnaris vom Stamme der Bitgoren, der die Goten zu neuem Widerstand aufstachelte, habe so gehandelt, da er durch Fortsetzung der Feindseligkeiten sein eigenes Ansehen zu erhöhen hoffte.229 Im Vandalenkrieg Justinians tritt ein Massagete auf, der das gegenüber seinem Volk ererbte Vorrecht hat, sich stets als Vorkämpfer zu betätigen und tritt so beeindruckend auf, dass sich kein vandalischer Gegner für ihn findet.230 Das sind nur einzelne Beispiele. 223 224 225 226 227 228 229
Prok. Bell. 8,31,11–15; Greatrex 2018, 327. PLRE IIIA, Anzalas, S. 94. Prok. Bell. 8,8,21–28. PLRE IIIA, Artabanes 1, S. 125. Prok. Bell. 8,8,25. Prok. Bell. 8,11,57. PLRE IIIA, Ioannes qui et Guzes 44, S. 651f. Prok. Bell. 2,30,3f. Agath. hist. 2,6,4. PLRE IIIA, Chanaranges 3, S. 282. Agath. hist. 2,13,3. PLRE IIIB, Ragnaris, S. 1076. Diese Ansichten widerlegen auch den naheliegenden modernen Gedanken, die Armenier hätten in ihrer Verschwörung gegen Justinian nicht eines Ehrkonflikts wegen ihr Leben riskieren müssen (nach dem Motto: lieber ehrlos als tot). Die Vorkämpfer riskieren ebenfalls der Ehre wegen ihr Leben und dies in einem ganz erheblichen Maße, denn auch auf der jeweiligen Gegenseite dürften sich vor allem jene einem solchen Kampf gestellt haben, die selbst erfahrene Krieger waren. (Und sogar der militärisch unerfahrene Athlet Andreas erweist sich in seiner Aristie bei Prok. Bell. 1,13,30–38 als gewandter Vorkämpfer, der Schein konnte also trügen.) Zudem geschah all dies in einer Zeit ohne künstliche Antibiotika, als selbst leichtere Verwundungen über Folgeschäden zum Tod führen konnten. 230 Prok. Bell. 3,18,13–19.
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Auch die südkaukasischen Autoren bieten solche, meist sagenhaft überformt: Agathangelos berichtet, der zu den Römern geflohene armenische Prinz Tiridates sei unerkannt an Stelle des Kaisers in einen Zweikampf mit einem namenlosen Gotenkönig eingetreten, durch den ein römisch-gotischer Krieg entschieden werden sollte und habe so den Römern den Sieg gebracht.231 Das passt in mehrere Hinsicht zum südkaukasischen Ethos: Der Antritt zum Vorkampf ist ruhmvoll, ein großer Held muss aber noch ruhmvoller als andere Vorkämpfer handeln und so tritt er unmittelbar anstelle des Kaisers an und sein Kampf entscheidet zudem im Alleingang den Krieg. Wiederum lassen sich große Taten im Rahmen einer Großmacht erreichen, um sie später zu Hause in Anschlag zu bringen. So wird Tiridates nach seiner Rückkehr nach Armenien und siegreichem Kampf gegen die Perser König.232 Seine Regierung sei voller Siege und ruhmvoller Taten gewesen, wobei er zuweilen auch im Dienste der Römer gestanden habe.233 Die Episode ist sagenhaft, die Mechanismen aber nachvollziehbar. Eine Spiegelung der Szene findet sich bei Moses Dasxuranci, da der Armenier Babik an Schapurs Stelle einen Zweikampf mit einem hunnischen Anführer ausficht.234 In eine ähnliche Richtung denkt der Autor des Buzandaran Patmutʼiwnk‘ in einem der Höhepunkte seines Werkes, als es zum Zusammenprall der alliierten Armenier und Römer gegen die ebenfalls verbündeten Perser und Albaner kommt. Der Albanerkönig bittet Schapur, als Vorkämpfer gegen das Kontingent des Pap anzutreten, da es sich so gehöre, dass die iranischen Verbände sich den griechischen stellten, während er sich den armenischen Fürsten mit den Seinen entgegenstellen würde. Schapur gefällt das, er befiehlt es so.235 Dieses Ethos, das sich deutlich auch in den Quellen des kaukasischen Raumes niederschlägt, könnte auch ein Erklärungsansatz für die an sich geringe Bedeutung diplomatischer Vorgänge in den armenischen Geschichtswerken sein, denn es fällt auf, dass man die armenischen Autoren trotz ihrer Menge kaum für die diplomatischen Vorgänge zwischen Rom und Persien zitieren kann, obwohl sie doch im wahrsten Sinne des Wortes inmitten dieser Geschehnisse standen. Die wesentliche Erklärung dürfte – neben dem oft erheblichen zeitlichen Abstand und dem oft nicht besonders hohen Informations- und Reflexionsgrad der Autoren, also mangelndem Bewusstsein für die Diplomatie der Großmächte – nun im Thema des vorliegenden Kapitels zu suchen sein: Die „internationale“ Diplomatie stieß sowohl bei den kaukasischen Autoren als auch ihrem Publikum auf kein sonderlich großes Interesse, da der hauptsächliche Referenzrahmen dieser Menschen ihre eigenen Gesellschaften und Kulturen waren, an denen alles gemessen wurde, und 231 232 233 234 235
Agathangelos 39–46. Ebd. 47. Ebd. 123. Moses Dasxuranci 2,1. Buzandaran Patmutʼiwnk‘ 5,4 (198).
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die Freiheit der kaukasischen Akteure zugleich so groß, dass sie es sich leisten konnten, ihre innerkaukasischen Streitigkeiten an erste Stelle zu setzen. Ihr Referenzrahmen ist ihr Teil des kaukasischen Raumes. Wenn dieser in der Erzählung verlassen wird, zeichnen die Autoren ihre einheimischen Akteure oft als geradezu Kaiser und Großkönig ebenbürtig und diesen durchaus gewachsen. So lässt Agathangelos Diokletian gegenüber dem armenischen König Tiridates in einem Brief die Bruderanrede verwenden, auch Konstantin habe ihn wie einen Bruder behandelt.236 Der Autor des Buzandaran Patmutʼiwnk‘ lässt den Großkönig Schapur sein armenisches Gegenüber Arschak wie einen Bruder, wie einen Sohn behandeln, sie hätten zusammen auf einer Speiseliege gelegen, die gleiche Kleidung mit gleichen Ornamenten und Insignien getragen und sogar die gleiche Krone habe der Perserkönig ihm gegeben.237 Diese Darstellungen verwundern nicht: Der jeweilige König erscheint als der Größte, da er in dem engen Rahmen, auf den es ankommt, tatsächlich der Größte ist. Im Hinblick auf den gesamten römischpersischen Nahen Osten mag er unbedeutend sein, aber innerhalb seines kleinen Teiches ist er der größte Fisch – und nur dieser kleine Teich ist eben der Referenzrahmen, auf den es den Autoren und ihrem Publikum ankommt. Nur in diesem Rahmen zählen Ruhm, Ansehen, Ehre, Prestige etc. Wenn die römisch-persischen diplomatischen Strukturen aber manchmal durch die kaukasische Oberfläche brechen, ist das besonders interessant, da die Autoren über jene offenbar nicht berichten wollten. So handelt es sich um gewissermaßen unverstellte Zeugnisse für das Vorhandensein dieser Strukturen. So etwa, wenn im Buzandaran Patmutʼiwnk‘ neben der bekannten Stelle von den zwei Bergen des Kaisers und Großkönigs238 und der ähnlichen Überlegungen an späteren Stellen239 in der Retrospektive steht,240 dass der armenische König Arschak, da Schapur gegen ihn aufgehetzt wurde, in dessen Krieg mit den Römern abwartet, wer ihn wohl zuerst zu Hilfe rufen werde. Der Kaiser wäre ihm aufgrund seiner Situation recht, aber er wartet ab. Es ist schließlich Schapur, der sich aussöhnen will und seine Hilfe bekommt. Dabei kritisiert der Autor dieses Verhalten nicht im Geringsten: So ist kaukasische Politik naturgemäß. Auch das häufig wiederkehrende und geradezu als Grundelement des Geschichtswerkes erscheinende Motiv der zwischen Schapur und Arschak (sowie anderen) gesäten Zwietracht illustriert auf persönlicher Ebene treffend das viele Optionen bietende, aber eben auch fragile Verhältnis kaukasischer Herrschaften zu den Großmächten. Umgekehrt kann Schapur aber auch nicht völlig auf die Hilfe der Armenier verzichten, so dass er unter dem Druck eines Römerkrieges jahrelang immer wieder Geschenke an den Armenierkönig schickt, obwohl dieser nicht reagiert.241 In sagenhaften Umständen (so gibt es 236 237 238 239 240 241
Agathangelos 152–157, 877. Buzandaran Patmutʼiwnk‘ 4,16 (133). Ebd. 4,54 (174). Ebd. 5,33 (237); 6,1 (265f.). Ebd. 4,20 (138). Ebd. 4,21 (144).
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Konflikte mit Millionen Kombattanten) illustriert der Autor doch grundlegende Mechanismen. Auch das kaukasische Wertesystem wird in dieser Form dargestellt: So erscheinen beständig neue Allianzen, die seitenübergreifend sind, durchgehend begehen Akteure Verrat, der wohl gar keiner ist, sondern auf rein persönlichen Allianzen, Animositäten, Racheverpflichtungen und Ehrgefühlen basiert. So tötet Musel den König der Albaner nicht, da er aus Prinzip keine Könige töte, selbst wenn ihm großer Schaden daraus erwachsen sollte.242 Pap sieht aber ein, wie ehrenvoll es ist. Und der Albanerkönig revanchiert sich umgehend und warnt vor einem Angriff Schapurs. Die persönlichen Verhältnisse überlagern die politischen. Die besondere Lage der kaukasischen Akteure zwischen den Großmächten erwähnt auch Sebeos, da er Maurikios und Chosrau II. über Mittel gegen die zwischen ihnen stehenden armenischen Großen sinnen lässt.243 Ein armenischer Widerstand gegen ein einiges Gespann von Kaiser und Großkönig sei nicht erfolgreich.244 Somit zeigt sich auch ein gewisses Bewusstsein für die Konditionen kaukasischer Wahlfreiheit. Bei Moses Chorenatsi sucht Arschak schnellstmöglich Frieden mit den Römern, als er nach einem römisch-persischen Friedensschluss plötzlich beide gegen sich hat.245 Laut diesem Autor sei Arcadius nicht zuletzt auf die Teilung Armeniens eingegangen, da er fürchtete, dass die unabhängigen armenischen Fürsten immer die Möglichkeit haben würden, ihre Gebiete seiner Kontrolle zu entziehen, indem sie sich dem Großkönig unterstellten.246 Auch wird Yazdgard die Absicht unterstellt, die armenischen Großen durch Einsetzen seines eigenes Sohnes als König von Armenien enger in seinen Orbit zu ziehen, zu seiner Kultur und Religion zu führen, sie in seinem Umfeld zu verheiraten und so den Römern zu entfremden.247 Mittelbar geht es also darum, ihre Wahlfreiheit auf anderem Wege zu beseitigen. Dies erklärt Lazar Parpetsi noch weit deutlicher, da er Yazdgard die Befürchtung unterstellt, die persischen Armenier könnten nicht zuletzt aufgrund des Umstandes, dass viele Arsakiden der römischen Herrschaft unterstellt seien, eine Neigung zu den römischen Armeniern fassen, gemeinsam den Kaiser um Frieden bitten und auf dessen Seite treten. Sie seien schon allein aufrührerisch, aber in Verbindung mit den Armeniern der römischen Seite in einem folgenden Krieg noch lästiger.248 Die Verbindung der kaukasischen Akteure als Akteure eines besonderen Raumes lässt Lazar dann Mihr-Narseh gegenüber Yazdgard äußern: Wenn erst die Armenier durch die Verbreitung des Zoroastrismus den Persern nahe stünden und den Römern entfremdet seien, würden ihnen auch die Kartvelier und Albaner folgen.249 Die drei widerständigen kaukasischen 242 243 244 245 246 247 248 249
Ebd. 5,4 (203–205). Sebeos 15, 86f. Ebd. 16,87f. Moses Chorenatsi 3,29. Ebd. 3,49. Ebd. 3,55. Lazar Parpetsi 12, p. 18f. Ebd. 21, p. 42f.
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Gruppen schließen sich aber mit einem Bund auf das Evangelium vielmehr zusammen und bitten den Kaiser um Hilfe.250 Den einschneidenden Charakter der Teilung Armeniens lässt Lazar dann König Arschak in einer Rede betonen: Bisher sei man mit den Persern mal verbündet gewesen, mal verfeindet, aber man hätte diese als bessere armenische Krieger immer die Last des Krieges spüren lassen und sei von ihnen brüderlich geehrt und trotz der geringeren Größe geachtet worden, nie geteilt oder geknechtet. Das sei jetzt vorbei, es sei eine Strafe Gottes.251 Auch Moses Dasxuranci zeigt ein gewisses Bewusstsein für die besondere und letztlich von den äußeren Verhältnissen abhängige Lage der kaukasischen Akteure, da er einen prinzipiellen Umschwung mit der Etablierung muslimischer Herrschaft feststellt.252 An letzterer Stelle heißt es, dass mit dem völligen Niedergang der Perser und dem Erstarken der Araber die Last der Tribute unerträglich geworden sei, da man nun den Khasaren, Arabern und Römern hätte Abgaben leisten müssen.253 19.6 LAGE DER SARAZENEN Im Gegensatz zu den südkaukasischen Gemeinwesen, über deren Stellung zwischen den Großmächten zumindest im 6. Jahrhundert Prokop, Agathias und Menander Protektor ausführlich informieren, gibt es keine vergleichbaren Quellen zur Stellung der Sarazenen,254 von der sich aber zumindest aus Andeutungen und 250 251 252 253 254
Ebd. 25, p. 47f. u. 33, p. 63 Ebd. 6, p. 8. Mousēs Dasxurançi 2,39, besonders 3,12. Ebd. 3,12. Zur Terminologie des folgenden Kapitels (Stämme, Stammeskonföderationen, Sarazenen, Araber): Der Stammesbegriff ist problematisch, Fisher 2015a, 6: „A discussion of tribes on the basis of pre-Islamic evidence cannot easily progress much beyond speculation since, in fact, ancient authors seemed remarkably uninterested in tribes, tribal structures, and indeed tribal society, economy or political organization, causing significant problems for modern scholars, who have been forced to rely on comparative studies to hypothesize about ancient tribal societies.“; vgl. Fisher 2011b, 247. Millar 2010, 201: „Contemporaries writing in Greek or Syriac also show very litle interest in identifying or naming segmentary groups or tribes, though […] they do so occasionally: for instance, the tribes called ‚Kinda‘ or ‚Maadenoi/Maddenoi‘ are named precisely once and twice respectively in our Greek sources […] Nor do these sources ever, in identifying an individual phylarch, go beyond giving his name and patronymic. The long genealogical chains, linking fathers and sons over many generations, found in retrospective post-Islamic narrative sources in Arabic, are wholly absent from contemporary GraecoRoman identifications. So also are ‚tribal‘ or group histories, relating origins, movements, or settlements in new locations. In short, as regards this wider background, neither literary sources nor documents from within the Empire have anything to say.“ Zu Stammeskonföderationen: Elton 2014, 243: „All this suggests that tribal groupings on the fifth-century Roman frontier were difficult to distinguish, if they existed, and that when Arabs met Romans they
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were rarely describing themselves in terms of lineages or tribes.“ Vgl. Mayerson 1986, 36. Millar 2010, 200: „The evidence explored below will show abundantly how significant the role of ‚Arab‘ allies seemed to be to people within the Roman Empire. But it also illustrates a quite striking and systematic lack of any forced curiosity on their part as to the nature, origin or location of different ‚tribal‘ groupings; as to the names by which different groups might have been known; or as to the ancestry of any of their leaders. To give a warning example in advance, the modern historiography of the most important group allied with Rome in the sixth century begins with a work published by the great Theodor Nöldeke in 1887, Die Ghassânidischen Fürsten aus dem Hause Gafnaʼs – hence the common use ever since of the terms ‚Ghassanids‘, or (more recently) ‚Jafnids‘, to denote this dynasty. But the entire contemporary evidence discussed here, literary and documentary, in Latin, Greek, Syriac and Arabic, from within the Empire does not contain a single expression which equates to, or could properly be translated as, either ‚Ghassanid‘ or ‚Jafnid‘ (for one dubious exception see the Appendix below). Our capacity to identify either a people or a dynasty by these names derives from Arabic sources written several centuries later.“ Als Inbegriff der Bemühung um die hier kritisierte Synthese antiker mediterraner und späterer orientalischer Quellen wäre die monumentale Arbeit Irfan Shahîds „Byzantium and the Arabs“ zu nennen.Ein Prolegomenon dazu stellt Shahîd 1984 dar. Selbst der Begriff der „Araber“ ist schwierig, Macdonald 2015, 11–14. Bei Letsios 1989, 526, wird die Ansicht vertreten, „Araber“ sei der größere Begriff für sesshafte wie nichtsesshafte Vertreter dieser Kultur, „Sarazenen“ dagegen seien stets Nomaden. Dagegen Millar 2010, 201: „[...] there was no consistent Graeco-Roman terminology for identifying the inhabitants of the steppe or desert. In Late Antiquity by far the most common term for them – any of them, and not just (as in Ptolemy) one group – was in fact to be Σαρακηνοί (Saraceni in Latin). Arabes is also found, or sometimes Σκηνιταὶ Ἄραβες – ‚tent-dwelling Arabs‘ – or alternatively ‚Ishmaelites‘ (Ἰσµαηλίται) or ‚Hagarenes‘ (Ἀγαρηνοί), following the Judaeo-Christian notion that the peoples of the steppe all descended from Abraham through his slave-girl Hagar and her son Ishmael. When writers in Syriac came to refer to these peoples, however, they used a quite different expression, ‚Tayoye‘ (ṬYYʾ). There is no contemporary evidence as to whether the people covered by these very varied terms saw themselves as sharing any common ethnicity or ancestry, or, if so, what term they used for it (or in what language, or languages).“ Vgl. zur späteren Entwicklung ebd. 221. Shahîd 1984, 123: „The Arabs were referred to in the Graeco-Roman sources by many terms – Arabes, Saracenoi/Saraceni, Ismaelitae, and Hagarenoi/Hagareni. The second of these terms, Saraceni, acquired in these sources a wide vogue in pre-Islamic and Islamic times both in the Greek East and the Latin West throughout the Middle Ages.“ Zur Etymologie des Sarazenen-Terminus ebd. 123–141. Generell zur Terminologie siehe auch Fisher 2020, 85f. Zum Terminus der Jafniden siehe den Sammelband Genequand/Julien Robin 2015. Generell soll im Sprachgebrauch der vorliegenden Arbeit dem gefolgt werden, was Fisher 2011a, 3, für die Quellen festgestellt hat: In diesen ist in der Regel von den individuellen Anführern die Rede, da mit diesen – nicht mit Stämmen, Verbänden oder sonstigen politischen Gebilden – Abkommen geschlossen und Beziehungen angeknüpft wurden. Siehe auch Fisher 2011b, 252. Somit waren sie die diplomatischen Handlungsträger. Ebd. 25f. wird auch festgestellt: „As with other conceptual opposites, the categories of ‚nomad‘ and ‚settled‘ are best understood as occupying places on a sliding continuum, with any number of possibilities located in between; these ideas reflect the modern approach to frontiers as permeable cultural and political spaces. Nevertheless, mental frontiers and boundaries continue to exist alongside more imposing physical ones such as rivers and mountains. They inevitably influenced the ways in which ancient authors wrote about the world around them, as well as about the Arabs
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einzelnen Stellen der Autoren annehmen lässt, dass sie dahingehend vergleichbar war, dass auch die Sarazenen sich in einen unwegsamen Naturraum (die Wüste) zurückziehen konnten und ebenfalls von beiden Großmächten umworben waren. Der Unterschied zu den südkaukasischen Gemeinwesen bestand vor allem im Grund dieses Interesses der beiden Reiche: Während es im Südkaukasusgebiet durch die strategisch wichtige Lage der in Frage kommenden Territorien entstand, deren Kontrolle beiden Seiten große Vorteile im diplomatischen Verhältnis zum jeweils anderen versprach, bestand im Fall der Sarazenen weniger Interesse an der Kontrolle der ressourcen- und menschenarmen Wüste und Steppe, wohl aber an jener der Kampfkraft der Sarazenen. Die spezielle Mobilität und Rückzugsfähigkeit dieser Verbände machte sie als Trumpfkarte in den Auseinandersetzungen mit der jeweils anderen Macht interessant, in deren Territorium sie einfallen und es schwer schädigen konnten, ohne sich nach einem schnellen Rückzug noch zur Rechenschaft ziehen zu lassen. Dahingehend brachte ihr Einsatz einen Vorteil im Verhältnis zum anderen Reich, wie man sich auch durch die Kontrolle der südkaukasischen Akteure einen derartigen Vorteil versprach. Wie die südkaukasischen Akteure waren sich aber auch die Sarazenen ihrer Bedeutung bewusst und verstanden, das an ihnen bestehende Interesse zum eigenen Vorteil zu nutzen.255 Auch konnten Handlungen der Sarazenen untereinander – oder im Eigeninteresse gegenüber einer Großmacht durchgeführt – Konsequenzen haben, die nicht nur
whom they occasionally encountered, observed, or heard about, on the edges of the Roman Empire.“ Zum Zusammenwirken von Nomaden und Sesshaften im Osten siehe die Arbeit Donner 1989. Der Begriff der Sarazenen wird in der vorliegenden Arbeit als Überbegriff benutzt, da es sich in der Antike offenbar um einen ebenso übergreifenden und unspezifisch anwendbaren Begriff gehandelt hat und es jener ist, der in den griechischen Quellen am häufigsten für die Steppen- und Wüstenbewohner des in Frage stehenden Weltteils gebraucht wird; vgl. Millar 2010, 201. Da sich in der vorliegenden Arbeit durchgängig zur Sprache kommt, dass es in Anbetracht des Themas weniger um eine ereignisgeschichtliche Rekonstruktion geht, sondern vielmehr um das Herausschälen von historischen Strukturen und Mechanismen aus den Darstellungen der einzelnen Autoren – unabhängig von der Historizität der einzelnen geschilderten Ereignisse – ist es immer wieder nötig, sich auf die Betrachtungsweise der antiken Autoren einzulassen, von denen die griechischsprachigen im Zentrum stehen. Wenn im Folgenden das Adjektiv „arabisch“ gebraucht wird, ist es geographisch zu verstehen, analog zu „kaukasisch“. 255 Edwell 2015, 214f: „While the increased contribution to the conflict played by the Arabs provides one reason for their increased prominence in the primary sources, it is also apparent that the Jafnid and Naṣrid leaders were using the ongoing wars to consolidate their political positions and accumulate wealth.“ Fowden 1993, 119: „[…] nothing was more common in late antiquity than for an Arab potentate dissatisfied with Iran to treat with or even transfer his allegiance to Rome, or vice versa.“ Funke 1996, 234: „So stellt sich die Geschichte der arabischen Macht- und Staatenbildungen in der Antike als eine Geschichte zwischen Selbstbehauptung und Unterwerfung dar.“ Vgl. Whittow 2015, 25. Zur kulturellen Durchlässigkeit der römisch-persischen Grenze als Ähnlichkeit des mesopotamischen, armenischen und nordarabischen Raumes Morley 2016, 122.
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das eigene Verhältnis zu den Großmächten, sondern auch das Verhältnis der Großmächte untereinander beeinflussten. Viele dieser Elemente lassen sich in Prokops Charakterisierung des alMundhir (Alamundaros) im ersten Buch seines Geschichtswerkes finden, angesiedelt im Jahr 531: So stellt er sich vor, al-Mundhir könne ohne Umschweife vor Kawadh treten und ihm Vorschläge machen,256 habe also eine stolze und verhältnismäßig unabhängige Position, denn bei persischen Würdenträger konstruiert Prokop nicht dergleichen Situationen, er lässt in der Schilderung des Untergangs des Peroz sogar die vornehmen Perser den Römer Eusebios bitten, den Großkönig auf seine Fehler aufmerksam zu machen, da sie sich dergleichen nicht getrauten.257 Prokop lässt al-Mundhir eine belehrende Rede halten, die Kawadh annimmt.258 Darin macht er Kawadh, wenn auch in unpersönlicher Formulierung (aber doch an Kawadh gewandt!), schwere Vorwürfe: Er verlasse sich zu sehr auf die Tyche und glaube, in allen Kriegen Erfolg haben zu müssen. Das sei gegen die natürlichen Gegebenheiten und die menschliche Art. Dieses Denken würde ihm Schaden bringen, denn nach Misserfolgen sei er dann maßlos enttäuscht. Er solle nicht auf den Krieg setzen, sondern listig sein (was bedeutet, dass er es bisher nicht gewesen sein kann). Danach formuliert al-Mundhir direkt, er solle die Tyche nicht schon wieder auf die Probe stellen.259 Er entwirft einen anderen Plan, indem er unter anderem sein Wissen als jenes sarazenischer Kundschafter ausweist und anbietet, die Führung des persischen Heeres durch das wasser- und nahrungsarme Gebiet zu übernehmen,260 also wie die südkaukasischen Verbände, die sich den Großmächten als ortskundige Späher und Wegweiser im Kampf gegen die jeweils andere anbieten. Das folgende Lob, das Prokop al-Mundhir trotz seiner Feindschaft zur römischen Seite zollen muss, ist umfassend und auch aus der Perspektive der speziellen sarazenischen Handlungsoptionen interessant:
256 Prok. Bell. 1,17,30. Es versteht sich, dass die Szene Fiktion sein dürfte. Es ist davon auszugehen, dass Kawadh keine mahnende Rede al-Mundhirs benötigte, um die darin dargestellten strategischen Einsichten zu gewinnen. Prokop personalisiert vielmehr Prozesse, um Hintergründe der veränderten persischen Strategie darstellen zu können. Vgl. Veh 1970a, 473. 257 Prok. Bell. 1,3,12. Eine wohl sagenhafte, aber doch auffällige Parallele bietet at-Tabari 1,857f.: Yazdgards Sohn Bahram wird von seinem Vater schlecht behandelt und offenbar verspricht er sich vom Einsatz eines persischen Mittelsmannes weniger Erfolg als von einer entsprechenden Bitte an eine römische Gesandtschaft, die sich gerade auf dem Weg zu Yazdgard befindet. (Der offenkundige Fehler liegt in der Angabe, die Gesandtschaft sei von einem Bruder des römischen Kaisers angeführt worden. Es dürfte ein ziemlich bekannter Umstand sein, dass Theodosius II. nur Schwestern hatte, der auch in der Episode um den Beschützerstatus des Yazdgard eine grundlegende Rolle spielt.) 258 Prok. Bell. 1,17,40. 259 Prok. Bell. 1,17,30–33. 260 So geschieht es später auch, Prok. Bell. 1,18,1. Auf Basis des Umstandes, dass es so geschah, dürfte Prokop später die Rede und zugehörige Episode seines Werkes verfasst haben.
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19 Methoden VIII Kawadh hatte keine Veranlassung, diesen Worten zu widersprechen oder zu misstrauen; denn al-Mundhir war ein sehr kluger und kriegserfahrener Mann, den Persern treu ergeben und außerordentlich tatkräftig, ein Feind, der etwa fünfzig Jahre lang die Römer in die Knie gehen ließ. Angefangen von den Grenzgebieten Ägyptens bis nach Mesopotamien plünderte er die Ländereien und raubte alles, was ihm so in die Hände fiel. Wo er auf Häuser traf, legte er sie in Schutt und Asche, ebenso machte er Menschen jeweils nach Tausenden zu Sklaven und tötete die meisten von ihnen ohne jede Rücksicht, während er den Rest um teures Geld verkaufte. Niemand auf der ganzen Welt aber wagte ihm entgegen zu treten. Vermied er doch jeden unvorsichtigen Angriff, ging vielmehr so schnell und geschickt zu Werke, dass er meistens mit der ganzen Beute schon davon war, wenn die Feldherren und Soldaten erst das Geschehen zu erfassen und sich gegen ihn zu sammeln begannen. Bekamen sie ihn aber einmal zufällig sogar zu fassen, dann warf sich dieser Barbar auf seine Verfolger, während sie noch unvorbereitet und ungeordnet waren, jagte sie ohne weiteres in die Flucht und ließ sie sterben, ja einmal machte er die verfolgenden Soldaten mir ihren Führern samt und sonders zu Gefangenen. Timostratos, den Bruder des Rufinos, und Johannes, den Sohn des Lukas, gab er später gegen Lösegeld frei, wobei er sich keine geringen und alltäglichen Summen zahlen ließ. Zusammenfassend darf man sagen: Dieser Mann war der allerschwierigste und gefährlichste Feind der Römer. Der Grund aber lag darin, dass al-Mundhir als König allein über sämtliche Sarazenen in Persien gebot und so mit dem ganzen Heer jederzeit jeden beliebigen Teil des römischen Reiches angreifen könnte. Keiner aber von den römischen Truppenbefehlshabern – sie werden dux genannt – und ebenso auch kein Führer der mit den Römern verbündeten Sarazenen – sie tragen die Bezeichnung Phylarch – war imstande, mit seinen Leuten dem al-Mundhir entgegenzutreten; denn kein Gebiet verfügte über eine den Feinden angemessene Verteidigung.261
261 Prok. Bell. 1,17,40–46 (Übers. nach Veh): ταῦτα ἀκούσας Καβάδης οὔτε ἀντιτείνειν οὔτε ἀπιστεῖν εἶχεν. ἦν γὰρ Ἀλαµούνδαρος ξυνετώτατός τε καὶ τῆς κατὰ πόλεµον ἐµπειρίας εὖ ἥκων, Πέρσαις τε πιστὸς ἐς τὰ µάλιστα, καὶ διαφερόντως δραστήριος, ὃς δὴ ἐς πεντήκοντα ἐνιαυτῶν χρόνον ἐς γόνυ ἐλθεῖν τὰ Ῥωµαίων ἐποίησε πράγµατα. ἐκ γὰρ τῶν Αἰγύπτου ὁρίων ἀρξάµενος καὶ µέχρι ἐς Μεσοποταµίαν ληιζόµενος τὰ ἐκείνῃ χωρία, ἦγέ τε καὶ ἔφερεν ἐφεξῆς ἅπαντα, καίων τε τὰς ἐν ποσὶν οἰκοδοµίας καὶ τοὺς ἀνθρώπους κατὰ πολλὰς ἀεὶ µυριάδας ἀνδραποδίζων, καὶ αὐτῶν τοὺς µὲν πλείστους ἀποκτείνων οὐδενὶ λόγῳ, τοὺς δὲ ἄλλους ἀποδιδόµενος χρηµάτων µεγάλων. ἀπήντα δέ οἱ τῶν πάντων οὐδείς. οὐ γάρ ποτε ἀνεπισκέπτως ἐποιεῖτο τὴν ἔφοδον, ἀλλ̓ οὕτως ἐξαπιναίως τε καὶ αὐτῷ ἐς τὰ µάλιστα ἐπιτηδείως, ὥστε ὁ µὲν ἤδη ὡς τὰ πολλὰ ξὺν τῇ λείᾳ πάσῃ ἀπιὼν ᾤχετο, οἱ δὲ στρατηγοί τε καὶ στρατιῶται πυνθάνεσθαί τε τὰ ξυµπεσόντα καὶ ἀγείρεσθαι ἐπ̓ αὐτὸν ἤρχοντο. ἢν δέ που αὐτὸν καὶ καταλαβεῖν τύχῃ τινὶ ἔσχον, ἀλλ̓ ἔτι ἀπαρασκεύοις τε οὖσι καὶ οὐ ξυντεταγµένοις ἐπιπεσὼν τοῖς διώκουσιν ὁ βάρβαρος οὗτος ἔτρεπέ τε καὶ διέφθειρεν οὐδενὶ πόνῳ, καὶ ποτε τοὺς διώκοντας στρατιώτας ξὺν τοῖς ἄρχουσιν ἐζώγρησεν ἅπαντας. Τιµόστρατος δὲ ἦν ὁ Ῥουφίνου ἀδελφὸς καὶ Ἰωάννης ὁ τοῦ Λουκᾶ παῖς, οὓς δὴ ἀπέδοτο ὕστερον, πλοῦτον αὐτῶν οὐ φαῦλον οὐδὲ τὸν τυχόντα περιβαλλόµενος. καὶ τὸ ξύµπαν εἰπεῖν χαλεπώτατός τε καὶ δεινότατος οὗτος ἀνὴρ γέγονε Ῥωµαίοις πολέµιος πάντων µάλιστα. αἴτιον δὲ ἦν ὅτι Ἀλαµούνδαρος µὲν βασιλέως ἀξίωµα ἔχων ἁπάντων µόνος τῶν ἐν Πέρσαις Σαρακηνῶν ἦρχε, παντί τε τῷ στρατῷ οἷός τε ἦν ἀεὶ τὴν ἔφοδον ποιεῖσθαι ὅπη βούλοιτο τῆς Ῥωµαίων ἀρχῆς· οὐδεὶς δὲ οὔτε Ῥωµαίων στρατιωτῶν ἄρχων, οὓς δοῦκας καλοῦσιν, οὔτε Σαρακηνῶν τῶν Ῥωµαίοις ἐνσπόνδων ἡγούµενος, οἳ φύλαρχοι ἐπικαλοῦνται, ξὺν τοῖς ἑποµένοις Ἀλαµουνδάρῳ ἀντιτάξασθαι ἱκανῶς εἶχεν· ἐν χώρᾳ γὰρ ἑκάστῃ τοῖς πολεµίοις οὐκ ἀξιόµαχοι ἐτετάχατο. Vasiliev 1950, 277; Parker 1987b, 45; Parker 1987a, 822; Mayerson 1989, 75; Funke 1996, 232; Toral-Niehoff 2014, 65. PLRE II, Timostratus S. 1119f.; Ioannes 70, S. 611.
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Allein aus dieser Passage lassen sich viele charakteristische Elemente entnehmen: Zunächst betont Prokop neben hervorragenden Eigenschaften, dass al-Mundhir den Persern immer treu gewesen sei. Dies ist von Bedeutung, da sich im Folgenden zeigen wird, dass es wohl nicht am Versuch mangelte, ihn auf die römische Seite zu ziehen und nach Prokops Sicht und jener der römischen Entscheidungsträger al-Mundhir (wie die Südkaukasier) diese Freiheit zum Seitenwechsel durchaus besessen hätte. Daher ist es für Prokop umso bemerkenswerter, dass er sie – anders als die Südkaukasier – nicht nutzte, sondern im Laufe seines langen Lebens immer auf persischer Seite blieb. Seine außerordentliche Taktik wird betont und sein Erfolg im Plündern, wobei letzterer auch den südkaukasischen Verbänden nicht fremd war, wie sich in mehreren Fällen gezeigt hat. Wie diese kann sich al-Mundhir schnell zurückziehen. Im Gegensatz zu südkaukasischen Räubern hat er auch im Kampf durch seine angemessene Taktik gute Chancen. Zudem ist er sich seiner Stellung zwischen den Reichen bewusst und geht selbstbewusst nicht nur mit Kawadh um: Er weiß sich an die römische Seite zu wenden, um Lösegelder für wichtige Gefangene einzunehmen und so aus seiner besonderen Stellung zusätzlichen Gewinn zu schlagen. Sein enormer Vorteil liegt laut Prokop auch in der Königsstellung, da er keine Truppen langwierig zusammenziehen und nach Art der römischen Feldherren erst verhandeln muss, wer welche Aufgaben wo und wann übernehmen wird,262 aber auch nicht nach Art der römischen Phylarchen erst Bemühungen anzustellen braucht, die anderen Stammesanführer zusammenzuscharen und sich deren Mitwirkung an einer gemeinsamen Aktion zu sichern, die dann koordiniert werden müsste. Prokop beweist mit seinem Urteil nicht nur ein Bewusstsein für die besondere Stellung der Sarazenen zwischen den Reichen, sondern auch, wie enorm gefährlich unter einem geschickten Feldherrn und Anführer vereinte arabische Stämme den Römern werden konnten.263 Somit weist er schon in die Zeit der arabischen Eroberung, die kaum mehr als ein Menschenleben von der Abfassung der Werke Prokops entfernt war. Auch Malalas bezeugt an einem wohl 528 anzusiedelnden Beispiel die Probleme, die al-Mundhir der römischen Seite bereitete und die mit den Problemen der Römer mit den ihnen unterstellten Sarazenen zusammenflossen: So habe sich der dux Palaestinae, Diomedes, mit dem Phylarchen romtreuer Sarazenen, Arethas (nicht mit dem später bedeutenden βασιλεύς al-Harith identisch), verfeindet. Arethas habe sich daher aus Angst zum inneren Limes zurückgezogen, al-Mundhir das aber erfahren und ihn gefangen genommen. Justinian stellt eine Truppe unter den duces von Phönikien, Arabien und Mesopotamien und den Phylarchen (darunter dem später bedeutenden al-Harith) der entsprechenden Gegenden zusammen, die al-Mundhir verfolgen sollen. Nach einer langen Verfolgung gelingt es, seine Zelte zu zerstören, Gefangene zu machen und Dromedare zu erbeuten. Das wertet Malalas, der einem offiziellen römischen Standpunkt verpflichtet ist, als 262 Vgl. Veh 1970a, 473. 263 In den Anekdota stellt Prokop die Verhältnisse als noch weit schlimmer dar, Prok. HA 18,22.
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Sieg.264 In Anbetracht dessen, dass dieser Sieg al-Mundhir im Folgenden offenbar nicht im geringsten in seiner Handlungsfähigkeit gegenüber dem Imperium einschränkte und der Betonung von Dromedaren als erwähnenswerten Beutestücken ist zu erahnen, dass die römische Truppe völlig an al-Mundhir gescheitert ist: Er war einfach nicht zu fassen, da er die naturräumlichen Gegebenheiten und seine Mobilität perfekt nutzte. Theophanes erwähnt nicht nur diese Episode, sondern schon vorherige Plünderungen al-Mundhirs.265 Im Folgenden beschreibt Prokop die wohl ins Jahr 529 zu setzenden Gegenmaßnahmen Justinians, die auch vor dem Hintergrund der Episode des Malalas nachvollziehbar sind: Aus diesem Grunde stellte Kaiser Justinian den al-Harith, den Sohn des Gabalas und Herrscher über die Sarazenen in Arabien, an die Spitze möglichst vieler Stämme und verlieh ihm die Königswürde, eine Auszeichnung, die bei den Römern zuvor unbekannt war. Gleichwohl fügte al-Mundhir der römischen Sache keineswegs geringeren, eher noch größeren Schaden zu, da al-Harith bei jedem Angriff und Kampf entweder schweren Misserfolg hatte oder blitzschnell Verrat übte. Genaues wissen wir ja noch nicht über ihn. So kam es, dass al-Mundhir, ohne Widerstand zu finden, über sehr lange Zeit hin den gesamten Osten ausplündern konnte, zumal er ja auch ein ungewöhnlich hohes Alter erreichte.266
Die Reaktion Justinians soll auf die besondere Stellung des al-Mundhir eingehen, indem sie einen eigenen Akteur schafft, der eine vergleichbare Stellung innehat.267 Dies erinnert an die Möglichkeiten des Südkaukasusraumes, da es etliche Akteure gibt, derer sich die Großmächte bedienen können. Aktuell war al-Mundhir in seiner herausragenden Königsposition aber ohne Alternative, so dass eine solche – bis hin zur Verleihung einer besonderen βασιλεύς-Würde – erst geschaffen werden musste, um Feuer mit Feuer zu bekämpfen.268 Es ist denkbar, dass dies nicht 264 Ioh. Mal. 18,16; vgl. Shahîd 1995, 70–76. PLRE IIIA, Diomedes 1, S. 402; PLRE II, Arethas, S. 139f. Zum Standpunkt des Malalas siehe Anhang 1 der vorliegenden Arbeit. 265 Theophan. Conf. a. 6021. Man denke auch an Cyr. Scyth. Vit. Ioh. 13, 15–25. 266 Prok. Bell. 1,17,47f. (Übers. nach Veh): διὸ δὴ βασιλεὺς Ἰουστινιανὸς φυλαῖς ὅτι πλείσταις Ἀρέθαν τὸν Γαβαλᾶ παῖδα ἐπέστησεν, ὃς τῶν ἐν Ἀραβίοις Σαρακηνῶν ἦρχεν, ἀξίωµα βασιλέως αὐτῷ περιθέµενος, οὐ πρότερον τοῦτο ἔν γε Ῥωµαίοις γεγονὸς πώποτε. Ἀλαµούνδαρος µέντοι οὐδέν τι ἧσσον, εἰ µὴ καὶ µᾶλλον, τὰ Ῥωµαίων πράγµατα ἔφθειρεν, Ἀρέθα ἐν πάσῃ ἐφόδῳ τε καὶ ἀγωνίᾳ ἢ ἀτυχοῦντος ὡς µάλιστα ἢ καταπροδιδόντος ὡς τάχιστα. οὐ γάρ πω σαφές τι ἀµφ̓ αὐτῷ ἴσµεν. ταύτῃ τε ξυνέβη Ἀλαµουνδάρῳ, οὐδενός οἱ ἀντιστατοῦντος, ἐπὶ µήκιστον τὴν ἑῴαν ληίζεσθαι πᾶσαν, ἐπεὶ καὶ µακροβιώτατος ἀτεχνῶς γέγονε. Nöldeke 1887, 12; Kawar 1957, 84; Kawar 1958, 232; Kawar 1960b, 77; Christides 1970, 6; Liebeschuetz 1977, 495; Parker 1987b, 45f.; Parker 1987a, 822; Shahîd 1995, 95– 124; Funke 1996, 233; Edwell 2015, 235; Greatrex 2015, 124–126; Fisher/Wood 2015, 313; Fisher 2020, 114. Beispiel der Taktik des al-Mundhir auch bei Theophan. Conf. a. 6021; Kyr. Skyth., vit. Ioh. Hesych. 13 (211,15–211,20); ein Urteil über die Macht des al-Mundhir auch in einer Vita des jüngeren Symeon Stylites 186 [ed. van den Ven]; Christides 1970, 7; Fisher/Wood 2015, 301. 267 Greatrex 1998, 160; Greatrex/Lieu 2002, 88; Lewin 2015, 169–172; Morley 2017, 274; vgl. Fisher 2020, 114, 119f., der auch auf früheren persischen Usus verweist. 268 Vgl. Mayerson 1989, 77.
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zuletzt von der Investitur südkaukasischer Herrscher durch die beiden Großmächte inspiriert war, woraus ebenfalls die Hoffnung auf eine engere Bindung an die jeweilige Großmacht sprach.269 Bei seiner Ausstattung des al-Harith (Arethas) ging Justinian das Risiko ein, dass er mit der Schaffung eines zusätzlichen Akteurs zwischen den Reichen diesem auch die Freiheiten gab, die ein solcher, bedingt durch seine Stellung, innehatte. Es sollte sich, wie Prokop schon hier herausstellt, noch zeigen, dass al-Harith diese auch im eigenen Sinne zu nutzen verstand und – zumindest laut Prokop – Verrat beging, wenn es ihm Nutzen versprach. Al-Harith konnte aber keine dem al-Mundhir entsprechende Stellung bekommen, ohne automatisch auch die mit ihr verbundenen Möglichkeiten zu erhalten. Um im Sinne Roms als Akteur zwischen den Großmächten agieren zu könne, musste er über ein Faktorenbündel verfügen, das es ihm erlaubte, auch gegen Rom tätig zu werden. Auch er konnte durch seine neu versammelten Verbände schnelle Überfälle durchführen und sich in die Wüste zurückziehen – was Prokop andernorts genauer ausführt270 – und just durch seine neue, mächtigere Stellung wurde er offenbar überhaupt erst für den Großkönig interessant. Mit al-Harith hatte Justinian einen künstlichen Akteur zwischen den Großmächten geschaffen, wie es sie im Transkaukasusraum oder mit al-Mundhirs Verbänden in lange gewachsener Form gab. Es sollte sich die inhärente Freiheit dieser Akteure als zweischneidiges Schwert erweisen.271 269 Für die sasanidische Seite ist Ähnliches bereits bei Morley 2017, 274, geäußert worden: „[…] the Sasanian-Nasrid relationship was similar to the Carayutʼiwn relationship that existed between the shahs and the Armenian nakharars, in that it was based on rewards for services rendered by the allies to their imperial patrons.“ Zu diesem Verhältnis, auch hinsichtlich seiner Anwendbarkeit auf die Beziehungen zwischen armenischen Aristokraten und römischen Kaisern siehe die Arbeit Preiser-Kapeller 2010, besonders 145. 270 Er lässt Belisar in einer Rede bei 2,19,12f. (Übers. nach Veh) sagen, als es um die Rolle des al-Harith in einer kommenden Auseinandersetzung geht: Σαρακηνοὶ γὰρ τειχοµαχεῖν µέν εἰσιν ἀδύνατοι φύσει, ἐς δὲ τὸ ληίζεσθαι πάντων µάλιστα δεξιοί. συνεισβαλοῦσι δὲ αὐτοῖς καὶ στρατιῶται τῶν µαχίµων τινὲς, ὅπως αὐτοί τε, µηδενὸς µὲν ἐναντιώµατος σφίσι φανέντος, τὰ ἀνήκεστα τοὺς προσπεσόντας ἐργάσωνται, ἢν δέ τι ἀπαντήσῃ πολέµιον, εὐπετῶς ἀναχωροῦντες εἰς ἡµᾶς σώζοιντο. – „Die Sarazenen sind ja von Natur aus für Unternehmungen gegen einen festen Platz ungeeignet, für Raubzüge aber am allergeschicktesten. An ihrem Vorstoß werden sich auch einige kampferprobte Soldaten beteiligen, damit sie, falls ihnen kein Widerstand begegnet, allen, auf die sie treffen, schwersten Schaden zufügen, bei Feindberührung jedoch sich leicht zurückziehen und bei uns in Sicherheit bringen können.“ Über das Ergebnis heißt es bei 2,19,17f. (Übers. nach Veh): οἱ µὲν οὖν ἀµφὶ τὸν Ἀρέθαν Τίγρην ποταµὸν διαβάντες ἐν Ἀσσυρίοις ἐγένοντο. οὗ δὴ χώραν τε ἀγαθὴν εὑρόντες καὶ µακροῦ χρόνου ἀδῄωτον, ταύτην τε ἀφύλακτον οὖσαν, ἐξ ἐπιδροµῆς πολλὰ ληισάµενοι τῶν ἐκείνῃ χωρίων χρήµατα µεγάλα περιεβάλλοντο. – „So überschritt al-Harith mit seinen Leuten den Tigris und drang in Assyrien ein. Da sie ein fruchtbares, schon lange von Raubzügen verschontes und noch dazu ungeschütztes Land vorfanden, konnten sie im ersten Ansturm viele dortige Plätze ausplündern und reiche Beute machen.“ 271 Funke 1996, 233; vgl. Veh 1970a, 474.
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Ein gewisser Unterschied zwischen der offenbar natürlich gewachsenen und künstlich erhobenen Stellung der beiden Sarazenenkönige mag auch darin liegen, dass al-Mundhir wahrscheinlich von sich aus, bedingt durch die traditionelle und nicht zuletzt räumlich enge Verbindung der Sasaniden und al-Hiras (die Stadt lag etwa 120 Kilometer von Ktesiphon entfernt)272 die Zusammenarbeit mit Kawadh suchte und daher auch loyal zu ihm hielt,273 wogegen es offenbar auf römischer Seite Justinian war, der sich mit seinem Plan erst an al-Harith wenden musste, der dieses Ansinnen sicher nicht von sich aus an den weit entfernten Kaiser in Konstantinopel herangetragen hätte.274 Warum sollte er auch damit rechnen können, dass ihn Justinian auf seine Anfrage hin zum König aller romtreuen Sarazenen machen würde? Die Initiative dürfte von Justinian ausgegangen sein. Daher bestand von Anfang an ein anderes Verhältnis zwischen den Sarazanenkönigen und den jeweils verbündeten Herrschern der Großmächte, wenn al-Harith auch schon vor seiner Erhebung ein wichtiger Akteur innerhalb der arabischen Verbände gewesen sein wird, da die Erhebung allein zwar einen Titel erzeugt, aber keinen Ge272 Toral-Niehoff 2014, 59. Bosworth 2004, 322. 273 Bosworth 1987, 202. Morley 2017, 274, zur personalisierten Beziehung des Großkönigs zu seinem königlichen Kollegen. Vgl. Blockley 1992, 110; Fisher 2011a, 3. Rothstein 1899, 128, zur Treue al-Mundhirs: „Im eigenen Interesse durfte es niemand wagen, sich offen von Persien loszusagen, die offene Feindschaft herauszufordern; dazu waren die Kräfte zu schwach und die Lage zu exponiert.“ Vgl. Fisher 2011a, 119. Die exponierte Lage al-Hiras galt aber auch umgekehrt: Nicht nur von Ktesiphon aus ließ sich leicht al-Hira erreichen, die gefürchteten schnellen Verbände al-Hiras waren auch schnell im Ktesiphongebiet. Es fragt sich daher, ob al-Mundhir etwa nicht über den Vorteil der schweren Greifbarkeit verfügte, der al-Harith eigen war. Im Übrigen scheint es, dass al-Mundhirs Befugnisse nach der Erhebung des alHarith durch Justinian im Gegenzug von Chosrau erweitert wurden, at-Tabari 958; Greatrex/Lieu 2002, 88. 274 Ein Indiz dafür ist folgendes Detail: Prokop berichtet, dass Abu Karib (Abocharabos), der wahrscheinlich der Bruder des al-Harith gewesen sein dürfte (Greatrex 1994, 234; vgl. Millar 2010, 213; Fisher 2020, 131), Justinian den sog. Palmenwald geschenkt habe. Dieser konnte das unwegsame Stück Land nicht praktisch nutzen, gab dem Schenkenden aber dafür das Amt des Phylarchen der Sarazenen in Palästina. Laut Prok. Bell. 1,19,13, hätten beide gewusst, dass der Palmenwald für Justinian nicht nutzbar wäre. Die Episode lässt sich so verstehen, dass Abu Karib Justinian durch sein Geschenk lediglich signalisieren wollte, dass er bereit wäre, für die römische Seite tätig zu werden und als symbolische Gabe für Justinians Wohlwollen den Palmenwald anbot; vgl. Smith 1954, 444; Kawar 1957, 85–87; Kawar 1960a, 66; Veh 1970a, 476; Liebeschuetz 1977, 496; Parker 1986, 151; Shahîd 1995, 124–130; Casey 1996, 221; Edwell 2015, 240; vgl. Lewin 2015, 173f. Justinian setzte ihn daraufhin nach Gutdünken ein. Offenbar war es nicht möglich, dass sich Abu Karib offen um eine bestimmte Tätigkeit „bewarb“, also einen Wunsch äußerte, sondern nur die Bereitschaft signalisieren konnte, in den Dienst Roms zu treten. Prokop erwähnt dies, aber keinerlei dahingehende Gaben oder Bemühungen des al-Harith, trotz dessen weitaus größerer Bedeutung für sein Geschichtswerk und seiner Antipathie, da es sich doch besonders angeboten hätte, zu schildern, mit welcher „Bestechung“ al-Harith in römische Dienste gelangte, oder welche Rolle der „Nepotismus“ bei Abu Karib spielte. Zum zugrundeliegenden römischen Prinzip an der arabischen Grenze Graf 1978, 20. Zu Justinians Plänen mit Abu Karib auch Fisher 2020, 131f.
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horsam, der ihm allein des Titels wegen wohl nicht entgegengebracht worden wäre, wenn er nicht auch ohne diesen schon hohes Ansehen genossen hätte.275 Im Übrigen ist der ganze Prozess wieder ein Beleg für die militärische Ähnlichkeit der Großmächte: Wenn ein sarazenischer König die Römer erfolgreich bekämpfen kann, setzt Justinian einen ebensolchen ein, in der Hoffnung, dass dieser die Perser ebenso erfolgreich bekämpfen könnte. Perser wie Römer waren durch die Ähnlichkeit ihrer Truppen und Militärorganisation mit ähnlichen Strategien und Taktiken verwundbar. Prokop bleibt seiner Einschätzung des al-Harith im Folgenden treu, so lässt er ihn vor der Schlacht bei Callinicum gegenüber seinen Sarazenen eine doppelzüngige Rede halten, die bereits auf seine Neigung verweist, Gefahren zu entfliehen.276 In der Schilderung der Schlacht selbst heißt es über seine Rolle lapidar: Da schlossen sich die besten Krieger im Perserheer zusammen und stürmten gegen den rechten Flügel, wo al-Harith und die Sarazenen ihren Platz hatten. Diese lösten so schnell die Ordnung auf und stoben auseinander, dass sie sogar den Verdacht erweckten, die römische Sache an die Perser verraten zu haben.277
Prokop traut es al-Harith also nicht nur aus Antipathie zu, sondern hielt ihn prinzipiell für in der Lage, dergleichen zu unternehmen. Nach Abschluss des Ewigen Friedens ist es wieder al-Mundhir, den Prokop in einer Szene mit dem Großkönig – inzwischen Chosrau – ins Gespräch kommen lässt. Da Chosrau den Frieden brechen will, soll al-Mundhir ihm helfen, geeignete Anlässe dafür zu schaffen.278 So geschieht es (sog. Strata-Disput): Al-Mundhir beschuldigt al-Harith verschiedener Grenzverletzungen. Die Herdenbesitzer des Strata-Gebietes zahlten al-Mundhir von jeher Abgaben für die Benutzung der Weideflächen, woraus er Ansprüche auf das Gebiet ableitet. Al-Harith dagegen sieht den Landstrich als römisch, mit der Begründung des lateinischen Namens strata und unter Anführung von Zeugenaussagen. Er meldet Ansprüche darauf an.279 275 Fisher 2020, 114–120, 128–130, nimmt an, Justinian habe al-Harith mit dessen Erhebung fest in das römische Gefüge von Ämtern und Würden integriert, wie es mit allen Phylarchen geschehen sei, der Königstitel sei ein davon unabhängiges, höchstens gestattetes Element für das unmittelbare eigene Umfeld gewesen. 276 Prok. Bell. 1,18,27–29. 277 Prok. Bell. 1,18,35f. (Übers. nach Veh): τότε δὲ ξυµφρονήσαντες, ὅσοι δὴ ἄριστοι ἐν τῷ Περσῶν στρατεύµατι ἦσαν, ἐσήλαυνον ἐς τῶν πολεµίων τὸ δεξιὸν κέρας, οὗ δὴ Ἀρέθας τε καὶ οἱ Σαρακηνοὶ ἐτετάχατο. οἱ δὲ οὕτω τὴν φάλαγγα διαλύσαντες δίχα ἐγένοντο, ὥστε καὶ δόξαν ἀπήνεγκαν ὅτι δὴ Πέρσαις τὰ Ῥωµαίων πράγµατα προὔδοσαν.“ Kawar 1957, 79; Shahîd 1995, 134–142. Ausführlich zur Frage nach dem Verrat al-Hariths siehe die Arbeit Christides 1970. 278 Prok. Bell. 2,1,1f.; Edwell 2015, 245. 279 Prok. Bell. 2,1,3–8. Zum Strata-Disput auch Nöldeke 1887, 17f.; Vasiliev 1950, 274f.; Kawar 1956, 186f., 206; Kawar 1957, 80f.; Capizzi 1969, 177; Gray 1973, 27f.; Liebeschuetz 1977, 489f.; Shahîd 1995, 209–218; Lewin 2015, 178. Zur Strata Diocletiana und der Frage nach ihrer strategischen Bedeutung ebd. 159–163.
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Ersterer greift letzteren an, wobei er diese Angriffe nutzt, um auf römisches Gebiet überzugreifen. Nach seiner Behauptung verletzte er damit nicht den Friedensvertrag zwischen Persern und Römern, da ihn ja keine der beiden Parteien darin einbezogen habe. Und so war es tatsächlich: Nirgends im Vertrag waren die Sarazenen erwähnt, sie liefen unter dem Namen der Perser und Römer.280
Justinian sendet die Würdenträger Strategios (comes sacrarum largitionum)281 und Summos (dux Palaestinae und zudem Bruder des Gesandten Julianos)282 zur Beilegung des Streitfalls.283 Justinian war sich laut Prokop noch nicht sicher, ob er dies als Anlass zum Krieg nehmen sollte, da sich Strategios gegen Erhalt des Gebietes, Summos aber dafür aussprach.284 Indessen sprach der Perserkönig Chosrau von einem Friedensbruch durch Justinian; denn dieser habe mit dem Versuch, al-Mundhir mitten im Frieden zum Freunde zu gewinnen, sich eben erst gar hinterhältig gegen sein Haus benommen. Jedenfalls sei kurz zuvor Summos angeblich wegen des Schiedsspruches bei al-Mundhir gewesen und habe ihn dabei unter Zusicherung reichen Lohnes auf die römische Seite ziehen wollen. Für diese Behauptungen wies Chosrau ein Schriftstück vor, das Kaiser Justinian in der erwähnten Sache an al-Mundhir gerichtet hatte. Der Kaiser habe sich außerdem, wie sein Gegner betonte, brieflich an einige Hunnen mit der Aufforderung gewandt, in Persien einzufallen und in den dortigen Gebieten möglichst schweren Schaden anzurichten. Dieses Schreiben hätten ihm die Hunnen selbst in die Hand gegeben, als sie bei ihm waren. Mit solchen Vorwürfen gegen die Römer gedachte Chosrau, den Friedensvertrag außer Kraft zu setzen. Ob diese seine Angaben indes der Wahrheit entsprachen, vermag ich nicht zu sagen.285
Als dann die gotischen Gesandten des Wittigis Chosrau zum Krieg zu bewegen suchen und die aufständischen Armenier unter Bassakes (samt Artabanes) zu
280 Prok. Bell. 2,1,4f. (Übers. nach Veh): ἔφασκέ τε ὡς αὐτὸς οὐ λύει τὰς Περσῶν τε καὶ Ῥωµαίων σπονδάς, ἐπεὶ αὐτὸν ἐς ταύτας οὐδέτεροι ἐσεγράψαντο. καὶ ἦν δὲ οὕτως. οὐ γάρ τις πώποτε Σαρακηνῶν λόγος ἐν σπονδαῖς γέγονεν, ἅτε ξυνεχοµένων τῷ Περσῶν τε καὶ Ῥωµαίων ὀνόµατι. 281 PLRE II, Strategius 9, 1035f. 282 PLRE II, Summus, 1038f. 283 Prok. Bell. 2,1,9. 284 Prok. Bell. 2,1,11. 285 Prok. Bell. 2,1,12–15: Χοσρόης δὲ ὁ Περσῶν βασιλεὺς λελύσθαι πρὸς Ἰουστινιανοῦ τὰς σπονδὰς ἔφασκε, πολλὴν ἐπιβουλὴν ἐς οἶκον τὸν αὐτοῦ ἄρτι ἐνδειξαµένου, οἷς δὴ ἑταιρίζεσθαι Ἀλαµούνδαρον ἐν σπονδαῖς ἐνεχείρησε. Σοῦµµον γὰρ ἔναγχος ἐπὶ διαίτῃ δῆθεν τῷ λόγῳ παρ᾿ αὐτὸν ἥκοντα ἐπαγγελίαις αὐτὸν περιελθεῖν µεγάλων χρηµάτων, ἐφ̓ ᾧ προσχωρήσει Ῥωµαίοις, γράµµατά τε προΐσχετο, ἃ δὴ πρὸς Ἀλαµούνδαρον ὑπὲρ τούτων Ἰουστινιανὸς βασιλεὺς ἔγραψε. καὶ πρὸς Οὔννων δέ τινας ἰσχυρίζετο αὐτὸν ἐπιστολὴν πέµψαι, ἐγκελευοµένην αὐτοῖς ἐσβαλεῖν τε ἐς τὴν Περσῶν γῆν καὶ τοῖς ἐκείνῃ χωρίοις ἐπὶ πλεῖστον λυµήνασθαι. ἣν δή οἱ τοὺς Οὔννους αὐτοὺς ἔφασκεν ἐγχειρίσαι ἐς ὄψιν ἐλθόντας. ταῦτα µὲν Χοσρόης ἐπικαλῶν Ῥωµαίοις τὰς σπονδὰς λύειν διενοεῖτο. εἰ µέντοι ταῦτα λέγοντί οἱ ἀληθίζεσθαι ξυνέβαινεν, οὐκ ἔχω εἰπεῖν.
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Chosrau fliehen, entscheidet sich dieser nach einer Beratung mit den Seinen zum Krieg.286 Es ist deutlich, wie sich der Krieg vor allem an Akteuren entzündet, die zwischen den Großmächten agieren. Ob Chosrau al-Mundhir beauftragt haben mag, durch den Strata-Disput die Beziehungen zum Imperium zu verschlechtern, oder er diesen Disput wirklich nur durch seine Ansprüche auf Weideflächen auslöste (wie at-Tabari angibt):287 Das Ergebnis bleibt gleich. Ein Disput der Sarazenenkönige untereinander ist geeignet, die Beziehungen zwischen den Großmächten nachhaltig zu verschlechtern – und das, obwohl sie keinerlei Anteil am Ewigen Frieden haben, keine Vertragsparteien sind, ja nicht einmal explizit darin erwähnt werden. Ihre relative Unabhängigkeit und Freiheit bringt eine Machtstellung mit Verstärkerwirkung mit sich, die ihre Konflikte in den Großmächten widerhallen und sich wie eine Welle hochschaukeln lässt, die groß genug ist, selbst das Imperium und das Sasanidenreich zu erschüttern.288 Wie die Position der südkaukasischen Verbündeten wichtig für die Reiche ist, da sie mit dem Verlust südkaukasischer Akteure Scharnierstellen im sensiblen Machtgefüge zu verlieren drohen, so ist die Stellung der Sarazenen wichtig, da sie das einzige Mittel gegen die Sarazenen der anderen Seite ist, für deren Vorgehen die sesshaften Großmächte besonders anfällig waren. Dabei ist es nicht entschei286 Prok. Bell. 2,3,55f. 287 At-Tabari 958–960. Dies könnte auch an dem arabischen Fokus der Geschichte liegen, denn im Folgenden ist es einzig das al-Mundhir angetane Unrecht, das Chosrau zum Krieg gegen Rom bewogen habe. Der Name „Khalid“ für „al-Harith“ verweist auf eine mittelpersische Quelle, Munt 2015, 459f. 288 Eventuell lässt sich eine Parallele zum Strata-Disput aus derselben Zwischenkriegszeit finden, wenn man die ohne Kontext stehende Stelle Marc. Com. add. a. 536, 11 berücksichtigt, da berichtet wird, wie etwa 15.000 Sarazenen unter den Phylarchen Chabus und Hezidus einer Dürre wegen das Sasanidenreich verließen. Al-Mundhir habe sie über die Grenze gelenkt und der römische dux Batzas sie dort durch Schmeichelei und Friedensbezeugung von ihren kriegerischen Absichten abgehalten. Die Rolle des al-Mundhir ist dabei unklar. Sollte er die Sarazenen auf Geheiß des Großkönigs gegen das Imperium lenken? Sollte diese Aktion zum Kriegsausbruch führen? Oder wollte er lediglich, dass ihre Notlage nicht zu Plünderungen innerhalb des Sasanidenreiches, sondern lieber des Nachbarlandes führte? Oder arbeiteten gar al-Mundhir und Batzas zusammen, um die humanitäre Katastrophe zu bewältigen? Im Kommentar Croke 1995, 130, wird die Episode für korrekt gehalten, aber keiner dieser Hintergründe angesprochen. Eigentümlich erscheint die dort vertretene Ansicht, die Grenzgänger müssten der Stammesföderation der Kinda entstammen und dass der Terminus des Phylarchs automatisch auf römische Verbündete verweise; zu letzterem auch Shahîd 1984, 31; Shahîd 1989, 500–502. (Zu Kinda siehe die Arbeiten Kawar 1960a u. 1960b; Beaucamp 2010; Liebeschuetz 2005, 136; Edwell 2015, 221.) Marcellinus bedient sich zwar eines griechischen Lehnwortes, aber die Sarazenenanführer dürften nach Art anderer Stammesführer in der griechischen Welt generell so genannt worden sein, auch wenn sie nicht die entsprechende Position im Dienste Roms bekleideten. So schreibt Olympiodor laut Photios ohne weitere Erklärung von den keinesfalls römischen Phylarchen und Propheten der Blemmyer, Olympiodor frg. 35,2 [ed. Blockley]. Zu Parallelen des Verhältnisses zwischen römischer Administration und Phylarchen in der Neuzeit Fisher 2015b, 232f.
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dend, dass Strata laut Aussage des Summos ein kleines Gebiet war, das keine Bedeutung hatte sowie wüst und unfruchtbar gewesen sei,289 denn eigentlich geht es in der römisch-persischen Affäre nicht um Strata, sondern um das grundlegende Problem der einander gegenüberstehenden Sarazenen beider Seiten. Sie sind nicht völlig unabhängig, aber auch nicht völlig abhängig. Auch rechtlich lag offenbar – wie der Vertrag zeigt – eine schwierige Situation vor. Man hatte sich selbst Akteure geschaffen oder mit sich verbunden, die geeignet waren, die Großmächte selbst ohne ihre Beteiligung in einen Konflikt zu bringen.290 Wieder zeigt sich ihre Rolle als zweischneidiges Schwert: Wenn Chosrau den Konflikt entfesseln wollte, war al-Mundhir gut dazu geeignet, wenn Chosrau es aber nicht wollte, sondern es al-Mundhir nur auf die in der Tat reichlich gewonnene Beute291 abgesehen hatte, konnte es ebenso zu solch einer Situation kommen. Die Situation wurde durch Chosraus Anschuldigungen, die Prokop bei gleichermaßen vorhandener Antipathie gegen Justinian und Chosrau in den Bella nicht beurteilt, in den Anekdota aber auf Justinian bezieht, verschärft. Es ist durchaus vorstellbar, dass Justinian in Anbetracht der Lage al-Mundhir mit einem Akt diplomatischer Manipulation (Bestechung durch einen Gesandten unter dem Vorwand des Schiedsspruches) auf seine Seite bringen wollte, denn dieser verfügte über eine Stellung, die das prinzipiell zuließ. Al-Mundhir war mit seinen Verbänden für Justinian von ähnlichem Interesse, wie es Lazien und Iberien waren. Er konnte ein Akteur sein, der die Waage des Mächtegleichgewichts – wenn auch nicht sofort – zugunsten Roms hätte kippen können. Auch Chosrau könnte gefürchtet haben, dass dergleichen passieren konnte und ein umgekehrtes Interesse an al-Harith und den Seinen wurde ihm zumindest von manchen unterstellt, wenn Prokop die Meinung wiedergibt, bei der Schlacht von Callinicum habe al-Harith vielleicht Verrat zugunsten des Sasanidenreiches begangen. Der Einsatz der Hunnen als Akteure in diesem Zusammenhang fügt sich in das Bild. Auch sie ließen sich zur Unterstützung hinzuziehen, wenn man nicht selbst offen eingreifen wollte. Prokop will dies alles in den Bella hinsichtlich des Wahrheitsgehaltes nicht beurteilen,292 zeigt aber wiederum ein großes Verständnis für die zugrundeliegenden Mechanismen. Es liegt im Übrigen sogar der Fall vor, dass sarazenische und südkaukasische Akteure direkt verbunden sind, denn die aufständischen Armenier, die gegen das Imperium kämpfen und zu Chosrau wechseln, verstärken die 289 Prok. Bell. 2,1,11. 290 Vgl. Liebeschuetz 2006, 141; Börm 2006, 300f. Bezüglich Handelsströmen Kawar 1956, 186f. 291 Prokop lässt diese von al-Mundhir bei seinen Einfällen gewonnene reiche Beute in Form von Gut und Sklaven Justinian in seiner Mahnung an Chosrau vor dem Kriegsausbruch thematisieren, Prok. Bell. 2,4,20f. 292 Dagegen deutlich in HA 11,12. Zum generell guten Informationsstand, auch hinsichtlich der Chronologie Prokops bezüglich seiner Angaben zu al-Harith und den Seinen sowie Prokops Überblicksfähigkeit Kawar 1957, 80f., 85.
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Erosion des römisch-persischen Verhältnisses ebenso wie der Strata-Disput der Sarazenen. Goten und Hunnen kommen als Akteure außerhalb der Kontaktzonen hinzu, so dass Prokop einen Großteil der bekannten Welt an der Zerrüttung des Ewigen Friedens mitwirken lässt. Das Verhältnis der Großmächte beeinflusst die Welt, wird aber auch von ihr beeinflusst. Ein wesentliches abschließendes Detail, das ein Bewusstsein nicht nur Prokops für die Bedeutung des Strata-Disputes aufzeigt, ist die Erwähnung des Summos und Strategios und des Umstandes, dass Summos laut Anschuldigungen Chosraus sogar persönlich bei al-Mundhir gewesen sei – wenn auch, um ihn laut Chosrau zu bestechen. Wenn Justinian des Strata-Disputes wegen (und sei es auch nur als Vorwand) einen Gesandten persönlich zu al-Mundhir geschickt hat, so belegt es im Fall der Ehrlichkeit des Anliegens die Bedeutung, die dem Disput zugemessen wurde, im Fall des Vorwandes aber immerhin, dass dergleichen als glaubwürdiger Grund für die Entsendung eines Gesandten erschienen sein muss. In jedem Fall demonstriert es die der Angelegenheit zugemessene Bedeutung. In den Anekdota schlägt Prokops Urteil – naheliegend – eindeutig in Richtung der Absicht Justinians, al-Mundhir auf seine Seite zu ziehen, um. Später wird durch Menander Protektor zu erfahren sein, dass es zumindest römische Zahlungen an al-Mundhir in anderen Zusammenhängen gab, was die Plausibilität des Vorwurfs erhöht.293 Al-Harith bleibt in der folgenden Darstellung Prokops zunächst seinen einmal festgestellten Charaktereigenschaften treu und handelt nur zum eigenen Vorteil, was sich mittelbar als eines mehrerer Elemente herausstellt, die Belisars Feldzug des Jahres 541 sabotieren. So wird er mit seinen Truppen über den Tigris geschickt, um zu plündern und für die Masse des römischen Heeres Aufklärung über die militärischen Bewegungen der Perser in dieser Gegend zu betreiben. Dies geschieht.294 Al-Harith aber fürchtete, die Römer möchten ihm seine Beute abnehmen, und wollte deshalb nicht mehr ins Lager zurückkehren. Er schickte also einige seiner Gefolgsleute zum Schein auf Erkundung aus und gab ihnen den heimlichen Befehl, möglichst rasch mit der Meldung zurückzukehren, dass ein starkes feindliches Heer am Flussübergang stehe. Daraufhin empfahl er Traianos und Johannes [zwei Doryphoren des Belisar, die zur Unterstützung des alHarith abgestellt wurden und Hypaspisten kommandieren], auf einem anderen Weg ins römische Gebiet heimzuziehen.295
293 Men. Prot. frg. 6,1,288–303. Dazu mehr weiter unten in diesem Kapitel. Zu der Schuld Justinians Prok. HA 11,12. 294 Prok. Bell. 2,19,12f. u. 15–18. 295 Prok. Bell. 2,19,26–28 (Übers. nach Veh): Ἀρέθας δὲ, δείσας µὴ τὴν λείαν πρὸς Ῥωµαίων ἀφαιρεθείη, οὐκέτι ἀναστρέφειν ἐς τὸ στρατόπεδον ἤθελε. πέµψας οὖν τῶν οἱ ἑποµένων τινὰς ἐπὶ κατασκοπῇ δῆθεν τῷ λόγῳ ἐκέλευε λάθρα ὡς τάχιστα ἐπανήκοντας σηµῆναι σφίσιν, ὅτι δὴ πολύς τις πολεµίων στρατὸς ἀµφὶ τοῦ ποταµοῦ τὴν διάβασιν εἴη. διὸ δὴ Τραϊανῷ τε καὶ Ἰωάννῃ παρῄνει ἑτέρᾳ ἰοῦσιν ὁδῷ ἐπανήκειν ἐς Ῥωµαίων τὴν γῆν.
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Sie folgen dem, treffen aber somit auch nicht auf Belisar. Belisar hört daher nichts mehr von den vorgeschickten Truppen, was dazu beiträgt, dass der Feldzug beendet wird.296 Nicht zuletzt verstreicht so die heilige Zeit der Sarazenen (des alMundhir),297 in der diese keine Kampfhandlungen vornehmen und Truppen müssen zum Schutz vor diesem bereitgehalten werden.298 Somit hat al-Harith, will man Prokop glauben, nicht nur einen römischen Feldzug zumindest teilweise scheitern lassen, sondern die Lage gegenüber dem Feind, gegen den er eigentlich berufen wurde, verschlimmert. Die Pointe der Episode ist typisch für die sarazenischen (und südkaukasischen) Akteure, da es über Belisar heißt: Gleich nach seiner Ankunft auf römischem Boden erfuhr er von all dem, was al-Harith getan hatte, doch konnte er ihn nicht zur Rechenschaft ziehen, da sich dieser nicht mehr bei ihm sehen ließ. So endete der Vorstoß der Römer.299
Al-Harith nutzte somit seine Fähigkeit, nicht greifbar zu sein, wenn er nicht greifbar sein wollte. Die Unabhängigkeit der sarazenischen Akteure wird im Folgenden noch stärker deutlich, da Prokop erwähnt, dass die Verbände al-Hariths mit denen alMundhirs Krieg führten, ohne dass die Großmächte involviert gewesen wären.300 Die Nichteinmischung der Großmächte dürfte dem Umstand geschuldet sein, dass sie 545 gerade erst einen fünfjährigen Waffenstillstand geschlossen hatten.301 Diese Stelle bezeugt daneben einen gewissen Ansehensgewinn des al-Harith bei Prokop, da er den Umstand, dass al-Mundhir in diesem Konflikt einen der Söhne des al-Harith gefangen nahm und opferte, als Zeugnis dafür sieht, dass alHarith die Römer doch nicht verraten hatte. Er siegt dann über al-Mundhir in einer Schlacht.302 Ob Prokops Einschätzung korrekt ist, lässt sich nicht sagen. Es ist auch denkbar, dass die Feindschaft al-Hariths und al-Mundhirs nichts mit dem Verhältnis der beiden zu den Großmächten zu tun hatte und entsprechend die Taten al-Mundhirs kein Zeugnis dafür sein können, dass al-Harith perserfeindlich gesinnt war. Diese Scheidung von persönlichen Animositäten und Loyalitäten gegenüber den Großmächten ist Teil der Freiheit der Sarazenenanführer durch ihre besondere Stellung. Außer persönlichen Kriegsgründen kommt auch der naheliegende Umstand hinzu, dass sie durch den Waffenstillstand vorerst zur militärischen Untätigkeit gezwungen waren, was nahelegt, dass sie wieder Plünderungszüge unternahmen und nun um die entsprechenden Gebiete stritten, die ein jeder für sich beanspruchen konnte. 296 297 298 299
Prok. Bell. 2,19,29–36. Prok. Bell. 2,16,18. Prok. Bell. 2,19,33f. Prok. Bell. 2,19,46 (Übers. nach Veh): ἐπειδή τε τάχιστα ἐν γῇ τῇ Ῥωµαίων ἐγένοντο, ἅπαντα µὲν τὰ τῷ Ἀρέθα εἰργασµένα ἔγνω, δίκην µέντοι λαβεῖν οὐδεµίαν παρ᾿ αὐτοῦ ἴσχυσεν, ἐπεί οἱ ἐς ὄψιν οὐκέτι ἦλθεν. ἡ µὲν οὖν Ῥωµαίων ἐσβολὴ ἐς τοῦτο ἐτελεύτα. 300 Prok. Bell. 2,28,12–14. 301 Prok. Bell. 2,28,6–11; Schippmann 1990, 56f. 302 Prok. Bell. 2,28,13.
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Nach der Auseinandersetzung spielt sie aber trotz der Nichteinmischung der Großmächte wieder in deren Verhältnis hinein, da der persische Gesandte Isdigusnas in Konstantinopel die Römer beschuldigt, den Waffenstillstand gebrochen zu haben, da al-Harith al-Mundhir geschadet habe.303 Im Vertrag von 561, der grundlegende Konfliktursachen und Differenzen zwischen den Großmächten beseitigen sollte, finden sich die Sarazenen an prominenter Stelle. Im zweiten Artikel des Vertrages wird klargestellt, dass die sarazenischen Verbündeten der beiden Großmächte sich ebenfalls an die Bestimmungen des Vertrages zu halten haben und jene der Perser nicht die der Römer, jene der Römer nicht die der Perser angreifen sollen.304 Explizit werden im fünften Artikel auch sarazenische Händler eingeschlossen, als es um die Festlegung der Grenzhandelsstationen Nisibis und Dara geht.305 Damit zeigt sich das Bewusstsein beider Seiten für die problematische Stellung der Sarezenen, die geeignet war, auf das Verhältnis der Großmächte einzuwirken. Sie sollten also künftig auch nicht mehr als verschieden bewertbares Argument in Fragen des Vertragsbruches einsetzbar sein, sondern sich in einer im Hinblick auf die Regelungen des römischpersischen Vertrages klar bestimmten Position befinden. Wenn Sarazenen der einen Seite gegen die der anderen kämpfen, liegt ein Vertragsbruch vor. Impliziert wird also, dass beide Großmächte dafür zu sorgen haben, dass die ihnen unterstellten Sarazenen keinen Krieg gegeneinander führen. Wenn die Sarazenen sich im Streit befinden, dürfte Artikel 7 zu dessen friedlicher Beilegung an der Grenze greifen.306 Die Großmächte dürfen laut Artikel 9 offensichtlich auch nicht selbst Krieg gegen die der anderen Seite unterstellten Sarazenen führen.307 Aus all diesen Bestimmungen spricht der Wille der Großmächte, die Sarazenen als Variable innerhalb ihres Verhältnisses möglichst herauszuhalten. Es ist ihr Lernen aus den Problemen der vergangenen Jahrzehnte zu bemerken.308 Im Rahmen der von Menander geschilderten Präliminarverhandlungen zum Frieden von 561 ist ansonsten ein Detail zu erfahren, dass sich sehr gut in das bisher Geschilderte fügt und einen anderen Blick auf den Vorwurf Chosraus ermöglicht, Justinian habe al-Mundhir bestechen wollen. Menander lässt den persischen Vertreter sagen, man solle Ambrus, dem Sohn des verstorbenen al-Mundhir, von römischer Seite hundert Litren Gold zukommen lassen, wie dies bereits bei seinem Vorgänger der Fall gewesen sei. Daraufhin erwidert der römische Vertreter Petros, dass diese römischen Geschenke bisher freiwillig und unregelmäßig nach Gutdünken des Kaisers erfolgt seien. Umgekehrt habe der Sarazene den Kaiser 303 304 305 306 307 308
Prok. Bell. 8,11,10. Men. Prot. frg. 6,1,320–322. Fisher 2020, 143f. Men. Prot. frg. 6,1,332–336. Men. Prot. frg. 6,1,347–354. Men. Prot. frg. 6,1,358–361. Funke 1996, 233; Edwell 2015, 251; vgl. Isaac 1992, 244; Greatrex 1998, 30; Fisher 2011a, 119, Elton 2014, 244f. Zu den Sarazenen im Frieden von 561 siehe generell die Arbeit Kawar 1956.
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über Gesandte beschenkt, im Gegenzug dann wieder der Kaiser. Wenn Ambrus dieser Modus recht sei, solle auch er – sofern der Kaiser es denn wolle – Geschenke erhalten. Wenn Ambrus damit nicht einverstanden sei, werde er ein unnützes Problem schaffen und gar nichts erhalten.309 Im Gespräch zwischen Petros und Chosrau kommt dies noch einmal zur Sprache, da Ambrus sich beschwert habe, für ihn seien im Vertrag keine Vorteile erhandelt worden. Petros wiederholt nur die römische Position, fügt aber ein wesentliches Detail hinzu: Die Zahlung an al-Mundhir sei mit der Vereinbarung einhergegangen, dass dieser im Fall eines Krieges zwischen Rom und dem Sasanidenreich nicht auf der Seite des letzteren eingreifen sollte, sondern neutral bleiben. Dem sei auch eine Weile so gewesen. Eine Änderung der Situation ergibt sich für Ambrus nicht.310 Nach dem Vertrag wird die Situation unter Kaiser Justin II. wieder zu Differenzen zwischen den Großmächten führen.311 Fragt man sich, warum Justinian einen Gegner vom Gewicht des al-Mundhir beschenkte, obwohl dieser nicht konsequent im gewünschten Sinne reagierte,312 so wirft Prokop Justinian in den Anekdota ein derartiges Verhalten als Geldverschwendung an Barbaren vor.313 Die Hoffnung auf eine Besserung der Situation war für Justinian wohl stärker als die Enttäuschung über al-Mundhirs Handeln.314 Dies bezeugt in jedem Fall – wie bei den südkaukasischen Gemeinwesen – die Bereitschaft eines Herrschers, auch auf die der anderen Seite unterstellten Akteure zu seinen Gunsten Einfluss zu nehmen oder dies zumindest zu versuchen, wie auch den grundlegenden Charakter der Vereinbarung von 561, da es bei Menander über Petros heißt: Deswegen versicherte er, dass, selbst wenn ihr gegen uns Krieg beginnen solltet, Alamundarosʼ Schwert zugunsten des römischen Staates untätig und tatenlos bleiben wird. Das ist nun eine gewisse Zeit lang so geblieben; jetzt aber hat dein Bruder und mein Herr sich folgendes sehr vernünftig, wie ich glaube, überlegt und gesagt, König: „Wenn die Staaten den Frieden sicher einhalten, was wird es dann mir zukünftig nützen, mit Untertanen und Sklaven der Perser zu sprechen, damit sie die Angelegenheiten der Besitzer vernachlässigen oder etwas ihnen zu geben bzw. von ihnen zu bekommen?“315
309 Men. Prot. frg. 6,1,288–303. 310 Men. Prot. frg. 6,1,515–544; Rothstein 1899, 97f.; Edwell 2015, 252f. 311 Men. Prot. frg. 9,1,29–93. Ambrus schickt sogar eine Gesandtschaft nach Konstantinopel, ebd. 9,3,40–115, was Verstimmungen zwischen dem Kaiser und den gleichzeitigen persischen Gesandten nach sich zieht. Zum Komplex um Ambrus siehe auch Edwell 2015, 251– 253; vgl. Blau 1869, 559f. 312 Rothstein 1899, 98: „Nirgend finden wir Munḏir im römischen Interesse handelnd.“ 313 Prok. HA 19,13–18. 314 Vgl. Pigulevskaja 1960, 462f. 315 Men. Prot. frg. 6,1,532–541 (Übers. nach Stein): τοιγαροῦν διεβεβαιοῦτο ὡς εἰ καὶ ὑµεις πόλεµον κινήσοιτε καθ᾿ἡµῶν, Ἀλαµουνδάρῳ γε ἄπρακτός τε καὶ ἀνενέργητος ἔσται ἡ µάχαιρα τῆς Ῥωµαίων ἕκατι πολιτείας. ταῦτα µὲν οὖν ἐπί τινα διέµεινε χρόνον· νῦν δὲ ὁ σὸς µὲν ἀδελφός, δεσπότης δὲ ἐµος, ἔθετο ἐν νῷ ἐµφρονέστατα, οἶµαι, ὦ βασιλεῦ, ἔφη τε ὡς, εἰ βεβαίως ἔχει τὰ πολιτεύµατα τὴν εἰρήνην, τί δήποτε ἄρα λυσιτελήσει µοι τοῦ λοιποῦ
19.6 Lage der Sarazenen
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Wenn die besondere Stellung der Sarazenen bei den Autoren des 6. Jahrhunderts am deutlichsten sein mag, so zeigt sie sich doch nicht nur bei diesen. Schon Priskos stand (wohl in seiner diplomatischen Funktion) auch mit Sarazenen in Kontakt, so habe er gemeinsam mit Maximinos bei Damaskus den magister militum per Orientem Ardabourios in Friedensverhandlungen mit Sarazenen angetroffen, gegen die dieser gekämpft hatte.316 Passend zur bereits im 5. Jahrhundert in der Form der etablierten Strukturen vorhandenen besonderen Lage zwischen den beiden Reichen, berichtet bereits Malchus, da er auf den Sarazenenanführer Amorkesos eingeht, der späteren Zeit Vergleichbares.317 Bereits zur Zeit Theodosiusʼ II. sei festgelegt worden, dass die beiden Großmächte keine sarazenischen Verbündeten der jeweils anderen Seite aufnehmen sollten, wenn diese aufbegehren würden.318 Während der Regierung Kaiser Leos habe es unter den Persern einen gewissen Amorkesos vom Stamm des Nomalios gegeben, der, sei es, weil er keine Ehre in Persien bekam oder aus einem anderen Grund, das Imperium für besser hielt, Persien verließ und zu den an Persien grenzenden Teilen Arabiens gegangen sei. Von dort aus unternahm er Angriffe, nicht auf Römer, sondern auf Sarazenen, auf die er traf. Aus denen baut er seine Streitmacht auf und rückte langsam vor. Er nimmt die den Römern gehörende Insel Iotabe, wirft die römischen Steuereinnehmer heraus und sammelt beachtlichen Reichtum durch Steuereinnahmen. Als er weitere Dörfer in der Nähe eingenommen hat, will er ein Verbündeter der Römer und Phylarch der Sarazenen unter römischer Herrschaft an den Grenzen von Arabia Petraea werden. Darum schickt er Petros, den Bischof seines Stammes, zu Kaiser Leo, um zu sehen, ob er Leo überzeugen kann, die Dinge so festzulegen. Als Petros ankommt und mit dem Kaiser spricht, akzeptiert Leo die Vorschläge und bittet Amorkesos sofort zu sich. Die Absicht Leos aber war nach Meinung des Malchus sehr unklug. Wenn er ihn zum Phylarchen machen wollte, hätte er ihn in der Ferne halten müssen, während Amorkesos die römische Macht fürchtete, so dass er immer unterwürfig zu den römischen Offiziellen käme und die kaiserlichen Nachrichten beachtete. Dann ὑπηκόοις τε καὶ δούλοις προσφθέγγεσθαι Περσῶν, ὡς ἂν καταπρόοιντο τῶν κεκτηµένων τὰ πράγµατα, ἤγουν πορίζειν τι αὐτοῖς ἢ πορίζεσθαι παρὰ σφῶν; 316 Prisk. frg. 19 u. 26. PLRE II, Maximinus 11, S. 743; Ardabur iunior 1, S. 135–137. Will man der Vita des Daniel Stylites glauben, war Ardabourios zugleich ein Verräter, da er die Perser zu einem Angriff auf das Imperium habe bewegen wollen, wodurch er später seine Stellung verlor. Vit. Dan. Styl. 55. 317 Malchus, frg. 1; PLRE II, Amorcesus, S. 73; Devreesse 1942, 269f.; Smith 1954, 444; Vasiliev 1956, 313; Engelhardt 1974, 98f.; Liebeschuetz 1977, 496; Sartre 1982, 154f.; Mayerson 1986, 36; Parker 1986, 150; Blockley 1992, 78; Casey 1996, 221; Greatrex 1998, 28; Greatrex/Lieu 2002, 47; Fisher 2004, 52; Haarer 2006, 42f.; Millar 2010, 206; Fisher 2011a, 79; Elton 2014, 241f.; Nechaeva 2014, 78, Anm. 52, 186f.; Edwell 2015, 214; Lewin 2015, 168; Macdonald 2015, 85–87; Fisher 2017, 178f. Siehe auch die dieser Person gewidmete Arbeit Letsios 1989 und ausführlich Shahîd 1989, 59–113. 318 Letsios 1989, 526f. Hinsichtlich der Datierung ließe sich an ein Abkommen 421/22 denken, ebd. 527.
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hätte er geglaubt, der Kaiser sei viel größer als der Rest der Menschheit. Aber wie es nun war, führte man ihn durch Städte, in denen er sehen konnte, dass sie voller Luxus seien und unvorbereitet für einen Krieg. In Byzanz empfängt ihn der Kaiser (wohl im Jahr 472) rasch persönlich, lässt ihn an seiner Tafel speisen und eine Senatssitzung ansehen. Die größte Beleidigung der Römer aber hätte laut Malchus darin bestanden, dass der Kaiser, unter der Vorgabe, dass Amorkesos überzeugt werden sollte, ein Christ zu werden, ihm einen Sitz unter den höchstrangigen Patriziern gab.319 Schließlich entlässt Leo ihn, wobei er von ihm als persönliches Geschenk eine sehr wertvolle Ikone aus Gold mit Edelsteinen bekommen habe. Im Gegenzug erhielt er ein Geldgeschenk aus öffentlichen Mitteln und Leo wies alle Senatoren an, Geld zu geben. Der Kaiser ließ Amorkesos nicht nur in der festen Kontrolle der Insel, sondern gab noch viele Dörfer dazu. Indem er Amorkesos dies alles gab und ihn zum Phylarchen machte, schickte Leo einen stolzen Mann weg und einen, der nicht für den Vorteil derer arbeiten würde, die ihn empfangen hatten – so Malchus. Die Grundprinzipien lassen sich auch hier erkennen: Ein arabischer Akteur verfügt über die aus seiner Lebensweise und militärischen Kapazität resultierende Freiheit des Seitenwechsels und nutzt sie. Kaiser Leo ist sich dieser Stellung bewusst und hofiert ihn deshalb, obwohl er auch im Imperium negativ aufgefallen ist. Seine Eroberung wird legitimiert und Amorkesos möglichst in die römische Verteidigung eingebunden. Malchusʼ Mutmaßung, dass er aus Ehrengründen aus dem Sasanidenreich ins Imperium gewechselt haben könnte, ist bemerkenswert, da sie zu den über die südkaukasischen Akteure bekannten Umständen passt und die sarazenischen Aristokraten sich in einer ähnlichen Situation wie die südkaukasischen befanden. Dazu passt auch, dass Amorkesos zunächst Sarazenen auf römischer Seite um sich schart. Sein Wertesystem ist mit dem ihren kompatibel und er schafft sich eine Machtbasis unter diesen ihm nahestehenden Sarazenen, die kulturell nicht durch eine Grenze von den Seinen getrennt sind. Ein deutliches Zeichen für die Vorteile, die man sich von sarazenischen Verbündeten versprach, ist der Umstand, dass ein Krimineller den Kaiser um Legitimation seiner Stellung bitten kann – was sich andernfalls Erpressung nennen würde – und dem nicht nur stattgegeben wird, sondern der auch noch zu großen Ehren kommt. Die Bedeutung des Christentums für die Anbindung an die religiös-moralisch-kulturelle Welt des Imperium wird zudem einmal mehr deutlich, wie dies in Form der Patriziererhebung für die politische Welt geschieht. Malchus erkennt, dass dies alles Amorkesos nicht beschränken, sondern nur noch mehr in seiner hervorgehobenen Stellung bestärkt haben dürfte.320 Hier geschieht im Kleinen, was später mit al-Harith im Großen geschehen sollte.321 319 Vgl. Whitby 1992, 302. 320 Vgl. prinzipiell Mayerson 1986, 44. 321 Vgl. zu dieser Parallele Liebeschuetz 2006, 136; Fisher 2011a, 79.
19.6 Lage der Sarazenen
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Die Festlegung aus der Zeit des Theodosius, dass Sarazenen nicht aufgenommen werden sollten, ist einleuchtend, wie sie es im Jahr 561 wieder sein wird.322 Man versuchte dies aber zu umgehen, sofern man sich Vorteile davon versprach. Das Problem war den Seiten bewusst, wenn es auch noch keine so akuten und schwerwiegenden Folgen mit sich brachte, wie es im 6. Jahrhundert der Fall sein sollte. Daneben ist der Einsatz eines Bischofs als Gesandten ein interessantes Detail, das sich in die Mechanismen derartiger Akteure zwischen den Großmächten einfügt.323 Wenn es generell um die Frage nach den Beweggründen der sarazenischen Akteure geht, so ist an ihre Ähnlichkeit zu den südkaukasischen zu denken, wobei Beute im Vordergrund stehen dürfte. Die römische Öffentlichkeit war sich offensichtlich der besonderen Stellung der Sarazenen und ihren Machtmöglichkeiten bewusst, so dass spätantike Quellen generell ein düsteres Bild von ihnen zeichnen:324 Laut Ammianus Marcellinus sollten sich die Römer die Sarazenen weder als Freunde noch als Feinde wünschen, wie Raubgeier müssten sie nur ihre Beute erspähen, um sie schnell zu fassen und im Erfolgsfall schnell wieder zu verschwinden.325 Laut Zosimos seien sie ein minderes Volk,326 Evagrius Scholastikos erwähnt, dass sie der Geschwindigkeit ihrer Pferde wegen nicht erreichbar seien, auch ließen sie sich beim Rückzug nicht fangen.327 Menander schildert, wie die mit den Persern verbündeten gierigen Sarazenen negativ reagierten, da die angestammten römischen Zahlungen unter Justin nicht mehr erfolgten und den Perserkönig drängten, die Römer zu ermahnen.328 Am Ende führt das nicht nur zu Verstimmungen zwischen Römern und Persern, sondern Ambrus entscheidet sich, seinen Bruder gegen den römischen Anführer der Sarazenen, inzwischen nicht mehr al-Harith, sondern ein Nachfolger namens alMundhir, zu entsenden.329
322 Pigulevskaja 1960, 460f.; Elton 2014, 244f. Letsios 1989, 526f., 529f., sieht dabei auch wirtschaftliche Interessen. Iotabe sei wichtig für die Kontrolle der logistischen Verbindung des Mittelmeeres mit dem Roten Meer gewesen; siehe auch Haarer 2006, 43, 47; vgl. dagegen Elton 2014, 246. 323 Macdonald 2015, 87; vgl. Letsios 1989, 529. 324 Turtledove 1983, 294, Anm. 18; Mayerson 1989, 72; Greatrex 1998, 26; Fisher 2011a, 1f.; Whittow 2015, 14, 22; vgl. Christides 1970, 5f., 11–13. Zu seltenen Ausnahmen ebd. 12, Anm. 2. 325 Amm. Marc. 14,4,1; Parker 1987a, 795. 326 Zos. hist. 1,18,3. 327 Evagr. hist. eccl. 5,20; Mayerson 1989, 76. 328 Men. Prot. frg. 9,1,29–47. 329 Men. Prot. frg. 9,3,40–123. Die Verwechslung der auf allen Seiten immer wieder gleichnamigen Akteure hat lange Tradition in der Forschung und für manche Unklarheit gesorgt, Smith 1954, 446; vgl. Elton 2014, 246.
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Es ist denkbar, dass die Sarazenen eigene Loyalitätsbegriffe hatten, wie sie ähnlich im Südkaukasusraum in Erscheinung traten.330 19.7 LAGE DER AXUMITEN UND HIMYARITEN Trotz der teils ungünstigen Quellenlage zeichnen sich deutliche Ähnlichkeiten in der Stellung der südkaukasischen Gemeinwesen einerseits und der sarazenischen Verbände andererseits ab. Eine dritte umstrittene Zone zwischen den Großmächten, Äthiopien und Südarabien, ist quellenmäßig noch schwerer zu fassen und allein schon ereignisgeschichtlich schwer zu rekonstruieren, aber gewisse Details verweisen auch hier auf eine zumindest ansatzweise ähnliche Lage.331 Die Unterschiede zu den anderen beiden Regionen sind dahingehend deutlich, dass die ostafrikanisch-südarabischen Gegenden weder direkt an das Imperium noch das Sasanidenreich grenzten und dort zudem eine andere religiöse Gemengelage zwischen Christen, Paganen und Juden vorlag, wie generell der Charakter der Grenzregion nicht das allesentscheidende Kriterium für das politische Dasein der dortigen Gemeinwesen gewesen sein dürfte. Wiederum ist es Prokop, der in einem Exkurs einen Einblick in Justinians dahingehende Ambitionen in den 520iger Jahren bietet, wobei es weniger auf die ereignisgeschichtliche Exaktheit seines Berichtes ankommt332 als vielmehr die Motive, die er den Handelnden unterstellt: Als der Axumitenkönig Hellestheaios333 von der schwierigen Lage der Christen im heidnisch und jüdisch domi330 Mayerson 1989, 76: „Loyalty and military discipline were another matter. In those things tribal mores and not western standards guided the Saracens.“ Ausführlicher Christides 1970, 11f., über entsprechendes Ethos. Bei Shepard 1985, 268, wird die Schuld an Missverständnissen auch ein Stück weit der römischen Seite gegeben: „They never seem to have realized the connexion between the loose-knit nature of nomadic society and the nomadsʼ chronic inability to keep their agreements.“ 331 Hinsichtlich solcher Zusammenhänge lässt sich auch an die in der Arbeit Ziche 2012 unter Berufung auf Immanuel Wallerstein postulierte Idee denken, dass Imperium und Sasanidenreich bei allen Interessenkonflikten doch Teil eines gemeinsamen sozioökonomischen Rahmens, eines Weltsystems waren. Dahingehend werden auch Interferenzen von Zentrum und Peripherie angenommen. Siehe dazu S. 53, Anm. 29 der vorliegenden Arbeit. Vgl. vor eurasischem Hintergrund die Arbeit Kim 2013. 332 Für eine ereignisgeschichtliche Rekonstruktion siehe Greatrex 1998, 224–239. 333 PLRE II, Elesboas, S. 388. Es werden im Folgenden die gräzisierten Namen gemäß Prokops Angaben gebraucht. Der Vorgang stellt sich, mit den sonst üblichen Eigennamen, so dar: Der aksumitische Negus Ella Aṣbeḥa (= Elesbaas = Hellestheaios) erobert 525 Himyar, besiegt den (jüdischen) König Yūsuf Asʼar Yathʼar (ḏū Nuwās in der arabischen Überlieferung) und setzt den Marionettenherrscher Sumyafa‘ Ashwa‘ (= Esimiphaios; PLRE IIIA, Esimiphaeus, S. 451f.) ein, der zwischen 531 und 547 von Abraha (= Abramos bei Prokop; in der arabischen Überlieferung mit dem Beinamen al-Ašram; siehe auch Fisher 2020, 140f.) ersetzt wird. Vgl. besonders Gajda 2009, 82–120. Der Verfasser der vorliegenden Arbeit dankt Herrn Udo Hartmann für entsprechende Hinweise.
19.7 Lage der Axumiten und Himyariten
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nierten Homeritenland (oder Himyaritenland) erfährt, veranlasst er einen Feldzug gegen sie. Er tötet den feindlichen König und setzt den Christen Esimiphaios ein. Es soll jährlich eine Abgabe an die Axumiten abgeführt werden. Teile des axumitischen Heeres wollen nach der Expedition das fruchtbare Land nicht mehr verlassen, erheben sich mit anderen gegen den neuen König und setzen an seiner statt Abramos ein, den christlichen Sklaven eines Römers (laut Prokop). Hellestheaios entsendet ein Heer, doch dieses wechselt der Attraktivität des himyaritischen Landes wegen die Seiten. Ein zweites Heer des Axumitenkönigs wird besiegt. Himyar leistet zu den Lebzeiten des Hellestheaios diesem keine Abgaben mehr.334 Justinian griff nun im Laufe dieser Geschehnisse ein. Als noch Esimiphaios herrschte, schickte der Kaiser den Gesandten Julianos, der von den beiden Königen verlangte, dass sie des gleichen Glaubens wegen den Römern im Krieg gegen die Perser beistehen sollten, in der Form, dass die Axumiten indische Seide kaufen und mit Profit an die Römer weitergeben, damit diese nicht mehr die Perser dafür bezahlen und somit ihre Feinde finanzieren müssten.335 Die Himyariten sollen den aus privaten Gründen mit Esimiphaios verfeindeten Kaisos zum Phylarchen der maddenischen Sarazenen machen, damit dieser mit solchen Sarazenen und Himyariten ins Sasanidenreich einfallen könne. Beides versprechen die Könige, halten sich aber nicht daran. Die Axumiten konnten keine Seide von den Indern kaufen, denn Perser kauften die Waren der indischen Kaufleute in den persischen Häfen, bevor die Inder im Verlauf ihrer Reise bei den Axumiten ankamen.336 Den Himyariten schienen die Distanz zum Sasanidenreich, noch dazu durch die Wüste, zu groß und sie selbst zu schwach für ein solches Unternehmen. Der spätere König Abramos habe Justinian ebenfalls einen Perserzug versprochen, aber kurz nach dem Anfang des Vorhabens wieder kehrt gemacht.337 Es zeigt sich, dass – den Südkaukasiern und Sarazenen vergleichbar – auch an den Axumiten und Himyariten ein Interesse des Imperiums (und des Sasanidenreiches, wie sich noch zweigen wird) bestand. Sie verfügten zudem nach Art der Südkaukasier und Araber über eine aus naturräumlichen Gegebenheiten – in ihrem Fall vor allem die schiere Entfernung zu den Großmächten, noch dazu durch unwegsames Gebiet – resultierende Freiheit, eigene Wege gehen zu können, ohne mit größeren Repressalien der Großmächte rechnen zu müssen. Es zeigt sich in ihrem Fall aber auch, dass sie im Gegensatz zu Südkaukasiern und Sarazenen zu einem militärischen Eingreifen zugunsten einer Großmacht durch eben jene Entfernung, die ihre Unabhängigkeit schuf, kaum in der Lage waren.338 Vor allem 334 Prok. Bell. 1,20,1–8. 335 PLRE IIIA, Iulianus 8, S. 731f. Zu diesem Gedanken auch Harmatta 1974, 98; Harmatta 2000, 249; Fisher 2020, 130f. 336 Manandian 1965, 75; Güterbock 1906, 72f.; Munro-Hay 1996, 411; Fisher 2020, 131; Jackson Bonner 2020, 211f. Smith 1954, 463, hält für denkbar, dass Axum gar kein Interesse an einem solchen Handel hatte. PLRE IIIA, Caisus (Qays), S. 259f. 337 Prok. Bell. 1,20,9–12. PLRE IIIA, Abraha, S. 4f. 338 Zu diesem Vorhaben Edwell 2015, 237.
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deshalb dürfte ihr Einsatz durch die Großmächte eine andere Form angenommen haben als jener der Südkaukasier und Sarazenen: Sie sollten nicht in erster Linie kämpfen, sondern wirtschaftliche Vorteile bewirken. Die persische Seite wusste offenbar das römische Vorhaben hinsichtlich des Seidenhandels durch eigene Aktivität zu verhindern.339 Damit nennt Prokop erstmals und anders als bei südkaukasischen Gemeinwesen und Sarazenen, wirtschaftliche Gründe als direktes movens kaiserlicher Politik mit fremden Akteuren. In Anbetracht der Seltenheit derartiger Erwähnungen in der antiken Literatur ist dem besondere Aufmerksamkeit zu widmen, die der Stelle in der Forschung auch zuteil wurde.340 Es lässt sich mutmaßen, dass Justinian hier letztlich eine großangelegte Zangenbewegung bewirken wollte, die das Sasanidenreich im Norden und Süden zwischen römischen Einflusssphären – militärisch wie wirtschaftlich – einzwängen sollte, um zumindest ein persisches Ausgreifen zu verhindern. Dies entsprach auch dem in Kapitel 19.1 erwähnten geographischen Konzept der Zeit, laut dem der Kaukasus und Äthiopien/Ägypten in einem weiten Bogen verbunden wären.341 Das Schwarze 339 Vgl. Greatrex 1994, 249; Greatrex 1998, 234, 239; Howard-Johnston 2017, 295. Zu einer möglichen besonderen Motivation der persischen Seite Harmatta 2000, 249: „The eastern provinces of Iran were occupied by the Chionites about 350 and later, in 467, by the Hepthalites, thus the Sāsānians lost their control over the initial section of the ‚Silk Route‘. These events made it desirable even for the Persians to acquire silk in an increased measure from India by sea.“ 340 Smith 1954, 427 über Prokop „His account of the policy of Justinian in negotiations with Ethiopia and Ḥimyar is partial, and superficial, but correct as to intention.“ Schippmann 1990, 60, 90 zu den wirtschaftlichen Aspekten; Kawar 1956, 195; Verosta 1964, 517f.; Doe 1970, 57; Rubin 1989, 384; Greatrex 1994, 249; Wiesehöfer 1994a, 260; Bowersock 2012, 24; zu Golfhandel Sidebotham 1989, 487–492; Wiesehöfer 1994a, 260; Harmatta 2000, 249; Miri 2010, 107–110; Robin 2015, 149; Jackson Bonner 2020, 211; zu nautischen Aspekten des römischen Indienhandels Casson 1980; Allibert 1988. Generell Howard Johnston 2017, 290: „As for high-style writers, including historians, it is rare indeed to find any reference to trade or manufacture in works which were, after all, written for the delection and education of the governing elites. Such references are to be treasured and handled with the utmost care. For the implication of their being made is surely that the matter in question was of the utmost importance, and that it managed not only to attract the attention of government but also to make its way in the teeth of cultural disdain into a work of literature.“ Und ebd S. 290: „So I repeat: we should pay close attention to any substantive notices in late antique texts which deal with commerce and government commercial policy.“ (kursiviert im Original) Thukydides etwa erwähnt auch gelegentlich wirtschaftliche Interessen und Erwägungen, z. B. 1,13; 1,121; 1,139; 1,141f.: 4,61. 341 Fowden 1993, 103: „One might add that the emperors of the late fifth and early sixth centuries were no less aware that pursuit of diplomatic and military equilibrium with Iran presupposed a position of strength in both these regions.“ Eine Verbindung der Regionen findet sich auch mit anderem Fokus bei Blockley 1992, 139: „This preference for avoiding large-scale and potentially uncontrollable conflicts led to a tendency to limit fighting to certain areas, primarily Armenia and Arabia, away from the main Mesopotamian border. […] there appear to have been a number of proxy wars, which also served to impose a geographical limitation. In Armenia (and occasionally in Persarmenia after the division of the country) the Romans allowed or encouraged the Christian Armenians to fight the Persians; and the Hunnic attack
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Meer sollte den Persern vorenthalten bleiben, ebenso das Rote Meer. Somit ergaben sich keine Angriffspunkte für das Sasanidenreich, um seinen Einfluss im Norden oder Süden voranzuschieben, wohl aber Einfallspunkte für das Imperium, um den seinen einerseits im Kaukasus und den nördlichen „skythischen“ Länder sowie andererseits im Indischen Ozean und auf der arabischen Halbinsel auszudehnen. Nach Art eines Krebses wurde gemäß diesem Vorhaben eine Zange im Norden und eine im Süden angesetzt, um das Sasanidenreich darin festzuhalten. Es wäre denkbar, dass jener Ausdehnungswille Justinians in alle Richtungen, der in den Anekdota Prokops kritisiert wird,342 in Wahrheit nur Ausdruck eines solchen (letztlich wohl gescheiterten) Konzeptes war. Mit der Wiederbefestigung des Mittelmeeres als römischem mare nostrum wurde dem Imperium der Rücken für Aktionen im Osten gestärkt.343 In diesem Sinne ist die Anekdote des Kosmas Indikopleustes, laut der ein aus Adulis kommendes römisches Handelsschiff und ein aus Persien stammendes persisches Handelsschiff (auf dem sich auch ein Gesandter befindet) auf Sri Lanka (Taprobane) im Indischen Ozean landen und dort vor dem König in einen Wettstreit über die Größe ihrer Herrscher treten,344 wohl nicht historisch, aber doch ben trovato, ist es doch die Aufgabe einer Anekdote, einen komplexen Umstand durch eine einzelne menschliche Begebenheit anschaulich zu machen. Anhand der römischen Goldmünze, der die Perser nur eine silberne entgegenzusetzen haben,345 wird von Kosmas die angestrebte Rolle Roms im Handel im Indischen
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through the Caucasus mountains towards the end of Perozʼs reign, for which the Romans were alleged to have paid, can also be seen as a proxy action. To the south both sides alternated between controlling their Arab allies and permitting or encouraging them to attack either one another or even the major power. Even further south the wars between Axum and Himyar in the first half of the fourth century and again from the beginning of the sixth century, as well as the Jewish-Christian conflict which flared up in south Arabia in the latter period, were all to a degree proxy wars between the Romans and the Persians over an area that was strategically located to control the Red Sea trade.“ Vgl. unspezifischer Fisher 2020, 130: „Justinian may have imagined a broad swathe of territory under Roman influence, stretching from the deserts of Syria and Arabia, throughout the western part of the Arabian Peninsula, the Red Sea, and into South Arabia itself. Such a strong position, combined with Justinianʼs proactive strengthening of Roman defences throughout the Middle East, would represent a formidable counterweight to the Persians.“ Eine Verbindung des äthiopischen- und des Kaukasusraumes mit Grundlage in Fragen des Handels hat Schur 1923, 39, für die Orientpolitik Neros postuliert. Dagegen Heil 1997, 7f., 161f.; vgl. Schippmann 1980, 57. Vgl. Prok. HA 6,25; 9,13; 18,25. In diese Richtung ist vielleicht auch die ständig angeprangerte Geldverschwendung an Barbaren zu denken. Die militärische Zusammengehörigkeit des Grenzraumes zwischen Südkaukasus und Arabien wird militärisch besonders in den römischsasanidischen Kämpfen des 7. Jahrhunderts deutlich, vgl. Howard-Johnston 2021, 1f.. Vgl. Ahrweiler 1975, 19. Justinians „Restauration“ stärker unter dem Blickwinkel der Neuerung in der Arbeit Noethlichs 2000. Kosm. Ind. top. 11,12b; Brown 2018, 105. Daryaee 2009, 145, zum Hintergrund. Daryaee 2010a, 405. Dagegen zu (seltener) sasanidischer Goldprägung Börm 2007, 107.
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Ozean deutlich, die in Adulis ihren Ausgangspunkt hat. Das Rote Meer ist somit der Eingang Roms, um im Indischen Ozean und damit direkt vor den Küsten Persiens diesem wirtschaftliche Konkurrenz zu machen. Die römische Goldmünze ist stärker als der persische Gesandte. Es soll also mit Wirtschaft und Handel die römische Macht in Gebieten ausgebreitet werden, die bisher allein dem Sasanidenreich zugänglich waren. Da der Blick auf Axumiten und Himyariten in der Darstellung Prokops zeigt, dass ein Bewusstsein für wirtschaftliche Vorhaben im Zusammenhang mit dem Einsatz derartiger Akteure vorhanden war, fällt nun auch auf, dass solche Erwägungen ebenfalls im Bezug auf den Südkaukasusraum und die Sarazenen eine Rolle gespielt haben.346 So fragt man sich, warum Prokop ausgerechnet im Südkaukasusraum über die Misswirtschaft des Johannes Tzibos und die Errichtung des römischen Monopols in Petra berichtet, da seine andere größere Erwähnung wirtschaftlicher Zusammenhänge bei der Betrachtung der Axumiten und Himyariten vorliegt. Bei der lazischen Erwähnung zieht er aber keine Schlüsse über Justinians Ambitionen. Kann es sein, dass seine Quellen einen dahingehenden Fokus hatten? Da Prokop beide Gebiete nie persönlich gesehen haben dürfte,347 ist davon auszugehen, dass er sich der besten verfügbaren Quelle – Gesandtschaftsberichten oder aus diesen hervorgegangener Literatur – bediente.348 Warum sonst sollte er im Fall der Axumiten und Himyariten namentlich den Gesandten Julianos erwähnen, wenn er nicht eine Quelle kannte, in der dieser bedeutend war?349 Weiter unten wird gezeigt, dass Malalas wohl der Bericht eben dieses Julianos vorlag. Es ist gut vorstellbar, dass die Gesandten im Gegensatz zur Geschichtsschreibung sehr wohl Wert auf wirtschaftliche Fragen legten und wirtschaftliche Elemente zu den Dingen gehörten, die Gesandte beobachteten und über die sie Bericht erstatteten. Bezüglich der Sarazenen bietet zumindest der von Menander rekapitulierte 346 Vgl. Daryaee 2009, 140: „There seems to have been a steady exchange and commerce in late antiquity between the Sasanians and the Romans, but the Perso-Roman rivalry must have brought pressures on various trade routes. For example, Armenia was a scene of rivalry between the two sides which was also a market where trade and exchange took place. Procopius states that Persarmenia [...] was an important trading center for the Sasanians and the Romans to trade in Indian and Iberian products.“ Er betont bei ebd. 140, dass das Handelsvolumen in Mesopotamien gestiegen sein muss, wenn es im Kaukasus Konflikte gab; im 6. und 7. Jahrhundert verlagerte sich der Fokus entsprechend auf Arabien; vgl. Kawar 1956, 184–186; Parker 1986, 143; Daryaee 2003b, 1, 16; Daryaee 2010a, 408. Auch dahingehend waren die Schauplätze wohl miteinander verbunden, vgl. Frye 1972, 269; Kennet 2007, 88f. Winter 1989b, 562, betont die Bedeutung Armeniens als Transitland. Eine Verbindung des kaukasischen zum südarabischen Schauplatz in wirtschaftlichen Fragen zieht auch Haussig 1959, 138–142. Zu Wirtschaft und Handel Laziens siehe die Arbeit Braund 1991. 347 Zumindest die Möglichkeit der Autopsie wird dagegen bei Börm 2007, 210, erwähnt. 348 Zum südlichen Raum: Kawar 1960a, 63; vgl. Greatrex 1994, 271; Elton 2014, 245. Zur Qualität der Berichte Haussig 1959, 133. Prokop habe Angaben aus erster Hand genutzt, Pigulewskaja 1969, 184. 349 Zudem ist an den Bericht des Nonnosos zu denken, Kawar 1960a, 63; zu diesem auch Millar 2010, 208f.; Fisher 2020, 131. Zu den möglichen Quellen auch Greatrex 1998, 236–238.
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Friedensvertrag von 561 ein Indiz, da es explizit heißt, sarazenische Händler müssten sich ebenso wie alle anderen an die festgelegten Handelsposten von Nisibis und Daras halten.350 Es liegt nahe, dass ortskundige, mobile und bekanntlich schwer einzuholende oder anderweitig zu erreichende Sarazenen von den Großmächten genutzt wurden, um illegalen Warenverkehr – also Schmuggel – über das Gebiet der anderen Großmacht zu betreiben, dem sie wohl sowieso nachgingen.351 Wären die sarazenischen Händler nicht wichtig gewesen, hätte man sie nicht gesondert in jenem Friedensvertrag erwähnen müssen, der römisch-persische Konflikte und Konfliktpotentiale grundlegend ausräumen sollte. Die besondere Bedeutung der Himyariten für den römischen Handel erwähnt auch Malalas, bei dessen Schilderung der axumitisch-himyaritischen Verhältnisse – wohl der Zeit Zenons oder Anastasiosʼ352 – es heißt: Die Händler der Römer aber reisen über homeritisches Territorium nach Axum und in die weiter im Innern gelegenen Königreiche der Inder.353
350 Men. Prot. frg. 6.1,332–336. 351 Winter 1987, 69; vgl. Smith 1954, 426. Bei Pigulevskaja 1960, 462, wird vor allem an Waffenhandel gedacht. 352 Laut dem Kommentar zur Übersetzung Thurn/Meier des Malalas sind diese Ereignis nicht, wie Malalas es vornimmt, in die Zeit Justinians zu legen, da die Namen der Akteure nicht in diese passen. Vgl. Pigulewskaja 1969, 182. Es ließe sich denken, dass das an den Beginn der Herrschaft des Justin gesetzte Kriegsvorhaben des Axumitenkönigs, das Kosmas Indikopleustes erwähnt, identisch mit diesem ist, Kosm. Ind. top. 2,56. Im Übrigen ist das keineswegs die früheste römische Einflussnahme in axumitisch-himyaritischen Angelegenheiten: Laut Philostorg. hist. eccl. frg. 3,4; 3.4a hat bereits Kaiser Constantius Gesandte an die Himyariten gesandt, wobei es vor allem um die Verbreitung des Christentums gegangen sei. Der an der Gesandtschaft beteiligte Missionar Theophilos der Inder habe dann auch unter den Axumiten das Christentum verbreitet und sei vom Kaiser sehr geschätzt worden, vgl. ebd. frg. 3,5f.; 3,6a; Robin 2015, 130. Siehe dazu auch den Philostorgios-Komm. Bleckmann/Stein S. 189– 211, ebd. 192: „Wie aus den weiteren Angaben über die Gesandtschaft, insbesondere aus der Natur der Geschenke (Pferde aus Kappadokien), deutlich wird, hatte diese Gesandtschaft auch machtpolitische, also nicht-religiöse Zwecke, nämlich die Festigung des römischen Einflusses auf der arabischen Halbinsel gegen die Sasaniden und die Aufrechterhaltung von Verbindungen nach Indien, die das Sasanidenreich umgingen.“ Siehe auch ebd. 210f. Zu Theophilos siehe auch den Aufsatz Dihle 1989. Umgekehrt sei schon Ardaschir am Seehandel interessiert gewesen, Gropp 1991, 83. Zum Bedeutungsgewinn der Region Sidebotham 1996, 300: „Romeʼs altered political-economic-military fortunes in the third and subsequent centuries were reflected in the Red Sea-Indian Ocean region by a change in relations with the various states in that area. Increasingly South Arab, Levantine and Axumite middlemen replaced Roman subjects in the lucrative business with the east; concomitantly Roman diplomatic contacts centred on relations with South Arabia and Axum […] which were rising powers at the southern end of the Red Sea from the fourth century on.“ 353 Ioh. Mal. 18,15 (Übers. nach Thurn/Meier): οἱ δὲ πραγµατευταὶ Ῥωµαίων διὰ τῶν Ὁµηριτῶν εἰσέρχονται εἰς τὴν Αὐξούµην καὶ ἐπὶ τὰ ἐνδότερα βασίλεια τῶν Ἰνδῶν.
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Römische Händler, die vom Himyaritenkönig bestohlen und getötet werden, spielen in einem wohl in diese Zeit gehörenden Kriegsausbruch zwischen Axumiten und Himyariten eine wichtige Rolle.354 Die Existenz römischer Gesandtschaftsberichte über Axum bezeugt ebenfalls Malalas auf besondere Weise, da er eine Gesandtschaftsreise – wohl die von Prokop bekannte Reise des Julianos, wie Theophanes bezeugt355 – mit großer Detailfülle und sogar Wechsel in die erste Person schildert, also wortwörtlich Material des Gesandten verwendet.356 Zu diesem gehört auch – neben Einzelheiten des axumitischen Empfangszeremoniells – der Inhalt des Schreibens Justinians an den Axumitenkönig, da dieser zur Hilfe gegen das Sasanidenreich aufgefordert wird. Er solle sich gegen Kawadh, den Perserkönig, rüsten, das ihm angrenzende persische Territorium verheeren und künftighin keinen Handel mehr mit ihnen treiben; vielmehr solle er über das von ihm unterworfene Land der ameritischen Inder und über den Nilstrom nach Ägypten exportieren und seine Geschäfte in Alexandreia abwickeln.357
Dem sei der Herrscher samt der ihm untergebenen Sarazenen nachgekommen, auch habe er seinen Einfall Kawadh schriftlich angekündigt.358 Im Übrigen stellt auch Malalas in seiner eigenen Stimme einen Zusammenhang zwischen Justinians Politik gegenüber dem Sasanidenreich und den Axumiten her.359 Auch at-Tabari berichtet für das spätere 6. Jahrhundert in einiger Ausführlichkeit von Kriegszügen der Himyariten gegen Axum und römischer Hilfe für diese Seite, wie er auch umgekehrt von persischer Hilfe für die Himyariten über Vermittlung der Sarazenen von al-Hira berichtet.360 Im Rahmen seiner Ausführungen zur Christianisierung der „Inder“ erwähnt auch Pseudo-Dionysius von Tel-Mahre römische Handelswege in der Region, wobei die Ermordung römischer Händler durch den Himyaritenkönig eine wichtige Rolle spielt.361 Bei aller Schwierigkeit und Widersprüchlichkeit der Quellen wird doch sowohl die römische Ambition als auch der Umstand deutlich, dass die persische Seite diese nicht unbeantwortet lassen konnte. Wie der römische Kaiser nicht 354 Ebd. Ansonsten weicht der Bericht in Details von Prokop ab. 355 Theoph. Conf. a. 6064. 356 Scott 1992, 161; Kawar 1960a, 63; vgl. Beaucamp 2010, 204; Einwände zur Richtigkeit des beschriebenen bei Smith 1954, 449. Laut Pigulewskaja 1969, 182; Fisher 2020, 131; ist der Bericht des Nonnosos Malalasʼ Quelle. Zu den Gesandten Munro-Hay 1996, 411. 357 Ioh. Mal. 18,56 (Übers. nach Thurn/Meier): […] ὥστε ὁπλίσασθαι αὐτὸν κατὰ Κωάδου, βασιλέως Περσῶν, καὶ τὴν πλησιάζουσαν αὐτῷ χώραν ἀπολέσαι καὶ τοῦ λοιποῦ µηκέτι συνάλλαγµα ποιῆσαι µετʼ αὐτῶν, ἀλλὰ διʼ ἧς ὑπέταξε χώρας τῶν Ἀµεριτῶν Ἰνδῶν διὰ τοῦ Νείλου ἐπὶ τὴν Αἴγυπτον ἐν Ἀλεξανδρείᾳ τὴν πραγµατείαν ποιεῖσθαι. 358 Ebd. 359 Ebd. 360 At-Tabari 925–927, 946–957. 361 Ps.-Dionys. v. Tel-Mahre a. 846, p. 54f.
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wollte, dass ein persischer Zugang zum Schwarzen Meer bestand, so kann auch ein Großkönig nicht gewollt haben, dass die Römer frei im Persischen Golf verkehren konnten.362 Da aber auch für persische Truppen Südwestarabien und Ostafrika weit entfernt waren – noch dazu auf dem Landweg durch eine Wüste von ihren Gebieten getrennt – liegt es nahe, dass man sich der Vermittlung durch die untergebenen Sarazenen bediente, da diese eine kulturelle und logistische Verbindung nach Südarabien hatten.363 Unter den drei Zonen im Kontaktraum der Großmächte, die mit einer besonderen Stellung ausgestattet waren – der südkaukasischen, der sarazenischen und der axumitisch-himyaritischen364 – sind nur die beiden letzteren in solch enger Weise verbunden.365 Es wundert daher auch nicht, dass die ominöse Konferenz von Ramlah 524,366 bei der Vertreter von al-Hira, des Homeritenkönigs und des Imperiums zugegen waren bzw. hinzu-kamen, neben dem eigentlichen Zweck der Verhandlung zwischen Rom und den Sarazenen von al-Hira dazu genutzt wurde, sich mit südarabischen Fragen zu befassen. Wie im Südkaukasusraum, da zwischen den Großmächten unter Anteilnahme und Beeinflussung diverser kleinerer Akteure mit eigenen Ambitionen um den Zugang zum Schwarzen Meer, die sonstige geopolitische Lage, Einflusszonen, die Wirtschaft und die Kaukasuspässe – also ein ganzes Faktorenbündel – gekämpft wurde und auch religiöse Faktoren zum Tragen kamen, so lässt sich postulieren, dass auch im Raum der arabischen Halbinsel, des Roten Meeres und des Indischen Ozeans ein derartiger Konfliktherd mit Beteiligung kleinerer Akteure samt religiöser Diffe362 Es wurde vorgeschlagen, dass die Kontrolle des Persischen Golfes die Schlüsselkomponente der sasanidischen Wirtschaftsstärke war, Morley 2017, 272. Bei ebd. 276 wird vom Persischen Golf als mare nostrum der Sasaniden gesprochen, so auch bei Daryaee 2009, 21 – es sei seit dem 3. Jahrhundert der Fall gewesen; vgl. Winter 1987, 71; Indiz Amm. Marc 23,6,11. Vgl. Miri 2012, 109: „The political and economic rivalry between both the Sasanian and Roman Empires, necessiated the strong presence of the Sasanians within the Persian Gulf, a presence which eventually allowed them to gain supremacy over their western neighbors in trade throughout the region.“ Vgl. Harmatta 1974, 101. Strategisch ist fraglich, ob die persische Seite – wie bei Howard-Johnston 1995, 196, angenommen – auf dem Wasserweg im Gegensatz zu Konstantinopel und seiner Lage am Schwarzen Meer nichts zu befürchten hatte; vgl. Whitehouse 1996, 340. Zu ernsthafter Konkurrenz im Indischen Ozean Power 2012, 197. 363 Zur Bedeutung Nordostarabiens für die lukrativen Handelsrouten des Persischen Golfes Morley 2017, 271f., 275; vgl. Wiesehöfer 1994a, 261. Zum römischen Problem, nicht auf solche Weise in Axum eingreifen zu können, Greatrex 1994, 257. Prokop stellt es selbst fest; vgl. Bell. 1,19,32f; 1,20,10–13. 364 Zu den Zonen vgl. Carile 2000, 186. 365 Vgl. Greatrex 1998, 239: „In both southern Arabia and the Transcaucasus Roman influence was in the ascendant in the early sixth century, a development closely linked to the spread of Christianity. But Ethiopia and Himyar were never likely to play as significant a part in wars between Rome and Persia as the more centrally located kingdoms of Armenia, Iberia and Lazica.“ 366 Vasiliev 1950, 280–283; Greatrex/Lieu 2002, 79; Toral-Niehoff 2004, 191f.; Fisher 2011b, 260; Edwell 2015, 230; Fisher/Wood 2015, 366; Robin 2015, 150; Fisher 2020, 123. Ausführlich die Studie Shahîd 1964.
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renzen367 vorhanden war,368 allerdings mit dem entscheidenden Unterschied, dass die Auseinandersetzung nicht mit militärischen, sondern vor allem wirtschaftlichen Mitteln stattfand.369 Auch hier wirkte das angenommene Gleichgewicht der Mächte, standen die Großmächte und kleinen Akteure in Konkurrenz miteinander und stritten mit diversen, sich überschneidenden Interessen um Ressourcen, Zugänge zum Meer und Allianzen, aber mit anderen Mitteln. Wie im Südkaukasusraum konnten wohl auch hier nicht nur die Großmächte die kleineren Akteure in ihre Konflikte ziehen, sondern auch umgekehrt.370 Daher bedurfte es auch hier klarer Absprachen, wie es sich vielleicht in der Konferenz von Ramlah fassen 367 Die Streitigkeiten um religiösen Einfluss der Großmächte sowohl im Norden als auch im Süden werden auch bei Fisher 2017, 167, miteinander in Verbindung gebracht. 368 Kawar 1956, 181, zum 6. Jahrhundert: „After a long period of relative obscurity and marginal existence, the Arabs and their peninsula enter as an important element in the calculations of the two World-Powers, Persia and Byzantium. These calculations made of the Arabian peninsula a focal point of international interest and intrigue, and the scene of military, diplomatic, religious, and commercial transactions, which crowded the century with events both in the Fertile Crescent and the Arabian Peninsula, but which fell out eventually to the benefit of the main caravan-city of West Arabia.“ Vgl. Morley 2017, 276f. Ein wichtiger Punkt für die Entstehung der wirtschaftlichen Konkurrenz im Indischen Ozean dürfte das friedliche 5. Jahrhundert sein, Howard-Johnston 2017, 291; vgl. Power 2012, 73; dagegen postuliert einen Niedergang römischer Aktivität im Handel dieser Gegend Rubin 1989, 385. Zum wirtschaftlichen Niedergang Ostarabiens in sasanidischer Zeit auf archäologischer Basis siehe die Studie Kennet 2007; vgl. Ulrich 2011, 377, 382. Dagegen Power 2012, 21. 369 Carile 2000, 186: „Byzantium and Iran in their struggle have had as a battlefield the Caucasus, the Transcaucasian zone, Armenia, Georgia and Lazica, lastly Syria, Egypt and the so to say protectorate they exerted on Arabia; but the innermost historical aim of their struggle was the check of the grid of the routes of the great international trade in regions which controlled the Red Sea courses and which effected the silk route in its outlets on the Black Sea and on the syrian coasts.“ Engelhardt 1974, 37 zu Kaiser Justins Missionsbestrebungen: „Bei der nüchternen Einstellung des Kaisers Justin scheint es einigermaßen gewagt, all diese Umstände religiösem Eifer in die Schuhe zu schieben. Die Angelegenheit bekommt ein anderes Gesicht, wenn man die politische Situation ins Auge faßt. Byzanz steht um diese Zeit vor einem neuen Perserkrieg. Jeder Perserkrieg aber drängt den Byzantinern mindestens drei Fronten auf, die kaukasisch-armenische, die mesopotamische mit dem Vorfeld in Syrien und die südarabische. Letztere ist durchaus von Bedeutung, auch wenn von hier aus die direkte Bedrohung des Reiches an (sic) geringsten war. Aber die Perser machten immer wieder den Versuch, dort Fuß zu fassen, denn damit kontrollierten sie den wichtigen byzantinischen Handel durch das rote Meer und über die innerarabische sogenannte Weihrauchstraße. Byzanz konnte im Kriegsfall diesen neuralgischen Punkt keinesfalls außer Acht lassen.“ Nach Haussig 1959, 138, habe es im 6. Jahrhundert sogar einen „um Tod und Leben“ geführten Wirtschaftskrieg der Großmächte gegeben. Zur Region als wirtschaftlicher Schlüsselstelle Haarer 2006, 40. Howard-Johnston 2017 betont, 289f., dass wir wenig über den Einfluss der Regierungen in Fragen des Handels in dieser Region wissen; nach außen hin standen römische wie persische Aristokraten dem Handel indifferent gegenüber. Er geht bei ebd. 296, von Lobbyarbeit der persischen Golfhändler am Sasanidenhof aus, um ihre Interessen besonders unter Chosrau I. einzubringen; vgl. Daryaee 2003b, 16, über 6. und 7. Jahrhundert; Daryaee 2010a, 405f. 370 Vgl. zu dem hier skizzierten Zustand Power 2012, 61; vgl. Pigulewskaja 1969, 316.
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lässt. Die ganz überwiegende Abwesenheit der Details dieses Konfliktherdes in den Quellen dürfte nicht zuletzt dem Umstand geschuldet sein, dass es dort gerade nicht zu einer militärischen Auseinandersetzung zwischen den Großmächten kam und die auf militärische Ereignisse fokussierten Quellen dahingehend weit weniger Interesse an diesem auch räumlich weiter entfernten Gebiet hatten. Dieser Komplex fehlt auch im Friedensvertrag von 561, da er eben nicht durch Krieg zwischen den Großmächten bewegt wurde.371 Die Situation wurde auch nicht auf anderem Wege bis zu diesem Zeitpunkt grundlegend verändert, sondern wirkte über die behandelte Zeit hinaus.372
371 Howard-Johnston 2017, 295, nimmt dagegen an, die römische Seite habe dieses Thema schlicht nicht vorangetrieben. 372 570 kommt es zur persischen Eroberung Südarabiens, Schippmann 1990, 90. Zu deren Folgen für den römischen Handel Morony 2004, 185.
20 FAZIT Wie eingangs vorgestellt, erweist sich das fortlaufende kommunikative Band zwischen Imperium und Sasanidenreich unter Anwendung eines weiten Diplomatiebegriffs als fruchtbarer Untersuchungsgegenstand, sowohl hinsichtlich seiner Strukturen als auch der vielfältigen Modifikationsmöglichkeiten, denen es unterworfen war und die von den zwei Großmächten beständig zur Veränderung des zwischen ihnen bestehenden Verhältnisses eingesetzt wurden. Die kommunikative Natur der Diplomatie ist dabei im Angesicht unscharfer Diplomatiekonzepte von konstitutiver Bedeutung. Eine Untersuchung der Außenpolitik ist einseitig, eine der Diplomatie aber mehrseitig. Diplomatie ist ein kommunikativer Prozess, der eintritt, wenn die Außenpolitik eines Gemeinwesens auf die eines anderen trifft. Somit lässt sich als Definition feststellen: Diplomatie ist die wechselseitige Modifikation des zwischen mehreren Gemeinwesen bestehenden Verhältnisses. Diese Schärfung des Diplomatiebegriffes macht die selbst in der Politikwissenschaft vielgestaltige und wenig trennscharfe Diplomatie zu einem jenseits der allgemeinen Untersuchung der Außenpolitik eines Staates und dem engen Rahmen der klassischen Diplomatiegeschichte untersuchenswerten und untersuchungsfähigen Gegenstand auch für die Spätantike, sowohl hinsichtlich der Strukturen des diplomatischen Verhältnisses zwischen den Reichen als auch der Methoden, durch die dieses Verhältnis modifiziert wurde. Strukturen sind dabei Rahmenbedingungen und Regeln, die von beiden Seiten als konstitutiv für die Kommunikation wahrgenommen wurden. Ein Handeln gegen sie hätte zum Ende der Kommunikation führt. Es handelt sich um Elemente, die als Selbstverständlichkeiten des Verhältnisses galten, über die man nicht diskutierte, sondern die man voraussetzte, gleich was man auch diplomatisch vorgehabt haben mag. Sie waren – bildlich gesprochen – die tragenden Wände des von beiden Seiten gemeinsam errichteten diplomatischen Gebäudes und alle Umbauten und Bewegungen innerhalb des Hauses mussten Rücksicht auf sie nehmen. Sie ließen sich nicht umstürzen, ohne die Kommunikation selbst und damit die Diplomatie massiv zu schädigen. Drei solcher Strukturen waren in der Zeit von der Teilung Armeniens bis zum Vertrag von 561 wirksam und konstituierten überhaupt erst die römisch-persische Diplomatie in dieser Zeit. Ihr gemeinsames Vorhandensein lässt die behandelte Zeit zu einer diplomatischen Epoche werden und damit zu einem heuristisch sinnvollen, da in sich verbundenen Untersuchungsraum, der von der Zeit davor und danach – da die Strukturen noch nicht gemeinsam oder nicht mehr gemeinsam wirkten – abgegrenzt werden kann. Es handelt sich bei den drei Strukturen um das beiderseits angenommene militärische Gleichgewicht zwischen den zwei Reichen,
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die einander eingeräumte Gleichrangigkeit und die zwischen beiden wirkende religiöse Neutralität. Militärisches Gleichgewicht Mit dem Bewusstsein für Strukturmerkmale lässt sich die unlösbare Forschungsfrage, ob das Imperium oder das Sasanidenreich die „stärkere“ Seite war, beiseite stellen, vielmehr zeigt sich, dass die Entscheidungsträger beider Reiche – jenseits ihrer tatsächlichen und uns unbekannten Machtmittel – auf jeden Fall in der behandelten Zeit annahmen, dass beide Reiche militärisch gleich stark wären und entsprechend unter den damaligen Bedingungen keine Seite in der Lage gewesen wäre, die andere entscheidend zu besiegen. Sie erhoben dies zu einem Strukturmerkmal ihres Verhältnisses. Es war eine aus den Erfahrungen der Konflikte des 3. Jahrhunderts zwischen Imperium und Sasanidenreich entstandene Theorie damaliger Staatsmänner und Militärs zur Erklärung ihrer Welt, die im Laufe des 4. Jahrhunderts zur communis opinio der Vertreter beider Seiten aufstieg, von der Teilung Armeniens bis zum Vertrag von 561 für die diplomatischen Vertreter beider Seiten geradezu alternativlos war und erst in den Jahren nach 561 durch andere Anschauungen abzulösen versucht wurde. Gleichrangigkeit der Mächte Die Entstehung der römisch-sasanidischen Diplomatie unter dem Paradigma des militärischen Gleichgewichts war an sich nichts anderes als eine politische Notwendigkeit für beide Seiten, die allein schon im Sinne der Innenpolitik großes Interesse daran hatten, in Frieden und in klaren Verhältnissen zu benachbarten Gemeinwesen zu leben. Als dessen Garant kamen Verträge in Frage, deren Einhaltung aber unter Partnern, die sich als gleich stark begriffen und zugleich keine stärkeren kannten, nicht durch einen unabhängigen Richter garantiert werden konnte. Dies wurde durch eine Ideologie der Gleichrangigkeit umgangen, da die Frontstellung der Reiche über religiöse Grenzen hinweg als kosmischer Auftrag zur gemeinsamen Wahrung der Weltordnung und Zivilisation vor dem Chaos und der Anoikumene begriffen wurde, was in der Bruderanrede der Herrscher einen bildlichen Ausdruck fand. Brüder sind zwangsläufig in einen unabänderlichen Zustand der Brüderlichkeit hineingeboren. Auch verfeindete Brüder bleiben Brüder und mochte das Verhältnis zwischen Kaisern und Großkönigen einmal besser und einmal schlechter sein: Das änderte nichts an dem Zustand, dass es Rom und Iran geben würde und sich beide miteinander arrangieren mussten. Ein im Vergleich zu modernen Staaten besonderer Netzwerkcharakter der Reiche sowie ein anderes Verständnis von Herrschaft und Weltherrschaft auf beiden Seiten ermöglichte, dass die Weltherrschaftsansprüche der Seiten nicht kollidierten und ein Umgang auf Augenhöhe möglich war. Weltherrschaft ließ sich als Herrschaft über die (nach jeweils eigenen Kriterien) beherrschenswerten Teile der Welt begreifen und aus römischer Seite schloss dies das Sasanidenreich, aus persischer das Imperium aus. Die gemäß dieser Sicht relevante römische Welt war
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mediterran, urban und griechisch-römisch strukturiert, der für die Sasaniden relevanten Welt lag in der Spätantike der persische Kulturkreis zugrunde. Vertragstreue gegenüber dem jeweils anderen – mochte er auch eine andere Religion haben – wurde in Christentum wie zoroastrischen Strömungen angemahnt. Im Umgang der Reiche miteinander war die mit der Wahrnehmung des militärischen Gleichgewichts konform gehende Anschauung der konstruktiven Gleichrangigkeit eine Notwendigkeit, um diplomatische Verständigung möglich zu machen. Religiöse Neutralität Religion und besonders die Funktion des Kaisers als Schutzherrn der Christen auch im Sasanidenreich waren Themen, bezüglich derer die Strukturen von angenommenem Gleichgewicht und Gleichrangigkeit nicht anwendbar waren. Da Verbindlichkeiten gegenüber dem Göttlichen höher zu werten waren als jene gegenüber dem anderen Herrscher, musste der Kaiser gegen Andersgläubige im Imperium vorgehen und Christen außerhalb des Imperiums schützen, während der Großkönig keine Konversion von Zoroastriern zum Christentum und keine Einmischung des Kaisers in Angelegenheiten christlicher Perser dulden konnte. Es stand das göttliche Wohlwollen gegenüber der jeweiligen Herrschaft und dem entsprechenden Reich auf dem Spiel. Zudem mussten Großkönige fürchten, dass die Christen ihres Reiches zu einer Art „fünften Kolonne“ des Imperiums werden könnten. Gegenseitige Versprechen der Duldung von Minderheiten und die Errichtung einer eigenen persischen Kirche konnten die Frontstellung nicht grundlegend verändern, so dass die Auslassung der Religion im diplomatischen Austausch eine der Strukturen der behandelten Zeit wurde. Man thematisierte im diplomatischen Umgang keine Differenzen, bezüglich derer von vornherein deutlich war, dass man sie nicht würde beilegen können. Im Rahmen dieser drei Strukturen ließ sich das diplomatische Verhältnis zwischen den Reichen mittels einer Vielzahl von Methoden modifzieren. Die Untersuchung der Methoden plausibilisiert an Quellenbeispielen die Strukturen, indem sich zeigt, dass diese in der Tat das Rahmenwerk bildeten, innerhalb dessen diplomatische Methoden und Vorgänge stattfanden. Mit einem Bewusstsein für die Einbettung der diplomatischen Vorgänge in die narrativen Kontexte der Quellen, lässt sich feststellen, dass die Natur dieser Methoden, selbst wenn die Ereignisgeschichte in den Quellen verzerrt dargestellt worden sein mag, doch bei den verschiedenen Autoren genau übereinstimmt und die diplomatische Methodik daher korrekt dargestellt sein wird. Die Archäologie der Prokopischen Perserkriege hat hinsichtlich der Untersuchung der Methoden paradigmatischen Charakter und zeigt nicht zuletzt all jene auf, die in der vorliegenden Arbeit untersucht werden.
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Verhandlungen, Abkommen und die Bedeutung des Rechts Bedingt durch das angenommene militärische Gleichgewicht und die Frontstellung der beiden Reiche, die keine stärkere irdische Macht über sich kannten, die in ihren Konflikten als unabhängiger Richter hätte fungieren können, musste es zu einem gegenseitigen Belauern kommen. Der Vertrauensvorschuss, den man der anderen Seite einzuräumen bereit war, pendelte sich aber zwischen den Extremen des absoluten Misstrauens und des kompletten Vertrauensvorschusses in der Mitte ein, die sich vielleicht mit einem landläufigen Begriff als „guter Wille“ bezeichnen ließe: Es wurde davon ausgegangen, dass die absolute Ehrlichkeit nicht der Normalfall diplomatischer Kommunikation ist, die Lüge aber ebenso wenig. Der Normalzustand war also der, mit gutem Willen an die Aussagen des anderen heranzugehen und zumindest anzunehmen, dass sie nicht komplett erlogen sein werden, also dem anderen ein Stück weit entgegenzukommen, da bei aller möglichen Manipulation ein gemeinsames Interesse daran bestand, Konflikte beizulegen. Dieses gemeinsame Interesse ist der Schlüssel zum Verständnis. Diplomatische Verhandlungen folgten dementsprechend zumeist einem bestimmten Schema: Am Beginn einer Verhandlung stand die gegenseitige Beschwörung des Friedenswillens, der Vertragstreue, der Verbundenheit mit dem Recht und ähnlicher Werte. Sie sollte dem jeweils anderen versichern, dass man nach den etablierten Strukturen agieren wollte und diesen keine Absage erteilte, also sich weiterhin der gemeinsamen kosmischen Mission bewusst war und keinen unkontrollierten Krieg führen wollte. Die Alternative zu Verhandlungen war ein nach damaliger Sicht nicht zu gewinnender Krieg zwischen gleich starken Mächten, der in niemandes Interesse lag. Daher die Beschwörung, keinesfalls diesen Weg, sondern den der Verhandlung wählen zu wollen. Der Inhalt der Verhandlungen war stets realpolitischer Natur, aber die Entgrenzung des Krieges musste durch derartige Beschwörungen verhindert werden. So versuchte man auch, Vertragsbrüche zu verheimlichen und keine unleugbare Schuld daran auf sich zu laden, die den anderen als Ablehnung der etablierten Regeln vielleicht hätte abblocken lassen: das hätte im schlimmsten Fall zu einer Spirale der Anschuldigungen und Unmöglichkeit der Verständigung führen können – was einen unentwegten Krieg nach sich gezogen hätte – zumindest aber zu einer Erschwernis der eigenen Verhandlungsposition: denn wenn jemand offenkundig vertragliche Bestimmungen bricht und danach militärisch unterliegt, so wird er es schwer haben, die auf den Kampf folgenden Verhandlungen ohne größere Zugeständnisse zu verlassen. In Anbetracht der Notwendigkeit von Verhandlungen zur Verständigung der Seiten wollte jede Seite es so anstellen, dass sie in den Verhandlungen möglichst gute Ergebnisse in ihrem eigenen Sinne erzielte. Dafür genügte nicht die bloße Abwesenheit nachweisbarer Schuld an der Krise, sondern um möglichst gute Ergebnisse zu erzielen, musste die andere Seite auch einlenken. Man lenkt aber nur ein, wenn entweder ein gemeinsames Interesse besteht („Deal“) oder aber fürch-
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tet, die folgenden Konsequenzen des Nichteinlenkens seien negativer als die des Einlenkens. Daher versuchte man beständig, die eigene Verhandlungsposition zu stärken, um den anderen davon zu überzeugen, dass er bei Nichteinlenken in der Zukunft noch stärkere Zugeständnisse würde machen müssen Dies wollte keiner, da ein solcher Ablauf langsam das etablierte Gleichgewicht zu den eigenen Ungunsten zu erodieren drohte. Daher versuchten alle Seiten, noch im Angesicht von Verhandlungen entsprechende Verhandlungsmasse auf die eigene Seite zu ziehen und Militäraktionen gewissermaßen noch in letzter Sekunde durchzuführen, die geeignet waren, die Verhandlungen zu verändern. Beständig wurden die Ereignisse laufender Feldzüge als Vor- und Nachteile in Verhandlungen integriert und veränderten deren Verlauf. Das gilt auch für das Anknüpfen der Friedensverhandlungen überhaupt: Wer die militärische Oberhand in der aktuellen Situation hat, verfügt auch über eine starke Verhandlungsposition und will entsprechend verhandeln, um seine Vorteile vertraglich festzuschreiben. Wer unterliegt, ist geneigt, erst auf einen Wechsel des Kriegsglücks zu hoffen, bevor er als aktuell benachteiligte Seite in die Verhandlungen eintritt. Diese Abläufe kann auch die jeweils andere Seite für ihren Vorteil nutzen. Die als Indikator der Treue zum einmal geschlossenen Vertrag etablierten Zahlungen stellten beide Seiten beständig vor Herausforderungen: Die persische Seite wollte sie innenpolitisch nutzen, um sie als die eigene Überlegenheit demonstrierende Tribute darstellen zu können, die römische Seite musste befürchten, dass diese Aussage auch gegenüber der römischen Bevölkerung zum Tragen kommen könnte. Krieg als Mittel der Diplomatie Wenn die beiden Seiten durch das Bestehen ihrer diplomatischen Kontakte die Wahl hatten, entweder einen enorm teuren, riskanten, langwierigen, in seinen Konsequenzen kaum absehbaren und vor allem ihrer Meinung nach strukturell nicht zu gewinnenden Krieg zu führen, oder aber einen Vertrag zu schließen, um die Zukunft günstig und gezielt in etablierten Formen zu regeln, so stellt sich die Frage, warum sie dann immer noch Kriege führten. Die Antwort dürfte darin zu suchen sein, dass Krieg zwischen ihnen nicht das Scheitern diplomatischer Kommunikation bedeutete, sondern vielmehr ein Aspekt ihres Funktionierens war. Krieg wurde geführt, um eine bessere diplomatische Stellung zu erlangen, er war ebenso eine diplomatische Methode wie alle anderen, die in der vorliegenden Arbeit behandelt werden. Dem gemäß wurden keine Eroberungskriege unternommen, sondern Einfallskriege, die in diplomatischer Hinsicht primär den Zweck hatten, die andere Seite unter Druck zu setzen und Verhandlungsmasse zu gewinnen, um die eigene Verhandlungsposition zu verbessern. Es lässt sich von Kabinettskriegen sprechen. Die Kriege hatten begrenzte Ziele und mussten ihrer Natur nach zwangsläufig von Diplomatie begleitet sein; Diplomatie entfesselte sie, begleitete sie dauerhaft und
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durch Diplomatie wurden sie auch wieder beendet. Da ein solches Verständnis auf beiden Seiten bestand, war es möglich, trotz des Strukturmerkmals des angenommenen Gleichgewichts Konflikte für diplomatische Zwecke schnell zu entfesseln und zumeist auch schnell wieder zu beenden, ohne in einen zermürbenden und nach damaliger Sicht nicht zu gewinnenden Krieg zu geraten. Dem entsprach auch der vergleichsweise geringe und kosteneffiziente Umfang der militärischen Handlungen. Dazu passt das Phänomen der Verlagerung der Kriegsschauplätze im 6. Jahrhundert: Wenn die Methoden in einer Region nicht oder nicht mehr fruchteten, da sie auf zu starke Gegenwehr des als gleich stark begriffenen Gegners stießen, wurden sie in einer anderen Region angewandt. Der Vertrag von 561 ist ein Zeugnis der damaligen Wahrnehmung, dass sich das vermeintliche militärische Gleichgewicht auf jedem Kriegsschauplatzes durchgesetzt hatte. Die Natur der Kriege zeigt zudem den Netzwerkcharakter des Raumes, in dem die Kampfhandlungen stattfanden. Beschützerverhältnisse. „Adoptionen und Vormundschaften“ Vor dem Hintergrund der ermittelten Strukturen lassen sich die Beschützerstellung Yazdgards I. gegenüber Theodosius II. und der Adoptionswunsch Kawadhs I. bezüglich seines Sohnes Chosrau und Justin I. erklären. Besonders die in der Forschung umstrittene Beschützerstellung Yazdgards zeigt sich als brillanter politischer Schachzug, dem eine hohe Wahrscheinlichkeit zuzumessen ist. Yazdgard sollte Garant der Sukzession und Sicherheit des gefährdeten Thronfolgers Theodosius sein. Arcadius hielt so den Garanten der Sukzession aus dem römischen Kontext und dessen Interessenkonflikten heraus. Von welcher römischen Seite (Militär, Senat, etc.) die Gefahr für Theodosius auch ausgehen würde, alle würden im Fall der Usurpation den mächtigen Yazdgard gegen sich aufbringen. Ein Usurpator müsste mit Duldung Yazdgards handeln, wenn er diesen nicht gegen sich aufbringen wollte, was aber unwahrscheinlich war: würde es doch Yazdgard vor den Seinen als wortbrüchigen König das Gesicht verlieren und zudem den Usurpator römischerseits als persischen Günstling erscheinen lassen. Die Beschützerrolle des Yazdgard sorgte dafür, dass ein Usurpator damit hätte rechnen müssen, am konsolidierungsbedürftigen Beginn seiner Herrschaft automatisch einen Perserkrieg führen zu müssen. Umgekehrt sicherte eine stabile Herrschaft des jungen Theodosius auch ein friedliches Verhältnis des Imperiums zum Sasanidenreich, da Yazdgard und Theodosius durch ein Treueverhältnis aneinander gebunden waren. Yazdgard hatte zudem aus römischer Sicht den Vorteil, zwar der nebst dem Kaiser mächtigste Mann der Welt und damit guter Garant zu sein, aber selbst unfähig zur Usurpation des Kaiserthrons. Auch Yazdgard versprach die Beschützerstellung Vorteile: Des damaligen Friedens wegen konnte Yazdgard selbst bei zeitweiliger römischer Schwäche keinen Krieg beginnen, ohne als vertragsbrüchig zu erscheinen und bei einem für sich negativen Ausgang des Krieges dann in einer schlechten Verhandlungspositi-
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on zu stehen. Mit der Beschützerrolle aber erhielt er geradezu einen Freibrief, in der für ihn günstigsten Situation – einem Umsturz der theodosianischen Dynastie – mit aller Kraft tätig zu werden. Wenn Yazdgard in einem solchen Fall angriffe, handelte er nicht mehr gegen Verträge, sondern käme im Gegenteil seinen Pflichten als Beschützer nach, folgte den Erwartungen der pietas und führte damit einen durchaus gerechten Krieg. Das hätte in den folgenden Verhandlungen allseits anerkannt werden müssen. Es wäre nicht zu leugnen gewesen. Umgekehrt gewährte die Beschützerrolle aber auch Frieden, wenn er aus sasanidischer Sicht wünschenswert war, denn in Zeiten römischer Stabilität, wie in der Herrschaft des Theodosius, konnte ein Krieg für die Sasaniden nicht wünschenswert sein. Der junge Theodosius war wohl aus persischer Sicht im Vergleich zu einem ambitionierten, kriegerischen und unberechenbaren Usurpator sowieso der bessere Partner. Das Ansinnen des Arcadius war also ein für beide Seiten lohnendes Arrangement. Ohne die drei Strukturen konnte es aber nicht gedacht werden: Es ist nur unter der Annahme der gleichen Stärke der Reiche, der formalen Ebenbürtigkeit der Herrscher und dem Außenvorlassen religiöser Differenzen verständlich. Hinsichtlich des Wunsches Kawadhs, Justin möge Chosrau adoptieren, lässt sich vor dem Hintergrund eines solchen Verständnisses auch die umstrittene Angabe Prokops erklären, er habe so das Erbe Justins antreten wollen. Wie einst Arcadius wollte Kawadh die gefährdete Herrschaft seines Sohnes durch den anderen Herrscher garantieren lassen. Der bei Prokop dargestellte Hintergedanke Kawadhs dürfte aber der gewesen sein, dass im Falle des baldigen Todes des greisen Justin sein Adoptivsohn Chosrau dann (ähnlich dem anderen Adoptivsohn Justins – Justinian) ein Recht gehabt hätte, sich um das Erbe seines Adoptivvaters zu kümmern, also fortan in römischen Angelegenheiten mitzusprechen, bei der Nachfolgefrage beginnend, was ihm aus Gründen der pietas von römischer Seite nicht hätte verwehrt werden können. Das gefährdete die Souveränität des Kaisertums. Auch dieses Episode ist durch die ermittelten Strukturen bedingt. In beiden Episoden wurde bei der Ehre, der Herrscherwürde, der Ethik angesetzt, um eine persönliche Ebene zu schaffen, über die sich auch Diplomatie betreiben ließ. Informationsbeschaffung und „intelligence“ Der Umstand, dass Informationsbeschaffung für Diplomatie notwendig ist und daher auch im Rahmen der Diplomatie Informationen gesammelt werden müssen, ist ein politikwissenschaftlicher Gemeinplatz, für den in den Altertumswissenschaften aber noch kein Bewusstsein besteht. Das Sammeln von Kenntnissen, auf deren Basis sich diplomatische Strategien entwickeln lassen, ist neben der Kommunikation das zweite große Tätigkeitsfeld von Diplomaten und diplomatischen Organisationen. Diplomatie ist so stark von Informationsbeschaffung durchdrungen, dass diese nicht etwa eine Tätigkeit ist, die Diplomaten „auch“ und gewissermaßen „nebenbei“ betreiben, sie ist vielmehr integraler Bestandteil ihrer Auf-
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gabe als Diplomaten. Daher lässt sie sich auch nicht von anderen diplomatischen Methoden trennen, sie ist stets als Generalbass hinzuzudenken. Dem war in der Spätantike zwischen Imperium und Sasanidenreich nicht anders, wie sich an den Quellen zeigen lässt und wofür nicht zuletzt die enorm aufwändige Abschirmung der persischen Gesandten im Imperium ein beredtes Zeugnis gibt. Diplomatische Informationsbeschaffung war bedeutsam für den Informationsgrad der Entscheidungsträger auf beiden Seiten, auf dessen Basis sie ihre diplomatischen Entscheidungen trafen. Besonders in Anbetracht des wahrgenommenen militärischen Gleichgewichts musste einem Informationsvorsprung große Bedeutung eingeräumt werden. Es lässt sich in den Quellen jenseits der militärischen Aufklärung kein organisierter römischer „Nachrichtendienst“ entdecken, in dem alle Informationen zusammengelaufen wären, da dieser „Nachrichtendienst“ kein anderer war als jener, der sich in der Gegenwart als diplomatischer Dienst bezeichnen lässt – also die Gesamtheit von Gesandten, ihren einheimischen Vorgesetzten und den sie umfassenden Strukturen, in denen Gesandtschaftsberichte als Medium eine wichtige Rolle spielten. Auf persischer Seite dürfte es sich ähnlich verhalten haben. Die Informationsbeschaffung durch Gesandte wurde nicht als ehrenrührig begriffen, wahrscheinlich da sie als zwangsläufiger Nebeneffekt diplomatischer Tätigkeit erschien. Auch außerhalb der eigentlich diplomatischen intelligence auf höchster Ebene lässt sich feststellen, dass Informationsbeschaffung über Verräter, Überläufer Agenten und Doppelagenten ein geradezu selbstverständliches Phänomen gewesen sein muss, von dem das römisch-persische Verhältnis durchzogen war. Manipulation und „dark arts“ Als Manipulation lässt sich jenes Phänomen beschreiben, das eintritt, wenn die Aufgabe eines diplomatischen Vertreters nicht mehr darin besteht, über Kommunikation das Verhältnis zwischen den Gemeinwesen zu regeln, sondern die Kommunikation und die Gegebenheiten des Austauschs lediglich als Vorwand genutzt werden, um über diverse Mittel der Täuschung und Irreführung eine Veränderung des Verhältnisses zu bewirken. Dies war auch in der Spätantike ein inakzeptables, aber durchaus vorkommendes Mittel innerhalb der diplomatischen Methoden. Während die übrigen Methoden gemeinsam haben, dass sie der anderen Seite eine klare Botschaft senden, die aufgenommen und im Rahmen des diplomatischen Austauschs entsprechend beantwortet werden soll, um so im Austausch das gemeinsame Verhältnis zu verändern, wird hier der anderen Seite eine falsche Absicht vorgespiegelt, um eine bestimmte erwünschte Reaktion zu bezwecken, die von der anderen Seite aber nicht in Kenntnis der wirklichen Absicht vorgenommen wird, sondern der bloß vorgegebenen. Die andere Seite wird also getäuscht. In diese Kategorie fallen auch Maßnahmen, die der anderen Seite nicht als gezielte Maßnahme ihres Gegenübers deutlich werden, aber ebenso eine Reaktion hervorrufen, die das Verhältnis zwischen den Reichen verändert. Es handelt sich um
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high-risk-high-reward-Strategien: Werden sie der anderen Seite (wenn nicht gar der eigenen Öffentlichkeit) bekannt, drohen sie das Ansehen diplomatischer und politischer Akteure im In- und Ausland auf das Schwerste zu schädigen und bedeuten einen schweren Stand für künftige Verhandlungen. Gelingen sie aber, versprechen sie einen Erfolg von enormer Effizienz, der durch bloße Kommunikation entweder nur mit weit größerem Aufwand oder überhaupt nicht zu erreichen gewesen wäre. Für dieses Phänomen besteht in der Forschung weitgehend kein Bewusstsein, obwohl es in den Quellen durchaus auf römischer und persischer Seite präsent ist und sich zeigt, wie diverse sonstige diplomatische Methoden mit einem manipulativen Hintergrund versehen wurden. Manipulation konnte, wie Prokop am Beispiel Chosraus zeigt, zu einem das diplomatische Verhältnis zerrüttenden Teufelskreis führen: Hatte man sich durch aufgedeckte Manipulation in eine schwache Verhandlungsposition gebracht, war in Anbetracht militärischer Niederlagen das aussichtsreichste Mittel zu deren Verbesserung wiederum die Manipulation, diese war aber risikoreich und brachte im Fall des Scheiterns eine noch schlechtere Position mit sich, die wiederum am leichtesten durch Manipulation zu verbessern schien etc. Die Manipulation diplomatischer Vorgänge ließ sich auf römischer wie persischer Seite auch für rein innenpolitische Zwecke nutzen. Nur vor der drastischsten denkbaren Manipulation – dem Mord am jeweils anderen Herrscher – ließen die Strukturen zurückschrecken. „Track-two-diplomacy“ und Drittakteure Ein Phänomen der modernen Diplomatie, bei dem Drittakteure im Auftrag einer Seite Aufgaben von Gesandten wahrnehmen, bildet die track-two-diplomacy. Dabei werden, zumeist in Anbetracht einer stagnierenden Verhandlung zwischen zwei Seiten auf der höchsten Ebene, statt Angehörigen des diplomatischen Dienstes andere Personen gewonnen, die außerhalb dieser Institutionen stehen, aber bezüglich derer davon auszugehen ist, dass sie auf der Gegenseite ein gewisses Ansehen genießen. Sie sollen dieses Ansehen und ihren durch keine diplomatische Routine verstellten Blick auf die Gegebenheiten an den Verhandlungstisch bringen, um die andere Seite zu bewegen, die Situation ebenfalls aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten und letztlich ein Entgegenkommen zu erwirken. Das Risiko besteht darin, dass ein auf diese Weise herangezogener Gesandter nicht zuletzt durch seine diplomatische Unerfahrenheit und mangelnde „Weisungsgebundenheit“ gegenüber den diplomatischen Akteuren der eigenen Seite eine gewisse Unzuverlässigkeit und Unberechenbarkeit mit sich bringen kann. Dieses Phänomen lässt sich auch im römisch-persischen Verhältnis beobachten, da es für dessen Charakteristika besonders geeignet war, indem es einen Ausweg aus festgefahrenen Verhandlungssituationen versprach, zu denen es in Anbetracht der ständigen Notwendigkeit der Kommunikation bei gleichzeitiger strukturbedingter Unfähigkeit, im Konfliktfall eine schuldige Partei zum Bekenntnis ihrer Schuld zu bewegen, des Öfteren kam.
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Es ist besonders an den Einsatz persischer Bischöfe als Gesandte auf Missionen im Imperium zu denken, aber auch römische Ärzte im Umfeld des Perserkönigs konnten wohl in diesem Sinne von römischer Seite eingesetzt werden. Einen verwandten, aber doch eigenen Fall bieten diplomatische Akteure, die sich als „freie Drittakteure“ bezeichnen lassen. Auch sie gehörten nicht zu den eigentlichen Gesandten und Diplomaten einer Seite und traten in Kommunikation und Verhandlung mit der anderen Seite, handelten aber, ohne von ihrer eigenen Seite dafür legitimiert zu sein. Sie mischten sich also auf eigene Faust für ein der einen Seite unterstelltes Gemeinwesen in diplomatische Prozesse ein, veränderten dabei aber nicht nur das Verhältnis zwischen dem von ihnen vertretenen Gemeinwesen und der anderen Seite, sondern auch zwischen den beiden Großmächten, deren Dialog sie beeinflussten. Dieses im völkerrechtlichen System der Gegenwart nicht mehr mögliche Phänomen hatte seine Hintergrund höchstwahrscheinlich darin, dass es in der Spätantike keine Nichtregierungsorganisationen wie das Internationale Rote Kreuz oder überstaatliche Gremien wie die Vereinten Nationen gab, deren Funktionen aber trotzdem zuweilen benötigt wurden und daher mangels alternativer Angebote von engagierten Privatleuten übernommen werden mussten. In der Regel ist dabei an römische Bischöfe zu denken, die im Fall, dass ihre Stadt von einem persischen Heer unter Führung des Großkönigs belagert oder zur Kapitulation aufgefordert wurde und keine römische Hilfe durch Militärs oder bevollmächtigte Diplomaten erfolgte, zur Verhinderung einer humanitären Katastrophe in Verhandlungen mit dem Großkönig über das Schicksal ihrer Stadt eintraten. Dies war auf römischer Seite an sich verboten, da es eine Einmischung in diplomatische Vorgänge bedeutete und die römische Diplomatie gegenüber dem Sasanidenreich zu sabotieren drohte, aber doch zumeist geduldet. Dies könnte der besonderen Natur der Bischöfe geschuldet sein. Kein weltlicher Würdenträger, der im Sinne des Imperiums agieren musste und seine Autorität letztlich vom Kaiser erhalten hatte, hätte derartige Verhandlungen anknüpfen können, ohne schlimme Konsequenzen fürchten zu müssen. Ein Bischof aber bezog sein Amt nicht von einer weltlichen Stelle und seine Autorität ging letztlich nicht auf den Kaiser, sondern auf Gott zurück. Zudem war er nicht dem Gesamtwohl und der Staatsraison des Imperiums, sondern dem Wohle seiner Gemeinde, seiner Stadt verpflichtet. Er hatte, bedingt durch diese Optionen, eine Rechtfertigung für sein Handeln, da er anführen konnte, nicht aus politischen, sondern aus humanitären Gründen Verhandlungen anzuknüpfen. Der markanteste Fall ist jener des Bischofs Megas von Beroia während Chosraus Einfall ins Imperium 540. Es gab auch Kontakte zwischen mehreren freien Drittakteuren, so zwischen al-Mundhir und dem Patriarchen Ephraimios von Antiochia, als eine Verständigung über die höhere Ebene der von den Reichen bevollmächtigten Diplomaten im gegebenen Fall nicht möglich war. Die Abgrenzung eines Drittakteurs von einem auf andere Art in diplomatischen Vorgängen agierenden Privatmann ist dann gegeben, wenn der vermeintli-
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che Drittakteur kein Bewusstsein mehr dafür hatte, eine solcher zu sein, also mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht wusste, dass er sich gerade mittelbar in das diplomatische Verhältnis der Reiche einmischte. Symbolhandlungen Der die Diplomatie konstituierende Prozess musste sich nicht auf verbalen Austausch beschränken. Jeder Akt war geeignet, sofern er Träger einer Botschaft sein konnte, die von einer Seite ausging und von der anderen verstanden wurde. Letzteres Element ist konstitutiv für Diplomatie: die Botschaft des Senders muss den Empfänger erreichen, also für ihn verständlich sein. Solche Akte lassen sich als Symbolhandlungen beschreiben. Ihr Zweck besteht darin, über eine symbolisch aufgeladene Handlung einen größeren Zusammenhang zu veranschaulichen und die eigene Aussageabsicht pointiert und eindrucksvoll zur Schau zu stellen. Zumeist sind die Symbolhandlungen – wie literarische Stilmittel – auf ihre eindrucksvolle und einprägsame Wirkung hin angelegt, die eine bloße verbale Äußerung nicht in gleicher Art zu leisten vermag. Sie gingen zwischen Imperium und Sasanidenreich in der Regel von den Herrscherpersönlichkeiten aus, da die Öffentlichkeit in der ritualisierten Welt der Spätantike gewohnt war, jeder Handlung dieser zentralen Akteure Bedeutung zuzumessen und sie zu interpretieren. Kaiser und Großkönig verfügten über ein gemeinsames Reservoir von Zeichen, Symbolen und geradezu kodierten Handlungen, die einander verständlich waren. Die Handlungen konnten an die diplomatischen Stellen der anderen Seite gerichtet sein – allen voran die jeweils andere Herrscherpersönlichkeit – aber auch an die Öffentlichkeit des anderen Reiches nach Art der public diplomacy. Neben der hohen Wirkmächtigkeit war die Kosteneffizienz dieser Methode ein großer Vorteil: Kriege sind teuer, Verhandlungen kosten Geld, eine Geste aber ist kostenlos. Eindrucksvoll lässt sich die Methode der Symbolhandlungen, die schon Prokop in seiner für das römisch-persische Verhältnis paradigmatischen Archäologie der Perserkriege für beide Reiche anführt, im komplexesten aller Quellenbeispiele, dem Verhalten Chosraus nach der Zerstörung Antiochias 540 in der Schilderung Prokops nachvollziehen. In einer ganzen Reihe von Symbolhandlungen wandte sich Chosrau nicht nur an Justinian, um diesem die römische Schuld an der aktuellen Situation zu vermitteln, sondern vor allem an die römische Bevölkerung, gegenüber der er sich geradezu als bessere Alternative zu Kaiser Justinian in vielerlei Hinsicht zu präsentieren suchte. Im Geschichtswerk des Agathias versuchte die römische Seite nach dem Mord an Gubazes das römisch-persische Verhältnis nicht zuletzt über Symbolhandlungen wieder zu verbessern. Beziehungen zu den Gemeinwesen zwischen den Großmächten Diplomatische Methoden mussten nicht nur der Ressourcenbasis der beiden Reiche entspringen. Die Großmächte verstanden auch die kleineren Mächte des Rau-
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mes zwischen den Reichen – südkaukasische Gemeinwesen, sarazenische Verbände bis hin zu den politischen Gebilden des ostafrikanisch-südarabischen Raumes – zu nutzen, um das Verhältnis zur jeweils anderen Großmacht zu verändern. Dazu kam in diesen Fällen aber als besonderer Faktor, dass die kleineren Mächte nicht bloße Vasallen der großen waren und deren Willen ausführten, sondern vielmehr selbst nicht weniger eigensinnig agieren konnten als die Großmächte, und so nicht nur das Verhältnis zwischen sich und den Großmächten, sondern auch der Großmächte untereinander wiederum beeinflussten – wenn dies meistenteils auch nur mittelbare Folge ihrer Ambitionen im Bezug auf den eigenen Raum gewesen sein mag. Die Idee der Zusammengehörigkeit des Raumes zwischen den Großmächten ist dabei kein Forschungskonstrukt; vielmehr betrachteten schon antike Autoren den Raum vom Kaukasus bis Äthiopien als in sich verbunden, wenn auch aus der irrigen Anschauung heraus, dass alle Gebirge und Erhebungen zwischen dem Kaukasus im Norden und (dem in geringerer Entfernung gedachten) Vorderindien oder Ägypten bzw. Äthiopien im Süden eigentlich zum Kaukasus gehörten und somit letztlich ein einziges Gebirge bildeten, das den in Frage stehenden Raum zusammenfasste. Wenn auch nicht aus den Gründen eines imaginären Gebirges, sondern aus naturräumlichen, wirtschaftlichen und sozialen, hat diese Anschauung doch im Grunde richtig erfasst, dass es erhebliche Gemeinsamkeiten zwischen diesen Akteuren, ihrem Verhältnis zu den Großmächten und der Art und Weise gibt, wie sie das Verhältnis zwischen diesen Großmächten beeinflussten, sie also doch in dieser Hinsicht miteinander verbunden waren. Bedingt durch die Lage der kleineren Mächte im Spannungsfeld der beiden Reiche gerieten sie in den diplomatischen Austausch zwischen den Großmächten, da sie als Dreh- und Angelpunkte der römischen wie persischen Machtpositionen der Grenzregion begriffen wurden. Sie waren eine wichtige Masse in den beiderseitigen sicherheits- und machtpolitischen Vorhaben. Dies führte aber nicht dazu, dass sie zu einem bloßen Spielball römischer und persischer Politik wurden, vielmehr gelang es ihnen, ihre von beiden Seiten umworbene Lage zu nutzen, um im eigenen Interesse geschickt zwischen den beiden Mächten zu lavieren. Voraussetzung dafür waren stets drei Faktoren: Ein konkurrierendes Interesse beider Großmächte an der Vorherrschaft über die jeweiligen südkaukasischen Gemeinwesen bzw. sarazenischen Verbände, deren Möglichkeit zum Seitenwechsel sowie die ihnen naturräumlich gegebene Möglichkeit, sich militärischem Zwang der Großmächte entziehen zu können, sei es in den Bergen des Südkaukasusgebietes oder aber der arabischen Wüste. Das Interesse der Großmächte am Kaukasus war dabei zumeist geopolitischer Natur, jenes an den Sarazenen zumeist in deren Kampfkraft und Anfälligkeit des jeweils anderen Reiches für sarazenische Kriegsführung begründet, die sich besonders gut für die Einfallskriege, die charakteristisch für die Kriege der Zeit waren, eigneten. Das Interesse der Reiche am schwerer zu fassenden südarabisch-ostafrikanischen (axumitisch-himyaritischen) Raum dürfte wohl in dessen wirtschaftlicher Bedeutung für die Handels-
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wege im Persischen Golf, Roten Meer und Indischen Ozean gelegen haben. Auch die Akteure dieses Raumes vermochten sich dem militärischen Zugriff der Großmächte zu entziehen, wenn auch nur durch ihren erheblichen räumlichen Abstand von beiden. In allen diesen Fällen spielten Missionsbestrebungen als Mittel der Großmächte zur Einflussnahme auf die kleineren Gemeinwesen eine Rolle. Quellenbedingt lässt sich am besten im südkaukasischen Raum fassen, wie geschickt Armenier, Lazen und andere verstanden, immer wieder die Seiten zu wechseln und doch ohne erhebliche Repressalien weiterzubestehen, solange das Interesse beider Reiche an der Dominanz in ihrem Gebiet nur groß genug war. Dies wurde durch ein spezielles und offenbar auch den römischen Autoren bewusstes Ethos der dahingehenden Akteure verstärkt, demgemäß nur die einheimische südkaukasische Aristokratie und deren Wertekosmos den Referenzrahmen des eigenen Handelns bildeten. Diese Anschauung ist im Grunde sowohl gegenüber dem Imperium als auch dem Sasanidenreich unpolitisch; ein südkaukasischer Aristokrat wechselte nicht von der römischen auf die persische Seite, da er Rom aus politischen Gründen ablehnte, sondern da die Möglichkeiten für den Erwerb von persönlichem Ruhm, Reichtum und Ehre, die sich in südkaukasisches soziales Kapital ummünzen ließen, derzeit im Dienste des Großkönigs größer waren (oder umgekehrt). Der Wechsel war in diesem Sinne kein Treuebruch gegenüber einer Seite, denn Treue kann es nur innerhalb des eigenen moralischen Rahmens, nur innerhalb der eigenen südkaukasischen aristokratischen Welt geben. In besonderer Weise lässt sich dies an der Karriere des Arsakiden Artabanes im Werk Prokops demonstrieren und auch die vielmals in Geschichtswerken der Zeit erwähnte besondere Tollkühnheit individueller südkaukasischer Krieger im Dienste der Großmächte bezeugt dies. Die vergleichbare Lage der Sarazenen demonstriert Prokop durch deren Rolle im Strata-Disput wie auch in seiner Schilderung der Taten al-Mundhirs und alHariths. Die bei antiken Autoren häufig erwähnte Unstetigkeit der Sarazenen könnte Abbild eines dem südkaukasischen ähnlichen Ethos sein. Hinsichtlich des axumitisch-himyaritischen Raumes lässt sich mutmaßen, dass Justinian durch seine Aktivität in diesem Gebiet zusammen mit jener im Südkaukasusraum letztlich eine großangelegte Zangenbewegung bewirken wollte, die das Sasanidenreich im Norden und Süden zwischen römischen Einflusssphären – militärisch wie wirtschaftlich – einzwängen sollte, um zumindest ein persisches Ausgreifen zu verhindern, wohl aber auch um neue römische Handlungsoptionen zu schaffen. Das Schwarze und das Rote Meer sollten auf diese Weise dem Sasanidenreich verschlossen bleiben. Wie im Südkaukasusraum, wo zwischen den Großmächten unter Anteilnahme und Beeinflussung diverser kleinerer Akteure mit eigenen Ambitionen um den Zugang zum Schwarzen Meer, die sonstige geopolitische Lage, Einflusszonen, die Wirtschaft und die Kaukasuspässe – also ein ganzes Faktorenbündel – gekämpft wurde und auch religiöse Faktoren zum Tragen kamen, so lässt sich auch im Raum der arabischen Halbinsel, des Roten Meeres und des Indischen Ozeans ein derartiger Konfliktherd mit Beteiligung kleine-
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rer Akteure samt religiöser Differenzen postulieren, allerdings mit dem entscheidenden Unterschied, dass die Auseinandersetzung nicht mit militärischen, sondern vor allem wirtschaftlichen Mitteln stattfand. Auch hier wirkte das angenommene Gleichgewicht der Mächte, standen die Großmächte und kleinen Akteure in Konkurrenz miteinander und stritten mit diversen, sich überschneidenden Interessen um Ressourcen, Zugänge zum Meer und Allianzen, aber eben mit anderen Mitteln. Wie im Südkaukasusraum konnten wohl auch hier nicht nur die Großmächte die kleineren Akteure in ihre Konflikte ziehen, sondern auch umgekehrt. Neben der Möglichkeit eines tieferen Verständnisses des römisch-persischen Miteinanders zeigt sich bei der Untersuchung der Strukturen und all dieser Methoden immer wieder, wie stark das in dieser Arbeit angewandte Diplomatieverständnis geeignet ist, einen neuen Blick auf die Quellen zu werfen, neue Positionen in Forschungskontroversen zu ermöglichen und nachvollziehbare Erklärungen für ansonsten schwer- bis unverständliche Begebenheiten der spätantiken Geschichte zu finden.
21 ANHÄNGE 21.1 ANHANG 1 DIE DIPLOMATISCHEN QUELLEN DES MALALAS Nicht nur im Prokopischen Geschichtswerk, sondern auch in der Chronik des Johannes Malalas finden sich zumindest teilweise fortlaufende Angaben zu diplomatischen Vorgängen während der römisch-persischen Kriege Justinians.1 Im Haupttext der vorliegenden Arbeit lag der Fokus allerdings ganz überwiegend auf Seiten Prokops. Der offenkundige Grund besteht in dem Unterschied, dass Prokop im Gegensatz zu Malalas ein zusammenhängendes und detailreiches Narrativ solcher Vorgänge bietet, aus dem sich diplomatische Mechanismen erkennen lassen.2 Da es in der vorliegenden Arbeit just um diese Mechanismen geht, ist Prokop die geeignete Quelle, um Antwort auf die relevanten Fragen zu erhalten und da zudem wert auf die Feststellung gelegt wird, dass die Korrektheit dieser Mechanismen weitgehend unabhängig von der Korrektheit der ereignisgeschichtlichen Details bei Prokop zu untersuchen ist, entfällt auch die Rolle der Chronik des Malalas als Korrektiv und Additiv zur prokopischen Ereignisgeschichte. Es tritt allerdings noch ein weiteres Element hinzu, das Malalas nicht bloß zu einer wenig geeigneten Quelle für die Untersuchung diplomatischer Abläufe macht, sondern regelrecht zu einem verzerrenden Faktor in der Rekonstruktion solcher Vorgänge. So fällt schnell auf, dass die in sein Werk eingefügten knappen 1
2
Scott 1992, 159; Borsch 2017, 245f. Für die Zeit Justins und Justinians sind dies: Ioh. Mal 17,10: der persische Gesandte Labroios erscheint vor Justin; 18,34: Hermogenes wird zu Friedensverhandlungen ins Sasanidenreich geschickt; 18,36: Hermogenes wird von Kawadh empfangen; 18,44: Hermogenes kehrt zurück und führt ein Schreiben mit sich, das zitiert wird; 18,50: Hermogenes und Rufinos werden ins Sasanidenreich geschickt; 18,53: Hermogenes und Rufinos kehren zurück und bringen ein Schreiben mit, das zitiert wird; 18,54: Rufinos reist ins Sasanidenreich; 18,56: ein persischer Gesandter erscheint mit Briefen an den Kaiser, es wird nicht zitiert; 18,59: Hermogenes wird ins Sasanidenreich geschickt; 18,61: Sergios reist mit Schreiben des al-Mundhir zu Justinian, es wird nicht zitiert; Rufinos reist zu Kawadh mit einem Brief, der nur indirekt zusammengefasst wird; Sergios kehrt zurück; Geschenke Justinians und Theodoras werden ins Sasanidenreich geschickt; Rufinos und Strategios reisen zu Kawadh; 18,66: Gesandte Justinians warten auf römischem Gebiet; 18,68: Hermogenes bringt einen Brief Chosraus zu Justinian; 18,70: Rufinos kommt in den Osten; 18,72: Rufinos reist mit Instruktionen für die Ratifizierung des Ewigen Friedens nach Persien; 18,76: Rufinos und Hermogenes kehren mit dem Friedensvertrag aus dem Sasanidenreich zurück. Vgl. Kirchner 1887, 13.
21.1 Anhang 1
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Briefe zwischen Kaiser und Großkönig der diffizilen Darstellung filigranen diplomatischen Austauschs bei Prokop und Menander nicht ansatzweise gerecht werden.3 Roger Scott hat sich in einem Aufsatz mit der Bedeutung des Malalas für die Rekonstruktion der römisch-persischen Diplomatie beschäftigt und zunächst korrekt festgestellt, dass seine Schilderung des Krieges sich wesentlich an den Aktivitäten römischer Diplomaten entlangbewegt.4 Dabei fasst er das Wesen dieser Darstellung nachvollziehbar zusammen: It must be admitted immediately that what Malalas does have to tell us about diplomacy is still very limited. He does not have anything to say about the techniques and skills of diplomacy or what went on when the negotiators met. Rather he provides a simple narrative, recording each occasion the emperor sent an ambassador to Persia to discuss peace, the name of the ambassador, some indication of the date when the embassy set out and returned, the outcome of the negotiations (including two imperial letters) and sometimes some details on other activities for which the emperors agents were used, most notably in negotiations between Roman generals when they were quarrelling.5
Er beobachtet korrekt, dass die von Malalas in seinen Text eingefügten Dokumente ihre Eigenarten behalten, so sind eingefügte Briefe in einem komplexeren Griechisch als die übliche Prosa des Malalas verfasst.6 Ein anderer Fall besteht darin, dass Malalas bei der Schilderung des Axumitenkönigs einmal in die erste Person wechselt,7 da dies die Perspektive der übernommenen Quelle sein dürfte, die er an dieser Stelle wortwörtlich abschreibt.8 Auch der Bericht zur Krönung des Lazenkönigs dürfte eine solche Stelle sein,9 da Malalas nach Scotts Meinung einen Text nach Art des Zeremonienbuches abschrieb.10
3
Direkte oder indirekt zitierte diplomatische Schreiben: Ioh. Mal. 17,9: Kawadh an Justin und Antwort Justins, Gegenstand ist der Streit um Ztathios; 17,10: Justin an Kawadh bezüglich Zilgibis; 18,44: Kawadh an Justinian (Hermogenes bringt dieses Schreiben mit); 18,53: Kawadh an Justinian (Hermogenes und Rufinos bringen es mit); 18,68: Römische Gesandte antworten auf eine Nachricht Chosraus; Brief Chosraus an Justin (Hermogenes transportiert ihn), nur indirekt zitiert; Antwortbrief Justinians an Chosrau, ersterer erkenne letzteren (direktes Zitat) nicht als König an; 18,69: Briefwechsel zum Thema einer Waffenruhe, indirekt zitiert; 18,70: Rufinos schreibt an Chosrau, um auf Justinians Geheiß den Anstifter eines Hunneneinfalls zu ermitteln. Vasiliev 1950, 264, äußert Zweifel an der Authentizität der Briefe. 4 Scott 1992, 159: „In actual fact Malalas has little to say about the war, and what little he does have to say is built around the activities of the emperorʼs ambassadors.“ Vgl. Kirchner 1887, 11. 5 Scott 1992, 159f. 6 Scott 1992, 160f., 164. Dies sei laut Borsch 2017, 246f., ein Indiz für ihre Authentizität. 7 Ioh. Mal. 18,56. 8 Scott 1992, 161; Kirchner 1887, 13. Es ließe sich an die Berichte der Gesandten Julianos oder Nonnosos als Quelle denken, Smith 1954, 449; Pigulewskaja 1969, 182; Fisher 2020, 131. Zu diesen auch Kawar 1960a, 63f.; Shahîd 1995, 144–148, 156–158; Greatrex 1998, 236–238. 9 Ioh. Mal. 17,9. 10 Scott 1992, 163.
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21 Anhänge
Scott fasst seine Erkenntnisse folgendermaßen zusammen: […] I hope that I have been able to show that this collection of short entries by Malalas, however unsatisfactorily brief they are, gives a remarkably clear picture of the course of this diplomatic tussle. It also appears to be based on excellent evidence, though that evidence appears to be confined almost entirely to diplomatic negotiations with scarcely anything on actual hostilities. I would like to conclude by suggesting that Malalas was probably very well placed for getting access to this information and for having this particular bias to his narrative. Far from being an ignorant monk, which is implied in even a quite recent study of Justinian, Malalas had probably had a training as a rhetor and a lawyer and, on the evidence of his interests, was very likely a reasonably high ranking civil servant in the office of the comes orientis in Antioch. He therefore may well both have known Hermogenes and Rufinus, the Byzantine chief negotiators, and also would have seen and read in the course of his work many of the reports from diplomats who are likely to have been briefed and debriefed in the office of the comes orientis in Antioch. Malalasʼs account may be brief and disjointed but he remains an excellent source.
Diesem Fazit muss nicht widersprochen werden, wenn man es so versteht: Malalas war in Antiochia tätig. Gelegentlich bekam er schriftliche Gesandtschaftsberichte zu sehen, die er dann in seine Chronik einfügen konnte. Dies lässt sich in der Zeit Justins und Justinians zwei Mal erkennen: im Fall des Axumitenund des Lazenkönigs. Ansonsten bekam er Informationen von durchreisenden Gesandten.11 Das Problem daran ist Scotts Implikation, dass die Informationen, die Johannes Malalas in Antiochia seinerseits von den Gesandten bekam, detailliert und korrekt waren.12 11 Dazu passt, dass er nach dem Ewigen Frieden keine Informationen über den östlichen Gesandtschaftsverkehr jenseits von Konstantinopel mehr bietet; er dürfte die Stadt zu dieser Zeit in Richtung Konstantinopel verlassen haben; wobei sich dies mit der Abschaffung des Amtes des comes Orientis im Jahr 535 verbinden ließe, in dessen Umkreis Malalas wohl gearbeitet hatte; Drosihn/Meier/Priwitzer 2009, 24; vgl. Croke 1990, 22. Für einen Ortswechsel nach der persischen Einnahme der Stadt 540 Downey 1961, 39; für einen Ortswechsel bald nach 532 Greatrex 1998, 66. 12 Vgl. Jeffreys 1990, 211f., da angenommen wird, Hermogenes habe Malalas die Ereignisse berichtet oder dieser habe die nach Konstantinopel gesandten Berichte einsehen können. Vgl. Croke 1990, 11; Greatrex 1994, 9, 162; Greatrex 2016, 176. Auch Borsch 2017, 248, geht von den Gesandten als Informationsquelle aus, aber weit vorsichtiger hinsichtlich des genauen Verhältnisses der Gesandten zu Malalas: „Angesichts des Umstandes, dass Hermogenes während des gesamten Verhandlungsprozesses offenbar über ausgedehnte Zeiträume im ‚Osten‘ blieb und von dort aus die diplomatischen, teils auch militärischen Aktivitäten organisierte, ist die Vermutung nicht allzu weit hergeholt, dass er und sein Stab sich in diesem Kontext auch bei späteren Gelegenheiten, wenn nicht gar dauerhaft, in Antiochia aufgehalten haben. Dies könnte der Weg gewesen sein, über den Malalas seine Informationen über die diplomatischen Abläufe bezog. Nähere Versuche, diesen Zugang zu definieren, bewegen sich notwendigerweise im Bereich der Spekulation. Offensichtlich umschloss dieser Zugang jedoch die Möglichkeit, authentisches Material bzw. dessen Inhalt einzusehen resp. zu erfahren. Da die von Malalas miteinbezogenen Informationen ganz unterschiedlichen Charakters sind, fällt die Annahme schwer, dass die Darstellung auf einer einzelnen Quelle basiert. Was uns vorliegt, scheint nicht die Abschrift etwa eines Gesamtberichtes des Hermogenes oder eines seiner
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Dem dürfte gerade nicht so gewesen sein. Zunächst ist in Anbetracht der damaligen Informationspolitik unwahrscheinlich, dass in Antiochia durchreisende Diplomaten ausgerechnet Malalas und damit einer Person, die offensichtlich nicht im diplomatischen Dienst tätig war, Details über laufende Verhandlungen preisgegeben hätten. Dies hätte wohl an Verrat gegrenzt, zumal Scott impliziert, dass dies im Laufe der Verhandlungen immer wieder passiert sei, also jedes Mal, wenn Gesandte durch Antiochia reisten. Das Hauptargument ist aber folgendes: Es ist deutlich, dass Malalas durchaus an diplomatischen Vorgängen interessiert war, wie sich an den Details zum Lazen-, und Axumitenkönig erkennen lässt. Wenn dem aber so war und er auch sonst über diplomatische Informationen verfügte, warum bot er dann ausgerechnet zu diesen zwei entlegenen Szenen eine so große Detailfülle, aber kaum mehr als die gröbsten Informationen zu den weit umfangreicheren, weit drängenderen und höchst aktuellen Themen, die Antiochia und ihn selbst unmittelbar betrafen, nämlich den Vorgängen zwischen Imperium und Sasanidenreich? Es lässt sich nicht damit rechtfertigen, dass dies eben nicht der Fokus seines Werkes gewesen sei, denn Axumiten- und Lazenherrschaft sind weit abseitigere Themen, die sonst in seinem Werk keine große Rolle spielen. Es dürfte sich wohl eher so verhalten haben, dass Malalas diese entlegenen Episoden in sein Werk aufnahm, da er sehr stolz darauf war, Zugang zu diesem Material zu haben; sogar in solchem Maße, dass er wortwörtliche Passagen anführte. Er demonstriert bewusst seine guten Quellen zu diesen Themen, in denen man wohl schriftliche Gesandtschaftsberichte zu sehen hat, die er wiedergeben konnte, da sie nicht mehr im gleichen Maße wie laufende Angelegenheiten geheim und die dahingehenden diplomatischen Missionen erfolgreich beendet und abgeschlossen waren.13 Für die Vorgänge zwischen Rom und dem Sasanidenreich verfügte Malalas offenkundig nicht über derartig exklusives Material. Dort bietet er nur grobe Umrisse. Dabei dürften durchaus die Gesandten eine Quelle gewesen sein, aber in anderer Form als Scott dies entwirft. Mitarbeiter zu sein. Vielmehr finden sich hier verschiedene Einzeldarstellungen und Briefe, vermischt mit von diesen unabhängigen Informationen wie den Bewegungen der Gesandten oder den persischen Verhaltensmotiven, die zusammengebracht und sprachlich wie strukturell in eine chronikalische Form gegossen wurden.“ Letztlich wird bei ebd. 249 ein „direkter Zugang zur Person des Hermogenes oder seinem administrativen Umfeld, über den Malalas sowohl schriftliche Dokumente einsehen als auch mündliche Auskünfte einholen konnte“ postuliert. Es wird nicht berücksichtigt, inwieweit diese Informationen korrekt waren. Colvin 2018, 202, führt Unterschiede zwischen den Schilderungen des Malalas und Prokops einzig auf Unterschiede in der Aussageabsicht zurück; ihr Informationsstand sei gleichermaßen gut gewesen; vgl. Greatrex 2016, 175, Malalas habe ebenfalls über offizielle Berichte bezüglich der östlichen Feldzüge verfügt. 13 So ist wohl auch Prokops Darstellung diplomatischer Ereignisse zu verstehen: Als er im Rahmen seiner Tätigkeit bei Belisar davon erfuhr, durfte er sie offensichtlich nicht weitergeben, als er die Informationen aber Jahre später in seinem Geschichtswerk präsentierte, waren die zugrundeliegenden diplomatischen Vorgänge schon lange abgeschlossen.
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Dafür muss etwas weiter ausgeholt werden. Malalas ist im Vergleich zu Prokop noch stärker einem prorömischen Ansatz verpflichtet;14 so sind bei ihm Recht und Unrecht deutlicher verteilt, das Imperium erscheint deutlicher positiv, das Sasanidenreich deutlicher negativ. Seine Sichtweise ist zumindest offiziös, nicht zuletzt was die eingefügten und im Angesicht der Parallelquellen nicht gerade aussagekräftigen, sondern wohl stark verknappten Herrscherbriefe angeht. Dies ist mit zwei anderen Quellen zu verbinden: Es gibt interessante Bemerkungen in der Chronik des Hydatius von Aquae Flaviae, denen zu entnehmen ist, dass es zu den Aufgaben römischer Diplomaten im eigenen Land gehörte, auf der Durchreise eine offizielle Version der Ergebnisse ihrer Verhandlungen und sonstigen diplomatischen Aktivitäten und Ereignisse zu verbreiten, also eine propagandistisch-offizielle Zusammenfassung ihres Wirkens und der dahingehenden Außenpolitik für die Öffentlichkeit.15 Solche Berichte sind als Quelle des Malalas in Betracht zu ziehen. Recht deutlich wird das an der Stelle, da Malalas eine explizit von Hermogenes ausgehende Meldung über die Schlacht am Nymphios zusammenfasst.16 Fragt man sich, wie überhaupt offizielle römische Verlautbarungen in der Spätantike aussahen, so ist bereits die nachvollziehbare Idee geäußert worden, dass sich die Form solcher Darstellungen in dem Siegesbericht des Herakleios wiederfindet, der für das Jahr 628 ins Chronikon Paschale aufgenommen wurde,17 14 Greatrex 1994, 111, vgl. 220; Scott 1990, 70: „Elsewhere I have shown that the Secret History has many correspondences with Malalas for contemporary events, though written from a diametrically opposed viewpoint, and I suggested that the two authors represent opposing sides in political advertisement or propaganda.“ Vgl. Kirchner 1887, 14–16; Rubin 1957, 363f., 374. Bezüglich Theophanes, Malalas und dem Chronikon Paschale heißt es bei Kirchner 1887, 19: „Zur Beurteilung der letzteren, besonders des Malalas, ist aber zu beachten, daß sie im Gegensatz zu Prokop den einseitig griechischen Standpunkt vertreten.“ Vgl. Lewin 2015, 177, zu offiziellen Kampagnenberichten als Quelle des Malalas. 15 Besonders deutlich Hydat. 170, 192, 238, 241; vgl. 227. Zu den Stellen siehe auch Kommentar in der Edition Kötter/Scardino, S. 322f., 341, 374f., 376, 366f. Gillett 2003, 53: „The proclamations of visiting and returning envoys in Gallaecia is evidence of the public role of embassies as a medium for politial communication, propaganda, and even disinformation.“ Ebd. 77: „Embassies evidently were a source of information as well as political phenomena themselves. As such, they could be exploited by their principals as channels of propaganda while simultaneously fulfilling their obvert purpose. Public circulation of the news of Avitusʼ embassy to Marcian for imperial recognition, and of Aegidiusʼ approach to Geiseric, are perhaps cases of disinformation and brinksmanship conducted through embassies, examples of the use of communications for political or strategic aims. So too may be the reports of military musters seen at Toulouse and at Rome by Suevic envoys.“ Auch ebd. 51f. 16 Ioh. Mal. 18,65. Kirchner 1887, 17: „In den Nachrichten des Malalas haben wir auch hier wieder das Resumé der officiellen Siegesbulletins des Hermogenes, mit deren Erwähnung er die Erzählung des Vorganges überhaupt einleitet.“ Vgl. Rubin 1957, 374. 17 Chron. Pasch. a. 628. Elton 2014, 240. Zu offiziellen Verlautbarungen und Anschlägen im Zusammenhang mit Malalas Kulikowski 2017, 207–212, mit dem Schluss, dass Malalas zumindest keine consularia konsultiert haben wird, wohl aber offizielle Dokumente.
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dem – wie bei Malalas – ein knapper Brief des Großkönigs mit Betonung der Brüderlichkeit beigefügt ist, und der in einem bestimmten Stil gestaltet wurde (gerade bezüglich ziemlich genauer Ortsnamen, Personenangaben, Daten und militärischer Ergebnisse ohne Anführung tieferer Ursachen oder genauerer Abläufe mit deutlich prorömischem Impetus), der an die Darstellung militärischer Ereignisse durch Malalas erinnert. Zusammen macht dies folgende Rekonstruktion möglich: Malalas hatte in der Tat Kontakte zu den durch Antiochia reisenden Gesandten, aber diese berichteten ihm durchaus nicht die ungeschminkten Details ihrer Tätigkeit, sondern boten ihm eine für die Öffentlichkeit modifizierte und zusammengestellte Zusammenfassung ihres Wirkens.18 Diese beinhaltete auch bestimmte Kurzfassungen prägnanter Schreiben zwischen den Herrschern, die hinsichtlich der offiziellen römischen Sicht der Dinge redigiert und umgestellt wurden.19 Aus solchen Angaben komponierte Malalas die dahingehenden Passagen seines Geschichtswerkes, wobei er in seinem Stolz, auch authentische Dokumente bieten zu können, unveränderte Ge18 Letztlich hat dies bereits Kirchner 1887, 14, erfasst, der davon ausgeht, dass der Bericht des Malalas auf der offiziellen, von Hermogenes ausgehenden Fassung der Geschehnisse beruht. Er bezeichnet Malalas als „Träger der höfischen Version“, ebd. 16. Ein zusätzliches Argument dafür ist auch, dass Malalas die Zahl der Feinde im Vergleich zu Prokop „im Stile eines officiellen Bulletins“ erhöhte, ebd. 11; vgl. Rubin 1954, 100. Vgl. Greatrex 1994, 9: „Thus even if Malalas is reflecting official reports which passed through the office of the comes Orientis, this is no guarantee that his version is any more trustworthy.“ Noch deutlicher Greatrex 1998, 67: „[...] even if Malalas was making use of official reports which passed through the office of the comes Orientis, these documents themselves will scarcely have been objective […]“ Man stelle sich bildlich vor, wie Malalas sich an die Gesandten mit der Bitte um Informationen wendet, die er für ein Geschichtswerk verwenden, also veröffentlichen möchte. Würde ein heutiger Diplomat in dieser Situation einem Autor wirklich Details laufender Verhandlungen berichten? Wohl kaum. Auch er würde eine vergröberte Fassung bieten, von der er weiß, dass sie weder den laufenden Verhandlungen noch seinem und dem Ansehen seiner Regierung schadet. Der Autor in der Situation des Malalas könnte mangels exklusiverer Informationen auch heute nichts anderes als diesen Bericht wiedergeben, denn er hat keinen besseren Zugang. Auch heute werden viele diplomatische Unterlagen mit einer Sperrfrist versehen. Bei Kulikowski 2017, 212, wird in eine ähnliche Richtung gedacht, wenn auch ohne die Gesandten als Zwischenschritt zur Vermittlung offizieller Schreiben: „He did use official but ephemeral reports from various military officers fighting on the Persian frontier during the years when he was in the employ of the comes Orientis. Those reports would have come across his desk or come to his attention without their having been archived. We know about them only because he recorded them, and there is no reason to think anyone else would have bothered preserving them, for any purpose, had he not chosen to do so.“ Es ist aber durchaus vorstellbar, dass derartige Dokumente aufgehoben wurden – warum sollten die Militärs sonst Bericht erstatten? Es ist dahingehend auch an die Gesandtschaftsberichte als Quelle des Malalas zu denken. 19 So ist charakteristisch, dass trotz der Knappheit der Schreiben doch immer wieder auf die im diplomatischen Verhältnis der Reiche so wichtige Gleichrangigkeit, Brüderlichkeit und Kooperation verwiesen wird. Es finden sich Ideen von Brüderlichkeit und Zusammenarbeit bei Ioh. Mal. 17,10; 18,44; 18,53; 18,76.
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sandtschaftsberichte direkt neben solche redigierten Herrscherbriefe stellte. Er dürfte die Bearbeitung der Briefe entweder mangels Vergleichsmöglichkeiten nicht bemerkt haben (wie sollte er auch echte herrscherliche Korrespondenz zum Vergleich einsehen?) oder es lag direkt in seinem Interesse, so die offizielle Seite der Dinge zur Darstellung zu bringen. Wir können die Diskrepanz zwischen seinen Briefen und dem viel ausführlicheren und komplexen Inhalt diplomatischen Austauschs bei Prokop nur feststellen, da wir mehrere Autoren zum Vergleich haben und mit Prokops Geschichtswerk über eine Quelle verfügen, der weit näher am Geschehen stand als Malalas. Daher darf man nicht erwarten, in der Chronik des Malalas die Raffinessen diplomatischen Miteinanders zu erfahren, es ist vielmehr eine im römischen Sinne gestaltete und gezielt auf die Ergebnisse der Verhandlungen hin verknappte Form der Darstellung, die sich nicht ansatzweise mit internen Gesandtschaftsberichten zum Zweck der Analyse und Informationsbeschaffung, wie er sie wohl aus beruflichen Gründen20 aus Äthiopien und dem Südkaukasusraum einsehen konnte, vergleichen lässt.
20 Es ist an die wahrscheinliche Tätigkeit im Umfeld des comes Orientis und dessen Archivmaterial zu denken, Croke 1990, 11; Greatrex 1994, 6; Greatrex 1998, 63f., 66; Greatrex 2016, 175; vgl. Downey 1961, 38; Jeffreys 1990, 201, 204, 208. Kirchner 1887, 12, zieht den Schluss: „Freilich müssen wir deshalb auch von vornherein annehmen, daß seine Nachrichten ihren höfischen Ursprung nicht verleugnen werden.“ Zur Frage nach spätantiken Archiven Borsch/Radtki-Jansen 2017, 239f.; Kulikowski 2017, 208f. und gegen die Benutzung derartiger Quellen durch Malalas ebd. 212.
21.2 Anhang 2
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21.2 ANHANG 2 DAS ACHÄMENIDENERBE Es dürfte aufgefallen sein, dass es in der vorliegenden Arbeit möglich war, die Mechanismen und Methoden der römisch-persischen Diplomatie über knapp 200 Jahre auf Basis der Quellen zu verfolgen, ohne auf die Frage nach dem sasanidischen Anspruch auf vormalige achämenidische Gebiete („das Achämenidenerbe“) einzugehen. Gerade jene Autoren, die besonders mit der Diplomatie vertraut sind und also von diesem wissen sollten, erwähnen ihn keineswegs. Auch aus der Perspektive des vorliegenden und zuvor in der Forschung nicht angewandten Diplomatiebegriffs kommt man zu keinem anderen Ergebnis. Damit liegt zumindest nahe, einem großen Teil der neueren Forschung und ihrer Ansicht, das Achämenidenerbe als eine interpretatio Romana und nicht als diplomatische Wirklichkeit zu betrachten,21 zu folgen. 21 Grundlegende Arbeit Kettenhofen 1984. Prinzipiell geht es immer wieder um das Argument, dass den Sasaniden bereits die historische Erinnerung an die Achämeniden fehlte. Unter verschiedener Schwerpunktsetzung schon Yar-Shater 1971, 519–524; vgl. Gnoli 1989, 121f.; Momigliano 1990, 7; Kettenhofen 1994, 102–105; Wiesehöfer 1994b, 389–392; Kettenhofen 2002, 67; Huyse 2002, 306f.; Börm 2006, 318; Mosig-Walburg 2009a, 19; Shayegan 2011, xiiif.; Springberg-Hinsen 1989, 65, mit Blick auf die späteren Spiegelungen der sasanidischen Überlieferung; Roaf 1998 zum Vergessen in der bildenden Kunst; vgl. Daryaee 2001/2 u. Daryaee 2006a zu Überlagerung der Achämeniden durch die mythischen Kayaniden in der iranischen Erinnerungskultur; vgl. Hertel 1924, 72, 5. Skjaervø 1985, 603; Huyse 1990, 179–183; Shayegan 2012, 73–75, zu Unabhängigkeit der inschriftlichen Tradition der Sasaniden von jener der Achämeniden, beide schöpften lediglich aus einem ähnlichen Formenrepertoire. Tendentiell gegen Achämenidenerbe Frye 1984, 301; Campbell 1993, 220. Schon Erdmann 1943, 14 muss einräumen: „Das historische Wissen von der Vergangenheit scheint allerdings gering gewesen zu sein.“ Canepa 2009, 47–49, geht von einer speziellen Form des Erinnerns, aber nicht von der Einforderung des Achämenidenerbes aus; Daryaee 1998, 434; vgl. Blockley 1992, 104; Payne 2013, 10f. Für eine Form der Erinnerung und des Achämenidenerbes Güterbock 1900, 5; Sykes 1921, 429; Higgins 1941, 282; Christensen 1944, 206; Altheim/Stiehl 1957, 289; Sundermann 1963, 57; Verosta 1964, 513, 546; Toumanoff 1971, 113; Shahid 1972, 314f.; Jones 1973, 25; Lehmann 1973, 48; Paradisi 1974, 141; Chrysos 1976, 10; Metzler 1977, 130f.; Decret 1979, 92; Mosig-Walburg 1982, praef.; Ziegler 1983, 13; Winter 1987, 46; Winter 1988, 39–43; Panitschek 1990, 470; Braund 1994, 238; Whitby 1994, 234f.; Howard-Johnston 1995, 160, 223; Shayegan 2003, 380; Potter 2004, 470f.; Shahid 2004, 238–243; Callieri 2011, 197; Jackson Bonner 2012, 48; Ball 2016, 16, 21; Jackson Bonner 2020, 36f.; vgl. Wiesehöfer 1986, 182f. u. Fowden 1993, 29, wenn auch die dortige Frage, warum die Sasaniden sich nicht der griechisch-römischen Überlieferung bedient haben sollten: „Where the Sasanians not clever enough to use what they learned from the Greeks in order to overawe the Romans?“, unangemessen ist. Warum sollte man das Spiel der Gegner spielen, das sie offenkundig weit besser beherrschten? Die Sasaniden mussten niemandem etwas beweisen. Sie mussten nicht versuchen, den griechischen Geschichtsschreibern Konkurrenz zu machen oder von diesen zu lernen. Westliche Geschichte ist keine exklusive Form des Umgangs mit der Vergangenheit. Vgl. Klíma 1968, 222: „Die Perser der sassanidischen Zeit wußten gut von der Existenz der westlichen Historiographie, die ihre alte Geschichte
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Ein offiziell gegenüber der römischen Seite vertretener sasanidischer Anspruch auf achämenidische Gebiete würde sich nicht mit den ermittelten Strukturen und Methoden des römisch-persischen Verhältnisses vertragen, da er dem beständigen Bemühen um das Ausräumen von Konfliktursachen und einen für beide Seiten akzeptablen Vergleich, wenn nicht gar vorteilhaften „Deal“, im Wege stehen würde – schwebte in diesem Fall doch ständig ein sasanidischer Rechtsanspruch im Raum, von dem offensichtlich ist, dass die römische Seite ihn nicht erfüllen könnte. Dieser würde das Verhältnis der Reiche nachhaltig belasten. Ein solcher Generalbass ist dem römisch-persischen Verhältnis in den Quellen (zumindest in der behandelten Zeit) aber nicht zu entnehmen. Auch eine solche Anschauung in der inneriranischen Propaganda wäre problematisch, könnte sie doch von der römischen Seite als Beleg der düsteren und vertragsbrecherischen Absichten der Sasaniden genutzt werden und würde somit wieder das diplomatische Verhältnis der Großmächte belasten. Aber auch dahingehend findet sich in den Quellen für die fragliche Zeit nichts. Hinsichtlich der Frage, ob die Sasaniden überhaupt Geschichtsschreibung im griechischen Sinne betrieben oder auch nur das griechische Konzept, auf dem das moderne Verständnis von „Geschichte“ fußt, anwandten, neigt der Autor der vorliegenden Arbeit besonders zu den Thesen Philipe Huyses, dass sich im Sasanidenexkurs des Agathias, der laut dessen eigenen Angaben auf großköniglichem Archivmaterial fußen soll,22 ungefähr die Form findet, die sasanidische Vergangenheitsbewahrung besaß: Keineswegs Geschichte im griechischen Sinne,23 sondern eine bloße chronikalische Aufzählung der Herrscher mit wenigen Details. Der Umstand, dass sich sogar Details und Struktur der Darstellung des Agathias ebenfalls in der arabischen Schilderung des Jahrhunderte späteren at-Tabari finden, dessen Bericht unabhängig von Agathias auf persische Traditionen zurückgeht, verweist darauf, dass sowohl in der sasanidischen Spätantike als auch im muslimischen Mittelalter nicht viel mehr als diese Informationen in dieser bestimmten Form verfügbar waren. Beide Zeugnisse zusammen legen eine Quellentradition nahe, hinter der man sich wohl letzten Endes die offiziöse sasanidische Chronistik des Königsbuches vorzustellen hat.24 Diese wird mangels einer konziemlich gründlich behandelt hatte. Aber sie waren überzeugt (aus verschiedenen Gründen), daß eine Bearbeitung und Ergänzung der heimischen Geschichte an Hand fremder Quellen ausgeschlossen war.“ Überblick über die Literatur und vertretene Meinungen Hartmann 2006, 106, Anm. 3. 22 Laut Chaumont 1985, 608f., eine glaubwürdige Angabe. Gemäß Hämeen-Anttila 2018, 3, ist die Identifikation des von Agathias eingesehenen Materials mit dem Xwadāynāmag nicht belegt, aber „a reasonable assumption“; vgl. ebd. 14f.; vgl. Manteghi 2018, 24. Zum von Agathias konsultierten Übersetzer Sergios PLRE IIIB, Sergius 9, S. 1129. 23 Shahbazi 2004, 325: „Iranian historiography remained unaffected by the Herodotean school [...]“ Vgl. Klíma 1977, 40–43. 24 Es handelt sich um die Arbeit Huyse 2008; vgl. Chaumont 1985, 608f.; andeutungsweise Börm 2007, 60. Für vielfältigere persische Überlieferung Hämeen-Anttila 2018, 3; zur Terminologie ebd. 5–9. Auch Hämeen-Anttila betrachtet das Xwadāynāmag aber „as a rather dry
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zeptionellen Trennung von Geschichte und Sage weiterhin mit Sagen und entsprechendem mündlichen Erzählgut vermengt worden sein.25 Bereits die jüngere Vergangenheit war den Sasaniden nicht im gleichen Sinne zugänglich, wie den Römern die ihre. Die Achämenidenzeit schließlich – ob in der Sasanidenzeit nun noch reale historische Details dieser Epoche im Iran überliefert wurden oder nicht – verschwand im Sasanidenreich völlig hinter der Mythhistorie der Kayaniden. Im Iran herrschte eine von der griechischen grundverschiedene Form, mit der Vergangenheit umzugehen und sie sich zu vergegenwärtigen, die entsprechend auf Seiten der Großkönige auch nicht zu einer kritischen und kausal hinterfragenden Geschichtsschreibung führte.26
chronicle with little narrative“, ebd. 225. Ebd. 226f.: „For me, the Khwadāynāmag is a book of very small size, be it of 10, 20, or 30 pages. It contained a list of Persian kings and its main interest may well have been chronological – at least, Ḥamza, who himself is admittedly specifically interested in chronology, would give us this impression and Agathiasʼ evidence supports this. […] The Khwadāynāmag probably contained a rather short and dry account of each king, listing his regnal years, perhaps some throne speeches or maxims, mentions of the foundation of cities and Fires, and the main (positive) events during his reign, such as major victories. This image would equally well fit the evidence of Agathias and of Ḥamza, and it is hard to come by any tangible evidence to the contrary.“ Für vielfältige Überlieferung und Übersetzung des Xwadāynāmag Jackson Bonner 2015, 259–264. 25 Vgl. Shahbazi 2004, 327f. 26 Vgl., wenn auch mit besonderer Betonung des propagandistischen Aspekts, Kreyenbroek 2008, 7f.: „Our modern, western concept of history is generally based on written sources, and seeks to offer as factual and objective an account of the past as possible. For us, anything else is not history. However, most of the information we have about the early Sasanians ultimately goes back to contemporary Iranian sources, many of them oral, which did not seek to give a (sic) objective account of history, but were created in order to make the population accept a version of events that was likely to further the ends of those who sponsored their creation. The role and importance of state-sponsored propaganda in pre-Islamic Iran – both under the Achaemenids and the Sasanians – appears to have been underrated by many Iranists.“ Vgl. Boyce 2001, 126f.; Daryaee 1998, 434: „The question arises as to how to solve the issue of Sasanian historical memory. As I have suggested before, Sasanian historical memory and historiography differed from that of the Roman accounts. Although the Sasanians had some memory of the Achaemenids, which is evident, they composed a sacred historiography in which history begins as it does in the Avesta, starting with the Peshdadians and the Kayanids. In this scheme, they are the heirs to the Zoroastrian tradition and the Kayanids, not the Medians or the Achaemenids who appear only fleetingly in the sources. They not only created a sacred lineage for themselves to prop themselves up, as is apparent from the myths and stories about Ardashir I, but also to make them heirs to the land that the Kayanids ruled over, i.e., Iran. This is an ideology that the Achaemenids did not propagate.“ Vgl. Daryaee 2001/2, 13f.; Daryaee 2006b, 500. Zu Kayaniden Hertel 1924, 9; Yar-Shater 1971, 521, 524; Wiesehöfer 1986, 180f.; Wiesehöfer 1994b, 389; Daryaee 1995, 136f.; Boyce 2001, 126; Daryaee 2001/2, 12; Daryaee 2006b, 500f.; Huyse 2006, 185f.; Howard-Johnston 2008a, 119; Huyse 2008, 151; Pourshariati 2008, 385f., 33, Anm. 131; Canepa 2009, 48; Shayegan 2011, 3; Patterson 2017, 186, 192; Manteghi 2018, 25f.
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Wenn auch außerhalb des zeitlichen Rahmens der vorliegenden Arbeit, ließe sich vor diesem Hintergrund auch versuchen, das Achämenidenerbe bei Ammianus Marcellinus zu erklären: Laut Ammianus Marcellinus hätte Schapur 357/358 in einem Brief von Constantius unter Berufung auf den alten persischen Besitz der Länder bis zum Strymon und an die Grenzen Makedoniens nun das noch von Schapurs Großvater gehaltene Mesopotamien und Armenien zurückgefordert.27 Bemerkenswert ist demgegenüber nun eine durch ein Fragment des Petros Patrikios bei Zonaras überlieferte Variante dieser Geschehnisse,28 da die persischen Gesandte vor Constantius nicht die Welt bis zum Strymon und den Grenzen Makedoniens beanspruchen und daraus die Forderung bezüglich Mesopotamiens und Armeniens ableiten, sondern ausschließlich Mesopotamien und Armenien als Besitz ihrer Vorfahren bezeichnen und verlangen; um andernfalls mit Krieg zu drohen, was Constantius gemäß dem gleichen Argumentationsmuster zu der Erwiderung bringt, dass die Perser früher auch von den Makedonen unterworfen worden wären, diese aber von den Römern, so dass die Perser, wenn man mit alten Ansprüchen argumentieren wollte, den Römern untertan sind. Schapur ist erzürnt und schreitet zum Krieg. Beide Stellen könnten ein Indiz für die Phase sein, da die Idee des Gleichgewichts schon existierte, aber noch nicht die allein mögliche Form des diplomatischen Umgangs war. Dies steht fest, wem von beiden man auch Glauben schenken will, wobei zu bedenken ist, dass schon Ammian einräumt, dass er nur den seines Wissens bestehenden Sinn des Briefes wiedergibt.29 Es fragt sich allerdings in Anbetracht des Petros-Fragments, bevor man im Angesicht der persischen Umstände an das Achämenidenerbe denkt, ob nicht eine absichtliche Überzeichnung eines historischen Ereignisses durch römische Quellen, in deren Tradition Ammian steht, vorliegen könnte, denn es fällt eine Eigentümlichkeit auf: Nach der Betonung des Rechts auf das Achämenidenerbe heißt es 27 Amm. Marc. 17,5. Siehe S. 99, Anm. 73 der vorliegenden Arbeit. 28 Petr. Patr. frg. 214 (Zonar. 13,9). Zur Rückführung von Zonaras-Passagen auf das Geschichtswerk des Petros Banchich 2015, 7. Komm. Banchichs, S. 220, Anm. 76, zu dieser Stelle in seiner Übersetzung des Zonaras: „Amm. Marc. XVII.5 quotes the purported contents of Saporʼs letter and Constantiusʼ response. Ammianusʼ version, contrary to Zonarasʼ, contains no reference to the Macedonian conquest, if, indeed, Zonaras actually means that these comments he attributes to Constantius were part of the emperorʼs formal, written response to Sapor.“ Es ist schlicht wahrscheinlicher, dass Petros als Diplomat archivierte Herrscherkorrespondenz eingesehen hat, als dass an dieser Stelle eine Quelle von ihm eingesehen wurde, die nicht auf diese Korrespondenz zurückging und sie auch nicht enthielt, aber doch mündliche Diskussionen im Rahmen dieser Verhandlung festhielt. 29 Amm. Marc. 17,5,2: […] litteras ad Constantium dedit nusquam a genuino fastu declinans, quarum hunc fuisse accepimus sensum. Die Stelle schätzt schon Büdinger 1895, 38, Anm. 6, so ein, „dass auch Ammianus seine Bedenken hatte“. Über den Brief heißt es ebd. 38, es handele sich um ein „freilich vielleicht nicht echtes, literarisch-politisches Beispiel persischer Anmassung“, vgl. Kettenhofen 1984, 184, Anm. 35.
21.2 Anhang 2
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bei Ammian ganz konkret,30 dass nun Armenien und Mesopotamien beansprucht würden, die zur Zeit des Großvaters Schapurs dem Perserreich genommen worden wären. Bei Petros allerdings ist dieser Nachsatz Ammians die gesamte persische Forderung. Dies wirft die Frage auf, ob Ammians Achämenidenerbe nur ein Zusatz sein könnte. In der Tat wäre es auch ohne das Achämenidenerbe denkbar, dass sich in Petrosʼ Fall die Perser auf alte Rechte beriefen, nur eben auf jene aus den Tagen ihrer Mesopotamien und Armenien beherrschenden Großväter im dritten Jahrhundert und somit auf eine Zeit, die vor einem antiken Menschenleben und damit drei Generationen lag, was in einer Gesellschaft ohne Geschichtsschreibung im griechisch-römischen Sinne eine erhebliche Distanz bedeuten kann.31 Es sind jene 60 Jahre, die Herodots Werk vom Beginn der Perserkriege trennen und die von der Gegenwart weit genug entfernt sind, um sich deutlich von ihr zu unterscheiden (man denke an den Untertitel eines der ersten historischen Romane, Walter Scotts „Waverley“: ʼTis Sixty Years Since). Vor dem Hintergrund des historischen Bewusstsein in griechischer Tradition, der Alexander-Imitatio und einem negativen Perserbild aber schrieben römische Autoren, in deren Reihe Ammian steht, diese Forderung dann so fort, als sei der Anspruch auf achämenidische Territorien gemeint, wie man sie aus den Werken griechischer Historiker kannte und die weit mehr umfassten als bloß Mesopotamien und Armenien. Es wäre dann so, dass es sich in Wirklichkeit um einen in verschiedenen zeitgenössischen Quellen aufgezeichneten Vorgang gehandelt hat, den einerseits Petros in großem zeitlichem Abstand, aber korrekt wiedergibt und den andererseits andere Autoren in einer Tradition ausschmückten, die in Richtung des Achämenidenerbes weist, zu der auch Ammian gehört. Denkbar wäre nun, dass propagandistisch gefärbte und geschönte römische Darstellungen diplomatischer Vorgänge für die römische Öffentlichkeit, wie sie in der Spätantike durchaus existierten (siehe dazu Anhang 1 der vorliegenden Arbeit), die Quelle der AmmianTradition waren, denn es stellt sich generell die Frage, ob der Offizier Ammian, im Gegensatz zum Diplomaten und hohen Beamten Petros, hätte wirkliche archivierte Herrscherkorrespondenz einsehen können, wie sich diese Frage schon bei Malalas in Anhang 1 der vorliegenden Arbeit gestellt hat.32 30 Amm. Marc. 17,5,6. 31 Schapur dürfte zum Zeitpunkt des Anliegens knapp 50 Jahre alt gewesen sein. Der Vertrag von Nisibis wurde reichlich 10 Jahre vor seiner Geburt geschlossen. Wenn man jemanden hätte finden wollen, der zum Zeitpunkt des Schreibens noch lebte und bereits damals am Vertrag beteiligt gewesen war, also schon zu dieser Zeit in mittleren Jahren stand, hätte dieser wohl wenigstens 90 Jahre alt sein müssen. Selbst wer damals gerade 18 Jahre alt war, wäre inzwischen schon knapp 80. 32 Man denke auch an Ammians vorsichtige Aussage hinsichtlich der Wiedergabe des Briefes, siehe S. 504, Anm. 29 der vorliegenden Arbeit. Vgl. ohne Verweis auf dieses Genre „propagandistischer“ diplomatischer Schreiben oder die Petros-Stelle Kettenhofen 1984, 183f.: „Im Brief, den Šāhpuhr II. an Constantius II. gerichtet haben soll und den Ammianus Marcellinus im 17. Buch überliefert, heißt es geradezu verräterisch: ad usque Strymona flumen – man be-
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Vorstellbar wäre der Vorgang insgesamt dann so: Petros hat, vor seinem diplomatischen Hintergrund und wohl auch Zugang zu Archivalien, sowohl das Anliegen als auch die Antwort im Grunde richtig wiedergegeben, aber etwas knapp dargelegt, wozu aber auch erst Zonaras beigetragen haben kann. Die „Pointe“ der Antwort des Constantius wäre dann die: Während die persischen Gesandten sich auf die Zeit der Großväter berufen, ist der Tenor der Antwort des Constantius, dass man solche Argumentationen mit alten Ansprüchen in einem klar durch Verträge wie gerade dem ersten Vertrag von Nisibis bestimmten Verhältnis nicht ernst nehmen kann, da solche Ansprüche im Gegensatz zu Verträgen sehr beliebig sind und sich willkürlich in die Vergangenheit verlängern lassen: Wenn die Perser damit argumentieren, dass ihnen ein Territorium zustünde, weil es ihre Großväter besessen hätten, könnten Römer damit argumentieren, dass ihre Vorfahren Makedonien erobert hätten, das seinerseits noch weit früher das Perserreich besessen hätte, woraus man dann ableiten müsste, dass das Perserreich ein legitimer römischer Besitz sei. Dies ist aber offenkundig eine absurde Argumentation, womit Constantius den Gesandten durch eine Hyperbole die Unsinnigkeit ihres Anliegens aufzeigen wollte. Die Antwort des Constantius war ein bloßer Seitenhieb auf einen persischen Versuch, das vertraglich etablierte Verhältnis zu umgehen. Die hypothetische propagandistische Darstellung, in deren Tradition Ammian steht, interpolierte das Achämenidenerbe in die persische Forderung. In Anbetracht dessen hätte die echte und in ihren Grundlagen bei Petros zu findende Antwort dann allerdings ziemlich spitzfindig und etwas kindisch gewirkt (im Tenor: Über fünf Ecken sind unsere konstruierten uralten Ansprüche noch viel besser als eure!), so dass sie ebenfalls verändert und auf ein zur Stimmung der Zeit passendes klares Bekenntnis zur römischer Stärke, Annahme des militärischen Gleichgewichts und den Erfolgen des Constantius in der vergangenen Zeit reduziert wurde. Darum wird sie aber nicht minder Zeugnis römischer politischer Anschauung der höchsten Ebene. Dies ist allerdings alles hypothetisch. Wie dem aber auch sei, bleibt abschließend noch einmal festzuhalten: In der Zeit zwischen der Teilung Armeniens und dem Fünfzigjährigen Frieden jedenfalls taucht das Achämenidenerbe nirgendwo in überlieferten diplomatischen Vorgängen auf.
achte die weitere Ausdehnung des Achämenidenreiches, bei Herodian unterstand πάντα µέχρις Ἰωνίας καὶ Καρίας (VI 2,2) den persischen Satrapen! – et Macedonicos fines tenuisse maiores imperium meos a n t i q u i t a t e s q u o q u e u e s t r a e t e s t a n t u r. Christensen gab die ‚empreinte du style particulier de cet auteur‘ zu; Ammian habe die Briefe Šāhpuhrs und Constantiusʼ sehr frei wiedergegeben, habe aber den Originaltext gekannt. In Šāhpuhrs Schreiben werden kaum der Strymōn und die Macedonici fines genannt gewesen sein, und G. Wirth hat m. E. Recht, wenn er den Brief Šāhpuhrs im Zusammenhang Ammians ‚im Grunde eine Verballhornung‘ nennt.“ Literaturschau über Stimmen zu diesem Brief ebd. 184, Anm. 35.
21.3 Anhang 3
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21.3 ANHANG 3 DIE MAZDAKITENBEWEGUNG Ähnlich der Frage nach dem Anspruch der Sasaniden auf das Achämenidenerbe stellt sich auch die Frage nach der Bedeutung der mazdakitischen Bewegung für die sasanidische Außenpolitik dar. Wenn auch nur auf Basis einer noch schwierigeren Quellenlage untersuchbar, so ist doch auch dieses Thema eine mit kontroversen Positionen diskutierte Frage der sasanidischen Geschichte.33 Zunächst ist eines festzustellen: Wenn das als mazdakitische Bewegung bezeichnete Phänomen ein so wichtiger innenpolitischer Faktor gewesen wäre, dass er sogar wesentlichen Einfluss auf die Außenpolitik des Sasanidenreiches und damit die sasanidisch-römische Diplomatie hätte nehmen können, warum findet sich dann keine dahingehende Aussage bei den Autoren, die einen besonderen Fokus auf diesem Verhältnis haben? Die bezüglich des diplomatischen Verhältnisses der beiden Reiche am besten informierten Autoren konstruieren die Entwicklung eben dieses Verhältnisses, ohne den Mazdakiten eine prominente Stellung zu geben. Rekonstruktionen, die dies erheblich anders darstellen, müssen mangels entsprechender Quellen zwangsläufig Spekulation bleiben. Eine bloß schlechte Informationslage der erhaltenen Autoren ist unwahrscheinlich. Es wurde im entsprechenden Kapitel gezeigt, zu welchen Leistungen die römische Informationsbeschaffung über diplomatische und andere Kanäle in der Lage war, um einen Informationsstand zu gewinnen, auf dessen Basis sich diplomatische wie militärische Aktionen planen ließen. Und ausgerechnet bei einem Thema, das wesentlich für die großkönigliche Außenpolitik gewesen sein soll, hätten die römischen Informanten so grundlegend versagt, dass sich bei den römischen Autoren kaum mehr als nackte Erwähnungen finden? Hätte man viel gewusst, müsste besonders Prokop, der Zugang zu entsprechenden Quellen hatte, es auch gewusst haben. Wenn man der mazdakitischen Bewegung eine besondere Bedeutung für die Außenpolitik zuschreibt, hieße das in Konsequenz also nicht etwa nur, dass unsere Quellen dahingehend schlecht informiert waren, sondern auch, dass die römische Informationsbeschaffung ausgerechnet bei einem für das
33 Verschiedene Perspektiven, besonders zu den Konsequenzen der Bewegung: Hofmann 1877, 18; Christensen 1925; Vasiliev 1950, 256; Widengren 1961, 144; Winkler 1961, 451f.; Sundermann 1963, 14, 58f.; Verosta 1964, 597; Zaehner 1975, 188f.; Metzler 1977, 259f.; Gero 1981, 21; Gaube 1982; Russell 1986, 120f., 139; Schippmann 1990, 46–52; Crone 1991; Boyce 1992b, 142; Fowden 1993, 5; Wiesehöfer 1994a, 277–280; Rist 1996, 38; Chegini/Nikitin 1999, 42; Bausani 2000, 96–105; Boyce 2001, 130f.; Daryaee 2003a, 40–42; Shayegan 2003, 376f.; Rubin 2004, 248f., 258; Daryaee 2008a, 68f., 73; Daryaee 2009, 86– 91; McDonough 2011a, 305f.; de Blois 2012; Kreyenbroek 2013, 32f.
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römisch-sasanidische Verhältnis elementaren Thema schlecht funktioniert haben müsste. Dahingehend greift auch das Argument der geographischen Verteilung, da sich Rom und das Sasanidenreich in Mesopotamien begegnen, die Mazdakitenbewegung aber ein Phänomen des iranischen Hochlandes gewesen sein dürfte, nicht.34 Wenn es für den Westen so wichtig gewesen wäre, dass es in Ktesiphon wirksam war und ein Entscheidungsfaktor in der Außenpolitik wurde, muss es wenigstens in Ktesiphon auch umfangreich thematisiert worden sein und wäre den römischen Informanten wohl kaum verborgen geblieben. Dies bedeutet nicht, dass mazdakitische Phänomene keinen Einfluss auf die sasanidische Politik gehabt haben werden, sondern nur, dass dieser Einfluss einigermaßen schwer zu fassen gewesen sein muss, es sich also um revolutionäre Stimmungen und vielgestaltige Bewegungen handelte, die sich schlecht personalisieren oder in klar geordneten Parteien fassen ließen. Es ist und bleibt Spekulation, wie der mazdakitische Einfluss beschaffen gewesen sein mag.
34 Zur schlechten Informationslage über und der Abseitigkeit des Ostiran bei Prokop Börm 2007, 202, 221.
21.4 Quellenverzeichnis
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21.4 QUELLENVERZEICHNIS Expositio capitum admonitorium, par partitiones adornata ab Agapeto Diacono sanctissimae Die magnae ecclesiae, in: Eusebii Alexandrini Episcopi, Eusebii Emeseni, Leontii Byzantini opera quae reperiri potuerunt omnia, hrsg. v. J.-P. Migne (PG 86,1), Paris 1865, S. 1163–1186. Agathangelos. History of the Armenians, übers. u. komm. v. R. W. Thomson, Albany 1976. Agathiae Myrinaei Historiarum Libri Quinque, hrsg. v. Rudolf Keydell, Berlin 1967. Agathias. The Histories, übers. v. Joseph D. Frendo, Berlin – New York 1975. Ammiani Marcellini Rerum Gestarum libri qui supersunt, 2 Bde., hrsg. v. Wolfgang Seyfarth, erg. v. Liselotte Jacob-Karau u. Ilse Ulmann, Leipzig 1978. Ammianus Marcellinus. Das römische Weltreich vor dem Untergang, übers. v. Otto Veh, Amsterdam 1997. The Anonymous Byzantine Treatise on Strategy, hrsg. u. übers. v. George T. Dennis, in: Three Byzantine Military Treatises, hrsg, übers. u. komm. v. George T. Dennis, Washington D. C. 1985, S. 1–135. Appiani Historia Romana, 3 Bde., hrsg. v. Paul Viereck u. a., 4. Aufl. Leipzig 1962. Appian von Alexandria. Römische Geschichte, 2 Bde., übers. v. Otto Veh, Stuttgart 1987–1989. Arati Phaenomena, hrsg., eingel., komm. u. übers. v. Jean Martin, Firenze 1956. Flavii Arriani quae exstant omnia. Bd. 1. Alexandri Anabasis, hrsg. v. A. G. Roos, erg. u. korr. v. G. Wirth, Leipzig 1967. Artemii Passio, in: Die Schriften des Johannes von Damaskus, Bd. 5, hrsg. v. Bonifatius Kotter, Berlin u. a. 1988, S. 185–245. Sanctus Aurelius Augustinus. De civitate Dei, 2 Bde., hrsg. v. Bernhard Dombart u. Alfons Kalb, Turnhout 1955. S. Aureli Augustini Hipponensis Episcopi Epistulae. Pars IV, hrsg. v. Alois Goldbacher, Leipzig – Wien 1911. Sextii Aurelii Victoris Liber de Caesaribus praecedunt origo gentis Romanae et liber de viris illustribus urbis Romae subsequitur epitome de Caesaribus, hrsg. v. Franz Pichlmayr, korr. v. Roland Gründel, Leipzig 1966. Avesta. Die heiligen Bücher der Parsen, übers. v. Fritz Wolff, Strassburg 1910. The Avestan Hymn to Mithra, eingel., übers. u. komm. v. Ilya Gershevitch, 2. Aufl., Cambridge 1967. La seconde partie de lʼhistoire de Barḥadbešabba ʽArbaïa et controverse de Théodore de Mopsueste avec les Macédoniens, hrsg. u. übers. v. F. Nau, in: Patrologia Orientalis 9, hrsg. v. R. Graffin u. F. Nau, Paris 1913, S. 489–677. Chronicon miscellaneum ad annum Domini 724 pertinens, in: Chronica minora II, hrsg. v. Ernest Walter Brooks, Paris 1904, S. 77–156. The Chronography of Gregory Abûʼl-Faraj, 1225–1286, the Son of Aaron, the Hebrew Physician Commonly Known as Bar Hebraeus. Being the First Part of his Political History of the World, hrsg. u. übers. v. Ernest A. Wallis Budge, 2 Bde., London 1932. Gregorii Barhebraei Chronicon ecclesiasticum, hrsg. u. übers. v. Johannes Baptista Abbeloos u. Thomas Josephus Lamy, Bd. 3, Paris – Louvain 1877. La livre de la couronne. Kitāb at-Tāğ (Fī Ạḫlāq al-Mulūk). Ouvrage attribué a Ğāḥiẓ, übers. v. Charles Pellat, Paris 1954. Farraxvmart ī Vahrāmān. The Book of a Thousand Judgements (A Sasanian Law-Book), übers. v. Anahit Perikhanian, übers. v. Nina Garsoïan, Costa Mesa 1997. Cassiodori Senatoris Variae, hrsg. v. Theodor Mommsen (MGH AA 12), Berlin 1894. Cassii Dionis Cocceiani historarum romanarum quae supersunt, hrsg. v. Ursul Philip Boissevain, 4 Bde., Berlin 1895–1901.
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Winter, Engelbert, Die sāsānidisch-römischen Friedensverträge des 3. Jahrhunderts n. Chr. – ein Beitrag zum Verständnis der außenpolitischen Beziehungen zwischen den beiden Großmächten, Frankfurt am Main u. a. 1988. Winter 1989a = Winter, Engelbert, Legitimität als Herrschaftsprinzip. Kaiser und „König der Könige“ im wechselseitigen Verkehr, in: Drexhage, Hans-Joachim / Sünskes, Julia (Hgg.), Migratio et Commutatio. Studien zur Alten Geschichte und deren Nachleben. Thomas Pekáry zum 60. Geburtstag am 13. September 1989 dargebracht von Freunden, Kollegen und Schülern, St. Katharinen 1989, S. 72–92. Winter 1989b = Winter, Engelbert, On the Regulation of the Eastern Frontier of the Roman Empire in 298, in: French, David / Lightfoot, Christopher S. (Hgg.), The Eastern Frontier of the Roman Empire. Proceedings of a colloquium held at Ankara in September 1988. Part II, Oxford 1989, S. 555–571. Winter, Engelbert, Die Bedeutung des Grenzraumes für den diplomatischen Verkehr. Das Imperium Romanum und seine östlichen Nachbarn, in: Olshausen, Eckart / Sonnabend, Holger (Hgg.), Stuttgarter Kolloquium zur historischen Geographie des Altertums 4. 1990, Amsterdam 1994, S. 589–607. Wirth, Gerhard, Julians Perserkrieg. Kriterien einer Katastrophe, in: Klein, Richard (Hg.), Julian Apostata, Darmstadt 1978, S. 455–507. Wirth, Gerhard, Attila. Das Hunnenreich und Europa, Stuttgart 1999. Wolfram, Herwig, Waffensohn, RdGA 33, 2. Aufl., 2006, Sp. 97–102. Wood, Philip, Collaborators and Dissidents. Christians in Sasanian Iraq in the Early Fifth Century, in: Bernheimer, Teresa / Silverstein, Adam (Hgg.), Late Antiquity. Eastern Perspectives, Exeter 2012, S. 57–70. Woolf, Greg, Roman peace, in: Rich, John / Shipley, Graham (Hgg.), War and Society in the Roman World, London – New York 1993, S. 171–194. Woyke, Wichard, Außenpolitik, in: Holtmann, Everhard / Brinkmann, Ulrich / Pehle, Heinrich (Hgg.), Politik-Lexikon, München – Wien 1991, S. 45–48. Yar-Shater, Ehsan, Were the Sasanians Heirs to the Achaemenids, in: Cerulli, Enrico u. a. (Hgg.), Atti del convegni internazionale sul tema: La Persia nel medioevo, Roma 1971, S. 517–531. Zaehner, Robert Chales, Zurvan. A Zoroastrian Dilemma, New York 1972. Zaehner, Robert Charles, The Dawn and Twilight of Zoroastrianism, London 1975. Zambarbieri, Niccolò, La Persia nelle Storie di Agazia. Costruzione dellʼalterità e polemica interna, Adamantius 23, 2017, S. 263–277. Zampaglione, Gerardo, The Idea of Peace in Antiquity, übers. v. Richard Dunn, Notre Dame – London 1973. Ziche, Hartmut G., Maintenir la guerre froide „cool“. Négocier entre Constantinople et Ctésiphon au VIe siècle, in: Becker, Audrey / Drocourt, Nicolas (Hgg.), Ambassadeurs et ambassades au cœur des relations diplomatiques. Rome – Occident médiéval – Byzance (VIIIe s. avant J.-C. - XIIe s. après J.-C.), Metz 2012, S. 316–331. Ziegler, Karl-Heinz, Die Beziehungen zwischen Rom und dem Partherreich. Ein Beitrag zur Geschichte des Völkerrechts, Wiesbaden 1964. Ziegler, Karl-Heinz, Die Chimäre des internationalen Schiedsgerichts im römisch-persischen Friedensvertrag vom Jahre 562 n. Chr., Index. Quaderni camerti di studi romanistici 3, 1972, S. 427–442. Ziegler, Karl-Heinz, Tradition und Wandel im Völkerrecht der römischen Spätantike, in: Ders. / Böhm, Alexander / Lüderssen, Klaus (Hgg.), Idee und Realität des Rechts in der Entwicklung internationaler Beziehungen. Festgabe für Wolfgang Preiser, Baden-Baden 1983, S. 11–32. Ziegler, Karl-Heinz, Kriegsverträge im antiken römischen Recht, ZRG 102, 1985, S. 40–90. Ziethen, Gabriele, Gesandte vor Kaiser und Senat. Studien zum römischen Gesandtschaftswesen zwischen 30 v. Chr. und 117 n. Chr., St. Katharinen 1994.
21.5 Literaturverzeichnis
547
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548
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21.6 INDICES 21.6.1 Personen- und Kollektivnamen Abandanes............................................... 307 Abasgen .......................................... 419–424 Abramos....................... 470 (Anm. 333), 471 Abu Karib ............................ 458 (Anm. 274) Adolios, Doryphor Belisars .................... 307 Adolios, Sohn des Akakios ..................... 410 Aeetes ................................................... 426f. Aegidius ................................. 498 (Anm. 15) Aeimachos ...................................... 375, 379 Agapetos .... 80 (Anm. 7), 83 (Anm. 17), 151 (Anm. 34) Agathangelos .................................. 37, 447f. Agathias von Myrina .............191–193, 385– 389, 424–430, passim Akakios, Bischof von Amida .................. 330 Akakios, Verwandter des Amazaspes .. 409f., 436–439, 441 Albaner .................... 399f., 407,440,447,449 Alexander der Große............... 63 (Anm. 50), 108, 174, 232 (Anm. 148), 359, 377, 505 Alexandros ...............................169, 288, 304 al-Harith, Phylarch .................................. 455 al-Harith, König ........... 173, 188f., 230, 319, 456–459, 461–465, 468f., 492 al-Mundhir ..............166, 173–175, 178, 183, 188f., 201, 238, 299, 355–357, 453– 466, 469, 492, 494 (Anm. 1) Amalasuntha ........................................... 288 Amazaspes .............................................. 409 Ambazukes ........................................... 152f. Ambrus ......................... 201, 343, 465f., 469 Ammianus Marcellinus ....... 45 (Anm. 4), 61 (Anm. 50), 63–65, 66 (Anm. 58), 84 (Anm. 18), 93 (Anm. 45), 99, 100, 117, 142 (Anm. 3), 151 (Anm. 34), 234 (Anm. 153), 267 (Anm. 10), 277, 287, 313 (Anm. 50), 338 (Anm. 34), 381 (Anm. 55), 392 (Anm. 6), 394–396, 397 (Anm. 24), 398, 434 (Anm. 177), 469, 477 (Anm. 362), 504–506 Amorkesos ............................................ 467f. Anasozados ............................................. 188 Anastasios, Kaiser.............................. passim Anastasios, Gesandter ................ 175f., 340f., 347, 371–373
Anatolios ................ 38 (Anm. 11), 163, 215, 363 (Anm. 9), 364–367, 368 (Anm. 19) Andigan .................................................... 73 Andreas ................................ 446 (Anm. 229) Anonymus, Bischof von Dubios ............. 282, 325–327 Antiochos ............. 250f., 252 (Anm. 50), 253 Antoninus.......................................... 63, 287 Anzalas ................................................... 446 Appian ............................... 91, 92 (Anm. 42) Apsilier .................................. 400 (Anm. 35) Araber ................................ 450–470, passim Aratos von Soloi ............ 150, 151 (Anm. 34) Ardabourios ........... 212f., 364 (Anm. 9), 467 Ardaschir I. ............. 36, 118, 273 (Anm. 28), 475 (Anm. 352), 503 (Anm. 26) Ardaschir II. ............................. 62 (Anm. 50) Areobindos, Feldherr des 5. Jhds. ........... 213 Areobindos, Feldherr des 6. Jhds. ......... 219– 222, 441 Areobindos, Gesandter........... 329 (Anm. 13) Areobindos, Gote ................... 365 (Anm. 17) Aristokrates ............................ 334 (Anm. 23) Armenier ................. 70, 148 (Anm. 25), 155, 313 (Anm. 50), 394–398, 409–414, 416, 436–450, 460, 462, 472 (Anm. 341), 474 (Anm. 346), 492 Armonius ............................. 227 (Anm. 108) Arrian ............... 92 (Anm. 45), 392 (Anm. 6) Arsakes (Arschak) II. ............................ 394f. Arsakes, Armenier in röm. Diensten..... 442– 445 Arsakes, röm. Befehlshaber .................... 338 Artabanes ...................... 313 (Anm. 50), 411, 436–446, 460, 492 Artabanos IV.............................. 76 (Anm. 1) Artasires .......................................... 437, 441 Aspar................................ 215, 364 (Anm. 9) Aspebedes ............................................... 154 Aspetianen .............................................. 410 Asterios .................................. 287 (Anm. 82) Athanasios ...............................274, 429, 442 at-Tabari......... 36, 118, 247 (Anm. 25), 278, 286 (Anm. 76), 453 (Anm. 257), 458 (Anm. 273), 461, 476, 502 Attikos .................................................... 125
21.6 Indices Attila .................................12 (Anm. 3), 68f., 161(Anm. 88), 237 (Anm. 163), 255 (Anm. 62), 268 (Anm. 10), 289f., 313 (Anm. 50) Aurelian ................................. 381 (Anm. 55) Aurelius Victor ........................ 142 (Anm. 3) Avitus..................................... 498 (Anm. 15) Axumiten ............. 168, 289, 470–477, 491f., 495–497 Babik ....................................................... 447 Bahram II. .......... 45 (Anm. 4), 96 (Anm. 58) Bahram V. ....... 38 (Anm. 11), 123, 145, 154, 212, 357, 364–368, 453 (Anm. 257) Bahram Tschobin .................................... 108 Balasch (Blases)...................................... 147 Baradotos ....................... 220, 358 (Anm. 67) Barhad-beshabba.................... 278 (Anm. 53) Bar Hebraeus ................. 127 (Anm. 55), 216 (Anm. 34), 218 (Anm. 45), 250f., 329 (Anm. 15) Barsauma ....................... 121 (Anm. 26), 127 (Anm. 55), 330 Basilios ................................................... 221 Bassakes................................ 411f., 437, 460 Batzas................................... 461 (Anm. 288) Belisar ............................ 70, 136, 158f., 162, 167, 172, 183–186, 195 (Anm. 263), 229, 242, 254, 276, 277 (Anm. 45), 289, 307–309, 313, 319, 321, 375 (Anm. 37), 400, 402f., 408, 438, 444 (Anm. 214), 457 (Anm. 270), 463f., 497 (Anm. 13) Bersabus.................................................. 189 Bessas ............................................. 419, 424 Bleschames ............................................. 319 Bradukios ...................................... 283, 285f. Brasidas ............................... 179 (Anm. 172) Buzes ..................... 349 (Anm. 49), 411, 436 Caracalla .............................. 76 (Anm. 1), 98 Carus ............ 67 (Anm. 64), 77 (Anm. 1), 96 (Anm. 58) Cassius Dio ..... 76f. (Anm. 1), 92 (Anm. 45), 98 (Anm. 64), 392 (Anm. 6) Celer............... 154, 222, 224 (Anm. 84), 225 (Anm. 94) Chabus ................................. 461 (Anm. 288) Chanaranges ............................................ 446 Chioniten ............................. 472 (Anm. 339) Chosrau I............................................ passim Chosrau II. .............. 56 (Anm. 35), 107, 109,
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111, 183 (Anm. 196), 239 (Anm. 2), 449 Chrysaphius ........................... 313 (Anm. 50) Constans.................................................. 394 Constantius II. .................60 (Anm. 44), 64f., 100, 394, 475 (Anm. 352), 504, 505 (Anm. 32), 506 Constantius Gallus ................. 381 (Anm. 55) Corippus............... 112 (Anm. 127), 275, 442 Crassus ......... 62 (Anm. 50), 67, 76 (Anm. 1) Dagaris .................................................... 304 Dagisthaios ............................................. 419 Deitatos ................................................... 432 Demetrios................................................ 288 Dike ...................................................... 150f. Diogenes ............................................... 307f. Diomedes .............................................. 455f. Dion Chrysostomos ................. 89 (Anm. 33) Dionysios ................................................ 399 Ps.-Dionysios von Tel-Mareh 36, 218 (Anm. 45), 224 (Anm. 88), 376, 384 (Anm. 64) Diokletian .............. 11, 30, 60 (Anm. 44), 61 (Anm. 48, 50), 67 (Anm. 63), 448 Dolomiten .................... 232, 422 (Anm. 120) Dorieus................................... 334 (Anm. 23) ḏū Nuwās ............................. 470 (Anm. 333) Edeco ..................................... 313 (Anm. 50) Eirenaios ................................................. 402 Elishe ................ 37, 68, 215 (Anm. 29), 364, 399, 400 (Anm. 32–34) Endios .................................... 334 (Anm. 23) Ephraimios ............................ 349f., 355, 489 Esimiphaios ................. 470 (Anm. 333), 471 Eudokia .................................. 252 (Anm. 50) Eunapios ................................................. 276 Eunomios ................................................ 357 Euphemia .............................................. 341f. Euphemios .............................................. 399 Eusebios, Gesandter des 5. Jhds. ........... 146, 199, 300 (Anm. 14), 301, 453 Eusebios, Gesandter des 6. Jhds. ............ 201 Eusebios von Kaisareia ........... 85 (Anm. 20), 89 (Anm. 33), 92 (Anm. 44), 120 Eutharich ................................ 258 (Anm. 72) Eutropius, Eunuch.................. 276 (Anm. 37) Eutrop, Historiker .................... 65 (Anm. 58) Evagrius ......................... 121 (Anm. 26), 136 (Anm. 1), 197 (Anm. 269), 212 (Anm.
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15), 259, 355 (Anm. 58), 380 (Anm. 52), 381 (Anm. 55), 434 (Anm. 177), 469 Franken .................... 72, 249 (Anm. 35), 319 (Anm. 66), 381 (Anm. 55) Gabalas ................................................... 456 Gaius Caesar ...... 76 (Anm. 1), 92 (Anm. 45) Geiserich ........................ 287, 498 (Anm. 15) Georgios Kedrenos ................................. 250 Germanos .........................176, 345, 349, 445 Ghassaniden ......................... 451 (Anm. 254) Glones ............................ 154, 226 (Anm. 96) Gontharis ..... 313 (Anm. 50), 437–439, 441f. Goten .................. 45 (Anm. 4), 69–72, 174f., 181, 183, 258 (Anm. 72), 274, 281f., 288f., 291, 308, 313, 383 (Anm. 61), 412, 416, 434 (Anm. 177), 446f., 460, 463 Gregorios, Patriarch von Antiocheia....... 121 (Anm. 26) Gregorios, Neffe des Artabanes .............. 436 (Anm. 181), 437f., 440 Gubazes I. ............................................. 398f. Gubazes II. ....... 280 (Anm. 58), 313f., 322f., 385–388, 400 (Anm. 35), 416–419, 422–427, 429 Gûhaschtazâd .......................................... 119 Gurgenes ............. 164, 334 (Anm. 23), 402f., 406, 412f., 416f. Gusanastades........................................... 147 Hamza al-Isfahani ......... 247 (Anm. 25), 252, 503 (Anm. 24) Hellestheaios ......................................... 470f. Hephthaliten ...... 38 (Anm. 11), 79 (Anm. 4), 146–150, 152, 154, 296f., 299–301, 316, 358, 369, 371 Herakleios ................ 41, 56 (Anm. 35), 109– 111, 286 (Anm. 76), 321 (Anm. 71), 327 (Anm. 6), 498 Hermogenes .......................... 158 (Anm. 78), 159, 162, 167–169, 280, 302, 304, 306, 494 (Anm. 1), 495 (Anm. 3), 496, 497 (Anm. 12), 498, 499 (Anm. 18) Herodian .... 76 (Anm. 1), 98, 506 (Anm. 32) Herodot .. 392 (Anm. 6), 502 (Anm. 23), 505 Heruler ................... 308, 383 (Anm. 61), 434 (Anm. 177) Hezidus ................................ 461 (Anm. 288) Himyariten ...... 17, 168, 391, 470–479, 491f. Honoria .................................. 255 (Anm. 62)
Honorius ........................ 240, 243 (Anm. 16) Hormizd IV. ... 73, 109, 118, 205 (Anm. 322) Hunnen.............. 12 (Anm. 3), 63 (Anm. 51), 68f., 104f., 148, 151–153, 164, 169, 173, 178f., 209, 215, 219, 222 (Anm. 72), 227, 237, 268 (Anm. 10), 290, 297f., 300 (Anm. 13), 302, 319, 330 (Anm. 16), 364 (Anm. 9), 370 (Anm. 27), 398f., 401f., 404f., 415 (Anm. 89), 420, 434f. (Anm. 177), 446f., 460, 462f., 472 (Anm. 341), 495 (Anm. 3) Hydatius von Aquae Flaviae ................... 498 Hypatios, Neffe des Anastasios ............. 219, 316–318 Hypatios, römischer Bischof................... 288 Iberer................ 157, 170, 304, 307, 331, 334 (Anm. 23), 402–406, 413, 416f., 440 Isaurier . 215, 364 (Anm. 9), 434 (Anm. 177) Isdigusnas .... 188f., 191, 193–196, 199–201, 269, 273, 282–286, 312, 465 Isoyahb von Arzoun ............... 121 (Anm. 26) Isoyahb von Gdala ................... 327 (Anm. 6) Jafniden ................................ 451 (Anm. 254) Jakobos ................................................. 358f. Johannes, Gesandter des 6. Jhds. ........... 176, 349, 429 Johannes, Bruder des Rustikos .... 280 (Anm. 58), 424f. Johannes, Feldherr des 6. Jhds. .............. 314, 385, 429 Johannes, Aufständischer des 6. Jhds. .. 408f. Johannes, Vater des Artabanes ....... 411, 436 Johannes, Bruder des Artabanes ............. 437 Johannes, Doryphor des Belisar.............. 463 Johannes, Sohn des Lukas ...................... 454 Johannes Guzes ....................................... 446 Johannes der Kappadoker ....................... 408 Johannes Lydos ....................................... 157 (Anm. 73), 219 (Anm. 54), 227 (Anm. 108), 384 (Anm. 64) Johannes Malalas ................................ 17, 36 (Anm. 2), 65 (Anm. 58), 105–107, 117, 162 (Anm. 90), 213 (Anm. 22), 251f. (Anm. 50), 257, 280 (Anm. 60), 289f., 355–357, 365 (Anm. 17), 380f. (Anm. 55), 400–402, 435 (Anm. 177), 455f., 474–476, 494–500, 505 Johannes Troglita .................................... 275 Johannes Tzetzes ..................... 392 (Anm. 6) Johannes Tzibos .............................. 413, 474
21.6 Indices Johannes von Ephesos ..... 36, 71 (Anm. 75), 156 (Anm. 54), 218 (Anm. 45) Johannes von Nikiu ...................... 105 (Anm. 95), 381 (Anm. 55), 401 (Anm. 41), 435 (Anm. 177) Johannes von Tella................... 209 (Anm. 7) Johannes Zonaras .....................250, 504, 506 Ps.-Josua Stylites ..............36, 137, 216–228, 409 (Anm. 58) Jovian ................. 65, 66 (Anm. 58, 60), 100f. Julian Apostata............. 61, 62 (Anm. 50), 63 (Anm. 50, 53), 65 (Anm. 58), 66f., 100–102, 109, 142 (Anm. 3), 232 (Anm. 148), 309 (Anm. 33) Julianos, Gesandter des 6. Jhds. ..... 176, 349, 460, 471, 474, 476, 495 (Anm. 8) Julianos Sabaron .................... 380 (Anm. 55) Justasas .................................. 380 (Anm. 55) Justinian ............................................. passim Justin I..... 16, 154, 156, 240, 242 (Anm. 12), 247, 253–262, 315–318, 334 (Anm. 23), 381 (Anm. 55), 400–402, 406, 431, 475 (Anm. 352), 478 (Anm. 369), 485f., 494 (Anm. 1), 495 (Anm. 3), 496 Justin II. ......... 109, 111, 121 (Anm. 26), 158 (Anm. 76), 201 (Anm. 297), 466, 469 Kaisos ..................................................... 471 Kandidos ............................... 176, 341, 343f. Kaoses ..................................................... 302 Kardarigan ........................... 205 (Anm. 322) Kardēr .................................... 123 (Anm. 41) Kartvelier ................................................ 449 Kawadh I.............. 103, 105f., 136, 146–158, 162–171, 176, 182f., 209, 216–226, 234, 240, 242 (Anm. 12), 253, 254, 256, 258–261, 296–299, 302–306, 315– 318, 332, 334, 341, 356–359, 365, 369, 371f., 400–404, 406, 408, 409 (Anm. 58), 453–455, 458, 476, 485f., 494 (Anm. 1), 495 (Anm. 3) Kawadh II. .............................................. 110 Kerykos ................................................... 402 Khasaren ................................................. 450 Kidariten ................................................. 398 Kinda ....... 450 (Anm. 254), 461 (Anm. 288) Kokkas .................................................... 446 Kolcher ........... 314, 386, 392 (Anm. 6), 399, 419, 432 Konstantianos ....................................... 325f. Konstantin I. ...........85 (Anm. 20), 99, 120f.,
551
127 (Anm. 60), 131 (Anm. 75), 132 (Anm. 77), 448 Konstantin Manasses .............................. 251 Konstantin Porphyrogennetos ................ 11f., 90 (Anm. 34), 260 (Anm. 12), 270 (Anm. 13, 15–19), 271 (Anm. 21–25), 274 (Anm. 32), 276, 302 (Anm. 21) Kosmas Indikopleustes ........ 473, 475 (Anm. 352) Kyrill von Skythopolis ......... 456 (Anm. 266) Kyros der Große .............. 98 (Anm. 65), 174 Kyros ..................................... 381 (Anm. 55) Labroios ................................... 494 (Anm. 1) Lazar Parpetsi ........ 37, 300 (Anm. 15), 449f. Lazen ................... 157, 183, 191, 199f., 231, 290, 313f., 324, 385–389, 398–403, 405, 413–433, 435, 440, 492, 495–497 Leo I............................. 381 (Anm. 55), 467f. Leo II. .................................... 381 (Anm. 55) Libanios ...........................62 (Anm. 50), 65f. (Anm. 58), 89 (Anm. 33), 142 (Anm. 3), 276 (Anm. 37) Liberios ................................................... 445 Lucius Verus .............................. 76 (Anm. 1) Maddenen .................... 450 (Anm. 254), 471 Majorian.................................................. 287 Malchus ....................... 126 (Anm. 50), 467f. Malechus Podosacis ............. 434 (Anm. 177) Mar Aba .................................................. 123 Marcellinus Comes ................. 142 (Anm. 3), 212 (Anm. 18), 215, 224, 225 (Anm. 94), 227 (Anm. 108), 408 (Anm. 57), 461 (Anm. 288) Marcian .......................... 399, 498 (Anm. 15) Marcus Antonius ........................ 76 (Anm. 1) Maria........................................ 239 (Anm. 2) Mar Saba ................................ 121 (Anm. 26) Mar Simon ...................................... 119, 123 Martinos .......... 72, 186, 192, 280 (Anm. 58), 309–311, 331f., 334, 424, 429, 432 Marutha ................................. 250f., 329, 333 Maurikios ......... 56 (Anm. 35), 107–109, 239 (Anm. 2), 397 (Anm. 25), 449 Maurusier ............... 275, 308, 312 (Anm. 43) Maximinos .............................................. 467 Mazdakiten ...............18, 115, 136, 256, 318, 319 (Anm. 66), 398, 507f. Mebodes, Satrap .................. 205 (Anm. 322) Mebodes, Gesandter Kawadhs ........ 316–318 Megas...............................176, 345–354, 489
552
21 Anhänge
Menander Protektor ............................ 35, 41 (Anm. 5), 42 (Anm. 6), 68, 72f., 117, 129 (Anm. 66), 135, 136 (Anm. 1), 138f., 142 (Anm. 3), 157, 193–205, 227f., 232 (Anm. 147), 272 (Anm. 28), 284 (Anm. 70), 287 (Anm. 82), 289– 292, 314, 315 (Anm. 52–54), 336 (Anm. 28), 402, 431–433, 450, 463, 465 (Anm. 304–307), 466, 469, 474, 475 (Anm. 350), 495 Menas....................................... 84 (Anm. 17) Mermeroes ............................ 231, 277, 422f. Mihr/Mithra ....... 80f., 83 (Anm. 17), 97, 161 Mihr-Narseh ............................................ 449 Mihrschapur ............................................ 123 Misimianen ..................................... 232, 429 Mithridates IV. ......................... 72 (Anm. 80) Mohammed .............................. 98 (Anm. 65) Moses von Choren ............................ 37, 449 Moses Daxsuranci ..................... 37, 447, 450 Muhammad Schah .................................. 370 Musel .............................................. 396, 449 Naaman ................................................... 217 Nabedes .... 282, 325f., 400 (Anm. 35), 420f. Nachoragan ............................. 72, 192f., 232 Nadir Schah ............................................ 370 Narsaios ................................................ 212f. Narseh ...................................... 61 (Anm. 48) Narses, Würdenträger des 5. Jhds. .......... 218 (Anm. 18), 252 (Anm. 50) Narses, Feldherr des 6. Jhds.................... 383 (Anm. 61), 446 Narses, pers. Bürger ............... 278 (Anm. 53) Nasriden ... 452 (Anm. 255), 457 (Anm. 269) Nero ............. 392 (Anm. 6), 473 (Anm. 341) Nikeas .................................... 380 (Anm. 55) Nikephoros Kallistos Xanthopoulos ....... 251 Nomalios ................................................. 467 Nonnosos ..................... 474 (Anm. 349), 476 (Anm. 356), 495 (Anm. 8) Norodares............................. 234 (Anm. 153) Numerianus .............................. 96 (Anm. 58) Nur Bai ................................................... 370 Odaenathus ................................ 76 (Anm. 1) Olympiodor ................289f., 461 (Anm. 288) Olympios ....................... 224, 225 (Anm. 90) Opsites ................................... 400 (Anm. 35) Orosius ............... 65 (Anm. 58), 67, 102, 142 (Anm. 3), 392 (Anm. 6) Paetus ....................................... 73 (Anm. 85)
Pakurios ....................... 147f. (Anm. 25), 155 Pap ..................... 313 (Anm. 50), 395f., 397 (Anm. 24), 447, 449 Parthamasiris ............................. 76 (Anm. 1) Parther..................... 14 (Anm. 10), 15 (Anm. 11), 59, 62 (Anm. 50), 67, 72 (Anm. 80), 75f. (Anm. 1), 77, 90, 92 (Anm. 45), 98, 234 (Anm. 154), 237 (Anm. 161) Patrikios ...................................154, 219, 223 Paul von Nisibis .......................121, Anm. 26 Paulos............ 186, 309, 311, 331, 345, 347f. Peranios ........................................ 331, 333f. Peroz, Märtyrer ....................................... 123 Peroz, Mirrhanes ............ 158 (Anm. 78), 159 Peroz I. .................... 38 (Anm. 11), 84 (Anm. 17), 127 (Anm. 55), 146f., 199, 299– 301, 330 (Anm. 17), 332, 369, 370f., 399f., 453, 473 (Anm. 341) Petros, sarazenischer Bischof ................. 467 Petros, Feldherr des 6. Jhds. ........ 331, 333f., 402, 413 Petros Patrikios ......................................... 42 (Anm. 6), 60 (Anm. 44), 61 (Anm. 48, 50), 76f. (Anm. 1), 98, 99 (Anm. 73), 188, 194–196, 199–201, 204, 269, 273f., 289, 291f., 302 (Anm. 21), 312 (Anm. 43), 381 (Anm. 55), 432f., 465f., 504–506 Phabrizios ............................................... 417 Pharsanses ..................................... 313, 417f. Phartazes ................................................. 427 Philippikos ........................... 205 (Anm. 322) Philostorgios .................... 65 (Anm. 58), 475 (Anm. 352) Flavius Philostratos .......... 89 (Anm. 33), 392 (Anm. 6) Phokas ...................................... 56 (Anm. 35) Phraates III. .............................. 72 (Anm. 80) Phraates IV. ............................... 76 (Anm. 1) Phraates V. ............................... 92 (Anm. 45) Plinius Secundus ................ 89 (Anm. 33), 92 (Anm. 45), 392 (Anm. 6) Plutarch .............................. 62 (Anm. 50), 72 (Anm. 80), 76 (Anm. 1), 89 (Anm. 33), 300 (Anm. 14) Pompeius Magnus ...................... 76 (Anm. 1) Pompeius Trogus ..................... 92 (Anm. 45) Preiekta ......................................... 441f., 444 Priskos von Panion ................... 12 (Anm. 3),
21.6 Indices 68f., 126 (Anm. 50), 237 (Anm. 163), 289f., 313 (Anm. 50), 398f., 467 Probus ........................................ 45 (Anm. 4) Procopius ................. 277, 287, 293 (Anm. 1) Proklos .......................... 151 (Anm. 34), 156, 254f., 257–259, 315f. Prokop von Kaisareia ......................... passim Pulcheria ................................ 252 (Anm. 50) Ragnaris .................................................. 446 Rekinarios ................................186, 309–311 Romulus .................................................... 68 Rufinus von Aquileia .............65f. (Anm. 58) Rufinos......................... 162–164, 169, 217f., 221, 304–306, 316–318, 349, 454, 494 (Anm. 1), 495 (Anm. 3), 496 Rustikos ............... 280 (Anm. 58), 314, 385– 388, 424f., 429 Sabiren .................. 105, 191, 231f., 418, 421 (Anm. 120), 422 Sarazenen ................ 17, 104, 126 (Anm. 50), 173, 179, 189, 202, 212f., 215, 217, 219f., 222f., 226, 238 (Anm. 167), 343, 362 (Anm. 7), 390f., 393, 434 (Anm. 177), 450–477, 491f. Schapur I. ................ 60 (Anm. 46), 61 (Anm. 48), 67 (Anm. 63), 76 (Anm. 1), 131 (Anm. 76), 342 (Anm. 39), 377 Schapur II.................... 62 (Anm. 50), 63–65, 100, 119–123, 127 (Anm. 60), 338 (Anm. 34), 394f., 504f. Schapur III. ........................................... 102f. Sebeos .............. 37, 53, 110 (Anm. 119), 397 (Anm. 25), 439 (Anm. 194), 449 Seoses ......................................148, 316–319 Sergios, Gesandter des 6. Jhds. .... 325f., 357, 494 (Anm. 1) Sergios, Dolmetscher ..... 365, 502 (Anm. 22) Sergios, Befehlshaber des 6. Jhds. .......... 312 (Anm. 43) Sergios, Heiliger ..................................... 341 Shahrbaraz ... 286 (Anm. 76), 321 (Anm. 71) Sharwin Barniyan ................................... 252 Sittas .............. 70, 229, 280, 302, 407, 410f., 430, 436–439, 441 Skythen ............................ 392 (Anm. 6), 473 Slawen .................................................... 111 Sokrates Scholastikos ............................... 63 (Anm. 50), 65 (Anm. 58), 85 (Anm. 20), 142 (Anm. 3), 212 (Anm. 15), 213f., 241 (Anm. 8), 248, 329f.
553
Solomon .................................................. 436 Sozomenos ...... 65 (Anm. 58), 85 (Anm. 20), 241 (Anm. 10), 248, 309 (Anm. 33) Stephanos .................................332–335, 337 Strabon ............. 90 (Anm. 35), 92 (Anm. 45) Strategios ......... 173, 460, 463, 494 (Anm. 1) Suanen .....................................199–201, 432 Summos ................................ 173, 460, 462f. Surenas............................................ 199, 201 Surener .....................................338–341, 371 Symeon ................................................... 409 Symeon Stylites d. J. ............ 456 (Anm. 266) Synesios von Kyrene ....... 89 (Anm. 33), 252 (Anm. 50) Taizanes ......................... 355, 356 (Anm. 61) Terentius ................................................. 396 Tetraxitische Goten ................................. 291 Themistios ....... 65 (Anm. 58), 89 (Anm. 33) Theodahat ....................................... 274, 288 Theodora, Kaiserin ...................... 319f., 442, 494 (Anm. 1) Theodora, Frau des Opsites ... 400 (Anm. 35) Theodoret von Kyrrhos ........... 65 (Anm. 58), 85 (Anm. 20), 214 (Anm. 23), 248, 357 Theodoros ............................................... 430 Theodosius I. .............. 102f., 126 (Anm. 50), 142 (Anm. 3) Theodosius II. ......... 16, 126 (Anm. 50), 145, 149, 154, 156, 212, 214 (Anm. 23), 239–256, 258, 268 (Anm. 10), 315, 329f., 364–368, 381, 453 (Anm. 257), 467, 469, 485f. Theophanes ........................... 105 (Anm. 95), 212f., 216 (Anm. 33–35), 217 (Anm. 40–42), 218 (Anm. 48), 219 (Anm. 50, 54), 220 (Anm. 59), 222 (Anm. 74), 224 (Anm. 83, 89), 226, 228, 250, 251 (Anm. 48), 252 (Anm. 50), 259 (Anm. 76), 290 (Anm. 93), 329 (Anm. 15), 364 (Anm. 9), 402 (Anm. 42), 435 (Anm. 177), 456, 476, 498 (Anm. 14) Theophobios ................................... 191, 422 Theophylaktos Simokates ..................... 107– 109, 192 (Anm. 90), 197 (Anm. 270), 205 (Anm. 322) Thomas, Gesandter des 6. Jhds. ..... 169, 304, 337 (Anm. 29) Thomas, a secretis, Arzt Justinians......... 337 (Anm. 29) Thomas, Bischof von Apameia ..... 355, 375f.
554
21 Anhänge
Thomas, Autor ......................... 84 (Anm. 17) Thomas, Heiliger .................................... 357 Thukydides ...................... 95 (Anm. 57), 179 (Anm. 172), 275 (Anm. 33), 298 (Anm. 9), 334 (Anm. 23), 415 (Anm. 88), 427 (Anm. 150), 472 (Anm. 340) Tiberius II. ................... 41 (Anm. 5), 73, 197 (Anm. 269f.), 204 Tigranes II................................ 72 (Anm. 80) Timostratos ............................................. 454 Tiridates ................................................ 447f. Totila.... 381 (Anm. 55), 383 (Anm. 61), 446 Traianus, Befehlshaber in Armenien ...... 396 Traianos, Dorpyhor des Belisar .............. 463 Trajan, Kaiser . 59 (Anm. 39), 66 (Anm. 58), 76 (Anm. 1) Tribunos ................................ 187, 312, 335f. Türken ....... 88 (Anm. 28), 94 (Anm. 51), 97, 111, 289 (Anm. 92) Tyche ...................................................... 453 Tzanen ............. 162, 215, 364 (Anm. 9), 391 (Anm. 3), 407, 429–431 Tzath ................. 388f., 427, 428 (Anm. 154), 429, 432 Uranios......... 329 (Anm. 13), 385 (Anm. 66) Valens ....... 45 (Anm. 4), 102, 142 (Anm. 3), 396 Valerian, Kaiser ......................... 76 (Anm. 1) Valeriana ................................ 400 (Anm. 35) Valerianos, röm. Befehlshaber ............... 282, 325–327 Vandalen ................. 69, 171f., 175, 181, 233
(Anm. 149), 237 (Anm. 163), 275, 287, 307f., 446 Vasak ...................................................... 395 Vespasian ................................... 77 (Anm. 1) Vitalian ................................................... 213 Vitellius ..................................... 77 (Anm. 1) Vologaeses I. .... 73 (Anm. 85), 77 (Anm. 1), 161 (Anm. 89) Vologaeses IV. ........................... 76 (Anm. 1) Wittigis ........................................... 281, 460 Yazdgard I. ..................... 16, 123 (Anm. 34), 126f., 145, 149, 150 (Anm. 34), 153– 156, 239–261, 315, 329, 330 (Anm. 16), 364–366, 449, 453 (Anm. 257), 485f. Yazdgard II. ........................... 122 (Anm. 34) Yohannan ............................... 122 (Anm. 34) Zaberganes .................................... 319f., 331 Zacharias .......................... 73, 336 (Anm. 28) Pseudo-Zacharias Rhetor ........137, 216–226, 228, 335 Anm. 25), 408 (Anm. 57), 416 (Anm. 94) Zenobia .................................. 381 (Anm. 55) Zenon .............................................. 369, 475 Zilgibis ........... 105, 259 (Anm. 76), 401, 434 (Anm. 177), 495 (Anm. 3) Zosimos .... 65 (Anm. 58), 76 (Anm. 1), 117, 276, 381 (Anm. 55), 469 Ztathios ............ 400–402, 431, 495 (Anm. 3)
21.6.2 Orte Adrianopel ... 44f. (Anm. 4), 434 (Anm. 177) Adulis.................................................... 473f. Ägypten .......... 56 (Anm. 35), 110, 392, 454, 472, 476, 478 (Anm. 369), 491 Äthiopien ....................................... 392, 470, 472, 473 (Anm. 341), 477 (Anm. 365), 491, 500 Africa ........................... 436 (Anm. 181), 437 Airarat .................................... 397 (Anm. 26) Akanthos .............................. 179 (Anm. 172) al-Hira ....................362 (Anm. 7), 458, 476f. Amida ............. 151–155, 216–220, 223–226, 287, 330, 358 Ammodius............................................... 219
Antiochia ................................ 38 (Anm. 11), 103, 121 (Anm. 26), 176f., 178 (Anm. 172), 180f., 183, 186, 194f., 216 (Anm. 34), 218 (Anm. 43), 230, 235, 290 (Anm. 93), 342 (Anm. 39), 345–357, 372, 374f., 377, 381 (Anm. 55), 382, 384, 489f., 496f., 499 Apameia ................ 38 (Anm. 11), 355, 375f., 378, 380 Arabia Petraea......................................... 467 Arabien ............. 17, 31, 36, 37 (Anm. 6), 41, 110f., 115 (Anm. 2), 120 (Anm. 21), 209, 223, 256 (Anm. 64), 272 (Anm. 28), 291, 321 (Anm. 71), 390–393,
21.6 Indices 450f. (Anm. 254), 452 (Anm. 255), 455, 456, 458, 461 (Anm. 287), 467f., 470, 472 (Anm. 341), 473, 474 (Anm. 346), 375 (Anm. 352), 477, 478 (Anm. 368f.), 479 (Anm. 372), 491f., 502 Archaiopolis .......................................... 231f. Armenien ............................... 14, 40–42, 49, 56 (Anm. 35), 58, 60 (Anm. 45), 61, 61 (Anm. 51), 64, 66f., 72 (Anm. 80), 76 (Anm. 1), 99, 101–103, 112, 124, 142 (Anm. 3), 148 (Anm. 25), 162, 166, 202, 229, 234 (Anm. 153f.), 319, 325, 364 (Anm. 9), 391 (Anm. 3), 393 (Anm. 8), 395–398, 407, 409 (Anm. 61), 410, 430, 435–452, 472 (Anm. 341), 474 (Anm. 346), 477 (Anm. 365), 478 (Anm. 369), 480f., 504–506 Arzanene ................................. 212, 214, 330 Assyrien ................... 87 (Anm. 24), 230, 457 (Anm. 270) Athen ........ 179 (Anm. 172), 275 (Anm. 33), 334 (Anm. 23), 415 (Anm. 88) Axum ............. 17, 168, 289, 470–479, 491f., 495–497 Bahsirwan/Bajarwan ............................... 252 Batnae .................. 222, 226, 234 (Anm. 153) Beroia....... 230, 345, 346, 348, 350–355, 489 Beth Hur ................................ 215 (Anm. 29) Beth Selok .............................. 122 (Anm. 34) Beth Lapat ............................................... 127 Bezabde ................................. 338 (Anm. 34) Biraparakh............................ 227 (Anm. 108) Birthon .................................................... 227 Bolon .......................................162, 169, 304 Bosporos ................................................. 402 Britannien ................................ 90 (Anm. 35) Callinicum............. 185, 222, 229f., 459, 462 Carrhae............................................ 217, 220 China .................. 56 (Anm. 34), 79 (Anm. 4) Chosroantiocheia ............. 38 (Anm. 11), 384 Daphne .......................................... 375, 378f. Daras .................. 104, 152f., 157f., 159, 161, 163f., 168–170, 175, 179–183, 185, 187, 203, 227, 229f., 235, 283–285, 294, 297, 304, 307, 312, 408, 475 Delhi ....................................................... 370 Diacira ......... 61 (Anm. 50), 434 (Anm. 177) Dubios ........................... 185, 230, 282, 325f. Edessa ................................................ 63, 96,
555
97 (Anm. 59), 185f., 217, 219, 221, 226, 230, 309–311, 331–335, 383f., 395 Ekeghikh ................................ 397 (Anm. 26) Endielon .................................................. 358 Euphratesia ............................................. 229 Europos ........................................... 227, 307 Fidenae..................................... 61 (Anm. 50) Gallaecia ................................ 498 (Anm. 15) Hatra .................................. 96, 97 (Anm. 59) Helenopolis ............................................. 270 Hierapolis................ 209 (Anm. 4), 222, 345, 347f., 352–354 Hileia ........................................................ 63 Himyar ................. 470 (Anm. 333), 471, 472 (Anm. 340), 473 (Anm. 341), 477 (Anm. 365) Iberien .............................164, 171, 192, 199, 334 (Anm. 23), 403f., 406, 415 (Anm. 89), 416–418, 432, 462 Indien ...................... 56 (Anm. 34), 370, 392, 472 (Anm. 339f.), 474 (Anm. 346), 475 (Anm. 352), 491 Iotabe ........................... 467, 469 (Anm. 322) Jerusalem ........................................ 183, 186 Caesarea ................................. 380 (Anm. 55) Caesarea in Kappadokien...... 342 (Anm. 39), 395 Kappadokien ................ 234 (Anm. 154), 342 (Anm. 39), 475 (Anm. 352) Karthago .................................. 61 (Anm. 50) Kaspische Tore .......................104, 151–153, 157, 163f., 166 (Anm. 104), 168–170, 179f., 202, 298, 304 Kaukasus ....... 56 (Anm. 35), 157 (Anm. 73), 188, 209, 236, 390, 392, 399, 404 (Anm. 46), 408, 410, 420, 424, 472f., 474 (Anm. 346), 477, 491f. Kolchis ............ 190, 193, 255, 258, 387, 398, 399, 426 Konstantine/Constantina ...........70, 169, 217, 219f., 304, 358f. (Anm. 67) Konstantinopel ................................... passim Ktesiphon .......... 67 (Anm. 64), 76 (Anm. 1), 100 (Anm. 77), 120 (Anm. 21), 269, 272, 374, 458, 508 Lazika/Lazien ......... 169, 171, 183, 187–193, 197–200, 231, 234–236 (Anm. 159), 280 (Anm. 58), 286, 288, 304, 304f., 307, 313, 316, 318f., 321, 388, 398f.,
556
21 Anhänge
402f., 405, 413, 416–418, 420–422, 424, 425 (Anm. 139), 427, 429, 431– 433, 435 (Anm. 178), 446, 462, 474 (Anm. 346) Leptis Magna ......................... 312 (Anm. 43) Libyen ......................................... 438f., 441f. Makedonien .................................... 504, 506 Martyropolis ............168, 229, 278, 302, 305 Melitene .................................................. 217 Mesopotamien............56 (Anm. 34f.), 64, 66 (Anm. 59), 90 (Anm. 35), 96, 120 (Anm. 21), 128, 162, 165 (Anm. 103), 166, 169, 183, 185, 188, 213, 223, 229f., 234–237, 268 (Anm. 10), 277, 302, 377 (Anm. 46), 391 (Anm. 3), 452 (Anm. 255), 454f., 472 (Anm. 341), 474 (Anm. 346), 478 (Anm. 369), 504f., 508 Minduos ...........................157, 163, 166, 229 Mittelmeer....... 38 (Anm. 11), 181, 375–377, 469 (Anm. 322), 473 Mucheisiris ............................................. 192 Nablus .................................... 380 (Anm. 55) Neapel .................................... 383 (Anm. 61) Nesos ...................................................... 232 Ninive .................................. 110 (Anm. 121) Nisibis ....... 59, 60 (Anm. 45), 61 (Anm. 50), 65, 66 (Anm. 58f.), 98f., 100 (Anm. 77), 101, 102 (Anm. 84), 112 (Anm. 128), 121 (Anm. 26), 152, 157 (Anm. 73), 159, 183, 213f., 215 (Anm. 29), 219, 224, 230, 272 (Anm. 28), 304, 319, 330, 364 (Anm. 9), 409 (Anm. 58), 465, 475, 505 (Anm. 31), 506 Oktabe ..................................................... 229 Olympia ..... 179 (Anm. 172), 334 (Anm. 23) Onoguris ................................................. 231 Opadna .................................................... 219 Ozogardana .............................. 62 (Anm. 50) Palästina ............... 230, 335, 458 (Anm. 274) Palmyra .............. 96, 97 (Anm. 59), 209, 381 (Anm. 55) Persarmenien...................152, 162, 164, 185, 282, 297, 325, 407, 446, 472 (Anm. 341), 474 (Anm. 346) Petra ..................... 183, 189, 230f., 236, 319, 354 (Anm. 56), 413, 421 (Anm. 120), 446, 474 Pharangion .......... 162, 169, 175 (Anm. 152), 304, 409, 412
Phasis, Stadt .................................... 193, 232 Phasis, Fluss............. 277, 392 (Anm. 6), 407 Phönikien ................................................ 455 Pirisabora ................................. 62 (Anm. 50) Ramlah .................................................. 477f. Rotes Meer ................ 469 (Anm. 322), 473f., 477, 478 (Anm. 369), 492 Samosata ................................................. 219 Sarapa ..................................................... 433 Schwarzes Meer ............ 125 (Anm. 46), 183, 187, 192f., 235f., 407, 415, 417, 421, 432, 472f., 477, 492 Seleukeia ........... 38 (Anm. 11), 76 (Anm. 1), 375, 384 Sergiopolis .................... 176, 230, 341, 343f. Singara ...................................................... 63 Sisauranon ...................................... 230, 319 Skandeis .................................................. 433 Sparta ........................... 179 (Anm. 172), 275 (Anm. 33), 334 (Anm. 23), 427 (Anm. 150) Strata ........................ 175, 459, 461–463, 492 Suania ............. 42 (Anm. 6), 199f., 204, 315, 431–433 Südarabien .................17, 291, 391, 470, 474 (Anm. 346), 477, 478 (Anm. 369), 479 (Anm. 372), 491 Südkaukasusraum .......................... 422, 424, 428, 431–433, 439f., 452, 456, 457, 470, 473 (Anm. 342), 474, 477f., 491– 493 Sura ................ 176, 230, 338, 340, 342, 346, 371, 373 Syrakus ................................................... 275 Syrien ............................. 36, 37 (Anm. 9), 62 (Anm. 50), 66 (Anm. 60), 96, 126, 181 (Anm. 179), 234 (Anm. 154), 241 (Anm. 10), 328, 345f., 450f. (Anm. 254), 473 (Anm. 341), 478 (Anm. 369) Taprobane ........................ 89 (Anm. 33), 473 Tarsus..................................... 342 (Anm. 39) Theodorias .............................................. 430 Theodosiopolis.............. 153, 214 (Anm. 23), 216f., 219, 298, 357, 409 Tracheia .................................................. 420 Trapezunt ................................................ 192 Uthimereus...................................... 191, 422 Veii .......................................... 61 (Anm. 50)
21.6 Indices
557
21.6.3 Konzepte Achämenidenerbe ............. 18, 95 (Anm. 56), 99 (Anm. 73), 501–507 Adoption ..... 155f., 239–262, 316–318, 485f. Akteure und Aktionen .............. 17, 25 (Anm. 27), 26, 44–47, 50, 135, 324–327, 337f., 357–359 Anoikumene ................................ 83, 93, 481 Archäologie der Perserkriege Prokops.. 145– 158, 163 (Anm. 99), 240, 296, 299, 363–371, 402, 482, 490 Augen der Welt ................ 61 (Anm. 48), 107 Außenpolitik .................. 12f., 15, 19–28, 30, 32f., 44, 46, 60 (Anm. 45), 75 (Anm. 1), 86 (Anm. 22), 100, 109, 112, 117, 122 (Anm. 28), 124–127, 146, 164, 169, 318, 339, 480, 498, 507f. bellum iustum ................... 85 (Anm. 19), 256 Bruderanrede /Brüderlichkeit......... 80 (Anm. 10), 82, 95–97, 100, 103–112, 126f., 163, 175, 178, 199, 239 (Anm. 2), 246, 249 (Anm. 35), 255 (Anm. 58), 257, 261, 296f., 448, 466, 481, 499 coercive diplomacy ............ 23 (Anm. 19), 50 cultural diplomacy ............ 20 (Anm. 8), 330, 385 (Anm. 66) dark arts .................... 17, 23 (Anm. 19), 188, 293–323, 487 Deal ..................... 144, 164f., 181, 197, 201, 204, 206, 221, 236, 306, 406, 483, 502 Dialogmetapher der Diplomatie ................ 25 Diplomatiegeschichte.......... 11 (Anm. 1), 13, 19–21, 28f., 40, 480 Diplomatietheorie .................. 16, 19–21, 29, diplomatisch ............................................ 22f. Deportation ..................218 (Anm. 43), 384f. (Anm. 66), 417f. Drittakteure ...............17, 135, 315, 324–327, 337–359, 488–490 Eide und Schwüre ................ 79, 81–83, 103, 148 (Anm. 25), 174, 177, 179 (Anm. 172), 200, 244, 300, 341, 434 (Anm. 177) Einfallskrieg ..... 219, 233, 238, 406, 484, 491 Epochengrenzen ............................ 18, 40–43 Eranshahr .......................................... 94f., 97 Erster Vertrag von Nisibis ....... 59, 61 (Anm.
50), 66, 98f., 101 (Anm. 80), 102 (Anm. 84), 112 (Anm. 128), 505 (Anm. 31), 506 Ewiger Frieden.......................... 70, 107, 132 (Anm. 78), 169–173, 180, 205 (Anm. 322), 208f., 229, 304, 340, 385, 408, 412, 459, 461, 463, 494 (Anm. 1), 496 (Anm. 11) Freie Drittakteure .............135, 337–359, 489 Friedliches fünftes Jahrhundert ................. 63 (Anm. 51), 212f., 232 (Anm. 148), 478 (Anm. 368) „Fünfte Kolonne“............121–123, 126, 128, 131 (Anm. 76), 403, 482 Fünfzigjähriger Frieden / Frieden v. 561 . 42, 49, 58, 67, 72, 103, 110, 112, 128, 197 (Anm. 270), 202, 203, 205 (Anm. 322), 209, 211, 236, 286 (Anm. 79), 291, 314f., 362 (Anm. 7), 431, 465f., 475, 479, 480f., 485, 506 Gemeinwesen ........................... 25 (Anm. 25) Geopolitik ............................ 40, 51f., 54, 56, 62 (Anm. 50), 85, 87 (Anm. 23), 91, 109 (Anm. 111), 166, 211, 234–238, 257 (Anm. 70), 394–433, 470–479, 491, 492 Gesandtschaftsberichte ................... 16, 289– 291, 300 (Anm. 14), 301, 474, 476, 487, 496f., 499 (Anm. 18), 500 Gleichrangigkeit ........ 15, 40f., 48, 51 (Anm. 3), 58, 60 (Anm. 45), 61, 63, 74, 75– 114, 132, 140, 196, 203, 242, 245, 260, 299, 323, 327, 368, 481f., 499 (Anm. 19) good faith ...................................... 140f., 145 Gottesurteil ..............................161, 192, 195 Großmächte .................. 14, 17, 41 (Anm. 5), 42, 59, 68 (Anm. 67), 73, 77, 79, 86, 93, 103 (Anm. 87), 105, 110–112, 121, 125, 134, 139, 140, 143, 145f., 148 (Anm. 25), 149, 152, 155, 157, 164, 171, 172, 175, 180f., 188, 190, 201– 203, 211, 229, 234, 240, 255 (Anm. 62), 296, 303, 323f., 337, 354–358, 363 (Anm. 7), 390–393, 395, 397f., 406, 409f., 412, 414, 420–422, 426 (Anm. 143), 431–433, 435, 439–442, 447–
558
21 Anhänge
450, 452f., 456–459, 461–467, 469– 472, 475, 477–480, 489–493, 502 Handlungsspielräume........ 44–49, 406, 415f. Herrscherkorrespondenz ................ 41 (Anm. 5), 64, 76 (Anm. 1), 97, 103, 109f., 120, 247, 271, 360, 494 (Anm. 1), 495, 498–500, 504 (Anm. 28), 505f. high-risk-high-reward ..................... 294, 488 honourable spy .................................. 17, 263 Imperium ...................... 14 (Anm. 9), passim intelligence.... 16, 19 (Anm. 2), 21 (Anm. 9), 22 (Anm. 15), 263–269, 276–293, 486f. internationale Beziehungen .... 13, 21, 23, 40, 41 (Anm. 4), 44, 78, 95 (Anm. 58), 101, 141 (Anm. 1), 264 (Anm. 4) internationale Politik .............25 (Anm. 26f.), 26 (Anm. 30f.), 44, 144 (Anm. 7) Kabinettskriege ........................111, 237, 484 klassische Diplomatie ............ 11–13, 19–32, 264, 390, 480 Kommunikation ............. 12f., 15, 17, 19–22, 25f., 33, 45f., 50, 57f., 76 (Anm. 1), 77, 83, 95, 102, 106, 109–111, 134f., 141f., 210, 214, 228, 237, 246, 259, 260, 263f., 293–296, 315, 323, 327, 337, 340, 348, 353, 360, 362f., 390, 480, 483f., 486–489 Lichter der Welt ........................................ 98 Methoden ........... 15f., 33f., 46, 48, 134–139, 480, 482, 493, passim Militärisches Gleichgewicht ........ 15, 41, 48, 50–75, 77–79, 81, 84, 96 (Anm. 58), 99–102, 105, 109f., 114, 132, 140, 143, 151, 171f., 175, 180f., 187f., 203, 206, 228, 234–236, 242, 245, 260f., 269, 299, 327, 369, 393, 403, 421, 444, 462, 478, 480–485, 487, 493, 504, 506 multi-track-diplomacy .....20 (Anm. 8), 324f. Netzwerkcharakter der Imperien........ 87–90, 236, 481, 485 new diplomacy .......... 12, 20–24, 29, 32, 34f. Oikumene ....... 83, 89 (Anm. 33), 90–94, 146 orbis romanus .................... 64 (Anm. 56), 90 (Anm. 33), 91 orbis terrarum .............. 89 (Anm. 31, 33), 91 Panegyrik ......................... 84 (Anm. 18), 112 (Anm. 127), 142 (Anm. 3) Perserkrieg, Begriff.................... 32 (Anm. 8) Propaganda .................. 19, 22 (Anm. 15), 23
(Anm. 19), 36, 66 (Anm. 59), 86, 90, 142 (Anm. 3), 161 (Anm. 88), 162 (Anm. 90), 165 (Anm. 103), 190, 320, 361, 372, 401 (Anm. 41), 498, 502, 503 (Anm. 26), 505f. public diplomacy.................. 20 (Anm. 8), 23 (Anm. 19), 155, 181, 218, 341, 351, 359, 361, 369, 378, 382, 388f., 490 Rahmenbedingungen ........... 30, 44f., 47, 49, 58, 108, 196, 264 (Anm. 3), 480 Religiöse Neutralität .......15, 41, 48, 58, 109, 114–133, 153, 203, 242, 246, 248, 260, 327, 373, 481f. Römerkriege ..................... 32 (Anm. 8), 169, 156 (Anm. 66), 321 (Anm. 71), 448 Selbstverständlichkeiten der Diplomatie . 38, 46f., 58, 67, 69, 73, 77, 103, 138, 208, 222, 264, 276–293, 318, 342, 348, 357, 362, 435, 480, 487 Spielmetapher der Diplomatie ........... 15, 17, 44–46, 109f., 138, 143, 166, 179 (Anm. 172), 196, 392f., 404–406, 415f., 430, 491, 501 (Anm. 21) Spionage .............. 16 (Anm. 12), 17, 19, 121 (Anm. 26), 123, 263–293, 303, 307, 321 (Anm. 71), 330 (Anm. 17) Staatsbegriff ......................... 13 (Anm. 9), 27 Strata-Disput ............ 175, 459, 461–463, 492 Strukturen .... 13–16, 26f., 33f., 40–49, 134f., 138f., 143f., 153, 158 (Anm. 76), 175, 179 (Anm. 172), 196, 206, 228, 234 (Anm. 153), 235f., 237 (Anm. 163), 239 (Anm. 2), 242, 245f., 259, 261, 269, 298, 322, 327, 348, 354, 363, 368, 392, 448, 452 (Anm. 254), 467, 480– 488, 493, 502 sunk-cost-fallacyʻ ................................... 233 Supermächte .... 14 (Anm. 10), 52 (Anm. 16) Symbolhandlungen .. 17, 76 (Anm. 1), 154f., 177, 210f., 218, 294, 296, 307, 314, 323, 341, 344, 351, 360–389, 429, 490 Teilung Armeniens ......14, 40–42, 49, 58, 60 (Anm. 45), 61, 63 (Anm. 51), 66f., 99, 101–103, 112, 142 (Anm. 3), 202, 234 (Anm. 153), 397, 449f., 480f., 506 Toleranz .................. 119 (Anm.17), 129–132 track-two-diplomay................................ 135, 154, 282, 325–337, 346, 349, 353, 357, 488–490 Tribute ....... 104, 142 (Anm. 3), 165f. (Anm.
21.6 Indices 103), 171, 179, 181, 190f., 196–198, 205 (Anm. 322), 207, 305, 316 (Anm. 57), 364 (Anm. 11), 430, 450, 484 Überläufer ................... 64, 76 (Anm. 1), 202, 234 (Anm. 153), 266 (Anm. 9), 267 (Anm. 10), 270, 276, 283, 409, 423, 487 Untersuchungszeitraum ...................... 40–43 Vormundschaft ..................... 239–262, 485f. Xwadāynāmag .........36, 502f. (Anm. 22, 24) Xwanirah ............................................ 93–95 Weltherrschaft.......... 59, 69, 82, 84, 86, 88f., 91, 92 (Anm. 45), 93–95, 97 (Anm. 63), 108, 112 (Anm. 128), 171 (Anm. 131), 412, 481 Weltsystem .. 53 (Anm. 29), 470 (Anm. 331) Zahlungen .................71, 76 (Anm. 1), 104f., 138, 140, 146, 154, 157 (Anm. 73), 165, 166 (Anm. 103f.), 169, 170–172, 179–181, 186f., 189–191, 196–198, 201, 205 (Anm. 322), 207, 215 (Anm. 29), 217 (Anm. 41), 218, 220f., 232 (Anm. 148), 284, 297, 305, 311f., 334, 339 (Anm. 35), 343, 344, 346, 348f., 364f., 368, 463, 466, 469, 484 Zweiter Vertrag von Nisibis........... 60 (Anm. 45), 65, 66 (Anm. 59), 101, 102 (Anm. 84), 157 (Anm. 73)
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oriens et occidens Studien zu antiken Kulturkontakten und ihrem Nachleben
Herausgegeben von Josef Wiesehöfer in Zusammenarbeit mit Pierre Briant, Geoffrey Greatrex, Amélie Kuhrt und Robert Rollinger.
Franz Steiner Verlag
ISSN 1615–4517
26. Pierre Briant, übersetzt von Amelie Kuhrt Kings, Countries, Peoples Selected Studies on the Achaemenid Empire 2017. 658 S. mit 25 Abb., geb. ISBN 978-3-515-11628-2 27. Melanie Wasmuth Ägypto-persische Herrscher- und Herrschaftspräsentation in der Achämenidenzeit 2017. 392 S. mit 54 Abb., 4 Tab. und 12 Farbtafeln, geb. ISBN 978-3-515-11693-0 28. Helge Bert Grob Die Gartenlandschaft von Pasargadai und ihre Wasseranlagen Topographischer Befund, Rekonstruktion und achaimenidischer Kontext 2017. 384 S. mit 164 z. T. farbigen Abb. auf 112 Tafeln, geb. ISBN 978-3-515-11867-5 29. Frank Schleicher / Timo Stickler / Udo Hartmann (Hg.) Iberien zwischen Rom und Iran Beiträge zur Geschichte und Kultur Transkaukasiens in der Antike 2019. 356 S. mit 21 Abb., kt. ISBN 978-3-515-12276-4 30. Christopher Schliephake On Alexander’s Tracks Exploring Geographies, Memories, and Cultural Identities along the North-West Frontier of British India in the Nineteenth Century 2019. 312 S. mit 8 Abb., geb. ISBN 978-3-515-12400-3 31. Michael Sommer (Hg.) Inter duo Imperia Palmyra between East and West 2020. 167 S. mit 15 Abb., kt. ISBN 978-3-515-12774-5 32. Sean Manning Armed Force in the Teispid-Achaemenid Empire Past Approaches, Future Prospects 2021. 437 S. mit 8 Abb. und 4 Tab., kt. ISBN 978-3-515-12775-2
33. Silvia Balatti / Hilmar Klinkott / Josef Wiesehöfer (Hg.) Paleopersepolis Environment, Landscape and Society in Ancient Fars 2021. 313 S. mit 29 z. T. farbigen Abb. und 8 Tab., geb. ISBN 978-3-515-12622-9 34. Michael Blömer / Stefan Riedel / Miguel John Versluys / Engelbert Winter (Hg.) Common Dwelling Place of all the Gods Commagene in its Local, Regional and Global Hellenistic Context 2021. 598 S. mit 115 Abb. und 5 Tab., geb. ISBN 978-3-515-12925-1 35. Stefan Pfeiffer / Gregor Weber (Hg.) Gesellschaftliche Spaltungen im Zeitalter des Hellenismus (4.–1. Jahrhundert v. Chr.) 2021. 222 S. mit 6 Abb. und 1 Tab., kt. ISBN 978-3-515-13079-0 36. Hilmar Klinkott / Andreas Luther / Josef Wiesehöfer (Hg.) Beiträge zur Geschichte und Kultur des alten Iran und benachbarter Gebiete Festschrift für Rüdiger Schmitt 2021. 263 S. mit 14 Abb. und 9 Tab., kt. ISBN 978-3-515-13027-1 37. Francesco Mari / Christian Wendt (Hg.) Shaping Good Faith Modes of Communication in Ancient Diplomacy 2022. 216 S. mit 1 Abb. und 2 Tab., geb. ISBN 978-3-515-12468-3 38. In Vorbereitung. 39. Julian Degen Alexander III. zwischen Ost und West Indigene Traditionen und Herrschaftsinszenierung im makedonischen Weltimperium 2022. 489 S., geb. ISBN 978-3-515-13283-1
Die Diplomatie und ihre Erforschung haben sich im 20. Jahrhundert teils erheblich gewandelt. In der Politikwissenschaft löste eine Betrachtung der zahlreichen Hintergründe internationaler Beziehungen die konventionelle, auf Verhandlungen auf höchster Ebene beschränkte Diplomatiegeschichte ab. Die Altertumswissenschaften dagegen tendieren weiterhin zu einem engen Konzept der Diplomatie als einer stark formalisierten und letztlich ehrlichen Begegnung politischer Mächte auf Augenhöhe. Jedoch bleibt so ein Großteil der Aktionen zwischen spätantiken Ge-
ISBN 978-3-515-13363-0
9 783515 133630
meinwesen unbeachtet, die heute fraglos der Diplomatie zuzuordnen sind. Hansjoachim Andres weist in seiner Studie ein fortlaufendes Band klar strukturierter Beziehungen zwischen Rom und den Sasaniden nach, das zu einer Neubewertung der in den Quellen zu findenden Konflikte und Kontakte führt. Unter dem Licht der „new diplomacy“ weicht der Eindruck spontan beschlossener Außenpolitik einem Beziehungsgefüge, das beide Seiten mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln vormoderner Gemeinwesen zu modifizieren suchten.
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