Briefe der Juliane Franziska von Buchwald an Christoph Dietrich von Keller 1738 bis 1750 [1 ed.] 9783412525781, 9783412525767


123 113 4MB

German Pages [184] Year 2023

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Recommend Papers

Briefe der Juliane Franziska von Buchwald an Christoph Dietrich von Keller 1738 bis 1750 [1 ed.]
 9783412525781, 9783412525767

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

Briefe der Juliane Franziska von Buchwald an Christoph Dietrich von Keller 1738 bis 1750 Übersetzt, eingeleitet und kommentiert von Bärbel Raschke

Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Thüringen Große Reihe Band 23

Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Thüringen Große Reihe Band 23

Briefe der Juliane Franziska von Buchwald an Christoph Dietrich von Keller 1738 bis 1750 Übersetzt, eingeleitet und kommentiert von Bärbel Raschke

BÖHLAU VERLAG WIEN KÖLN

Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Thüringer Staatskanzlei und der Kulturstiftung Gotha.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie ; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar. © 2023 Böhlau, Lindenstraße 14, D-50674 Köln, ein Imprint der Brill-Gruppe (Koninklijke Brill NV, Leiden, Niederlande; Brill USA Inc., Boston MA, USA; Brill Asia Pte Ltd, Singapore; Brill Deutschland GmbH, Paderborn, Deutschland; Brill Österreich GmbH, Wien, Österreich) Koninklijke Brill NV umfasst die Imprints Brill, Brill Nijhoff, Brill Hotei, Brill Schöningh, Brill Fink, Brill mentis, Vandenhoeck & Ruprecht, Böhlau, Verlag Antike, V&R unipress und Wageningen Academic. Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Umschlagabbildung : Anschrift von Keller als Gesandter Württembergs in Berlin und Siegel der Buchwald (Forschungsbibliothek Gotha der Universität Erfurt, Chart A2415, fol. 542 v). Einbandgestaltung : Michael Haderer, Wien Korrektorat: Kornelia Trinkaus, Meerbusch Satz: Sina Nikolajewa, Berlin Druck und Bindung : Hubert & Co., Göttingen Printed in the EU Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISBN 978-3-412-52578-1

INHALT

Dank .............................................................................................................................. 7 Einleitung ..................................................................................................................... Christoph Dietrich von Keller............................................................................ Juliane Franziska von Neuenstein/Frau von Buchwald ................................ Ereignisse, Kommunikationsstrategie und Chiffriertechniken ..................... Württemberg – Newton – Horaz – Freundschaft .................................... Der Zweite Schlesische Krieg – Die Kaiserfrage – Der Ordre des Hermites de bonne Humeur......................................................... Die Kirche in Stedten – Die Weimarer Angelegenheiten – Bilder ........

9 11 15 18 21 25 31

Editorische Festlegungen........................................................................................... 35 Übersetzung und Textgestaltung ....................................................................... 35 Zeilenkommentar.................................................................................................. 36 Briefe 1738 bis 1750 [1757] ....................................................................................... 37 Anhang Abkürzungsverzeichnis ....................................................................................... 161 Tabellarisches Briefverzeichnis ......................................................................... 163 Quellenverzeichnis .............................................................................................. 167 Forschungsliteratur (Auswahl)........................................................................... 171 Personenverzeichnis ............................................................................................ 175 Abbildungsverzeichnis ........................................................................................ 183

DANK Dank Dank 3 Leerzeilen Für die Unterstützung und Zusammenarbeit während der Arbeit an der vorliegenden Edition möchte ich mich bei folgenden Einrichtungen und Personen bedanken. Die Leiterin der Forschungsbibliothek Gotha, Kathrin Paasch, machte mich auf die 2016 mit dem Teilnachlass Keller erworbenen Buchwald-Briefe aufmerksam, deren Digitalisate mir für die Übersetzung zur Verfügung gestellt wurden. Die Bibliothek, das Staatsarchiv Gotha und das Staatsarchiv Altenburg des Landesarchivs Thüringen standen mir bei der Recherche nach den verstreut liegenden, für Kommentar und interpretierende Lesart relevanten umliegenden Quellen hilfreich zur Seite. Dankbar erinnere ich mich zudem der zahlreichen kollegialen wissenschaftlichen Gespräche als Herzog-Ernst-Stipendiatin 2018 am Forschungszentrum Gotha der Universität Erfurt. Die großzügige finanzielle Förderung des Projekts verdanke ich der Kulturstiftung Gotha sowie der Historischen Kommission für Thüringen, die den Band in die Große Reihe ihrer Veröffentlichungen aufzunehmen bereit war, wobei ich insbesondere Werner Greiling und Philipp Walter für die ermunternde Zusammenarbeit in der letzten Phase der Druckvorbereitung zu Dank verpflichtet bin. Mein Dank für die Genehmigung der Abbildungen richtet sich an das Angermuseum Erfurt (Cornelia Nowak und Thomas von Taschitzki) und die Forschungsbibliothek Gotha. Für die zuverlässige Hilfe bei der Satzgestaltung des Manuskripts geht mein Dank an Sina Nikolajew, für die kritische Lektüre der Einleitung danke ich Claudia Güssmer.

EINLEITUNG Einleitung Einleitung Als 2016 die Forschungsbibliothek Gotha einen Teilnachlass des Juristen und Diplomaten Christoph Dietrich von Keller erwarb, eröffnete sich für die historische Forschung zu Sachsen-Gotha-Altenburg im Europa der Neuzeit ein herausforderndes französischsprachiges Quellenreservoir. Die darin enthaltenen 84, zwischen 1738 und 1750 [1757] geschriebenen Briefe der Gothaer Hofdame Juliane Franziska von Neuenstein, ab 1739 verheiratete Oberhofmeisterin von Buchwald, an Keller verlängern nunmehr das politische und diplomatische Korrespondenznetzwerk des Gothaer Hofs in die Zeit vor die umfangreichen und bedeutenden Briefschaften der Herzogin Luise Dorothea mit Ernst Christoph von Manteuffel, Ulrich von Thun, Voltaire und Friedrich II. von Preußen, sekundieren deren Verlauf und verweisen auf weitere Beteiligte. Die Korrespondenz berührte die europäischen Ereignisse zwischen dem Frieden von Wien 1738 bis zum Ende des Österreichischen Erbfolgekriegs mit dem Frieden von Aachen 1748 und endete mit dem Ringen Sachsen-Gotha-Altenburgs um seine Vormachtstellung im Ernestinischen Haus nach dem Tod Herzogs Ernst Augusts I. von Sachsen-Weimar 1748. Auf die im Briefwechsel diskutierten historischen Ereignisse sowie die außergewöhnliche Kommunikationsstrategie und die komplexen Chiffriertechniken der Neuenstein/Buchwald soll weiter unten eingegangen werden. Die folgenden zwei Abschnitte richten zunächst den Blick auf die beiden Protagonisten der Korrespondenz und damit auf die Rolle der zweiten Reihe innerhalb des höfischen Sozial- und Kommunikationsgefüges, eines offiziell am Gothaer Hof nicht engagierten Diplomaten Württembergs und einer sich zu politisch-diplomatischer Aktivität bekennenden Hofdame.

10

Einleitung

Abb. 1: Christoph Dietrich Freiherr von Keller

Christoph Dietrich von Keller

11

Christoph Dietrich von Keller Christoph Dietrich von Keller Keller wurde am 25. November 1699 als Kind einer sehr angesehenen bürgerlichen Familie in Tübingen geboren.1 Nach dem Besuch des Tübinger Stifts absolvierte er ab 1724 ein Jurastudium. Mit diesen Voraussetzungen gehörte Keller offensichtlich zum Umfeld Johann Daniel Schöpflins, des einflussreichen Gründers und Förderers europäischer Diplomatenausbildung an der protestantischen Universität in Straßburg. Der empfahl ihn im April 1728 dem Baseler Theologen Gaspard Wettstein, ehemals Englischlehrer des mit der Schwester des Gothaer Herzogs Friedrich III. verheirateten Friedrich Ludwig von Hannover, ab 1729 Prince of Wales.2 Zwischen 1730 und 1732 gehörte Keller wohl zu den häufig wechselnden Informatoren der Enkelin des protestantischen Herzogs von Württemberg Eberhard Ludwig, Friedrike Luise. Seinen rasanten Aufstieg verdankte er jedoch dem Herrschaftsantritt des katholischen Herzogs Karl Alexander von Württemberg-Winnental 1733, in dessen Dienst er ab 1734 Geheimsekretär, Regimentsrat und Gesandter am Kaiserlichen Hof wurde. Keller war als Jurist an den aufwendigen Verhandlungen zwischen dem Herzog und den Landständen beteiligt, deren Ziel es war, als einzige öffentlich zu praktizierende Religion in Württemberg weiterhin die lutherische zu erhalten. Nach harten Verhandlungen wurde die Regierungsgewalt in Religionssachen nach kursächsischem Vorbild im März 1734 dem Geheimen Rat übertragen. Der Herzog musste dem Schwäbischen Kreistag und dem Corpus Evangelicorum zusichern, die sogenannten Reversalien einzuhalten. Zahlreiche Reisen Kellers an den Kaiserhof in Wien führten nicht nur zu einer bedeutenden Vernetzung mit der europäischen Diplomatenszene, sondern 1737 auch zur Erhebung in den Adelsstand, bevor er 1738 gemeinsam mit seinem Bruder Johann David Keller angesichts der Verdienste seiner Familie von Kaiser Karl VI. als herzoglich-württembergischer Geheimer Rat und Kaiserlicher Reichshofrat in den alten Adelsstand erhoben wurde. Über Jahre hinweg kumulierte Keller als Gesandter Württembergs verschiedene Titel und Missionen. Offiziell war er von 1737 bis 1747 Gesandter in Wien, parallel dazu 1738/1739 und 1747 bis 1750 in Paris und 1744 bis 1750 in Berlin. Obwohl Keller schon 1735 das Gut Stedten bei Erfurt erworben und es 1737 hatte umbauen lassen, sind bis dahin keine regelmäßigen Kontakte zwischen ihm und dem Gothaer Hof nachweisbar. Das änderte sich nach dem ersten Brief der Neuenstein vom 15. Juli 1738. Keller war danach ab dem 22. August häufig Gast auf dem Friedenstein.3

1 2

3

Für Folgendes vgl. Familiengeschichte der Grafen und Herren von Keller – einschließlich bürgerlichen Teils – bis 1722, Reprint der 1. Auflage 1722, hg. von G. KELLER, Bad Langensalza 2016, S. 173–176. Johann Daniel SCHÖPFLIN, Wissenschaftliche und diplomatische Korrespondenz, hg. von Jürgen VOSS, Stuttgart 2002, S. 51. Wettstein setzte im Frühjahr des Jahres mit seinem Zögling Lord Huntingtower nach finanziellen Streitigkeiten mit dessen Vater von London aus die Grand-Tour seines Zöglings Richtung Paris und Norditalien fort. Ob Keller als Jurist oder als Reisebegleiter empfohlen wurde, geht aus dem Brief nicht hervor. Landesarchiv Thüringen – Staatsarchiv Gotha (im Folgenden LATh-StA Gotha), Fourierbücher im Bestand Oberhofmarschallamt, Nr. 681 c 1694–1804, Bl. 53 v.

12

Einleitung

Beider Bekanntschaft datierte aus der gemeinsamen Zeit an den württembergischen Höfen, wo die Eltern der Hofdame seit 1711 engagiert waren. Bis Herzog Friedrich III. Keller am 5. April 1751 offiziell in Gothaer Dienste übernahm und ihn mit 2000 Reichstalern Gehalt zum Geheimen Rat ernannte,4 wurde um den belastbaren und versierten Diplomaten und Juristen mit allen Mitteln heftig geworben. Keller ging, wie vor allem seine überlegten Reaktionen auf Einladungen an den Hof zeigen, auf dieses Werben mit vorsichtiger und geschickter Taktik ein. Zwar waren in der Neuzeit solche parallellaufenden Aktivitäten für Gesandte neben einem offiziellen Dienstverhältnis ebenso wie mehrere nebeneinander bestehende Anstellungsverhältnisse üblich, wurden allerdings als durchaus gefährliche Grauzone diplomatischer Aktivitäten betrachtet (Brief 5, 11).5 Der Gothaer Hof gewann seinerseits dadurch einen zusätzlichen Informationskanal zu Vorgängen in Württemberg, Paris, Wien und Berlin. Keller selbst betrachtete diese Lebensphase rückblickend als integralen Teil seiner späteren festen Anstellung am Gothaer Hof. Er habe mit dem Herzog 1738 ein zeitlich begrenztes, jederzeit auch von ihm selbst kündbares Engagement vereinbart.6 Höhepunkt der Bindung Kellers an den Friedenstein vor dessen Anstellung war am 4. September 1743 die Aufnahme in den Gothaer Geheimorden „Ordre des Hermites de bonne Humeur“ unter dem Namen Renardin (Füchslein) und der anschließende Besuch des Herzogspaares in Stedten.7 Keller heiratete mit der Aussicht auf die Position eines Gothaer Wirklichen Geheimen Rats 1749 Auguste Luise Eleonore von Mauchenheim, genannt von Bechtolsheim. Herzog Friedrich III. würdigte dieses Ereignis in seinem persönlichen Exemplar des Gothaer Hof- und Adresskalenders mit der Notiz am 10. August, dass beide in meiner Gemahlin Lbd. AudienceZimer getrauet wurden.8 Vor seiner offiziellen Ernennung zum Gothaer Geheimen Rat 1751 wurde Keller nicht nur im Tauziehen um die Regierung Sachsen-Weimars und die Vormundschaft für den Erbprinzen nach dem Tode Herzogs Ernst Augusts I. im Januar 1748 gebraucht.9 Er hatte außerdem die Rückrufaktion des Gothaer Erbprinzen aus Paris zu managen und profilierte sich mit seiner 1751 erschienenen Schrift Gesetz- und Actenmäßiges Bedencken über die Materie von der Römischen Königs-Wahl, die von der Gothaer Herzogin gefördert wurde, zum anonym

4 5

6 7 8

9

LATh-StA Gotha, Geheimes Archiv UU I, 22. Die Zahlung wurde 1754 um 200 Reichstaler erhöht. Friedrich III. erlaubte Keller den Verbleib in württembergischen Diensten. Vgl. auch Landesarchiv Thüringen – Staatsarchiv Altenburg (im Folgenden LATh-StA Altenburg), Familienarchiv von Seckendorff Nr. 1163, (Buchwald an Seckendorff am 25. Juni 1745, Ulrich von Thuns Dienstherren betreffend) und Nr. 1140 (Keller an Seckendorff am 10. Oktober 1755, Karl Friedrich Mosers Bindung an Karl Eugen von Württemberg betreffend). LATh-StA Altenburg, Familienarchiv von Seckendorff Nr. 1140, Bl. 65 r. LATh-StA Gotha, Fourierbücher im Bestand Oberhofmarschallamt, Nr. 681 c 1739–1744 (Friedrichswerth und Ichtershausen), Bl. 82 r. Forschungsbibliothek Gotha (im Folgenden FB Gotha), Hof- und Adresskalender Chart B 1551 (1749), Bl. 17 r. Die Angaben zur Kinderzahl des Paares schwanken zwischen acht und zehn. Zum ersten, 1750 geborenen Kind vgl. FB Gotha Chart A 2415, Bl. 651 r–652 r; Bl. 655 r–556 r und Bl. 643 r–644 r. Für die im Folgenden genannten, eng miteinander verflochtenen politischen Vorgänge vgl. FB Gotha Chart. A 2415, Bl. 3 r–47 v sowie Bl. 421 r–428 v.

Christoph Dietrich von Keller

13

bleibenden politischen Sprachrohr Sachsen-Gotha-Altenburgs als Wahrer der Rechte mindermächtiger Fürsten gegen die Vormachtbestrebungen Habsburgs und Preußens. In den Folgejahren war Keller für das Gothaer Herzogtum ein unentbehrlicher Staatsminister. 1754 übernahm er die im Auftrag Friedrichs III. ab 1742 geführte Korrespondenz der Buchwald mit Friedrich Heinrich von Seckendorff, welcher im Siebenjährigen Krieg Sachsen-Gotha-Altenburgs politisch-militärischer Berater wurde.10 Nachdem der Herzog 1756 Kellers Dreistufenplan für eine reichsverfassungskonforme Wahl des römisch-deutschen Königs, in der die Rolle der Mindermächtigen wieder zum Tragen kommen sollte, abgelehnt hatte, hingegen ein neues Regiment bildete, reichte Keller 1757 sein erstes Rücktrittsgesuch ein.11 Durch dieses Druckmittel erreichte er von Friedrich III. immerhin eine weitere Erhöhung seiner Bezüge um 500 Reichstaler.12 1761, in der Endphase des Siebenjährigen Krieges, schrieb er an Seckendorff, dass er seit 1756 völlig überlastet sei und stellte resigniert fest, dass die Höfe keinerlei Ressourcen mehr für ihre unklaren Unternehmungen hätten und es zwischen den einzelnen Herrscherhäusern keinen Zusammenhalt mehr gebe.13 Nach dem Ende des Krieges nahm Keller 1764 finanzielle Auseinandersetzungen mit Friedrich III. zum Anlass, von seinen Ministerialverrichtungen zurückzutreten.14 Der Herzog gewährte ihm 2000 Reichstaler Pension bis an sein Lebensende.15 Nach seinem Rückzug vom Gothaer Hof arbeitete Keller bis zu seinem Tod am 21. April 1766 intensiv für die württembergische Landschaft.

10 11 12 13 14 15

LATh-StA Altenburg, Familienarchiv von Seckendorff Nr. 1140. FB Gotha, Chart A 2415, Bl. 712 r–713 r und Bl. 77 r–78 v. LATh-StA Gotha, Geheimes Archiv UU I, 22. Die Zulage von 300 Reichstalern stammte aus Altenburger Obersteuereinnahmen und 200 Reichstaler Zulage aus Gothaer Steuereinnahmen. LATh-StA Altenburg, Familienarchiv von Seckendorff Nr. 1140, Bl. 263 r/v. FB Gotha, Chart A 2415, Bl. 714 r–715 r. LATh-StA Gotha UU I, 22 sowie FB Gotha, Chart A 2415, Bl. 459 r.

14

Einleitung

Abb. 2: Silhouette Juliane Franziska von Buchwald

Juliane Franziska von Neuenstein/Frau von Buchwald

15

Juliane Franziska von Neuenstein/Frau von Buchwald Juliane Franziska von Neuenstein/Frau von Buchwald Juliane Franziska von Neuenstein wurde am 7. Oktober 1707 in Paris geboren. Ihre Familie war, 1711 aus dem Dienst am Hof des Herzogs von Orléans kommend, in den Dienst Herzog Eberhard Ludwigs von Württemberg getreten. Ihr Vater Freiherr Philipp Jakob von Neuenstein wurde Oberjägermeister und die 1729 verwitwete Mutter Jeanne Marguerite von Neuenstein Erzieherin der Prinzessin Luise Friederike von Württemberg. Die Töchter Juliane Franziska und Eberhardine Wilhelmine etablierte man an anderen protestantischen Höfen, Juliane Franziska 1724 als Hofdame bei der zum dritten Mal verwitweten Herzogin von Sachsen-Meiningen, Elisabeth Sophie von Brandenburg, und Eberhardine Wilhelmine 1729 bei der Herzogin von Sachsen-Eisenach, Anna Sophie Charlotte von Brandenburg-Schwedt.16 Zum Verständnis des vorliegenden Briefwechsels lohnt ein Blick auf die bisher unveröffentlichten Briefe der jungen Hofdame Neuenstein aus der Meininger Zeit. Diese frühen Dokumente aus den Jahren 1728 und 1729 zeigen sie als sprachgewandte, belesene, äußerst scharfsinnige und mit strenger Rationalität urteilende Beobachterin politisch relevanter Vorgänge am Meininger Hof.17 Im Umfeld der Verhandlungen zur Eheschließung zwischen Luise Dorothea von Sachsen-Meiningen und dem Gothaer Erbprinzen Friedrich signalisierte sie darin ein inzestuöses Verhältnis zwischen der Prinzessin und deren Bruder Ernst Ludwig. Das Gothaer Herzogspaar reiste an und man einigte sich auf den Umzug Luise Dorotheas mit ihrer Stiefmutter nach Coburg, ein Ausgang, den die Neuenstein in ein bühnenreifes Tableau goss. War es moralisches Verantwortungsgefühl oder eine berechnende Konstruktion, um die bevorstehende Hochzeit zu sabotieren? Resultat dieses Vorgangs war jedoch die lebenslange, schier unauflösbare Verbindung der Neuenstein und Luise Dorotheas, von beiden selbst, von Dritten und gegenüber anderen immer wieder beteuert.18 Auch das zweite, unveröffentlichte Konvolut früher Briefe der Hofdame, zwischen 1732 und 1733 an den damals Kaiserlichen Gesandten am Berliner Hof Seckendorff geschrieben, ist mit Blick auf deren Genese als Agentin aufschlussreich.19 Auch hier ging es um ein politisch motiviertes Heiratsprojekt, die Ehe zwischen dem jüngeren Bruder Luise Dorotheas, Karl Friedrich von Sachsen-Meiningen, und Elisabeth Petrowna Romanowa, die 1730 ihre Thronrechte als Zarin nicht wahrgenommen hatte. Es war, wie die Briefe verdeutlichen, in den Osteuropaplänen des geheimdiplomatischen Netzwerks von Prinz Eugen von Savoyen verankert. Ob Seckendorff, der unter dem Decknamen Germania 16 17 18

19

Ein 1703 geborener Sohn hatte das Elternhaus 1730 verlassen, war vermutlich in kaiserliche Dienste getreten und vor 1789 verstorben (FB Gotha, Chart A 2415, Bl. 660 r). FB Gotha, Chart B 1918 II, Bl. 32 r–33 v (vermutlich an Herzog Friedrich II. am 17. Februar 1728) und Bl. 34 r–35 v (vermutlich an Erbprinz Ernst Ludwig am 12. Juni 1728). Aus dem persönlichen Umfeld Luise Dorotheas und Juliane Franziska von Neuensteins/von Buchwalds existieren zahlreiche Urteile über deren Verhältnis als umfassend symbiotische Verbindung, als Passion, u. a. FB Gotha, Chart B 1954 (Porträt der Buchwald als Emilie) und LATh-StA Gotha Geheimes Archiv E III 20 a, Nr. 3 (La Divinité inconnue). LATh-StA Altenburg, Familienarchiv von Seckendorff Nr. 1163, Bl. 1 r–19 v.

16

Einleitung

zu diesem Netzwerk gehörte, die Meininger Hofdame, die ihn ebenso wie ihre Schwester bis zu seinem Tod als „Vater“ bezeichnete,20 für das Netzwerk angeworben und mit entsprechenden Kommunikationstechniken vertraut gemacht hatte oder ob die Anwerbung anders zustande kam, ist offen. Die genannten Briefe weisen zudem einen deutlichen Qualitätssprung auf: Vertrautheit mit den Osteuropa- und Russlandplänen und den damit verbundenen europäischen Konflikten, Wissen um wichtige Ansprechpartner und Mittelsmänner, Nutzung von Decknamen, Nutzung aller Varianten konspirativen Nachrichtentransports außerhalb der offiziellen Postwege. Juliane Franziska von Neuenstein wäre somit die erste Frau, deren Zugehörigkeit zu diesem reichsweiten Netzwerk nachweisbar ist. Ab Ende 1735, nach der Geburt des Gothaer Erbprinzen Friedrich, weilte Juliane Franziska von Neuenstein zunehmend regelmäßig auf dem Friedenstein am Hof des jungen Herzogspaares Friedrich III. und Luise Dorothea und wurde 1738 offiziell als Hofdame in den Hofstaat Luise Dorotheas aufgenommen. Der Gothaer Hof arrangierte für sie in kürzester Frist am 15. und 16. Juli 1739 eine recht aufwendige Hochzeit mit Hermann Schack von Buchwald,21 der in ebenfalls kurzer Zeit aus Sachsen-Weimar, wo er nach seiner Dienstzeit am Hof von Sachsen-Meiningen seit etwa 1735 engagiert war, abgeworben wurde. Wenngleich das Ehepaar durch die Ernennung Buchwalds zum Oberhofmeister des Hofstaats der Herzogin, eine freie Wohnung im Schloss sowie die Anstellung der Eberhardine von Neuenstein als Hofdame in eine privilegierte Stellung kam, sprechen mehrere briefliche Andeutungen der Buchwald dafür, dass sie den Preis für dieses Arrangement kannte. Die vollständige Bindung an den Gothaer Hof schloss nicht nur ein eigenes Zuhause aus (Brief 16), sondern lief auch ihrem ursprünglichen Lebensentwurf zuwider. Um sich vollständig ihrem Hofamt widmen und Männern ebenbürtig sein zu können, hing sie ebenso wie ihre Schwester dem Ideal der Ehe- und/oder leiblichen Kinderlosigkeit an, das individuelle Freiheit versprach22 – ein Diskurs und eine Praxis, die nicht nur im oben genannten geheimen Netzwerk stattfanden. So wurden nach der forcierten Hochzeit und der im ersten Jahr der Ehe geborenen und am 2. August 1740 getauften Tochter Luise Friederike Sophie Johanna von Buchwald vermutlich fünf weitere Kinder des Ehepaares gleich nach ihrer Geburt in Pflegefamilien oder in der Ursprungsfamilie Hermann Schack von Buchwalds untergebracht.23 Über Hermann Schack von Buchwald ist aufgrund fehlender Quellen relativ wenig bekannt.24 Umso wertvoller ist sein knappes literarisches Porträt (Brief 16). Dem ist zu entnehmen, dass er zum Mecklenburger Zweig des ursprünglich aus 20

21 22

23 24

Ob der Anrede „Vater“ bzw. für Seckendorffs Gattin „Mutter“, die von beiden Neuenstein-Schwestern bis 1761 genutzt wurde, ein Paten- oder Adoptivverhältnis zugrunde liegt, ist nicht nachweisbar. Ein weiterer Anwerbeversuch Seckendorffs, eine mit ihm abgestimmte Geheimkorrespondenz zu führen, galt im November 1745 Luise Dorothea von Sachsen-Gotha-Altenburg (vgl. LATh-StA Altenburg, Familienarchiv von Seckendorff Nr.2274, Bl. 20 r). LATh-StA Gotha, Fourierbücher im Bestand Oberhofmarschallamt, Nr. 681 c 1739 III, Bl. 64 r–65 v. LATh-StA Altenburg, Familienarchiv Seckendorff Nr. 2274, Bl. 50 r sowie als Indiz die konsequent eingesetzte Unterschrift „Buchwald née de Neuenstein“ zu Lebzeiten und nach dem Tod ihres Gatten (ebenda, ab Bl. 58 r). finnholbek.dk/getperson.php?personID=I44608&tree=2 (Zugriff 23. Juni 2022). Im Teilnachlass Keller existieren Briefe, die Schack Hermann von Buchwalds politische Kompetenz und gute Vernetzung belegen; vgl. FB Gotha, Chart A 2415, Bl. 646 r–659 v.

Juliane Franziska von Neuenstein/Frau von Buchwald

17

Schleswig-Holstein stammenden uradligen Geschlechts gehörte, deren Mitglieder zu den Unterzeichnern der protestantischen Union der Landstände gehörten. Durch seine Anstellung verfügte der Gothaer Hof über bislang wenig erforschte Verbindungen zu den mecklenburgischen Landständen und den Höfen im Norden des Heiligen Römischen Reichs, Schleswig-Holstein-Gottorf und Dänemark. Für Frau von Buchwald folgten nun zehn Jahre intensiver politischer Tätigkeit, die sich unter anderem in den hier vorgelegten Briefen niederschlug. Mit einem hatte sie jedoch nicht gerechnet, dass sie jenseits des fünften Lebensjahrzehnts körperlich nachhaltig geschwächt sein würde. Die letzten Briefe dieser Ausgabe (Brief 81 bis 83) zeugen von einschneidenden Ereignissen für die politisch aktive und unermüdlich Schreibende: Der Tod ihrer Mutter am Hof ihres Zöglings Friederike Luise, nunmehr Erbprinzessin von MecklenburgSchwerin, im Oktober 1749 erschütterte sie zutiefst (Brief 81).25 Zu Beginn der Jahres 1750 erlitt sie vermutlich einen Schlaganfall, der ihre Sehkraft extrem schwächte. Die fragwürdigen Operationsmethoden des englischen Okulisten John Taylor Anfang März und ein anschließender Aderlass im April 1750 führten zur Vernichtung ihrer Sehkraft.26 Ihre Briefe ließ sie nun meist von ihrer Schwester oder weiblichen Bediensteten schreiben. Obwohl ihr Name in den Korrespondenzen von und an Herzogin Luise Dorothea nach 1750 immer wieder erwähnt wurde, ist authentisches, in ihrem Namen geschriebenes oder mit demselben signiertes Briefmaterial rar. Ihre Korrespondenz mit Seckendorff bis 1761 beschränkte sich auf ritualisierte, banale Kontaktschreiben.27 1775/1776 allerdings blühte die Buchwald in den vierzehn, ebenfalls unerschlossenen Briefen an Johann Eustach von Görtz nochmals in der Domäne dynastischer Heiratsprojekte auf. Die Briefe im Kontext der Eheschließung des am Gothaer Hof erzogenen Weimarer Erbprinzen Karl August mit Luise von Hessen-Darmstadt zeigen sie erneut in einem europäischen Koordinatennetz zwischen Paris, Florenz, Neapel, Rom, St. Petersburg, Madrid, Straßburg, Stuttgart, Berlin, Schwerin und den ernestinischen Herzogtümern.28 Sie zeugen jedoch auch von einer zunehmenden Resignation der Frau von Buchwald. Sie fühlte sich auf Schloss Friedenstein nicht mehr wohl, urteilte höchst sarkastisch über Mitglieder der Gothaer Herrscherfamilie, vermied Treffen an der Mittagstafel, führte nur widerwillig ihren eigenen Grünen Salon und war vor allem enttäuscht von der Politik und vom Lebenswandel des jungen Weimarer Herzogs. Es ist eine bittere Bilanz, die sie in einem ihrer letzten Briefe zog: „Wahrhaftig, ich fühle, dass Abscheu gegen all dies und selbst gegen das Leben das traurige Ergebnis sein wird. Was bleibt einem Herzen, dass seit so langer Zeit all seine Wünsche nach und nach hat erlöschen sehen.“29 1779 und im Jahr ihres Todes 1789 hinterlegte die Buchwald bei der Gothaer Regierung zwei Testamente mit jeweils zwei Zusätzen.30 Nach dem Tod ihres Gatten 1761 und dem 25 26 27 28 29 30

FB Gotha, Chart. A 2415, Bl. 638 r–639 r, Bl. 650 r/v, auch 27 r. Ebd., Bl. 641 r/v. LATh-StA Altenburg, Familienarchiv von Seckendorff Nr. 2274, ab Bl. 39 r. FB Gotha, Chart B 1918 II, Bl. 3 r–29 v. Ebd., Bl. 27. LATh-StA Gotha, Landesregierung-Testamente, Nr. 152.

18

Einleitung

der Tochter 1764 setze sie ihre Schwester Eberhardine als Universalerbin ein. Frau von Buchwald regelte die Nutzung ihrer drei Immobilien,31 die Verteilung von insgesamt 16.482 Reichstalern als Legate und Pensionen. Zwei Dinge fallen hier ins Auge: Die Buchwald bedachte mit ihren Einzelvermächtnissen eindeutig Frauen, angefangen von der ehemaligen Oberhofmeisterin in Meiningen Sophia Maria Schertel von Burtenbach, deren Tochter Oberhofmeisterin am Hof der aus Sachsen-Gotha-Altenburg stammenden Herzogin Friederike von Mecklenburg war, bis hin zu ihrer Vorleserin Adrienne Fine und den beiden namentlich genannten Kammerfrauen. Zudem wird ein politisches und konfessionelles Koordinatennetz sichtbar, das Angehörige von Adelsgeschlechtern aus dem Elsass, aus Baden, der Pfalz, Württemberg, Thüringen und Mecklenburg umfasste, denen sie sich während ihrer langen Dienstzeit als Erste Hofdame verbunden fühlte, ein Netz von Lutheranern und Reformierten sowie einer Person katholischer Konfession, dem Statthalter des Mainzer Kurfürsten in Erfurt, Karl Theodor von Dalberg. Dalberg übrigens war es, der 1786 als Erster und bisher Einziger die Briefkunst der Frau von Buchwald rühmte und für eine Veröffentlichung ihrer Briefe plädierte.32

Ereignisse, Kommunikationsstrategie und Chiffriertechniken Ereignisse, Kommunikationsstrategie und Chiffriertechniken Der folgenden Lesart der buchwaldschen Briefe sollen drei grundsätzliche Vorbemerkungen vorangestellt werden. Zunächst muss mit Blick auf die Gothaer Fourierbücher dieser Jahre, in denen die Besuche Kellers auf Schloss Friedenstein gut erfasst worden sind, bedacht werden, dass die Korrespondenz stark in dessen mündliche Kommunikation mit dem Hof eingebettet war – ein wesentlicher Umstand, der für deren interpretierende Erschließung Vagheit nach sich zieht. Letztere verstärkt sich durch nicht überlieferte Antwortbriefe Kellers. Obwohl die Buchwald ihre Korrespondenz mit dem Dank für Kellers Bemühungen um ihre Mutter in einen scheinbar persönlichen Schreibkontext setzte, allerdings zugleich deutlich machte, dass sie mit Wissen und im Auftrag des Gothaer Herzogspaares schreibe – das Papier von Brief 1 zeigt stilisierte Porträts des Gothaer Herzogspaares als Wasserzeichen –, und Keller dann mehrfach ausdrücklich anbot, seine Agentin zu sein (Brief 7, 8 und 10), liegt nahe, diese Briefe als geheimdiplomatische zu lesen. Darin nutzte sie allerdings weder numerische Verschlüsselungstechniken noch Chiffrierungen mithilfe eingefügter Zeichen, vertraute hingegen der Vieldeutigkeit von Sprache und der 31

32

Frau von Buchwald besaß Gut in Siebleben, die Steinmühle samt Wohnung und ein Stadthaus in Gotha. Die Steinmühle mit Wohnung überließ sie dem Geheimen Rat Wilhelm von Rotberg mit der Auflage, dass die Frau des Kabinettskassierers Stürz lebenslang dort oder in ihrem Gothaer Stadthaus wohnen dürfe, in welchem die Vorleserin Adrienne Fine und die zwei Kammerjungfern Marguerite Lalemand und Friderique Hessen freien Wohnraum zugesprochen bekamen. Das Gut Siebleben vermachte sie Charlotte Wilhelmine von Luck auf Lebenszeit, danach Geheimrätin Carolina Franziska Friederica von Wangenheim. Danach sollte es an die jeweils älteste Tochter der Familie fallen. Karl Theodor VON DALBERG, Madame de Buchwald, Erfurt 1786.

Ereignisse, Kommunikationsstrategie und Chiffriertechniken

19

Auslegbarkeit sprachlicher Bilder. Eine solch oszillierende Chiffriertechnik öffnet ein weites Feld an Konkretisierungsmöglichkeiten. Die einführende Lesart versucht, die am häufigsten verwendeten Verschlüsselungen zu interpretieren, deren deutlich schwankender Einsatz in Korrespondenz zur Häufigkeit des schriftlichen Austauschs stand. Mit insgesamt 18 überlieferten Briefen stellen die Jahre 1738 und 1739 einen ersten Höhepunkt dar. Ein zweiter ist mit 28 Briefen zwischen Dezember 1743 bis 1745 auszumachen und mit 11 Briefen in den Jahren 1748 und 1749 schnellte die Briefanzahl ein drittes Mal in die Höhe. Danach war der intensive Briefkontakt zwischen Keller und der Buchwald zu Ende.

20

Einleitung

Abb. 3: Frontispiz zu Voltaire Élémens de la philosophie de Newton

Ereignisse, Kommunikationsstrategie und Chiffriertechniken

21

Württemberg – Newton – Horaz – Freundschaft Die Kontaktaufnahme zwischen der Neuenstein und Keller setzte in dem Moment ein, als sich im Herzogtum Württemberg im August 1738 einer der beiden evangelischen Administratoren, nämlich Karl Rudolf von Württemberg-Neuenstadt, aus Altersgründen von seinen Aufgaben zurückzog. Er hatte nach dem Tod des katholischen Herzogs Karl Alexander 1737 die spannungsreichen innenpolitischen Verhältnisse zwischen dem Herzogshaus und der starken lutherischen Landschaft vorläufig reguliert und begonnen, die schon während der Herrschaft seines protestantischen Vorgängers, Herzog Eberhard Ludwig, zerrütteten Landes- und Hoffinanzen drastisch zu ordnen. Im Machtvakuum um den verbleibenden Administrator Karl Friedrich II. von Württemberg-Oels war der Status der katholischen Herzogswitwe Maria Augusta von Thurn und Taxis als Mitregentin oder Regentin umstritten. Das politische und konfessionelle Ringen in Württemberg wurde zudem von den politischen und finanziellen Interessen der zahlreichen Garanten der fürstlichen Testamente der Herzöge Eberhard Ludwig und Karl Alexander beeinflusst: die Könige von Preußen und Großbritannien/Hannover, Friedrich Wilhelm I. und Georg II., den König von Dänemark Christian VI. sowie Kaiser Karl VI. Mit Frankreich beteiligte sich aufgrund des seit 1723 anhaltenden diplomatischen Dauerstreits mit Württemberg um das lutherische Mömpelgard eine weitere europäische Macht an diesem konfliktreichen Prozess. Es hat den Anschein, dass sich der scheidende Administrator im Namen der Landstände Württembergs in dieser politischen und konfessionellen Gemengelage, in der es um viel Geld ging, diskret und zugleich entschieden an einen lutherischen Landesfürsten von Gewicht, an Friedrich III. von Sachsen-Gotha-Altenburg, als Kontroll- und Vermittlungsinstanz wandte (Brief 5 und 13). Zunächst ging es ganz offensichtlich um die Abgrenzung der Hofhaltung des verbleibenden Administrators von den Witwenhöfen, dem der katholischen Herzogin-Witwe Maria Augusta, zu dem ihre drei unmündigen Söhne gehörten, und dem in Göppingen zu etablierenden Witwenhof der reformierten Erbprinzessin Henriette Marie von Brandenburg-Schwedt, die sich mit Beschwerden vorzugsweise an den preußischen König wandte. Zu deren Hofstaat gehörte als Erzieherin der zur Königlichen Hoheit deklarierten Tochter Friederike Luise, einer der potenziell vermögendsten, lutherisch geprägten deutschen Prinzessinnen, Frau von Neuenstein. Es erstaunt, wie fordernd die Offenlegung der personellen und finanziellen Ausstattungen dieser Höfe als Spionageauftrag ausgesprochen wurde (Brief 2). Angesichts des beschriebenen Kontextes löst sich die konkrete Sorge der Neuenstein um ihre Mutter aus dem familiären Bereich und das Wort „Mutter“ wurde zu einer Chiffre, verbunden mit der Frage, wessen Stimme als Nachkomme um welche „Mutter“ bangte. Vermutlich ging es schon in diesen Jahren auch darum, dass im konfessionellen Spannungsfeld Württembergs der katholischen Herzogswitwe die Erziehung des künftigen Herzogs Karl Eugen weitgehend entzogen werden sollte, der dann 1741 mit seinen Brüdern an den Hof Friedrich II. gebracht wurde. Nicht unerwähnt bleiben soll, dass es neben den beiden genannten Witwen noch eine dritte gab, die in Verbindung zur Familie von Neuenstein stand, die Mutter Franz Stefans und Karls von Lothringen, Élisabeth Charlotte d’Orléans. Deren Wohnsitz in Commercy in unmittelbarer

22

Einleitung

Nähe Württembergs war durch den Verzicht Franz Stefans auf Lothringen, das 1737 Stanislaus I. Leszczyński vom französischen König zugesprochen worden war, potenziell instabil. Dass ein Handeln Sachsen-Gotha-Altenburgs in diesem Koordinatennetz ohne nachweisbar offizielles Mandat kaschiert werden sollte, verdeutlicht die interessante Diskussion um den Begriff „Abglanz“. Die Neuenstein griff hier auf die Theorie Isaac Newtons zur Lichtbrechung zurück, die durch Voltaires 1738 in Amsterdam erschienenen Élemens de la philosophie de Newton popularisiert und in den Bereich menschlicher Kommunikationssituationen übertragen wurde. Ein prachtvolles Frontispiz zu dieser Ausgabe illustriert, dass sich aus vielen Teilchen bestehendes Licht aus einer starken Lichtquelle sowohl gerade oder durch ein störendes Objekt als reflektiertes Licht, als Abglanz, wiederum gestreut, in eine andere Richtung ausbreiten könne, wobei die eigentliche Lichtquelle nicht erkennbar ist. Die Erklärungen der Neuenstein dazu, ob ihre Briefe an Keller Abglanz seien oder nicht, waren Grundlage und Teil einer wohldurchdachten Kommunikationsstrategie. Mit dem Rückgriff auf die Newtonsche Lichttheorie wurde der Gothaer Hof zu einer Kommunikationsbrücke, auf der sich die Stimmen von einem oder mehreren unbekannten Absendern und einem oder mehreren unbekannten Adressaten kreuzten. Dabei wurden allerdings weder Herzogin Luise Dorothea noch Herzog Friedrich III. als störende Objekte manifest. Sie traten erst 1744 mit einem Brief der Herzogin und ab 1748 mit je eigenen Briefen schriftlich in direkten Kontakt mit Keller.33 Die Verantwortlichkeit für die vorliegende Korrespondenz, die aus dem Hintergrund heraus unablässig beobachtet, kontrolliert und gelenkt wurde, lag damit offiziell bei der Hofdame, welche sich ihrerseits durch die Fassade schützte, ihrem Landsmann zu schreiben. Diese korrespondenzstrategischen Schutzmaßnahmen versah die Neuenstein gleich zu Beginn des Briefwechsels mit der Erläuterung des Gothaer Politikverständnisses, im Spiel der europäischen Mächte offiziell Neutralität zu wahren. Ohne jemals in eine profunde philosophische Diskussion zu treten, favorisierte sie in diesem Zusammenhang die Philosophie des späten Horaz. Unter Bezug auf Kellers Gut Stedten und die Gothaer Sommerresidenz Friedrichswerth rekurrierte sie auf eine gemeinsame Verankerung im Horazischen Grundsatz beatus ille, qui procul negotiis,34 auf idyllisches, geordnetes Landleben, den Rückzug auf das eigene Haus, auf eremitisches Dasein in einem vertrauten Freundeskreis, ein Dasein, das Keller wegen der württembergischen Angelegenheiten nun zu verlassen gezwungen sei.35

33 34 35

FB Gotha, Chart A 2415, Bl. 1–420 sowie 421–461. Quintus Horatius FLACCUS, Epodes II, 1. Zum Kontext dieser Horaz-Auslegung vgl. LATh-StA Gotha, Geheimes Archiv E XIII a 18, Bl. 53 r und 54 r und 17, Bl. 84 r, (Manteuffel an Herzogin Luise Dorothea am 6. Dezember 1742 und Beilage). Manteuffel hatte demnach dem preußischen Kronprinzen Friedrich durch den Verweis auf den späten Horaz den Charakter eines wahrhaft weisen und großen Menschen in Kriegs- und Friedenszeiten deutlich machen wollen, der jedoch als König davon abgerückt sei.

Ereignisse, Kommunikationsstrategie und Chiffriertechniken

23

Abb. 4: Stedten, Partie an der Gera

Nie jedoch wurde aus Gothaer Perspektive diese Horazische Grundhaltung mit Tatenlosigkeit gleichgesetzt, vielmehr ausdrücklich mit einer spezifischen Form politischen Handelns verknüpft, dem Beobachten, Abwarten und Aushandeln und gebündelt in dem von der Buchwald häufig gebrauchten Begriff „Vorsehung“ im Sinne von Nichtplanbarkeit, Zufall, der plötzlichen Veränderung äußerer Konstellationen. Reaktives, abwägendes, rationales politisches Vorgehen anstelle offener Konfrontation bot die Chance für ein Handeln auf der Basis geheimer Verträge, finanzieller Entschädigung oder Bestechung von Partnern oder auch lukrativer Subsidienverträge. In den Briefen sind dafür zahlreiche Anspielungen zu finden: die besondere Haltung Sachsen-Gotha-Altenburgs gegenüber Frankreich, die häufig erwähnten Besuche des Arztes Hermann Paul Juch aus dem zu Kurmainz gehörenden Erfurt, die wiederholt und ausführlich erwähnten, scheinbar harmlosen Stofflieferungen Kellers aus Paris an Herzogin Luise Dorothea und ihre Hofdamen, deren auffällig wiederholte Farbbeschreibungen in den Bereich der Heraldik führen, worauf zurückzukommen sein wird (Brief 14 bis 19 und Brief 47).36 36

Zu erwähnen sind hier die Langzeitwirkung des geheimen Friedensvertrags zwischen Frankreich und Sachsen-Gotha-Altenburg einschließlich geheimer Zusatzartikel von 1701 (LATh-StA Gotha, Gehei-

24

Einleitung

Die hier umrissene Politikvorstellung richtete sich gegen die Konzeption eines affekt-, emotions- und machtgesteuerten politischen Vorgehens. Der Streit darum entzündete sich in Brief 12. Anlass waren die von der Neuenstein gewählten Anredeformen. Ihre Anreden „Monsieur“ und Landsmann wurden im Unterschied zu einer dritten, der als „Freund“, nicht diskutiert. Berücksichtigt man den höchst differenzierten Gebrauch des Begriffs Freundschaft in der Diplomatie seit der Frühen Neuzeit, so wird spätestens an dieser Stelle deutlich, dass einer der unbekannten Beteiligten an der Korrespondenz die buchwaldsche Konzeption von wahrer, nichtegoistischer, nicht hinterfragbarer Freundschaft anzweifelte. Das geschah unter Berufung auf radikale religionskritische Positionen, die an der Person des mehrfach als Epikureer charakterisierten preußischen Gesandten in Wien Gustav Adolf Graf von Gotter festgemacht wurden (Brief 5 und 7) sowie unter Bezug auf die sensualistische Philosophie George Berkeleys und deren Grundthese Sein heißt wahrgenommen werden (Brief 4 und 10). Eine der Stimmen im Briefwechsel zwischen der Gothaer Hofdame und dem württembergischen Gesandten machte sich deutlich bemerkbar. In ihrer intellektuellen Radikalität deutet sie auf die des preußischen Kronprinzen Friedrich, der in diesen Jahren politisch und militärisch auf seine Herrschaft vorbereitet wurde. Dessen politische und militärische Begabung, aber auch seine Unberechenbarkeit waren nicht nur in Sachsen-Gotha-Altenburg, sondern auch in Württemberg und – in ihrer Ambivalenz von Prinz Eugen von Savoyen betont – in Wien bekannt. Obwohl die zwei Politik- und Freundschaftskonzeptionen unvereinbar schienen, wurde eine Konfrontation zunächst in der Konzeption des Spiels im Sinne des Theatrum mundi aufgefangen (Brief 4), bevor sie in veränderten politischen Konstellationen 1744 neu definiert wurden (Brief 40). Das hatte Konsequenzen für die Choreografie der Briefe. Für deren Verfasserin, die Buchwald, scheint die Rolle einer im Schatten bleibenden Souffleuse die treffendste zu sein. Sie hatte die Aufgabe, das Spiel der einander kreuzenden Stimmen der Akteure durch stichwortartig vermittelten Text in Gang zu halten, zentrale Aussagen zu koordinieren, deren Zuordnung jedoch zu erschweren. Dies würde erklären, warum die Briefe der Hofdame optisch als Fließtext erscheinen. Sie verzichtete weitgehend auf gliedernde Elemente wie Interpunktion und Sinnabschnitte. Textverflechtungselemente wie Possessiv- und Relativpronomen platzierte sie so geschickt, dass sie nur schwer dem entsprechenden Nomen zuzuordnen sind. Umso evidenter sind die von ihr tatsächlich als solche markierten Abschnitte und seltene Postskripta. Sie heben die Bedeutung der darin enthaltenen Information hervor oder haben gegenüber einer in den Fließtext eingewebten faktisch basierten Information eine kommentierend-wertende Funktion. Hier sind besonders ihre Hinweise auf eine angeblich ungebührliche Länge ihres Briefs, ihr Geschwätz, eine unleserliche Handschrift, schlechte Tinte und schlechtes Papier auffällig, bezogen sie sich doch meist mes Archiv QQ [N], Nr. 1), die besonderen Beziehungen Sachsen-Gotha-Altenburgs zu Kurmainz in Gestalt regelmäßiger Besuche aller Erfurter Statthalter am Gothaer Hof sowie die Verträge der Indienststellung Gothaer Truppen für die Generalstaaten von 1703, 1744 bis 1749, 1749 und 1763 und die zahlreichen Kartell- und Werbungsverträge im betreffenden Zeitraum. u. a. mit Preußen, Kursachsen, Wolfenbüttel, Kurmainz, Würzburg, Hessen-Kassel LATh-StA Gotha, Geheimes Archiv WW. V. (t), Nr. 1–50.

Ereignisse, Kommunikationsstrategie und Chiffriertechniken

25

auf aus Preußen kommende Nachrichten (Brief 4). Für diese Korrespondenztaktik existiert eine Art Trainingsmodell in den handgeschriebenen Poésies diverses, die sich in der Privatbibliothek Karolines von Hessen-Darmstadt befinden und von denen weiter unten nochmals die Rede sein wird.37 In der ersten Hochphase der Korrespondenz wurden für das zu beginnende Spiel im Welttheater auch die ersten typisierten Figuren festgelegt und wechselseitig negativ konnotiert. Hinter der unbeherrscht-epikureischen Figur „Gotter“ ist der Kronprinz Friedrich von Preußen zu erahnen, hinter der abwertend zum raffinierten Orthodoxen und Zauderer stilisierten des Gothaer Gelehrten und Vizekonsistorialrats Ernst Salomon Cyprian möglicherweise Friedrich III. Der Tod Kaiser Karls VI. und der des preußischen Königs Friedrich Wilhelm I. 1740 reduzierten die Zahl der Briefe an Keller signifikant. Die für Krisenzeiten in zeitgenössischen geheimdiplomatischen Korrespondenzen typische Metapher des Schweigens wurde auch von der Buchwald genutzt. Jegliche Kommunikation erschien ihr durch angeblich schwere Krankheit, direkter Kontakt durch Nebel und schlechte Wege unmöglich (Brief 23) – Ausdruck dafür, dass Sachsen-Gotha-Altenburg sich in der veränderten politischen Lage neu orientieren musste. Die unmittelbaren politischen Folgeereignisse, die von den evangelischen Landständen angefochtene Übernahme des Reichsvikariats durch die Kurfürsten von Bayern und der Pfalz, Karl Albrecht und Karl Philipp, sowie der Machtantritt des preußischen Kronprinzen Friedrich im Dezember 1740, der unmittelbar darauf mit dem Ersten Schlesischen Krieg den Österreichischen Erbfolgekrieg eröffnete, wurden in den Briefen der Buchwald nicht diskutiert. Dennoch verdeutlichen die wenigen bis 1743 geschriebenen die Eckpunkte der politischen Positionierung Sachsen-Gotha-Altenburgs. Dazu gehörte die ambivalente, ja distanzierte Haltung zur Entscheidung Friedrichs II., die Erziehung der drei Prinzen von Württemberg an den preußischen Hof zu verlagern (Brief 27 und 29), die diskreten Informationen darüber, dass sich das Gothaer Herzogtum mit Großbritannien, der Österreich unterstützenden Macht, in Kontakt befinde (Brief 24, 30 und 31), die, dass es sich im Prozess der Kaiserwahl, die 1742 zugunsten des Kurfürsten von Bayern Karl Albrecht zu Kaiser Karl VII. ausging, nicht aktiv positionieren wolle (Brief 25). Zugleich tauchten in den buchwaldschen Briefen deutlich radikale Positionen auf. Die eine verurteilte mit Zitaten aus Pierre Corneilles Le Cid als Germane scharf die Einmischung Frankreichs in die Wahl und Krönung des römisch-deutschen Königs und Kaisers (Brief 19, 26 und 32), die andere kritisierte in heftigster und ausfälliger Weise Maria Theresias kriegerisches Vorgehen gegen Bayern (Brief 32).

Der Zweite Schlesische Krieg – Die Kaiserfrage – Der Ordre des Hermites de bonne Humeur Zwischen Dezember 1743 und Ende des Jahres 1745 erreichte die Zahl der BuchwaldBriefe an Keller ihren absoluten Höhepunkt. Rahmen und Begleitereignisse dafür sollen 37

Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt, HS 1731, Bl. 35–58 und 58–84. Die hier erhaltenen Texte wurden bislang Ulrich von Thun zugeschrieben.

26

Einleitung

hier knapp umrissen werden. Keller war im Zuge der vorzeitigen Mündigkeitserklärung Karl Eugens von Württemberg und dessen Rückkehr in sein Herzogtum zum Gesandten Württembergs in Berlin ernannt worden, wo er ab Juni 1744 weilte. Herzogin Luise Dorothea trat aus dem bisher gewahrten Inkognito und schrieb dem in Berlin weilenden Keller erstmals persönlich.38 Es waren zugleich die Jahre der missglückten Kaiserherrschaft Karls VII. bis zu seinem plötzlichen Ableben im Januar 1745. Der im Juni 1744 begonnene Zweite Schlesische Krieg endete mit den Friedensschlüssen von Füssen zwischen Bayern und Österreich am 22. April und dem von Dresden zwischen Preußen, Österreich und Sachsen am 25. Dezember 1745. Zwischen beiden Friedensschlüssen fand am 13. September 1744 die Wahl Franz Stefans von Habsburg-Lothringen, des Gatten und Mitregenten Maria Theresias, zum römisch-deutschen König, am 4. Oktober dessen Krönung statt. Dieses Ereignis notierte Herzog Friedrich III. voller Genugtuung im persönlichen Exemplar seines Hofund Adresskalenders, während der für die Interpretation der buchwaldschen Briefe vermutlich aufschlussreichere Kalender auf das Jahr 1744 nicht überliefert ist.39 Diesem Kalender wäre vielleicht sprachlich deutlicher und faktenbasiert zu entnehmen, dass und wie sich im umrissenen Zeitraum der Neutralitätsgrundsatz Sachsen-Gotha-Altenburgs kurzzeitig zugunsten politischen Handelns verschob. Diese Entscheidung bedurfte zunächst einer einschneidenden Sicherheitsmaßnahme. Sie betraf den bislang einzigen Sohn des Gothaer Fürstenpaares, Erbprinz Friedrich. Nachdem dessen Mutter Herzogin Luise Dorothea den in Berlin weilenden Keller um Rat gebeten hatte, wurde er im August 1744, kurz nach Beginn des Zweiten Schlesischen Krieges, zeitlich unbefristet außer Landes geschafft (Brief 42 und 46). Gleichzeitig erhielt Keller von der Buchwald die diskrete Mitteilung über eine erneute Schwangerschaft der Herzogin, die zwar zunächst nur auf einen weiteren Sohn hoffen ließ, Sachsen-Gotha-Altenburg jedoch als politischem Spieler in den anstehenden Auseinandersetzungen potenziell Gewicht verlieh.40 Über die Ziele des verdeckten politischen Handels, das für das offiziell neutrale Sachsen-Gotha-Altenburg auch zu einer militärischen Bedrohung werden konnte, informiert sowohl der Blick auf die parallel zu der mit Keller verlaufende Auftragskorrespondenz der Buchwald mit ihrem Vater Friedrich Heinrich von Seckendorff als auch der auf zwei Dokumente geselliger Kultur am Gothaer Hof. Seckendorff war zwei Jahre nach seiner 1740 erfolgten Freilassung aus österreichischer Gefangenschaft, die von Franz Stefan von Lothringen erfolgreich unterstützt worden war,41 in den Dienst des umstrittenen Wittelsbacher Kaisers Karl VII. getreten. Schon im April 1742 nahm er von Nürnberg aus über die Buchwald den Briefkontakt mit dem Gothaer Hof auf. Dort war bekannt, dass er an einem Plan arbeite, von dem sich ganz Deutschland heilsame Wirkungen erhoffe und in den sich Sachsen-Gotha-Altenburg ein-

38 39 40 41

FB Gotha, Chart A 2415, Bl. 17.04.1744. FB Gotha, Hof- und Adresskalender Chart B 1551 (1745), Bl. 19 r und Bl. 21 r. Die Funktion des Erbprinzen Friedrich als Spielball politischer Auseinandersetzungen bedarf angesichts neuer Quellen einer Neuinterpretation. LATh-StA Altenburg, Familienarchiv von Seckendorff Nr. 1150, Bl. 12 r, 13 r, 14 r.

Ereignisse, Kommunikationsstrategie und Chiffriertechniken

27

bringen wolle.42 Das Herzogspaar lud sich selbst zu einem Treffen mit ihm ein, das im Juni 1742 auf Seckendorffs Landsitz Meuselwitz im Beisein von nicht näher benannten Anwesenden stattfand.43 Im Gegenzug wurden Seckendorff und seine Gattin Ende Dezember 1743 unter großen Ehrbezeugungen zu geheimen Beratungen auf dem Friedenstein im kleinen grünen Zimmer empfangen (Brief 37, 38). Als Fazit dieser Besuche fasste die Buchwald für Keller im Januar 1744 zusammen: Seckendorff würde den Dienst Karls VII. am liebsten verlassen, in dem keine Ehre zu finden sein werde (Brief 38). Das Schlüsselwort Ehre gibt einen deutlichen Hinweis darauf, dass sich ein konfessionsübergreifendes Bündnis gegen die Machtbestrebungen Maria Theresias und Friedrichs II. formierte. Erklärte Ziele waren ein allgemeiner Frieden und die Rückkehr zum alten Reichssystem, als dessen Gefährder namentlich der bayerische Kurfürst, der König von Preußen und deren Nachahmer identifiziert wurden, sowie die ausdrückliche Ablehnung ausländischer Einmischung in Reichsangelegenheiten. Diese retrospektiv resümierende Beschreibung der gemeinsamen Ziele ist den Briefen der Buchwald an Seckendorff ab Ende April 1745 zu entnehmen44 und weist in ihren Formulierungen erstaunliche Parallelen zum ebenfalls 1745 anonym veröffentlichten Druck Das Grab der Frankfurthischen Union. Von einem patriotischen Teutschen auf.45 Als Spielvarianten eines solchen patriotischen Bündnisses können der 1739 gegründete Geheimorden Ordre des Hermites de bonne Humeur (Brief 17) und der Text eines Festspiels, der Fête morale galante. Célébrée le jour des Rois, angesehen werden. Die Mitgliederlisten des Geheimordens, in den Männer und Frauen als Brüder und Schwestern aufgenommen wurden, verzeichnen die Namen und Ordensnamen der aufgenommenen herzoglichen Familienmitglieder einschließlich der in kursächsischem, münsterschem und kaiserlichem Militärdienst stehenden Brüder Friedrichs III., von Angehörigen alter Adelsgeschlechter aus Thüringen, Kursachsen, dem Elsass, Württemberg, Hannover und Preußen. Die überlieferten Ordensregeln, Aufnahme- und Sitzungsdokumente sind durchaus als Anleitungen zum Einüben programmatischer politisch-moralischer Werte und Ziele zu interpretieren.46

42 43

44 45

46

LATh-StA Altenburg, Familienarchiv von Seckendorff Nr. 2274. Vgl. Johann Christoph Gottsched: Briefwechsel. Unter Einschluss des Briefwechsels von Luise Adelgunde Victorie Gottsched. Historisch-kritische Ausgabe. Im Auftrag der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig herausgegeben von Detlef DÖRING und Manfred RUDERSDORF, Berlin u. a., Bd. 8, S. 230 f. und S. 310. LATh-StA Altenburg, Familienarchiv von Seckendorff Nr. 2274, Bl. 11 r–16 r. download.digitale-sammlungen.de/BOOKS/download.pl?id=bsb10886207. Gegen die Mitglieder der sogenannten Liga (die Höfe von Ansbach, Bayreuth, Darmstadt, Gotha, Wolfenbüttel, Mainz, Trier, Würzburg) ergriff Friedrich II. ab November 1744 politische Maßnahmen, verzichtete jedoch darauf, gegen Kursachsen und Hannover vorzugehen (vgl. friedrich.uni-trier.de/de/politKorr/3/ 333/text und friedrich.uni-trier.de/de/politKorr/3/342/text [Zugriff für alle Links: 22. April 2022]). FB Gotha, Chart A 1164 und FB Gotha, Chart B 1430.

28

Einleitung

Abb. 5: Regeln und Mitgliederlisten des Ordre des Hermites de bonne Humeur

Unter Führung und Schutz des Gothaer Herzogspaares als Ordensoberer und -obere sollten im Arkanum des Eremitenordens prinzipielle Gleichrangigkeit aller freiwilligen Mitglieder, Geschlechtergerechtigkeit und eine rotierende Führungs- und Verantwortungsstruktur, die sich aus einem Loswahlprinzip ergab, praktiziert werden. In diesen Orden wurden im Sommer 1743 im Rahmen eines generellen Mitgliederschubs Keller als Renardin und Gotter als Tourbillon (Wirbelwind) aufgenommen, während die Mitgliedschaft Manteuffels als Manfrede, der im September 1743 drei Wochen lang Gast auf dem Sommersitz Schloss Ichtershausen war, in der offiziellen Mitgliederliste nicht festgehalten wurde. Ein Pendant in aktualisierter Zuspitzung sowie üppiger, bildreicher Erweiterung durch die Einbettung in die Heraldik fand die Programmatik des Eremitenordens in der Fête morale galante. Célébrée le jour des Rois.47 Das Festspiel ist Teil eines gebundenen, handgeschriebenen 47

FB Gotha, Chart B 1344, Bl. 98–112.

Ereignisse, Kommunikationsstrategie und Chiffriertechniken

29

Recueil des pièces différentes en vers et en prose aus der Privatbibliothek der Herzogin Luise Dorothea, der zahlreiche Überschneidungen zum schon genannten Poesieband der Karoline von Hessen-Darmstadt aufweist. Es entstand im Umfeld des oben erwähnten Besuchs des Ehepaares Seckendorff auf Schloss Friedenstein und verwies mit dem exakt angegebenen Aufführungsdatum auf den 6. Januar 1744. Der Text evoziert die Geburt einer Verschwörung der „moralischen“ Stände gegen einen König und Kaiser, der deren Rechte missachtet, das unausgesprochene Ende der Herrschaft Karls VII. In burlesker Umkehr der Geschlechterrollen erwählen in Anspielung auf die Festlegungen der Goldenen Bulle sieben anonym bleibende Damen aus dem Kreis der sieben teilnehmenden Herren einen König, der seinerseits die Königin bestimmt. Die Decknamen rekurrieren auf einen erweiterten Kanon klassischer Herrschertugenden, die Wappen umfassen das für Sachsen-Gotha-Altenburg charakteristische Universum der bildlichen Selbstinszenierung bis nach 1772 und nicht zuletzt transportieren die einzelnen Devisen, setzt man sie barocker Dichtkunst folgend zusammen, ein politisches Credo: aus der zweiten Reihe heraus: nicht wahrnehmbar, aber schuldlos zu handeln. Zugleich öffnet der Festspieltext mit der Unterschrift Charles le Délicat einen interpretativen Bogen von der Übergabe der Confessio Augustana 1530 an Kaiser Karl V. durch den sächsischen Kurfürsten Johann und weitere protestantische Reichstände einerseits sowie eine Anspielung auf die Erwartungen an Karl Alexander von Lothringen als frisch ernanntem Statthalter in den Österreichischen Niederlanden , um die Präferenz der Festspielteilnehmenden für die Ansprüche des Hauses Habsburg-Lothringen auf den Kaiserthron anzudeuten.48 Interessant für die Auslegung zahlreicher Briefpassagen ist die im Festspiel definierte Bedeutung der Chiffre „Hochzeit“. Die „Hochzeiten“ der Teilnehmenden sind, zeitlich begrenzt wie das „aus dem Leben geborene“ moralischeHerrschertum, jederzeit freiwillig auflösbare Bündnisse der moralischen Stände. Mit der Abreise Kellers als Gesandter Württembergs nach Berlin im Januar 1744 war die Korrespondenz der Buchwald somit tief in den emblematischen Überlieferungen, in ausdeutbarer Poesie verankert, welche die als Geheimnis gehandelten Pläne der selbsternannten Partei der Ehre, der Patrioten, umrissen. In den Briefen der Buchwald nach Berlin wurde die Zugehörigkeit Sachsen-Gotha-Altenburgs zu dem später Liga genannten Bündnis und zur Verschwörung in der Schwebe gehalten. Die ersten Briefe der Buchwald unmittelbar vor und nach der Ankunft Kellers (Brief 38 bis 40) zeugen vom ambivalenten Bemühen, Friedrich II. nicht zu brüskieren. Zunächst wurde ein zweites Mal in diesem Briefwechsel und nun sehr deutlich das Bild eines Trisets aufgerufen. Konnte die Metapher eines Dreifachringes im Frühjahr 1739 noch als ein Symbol für die Wiedervereinigung und den Zusammenhalt dreier Frauen, Herzogin Luise Dorothea und die Schwestern von Neuenstein, gelesen werden (Brief 14), so verweist deren sprachlich feminisierte Form 1744 (Brief 38 und 39) auf ein Koordinierungsangebot zwischen Wien, wo Maria Theresia eine traditionell Männern vorbehaltene Rolle spielte, und dem homosexuellen König in Berlin. 48

Vgl. dazu ThLA-StA Gotha, Geheimes Archiv E XIII a 21, Bl. 67 r–68 r (Manteuffel an Luise Dorothea am 7. März 1744) sowie Bl. 72 r–73 r (Manteuffel an Luise Dorothea am 12. März 1744) über den Aufenthalt Karl Alexanders von Lothringen und seiner Gattin Maria Anna von Österreich in Leipzig mit ausführlichen literarischen Porträts beider Personen.

30

Einleitung

Die Vermittlungsversuche Kellers in seiner Doppelrolle als württembergischer Gesandter in Wien und Berlin wurden von Gotha aus orchestriert, wo der auf seine Fuchsphysiognomie anspielende Eremitenname entstanden war (Brief 40). Wie zu Beginn der Korrespondenz wurden zu Beginn der zweiten Korrespondenzphase nochmals Anreden geklärt, insbesondere die umstrittene „Freund“ (Brief 40). Kurz darauf explodierte in den Buchwaldbriefen die Zahl der Anrede- und Abschiedsformeln. Neben die Anreden im Singular als Landsmann und Freund traten nunmehr in unterschiedlicher Kombination die als Renardin und Bruder, zur bisherigen Unterschrift der Buchwald mit ihrem Klarnamen und der Eigenbezeichnung Freundin die einer Schwester, die Unterschrift mit ihrem Ordensnamen Brillante sowie die Kürzel Br., Bw. und B. Auch die Pluralformen wurden erweitert. Neben die Grüße des Herzogspaares oder einzelner Hofangehöriger rückten, ebenfalls unterschiedlich kombiniert, die der Ordensoberen, der Brüder und Schwestern, der Clique oder die an Kellers Bruder und Schwestern. Diese Erweiterungen hatten eine Signalfunktion und wiesen angesichts der weitgefächerten Ordenslandschaft auf unterschiedliche Kommunikationsebenen, die nur Eingeweihten erschließbar waren. Allein die Chiffre „Bruder“ bezog sich sowohl auf Kellers leiblichen Bruder, die Herren des Gothaer Eremitenordens als auch die Zugehörigkeit einiger seiner Mitglieder sowie Friedrichs II. und Franz Stefans von Lothringen zu Freimaurerlogen und/oder zu den großen Haus- bzw. Ritterorden Europas. Ausgedehnt wurde auch das Chiffrenreservoir zu Verwandtschaftsbeziehungen. Neben den Chiffren Vater und Mutter verwendete die Buchwald nun auch die eines Onkels, einer Nichte, zweier Cousins, einer Cousine, eines großen und eines kleinen Friedrichs, um unter dem Deckmantel angeblich privater familiärer Konflikte politische oder militärische Fragen zu diskutieren (Brief 40 bis 47). Die Diskussionen fanden ihren Höhepunkt in gezielt platzierten Verweisen auf künstlerische Werke. Im Zitat eines Epigramms von Jean Baptiste Rousseau wurde im Bild einer bevorstehenden Hochzeit vor den tragischen Folgen falscher Bündnispolitik gewarnt, die sich am 5. Juni 1744 mit dem Anschluss der von Friedrich II. geführten Frankfurter Union an den Nymphenburger Vertrag realisierte. Mit dem Hinweis auf Louis de Boissys Le rivale favorable wurden vehement deren tragikomische Folgen hervorgehoben. In dieses Ensemble poetischer Chiffrierung gehört auch das Manuskript der Sechs Horazoden für Sopran von Paganelli. Es wurde von Thun aus Genf an Herzog Friedrich III. gesandt, der es über die Buchwald an Keller nach Berlin zur Weitergabe schickte. Es ist eindeutig als Aufforderung an Friedrich II. zu verstehen, angesichts erschöpfter Ressourcen den Krieg, zu dessen Sponsoren auch die reformierten Schweizer Bankiers gehörten, mit denen Thun in Kontakt stand, zu beenden, seinen finanziell ruinösen militärischen Furor zu zügeln (Brief 47 bis 49). Dass es zwecks Beendigung des Zweiten Schlesischen Kriegs militärische Absprachen gab, verdeutlicht neben der moralisch kaschierten Empörung über den Verrat Schmettaus und Seckendorffs (Brief 47, 55 und 56) oder den Verweis auf militärische Sabotageakte (Brief 56) nochmals ein abschließender Blick auf die wesentlich konkreter gehaltenen buchwaldschen Briefe an Seckendorff. Aus ihnen geht hervor, dass die Pläne für die unerwartet siegreiche Schlacht Friedrichs II. von Preußen bei Hohenfriedberg am 4. Juni 1745 in Gotha bekannt und die nachfolgende Besetzung Kursachsens nicht überraschend wa-

Ereignisse, Kommunikationsstrategie und Chiffriertechniken

31

ren. Der preußische König habe laut Buchwald ein Exposé der Schlacht an den Geheimen Staats-, Kriegs- und Kabinettsminister Heinrich Graf von Podewils, im Spionagenetzwerk Eugens von Savoyen der Fürsichtige genannt, und an Gotter geschickt, was Letzterer ihr übergeben hätte.49 Der Ton der buchwaldschen Briefe an Keller veränderte sich nach dieser Kriegswende hin zu einer verhaltenen Anerkennung Friedrichs II., begleitet von abwertend-spöttischen Urteilen über ihren Vater Seckendorff (Brief 63, 64), den sie allerdings im Auftrag Friedrichs III. zum unverzüglichen Verlassen Bayerns aufgefordert hatte und ihm Schutz in Altenburg vor Friedrichs II. Drohgesten zusicherte.50 Die halbherzige Anerkennung des preußischen Königs durch Sachsen-Gotha-Altenburg bezog sich darauf, dass er mit dem Sieg über Kursachsen nicht nur die Kaiserkandidatur des Kurfürsten Friedrich August II. obsolet machte und dadurch dem Heiligen Römischen Reich vorübergehend Frieden brachte, sondern auch zum Verteidiger des Protestantismus stilisiert werden konnte (Brief 63 bis 65). Sie sollte sich für die Ereignisse während der letzten Phase des Briefwechsels zwischen der Buchwald und Keller als nützlich erweisen.

Die Kirche in Stedten – Die Weimarer Angelegenheiten – Bilder Das vorläufige Ende des harten Ringens zwischen Sachsen-Gotha-Altenburg und Friedrich II. wurde von der Buchwald als Burleske erzählt. Dies betraf nicht nur die Schilderung der sorgfältig sabotierten Rekrutenstellung für den preußischen König durch den Gothaer Hof (Brief 49, 66 und 67), sondern auch die eingangs genannten Spielfiguren Gotter und Cyprian. Der Bericht über Gotters eskortierte Rückkehr nach Berlin gleicht der Aufhebung einer kaschierten Gefangenschaft als Schachfigur Friedrichs III. im Machtspiel mit Friedrich II. (Brief 66). Ähnliches lässt sich über das angeblich von Cyprian ständig verhinderte Kirchenprojekt in Stedten sagen. Die im Brief 5 begonnene Diskussion um Kellers Gesuch, in Stedten eine eigene Kirche mit Patronatsrecht zu bauen, zog sich bis 1745 hin. Zwar betonte die Buchwald seit 1739, dass Friedrich III. und vor allem Herzogin Luise Dorothea eifrige Befürworter des Kirchenprojekts seien, jedoch teilte sie Keller immer wieder verschiedenste Gründe für dessen Ablehnung mit. Einer der makabren war die Vertröstung auf Cyprians Tod (Brief 43), einer der interessantesten der Hinweis, dass für die zu besetzende Stelle weniger ein Theologe als ein Mann für Konten und Gelder gefunden werden müsse (Brief 47). Hintergrund für die ideenreiche Hinhaltetaktik war allerdings unter anderem die Ungewissheit, ob der junge, am Berliner Hof erzogene, zukünftige Herzog Karl Eugen bei seiner Rückkehr nach Württemberg die Religionsreversalien zum Schutz der protestantischen Religion sowie die Landesprivilegien respektieren würde. Als das im Juni 1744 geschehen war, wurde der Kirchenbau inoffiziell erlaubt (Nr. 42), was schlaglichtartig auf nunmehr abgesicherte Geldflüsse zwischen Preußen, Sachsen-GothaAltenburg und Württemberg sowie entsprechende Verbindungen nach Frankreich ver49 50

LATh-StA Altenburg, Familienarchiv von Seckendorff Nr. 2274, Bl. 13 r/v. Zum Informationsfluss zwischen Podewils, Gotter, Manteuffel und Seckendorff auch Bl. 21 v–25 r. Ebd., Bl. 9 r/v und 12 r/v.

32

Einleitung

weist. Die Einweihung der Kirche in Stedten fand, von Friedrich III. am 20. September 1745 notiert, im Beisein des Herzogspaares statt.51 Über das Ringen Sachsen-Gotha-Altenburgs um die Erweiterung seiner Macht im Ernestinischen Haus im Zusammenhang mit dem Tod des Herzogs von Sachsen-WeimarEisenach im Januar 1748 liegt reichlich Forschungsliteratur vor. Die Ansprüche Friedrichs III., die er im Privatexemplar seines Adresskalenders am 24. Januar 1748 notierte, zielten auf das Maximum, daselbst die OberVormundschafft und LandesAdmistration anzutreten, auf des Seel. Herztzogs kurtz vor seinem Todte gethahne Erklährung.52 Um im Ernestinischen Haus eine Führungsrolle zu behaupten, musste das Herzogspaar die Unterstützung des skeptisch beurteilten und mehrfach brüskierten preußischen Königs erlangen und somit die schützende Hinterbühne verlassen. So nahmen Herzog Friedrich III. und Herzogin Luise Dorothea in der dritten Phase des hier edierten Briefwechsels die Feder selbst in die Hand und dies nicht nur in der Kommunikation mit Keller, sondern auch mit Friedrich II. Die letzten Briefe der Buchwald an Keller (Nr. 70 bis 80) bestätigen in ihrer Parallelität zu denen des Herzogspaares die oben genannte These einer durchdachten und koordinierten Kommunikationsstrategie des Gothaer Hofs, dank derer es seit 1738 einen intensiven und permanenten Informationsfluss zwischen beiden Höfen über die beiden Mittlerfiguren Buchwald und Keller gegeben hatte. Ein ähnlicher Umschwung vollzog sich in der Haltung zu Kurmainz. Friedrich III. und Luise Dorothea führten im Juli 1749 im Rahmen einer Kur in Wiesbaden auch persönliche Gespräche mit dem 1743 neu ernannten Mainzer Kurfürsten, nachdem Kontakte bislang ausschließlich über die Statthalter in Erfurt bzw. den Mediziner Juch gepflegt wurden.53 Die parallel von der Buchwald geschriebenen Briefe an Keller verdeutlichen, dass die Unterstützung in den Weimarer Angelegenheiten nicht nur mit umfangreichen politischen Verhandlungen, sondern auch mit Geldzahlungen nach und über Frankreich verbunden war und auch schon länger angedachte Veränderungen vertraulicher Personalkonstellationen nach sich zog (Nr. 81 und 83). Das Ergebnis ist bekannt. Der Weimarer Erbprinz Karl August Konstantin wurde ab dem 10. November 1749 am Gothaer Hof erzogen, im Streit um die Administration Sachsen-Weimar-Eisenachs bekam Gotha für den Landesteil Sachsen-Weimar den Zuschlag.54 Mit dem Ende der Korrespondenz zwischen der Buchwald und Keller begann ein Chiffriersystem zu verblassen, das in der unterschiedlich auslegbaren Bilderwelt aller Künste der europäischen Kulturgeschichte von der Antike bis zur Gegenwart verankert war: Mythologie, Geschichtsschreibung, Literatur, Theater, Heraldik, Buchkunst, Malerei und Musik. In diesem Sinne soll abschließend der bildliche Rahmen für die Gesamtkorrespondenz und für die Rolle Sachsen-Gotha-Altenburgs im europäischen Gesamtgeschehen zwischen 1738 und 1750 markiert werden. Er setzte sich aus einem poetischen Bild und einem Gemälde zusammen. Ausgangspunkt war das 1739/1740 entstandenen Lobge-

51 52 53 54

FB Gotha, Chart B 1551 (1745), Bl. 19 r. Ebd. (1748), Bl. 3 v. Ebd. (1749), Bl. 15 r. Ebd. (1749), Bl. 23 r.

Ereignisse, Kommunikationsstrategie und Chiffriertechniken

33

dichte an die Durchlauchtigste Louise,55 Endpunkt ein Deckengemälde, das vermutlich etwas später entstand. Beide Kunstwerke sind durch einen gemeinsamen Kern und eine gemeinsame Vision verbunden. Im Zentrum steht ein in der griechischen Mythologie verankerter, von Jupiter und Juno einberufener Rat der Götter, der den Weg in ein neues Zeitalter sucht. Im Lobgedichte heißt es: Zuerst erschien Saturn mit ziemlich schwachen Tritten Als Aeltester des Rahts kam er voran geschritten. Neptun, der Meere Fürst mit einem Dreÿzackstab Kam auch und gab ein Glied des engern Rathes ab. Vulcan der Feüer Gott, den Venus oft betrogen, War auch vom Jupiter mit Fleiß dazu gezogen: Man schloß aus dem Verdruß denn er so oft bezeigt (306 v) Er seÿ der Lebensart der Weiber nicht geneigt. Nur Pluto blieb davon: Die Richter in der Höllen Vermochten sonder ihn, ihr Amt nicht zu bestellen. Doch Pan und Aeolus erschienen noch zuletzt, Als sich die andern schon an ihren Ort gesetzt. Mercur war nicht dabeÿ, der Gott der Rednergaben, Aus Furcht, er würde hier bald Lust zu plaudern haben. Auch Mars der Krieges Gott, der Venus Hauptgalan Kam billig in Verdacht, drum ward er weggethan. Cupido als ein Kind, war gleichfals nicht gebethen Nur mir ward es erlaubt den andern beÿzutrethen. Das Deckengemälde aus Schloss Stedten ist eine Reminiszenz an die im Lobgedichte dargestellte Versammlung im Olymp. Es umreißt wie in einem Zeitraffer die Geschehnisse der jahrzehntelangen Auseinandersetzungen um die Konsequenzen der Pragmatischen Sanktion, das Weichen des alten, auf dem Pfauenthron sitzenden Kaiserpaars Karl VI. und Elisabeth Christine von Braunschweig-Wolfenbüttel und das Vordrängen Maria Theresias, deren Pose als bewehrte Pallas Athene/Minerva auf dem Revers der Medaille anlässlich der Schlacht von Kolin im Juni 1757 hier zitiert wird.56 In ihrem Rücken könnten Franz Stefan von Lothringen oder ihr Sohn Joseph dargestellt sein, ihr gegenüber links auf gleicher Höhe ist Friedrich II. von Preußen aus seiner Kronprinzenzeit als Apoll zu erkennen. Am Bildrand gruppieren sich die kriegerischen und zivilen Akteure dieser Jahrzehnte. Anders als im Lobgedichte, ist auf dem Weg in den Götterhimmel auch Herkules zu sehen, dessen Gesichtszüge – bei aller Vorsicht mit Konkretisierungen allegorischer Figuren – an

55 56

FB Gotha Chart A 442, Bl. 303 r–510 r. www.habsburger.net/de/kapitel/maria-theresia-und-friedrich-ii-allen-dingen-des-lebens-gegensaetzlich#o-19604 (Zugriff 5. September 2022).

34

Einleitung

Abb. 6: Apotheose des Herkules

die des kaiserlichen Feldmarschalls von Seckendorff erinnern.57 Das Deckengemälde nahm jedoch deutlich den im Lobgedichte geäußerten Gedanken einer Wiedergeburt Luise Dorotheas als heller Stern auf, an deren Seite mit schwächerm Schein ihre Erste Hofdame leuchten werde, auf.58 Unterhalb eines prächtigen Regenbogens, Resultat der Lichtbrechung aus einer unbekannten Lichtquelle im Rücken des Betrachters und zugleich christliches Symbol für Frieden, befindet sich, entgegen allen Gesetzen der Optik, eine sternenförmige Lichtquelle, auf dem Bogen sitzt schemenhaft Iris. Sie übermittelte als Götterbotin Nachrichten zwischen mehreren, auch rivalisierenden Göttern und Göttinnen – eine Verbeugung Kellers vor der Buchwald?

57 58

www.portraitindex.de/documents/obj/33212808 (Zugriff 4. September 2022). FB Gotha Chart A 442, Bl. 307 v.

EDITORISCHE FESTLEGUNGEN Editorische Festlegungen

Übersetzung und Textgestaltung Übersetzung und Textgestaltung Bei der vorliegenden Edition handelt es sich um eine Übersetzung aus dem Französischen ins Deutsche. Deutsch- oder andere fremdsprachige Einsprengsel in den französischen Originaltext werden durch kursiven Druck hervorgehoben und gegebenenfalls im Zeilenkommentar übersetzt. Alias und Titel künstlerischer Werke erscheinen ebenfalls in der Originalsprache kursiv gedruckt. Abgekürzte Rangtitel wie roi, comte etc. werden ins Deutsche übersetzt, der fehlende Wortteil in eckigen Klammern ergänzt. Gleiches gilt für abgekürzte Personennamen. Die im Original unterschiedlich gehandhabte Schreibweise von Personennamen (z. B. Buchwalt, Buchwaldt, Buchwald) wurde vereinheitlicht. Die seltenen Verschreibungen, Streichungen und Korrekturen im Originaltext werden im Zeilenkommentar erläutert. Originalunterstreichungen wurden übernommen. Problematisch für das Textverständnis sind der häufige Verzicht auf Zeichensetzung sowie die fast vollständig fehlende Gliederung in Sinnabschnitte im französischen Originaltext. Bei der Übersetzung wurde lediglich in die Zeichensetzung eingegriffen. Orts- und Datumsangaben wurden sowohl hinsichtlich ihrer Positionierung vor dem Brieftext als auch ihrer Form vereinheitlicht. Gleiches gilt für die meist umfangreiche und durch das Schriftbild gegliederte Grußformel am Ende des Briefs. Die Paginierung der überlieferten Originalbriefe erscheint im übersetzten Text in runden Klammern. Allerdings kam es durch die Erschließung fehlender Orts- und Datumsangaben bei einigen Originalbriefen zu Neupositionierungen, die im Zeilenkommentar erläutert werden. Die so entstandene Nummerierung der Briefe versteht sich als Vorschlag (siehe Briefnummernverzeichnis).

36

Editorische Festlegungen

Zeilenkommentar Zeilenkommentar Der Zeilenkommentar erscheint im Interesse einer besseren Les- und Erschließbarkeit auf der Seite des entsprechenden Brieftextes. Die zu kommentierenden Textstellen werden fortlaufend nummeriert. Verweise auf schon kommentierte Phänomene erscheinen im Zeilenkommentar unter der Anmerkungsnummer der Erstkommentierung bzw. deren Erläuterung in der Einleitung. Im Zeilenkommentar werden folgende Phänomene knapp erläutert: – gestalterische Besonderheiten des Briefs, – die biografische Situation der beiden Korrespondenten, – die biografische Situation genannter Personen, deren Beruf bzw. Hofposition sowie deren Beziehung zu beiden Korrespondenten bzw. zum Gothaer Hof, – im Text erwähnte historische Ereignisse und aktuelle politische Bezüge, – im Text erwähnte philosophische, wissenschaftliche und literarische Werke, – Auflösungsvorschläge zu Anspielungen und Chiffrierungen.

BRIEFE 1738 BIS 1750 [1757] Briefe 1738 bis 1750 [1757] Briefe 1738 bis 1750 [1757]

1. Friedrichswerth, den 15. Juli 1738 Monsieur, (462 r) voller Freude, Monsieur, habe ich gestern durch Ihren verbindlichen Brief von Ihrer glücklichen Rückkehr in unsere Nähe erfahren1 und niemand kann angesichts all Ihrer Güte gegenüber meiner lieben Mutter berührter sein als ich2. Was Sie dazu schreiben, zeigt deutlich, wie sehr ihr Herz von wahrer Dankbarkeit erfüllt ist, und pflanzt in das meine die gleichen Gefühle, die erst mit dem Leben erlöschen werden. Ja, Monsieur, ich will Ihnen versichern, dass ich mich für die glücklichste Person der Welt hielte, könnte ich Sie überzeugen, dass ich mich wegen meiner Mutter Ihnen gegenüber sowohl in Pflicht und Schuld fühle als auch davon, welch unendliche Hochachtung mir ein so großzügiges Handeln wie das Ihre einflößt. (462 v) Dessen Wert erkenne ich wahrlich an. Es lässt mich die Ehre Ihrer Freundschaft wünschen. Sie zu verdienen, wäre für mich ruhmreich und schmeichelhaft zugleich. Ihre Durchlauchtigsten Hoheiten befehlen mir, Monsieur, Ihnen viele Komplimente zu übermitteln und zu versichern, dass ihnen die Anwesenheit einer Person wie der Ihren stets höchst angenehm sein wird. Ich soll Sie bitten, ihnen dieses Vergnügen am kommenden Freitag, dem Geburtstag Seiner Durchlauchtigsten Hoheit des Herzogs von Meiningen, des Bruders Ihrer Durchlauchtigsten Hoheit der Herzogin, zu verschaffen. Um sicher zu sein, dass Sie meinen Brief rechtzeitig erhalten, schicke ich ihn per Eilboten. Ich kann Ihnen nicht zusichern, hier bequem oder gar nach Belieben logiert zu werden. Sie wissen, dass ein Hof auf dem Lande gewöhnlich etwas beengt lebt. Aber ich hoffe, Sie werden angesichts unserer Genugtuung, Sie hier zu sehen und des Empfangs alles andere entschuldigen. Beides sichere ich Ihnen ebenso wahrhaft zu, Monsieur, wie meine vollkommene (463 r) Hochachtung, mit der ich die Ehre habe, Monsieur, Ihre untertänigste und gehorsamste Dienerin Neuenstein zu sein.

1

2

Keller besaß seit 1735 das Gut Stedten bei Erfurt. Der Gothaer Hof weilte vom 13. Juni bis 18. Juli 1738 in Friedrichswerth, auf einem der Sommersitze, wo am 4. Juli der Namenstag von Herzogin Luise Dorothea und am 18. Juli der Geburtstag ihres Bruders Karl Friedrich Herzog von SachsenMeiningen gefeiert wurden. Der erste Briefbogen (Bl. 462 f.) weist zwei Wasserzeichen auf, eine Dame sowie einen Herrn. Jeanne Marguerite von Neuenstein war Erzieherin der Enkelin des 1733 verstorbenen Württembergischen Herzogs Eberhard Ludwig, Friederike Luise. Zu den Nachfolge- und Erbschaftsverhältnissen im Herzogtum und zur Chiffre „Mutter“ vgl. Einleitung, S. 14.

38

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

2. Gotha, den 14. August 1738 Monsieur, (464 r) wenngleich ich über all die Zufälle sehr erbost bin, die Ihre angenehme Anwesenheit, Monsieur, verhindert und damit die Zufriedenheit Ihrer Durchlauchtigsten Hoheit der Herzogin mit dem Geburtstag geschmälert haben,3 will ich die von Ihnen mitgeteilte Absicht zu kommen sehr anerkennen. Ihre sichtliche Ungeduld finde ich sogar sehr sympathisch, Monsieur, und teile sie wegen des Baus Ihrer lieben Eremitenhütte,4 der sich durch Ihre Abwesenheit verzögert hat, aufrichtig. Wenn es zu beweisen gilt, wie sehr mich alles Sie Betreffende interessiert, wird man mich immer mit ganzem Herzen leidenschaftlich sehen. Entscheiden Sie, ob mir solche Gefühle erlauben, der stoischen Philosophie weiterhin mehr als der zu huldigen, die uns für Freuden und Nöte unserer Freunde empfänglich macht.5 Ihre Durchlauchtigsten Hoheiten (464 v) befehlen mir, Ihnen viele Komplimente zu übermitteln. Sie wollen gegen Ende des Monats nach Altenburg reisen und zuvor noch das Vergnügen haben, Sie zu sehen.6 Warten Sie dafür nicht auf ein weiteres Fest, ich beschwöre Sie. Seien Sie vielmehr überzeugt, dass allein Ihre Anwesenheit für uns eins sein wird, vor allem für mich, die Ihnen tausend Dank wegen Ihrer guten Nachrichten von meiner lieben Mutter schuldet, um die ich in Sorge war.7 Aber sie ist verflogen, da Sie vorhaben, sie noch mehr als ich zu lieben. Dadurch erhöhen Sie, soweit das überhaupt noch möglich ist, meine tiefe Anerkennung. Ja, ich wage hinzuzufügen (ohne Angst, den Ruf meiner guten Mutter zu gefährden), dass sie Ihre ehrenvolle Freundschaft sehr zärtlich erwidert und Sie ihre Gefühle sicher nicht übertreffen können. Dies ist eine förmliche Erklärung. (465 r) Falls jemand diesen Brief sieht, soll er wissen, dass meine Mutter 60 Jahre alt ist. Mein Gott, was für Gedanken! Ich habe keine Lust mehr zu scherzen, ihre 60 Jahre sind für mein Herz ein schreckliches Kapitel. Ich habe nichts weiterzusagen. Pardon, Monsieur, nächstes Mal werde ich Sorge tragen, meine Briefe weniger trübselig zu beenden. Mit stets höchster Achtung, Monsieur, Ihre untertänigste und gehorsamste Dienerin Neuenstein.

3 4 5 6

7

Vgl. Brief 1., Anm. 1. Der Brief weist auf Bl. 464 und Bl. 465 jeweils die Hälfte eines wappenartigen Wasserzeichens auf. Der Bau von Eremitenhütten auf dem Sommersitz ist im Fourierbuch verzeichnet. Zur damit verbundenen Chiffre vgl. Einleitung, S. 20–23. Zur Rolle des philosophischen Diskurses um Stoizismus und Epikureismus in der Korrespondenz vgl. Einleitung, S. 16 f. Am 3. September 1738 begann in Altenburg der Landtag. Der Hinweis betont die Akzeptanz der Ständevertretung in Sachsen-Gotha-Altenburg durch das Herzogspaar. Zu den Verhältnissen in Württemberg vgl. Einleitung, S. 13 f. Vgl. Einleitung, S. 14.

39

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

3. Gotha, zwischen dem 17. und 18. August 1738 (466 r) Monsieur, dass der Begriff Abglanz Ihnen nicht gefällt, Monsieur, freut mich zugegebenermaßen.8 Bitte glauben Sie mir, dass ich mich dessen nur im Notfall bedienen werde und nur, wenn ich dadurch wenigstens einen kleinen Teil Ihrer ehrenwerten Freundschaft gewinne, anstatt mich derer nicht schmeicheln zu dürfen. Wenn man Glück tatsächlich haben kann, ist es völlig normal, auf dessen Abglanz zu verzichten und ich versichere Ihnen, dass ich all meinen Fleiß aufbringen werde, das Ihrer Freundschaft zu verdienen. Ich danke Ihnen tausend Mal, mich zu meiner freimütigen Frage aufgeklärt zu haben und erbitte als zusätzliche Gunst, mir auf Deutsch auf ein Extrablatt zu schreiben, worin die Hof:einrichtung der ferwitibten Erb Princessin besteht, insonderheit: die (466 v) zu ihrem Haus und dem der Prinzessin Tochter gehörenden Personen zu nennen, aus welchen Fonds dies alles bezahlt wird, wie hoch ungefähr die Ansprüche der jungen Prinzessin steigen können, die Hofarrangements des neuen Administrators hinsichtlich der jährlichen Einkünfte als auch der dazugehörenden Personen, ob dieser Hof völlig von dem der regierenden Herzogin-Witwe und der jungen Prinzen getrennt ist, wer zum Geheimen Rat gehört, die Hauptchargen des Hofs und schließlich das, was Sie über die Festlegungen zur Hofökonomie hinzufügen können.9 Sie verpflichten so sehr zu Dank, dass Sie den Wunsch nach entsprechenden Gelegenheiten wecken. Deshalb bitte ich Sie, das diamantengeschmückte Porträt der Herzogin von Württemberg bis nächsten Sonntag behalten zu dürfen.10 Ich werde es Ihnen persönlich zurückgeben und hätte sehr gewünscht, es einige Tage früher tun zu können. Ich hoffe, dass Sie bis dahin die Güte haben werden, mir den Briefboten mit der Aufklärung zu den oben genannten Artikeln zurückzuschicken. Er habe übrigens seinerseits, so sagte er mir, einige Vorkehrungen zu treffen, um (467 r) dann übermorgen zu der Beschäftigung zurückzukehren, für die Sie ihn engagiert hätten und so lange Sie wünschen zu bleiben. Ich muss wohl nicht betonen, dass mich der Brief, den Sie mir schickten, sehr erfreut hat. Ich danke Ihnen tausend Mal und beschwöre Sie, dieser hässlichen stoischen Philosophie nicht nachzutrauern.11 Sie haben ein zu gutes und großzügiges Herz, das nicht dazu passen würde. Entschuldigen Sie meine Aufdringlichkeit und meine Kritzelei. Es ist schon so spät, dass 8 9

10 11

Zur Bedeutung der Chiffre „Abglanz“ im Zusammenhang mit Newtons Lichttheorie vgl Einleitung, S. 14–16. Die kursiv gesetzten Wörter sind im Original Deutsch. Bei den genannten Personen handelt es sich um Henriette Marie von Brandenburg-Schwedt, Witwe des 1731 verstorbenen Erbprinzen von Württemberg Karl Friedrich, deren Tochter Luise Friederike, den 1738 zum Administrator des Landes ernannte Karl Friedrich von Württemberg-Oels, Maria Augusta von Thurn und Taxis, Witwe des 1737 verstorbenen Herzogs Karl Alexander von Württemberg-Winnental und ab 1738 Mitregentin Württembergs, sowie deren Söhne Karl Eugen, Ludwig Eugen und Friedrich Eugen, vgl. Einleitung, S. 15 f. Vermutlich das 1735 entstandene, Johann Philipp von der Schlichten zugeschriebene Porträt der Maria Auguste von Thurn und Taxis. Vgl. Einleitung, S. 13–16.

40

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

ich, schriebe ich Ihnen weiter, noch meine Träume schicken würde. Um dem vorzubeugen, schließe ich eilends mit der unumstößlichen Wahrheit, niemals auf den Abglanz zurückzugreifen, wenn ich Sie vom Gefühl meiner Achtung und Wertschätzung überzeugen will, mit dem ich, Monsieur, Ihre ergebenste und gehorsamste Dienerin Neuenstein bin. (467 v) P.S. Würden Sie mir bitte auch angeben, wie hoch ungefähr die Schulden der Erbprinzessin sein könnten,12 aber schreiben Sie das keinesfalls auf das deutsche Blatt. Ich würde auch gern wissen, ob Fürsten Hutt und mantel dieser Prinzessin die gleichen sind, die Sie mir geschickt haben.13 Millionenfach Pardon, Monsieur, mein lieber Landsmann,14 dass ich Ihnen solche Mühe mache. Ich hoffe, dass mich der Grund, der mich dazu bewegt, entschuldigt. Wenn Sie wegen der gewünschten Informationen nach Stuttgart schreiben müssen, fürchte ich, dass die Antwort zu spät kommt. Vor allem aber ändern Sie wegen des erhofften Besuchs am Sonntag nicht Ihre Meinung, außer Sie kommen früher, worüber ich entzückt wäre.15

4. Gotha, den 14. Oktober 1738 Monsieur, (471 r) ich bräuchte zumindest die Ehre Ihres teuren Andenkens, um mich wenigstens teilweise darüber hinwegzutrösten, Monsieur, Sie nicht wie angedroht besucht haben zu können. Und da wir von dem, was uns Freude macht, leicht überzeugt sind, will ich wohl glauben, dass Sie mein Bedauern gern teilen: eine heilsame Folge der vom stoischen Joch befreiten Imagination.16 Die sucht nur das Angenehme und verweilt gern dabei. Ich jedoch verweile nicht, denn Sie wissen genau, dass einmal in Gang gesetzte Imagination mit Riesenschritten vorwärts geht. So hat sie mich, Monsieur, gedanklich bis zu Ihrem Gut gebracht.17 Dort habe ich Sie wie einen Prinzen wohnen sehen, natürlich wie einer von denen 12 13

14

15 16 17

Die Schulden der verwitweten Erbprinzessin von Württemberg Henriette Marie wurden mehrfach berechnet. Die kursiv gesetzten Wörter sind im Original Deutsch. Anspielung auf die Erhebung der schwäbischen Hohenzollernlinie in den Reichsfürstenstand 1623. Henriette Marie führte den Titel „Königliche Hoheit“, den sie von ihrem Onkel, König Friedrich I. König in Preußen, verliehen bekommen hatte, dessen Selbsterhebung zum König 1701 vom Kaiser im Nachhinein akzeptiert wurde. Sein Nachfahre Friedrich Wilhelm I. stieg hier vermutlich als einer der Garanten der Finanzregelungen in den Briefwechsel ein (vgl. Einleitung, S. 13–16). Vgl. Einleitung, S. 15. Die deutschsprachige Chiffre „Landsmann“ wird hier erstmals als Anrede genutzt. Sie spielt auf die gemeinsame Herkunft der schwäbischen und der brandenburg-preußischen Hohenzollern an. Der erste nachweisbare Besuch Kellers auf dem Friedenstein im unmittelbaren Kontext des Briefwechsels fand am Mittwoch, 22. August 1738 statt. Vgl. Einleitung, S. 13–16. Keller ließ Gut Stedten 1737 umbauen. Zur Chiffre „Freund“ vgl. Einleitung, S. 16.

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

41

mit gutem Geschmack, die weise das Nützliche und Angenehme zu verbinden wissen. Als absoluter Herr über all Ihre Zeit wussten Sie Beides auf ausgezeichnete Art zu nutzen und verteilten es auf vernünftige Vergnügen – eine gute kleine Tafel, Lektüre, Schreiben, einige kleine häusliche Verpflichtungen, manchmal auch Landpartien in die Nachbarschaft und häufig (471 v) die Annehmlichkeit eines Spaziergangs durch das liebliche Wäldchen mit sechs Weilern. Mir schien, als genössen sie dort alle Freuden einer höchst reizenden Einsamkeit und dächten dabei weise über die Verrücktheit so vieler Sterblichen nach, die ein Leben lang dem Abglanz des Glücks nachlaufen, weil sie nicht begreifen können, dass ausschließlich Freiheit uns wirklich glücklich macht. Sie schützt vor der harten Notwendigkeit, uns den Launen anderer zu unterwerfen und ermöglicht, uns von den eigenen zu befreien. Ich fand wirklich, dass diese kleine gedankliche Reise meiner Seele wohltat, denn nichts ist erbaulicher, als einen so hoch geschätzten Freund wie Sie in einer so befriedigenden Lage zu wissen. Allerdings bekenne ich, dass mir Ihr vorgeblicher Rückzug nicht sonderlich verdienstvoll erscheint und ich zudem wünsche, ihn niemals bewundern zu müssen. Denn das wäre ein todsicheres Anzeichen dafür, dass Sie noch unglücklicher sein werden als Sie sind. Wegen Ihres kleinen ironischen Kompliments, mit dem Sie mir versicherten, (472 r) meine Anwesenheit gewünscht zu haben, um für einige zusätzliche Verzierungen an ihrem Wohnsitz von meinen Fortschritten in Mathematik zu profitieren, versichere ich Ihnen jedoch, mich nicht übertölpeln zu lassen. Weit davon entfernt, Sie der geringsten Eitelkeit beschuldigen zu wollen, habe ich wohl begriffen, dass Sie aus reiner Nächstenliebe eher die meine ein wenig dämpfen wollen. Und da man sich in der Not dessen bedient, was man hat, haben Sie die Ihnen vom Himmel gegebene Prise Boshaftigkeit eingesetzt, die Sie vermutlich – in Klammern gesagt – Ihr gesamtes Leben behalten werden. Zu Ihrer Information will ich allerdings mitteilen, dass ich mich nun mit noch mehr Sorgfalt als zuvor eben jenem Studium der Mathematik zuwenden werde, um meinerseits das wohltätige Vergnügen zu haben, die Errichtung Ihres Werks zu kritisieren. So werden wir ein schönes Spiel spielen.18 Da jedoch bis dahin noch Zeit ist, will ich hoffen, dass wir unterdessen gute Freunde bleiben und Sie vor allem das mir gegebene Versprechen halten werden, uns vor Ihrer Abreise nach Württemberg zu besuchen. Es sollte allerdings (472 v) ein Freundschaftsbesuch und kein zeremonieller sein, das heißt, Sie beschränken ihn nicht wie alle anderen bisher auf einen halben Tag. Ihre Durchlauchtigsten Hoheiten werden erfreut sein, länger vom Vergnügen Ihrer Anwesenheit zu profitieren. Sie befehlen mir, Ihnen dies und auch ihr vollkommenes Wohlwollen zuzusichern und ich, Monsieur, erbitte im Voraus Verzeihung für die Länge dieses Briefs, die darin enthaltende Menge an Nichts, für meine Verrücktheiten, mein Geschmiere und schließlich für die Langeweile, die all das Ihnen bereiten wird. Mich verbindet mit vielen anderen Schriftstellern das Unglück, nichts Bedeutendes zu produzieren, wenn ich die schönsten Dinge sagen will. Erkennen Sie zumindest meinen guten Willen. Übrigens vergaß ich, Ihnen für die von Frau von Schulenburg 18

Verkürztes Zitat aus dem Milieu der Seilakrobaten: „Wir werden sehen, worauf das Spiel hinauswill, wenn das Seil nicht reißt.“ Es wurde von Molière in „L’Étourdi“ (III. Akt, 11. Szene) und von La Fontaine in der Erzählung „Les Lunettes“ gebraucht.

42

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

ausgerichtete Freundlichkeit zu danken.19 Sie hat mich jedoch stark berührt, weil es sich um eine liebenswürdige Frau handelt, die ich sehr schätze, wenngleich etwas weniger als Sie, denn ich bin mehr als alle anderen auf der Welt, Monsieur, Ihre ergebenste und gehorsamste Dienerin Neuenstein. Ich habe Ihnen zahlreiche Komplimente zu übermitteln, aber dieser Brief ist schon zu lang und ich hätte Angst, das von unserer Urahnin geerbte Privileg der Plapperhaftigkeit zu missbrauchen. Es stimmt, dass ich mich ziemlich spät auf Zurückhaltung besinne, was sie, so wird gesagt, gleichfalls tat.

5. Gotha, den 5. November 1738 Monsieur, (612 r) die Erinnerung an Sie ist mir ebenso teuer, Monsieur, wie Ihre Briefe mir angenehm sind und wenn ich die Ehre habe, Ihnen zu versichern, dass ich sie stets mit großer Freude erhalte, spreche ich mehr aus Gefühl als in Komplimenten. Sie sollten das, was der Pfarrer von Bischleben20 Ihnen von mir mitzuteilen geruhte, genauso sehen und überzeugt sein, dass ich mir in den Kopf gesetzt habe, unendlich aufrichtiger als höflich zu sein. Denn die Erfahrung hat mich gelehrt, dass Ersteres mir mehr entspricht und für mich eine Art Berufung ist. Würde ich dem abschwören wollen, wäre der Rest von mir nichts mehr wert. (612 v) Verzeihen Sie bitte meiner Imagination den Mathematikfehler. 21 Sie hat mir die Dinge zumindest so dargestellt, wie sie sein sollten und so, wie selbst Sie denken, dass sie es in einem Jahr noch sein werden. Und hier handelt es sich noch um eine sehr ehrenwerte Imagination, denn man sagt, dass diese Dame in Verdacht stehe, uns manchmal das ganze Leben über zu täuschen. Achten Sie auf die Ihre. Ich warne Sie. Sie ist dabei fehlzugehen, denn sie will Sie glauben machen, dass der von Ihnen versprochene Besuch für uns nicht von Interesse sei. Ich bitte Sie inständig, Monsieur, kommen Sie, bevor Sie ihr Glauben schenken, um zu erkennen, dass sie uns Unrecht tut.22 Ob sie nicht auch der Grund dafür

19

20

21 22

Anna Adelheit Catharina von der Schulenburg war seit 1728 Reichsgräfin und Alleinerbin der Besitzungen des Hauses von Bartensleben. Über ihren Gemahl bestand eine enge Bindung Friedrich Wilhelm I. König in Preußen, welcher ihm ein Grundstück in der Nähe des Tiergartens in Berlin schenkte und den Bau des dortigen Palais finanzierte. Die Gemeinde Stedten war 1745 Filial der Pfarrei Bischleben. Pfarrer war zwischen 1734 bis zu seinem Tod am 10. Februar 1745 der in Jena ausgebildete Johann Ernst Wenig. Dessen Nachfolger wurde bis 1767 Johann Caspar Löwe, der nach dem Tod Ernst Salomon Cyprians Konsistorialrat und Generalsuperintendent wurde. Zur Debatte um den Kirchenbau Kellers vgl. Einleitung S. 24 f. Der Brief ergänzt Brief 4. Die philosophische Diskussion wird mit einer Positionierung in Sachen Religion und Regierungskunst verbunden (vgl. Einleitung, S. 13–16). Keller kam am 16. November 1738 auf den Friedenstein.

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

43

ist, dass Sie den Stoizismus vermissen?23 Der soll Verdienste gern verkleinern, um das, was fehlt, zu vergrößern. Je stärker ich dieses System untersuche, (613 r) desto mehr bin ich überzeugt, dass weder Sie noch ich dafür gemacht sind. Denn der prächtigste Stoiker scheint mir in Tugendfragen genauso heuchlerisch zu sein wie ein Scheinheiliger in Sachen Religion. Beide wahren den äußeren Schein, während der Teufel vom dem profitiert, was im Herzen geschieht. Wenn Sie von jeder Leidenschaft ein kleines Stückchen zu bekämpfen haben, betrachte ich Sie als nicht sehr bedauernswert. Sie wären es meiner Meinung nach jedoch umso mehr, würde eine einzige Leidenschaft Sie attackieren. Die ergriffe mit ganzer Macht von Ihnen Besitz, während sie Sie jetzt mit allen anderen teilen muss. Wie Souveräne, die gemeinsam herrschen, immer schlecht bedient werden, so ist es auch mit den Leidenschaften. Hängt man von allen ab, so eigentlich von keiner. Eine bekämpft in der Regel die andere und erspart uns mehr als die Hälfte an Leid und Sorge um den oft zweifelhaften, aber immer schwierigen Sieg. Voilà, vielleicht sagen Sie, dies sei eine lustige (613 v) Moral! Gewiss schreibe ich dies nicht für die Herren Orthodoxen, Monsieur.24 Ich bin sicher, dass sie das nicht lesen könnten, ohne in heiligem Schaudern zu erzittern. Sie würden darin sicher viel Wahres und sehr wenig Wunderbares finden. Sie aber fürchte ich nicht zu entsetzen und warte darauf, dass Sie die Güte haben werden, mir Ihre Ansicht unumwunden mitzuteilen, ohne wie diese barmherzigen Theologen alle zum Teufel zu wünschen, die von ihrer Meinung abweichen. Aber genug gescherzt. Ich bitte Sie um Verzeihung, Monsieur, das ganze Papier schon mit ungereimtem Geschwätz bekritzelt zu haben, das Sie mit Geduld und Langeweile lesen werden, bevor Sie nun ein erstes Wort zu der Angelegenheit finden, die mir Ihren teuren und reizenden Brief verschafft hat. Dessen Überbringer wird Ihnen ausrichten, dass ich alles, was ich tun musste, für ihn tat, also alles auf der Welt von mir Abhängende, um Ihren Intentionen und denen, die Sie mit Ihrem Schutz ehren, zu genügen. Da sich der von ihm gewünschte kleine Posten an einem Ort befindet, der zum Witwensitz Ihrer Durchlauchtigsten Hoheit der Herzogin-Witwe gehört,25 hat sie das Recht, Seiner Hoheit dem Herzog jeden, den sie zu platzieren wünscht, zu präsentieren. Er hat soeben im Voraus sein Einverständnis (473 v) zugunsten unseres Bittstellers gegeben. Im Moment fehlt nur die Zustimmung der Herzogin-Mutter, deren Oberhofmeister zurzeit hier ist und sich darum bemüht.26 Er wird hoffentlich keine Schwierigkeit haben. Ihre Durchlauchtigsten Hoheiten befehlen mir, Monsieur, Ihnen zahlreiche Komplimente zu übermitteln. Sie versichern, dass sie entzückt wären, wichtigere Gelegenheiten als solch eine Bagatelle zu finden, um zu beweisen, wie sehr sie Ihre Verdienste würdigen und Sie schätzen. Was soll ich Ihnen von mir sagen? Wenn Sie erlauben – nichts! Aber ich wünsche nicht weniger eifrig, dass mir der Himmel eines Tages die Gnade erweisen möge, Ihnen zu bekennen, wie ich über Sie denke. Denn in Wirklichkeit 23 24 25 26

Vgl. Anm. 5. Verweis auf die Zentralfigur der lutherischen Orthodoxie in Gotha, den Vizepräsidenten des Oberkonsistoriums, Bibliothekar und Humanisten Ernst Salomon Cyprian. Magdalena Augusta von Anhalt-Zerbst, Mutter Friedrichs III. von Sachsen-Gotha-Altenburg. Ihr Witwensitz war Altenburg. Der Protegierte ist nicht erschließbar. Heinrich Erdmann von Watzdorf war am 3. November 1738 gemeinsam mit seinem Bruder Gast auf dem Friedenstein.

44

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

denke ich viel besser als ich schreibe und spreche. Entschuldigen Sie die schreckliche Kritzelei und die Länge dieses Briefs. Man hat mich zwanzig Mal unterbrochen – jedes Mal eine andere Feder, andere Tinte, mal weiß und mal schwarz, mal ernst und mal voller verrückter Ideen und unglaublich viel Zierrat, der halbwegs zu all dem passt. Und trotzdem kann ich diese vielen schönen Hervorbringungen nicht beenden, bevor ich Ihnen nicht gesagt habe, dass ich Sie voller Ungeduld erwarte. Ich empfehle Ihnen nochmals, das Zeremoniell zugunsten von Freundschaft zu brechen. Sie ist es, die mich (473 r) in jeder Hinsicht verpflichtet, Monsieur, Ihre ergebenste und gehorsamste Dienerin Neuenstein zu sein. Ihr St.-Georgs-Ritter27 hat mir von der Ehre berichtet, den Weg von Ihnen bis hierher auf einem der Pferde Ihres Stalls zurückgelegt zu haben. Eins kann nicht ohne das andere zurückkommen, weil der Bittsteller noch an diesem Abend zu einer Sitzung mit besagtem Herrn Oberhofmeister verpflichtet gewesen ist. Ich soll beide entschuldigen, dass sie heute nicht zurückkommen konnten. Ich hoffe, Sie werden meine Fürsprache, falls sie nötig ist, gütig aufnehmen. Vielleicht wollte der Herr Bittsteller auch seiner kleinen Eitelkeit mit der Mitteilung, dass er in Gesellschaft eines Ihnen gehörenden Pferdes gekommen ist, ein Fest geben.

6. [o. O., o. D.28] Monsieur, (611 r) ich kann Ihnen, lieber Landsmann nicht oft genug sagen, was mir Ihr Brief für Freude gemacht hat und muss bekennen, dass Ihre angenehme Art zu schmollen unnachahmlich ist. Ich weiß nicht, wie Sie Süßes mit Bitterem mischen, aber am Ende glaubt man, Ihnen noch Dank zu schulden. Von dem, den ich im Grunde meines Herzens für all Ihre Güte empfinde, sollten sie wie auch von dem starken Wunsch, Sie wiederzusehen, vollkommen überzeugt sein. Vielleicht opfern Sie sich voller Güte auf, zu meiner Ruhe beizutragen, während ich die Ihre unterbreche. Sie (611 v) versprechen mir, vor Ihrer Abreise noch von Ihnen zu hören und ich versichere Ihnen, Monsieur, dass ich kein größeres Vergnügen haben werde. Ihre Durchlauchtigsten Hoheiten bitten Sie sehr darum, ihnen Ge27

28

Angesichts der zahlreichen europäischen St. Georgs-Orden ist eine Identifikation schwierig. Es könnte sich um einen Abgesandten Karl Rudolfs von Württemberg-Neuenstadt handeln, welcher im Sommer 1738 von der Administration Württembergs zurücktrat und Mitglied der Bruderschaft der St. Georgs-Ritter in Den Haag (Confrerie van den Ridders St. Joris) war. Einer der jüngsten St. GeorgsOrden dieser Zeit war der 1729 vom bayerischen Kurfürsten Karl Albrecht gegründete, in dem Mainzer Statthalter in Erfurt Mitglied waren. Zeitgleich zu Watzdorf hielt sich der Erfurter Arzt Hermann Paul Juch am Hof auf. Vgl. auch Anm. 125. Vermutlich Gotha, vermutlich zwischen dem 16. November (Anm. 22) und Brief 7 als Beilage zu Letzterem. Der Brief wurde trotz abweichender Paginierung aufgrund der inhaltlichen Bezüge hier eingeordnet.

45

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

rechtigkeit widerfahren zu lassen und zu glauben, dass sie sich in Verdiensten genügend auskennen, um Ihnen Gutes zu wünschen, sogar viel davon. Ich gehorche wegen meiner Backenzähne Ihren Befehlen. Was davon noch übrig ist, bleibt. Adieu, ich habe Angst, dass meine Kritzelei Sie nicht mehr erreicht. Gott segne, leite und erhalte Sie. Aus tiefstem Herzensgrund bin ich lebenslang, Monsieur, Ihre ergebenste und gehorsamste Dienerin Neuenstein.

7. Gotha, den 6. Dezember 1738 Monsieur, (474 r) das hier beigefügte Briefblättchen29 ist der Grund dafür, dass Sie kürzlich ohne mein Abschiedskompliment von hier wegfahren mussten. Das bedrückt mich, lieber Landsmann. Ich bitte tausend Mal um Verzeihung und möchte Sie zu meiner Rechtfertigung dieses Brieflein zumindest sehen lassen. Es zu lesen, erlasse ich Ihnen. Ich hatte es in höchster Eile geschrieben und wollte Ihnen nur meine Freude über Ihren Brief kundtun. Jedoch brachte der von mir beauftragte Diener es mit der Nachricht zurück, Sie um einige Minuten verpasst zu haben. Mit diesem hier will ich Ihnen nun eine gute Reise wünschen und das ans Herz legen, was mir (474 v) auf dieser Welt am teuersten ist. Es ist meine liebe Mutter, die, was ihren letzten Briefen zu entnehmen war, mit ihrer Lage nicht zufrieden zu sein scheint.30 Geben Sie ihr, Monsieur, Ihre weisen Ratschläge. Ich bitte Sie darum im Namen ihrer und meiner Freundschaft, der wir uns schmeicheln und die uns so viel bedeutet. Besprechen Sie bitte mir ihr, ob es die Möglichkeit gibt, mit dem Wenigen, was sie hat, in Stuttgart zu leben und sich zur Ruhe zu setzen und ob sie vielleicht eine Pension erhalten könnte, wie Sie es einmal in Friedrichswerth31 freundlicherweise erwähnten. Mein lieber Landsmann, ich setze all mein Vertrauen in Sie, der kein halbherziger Freund ist. Raten Sie ihr zu dem, was Ihnen für sie am angemessensten erscheint. Ihr guter und großzügiger Charakter zieht all die Mühe an, mit der ich so frei bin, Sie zu belasten. Von der Opfergabe für das Kammermädchen befreie ich Sie.32 Meine Gute sagt, (475 r) dass sie jung, hässlich und dumm sei. Die beiden zuletzt genannten Züge löschen das, was der erste an Liebenswürdigem haben könnte, völlig aus. Ihr Domestik kommt, meinen Brief mitzunehmen. Ich will ihn nicht warten lassen. Adieu also, mein lieber Landsmann, gönnen Sie mir einen kleinen Platz in Ihrem lieben Andenken. Ich bin höchst aufrichtig und vollkommen, Monsieur, Ihre ergebenste und gehorsamste Dienerin Neuenstein. 29 30

31 32

Brief 6. Vgl. Einleitung, S. 14. Frau von Neuenstein von den Umzugsplänen der verwitweten Erbprinzessin von Württemberg Henriette Marie und deren Tochter Friederike Luise auf den Witwensitz Göppingen betroffen, der 1739 erfolgte. Sommersitz der Gothaer Herzöge. Ebenso wie die folgende Person nicht erschließbar.

46

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

(475 v) Ich hoffe, Sie erlauben mir gern, Ihnen hier als Agent zu dienen und lassen mir während Ihrer Abwesenheit Ihre Befehle zukommen.33 Kein von Ihnen Beauftragter würde Ihnen ergebener und eifriger als ich dienen. Ihre Hoheit die Herzogin übermittelt viele Komplimente und Sie können damit rechnen, dass sie Ihnen Gerechtigkeit widerfahren lässt. Falls Sie Baron von Gotter34 sehen, bitte ich Sie, ihm zu sagen, dass ich das Buch De la religion essentielle à l’homme35 mit unendlichem Vergnügen lese und darin tatsächlich, wie vom Autor versprochen, etwas Essentielles finde. Der hat seine Fähigkeit zu denken offenbar nicht verloren und ist kein Schwarzkittel.

8. Gotha, den 16. Dezember 1738 Monsieur, (476 r) ja, Sie werden zugegebenermaßen das letzte Wort haben, Monsieur. Denn alle Worte, die ich finden könnte, lohnen der Mühe nicht, neben die Ihren gestellt zu werden. Je mehr ich Ihr großzügiges Verhalten schätze, desto stärker bin ich überzeugt, dass ich Sie wohl durch mein Schweigen wissen lassen kann, wie sehr ich von Ihnen beeindruckt bin. Auch wenn ich zwanzig Briefe schriebe, würde ich neunzehn davon zerreißen, weil sie vermutlich meine Gedanken nicht lebhaft genug ausdrücken, und der zwanzigste erschiene mir immer noch weit unter dem, was ich fühle. Es hat mich wirklich gequält, Ihnen nicht durch den Domestiken geantwortet zu haben, der mir Ihren verbindlichen Brief brachte. Ich hatte an diesem Tag Dienst, man ging gerade zur Tafel und so war es unmöglich, Ihnen auch nur ein Wort zu sagen, obwohl (476 v) ich Ihnen tausend zu sagen gehabt hätte. Die Hindernisse, die meinen Eifer bremsten, haben mich wahnsinnig gemacht. Aber bei einigem Nachdenken habe ich mich letztlich an mein Unvermögen erinnert und begriffen, dass ich mich meinem lieben Landsmann gegenüber niemals auch nur irgendeiner Pflicht so vollkommen entledige wie der, seinen ausgezeichneten und großzügigen Charakter zu bewundern. Akzeptieren Sie, dass ich mich hier darauf beschränke, Sie dieses trefflichen 33 34

35

Vgl. Einleitung, S. 9–13. Der Jurist und Diplomat Gustav Adolf Graf von Gotter stand bis 1732 in Gothaer Diensten, war danach preußischer Minister am Wiener Hof, ab 1736 Gesandter und bevollmächtigter Minister beim Obersächsischen Kreis, wurde jedoch auch weiterhin in anderen diplomatischen Missionen entsandt. Er war schon vor Keller an den Stuttgarter Hof gereist. Seit 1734 besaß er Schloss Molsdorf zwischen Erfurt und Gotha. Vermutlich die „Lettres sur la religion essentielle à l’homme“ der Genferin Marie Huber, die 1738 anonym in Amsterdam erschienen. Demnach trete das religiöse Bekenntnis der geoffenbarten Religionen hinter der dem Menschen innewohnenden Moral zurück.

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

47

Gefühls zu versichern. Es steht für alle anderen und ich fühle, dass der Gedanke an alles, was meine liebe Mutter und ich Ihnen schulden, davon untrennbar ist.36 Gleichzeitig will ich Ihnen sagen, Monsieur, dass ich weit davon entfernt bin, irgendeinen Zweifel an der Aufrichtigkeit Ihrer sie betreffenden, freundlichen Angebote zu haben. Ich sehe darin unbestreitbare Beweise wahrer Freundschaft, derer Sie fähig sind. Allerdings, je mehr wir diese schätzen, desto mehr müssen wir fürchten, sie zu missbrauchen und die Ihrer Herzensgüte entspringenden Vorschläge letztlich ausschließlich für uns vorteilhaft und angenehm sind. (477 r) Dächten wir nur daran, profitieren zu wollen und auf unsere Kosten zu kommen, würden wir deren Wert nicht anerkennen. Unsere Hauptsorge sollte sein, Ihnen nicht zur Last zu fallen. Könnten wir dieses Problem beheben, ginge es meiner Mutter mit Sicherheit nirgendwo so gut wie bei Ihnen, einem so würdigen und schätzenswerten Freund. Und ich, die eine so gute Mutter so vollkommen liebt, ja mehr noch, sie anbetet, hoffe natürlich höchst leidenschaftlich, sie in ruhigen Umständen und zufrieden zu wissen. Allerdings bin auch ich der Meinung, dass es angebracht wäre zu warten. Falls die mit Gründen anstehende Veränderung bald eintritt, wäre dies eine Gelegenheit zum Rückzug, der ganz natürlich und auf jeden Fall angenehmer und vorteilhafter erschiene. So übergebe ich also, lieber Landsmann, das Schicksal meiner lieben Mutter Ihrer Freundschaft und Vorsicht. Wie immer sie sich auch entscheidet – ist sie zufrieden, werde ich beruhigt sein. Wenn alles, was ich auf der Welt besitze, das befördert und erleichtert, werde ich höchst glücklich sein, wenn sie es nutzt. Übrigens bekenne ich ohne Reue, (477 v) Ihnen zu meiner Gesundheit nichts gesagt zu haben. Das hat mir Ihre Vorwürfe eingebracht, die ich allen Komplimenten der Welt vorziehe. Ihr Interesse ist der Grund dafür, dass es mir zurzeit wirklich besser geht. Ich weiß wahrhaftig nicht, wie Sie all die Widersprüche, mit denen Sie mich beehren, miteinander vereinen, aber Sie erfreuen mich sowohl mit Tadel als auch Lob und selbst durch Schmeichelei. Zu Letzterem zähle ich das, was Sie über meine Briefe sagen. Vor allem aber bin ich guten Gewissens darüber entzückt, dass die Lektüre der Ihren keine Sünde ist. Ich könnte noch mehr als unsere gute Mutter Eva in Versuchung geraten, denn die Gründe scheinen unvergleichlich stärker zu sein! Hören Sie also von nun an für immer und ewig auf, sich für mein Glück, von Ihnen Briefe zu empfangen, zu entschuldigen. Niemals hat man Leute, denen man Freude macht, um Verzeihung gebeten. Wenn jedoch nützlichere oder angenehmere Beschäftigungen sie daran hindern, mir häufig zu schreiben, werden Sie mich quälen und müssen das durch Entschuldigungen natürlich wettmachen – so, wie natürlich mein Brief auf dem letzten Zipfel des Blattes endet. Ich bin, so wie ich muss, tausend Mal mehr als ich Ihnen sagen kann, Monsieur, Ihre ergebenste und gehorsamste Dienerin Neuenstein. (476 v)37 Ihre Durchlauchtigsten Hoheiten befehlen mir, Ihnen tausend Komplimente zu übermitteln. Nochmals, ich möchte Ihre Agentin sein.38 Es fiel mir außerordentlich leicht, 36 37 38

Zur Chiffre „Mutter“ vgl. Einleitung, S. 14. Konkret hatte Keller vermutlich vorgeschlagen, Frau von Neuenstein in seine Familie in Württemberg aufzunehmen. Die folgende Passage wurde auf den oberen Briefrand geschrieben. Vgl. Einleitung, S. 9–13.

48

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

mich von dem zu überzeugen, was ich mir, Ihrem Wunsch gemäß, selbst sagen sollte. Was uns großes Vergnügen macht, sagt und glaubt man gern.

9. Gotha, den 27. Dezember 1738 Monsieur, (478 r) ich schreibe Ihnen heute nicht aus Liebe zu Ihnen. Jetzt, wo es ununterbrochen regnet, könnten Sie sicher ohne Umstände gut auf einen weiteren Brief verzichten. Ich allerdings kann mich nicht des Vergnügens enthalten, Ihnen einige meiner Gedanken mitzuteilen. Was würde es mir bringen, Monsieur, auf Kosten meiner Zufriedenheit zurückhaltend zu sein? Vielleicht hätte ich nur die Ehre, dass diese Diskretion bemerkt würde, denn man traut sie unserem Geschlecht kaum zu. Dann säße ich ohne Vorteil mit dieser Last da. Nein, Monsieur, Sie sind sicher zu gerecht als dies zu verlangen. (478 v) Ich selbst halte meine Beweggründe, Sie zu unterhalten für so wichtig, dass Sie, hätte ich heute so viel Zeit wie Lust, sicher nicht unter vier von mir beschriebenen Bögen davonkämen. Aber die Post, die in einer Viertelstunde abgehen wird, lässt mir keine Muße. Ich schreibe in gestrecktem Galopp und wünsche, dass Fortuna Sie im neuen Jahr und achtzig weiteren so prompt bedient wie meine Feder in diesem Moment. Hinge es von mir ab, würde ich ihr heftig die Sporen geben! Aber ich bedenke nicht, dass ich zu einem Philosophen spreche, der hoch über aller Galoppiererei Fortunas steht. Na gut, umso besser, er wird nur das, was er will, annehmen und ich werde zufrieden sein, wenn der Himmel meine Wünsche erhört, ihn so glücklich zu machen, wie er es sein will – und dies für alle Zeit seines Lebens, dessen Ende ich weder erleben noch erfahren will. Wenn ich nicht mehr bin, soll geschehen, was will. Das, mein lieber Landsmann (479 r) war es, was ich Ihnen zu sagen hatte und von ganzem Herzen wünsche. Ich soll Ihnen auch von den Durchlauchtigsten Hoheiten einen guten Tag und ein gutes Jahr wünschen, auch von all unseren Damen. Man macht Ihnen tausend Komplimente. Ich wette, dass Sie unter denen, die man Ihnen am 1. Januar senden wird, nicht eins finden, das schlechter als meins formuliert, aber inhaltlich besser ist. Und da Kleider keine Leute machen, machen mehr oder weniger gut arrangierte Wörter auch keine Empfindungen. Hier, das sage ich Ihnen, lasse ich niemandem den Vortritt, nicht einmal – würde ich wagen, ihr etwas streitig zu machen – meiner lieben Mutter.39 Ich empfehle sie Ihrer Freundschaft und versichere Ihnen, Monsieur, dass ich stets vollkommen Ihre ergebenste und untertänigste Dienerin Neuenstein bin.

39

Zur Chiffre „Mutter“ vgl. Einleitung, S. 14.

49

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

10. Gotha, den 6. Januar 173940 Monsieur, (480 r) ich bin entzückt, Monsieur, dass Sie von sich aus darauf verzichten wollen, das letzte Wort zu haben, was ich Ihnen selbstverständlich zugestanden hätte.41 Ihre entsprechende Erklärung erspart mir den Selbstvorwurf, nicht Wort zu halten. Ich fühle mich Ihnen dadurch noch stärker verpflichtet, mein lieber Landsmann. Im Gegenzug bitte ich Sie zu bemerken, dass ich mich Ihrem Willen, noch bevor ich ihn kannte, mit einer Art Instinkt gebeugt habe. Sie hatten mir am 26. des vergangenen Monats mitgeteilt, auf den Anspruch, das letzte Wort zu haben, verzichten zu wollen und ich habe, als hätte ich Ihre Absicht geahnt, am 27. geschrieben. Mein Brief scheint eher eine Antwort auf Ihren Gedanken als auf Ihren Brief zu sein, (480 v) den ich erst am Neujahrstag bekam. Und so sind unsere Seelen auf gutem Weg, eine ziemlich außergewöhnliche Konversation zu begründen, indem sie nach Belieben in ideeller Sprache kommunizieren und vielleicht eines Tages auf diese Art im Reich der Geister erscheinen. Gestatten Sie im Übrigen, dass ich zu allem, was ich auf Ihre Höflichkeiten antworten müsste und wollte, schweige. Ich könnte Wiederholungen nicht umgehen. Sie versetzen mich in die ärgerliche Lage, entweder unhöflich oder langweilig zu wirken. Ich fürchte allerdings, mich zu lange bei Ihren Lobeshymnen auf mich aufzuhalten. Bekommt man sie von jemandem voller Urteilskraft, sind sie gefährlich. Unsere Eitelkeit fährt darauf ab und fühlt sich darin zu wohl. Wahrscheinlich um zu verhindern, dass sie sich in die Lüfte aufschwingt, wechseln Sie plötzlich den Ton, indem sie mich beschuldigen, kein so gutes Herz wie meine liebe Mutter zu haben.42 Wissen Sie, Monsieur, (481 r) dass Sie mich, die sich stets bemüht hat, ihr darin zu gleichen, tief verletzen? Sie sprechen mir dadurch fast ab, ihre Tochter zu sein. Ich hätte wahrlich Lust, Ihnen zu grollen, wenn nicht die Gründe, Ihnen Gutes zu wünschen, über meinen Zorn siegten. Da Sie sich jedoch durch meine Aufmerksamkeit für Ihre Interessen beleidigt fühlen, werde ich alles mir Mögliche tun, mich in diesem Punkt zu korrigieren, ohne allerdings Erfolg zu versprechen. Denn es kann durchaus sein, dass Ihnen mein Herz gegebenenfalls gut erscheint, ich selbst es jedoch sehr schlecht finde, weil ich mir vorwerfe, die Güte des Ihren missbraucht zu haben. Ich ahne, dass meine Gefühle durch diese Art des Denkens weniger als sie glauben, von denen meiner Mutter entfernt sind. Ich erinnere mich nicht genau aller Verrücktheiten, die ich unserem lieben Monsieur Jacquin in Geistesblitzen guter Laune schrieb.43 Ich weiß nur, dass ich seine gute Freundin 40 41 42 43

Das ursprüngliche Datum 3. Januar 1739 wurde durch 6. Januar 1739 überschrieben. Vgl. den Einleitungssatz zu Brief 8 und 9 zu Konflikten bei der württembergischen Erb- und Finanzregelung (vgl. Einleitung, S. 13 f.). Zur Chiffre „Mutter“ vgl. Einleitung, S. 14. Jacquin de Béthencourt war Minister des verstorbenen Herzogs Eberhard Ludwig von Württemberg und mit dem seit Mai 1719 andauernden Rechtsstreit beim Reichshofrat um die Legitimierung und

50

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

war und bin. Und wenn nun das umstrittene Lehen meine Freundschaft ist, (481 v) kann ich Ihnen höchst aufrichtig versichern, dass er, um es Ihnen getreulich zuzusprechen, nicht sterben muss. Wäre dies eine unausweichliche Konsequenz, wäre unser armer Freund seit langem begraben. Ihrem Brief zufolge ist er jedoch noch am Leben. Ich bedaure ihn wirklich und hoffe, dass Sie mein aufrichtiges Bedauern angesichts seiner traurigen Lage und des bevorstehenden Verlusts durch Ihre fortgesetzte Freundschaft mäßigen helfen. Ich schätze sie unendlich und bin mit allen Gefühlen vollkommenster Hochachtung, Monsieur, Ihre ergebenste und gehorsamste Dienerin Neuenstein. Ihre Komplimente habe ich gewissenhaft übermittelt und sie sind sehr gut aufgenommen worden. Ihre Durchlauchtigsten Hoheiten befehlen, Sie ihres vollkommenen Wohlwollens zu versichern. Ich habe keine Lust, mein Amt als Agentin aufzugeben.44 Sie haben keinen Grund, deshalb Vorsicht walten zu lassen und ich kann dem dazu schon Gesagten nichts weiter hinzufügen. (614 r)45 P.S. 10. Januar 1739 Ich habe diesen Brief, den ich an meine Mutter adressieren wollte, am Dienstag geschrieben. Da ich ihr selbst aber nicht schreiben, noch in mein Zimmer zurückkehren konnte, um beide auf die Post zu geben, musste ich es bis heute verschieben. Unterdessen habe ich, Monsieur, am vergangenen Donnerstag Ihren Brief vom 3. des Monats erhalten. Wie immer sind Sie sowohl bei Ihren Fiktionen als auch Ihren Wahrheiten so höflich wie geistreich, obwohl Sie mir bei ersteren gewiefter erscheinen. Ich glaube, dass Sie mich mit der tändelnden Erzählung zu umgarnen suchen. Ganz natürlich und aufrichtig bekenne ich, dass, wäre dies Ihre Absicht, Ihr Vorhaben ganz gut geglückt ist. Leider bin weder eine Preziöse noch kokett, denn dann würde ich Sie entweder unterhaltsam zerstreuen oder wenigstens weiter amüsieren.46 Ich weiß, mein hochverehrter Landsmann, dass Sie lachen wollen und auch ich täte es gern. Vielleicht würden wir aber beide nur auf meine Kosten lachen. (614 v) Seitdem Sie die Produktionen meiner Feder gelobt haben, war ich übrigens

44 45

46

damit Sukzessionsfähigkeit der 18 Nachfahren des 1723 verstorbenen Herzogs Leopold Eberhard von Württemberg-Mömpelgard aus drei nichtstandesgemäßen Ehen betraut. Nach dessen Tod war die protestantisch-lutherische, gefürstete Grafschaft Württemberg-Mömpelgard zwischen 1723 und 1802 mit dem Herzogtum Württemberg in Personalunion verbunden, wofür diesen Nachfahren durch Herzog Eberhard Ludwig jährliche Rentenzahlungen versprochen worden waren. Frankreich, das seit Längerem die Oberhoheit über die linksrheinischen Besitzungen gefordert hatte, nahm 1723 diese Territorien für die Söhne Leopolds in Besitz. Erst im Jahr 1748 wurde diese Oberhoheit von Karl Eugen Herzog von Württemberg teilweise anerkannt; der Rechtsstreit um die Rentenzahlungen endete erst 1756. Vgl. Einleitung, S. 9–13. Das folgende Postskriptum vom 10. Januar 1739 gehört trotz abweichender Paginierung zum Brief vom 6. Januar 1739 (ein Dienstag), da darin auch dessen korrigierte Datierung erklärt wird (Anm. 40). Frau von Neuenstein, von der im Teilnachlass Keller mehrere Briefe erhalten sind, diente vermutlich als Briefkastenadresse. Aufforderung zu sachlicherer Information unter kritisch-ablehnendem Verweis auf die europäische Kultur der „préciosité“, die in geistreicher und sprachlich anspruchsvoller Form galante Themen diskutierte.

51

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

in einer gewissen Verlegenheit, deren Ehre zu verteidigen, ohne sie durch neue Themen mehren zu müssen. Ich glaube, einfältiger als sonst zu sein, weil ich vielleicht zu sehr fürchte, just so zu erscheinen, nachdem Sie mir gesagt hatten, dass ich es wahrlich nicht sei. Sehen Sie sich also bei allem, was Sie mir künftig sagen werden, gut vor. Sie verpflichten sich damit als ein Freund, in den ich völliges Vertrauen habe. Mein Geist ist nichts mehr wert, wenn er nicht mehr weiß, was er sagen soll! Mein Gott, was für eine Schmiererei! Ich bin damit überhaupt nicht zufrieden. Das ist Geschwätz, ein mir sehr fremder Ton. Hören wir auf! Ich werde heute nichts Wertvolles mehr schaffen. Doch hören wir mit etwas Natürlichem auf. Bei allem anderen fühle ich mich deplatziert. Ich schätze Sie unendlich und werde mein Leben lang das Gefühl aufrichtiger Freundschaft, derer ich Sie schon versichert habe, bewahren. Entschuldigen Sie meine Kritzelei. Ich wage nicht, sie nochmals abzuschreiben. Es würde vielleicht eine Schmiererei mit anderen Worten werden, was nicht besser wäre. Ich beweine und bedaure von ganzem Herzen den (616 r) Verlust unseres lieben Jacquin und auch seine Cousine ist darüber sehr betrübt.47 Da er kein Testament hinterlassen hat, weiß ich nicht, ob sie von seinem für mich unvermuteten, ständig wachsenden Erbe etwas abbekommt. Falls es Vorkehrungen oder Maßnahmen zum Vorteil dieses armen Mädchens zu ergreifen gilt, wäre es Ihres guten und großzügigen Charakters höchst würdig, sich dafür zu interessieren und ich selbst würde den Dank dafür all dem hinzufügen, den ich Ihnen schulde. Ich möchte Sie noch mit vielen Komplimenten an Baron von Gotter48 beauftragen.

11. [o. O., o. D.49] Monsieur, (468 r) dass Sie mit meinem Brief nicht zufrieden sind, will ich wirklich gern glauben, denn auch ich war es nicht. Habe ich Sie, Monsieur, nicht bereitwillig vorgewarnt, mich noch törichter als gewöhnlich zu finden? Deshalb bin ich nicht überrascht, Ihnen auch so erschienen zu sein. In Wirklichkeit irre ich mich. Was bedeutete diese nichtige Verlegenheit? Nur Erstaunen darüber, was Sie mir zum Inhalt meines Briefs sagen? Und worum geht es bei diesem Erstaunen, ha? Ehrlich, ich weiß es nicht und bekenne, dass das ein höchst unangebrachtes Feingefühl ist. Mein stürmischer Brief war ebenso wie der vom 10. natürlich nicht für die Nachwelt gedacht und von denen, die mich kennen, hatte ich deshalb sicherlich (468 v) nicht die geringste Unannehmlichkeit zu befürchten. Woher stammen also diese verworrenen und lächerlichen Gedanken, wo ich doch ansonsten von Natur aus 47 48 49

Vgl. Anm. 43. Das Sterbedatum Jacquins de Béthencourt ist nicht bekannt. Seine Verwandte Anne Catherine Jacquin de Béthencourt war am Gothaer Hof Kinderfrau des Erbprinzen Friedrich. Vgl. Anm. 34. Vermutlich Gotha, vermutlich zwischen dem 10. Januar und 7. Februar 1739. Die Datierung ergibt sich durch den einleitenden Bezug auf Brief 10.

52

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

nur geradlinige habe? Ich glaube, mein lieber Landsmann, sie kommen – verzeihen Sie mir – von Ihrem gefährlichen Weihrauch. Er steigt direkt zu Kopf und ich sehe, dass man eins der stärksten Gehirne braucht, um nicht zu sehr umnebelt zu sein. Um das meine vor solchen Erschütterungen zu bewahren, beweihräuchern Sie mich also nicht mehr, zürnen Sie mir lieber mit dem Ziel, mich besser zu machen als ich bin. Aber hüten Sie sich dann davor, Vorwürfe wie den in Ihrem letzten Brief hineinzumischen, dass ich nicht Freundin genug sei, um den tatsächlichen Grund für Ihre großzügigen Gefühle gegenüber meiner lieben Mutter zu würdigen.50 Diese Idee widerspricht allem, was ich über Ihren ausgezeichneten Charakter denke. Und falls ich diese ungerechte und falsche Idee gehabt hätte, woher wäre sie gekommen, als vom Grund meiner Seele, welche dann konsequenter Weise (470 r) zu wahrer Freundschaft unfähig wäre? Nein, mein lieber Landsmann, damit tun Sie mir ein Unrecht, das ich nicht verdauen könnte, das mich traurig macht, mich quält, das alles, was ich in der Seele trage, aufwühlt. Dafür würde ich am Ende von Ihnen Schadensersatz verlangen, weil ich der festen Überzeugung bin, durch ein völlig entgegengesetztes Prinzip auf das Ungemach aufmerksam geworden zu sein, dass wir Ihnen bereiten könnten, dächten wir nur an uns und unseren Vorteil. Denn ich bekenne guten Gewissens die Überzeugung, dass es meiner Mutter im gesamten Universum nirgendwo besser gehen könnte als bei einem so schätzenswerten und vollkommenen Freund wie Ihnen. Sollte nicht genau diese Freundschaft, deren Preis ich kenne, uns Ihre Interessen nicht ebenso teuer wie die unseren machen? Verdienten wir jene, wenn wir diese jemals aus den Augen verlören? Stehe ich, lieber Landsmann nicht noch in Ihrer Schuld wegen der verbindlichen Sorgfalt, mit der Sie mich das Für und Wider zur anstehenden Entscheidung meiner Mutter wissen ließen? Die zweifellos beste angesichts ihres Alters, ihrer Gesundheit und ihrer Neigung wäre ein Rückzug. (470 v) Wie Sie allerdings sehr weise sagen, halten sich die genannten Gründe mit anderen die Waage. Die wiederum vertragen trotz meines Bedürfnisses, meine liebe Mutter vor den Launen anderer geschützt zu sehen, keine Eile. Ich kann ihr nicht zuraten, den Entschluss übers Knie zu brechen, wünsche aber, dass sie schnell einen fasst. Sagen wir, in einer gewissen Zeit, zum Beispiel einem Jahr, denn in ihrem Brief scheint sie entschlossen zu sein, sich bis zu dem Zeitpunkt zu gedulden, der so oder so die Ansprüche oder das Schicksal ihrer Prinzessin51 entscheiden wird. Möge Gott die Zeit verkürzen, aber wenn sich die Sache wider Erwarten in die Länge zieht und man in einem Jahr noch nicht weiß, woran man sich halten soll, sähe ich gern, dass sich meine Mutter schon heute fest zu einem Rückzug am Ende des Jahres entschiede. Alles, was sie bis dahin zu ertragen hätte, erschiene ihr mit dem Ausblick auf das von ihr selbst bestimmte Ende erträglicher. Glauben Sie mir, Monsieur, dass ihr Wohlergehen mir am meisten am Herzen liegt. Im Verlauf dieses Jahres würde ich alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, um ihr all die Annehmlichkeiten zu verschaffen, die von mir abhängen können. Wegen des Wohnortes bin ich, was Württemberg betrifft, völlig Ihrer Ansicht. Ich flehe Sie an, lieber Landsmann (469 v) meine Mutter in dieser Hinsicht als auch mit Blick auf ihre Religionsausübung zu

50 51

Zur Chiffre „Mutter“ vgl. Einleitung, S. 14. Friederike Luise von Württemberg.

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

53

informieren.52 Kurz, ich bin sicher, dass die Vorsehung, die mich im Laufe meines Lebens so oft gerettet hat, mir auch den aufrichtigen Wunsch erfüllen hilft, zur Ruhe und Zufriedenheit einer Mutter beizutragen, die mir sehr lieb und teuer sein muss, denn ihr verdanke ich das geringste aller Güter, das Leben. Hoffentlich habe ich bald die Freude, Sie wiederzusehen und mich mit Ihnen ausführlicher über ihre Angelegenheiten zu unterhalten. Ihre weisen Ratschläge werden bei allem, was wir unternehmen, letztlich immer ausschlaggebend sein. Bevor ich meine Epistel beende, muß ich Sie allerdings noch fragen, weshalb in meinem letzten Brief die Anrede „hochverehrter“53 verletzender als in denen zuvor war. Ich habe sie hundert Mal gebraucht, ohne dass Sie etwas dagegen einzuwenden hatten. Falls Sie beabsichtigten, darüber schockiert zu sein, hätten Sie mich nicht erfahren lassen sollen, dass Sie dieses Beiwort mehr als jeder andere auf der Welt verdienen. Denn mit einer so ehrenwerten Seele, dem Geist, den Gefühlen, die Sie den Mut haben zu besitzen, erkläre ich Ihnen, dass ich den Mut habe, Sie (egal was Sie davon halten), mein ganzes (469 r) Leben lang zu verehren. Aber ich verspreche Ihnen, lieber Landsmann, diesen Ausdruck nicht mehr als Kompliment zu benutzen, weil Sie in Ihrer Lebhaftigkeit sagen, dass er sie umbringt. Sie werden ihn nur in meinen Gefühlen bemerken, wo Sie ihn hoffentlich nicht bekritteln werden. Denn Sie werden ihn mich mit ebenso viel Eifer verteidigen sehen, als müsste ich Ihnen die aufrichtige Freundschaft und vollkommene Hochachtung beweisen, mit der ich die Ehre habe, Monsieur, Ihre ergebenste und gehorsamste Dienerin Neuenstein zu sein. Bitte übermitteln Sie Baron von Gotter meine Komplimente.54 Herr von Bachoff55 hat mich den Abschnitt seines Briefes lesen lassen, der mich betrifft. Ich bewundere die Wege, derer sich das Schicksal bedient, um meinen Ruf zu etablieren. Hätten besondere Umstände ihn nicht gezwungen, kürzlich eine Reise nach Stuttgart zu machen, hätte er vielleicht niemals in seinem Leben erfahren, dass ich, ohne eitel sein zu wollen, ein Mädchen bin, das singt und tanzt. Ich hoffe allerdings, ihn bei seiner Rückkehr zu überzeugen, dass ich beides ziemlich schlecht kann.

52 53 54 55

Zur Chiffre „Mutter“ vgl. Einleitung, S. 14. Briefanrede für Fürsten und Herzöge, für Barone galt „sehr geehrt“. Die Anrede widersprach zugleich der Anrede Landsmann und verletzte die konspirativen Regeln des Briefwechsels; vgl. Einleitung, S. 16. Vgl. Anm. 34. Unklar, ob Georg Heinrich Bachoff von Echt, Hofrat, Hofmedikus, Bürgermeister zu Gotha sowie Mitglied des Obersteuereinnahmekollegiums, oder dessen Neffe Johann Wilhelm Bachoff von Echt, preußischer Geheimer Kriegsrat und Gesandter bei den thüringischen Herzogtümern. Im Eremitenorden gab es ab 1740 ein Ehepaar Bachoff, 1743 einen weiteren Herrn von Bachoff.

54

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

12. Gotha, den 7. Februar 1739 Monsieur, (482 r) hätten Sie bemerkt, lieber Landsmann, dass ich nach dem Empfang Ihrer Briefe gewöhnlich am nächstfolgenden Posttag antworte, wären Sie überrascht gewesen, dass ich in meinem letzten Brief auf eine Förmlichkeit56 verzichtet habe, die man bei weniger angenehmen Korrespondenzen als der mit Ihnen eher braucht, wo ich wesentlich weniger pünktlich bin. Nicht deshalb möchte ich mich entschuldigen, sondern vielleicht eher wegen meiner fast übertriebenen Eile, Sie zu behelligen. Aber das ist eigentlich mehr Ihre als meine Schuld. Nur was man gut oder angenehm findet, wünscht man heftig. Ihre Briefe sind sowohl das eine als auch das andere, so dass es normal ist, sie erhalten und Ihnen schreiben zu wollen, um weitere zu empfangen. Tragen Sie also das Übel mit Geduld und denken Sie daran, dass sie sich des Vorteils erfreuen, bessere Briefe als tausend andere Leute zu schreiben. Das ist mit der Last verknüpft, von denjenigen, die (482 v) deren Wert kennen, entsprechend gestört zu werden, von mir – ob es Ihnen gefällt oder nicht – als erster, denn ich füge dieser Kenntnis auch das Wissen um die herausragenden, den Schreiben ebenbürtigen Eigenschaften Ihrer Seele hinzu. Stellen Sie sich also bereitwillig darauf ein, mich eifrig eines so unbestreitbaren Privilegs zu bedienen. Dass Sie dem zustimmen, was ich über meine teure Mutter schrieb, entzückt mich.57 Gott weiß, dass mich nichts empfindlicher interessiert als ihre Zufriedenheit. Aber wenn man sein Ziel zu schnell erreichen will, verfehlt man es sehr leicht und oft. Ich habe festgestellt, dass es gut ist, bei allen im Leben anstehenden Entscheidungen der Vorsehung etwas Stoff zu überlassen, damit sie daraus das ihr genehme Gewand schneidere. Ihre Machart ist immer viel besser als unsere. Aber apropos Vorsehung, was werden Sie nun in Frankreich tun?58 Wird die Vorsehung dulden, dass Sie sich in eine Verhandlung verstricken, deren Ende Sie vielleicht erst in ebenso vielen Jahren wie den gegenwärtig geplanten Monaten sehen werden? Was wird aus Ihrer Eremitenhütte, aus Ihren Bauten, die Sie wie arme Waisen in die Welt setzen und nicht groß kriegen, aus dem niedlichen kleinen Wäldchen, den Teichen, aus dieser Philosophie? Wie, Sie geben das alles auf? Befremdlich – so ist das menschliche Herz beschaffen. Ich ahne, dass Sie den Mut dazu haben werden und ich den, (483 r) deshalb wirklich wütend auf Sie zu sein. Tun Sie wenigstens etwas dafür, dass wir von dieser hässlichen Entscheidung irgendwie profitieren und sie uns wenigstens die Freude verschafft, Sie hier zu sehen, bevor Sie in eine andere Welt treten. Die Durchlauchtigsten Hoheiten befehlen mir, Sie darum zu bitten und versichern Sie ihres ganzen Wohlwollens. Falls Sie 56 57 58

Vgl. Anm. 53. Vgl. Anm. 52. Dass Keller von Stuttgart wegen Mömpelgarder Angelegenheiten (vgl. Anm. 47) nach Paris reisen würde, war zu Beginn seiner Mission offenbar nicht geplant. Sie wird in der folgenden Passage als Verletzung der philosophisch-politischen Position (vgl. Einleitung, S. 13–16) und als für Keller gefährlich eingestuft. Zugleich werden umfassende Informationen eingefordert.

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

55

die Absicht haben, hier wie ein Blitz aufzutauchen, von dem ich nur den Abglanz sähe, sage ich Ihnen jedoch das Gegenteil voraus. Der Gedanke verführt mich dermaßen, mit Ihnen zu streiten, dass ich dem nicht widerstehen kann. Ich habe dafür übrigens mehr als ein Thema. Was hat die ungerechtfertigte Zurückhaltung zu sagen, mit der Sie in meiner Bemerkung über die gefährlichen Begleiterscheinungen Ihres Weihrauchs Ironie vermuten?59 Ich habe eher geglaubt, ihm damit Ehre zu erweisen, die es wert ist, angenommen zu werden, als ihm die Kraft, Köpfe zu verwirren, zuzusprechen. Ich persönlich fürchte solche Gehirnerschütterungen schrecklich und hätte nicht erwartet, dass Sie das als nicht zu beachtende Bagatelle betrachten. Wahrlich, wenn man dadurch so wenig wie Sie gefährdet ist, kann man leicht urteilen. Um Sie von der Ehrlichkeit des Kompliments zu überzeugen, müsste man wohl, Gott verzeih mir, in einem Irrenhaus leben. Aber bevor es so weit kommt, wäre es wohl besser, die wunderbare Essenz zu beschaffen, von der Sie sagen, dass eine einzige Prise die Gabe habe, solche Grillen aufzulösen. Ich bitte Sie, lieber Landsmann, mir das beizubringen. Wir werden es an gewissen hoffnungslosen Köpfen, die wir hier und da kennen, testen und wenn die Operation gelingt, werde ich Sie bitten, mich erneut (483 v) direkt (oder indirekt wie in Ihrem letzten Brief) zu loben. Denn da ich dank Ihrer Essenz dabei nichts mehr zu befürchten hätte, würde meine Eigenliebe wahrlich auf ihre Rechnung kommen. Unterdessen danke ich Ihnen für das Süßsaure, womit Sie mehrere Abschnitte ihres letzten Briefes vorsorglich begossen haben. Im ersten Moment würde man glauben, es seien Komplimente. Bei näherem Hinsehen ist es das Gegenteil. Dazu gehört das, was Sie über die Wirkung meiner Aura sagen, die nicht zu Kopfe steigt. Ha, wirklich, das glaube ich! Gemessen an der Ihren ist sie klares Wasser statt Champagner. So ist es auch mit dem, was Sie nach Ihrer erneuten Durchsicht meiner Briefe über die Anrede „hochverehrter“ hinzufügen.60 Könnte ich einer solch zweiten Prüfung sicher sein, wäre ich Ihnen dafür zu weitaus weniger verpflichtet, als wenn Sie mir auf mein Wort hin geglaubt hätten. Denn ich weiß sehr gut, dass sie die erste gerade so bestanden haben. Ich selbst finde das so wertlos, dass ich mir deshalb die schlechte Angewohnheit zugelegt habe, keinen Brief nach dem Schreiben nochmals zu lesen. Sie haben also darin meine guten und schlechten Eigenschaften gefunden, sogar ein Übermaß der ersten. Die Morallehrer sind sich nicht einig, wo die guten Eigenschaften enden und die schlechten beginnen. Sicher ist nur, dass keinerlei Übermaß gut ist. Damit werden meine besten Eigenschaften sehr zweifelhaft. Was denken Sie nun, mein lieber Landsmann? Das ist aber noch nicht alles. Sie versichern mir, für mich stets die gleichen Gefühle von Freundschaft hegen zu wollen, selbst wenn ich nicht Ihre Freundin wäre. Ihre Erklärung dieses Satzes ist ein sehr höflicher, (484 r) sehr hübscher und sehr geeigneter Vorwand, mich hinters Licht zu führen. Gestatten Sie, dass ich mich an diesen Gedanken halte. Ich neige dazu, ihn meinerseits als ein Übermaß an Freundschaft zu bezeichnen, um nicht völlig unverblümt das Gegenteil zu sagen, was letztlich ungefähr das Gleiche wäre. Denn ich stimme Ihnen zu, dass es nicht normal und deshalb nicht möglich ist, jemandes wahrer Freund zu sein, der nicht ebenso über den anderen denkt. In diesem Punkt fürchte ich nicht, dass Sie zu meinen Ungunsten 59 60

Das französische essens bedeutet in der deutschen Übersetzung sowohl ‚Weihrauch‘ als auch ‚Opium‘. Vgl. Anm. 53.

56

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

entscheiden. Einige Theologen würden vielleicht sagen, dass wir Gott genau auf diese Weise lieben sollen. Ich würde mich hier begnügen, sie auf ihre eigene Erfahrung zu verweisen und beteuere, mein lieber Landsmann, dass ich eine solche Freundschaft auf keinen Fall will, sie für ein Hirngespinst halte, sie mir wie ein Schatten erscheint, der sich am hellen Tag verflüchtigt. Um Ihrer Freundschaft noch gewisser zu sein, behaupte ich zu guter Letzt, dass Sie mich damit auch ein wenig Ihretwegen beehren. Ich hätte Ihnen noch vieles über manches in Ihrem Brief zu sagen, aber diese Epistel ist schon viel zu lang und die Post bereit loszufahren. Also adieu, mein lieber Landsmann. Das Vergnügen, Sie in vier oder fünf Wochen zu sehen, ziehe ich einem Wiedersehen in vier oder fünf Tagen vor. Das erscheint wohl zunächst höchst impertinent, nicht wahr? Ganz und gar nicht. Der Grund dafür ist ein ganz anderer als man denkt. Ich liebe nämlich dieses kleine Kompliment, denn es stimmt (484 v), dass es meiner Eigenliebe dient. Ich finde, es hat etwas von meiner Art. Oh, genug der Verrücktheiten, Schluss damit. Das Datum dieses Briefs, das ich aus Sorge um einen Unfall schnell oben auf das Blatt gesetzt habe, wäre kommenden Dienstag nichts mehr wert. Ich bin einzig und von ganzem Herzen, Monsieur, Ihre ergebenste und gehorsamste Dienerin Neuenstein. Gotha …, noch ein Übermaß an Bedürfnis, alles richtig zu machen, aber ich konnte mich schnell bremsen. Meine Komplimente an Baron von Gotter.61 Ich werde nicht versäumen, meine Stiefel zu wichsen und meine Kehle für ein Fest zu ölen, das nie stattfinden wird.

13. Gotha, den 21. Februar 1739 Monsieur, (485 r) nicht Ihretwegen, lieber Landsmann, bin ich noch voller Wut, sondern wegen Fortuna, wegen des Schicksals und schließlich wegen all dessen, was mich hindert, Sie wiederzusehen.62 Diese Wut ähnelt jedoch Kummer, so dass ich eigentlich nicht weiß, welche der beiden Bezeichnungen die bessere ist. Den Kummer fühle ich sehr und finde, dass er wie heftiger Schmerz stumm ist. So fehlen mir wirklich die Worte, Ihnen zu sagen, wie sehr mich Ihr Fernsein betrübt. Ihr lieber Brief hat mich tieftraurig gemacht. Dadurch wurde all mein Geschwätz erstickt und ich kann Ihnen kein Wort sagen. Mein lieber Landsmann, den Auftrag, den meine liebe Mutter Ihnen gab, habe ich ohne Schwierigkeiten empfangen und schicke Ihnen den mir gütigst zugesandten Brief (485 v) zurück. Im Gegenzug nehme ich mir hier die Freiheit, ihr ebenso viele Aufträge zurückzugeben. Ich glaube, dass eine

61 62

Vgl. Anm. 34. Vermutlich Anspielung auf die erhoffte innen- und außenpolitische Einigung in den Württembergischen und Mömpelgarder Angelegenheiten. Keller reiste von Stuttgart aus direkt nach Paris (vgl. Brief 12).

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

57

Umarmung über fünfhundert Meilen hinweg von Gerüchten nicht viel zu befürchten hat.63 Und falls all unsere Glückssträhnen ebenso geheimnisvoll sein werden, hoffe ich, dass wir deshalb nicht weniger ehrenvoll unter den Heroen strengster Weisheit figurieren. Um aber allen Unannehmlichkeiten vorzubeugen, zeigen Sie diesen Brief zumindest nicht der Académie française. Die höchst strengen Sprachregelungen dieser illustren Einrichtung könnten dadurch in Aufruhr versetzt werden und Ihre neumodische Nase würde mich in keiner Weise darüber hinwegtrösten, unsere Umarmung in den Rang der Alten gesetzt zu sehen.64 Ihre Durchlauchtigsten Hoheiten übermitteln Ihnen tausend Komplimente, ebenso Baron von Uffel.65 All unsere Damen und Herren hier, von den Höchsten bis zu den Geringsten, schätzen und lieben Sie. Ich ärgere mich, dass dieser Satz sich ausgerechnet in einem Brief findet, den Sie (486 r) den Herren der Académie nicht vorzulegen wagen werden. Sie würden zumindest erkennen, dass wir wahrem Verdienst Gerechtigkeit widerfahren lassen, und das würde uns ehren. Aber wer weiß, vielleicht sind auch diese Gefühle etwas aus der Mode gekommen und in diesem Falle fände ich Sie doppelt beklagenswert. Adieu von ganzem Herzen, mein lieber Landsmann. Ich schreibe in großer Eile, um die Post nicht zu verpassen, denn ich habe Angst, dass mein Brief, wenn ich ihn bis Dienstag liegen lasse, Sie nicht mehr in Stuttgart antrifft. Empfangen Sie meinen Segen. Ich bitte Gott um den seinen und darum, die Gabe hinzuzufügen, wie Hauptheilige Wunder zu vollbringen, damit dem Erfolg Ihrer Unterfangen sowie Ihrer schnellen und glücklichen Rückkehr nichts im Wege steht. Das wünsche ich aus Prinzip, aus Eigenliebe und wegen der aufrichtigen Freundschaft, die ich, kaum dass ich Ihren Wert erkannt hatte, stets für Sie empfinde, unabhängig von der Dankbarkeit, die ich Ihnen, Monsieur, schulde und mit der ich leben und sterben will. Ihre untergebenste und gehorsamste Dienerin Neuenstein. (486 v) Ich wage nicht, Nachricht von Ihnen zu erbitten, denn Sie werden dazu kaum Zeit haben. Falls Ihnen jedoch ein Moment bleibt, so sollen Sie wissen, dass Sie mir keine größere Freude machen können. Wenn Sie gestatten, werden wir uns vielleicht die Freiheit nehmen, Sie mit einem kleinen Auftrag zu belasten. Wenn Sie irgendwelche Broschüren oder neue Theaterstücke finden, kaufen Sie die bitte für mich. Vor allem aber bitte ich um einen kleinen Platz in Ihrer Erinnerung. Falls wir in diesem Frühjahr nach Ichtershausen gehen, werde ich zu Ihrer reizenden Eremitage spazieren, Ihren Teichen und Wildenten meine Ehre erweisen und Ihnen dann Neues darüber berichten.66 Teilen Sie bitte meiner 63 64

65 66

Zur Nutzung der Deckadresse von Frau von Neuenstein vgl. Anm. 45. Die 1635 gegründete Gelehrtengesellschaft zur Pflege der französischen Sprache debattierte ab 1687 in der „Querelle des Anciens et des Modernes“ (Streit der Alten und der Neuen) die Frage, ob die Antike noch Vorbild für die zeitgenössische Literatur und Kunst sein könne. Mit der Chiffre „Umarmung“ wird ein geheim zu haltender Wechsel im Verhältnis zu Frankreich aufgrund alter Verträge angedeutet, für Gotha wären das der Geheime Bündnisvertrag einschließlich eines Geheimen Zusatzartikels von 1701. Christian von Uffel war Mitglied des Geheimen Ratskollegiums am Gothaer Hof, Oberaufseher in Eisenberg, Kammerpräsident und Obersteuerdirektor, zugleich Domherr in Naumburg. Der Hof weilte vom 25. Juli bis 26. August 1739 zum Sommeraufenthalt in Friedrichswerth, nicht in Ichtershausen. Zu Stedten als Eremitage vgl. Einleitung, S. 15.

58

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

lieben Mutter Ihre Pariser Adresse und die Bitte mit, sie an mich weiterzuleiten. Ich bitte sie tausend Mal um Verzeihung, ihr heute nicht zu schreiben. Mir bleibt keine Sekunde mehr. Ich werde es Dienstag tun. Ich werde alles auf der Welt von mir Abhängende für Ihren St.-Georgs-Ritter tun.67 Sein ganzes Unglück ist, dass der, dessen Nachfolger er sein soll, um Erbarmen fleht und selbst keins hat, und so alles noch einmal erlebt. Man wird jedoch versuchen, beide einander anzunähern.

14. [o. O., o. D.68] Madame, meine liebste Mama, (597 r) die Hürden, welche die pünktliche Ankunft unserer Briefe verhindern, begreife ich nicht. Ihre letzten beiden waren wieder irgendwo hängengeblieben und ich habe sie fast gleichzeitig bekommen, den einen Brief morgens, den anderen abends, und beide lange nach dem Datum, an dem ich sie hätte erhalten sollen. Unser Postmeister schwört bei allen Heiligen, dass er nicht schuld sei, was ich auch glaube. Man muss komplett untauglich sein, um sich mit so uninteressanten und unfruchtbaren Dingen wie dem Zurückhalten oder Öffnen von Briefen wie unseren zu amüsieren. Ich glaube, dass es für andere noch nie so unbedeutende gegeben hat und ein starker Hang zu Schurkerei vorhanden sein muss, wenn man bereitwillig so bösartig handelt. Ihre Durchlauchtigste Hoheit, meine teure und unvergleichliche Herrin, umarmt Sie, meine liebe Mutter, und hat Ihren Brief mit Freude empfangen. Sie hat meiner Schwester erneut tausendfach Gnade erwiesen. Am Abend vor ihrer Abreise zog sie einen sehr hübschen Ring von ihrem Finger und steckte ihn (597 v) meiner Schwester an.69 Sie sagte ihr, dass sie dadurch einander versprochen seien. Sie haben letztlich sehr recht zu denken, meine liebe Maman, dass diese würdige Fürstin in jeder Hinsicht nichts Vergleichbares auf der Welt hat. Gott möge sie zumindest für die Zeit unseres Lebens erhalten und uns in jener, die folgt, wieder mit ihr vereinen! Denn wo 67

68

69

Hier möglicher Hinweis auf Kontakte an den englischen Königshof. Träger des Ordens des Heiligen Georg in England (Hosenbandorden) waren Georg II. König von Großbritannien/Hannover und dessen Sohn und Nachfolger Friedrich Ludwig Prince of Wales, der seit 1736 mit Augusta von SachsenGotha-Altenburg verheiratet war und in persönlicher und politischer Opposition zu seinem Vater stand. Gemeinsam mit Anm. 27 deutet diese Chiffre auf Sondierungen bei den sogenannten Seemächten. Vermutlich Gotha, vermutlich zwischen dem 19. März und 2. Mai 1739. Die Platzierung ergibt sich trotz abweichender Paginierung aus dem im Brief erwähnten Besuch Gotters am Gothaer Hof nach seiner Rückkehr aus Stuttgart am 19. März 1739 und dem Hinweis auf drei nichtbeantwortete Briefe von Keller (Brief 15). Eberhardine Wilhelmine von Neuenstein, Hofdame in Sachsen-Eisenach, war seit 1736 regelmäßig Gast auf dem Friedenstein. Im Vorfeld der Hochzeit ihrer Schwester Juliane Franziska häuften sich die Besuche und mündeten in ein Übernahmeversprechen.

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

59

fände ich jemals wieder eine so respektable Herrin und sie ein ihr so verbundenes Herz? Sie befiehlt mir, Ihnen die beiliegende Probe zu senden, damit Sie über unseren Freund versuchen, ihr einen Stoff von gleicher Farbe zu beschaffen.70 Er soll entweder Blumensträuße als Muster haben oder nach der neuesten Mode sein. Ihre Durchlauchtigste Hoheit möchte jedoch nur Silber ohne eine andere Farbe. Ich bitte Sie, unserem Freund vor allem dies auszurichten. Ich werde ihm selbst mit der nächsten Post schreiben. Aus reiner Diskretion habe ich es nicht eher getan, weil ich ihm zumindest die Zeit lassen wollte, in Paris anzukommen und Luft zu holen, bevor ihm meine Briefe nacheilen. Gebe Gott, dass er vor Ihrem Umzug zurück ist! Das erflehe ich von ganzem Herzen und hoffe darauf wegen der Hindernisse, die sich bei Ihrem bevorstehenden Ortswechsel einstellen werden.71 (598 r) Allerdings glaube ich, dass unser armer Keller mit seinem Vorhaben, so schnell wie möglich zurückzukehren, nicht weniger Schwierigkeiten haben wird. Ich will nicht vergessen, Ihnen, meine liebe Maman, zu sagen, dass der Stoff, den Ihre Durchlauchtigste Hoheit haben möchte, für eine Adrienne gedacht ist. Deshalb soll er nicht übermäßig üppig sein. Dadurch werden Kleider nur sehr schwer und es trägt nichts zum guten Geschmack bei. Es werden davon zwölf französische Ellen72 gebraucht. Je schneller er hier ist, desto besser. Deshalb schicke ich Ihnen die Probe schon heute. Die Kamecke bittet Sie gnädig, Ihr bei dieser Gelegenheit ebenfalls zwölf Ellen eines Stoffs mit gelbem Grund zu schicken.73 Er soll im gleichen Geschmack oder zumindest zum gleichen Preis wie der sein, den Sie mir gütigst über Herrn von Hardenberg geschickt haben – der mit kleinen flachsfarbenen und grünen Sträußen auf weißem Grund.74 Auch die Erffa bittet Sie um so einen mit braunem oder strohfarbenem Grund.75 Beide wünschen allerdings, dass der Preis nicht über dem des zuerst genannten Stoffs liegt. Um dem Kommissionär nicht zu viel Ungelegenheit zu bereiten, muss sich der Preis für meinen nicht unbedingt auf Heller und Pfennig auf diese Summe beschränken. Das ist egal. Baron Gotter hat mir Ihren lieben kleinen Brief und einen unserer Freunde gebracht. Es ist sicher richtig zu glauben, (598 v) dass zwei Worte von Ihnen, meine liebe Mama, mich die beste Miene, über die meine arme kleine Physiognomie verfügt, aufsetzen lassen, um dem Überbringer meinen Dank und meine Freude zu bezeugen. Gotter hat zwei Stunden lang von Ihnen gesprochen und als er ging, war mir, als hätte ich ihm noch tausend Fragen zu stellen. Zudem hat er mir noch unend70

71 72 73 74

75

Die in Brief 13 erwähnten Stoffbestellungen spielen mit ihren auf die Heraldik verweisenden Farbangaben und den genannten Personen vermutlich auf Zahlungsvorstellungen und -wege im Subsidienhandel mit Frankreich an (vgl. Anm. 64). Die silberfarbene Andrienne Luise Dorotheas, ein nicht für offizielle und Galaanlässe gedachtes überwurfartiges Hofkleid, symbolisiert als heraldisches Metall u. a. Weisheit, Freude und Friede. Vgl. Anm. 30. Eine französische Elle entsprach je nach regionalspezifischer Umrechnung ca. 1 Meter. Clara Sophia von Kamecke war Hofdame Luise Dorotheas. Gelb gehörte zur Wappenfarbe Württembergs. Der Jurist und Kameralist Friedrich August von Hardenberg lebte nach seiner Entlassung aus württembergischen Diensten 1734, wo er Gesandter und Oberhofmarschall war, auf Gut Schlöben bei Eisenach. Grün (für die Kur) und weiß (das ursprüngliche Herzogtum Sachsen) sind die altsächsischen Landesfarben. Dorothea Elisabetha von Erffa. Braun gehört nicht zu den heraldischen Grundfarben und Metallen.

60

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

lich viele andere Dinge erzählt, alles sehr unterhaltsam. Er brachte mich zum Lachen und ich habe, so gut ich konnte, versucht, das Wahre und Angenehme in seiner tumultuösen Erzählung zu entwirren. Er hat mir gesagt, dass er erst am letzten Tag die Schönheit Ihrer Hände bemerkt habe, von denen er in einer Weise sprach, dass mir das Wasser im Munde zusammenlief. Ich küsse sie in Gedanken tausend Mal. Er beauftragt mich, Sie seines Respekts zu versichern. Den meinen füge ich hinzu, meine liebe Maman, der, ohne eitel sein zu wollen, wegen meiner zärtlichsten und ergebensten Zuneigung mehr wert ist. Und mit diesem Gefühl verbleibe ich mein Leben lang, Madame, meine liebe Mama, als Ihre untergebenste und gehorsamste Dienerin und Tochter Neuenstein. Ihre Durchlauchtigste Hoheit hat über die Lektion, die Sie mir erteilen, gelacht und ich sehe, dass es ein zweites Mal, wenn es um den Stichel geht, kein langes Verhandeln geben wird oder man wird mich leben lehren.76 Die Person, von der Sie ein Porträt haben möchten, ist meinem Eindruck nach ein Ehrenmann ohne Studiertheit, ohne große Verdienste, dem jedoch gesunder Verstand nicht fehlt, der standhaft sein kann und als guter Freund gilt.

15. Gotha, den 2. Mai 1739 Monsieur, (487 r) es kann wohl sein, mein lieber Landsmann, dass ich drei Ihrer lieben Briefe erhalten habe, ohne auf nur einen zu antworten. Sind Sie nicht wütend über ein Schweigen, das meinen freundschaftlichen Gefühlen widerspricht, die ich Ihnen schulde und von denen ich so oft gewünscht habe, dass Sie davon vollkommen überzeugt sein mögen? Ja, Monsieur, hoffentlich haben Sie es überhaupt bemerkt, um darüber schockiert sein zu können. Zugegebenermaßen ist es eine traurigere Situation unseren besten Freunden Schlechtes zu unterstellen, um daraus die angenehme Schlussfolgerung zu ziehen, ihnen nicht gleichgültig zu sein. Dies ist wohl mein Fall (487 v) und da ich nicht tot bin, sollten Sie sehr ärgerlich sein, mich verfluchen und versuchen, mich ein bisschen zu hassen. Bevor Sie das aber tun, werde ich mich zu rechtfertigen suchen und versichere im Voraus (um aller Überhastung vorzubeugen), dass, entgegen aller denkbaren Nachrede, der äußere Schein trügt. Zunächst bewog mich reine Zurückhaltung, das Schreiben zu verschieben. Aber entweder hat die Ausübung dieser seltenen Tugend mir Unglück gebracht oder der Himmel aus anderen Gründen entschieden, mich ein Labyrinth der Angst durchqueren zu lassen: Ihre Durch76

Anspielung auf die Verhandlungen zur Eheschließung zwischen Juliane Franziska von Neuenstein, die ein früheres Heiratsangebot Schack Hermann von Buchwalds ausgeschlagen hatte. Ein Bericht über den zukünftigen Gatten findet sich in Brief 16.

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

61

laucht unsere liebe Herzogin hat plötzlich Blattern bekommen.77 Da Sie wahres Verdienst so gut beurteilen können, das Verdienst dieser würdigen Fürstin sowie all meine persönlichen Gründe kennen, Ihr unverbrüchlich durch Pflicht und Herz verbunden zu sein, verstehen Sie, lieber Landsmann, meinen empfindlichen Schmerz besser als ich selbst ihn fühle – ich, die ohnehin schon alles mir widerfahrene Gute und (488 r) Schlechte zu lebhaft fühlt und unfähig ist, den Mut und die Ergebenheit meiner teuren Herrin bei dieser Gelegenheit nachzuahmen. Ich habe mich ausschließlich all dem hingegeben, was der Gedanke sie zu verlieren meiner Imagination an Schrecklichem und meinem Herzen an Schmerzhaftem bot. Bedenken Sie, ob ich in dieser Situation hätte schreiben können und ob Sie anstelle von Wut nicht schon Mitleid fühlen. Nach solchem Alarm bin ich nun froh, heil davongekommen zu sein und Ihnen sagen zu können, dass Ihrer Durchlauchtigsten Hoheit keine Narben bleiben, sie seit einigen Tagen das Bett verlassen hat und es ihr so gut geht, wie man es unter diesen Umständen erwarten kann. Sie befiehlt mir, Ihnen Komplimente zu übermitteln und zu versichern, dass Sie Ihnen wegen der Sorgfalt bei der übertragenen Angelegenheit unendlich zu Dank verpflichtet ist.78 Ihre Durchlauchtigste Hoheit profitiert gern von Ihren liebenswürdigen Vorschlägen wegen der Robe und bittet Sie, ihr eine in solcher Art anfertigen zu lassen. Ich füge deshalb hier die Maße bei. Meine Gefährtinnen beauftragen mich, Ihnen für die Mühe wegen der Stoffe zu danken und erwarten ungeduldig deren schnelle Zusendung. Sie wären sehr unglücklich, würde meine Mutter sie in Stuttgart zurückhalten. Mit der Auswahl als auch dem Preis sind sie zufrieden und bitten darum, ihnen beides mitzuteilen. Sie möchten also, dass ich Sie noch extra für mich selbst belästige? Also gut, (488 v) Monsieur, hier ist ein Auftrag, der mir sehr am Herzen liegt. Ich bitte Sie, so schnell als möglich den lieben Eremiten von Stedten in unsere Gegend zurückzubringen. Wenn Sie den erfüllen, erlasse ich Ihnen alle anderen. Ohne Sie beleidigen zu wollen, will ich doch meinen Wunsch äußern, dass Sie in dem Land, in dem Sie sind, nur sehr wenig Zustimmung finden mögen, damit Sie es mit weniger Bedauern verlassen. So ist der Friede endlich unterzeichnet! In Wahrheit sind die Lachenden nicht auf unserer Seite, der Kardinal hat sie gekonnt auf seine gezogen.79 Von allen Franzosen würde ich gern nur diesen einen Mann sehen und hören und meine Neugier wäre gestillt. Wegen der Nachrichten aus Stuttgart habe ich keinen Grund zufrieden zu sein. Prinzessin Luise hatte Blattern, ebenso das dicke Fräulein von Wilmowsky.80 Von meiner Mutter erhalte ich keinen einzigen Brief und habe Angst, dass sie von allen zurückliegenden Anstrengungen übermannt wird. Am Ende brauchen wir in dieser Welt immer irgend etwas, 77 78 79

80

Luise Dorothea erschien ab Mitte/Ende April 1739 nicht an der fürstlichen Tafel und ging erst am 19. Mai wieder aus. Vgl. Brief 13 und Brief 14, Anm. 70. Nach dem vorläufigen Abschluss der Streitigkeiten um Mömpelgard hatten am 5. April 1739 Preußen und Frankreich in Den Haag einen geheimen Vertrag zum Nachfolgestreit um Jülich und Berg geschlossen. Ein Zusatzartikel sah vor, dass zwischen Frankreich und Preußen im Falle eines Krieges ein engeres Bündnis abgeschlossen werden könne. Federführend auf französischer Seite war der Staatsmann und Kardinal André Hercule de Fleury, der mit diesem Vertrag die Machtbestrebungen Preußens im Alten Reich potenziell stärkte. Friederike Luise von Württemberg und vermutlich eine der Hofdamen.

62

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

das uns quält. Deshalb lieben wir den gütigen Gott umso mehr und vor allem, wenn er sich so gnädig erweist, uns eine beunruhigende Last abzunehmen. Diese Dankbarkeit wirkt herrlich in unseren Seelen, denke ich. Wenn auch eine solche Liebe nicht verdienstvoll ist, so ist sie immerhin sehr natürlich. Ich hoffe, Sie erfahren deren Annehmlichkeit oft und glauben mir, dass niemand, Monsieur, Sie aufrichtiger schätzt als ich, Ihre ergebenste und gehorsamste Dienerin Neuenstein. Falls Sie unseren Freund Courcelle treffen,81 bitte ich Sie, meine Komplimente zu überbringen und zu versichern, dass ich ihm alles erdenklich Gute wünsche. (615 r)82 P.S. Ich habe vergessen, Ihnen, lieber Landsmann, zu sagen, dass Ihre Durchlauchtigste Hoheit die Herzogin kein Gold, sondern Silber im Kleid haben möchte. Dabei vertraut Sie Ihrem guten Geschmack. Ich glaube allerdings, dass ihr vor allem Violett gefallen würde.83 Und wenn es nicht zu viel verlangt ist, hätte sie liebend gern eine nach der neuesten Mode frisierte und gekleidete Puppe, egal aus welchem Material und wie groß. Nur die Fasson soll gut zu erkennen sein. Verzeihen Sie die Mühe, die wir Ihnen machen. Das geschieht, weil Sie so gern Freude bereiten – man bewundert, liebt und belästigt Sie.

16. Gotha, den 30. Juni 1739 Monsieur, (489 r) fast bereue ich die Bitte, Monsieur, auf mich wütend zu sein. Sie tun alle Dinge gar zu bereitwillig und man könnte schwören, dass sie es ernst meinen. Die Wut mag noch angehen. Meine kleine Selbstliebe interpretiert sie nach Gutdünken und quält sich nicht zu sehr damit, dass Sie die lange Zeit meines Schweigens mit Jahrhunderten vergleichen, mit Ewigkeiten usw. usf. Da ich in dieser Hinsicht gerechter als Sie bin, lieber Landsmann, halte ich die Worte meiner Freunde über ihre Gefühle nicht so schnell wie Sie für Übertreibung. Mir selbst scheint Ihre Abwesenheit auch gut und gern Jahrhunderte zu dauern und wie eine Ewigkeit zu sein. Folglich hätte ich Ihnen schon eine Millionen Briefe schreiben müssen, wenn ich (489 v) bei jedem Gedanken an Sie die Feder ergriffen hätte und ausschließ81

82 83

Der Abschnitt ist auf dem linken Rand des Blattes notiert. Ein de Courcelle war Tanzmeister am Hof Ludwig Eberhards von Württemberg. Es ist zugleich der Name einer Gemeinde in WürttembergMömpelgard, die Frankreich zugesprochen wurde. Die Platzierung des Postskriptums ergibt sich trotz abweichender Paginierung aus dem Text des Briefs 14. Die symbolische Bedeutung der Farbe violett ist vielfältig, hier eventuell die liturgische von Besinnung, Einkehr und Umkehr. Das Ordensband des 1833 begründeten Herzoglich Sachsen-Ernestinischer Hausorden hat die Farben violett und grün. Die Stiftung geht auf den von Friedrich I. von Sachsen-Gotha gegründeten „Orden der deutschen Redlichkeit“ zurück.

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

63

lich Briefe über Hochachtung und Freundschaft entscheiden würden! Dem werde ich niemals zustimmen, es tut mir leid. Ihre höchst barmherzige Schlussfolgerung und der ironische Begleitton sind nur in Ihrer etwas zu lebhaften Imagination verankert. Ich habe jedoch, dem Himmel sei Dank, ein ziemlich gutes Gedächtnis und behalte mir das Vergnügen vor, mit Ihnen bei Ihrer Rückkehr nach Herzenslust zu streiten. Denn irgendwie muss ich Satisfaktion bekommen. Und da ich (trotz allen Unrechts, das Sie mir antun) unmöglich weniger Ihre Freundin sein kann, will ich, dass Sie wegen Ihrer Zweifel daran kleinlaut zugeben, selbst gegen die Gesetze der mir schuldigen und versprochenen Freundschaft gröblichst verstoßen zu haben und dass Ihre diesbezügliche Meinung über mich tausend Mal mehr als all Ihre Kinder in Mömpelgard ein Bastard ist.84 Ich verlange, (492 r) dass Sie sie durch eine Beurkundung dazu erklären und dann nicht mehr darüber gesprochen wird. Wenn mir das, was Sie über meine Freundschaft zu Ihnen denken, nicht mehr als alles andere am Herzen läge, hätte ich sicher diesen Brief in einem anderen Tonfall begonnen. Denn ich muss Ihnen, lieber Landsmann, tausend Mal für die schönen Dinge danken, die Sie meiner Schwester und mir beschafft haben.85 Sie sind von reizendem Geschmack und vor allem durch die Hand, die sie gibt, von unschätzbarem Wert. Ich danke Ihnen ergebenst dafür. Ich befürchte lediglich, dass uns der Wunsch, sich in Ihrem Namen und Ihnen zu Ehre und Ruhm oft damit zu schmücken, ein Körnchen französischer Koketterie einpflanzen wird, die dann in fremder Erde Gott weiß, was für Gestrüpp und Disteln hervorbringt. Aber basta, der Himmel wird dem vorbeugen! Unterdessen bitte ich ihn ernsthaft darum, Sie vor allen schädlichen Einflüssen der Bastardgesellschaft in seinen heiligen Schutz zu nehmen. Übrigens ist Tornaco gerade von hier abgereist.86 Er hat mir von Ihnen einen Brief übergeben, der uns zunächst zu guten Freunden machte. (492 v) Er ist ein sehr hübscher Mann und dem Porträt, das Sie mir von ihm anfertigten, sehr ähnlich und sehr … Den Rest werde ich bei Ihrer Rückkehr erzählen. Er hat hier keineswegs alles, was er wollte, erreicht, denn er wollte das Unmögliche. Man hat ihm jedoch einiges zugestanden, womit er sogar sehr zufrieden schien. Zeichen dafür war, dass er uns nach Abschluss seiner Verhandlung im Anschluss an einen Besuch bei Gotter nochmals extra einen Freundschaftsbesuch abstattete. Alle Verhandlungen beiseite, war seine Person Ihren Durchlauchtigsten Hoheiten sehr angenehm. Sie befehlen mir, lieber Landsmann, Ihnen tausend Komplimente zu übermitteln, Groß und Klein, alle hier sehnen Sie herbei, lieben und schätzen Sie. Ich biete all diesen Gefühlen Paroli, sept élevés und bis zum non plus ultra87 84 85 86

87

Vgl. Anm. 43. Vgl. Brief 14 und 15. Bestellungen der Eberhardine von Neuenstein aus Paris sind nicht nachweisbar. Der kaiserliche Gesandte beim Schwäbischen und Fränkischen Reichskreis Arnold Franz von Tornaco reiste am 30. Juni 1739 vom Friedenstein ab, wo er seit dem 17. Juni geweilt und ein Schreiben überbracht hatte. Er war zuvor im Dienste Württembergs Gouverneur der Gefürsteten Grafschaft Mömpelgard und Bevollmächtigter Minister am Französischen Hof. (Frz./lat.) ‚Sieben Erwählte und nicht mehr‘. Anspielung auf den Kupferstich von Johann Dürr zur Übergabe der Confessio Augustana an Kaiser Karl V. auf dem Reichstag in Augsburg 1530 durch fünf lutherische Fürsten, u. a. Kurfürst Johann von Sachsen und Landgraf Philipp von Hessen, sowie zwei lutherische Städte, Nürnberg und Reutlingen. Die Devise über der Figur Karls V. „plus ultra“ (‚höher hinaus‘) wird im Brief ins Gegenteil gesetzt. Die Formulierung kann jedoch zugleich auch als Anspielung auf die Wahlbestimmungen der Goldenen Bulle 1356 gelesen werden, wonach sieben Kurfürsten

64

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

all dessen, was man tun kann, um alle anderen zu überragen. Denn das will ich trotz Ihrer Unterstellungen, Ihrer Ironie und im Gegensatz zu allem, was Sie je sagen mögen, niemandem auf der Welt überlassen. Denn nur ich kann wissen, was ich über meine Freunde denke und für sie fühle. Nur ich, mit Ihrer Erlaubnis, darf darüber entscheiden. Aber ich stelle fest, dass ich schon am Ende eines ganzen Briefbogens bin, obwohl noch gar nicht am Ende all dessen, was ich Ihnen sagen will. Ich schreibe heute eine wahre Sauklaue. (490 r) Mist, ich nehme gern einen zweiten Bogen – die Länge dieser Epistel und die Krakelschrift werden Teil meiner Rache für Ihre beleidigenden Zweifel sein, die mir noch immer das Herz beschweren und die ich nicht verkraften kann. Ihre Durchlauchtigste Hoheit die Herzogin möchte, dass ich Ihnen ihren aufrichtigen Dank für die gütige Anteilnahme an Ihrer Genesung und die Sorgfalt beim Ausführen Ihres Auftrags versichere, den ich so frei war, Ihnen zu übergeben.88 Ihre Durchlauchtigste Hoheit wünscht sehr, dass sich Gelegenheiten ergeben, Ihnen diesen Dank auszusprechen. Wir warten jetzt mit Ungeduld auf das Paket. Meine Gefährtinnen sind von den Stoffen entzückt und danken Ihnen tausend Mal für Ihre Mühe und ich will, nachdem ich von allen gesprochen habe, noch von mir erzählen. Ich will Ihnen keine Aufträge mehr erteilen, sondern von dem Gerücht sprechen, dass ich einen Mann heiraten werde, der mir seit zehn Jahren versichert, mich sehr zu lieben.89 Wir haben beide früher am Hof Ihrer Königlichen Hoheit der Herzogin von Meiningen90 gedient. Er ging etwa zur gleichen Zeit wie ich von dort weg an den Hof von Weimar. Er heißt Buchwald. Seine Familie stammt aus Mecklenburg. Ich kann Ihnen kein Porträt von ihm anfertigen, aus Furcht, (490 v) dass Sie daran etwas zu bemängeln hätten und mich entweder der Voreingenommenheit oder mangelnder Urteilskraft beschuldigen könnten. Ich will Ihnen nur sagen, dass er ein sehr ehrenwerter Mann ist und es ihm weder an Verstand noch Herz fehlt, was mich hoffen lässt, dass sie ihn mit Ihrer Freundschaft beehren werden. Ihre Durchlauchtigste Hoheit die Herzogin hat ihm die Gnade erwiesen, ihn zum Oberhofmeister ihres Hofstaats zu ernennen.91 Die teure und unvergleichliche Fürstin fügt dieser Gunst noch den Wunsch hinzu, dass wir im Schloss wohnen.92 Dieser Punkt ist für mich der wichtigste, denn so bin ich nicht gezwungen, mich von Ihrer Durchlauchtigsten Hoheit zu trennen, der ich, wie Sie wissen, durch Zuneigung und alle Art von Pflicht so fest verbunden bin. Das einzige, was mir weder Ruhe noch Freude lässt, ist meine liebe Mutter, der ich kein Zuhause bieten kann, denn ich werde

88 89 90

91 92

den römisch-deutschen König und Kaiserkandidaten wählen. Damit werden die 1623 an den Herzog von Bayern verliehene achte und die 1692 an den Herzog von Braunschweig-Lüneburg (Hannover) verliehene neunte Kur als unrechtmäßig betrachtet. Vgl. Brief 14 und 15. Die Hochzeit zwischen Juliane Franziska von Neuenstein und Hermann Schack von Buchwald fand am 15. Juli 1739 statt und wurde bis zum 16. Juli gefeiert. Elisabeth Sophie von Brandenburg, Tochter Friedrich Wilhelms von Brandenburg, seit 1714 in dritter Ehe mit dem 1724 verstorbenen Vater Luise Dorotheas Ernst Ludwig I. von Sachsen-Meiningen verheiratet. Durch ihre erste Ehe war sie Herzogin von Kurland, durch die zweite Markgräfin von Brandenburg-Bayreuth. Nach mehrmonatigen Verhandlungen mit dem Hof von Sachsen-Weimar erfolgte die Ernennung zum Oberhofmeister am Gothaer Hof am 15. Juni 1739. Verheiratete Hofdamen bekamen in der Regel keine Wohnung im Schloss.

65

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

keins haben. Ich habe ihr jedoch andere Vorschläge gemacht. Ich wäre froh, wenn sie Sie dazu bei Ihrer Rückkehr nach Stuttgart konsultieren könnte. Wenn sie rechtzeitig über Ihre Ankunft informiert wäre, könnte sie vielleicht aus Göppingen kommen.93 Geben Sie ihr bitte Ihre weisen Ratschläge, ich beschwöre Sie im Namen all Ihrer Freundschaft zu uns. Und damit, mein lieber Landsmann, bin ich also an der Schwelle zu diesem schrecklichen Wort, das (491 r) über das gesamte Leben entscheidet. Beten Sie für mich zum lieben Gott und geben Sie mir gnädig Ihren Segen durch anhaltende Freundschaft, die für mich immer unendlich viel wert sein wird. Glauben Sie, dass ich mich glücklich schätzen werde, Sie davon sowie von der vollkommenen Achtung zu überzeugen, mit der ich die Ehre habe, Monsieur, Ihre untergebenste und gehorsamste Dienerin Neuenstein zu sein. Tornaco hat Stedten besucht und nicht versäumt, den Kontrolleur zu geben. Die Gebäude ähneln großen Kometen, in denen jeder das sieht, was er sehen will.94 Ich muss unbedingt noch in diesem Sommer hinfahren, um mit den wohlwollenden oder abfälligen Schwätzern mithalten zu können. In Bezug auf Stedten ist die Zahl der ersten sehr viel höher als die der anderen. (491 v) Ich schäme mich, Sie noch einmal zu belästigen und Sie, lieber Landsmann, zu bitten, mir bei der Rückkehr hierher dreizehn französische Ellen des Stoffes mitzubringen, den Sie der Kamecke geschickt hatten. Ich möchte statt auf gelbem Grund bunte Sträuße auf weißem oder braunem.95 Dieser Auftrag, mein teuerster Landsmann, der mir soeben eingefallen ist, darf Ihnen aber in keiner Weise zur Last fallen, sonst verzichte ich komplett darauf und beschwöre Sie, nicht mehr daran zu denken. Wie geht es denn dem armen Courcelle unter seinen rubinroten Trauben?96 Richten Sie ihm bitte meine Freundschaftsgrüße aus.

17. Gotha, den 21. Juli 1739 Monsieur, (493 r) Ihre Durchlauchtigste Hoheit war entzückt, in den zwei wohlbehalten angekommenen Kisten die reizendsten Dinge der Welt zu finden. Sie ist damit sehr zufrieden. Würde ich versuchen, all das wiederzugeben, was ich Ihnen, lieber Landsmann zu Ihrem guten 93 94 95 96

Vgl. Anm. 30. Kometen wurden vor ihrer wissenschaftlichen Erklärung zu Beginn der Neuzeit seit der Antike entweder als Wunderzeichen oder Vorboten von Unglück angesehen. Vgl. Anm. 70 und 73. Vgl. Anm. 81. Im Wappen von Courcelle-lès-Monbéliard befand sich ein roter Schrägbalken mit zwei goldene Barben (Wappen der Grafschaft Mömpelgard), links darüber ein grünes Waldstück, rechts unten eine rubinrote Traube mit Weinblatt; Verweis auf die Abgabe der Seigneurie an Frankreich.

66

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

Geschmack, Ihrer Aufmerksamkeit, Ihrer Güte sagen soll, entstünde ein falscher Eindruck. Ihre Durchlauchtigste Hoheit wäre glücklich, Ihnen ihre Wertschätzung und vollkommene Dankbarkeit zu beweisen. „Ein unvergleichlicher Mann, dieser Baron von Keller“, so wird gesagt. „Zu großen Dingen geboren, ist er sich auch für die kleinen nicht zu schade, um seinen Freunden Freude zu bereiten.“ Ich bekenne, dass die Ihnen erwiesene Gerechtigkeit (493 v) meiner Selbstliebe schmeichelt, die sich rühmt, in einem so teuren und liebenswürdigen Landsmann einen so würdigen Freund zu haben. Wann aber sehen wir uns wieder? Ich soll Sie im Namen Ihrer Durchlauchtigsten Hoheiten einladen, die lustige Schar der Hermites de bonne humeur zu mehren.97 Dieser Orden wurde vor kurzem in Friedrichswerth eingerichtet. Die Idee stammt von Ihrer Durchlauchtigsten Hoheit unserer lieben Fürstin. Sie ist Ordensobere und der Herzog Ordensältester. Alle anderen bilden die Schar der Brüder und Schwestern. Alle Ordensregeln haben das Ziel, Kummer zu vertreiben und nur Freude zu fühlen. Bis hin zur Kleidung ist alles so entworfen worden, dass es der Bequemlichkeit und damit dem Vergnügen der Eremiten dient. Das Losungswort ist Es lebe die Freude.98 Diese Philosophie sollte meiner Meinung nach jeder vernünftige Mensch aufs Sorgfältigste studieren. Sie auszuüben ist so angenehm, (494 r) dass dies allen Wesen natürlich sein sollte. Es ist nur deshalb so schwierig, weil man vergisst, die gute Seite all des vom Schicksal uns Zugedachten zu sehen. Alles hienieden hat zwei Seiten und das Wichtigste ist, nicht nur die erfreulichere oder, je nach Fall, die uns am erträglichsten erscheinende Seite zu schätzen. Sie sind es, lieber Landsmann, durch dessen Beispiel wir auf den Geschmack gekommen sind, Eremiten zu werden und ich hoffe, dass Sie im Gegenzug nicht ablehnen werden, unserem Orden beizutreten.99 Ihre teure Gegenwart wird vor allem mich dazu bewegen, dessen Pflichten würdig zu erfüllen. In meiner Schwester, welche in dieser Woche als Hofdame bei Ihrer Durchlauchtigsten Hoheit den Platz ausfüllt, den ich vor meiner Hochzeit hatte, werden Sie hier noch eine weitere Freundin finden.100 Es gab allerhand Getöse, sie vom Eisenacher Hof abzuziehen, aber nun ist sie, mehr schlecht als recht, so gut wie entlassen. Am meisten liegt mir zurzeit meine liebe Mutter am Herzen. Ich flehe Sie nochmals an, (494 v) lieber Landsmann, ihr mit weisen Ratschlägen zur Seite zu stehen. Buchwald entbietet Ihnen seinen Gehorsam und möchte Sie dringend kennenlernen, um der schon vorhandenen Wertschätzung Ihres würdigen Charakters auch Freundschaft hinzuzufügen. Ich meinerseits liebe diesen Charakter von ganzem Herzen und denke, dass keiner meiner Angehörigen diesem begründeten Gefühl Paroli bieten kann. Damit und dadurch wünsche ich, Monsieur, ein Leben lang Ihre ergebenste und gehorsamste Dienerin Buchwald, Geborene Neuenstein zu sein.

97 98 99 100

(Frz.) ‚Orden der fröhlichen Einsiedler‘ (vgl. Einleitung, S. 20–23). Der Sommeraufenthalt in Friedrichswerth begann offiziell erst am 25. Juli 1739 und dauerte bis 26. August 1739. In der Handschrift auf Deutsch und unterstrichen. Vgl. Einleitung, S. 20. Eberhardine von Neuenstein trat ihren Dienst am 5. Juli 1739 an und wurde am 13. Juli 1739 zur Hofdame ernannt.

67

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

Ich lasse die 308 Fl.[orins] gleich an Herrn Benjamin Metzler in Frankfurt überweisen, damit Sie sie in Paris über die Kornmanns aus Straßburg erhalten.101 Ich bitte Sie gütigst, mir dann zu mitzuteilen, ob Sie das Geld wie vorgesehen erhalten haben. Unser Cammremeister102 Helwig wurde damit beauftragt. Meine Gefährtinnen entbieten Ihren Gehorsam und ich bitte Sie, unserem armen Freund Courcelle meine Komplimente zu übermitteln.103

18. [o. O., o. D.104] Monsieur, (599 r) so sind Sie also endlich ins Vaterland zurückgekehrt. Ich gratuliere Ihnen dazu von ganzem Herzen, mein lieber Landsmann, und mir auch. Denn Sie wenigstens fünfzig Meilen näher zu wissen, entzückt mich. Der Wunsch, Sie nach so langer Abwesenheit wiederzusehen, ist noch immer ein schmeichelhaftes Ziel. Könnte ich Ihnen, lieber Landsmann doch all meine Dankbarkeit für Ihre unablässige Güte bekunden, derer Sie mich soeben in Ihrem letzten Brief mit Blick auf (599 v) meine Mutter erneut versichert haben. Die weisen Ratschläge, die sie von einem Freund wie Ihnen bekommen kann, beruhigen meinen Geist und ich füge diesen Dank all dem schon vorhandenen hinzu. Dazu gehört übrigens auch der für Ihre Mühe mit dem Auftrag wegen der Silberspitzen und vor allem der für ein weiteres Paket, das sich in der gleichen Kiste an meine Adresse befand.105 Es war mit Dingen gefüllt, deren Gebrauch mir so fremd ist, dass ich nie auch nur daran gedacht hätte, Sie um deren Besorgung für mich zu bitten. Der Wert dieser so freundlichen Aufmerksamkeit ist mir völlig bewusst. Es fällt mir schwer, mich richtig auszudrücken, aber das ist ein Fehler, den man Ihnen gegenüber oft Gefahr läuft und der Ihrer Art von Freundschaft geschuldet ist. (600 r) Ihre Durchlauchtigste Hoheit die Herzogin befiehlt mir, Ihnen tausend Komplimente zu übermitteln und versichert, dass sie von den hübschen Dingen, die 101

102 103 104

105

Die letzte Stelle der Zahl 308 wurde mehrfach korrigiert. Die mittelalterliche Goldmünze Florin stammt aus Florenz und entsprach dem Goldgulden. Nach heutiger Berechnung wäre die angegebene Summe ca. 30 000 Euro. Die genannten Bankiersadressen sind die von Johann Jeremias Metzler, der das international agierende Handelshaus, das sein Vater, ein aus Sachsen stammender Tuchhändler, in Frankfurt am Main gegründet hatte, führte. Es gehörte zu den bevorzugten Handelshäusern deutscher Fürsten. Das Bankhaus Kornmann war eines der kleineren hugenottischen Bankhäuser in Straßburg, das später nach Paris expandierte. Im Original auf Deutsch. Vgl. Anm. 93 und 96. Vermutlich Gotha, vermutlich nach dem 21. Juli 1739. Die Datierung ergibt sich trotz abweichender Paginierung aus dem Hinweis auf die eingangs erwähnte, allerdings nur kurze Rückkehr Kellers nach Württemberg (vgl. Brief 19). Vgl. Brief 14 und 15. Die im folgenden Absatz erwähnte Reichswährung gab es erst ab 1871.

68

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

Sie geschickt haben, entzückt ist. Alles ist von gutem Geschmack und gut gewählt. Ihre Durchlauchtigste Hoheit ist so zufrieden, dass sie nur noch eine Gelegenheit sucht, Ihnen für die gehabte Mühe zu danken sowie die, Sie bald hier sehen zu können, um Ihnen den Dank persönlich auszusprechen. Die Sorge, die Post zu verpassen, hindert mich daran, Ihnen noch mehr zu sagen. Mein lieber Gatte entbietet Ihnen seinen Gehorsam und nichts ist so stark wie sein Bedürfnis, Sie kennenzulernen. Es gleicht meinem Wunsch zu erfahren, ob Sie der Versuchung widerstanden haben, ein weiteres Mal ans andere Ende der Welt geschickt zu werden. Unsere Damen senden Ihnen tausend Komplimente und ich bin mit den Gefühlen aufrichtigster Hochachtung und Freundschaft, Monsieur und lieber Landsmann, Ihre ergebenste und gehorsamste Dienerin Buchwald. (600 v) P.S. Ich muss Ihnen, lieber Landsmann, noch sagen, dass Ihre Hoheit die Herzogin die Rechnung über all Ihre gütig ausgeführten Aufträge ungeduldig erwartet. Sie möchte sie schnellstmöglich erhalten. Für mich erbitte ich inständig die gleiche Gunst und zugleich einen Hinweis darauf, worauf beide Rechnungen in Reichswährung hinauslaufen. Außerdem würden Sie Ihrer Durchlauchtigsten Hoheit eine Freude machen, sich unter der Hand bei einigen Damen in Stuttgart zu informieren, ob ein gewisser Domestik, der Frau von Röder als Schneider dient, so exzellent ist, wie hier gesagt wird.106 Der Schneider Ihrer Durchlauchtigsten Hoheit ist tot und man möchte den von Frau von Röder nicht anfordern, ohne seine Eignung annähernd zu kennen. Vielleicht könnten Sie uns auch mit Hilfe einiger Damen Ihrer Bekanntschaft jemand Geeigneten aus Straßburg oder Paris verschaffen? Das sind die Folgen von Güte und Dank – man wird jede Minute belästigt. Ich bitte gnädigst um Pardon sowohl wegen der Zumutung als auch wegen der Entschuldigung.

19. Gotha, den 2. Januar 1740107 Monsieur, (495 r) Sie wollen keine Komplimente zum neuen Jahr, ich weiß, mein lieber Landsmann. Weder aus diesem noch aus einem anderen Anlass werden Sie von mir etwas anderes als Gefühle bekommen, insbesondere die einer höchst aufrichtigen Freundschaft. Sie lässt mich sowohl Ihre Zufriedenheit als auch Ihr Glück vom 1. Januar bis zum 31. Dezember wünschen. In dieser Hinsicht habe ich Ihnen nichts Neues zu schenken. Auch wenn alles hienieden so wie die Jahre wechselt, werden meine Seele, mithin meine Achtung Ihnen 106

107

Albertine von Rau von und zu Holzhausen war die zweite Gattin des württembergischen Erb-Oberstallmeisters Heinrich Reinhard Freiherr Röder von Schwende aus dem evangelischen Zweig der badischen Röder-Diersburg aus der Ortenau. Röder war häufiger Gast auf dem Friedenstein und an zahlreichen Finanztransaktionen Gothas beteiligt. Anstelle der Jahreszahl 1740 stand zunächst 1739.

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

69

gegenüber, meine Dankbarkeit für all Ihre Güte und meine Bewunderung Ihres würdigen Charakters doch immer gleichbleiben. Aus eben diesen Gründen fürchte ich auch von Ihrer Seite keinerlei Veränderung, es sei denn wegen irgendwelcher wahrhaftigeren Freunde als ich es bin. Aber ich wette, dass Sie im Verlauf eines ganzen Jahrhunderts keine solchen finden werden und kann dazu aus dem Cid zitieren: „Erscheint Navarrer, Mauren, Kastilianer!“108 Ich habe Ihnen, lieber Landsmann (495 v), in meinem letzten Brief für den reizenden Stoff gedankt, den Sie mir gütigst für eine Adrienne schickten, Sie gebeten, mir den Preis zu nennen und ob ich Ihnen das Geld in Paris oder in Stedten zukommen lassen soll – in letztem Fall, durch wen Ihrer Leute.109 Darauf habe ich keine Antwort bekommen. Ich hätte nicht versäumt, mich dieser kleinen Schuld gewiss zu entledigen, wenn nicht alle, die diesen Stoff sahen, ihn so wie ich selbst für zu schön hielten, als glauben zu können, dass er den gleichen Preis wie die an Fräulein von Erffa und von Kamecke geschickten Stoffe haben sollte.110 Schreiben Sie die Verzögerung also meiner diesbezüglichen Unwissenheit zu, lieber Landsmann, derer ich mich wahrlich schäme. Und da ich mich nicht gern schäme, bitte ich Sie gnädig darum, mir bald die nötige Aufklärung und Ihre Anweisungen wegen eines der beiden Orte zu geben. Ich konnte Ihnen seitdem nicht schreiben, weil uns hier vor allem der fünfwöchige Aufenthalt Ihrer Königlichen Hoheit von Meiningen111 und des russischen Botschafters112 keine freie Zeit ließ. Zudem hatte vor deren Abreise (496 r) mein armer Gatte einen fiebrigen Katarrh, der ihn sechs Wochen ins Bett zwang und ihn noch jetzt im Zimmer hält. Dies sind, lieber Landsmann, die wahren Gründe für mein Schweigen. Wir werden sehen, ob Sie den Mut haben, mir böse zu sein, oder das Herz, mich zu bedauern. Und Sie? Wie laufen die Geschäfte? Was wird aus Ihren BastardFürstentümern?113 Halten die Sie ewig fest? Mein Gott, wie verwünsche ich sie wegen all des Gebarens und all der Reiserei, zu der Sie ihretwegen verpflichtet sind! Immerhin, so gebe ich zu, ist Reisen Ihre Sache. Heute sind Sie mit einem Bein in einem Postwagen von Paris nach Stuttgart. Tags darauf setzten Sie beide Beine in Stuttgart in einen anderen Wagen, um nach Paris zurückzueilen. Möge es dem Himmel bald gefallen, Sie von Kopf bis Fuß in eine gute Kutsche zu setzen, damit Sie zurück zu Ihren Freunden, Ihren Bäumen, Ihren Kühen und Ihrem Hausrat zurückkommen. Ihr Nachbar114 hat mich benachrichtigt, dass letzterer in Stedten angekommen sei. Zugleich machte er eine Art Aprilscherz und sagte, dass (496 v) dies Möbel seien, die Ihre Rückkehr in diesem Monat ankündigten. Die Zeit hat das allerdings zu meinem großen Bedauern und dem meines lieben Gatten nicht 108

109 110 111

112 113 114

Pierre CORNEILLE, „Le Cid“ (um 1635), V. Akt, 2. Szene. Die Hauptfigur Don Rodrigo fühlt sich nach dem Liebesgeständnis der Chimène bereit, die vereinten Feinde der Spanischen Krone besiegen zu können. Ein solcher Brief ist nicht nachweisbar. Vgl. Brief 14. Elisabeth Sophie von Brandenburg Herzogin-Witwe von Sachsen-Meiningen (vgl. Anm. 90) kam am 11. September 1739 mit einem Gefolge von 17 Personen als Gast an den Gothaer Hof und blieb bis zum 30. September 1739. Am 24. November kehrte sie nochmals zurück. Russischer Gesandter am Dresdner Hof war von 1733 bis 1745 der deutsch-baltische Diplomat Hermann Karl von Keyserling. Er weilte am 24 Oktober 1739 auf dem Friedenstein. Vgl. Einleitung, S. 14. Gustav Adolf Graf von Gotter, vgl. Anm. 34.

70

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

bestätigt. Er wünscht den Augenblick Ihrer Rückkehr sehr herbei, um Ihre Bekanntschaft zu machen und bittet Sie unterdessen, eine Million Komplimente anzunehmen. Ihre Durchlauchtigsten Hoheiten befehlen mir, Sie ihrer Freundschaft zu versichern und ich bitte Sie, mir bald die Fortsetzung der Ihren zu versichern. Nicht, dass ich daran zweifele, aber es ist etwas, was von Seiten eines Freundes wie Ihnen immer wieder Freude macht. Ich bin mit aller Wertschätzung und Hochachtung, Monsieur mein lieber Landsmann, Ihre ergebenste und gehorsamste Dienerin Buchwald, Geborene N.[euenstein]. Alle unsere Damen übermitteln Ihnen tausend Komplimente.

20. Gotha, den 2. April 1740 Monsieur, (497 r) mit lebhaftem und natürlichem Eifer, der zu aufrichtiger Freundschaft gehört, nutze ich alle sich bietenden Gelegenheiten Ihnen, lieber Landsmann, zu zeigen, wie sehr mich alles Sie Betreffende interessiert. Und Ihre glückliche Rückkehr nach Stuttgart, von der ich soeben erfahren habe, ist gewiss eine der angenehmsten Nachrichten, die ich bekommen konnte. Ich will Ihnen trotz großer Eile umgehend versichern, wie sehr ich mich darauf freue, Sie bald wiederzusehen. Mein lieber Gatte, der Ihnen seinen Gehorsam entbietet, wartet wirklich ungeduldig auf diesen Moment und Ihre Hoheiten befehlen mir, Ihnen viele Komplimente zu übermitteln. Ich nehme mir nochmals die Freiheit, Ihnen die Interessen (497 v) meiner teuren Mutter nahezulegen. Vielleicht können für sie bei den Vorkehrungen für Prinzessin Luise noch einige Vorteile erzielt werden. Man hat mir versichert, dass der preußische Rat, mit dem alles geregelt wird, noch da sei.115 Sie haben uns schon so oft Beweise Ihrer teuren und treuen Freundschaft gegeben, lieber Landsmann, woraus ich ein gewisses Recht ableite, weitere zu bekommen. Könnte ich Sie meinerseits nur überzeugen, wie sehr ich von Dankbarkeit und Wertschätzung durchdrungen bin, mit denen ich, Monsieur, Ihre ergebenste und gehorsamste Dienerin Buchwald bin. In diesem Moment erfahre ich, dass Herr Meyer, der Ihnen meinen Brief übergeben sollte, schon abgefahren ist. Ich schicke ihn also per Post116.

115

116

Vgl. Einleitung, S. 13 f. Die Erbschaftsverhandlungen führte im Auftrag Friedrich Wilhelms I. von Preußen Erich Christoph Baron von Plotho, seit September 1739 Geheimer Justiz- und Oberappellationsgerichtsrat. Vermutlich der Sekretär und Erste Bibliothekar am Gothaer Hof Johann Philipp Meyer. Auf dem gesiegelten Umschlag (Bl. 498 v) steht als Adresse „A Monsieur / Monsieur Le Baron de / Keller. Ministre d’Etat intime / de la Sem: Maison ducale de / Würtemberg / fr[ankiert]: Nürnberg@ & Stutgardt“.

71

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

21. [o. O., o. D.117] (594 r) Als Ihr Brief ankam, war ich mit Ihren Durchlauchtigsten Hoheiten spazieren. So wurde er mir erst nach der Rückkehr ausgehändigt, weshalb der Bote ohne meine Schuld lange warten musste. Nun fürchte ich, lieber Landsmann, ihn durch diese Kritzelei noch länger aufzuhalten, will ihn aber nicht abgehen lassen, ohne Ihnen zu sagen, wie sehr mich das von Ihnen erwähnte Missverständnis berührt118. Anders kann ich es nicht bezeichnen, da ich die aufrichtige Achtung Ihrer Durchlauchtigsten Hoheiten für Sie und Ihr Verdienst kenne. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Privatpersonen Ihnen gegenüber so schlecht handeln können, nur um Sie zu schikanieren und dadurch sowohl die Gerechtigkeit als auch die Gefühle Ihrer Durchlauchtigsten Hoheiten zu beleidigen. Sie können ganz sicher sein, dass sie sich sehr genau darüber informieren werden, was zu einem solchen Verhalten Anlass gegeben hat, um dem abzuhelfen und auch in Zukunft zu vermeiden, dass Sie Ihre Niederlassung in den Staaten eines Fürsten, der Sie wirklich schätzt, bedauern könnten. Ihre Durchlauchtigste Hoheit die Herzogin befiehlt mir ausdrücklich zu sagen, dass sie selbst ausführlich mit Herrn von Nitzschwitz sprechen und Ihre Angelegenheit unterstützen wird.119 Ich glaube, dass sie keinen würdigeren und besseren Anwalt haben können. Sie macht Ihnen zudem tausend Komplimente. Ich, (595 r) lieber Landsmann, bekenne, dass mich diese Unannehmlichkeit sehr bedrückt. Wie können Sie denken, dass meine Freundschaft durch das, was Sie berührt, nicht bewegt würde? Für tausend andere könnte sie mehr als tot sein, doch für Sie ist sie weiterhin sehr empfindsam und lebendig. Mein guter Gatte bittet Sie, gleicher Gefühle seinerseits sicher zu sein und entbietet seinen ergebensten Gehorsam. Wir wünschen aufrichtig, lieber Landsmann, Ihre glückliche Rückkehr und ich verbleibe von ganzem Herzen, lieber Landsmann als Ihre ergebenste und gehorsamste Dienerin Buchwald, Geborene N.[euenstein].

22. Gotha, den 2. Juli 1740 Monsieur, (499 r) obwohl ich Ihre Briefe stets mit Vergnügen erhalte, bekenne ich mit mehr Aufrichtigkeit als Höflichkeit, dass der mir gerade übergebene fast zum Spielverderber wurde. 117

118 119

Vermutlich Gotha, vermutlich vor dem 2. Juli 1740. Diese Datierung erfolgt trotz abweichender Paginierung aufgrund von Brief 22, wonach Keller am 1. Juli 1740 in Stedten ankam. Auf dem zum Umschlag gefalteten und gesiegelten Brief steht (Bl. 595 v) „A Monsieur / Monsieur Le Baron / de Keller. / @ Stedten“. Die von Keller geplante Kirche in Stedten (vgl. Einleitung, S. 24 f.). Gottfried Heinrich von Nitzschwitz war Mitglied des Geheimen Ratskollegium und Kanzler in Gotha.

72

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

Baron von Gotter hatte mir Ihre glückliche Ankunft gestern mitgeteilt und fest zugesichert, dass wir heute das Glück hätten, Sie persönlich zu treffen120. Glauben Sie, mein lieber Landsmann, dass es leicht ist, sich mit weniger zu begnügen, wenn man auf eine solche Genugtuung wartet? Kommen Sie also schnell. Alle hier wünschen Sie herbei und erwarten Sie ungeduldig. Ihre Durchlauchtigsten Hoheiten befehlen mir, Ihnen zuzusichern, dass Ihre teure Gegenwart sie sehr freuen wird. Buchwald wartet darauf wie auf ein Gut, das er seit langem eifrig zu erwerben sucht. Für mich ist dieses Gefühl (499 v) so natürlich und Sie sollten davon so fest überzeugt sein, dass ich glaube, es wäre affektiert, dessen Zusicherung in Gestalt von Komplimenten zu wiederholen. Ich schreibe diese wenigen Zeilen in großer Eile und werde mich mündlich ausführlicher zu allen Verpflichtungen, die ich Ihnen schulde, und zur aufrichtigen Verbundenheit äußern, mit der ich, Monsieur, mein gesamtes Leben lang vollkommen Ihre untertänigste und gehorsamste Dienerin Buchwald sein werde. Mein lieber Gatte und meine Schwester entbieten ihren Gehorsam. Ihre Durchlauchtigste Hoheit erwartet eine Aufstellung dessen, was sie schuldet und ich erwarte die meine. Ich bitte Sie inständig, lieber Landsmann, dies nicht zu vergessen.

23. Gotha, den 24. Oktober [o. J.], um 10 Uhr morgens121 (596 r) Monsieur, ich lebe noch, lieber Landsmann und trotzdem werde ich Sie nicht sehen. So ist es also, wenn der Mensch denkt und das Wetter lenkt. Der Regen, der sich zum Nebel gesellt, hat die Wege so aufgeweicht, dass man uns versichert, fünfeinhalb Stunden für den Hin- und genauso viel für den Rückweg zu brauchen. Was würde uns also an Zeit bei Ihnen bleiben, lieber Landsmann – zur Not zwei Stunden und außerdem das Risiko, mein kleines Murmeltier und die Kinder der Kanzlerin zu Waisen zu machen.122 Deren Gatte ist zurzeit bei uns und nachdem wir gemeinsam unser Vorgehen beratschlagt haben, wurde beschlossen, die120

121

122

Keller war erst am 10. Juli 1740 Gast an der fürstlichen Mittagstafel auf dem Friedenstein. Er wurde mit zeremoniellen Ehren von einem fürstlichen Lakaien abgeholt. Auf dem zum Umschlag gefalteten und mit einem Siegel versehenen Brief steht Bl. 500 v die Adresse „A Monsieur / Monsieur Le Baron de / Keller. / @ Stedten“. Vermutlich 24. Oktober 1740, denn die erwähnte Tochter Luise von Buchwald war am 5. August 1740 geboren worden. Der Brief ist eine Reaktion auf den Tod Kaiser Karls VI. am 20. Oktober 1740, mit dem laut Goldener Bulle ein dreimonatiges Interregnum unter dem Erzkanzler des Reichs, dem Mainzer Kurfürsten Philipp Karl von Eltz beginnen sollte. Angesichts der im Reich und Europa schwelenden Konflikte dauerte es letztlich zwei Jahre, bevor ein neuer Kaiser gekrönt wurde. Christiane Charlotte von Oppel, geb. von Planitz. Der Jurist Siegmund Ehrenfried von Oppel war seit 1736 Geheimer Rat und Kanzler in Gotha, später in Altenburg, ab 1742 Kammerpräsident und Obersteuerdirektor beider Fürstentümer Sachsen-Gotha und Sachsen-Altenburg.

73

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

ses Füllhorn des Unglücks schnellstens abzusenden (596 v) und Sie alle viertausend Mal ergebenst um Entschuldigung zu bitten. Ich wurde damit beauftragt, dies zu übermitteln, was ich hiermit tue. Mein Herz ist so schwer, dass ich nichts weiter sagen kann. Rechts und links wird nach mir gerufen. Sprechen Sie mein Bedauern, drücken Sie die bestehende Unmöglichkeit aus. Ich bin so wütend, dass ich ihnen einfach nicht antworte. Adieu, lieber Landsmann. Mein Schweigen beweist, dass mein Schmerz stumm, und riesig ist.123 Mein Herz ist umso betrübter, da voller Achtung und Freundschaft für Sie, Monsieur. Ihre ergebenste und gehorsamste Dienerin Buchwald.

24. [o. O., o. D.124] Monsieur, (592 r) ich war, lieber Landsmann, sehr wütend auf Sie, was das Bedürfnis, Ihnen ein kleines Freundschaftszeichen zu geben, bremst, hingegen nicht das, Ihnen zu schreiben, zumal ich Sie von meinem Gatten in den Himmel heben höre, der Ihnen gerade schreibt. Mir ist klar, dass die Gewohnheit, Ihnen Gutes zu wünschen, zu meiner zweiten Natur geworden ist. Davon kann ich mich nicht in dem Tempo befreien, mit dem es Ihnen gelingt, mich anzugreifen. Wenn Sie etwas von mir halten, vertrauen Sie jedoch nicht darauf und (592 v) erscheinen Sie hier nicht noch einmal wie ein Blitz, ohne mich zu treffen.125 Ich bin nach meinen Freunden süchtig und ertrage es nicht, dass man mir ein solches Wohl vorenthält, denn ich kenne dessen Wert. Mein Gatte schreit, ich solle Schluss machen. Er will seinen Brief schließen. Adieu also, mein lieber Landsmann. Noch ein Wort: Mein Gatte sagt mir, dass er Ihnen vom Hosenbandorden nichts erzählt habe und dies mir überlasse.126 Sie sollen also wissen, dass wir hier durch die Ernennung Seiner Durchlaucht des Herzogs zum Ritter dieses Ordens im famosen Doppelsinn des Honni soit qui mal y pense! glänzen werden.127 (593 v) Um nicht mit dem Hosenband zu schließen, will ich Ihnen noch sagen, dass wir in der vergangenen Woche den berühmten Monsieur de Maupertuis getroffen 123 124 125 126

127

Verweis auf die offiziell neutrale Position Sachsen-Gotha-Altenburgs. Vermutlich Gotha, vermutlich um den 13. Juni 1741. Die Datierung ergibt sich trotz abweichender Paginierung aus Anm. 128. Im Fourierbuch des Hofs sind am 4. April und am 20. Juni 1741 Besuche Kellers verzeichnet. Zur Blitzmetapher vgl. Einleitung, S. 14 f. Friedrich III. bekam das Band und den Orden am 23. Juli 1741 durch den englischen Gesandten Thomas de Villiers 1. Earl of Clarendon überreicht, der mit dem Herold Antis am 22. Juli 1741 auf Schloss Friedenstein ankam. Am 24. Juli fand die Zeremonie entsprechend der der Windsor-Kapelle statt. Der Herzog wurde dadurch 561. Ritter des im Jahr 1348 gestifteten englischen Ordens. De Villiers war 1740–1747 englischer Gesandter in Litauen und Kursachsen sowie 1742–1743 Gesandter in Wien. (Frz.) ‚Beschämt sei, der Böses dabei denkt!‘ Devise des 1348 gestifteten englischen Hosenbandordens. Ursprung und Bedeutung der Devise sind unklar. Neben dem Verweis auf einen galanten Ursprung wird sie gebraucht, um auf verdeckte Motive hinter einer unverdächtigen Handlung anzuspielen.

74

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

haben.128 Ich hätte große Lust, Ihnen vom Polarkreis, von unserem Globus als Käse und anderen schönen Dingen zu erzählen,129 aber mein Gatte sagt plötzlich, ich sei verrückt. Ich antworte, dass der Schein trüge und ich mindestens genauso weise wie er sei, wenn es um die Hochachtung und Freundschaft geht, die wir beide für Sie empfinden und mit denen, lieber Landsmann, ich leben und so spät als möglich sterben will, Ihre ergebenste und gehorsamste Dienerin Buchwald.

25. Gotha, den 13. Juli 1741 Monsieur, (501 r) ich bin entzückt, von Ihrer glücklichen Rückkehr nach Stedten zu erfahren. Trotz all meiner Bitten und Drohungen geruhten Sie nicht, uns das Vergnügen zu verschaffen, Sie hier auch nur einen Moment zu sehen und ich bekenne, mit meiner gesamten Phantasie daran zu arbeiten, Ihnen für dieses Vorgehen all das ihm gebührende Schlechte zu wünschen. Wir werden sehen, mein lieber Landsmann, ob dieses Nachdenken meine ebenso starke Gewohnheit, Ihnen Gutes zu wünschen, besiegt. Wenn es gelingt, werde ich die andere überwinden. Sie aber haben viele andere Dinge im Kopf! Wer um das Reich bangt, hat keine weiteren (501 v) Ängste mehr.130 Sie waren zweifelsohne ein zu guter Prophet. Ich, die bisher beim Gedanken an diesen großen und schrecklichen Umbruch gezittert hat, beginne mich nach und nach an die Vorstellung zu gewöhnen. Sie erscheint mir nicht mehr ganz so beängstigend. Ich glaube, dass alles hienieden vergeht und versinkt, wenn der fatale Moment gekommen ist. Reiche brechen zusammen wie Kartenhäuser, die von Kindern auf einem Tisch errichtet wurden. Bereiten wir uns darauf vor, beide Schicksale mit gleichmütiger Seele anzusehen. Schlussendlich werden wir bei guter Gesundheit unter den Auspizien von Petrus wie unter denen von Johannes mit gleichem Appetit essen und trinken.131 Auf diese Weise versuche ich, lieber Landsmann, die Philosophie (502 r), welche uns 128

129

130

131

Der von Friedrich II. von Preußen zum Präsidenten der Preußischen Akademie der Wissenschaften ernannte Mathematiker und Philosoph Pierre de Maupertuis war am 6. Juni 1741 bei seiner Rückkehr aus Berlin nach Paris, begleitet von Ulrich von Thun, auf dem Friedenstein Gast. Maupertuis leitete 1736/1737 eine Expedition nach Lappland um festzustellen, ob die Pole flach oder rund seien. Sein publiziertes Forschungsergebnis, dass die Erde durch flache Pole wie ein Holländischer Käse aussehe, wurde als Verstoß gegen die Idee einer vollkommeneren, runden Erde betrachtet. Nachdem sowohl Kursachsen als auch die Wittelsbacher Anspruch auf die Kaiserkrone erhoben hatten, ging Karl Albrecht Kurfürst von Bayern auf der Basis des am 28. Mai 1741 geschlossenen Nymphenburger Vertrags in die Offensive. Nachdem sich Maria Theresia im Sommer 1741 zur Königin von Ungarn hatte deklarieren lassen, erklärte er sich am 19. Dezember 1741 zum König von Böhmen, wodurch sich seine Chancen, Kaiser zu werden, erhöhten. Im Kontext der Wahl des römisch-deutschen Königs Anspielung auf das Große Schisma der christlichen Kirche, das die christliche Welt in eine West- (römisch-katholisch) und eine Ostkirche (christlich-orthodox) spaltete.

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

75

durch geistige Zufriedenheit zum Glück führen soll, in die Praxis umsetzen.132 Regen Sie sich darüber nicht auf, ich bitte Sie. Es ist besser, die Notwendigkeit, der wir uns früher oder später unterwerfen müssen, freiwillig anzuerkennen. Ich bin völlig sicher, dass das Vorhaben des Barons von Forstner auf keinerlei Hindernis von Seiten des Hofs stoßen wird.133 Man ist sogar bereit, dem Gut Molsdorf alle von Ihnen erwähnten Veränderungen zu gewähren, die einen Verkauf erleichtern könnten. Ich persönlich bin allerdings noch immer der Ansicht, dass unser Freund mit Blick auf zukünftige Ereignisse besser daran täte, seinen Landsitz nicht abzustoßen. Aber gut, wenn er es absolut will, wird man ihn nicht daran hindern können. Ich habe das kleine Jagdgebiet erwähnt, von dem Sie sprachen, und man hat mir versichert, entzückt über die Gelegenheit zu sein, Ihnen damit eine kleine Freude zu bereiten. Das hänge jedoch vor allem vom Grafen von Gotter (502 v) oder dem Käufer seines Landsitzes ab. Hätte ihn der Hof erworben, wäre die Sache bald erledigt. Falls es wegen des Jagdgebiets etwas einzuleiten gilt, signalisieren Sie mir das bitte rechtzeitig, damit ich in Ihrem Sinne die nötigen Schritte unternehmen kann. Ich wäre über die Gelegenheit zu glücklich, mein teuerster Landsmann, Sie wenigstens von meinem Bedürfnis und meinem Eifer, Ihnen zu dienen, zu überzeugen. Mein lieber Gatte übermittelt Ihnen ebenso wie meine Schwester ergebenste Komplimente und alle Briefe unserer guten Mutter sind voller Hochachtung und Freundschaftsversicherungen für den teuersten und würdigsten unserer Freunde. Das ist die Eigenschaft, derentwegen unsere ganze Familie Sie verehrt und liebt. Ihre Durchlauchtigsten Hoheiten übermitteln Ihnen tausend Komplimente und lassen Ihnen wie immer Gerechtigkeit widerfahren. Sie wünschen, dass Sie ihnen bald die Freude eines Wiedersehens verschaffen.134 Seit zwei Tagen ist hier eine Dame zu Gast, die ungefähr so wie wir über Sie denkt. Es ist Fräulein Schmettau, die Sie in Berlin getroffen haben, die Schwester der Frau von Franckenberg.135 Sie hat Ischiasschmerzen, weshalb sie sich nicht bewegen kann. Sie ist eine junge Frau von Geist und Verdienst. Mir ist eine Idee gekommen, die mir Spaß macht. Dreimal dürfen Sie raten.136 Ich bin lebenslang, lieber Landsmann, Ihre ergebenste und gehorsamste Dienerin Buchwald. Man sagt, dass Herr von Hardenberg den Vorschlag, der ihm gemacht wurde, keinesfalls akzeptieren will.137

132 133

134 135

136 137

Vgl. Einleitung, S. 13–16. Vermutlich der Stuttgarter Kammerpräsident Wolfgang Reinhard Forstner von Dambenoi, an welchen Graf von Gotter angesichts seines Wiedereintritts in preußische Dienste Schloss Molsdorf verkaufen wollte. Beide weilten am 10. August 1741 auf dem Friedenstein. Keller war am 17. und am 20. Juli 1741 Gast auf dem Friedenstein. Entweder Anna Katharina oder Gabriele Maria von Schmettau. Deren Schwester Luise Henriette war mit dem königlich-schwedischen und hessen-kasselschen Geheimen Rat und Oberamtmann zu Schmalkalden Sylvius Eberhard Freiherr von Franckenberg verheiratet. Er weilte am 12. Juli 1741 in Begleitung seiner Nichte auf dem Friedenstein. Anspielung auf eine mögliche Verbindung zwischen Keller und einer der Schwestern Schmettau als Chiffre für ein Bündnis zwischen Sachsen-Gotha-Altenburg und Preußen. Vgl. Anm. 74. Hardenberg bekam ein Angebot, wieder in württembergische Dienste zu treten.

76

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

26. Gotha, den 18. August 1741 Monsieur, (503 r) ich danke Ihnen tausend Mal für Ihre Aufmerksamkeit, lieber Landsmann, und zweifle weder an der Wirksamkeit Ihres Rezepts noch an Ihrem gütigen Interesse an meiner Gesundheit. Ich urteile darüber selbst und das so, als wären Sie an meiner Stelle. Das beweist meine vom Himmel verliehene Fähigkeit, mir eine genaue Vorstellung von wahrer Freundschaft zu bilden. Sie stellen dies in Ihrem Brief allerdings in Frage, was mich, in Klammern gesagt, etwas verstimmt hat. Aber ob es Ihnen gefällt oder nicht, ich bin in puncto Freundschaft das, was Rodrigues im Cid in puncto Mut ist.138 Ich überlasse dies weder Vater noch Mutter, und falls Sie krank wären, würde ich mich nicht (503 v) mit Wünschen zur Entdeckung eines Heilmittels gegen die Leiden des Heiligen Reichs aufhalten, sondern sagen, hoch leben mein Freund und ich. Mag das Reich zugrunde gehen, wenn das Schicksal es will!139 Ich will Ihnen, lieber Landsmann, aus der Römischen Gesinnung,140 die Ihre Seele regiert, kein Verbrechen machen, sondern Sie nur wissen lassen, dass ich eher Freundin als Heldin bin. Herr von Hardenberg schrieb mir am 14. des Monats einen sehr verbindlichen Brief über seine wieder aufgenommenen Engagements und fügte hinzu, dass er sich wegen der großen Eile, mit der man seine unverzügliche Ankunft in Stuttgart verlangte, nicht persönlich verabschieden konnte. Zur Galeerenarbeit zurückzukehren scheint ihn so vollständig zu befriedigen, wie er entzückt zu sein schien, damit aufzuhören.141 So ist der Mensch eben! Er wechselt von Weiß zu Schwarz und verurteilt morgens die Empfindungen vom Vorabend.142 Und doch fehlt es einem solchen Menschen weder an Herz noch Verstand, und Boileau hatte wahrlich nicht (504 r) ganz unrecht, diese Sentenz auf uns alle zu münzen. Der Unterschied liegt nur im Mehr oder Weniger. Ich meinerseits schwöre nichts, Monsieur, als immer Ihre treue Freundin sowie Ihre ergebenste und gehorsamste Dienerin Buchwald zu sein. Ihre Durchlauchtigsten Hoheiten senden Ihnen tausend Freundschaftsversicherungen. Mein lieber Gatte und meine Schwester entbieten ihren Gehorsam. Falls Sie die besagte 138 139

140

141 142

Vgl. Anm. 108, V. Akt, 2. Szene. In Vers 261 bis 290 wird Rodrigue von seinem Vater Don Diège aufgefordert, ihn und sich selbst am Vater seiner Geliebten Chimène zu rächen. Abwandlung des lateinischen Satzes „Fiat iustitia, et pereat mundus“ (lat. „Es geschehe Gerechtigkeit, und ginge die Welt darüber zugrunde“), Wahlspruch Kaisers Ferdinand I. Er wurde zu Lebzeiten seines Bruders Kaiser Karl V. 1531 zum römisch-deutschen König gewählt und erst 1558 bis 1564 Kaiser des Heiligen Römischen Reichs. Keller verteidigte in seiner 1751 anonym erschienenen Schrift „Gesetz- und Actenmäßiges Bedencken über die Materie von der Römischen Königs-Wahl“ einen streng juristisch festgelegten Wahlgang. Deren Ausarbeitung wurde vom Gothaer Herzogspaar gefördert. Vgl. Anm. 74 und Anm. 137. Hardenbergs erneute Anstellung am Stuttgarter Hof dauerte bis 1755. Leicht abgewandeltes Zitat aus der Satire VIII von Nicolas Boileau und zugleich Anspielung auf den in Anm. 143 erwähnten Vorgang.

77

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

Reise143 unternehmen, rechne ich damit, dass Sie hier durchkommen und uns die Freude machen, wenigstens einen Moment zu bleiben.

27. Gotha, den 6. Dezember 1741 Monsieur, (505 r) warum Ihr Brief vom 29. des Monats mich erst vorgestern erreicht hat, lieber Landsmann, weiß ich nicht. Das ist der einzige Grund, der mich, die Sie natürlich schätzt und aus tiefem Herzen ehrt, daran hinderte, Ihnen eher zuzusichern, wie sehr mich Ihre verbindlichen Aufmerksamkeiten rühren. Glauben Sie mir, dass ein Verhalten wie das Ihre in einer Seele wie der meinen solch wahre Gefühle wirklich nicht verkleinert. Unendliche Dankbarkeit ist von dem, was ich Ihnen schulde, nicht zu trennen und ich betrachtete mich als glücklichste Person der Welt, könnte ich Sie davon überzeugen, wie sehr sie mich erfüllt. Durch Ihren zweiten Brief habe ich erfahren, dass Ihre illustren Fremden144 eine andere Route nehmen mussten und Sie sie in Leipzig treffen werden. Das ist genauso wie bei dem Ausflug, (505 v) den Sie uns vorgeschlagen hatten.145 Nichts würde meinem lieben Gatten und mir mehr schmeicheln als das Glück, Sie wiederzusehen. Wir bitten Sie sehr darum, dieses Vergnügen verschieben zu dürfen. Besuchen Sie uns doch deshalb bitte bei Ihrer Rückkehr. Auch unsere liebe Frau Herzogin wird davon profitieren und von Ihrer teuren Gegenwart entzückt sein. Sie und auch der Herr Herzog übermitteln Ihnen tausend Komplimente. Mein lieber Gatte und meine Schwester versichern Ihnen ihren ergebensten Gehorsam und ich füge meine aufrichtige und unverbrüchliche Zuneigung hinzu, mit der ich fürs ganze Leben, Monsieur und geschätzter Landsmann, Ihre untertänigste und gehorsamste Dienerin Buchwald bin. Unser lieber Landsmann Röder146 findet hier eine Millionen Komplimente. 143

144

145

146

Vermutlich eine Reise nach Frankfurt am Main zu den Wahlvorbereitungen des römisch-deutschen Königs. Im September 1741 wurde unter einmaligem Ausschluss der böhmischen Kur mehrheitlich für den bayerischen Kurfürsten Karl Albrecht gestimmt. Entscheidend war die Stimme des Mainzer Kurfürsten Philipp Karl von Eltz-Kempenich, obwohl er 1732 gegen 100 000 Gulden Rentenzahlung Kaiser Karl VI. die Stimmabgabe für Franz Stefan von Lothringen versprochen hatte. Die württembergischen Prinzen Karl Eugen, Ludwig Eugen und Friedrich Eugen wurden zur Erziehung an den Hof Friedrichs II. von Preußen gebracht. Sie kamen mit ihrer Mutter Maria Augusta von Thurn und Taxis in Berlin am 16. Dezember 1741 an. Vermutlich ein geheimes Treffen zwischen dem Gothaer Herzogspaar und Friedrich II. von Preußen bei Leipzig am 15. August 1740, wo der König auf seiner Reise zwischen Cleve und Bayreuth Station machte. Die Einladung nach Berlin zur Karnevalssaison lehnte der Gothaer Herzog ab. Der württembergische Erb-Oberstallmeister von Röder (vgl. Anm. 106), der hier erstmals als Landsmann bezeichnet wird, begleitete die württembergischen Prinzen und weilte sowohl vor als auch nach der Reise am 13. Oktober und am 19. Dezember 1741 auf dem Friedenstein.

78

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

28. Gotha, den 29. Dezember 1741 (506 r) Monsieur, es wäre sinnlos, Ihnen, lieber Landsmann, zu sagen, dass Ihr Brief mir wahrlich Vergnügen bereitet hat. Alles von Ihnen Kommende hat dieses Schicksal, umso mehr, wenn Sie uns das Glück einer Begegnung in Aussicht stellen.147 Mir fehlen die Worte auszudrücken, wie hoch wir es Ihnen anrechnen, dass Sie die Zeit bis zu einem Wiedersehen mit Ihren Freunden lang finden. Möge es Gott gefallen, sie Ihnen als Ewigkeit erscheinen zu lassen. Ja, lieber Landsmann, ich wünsche mit ganzer Seele, dass Sie sich wahrlich langweilen. Nichts erschiene mir schmeichelhafter. Kommen Sie also und dies bald, mein lieber Landsmann! Wir alle erwarten Sie (506 v) höchst ungeduldig. Ihre Durchlauchtigsten Hoheiten senden Ihnen tausend Komplimente und Freundschaftsbekundungen und versichern Ihnen, dass sie über Ihren Besuch entzückt sein werden. Mein lieber Gatte, meine Schwester und ich senden Ihnen tausend ergebensten Dank für Ihre verbindlichen, aufmerksamen Wünsche voller Freundschaft, mit der Sie uns und unsere liebe Mutter weiterhin beehren. Könnten wir Ihnen doch beweisen, wie sehr wir für all Ihre Güte empfänglich sind. Möge Gott Sie dafür belohnen, mein lieber und würdiger Freund, und Sie im neuen Jahr und in unendlich weiteren mit Freude und Zufriedenheit überschütten. Wenn der Himmel meine Wünsche erhört, werden alle Tage Ihres Lebens Festtage sein. Mehr wage ich aus Angst, Ihren Kammerdiener zu verpassen, nicht dazu zu sagen. Folgendes schreibe ich mit fliegender Feder. Was können Sie glücklich sein, keine Kinder zu haben und ich wünsche, (507 r) in Klammern gesagt, dass Sie niemals welche bekommen werden. Meine arme Tochter war vierzehn Tage lang zwischen Leben und Tod.148 Man leidet mit diesen armen Bälgern, vielleicht mehr als sie. Adieu, mein geschätzter Landsmann. Ich bin, Monsieur, von Herz und Seele mit vollkommenster Hochschätzung und unendlicher Achtung Ihre ergebenste und gehorsamste Dienerin Buchwald. Sie haben sicherlich schon von der neuerlichen Umwälzung in Russland gehört.149 Die Regentin wurde abgesetzt und mit ihrem kleinen Impromptu von Zaren zurückgeschickt, Pr.[inzessin] Elisabeth auf den Thron gesetzt und zur Kaiserin erklärt. Die Grafen von

147 148 149

Keller war am 9. Januar 1742 Gast auf Schloss Friedenstein. Der Brief (Bl. 506 und 507) weist die gleichen Wasserzeichen auf wie Brief 1, vgl. Anm. 1. Vgl. Anm. 121. Am 6. Dezember 1741 kam es zu einem unblutigen Staatsstreich gegen die Regentin und Mutter des Kinderzaren Iwan VI. Antonowitsch, Anna Leopoldowna. Die kinderlose Zarin und Regentin von Kurland Anna Iwanowna hatte Iwan kurz vor ihrem Tod zum Zaren bestimmt. Nach dem Putsch wurde Anna Leopoldowna mit Mann und Kindern zunächst nach Riga gebracht, der enorme Einfluss der Deutsch-Balten in Russland beendet. Die Krönung der neuen Zarin Jelisaweta Petrowna Romanowa (vgl. Einleitung, S. 9 f.) erfolgte im Mai 1742.

79

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

Münnich und von Ostermann sind verhaftet und eingekerkert.150 Wir leben in einem sehr lustigen Zeitalter. Auf der großen Weltbühne werden nur noch Marionettenfarcen gespielt.

29. Gotha, den 7. Mai 1742 Monsieur, (508 r) ich gebe Ihnen den Brief zurück, den Sie, lieber Landsmann, die Güte hatten, mir mitzuteilen und danke Ihnen tausend Mal für die bereitwillige Sorgfalt, mit der Sie uns etwas Aufklärung verschaffen. Ihre Durchlauchtigste Hoheit die Herzogin befiehlt mir, Ihnen Komplimente zu übermitteln und zu versichern, dass Sie für Ihre verbindliche Aufmerksamkeit sehr empfänglich und vom Interesse an ihrer Gesundheit unendlich geschmeichelt ist. Sie schlussfolgert daraus, dass Sie zu ihren Freunden gehören. Die würdige und teure Fürstin ist geschmeichelt, darunter jemanden von Ihrem Charakter und Verdienst zu haben. Sie können sich denken, dass es ihr wirklich etwas bedeutet, Sie davon überzeugt zu wissen. Nachdem ich mich dieser Aufgabe entledigt habe, muss ich Ihnen, mein lieber Landsmann noch von einer unangenehmen Situation berichten, (508 v) in der sich Ihre Durchlauchtigsten Hoheiten der Herzog und die Herzogin befinden. Von Herrn Juch151 erfuhren sie, dass die Herzogin von Württemberg152 heute oder morgen in Erfurt erwartet wird. Beiden wäre das Glück der Bekanntschaft mit dieser Fürstin eine wahrhafte Freude. Um das zu ermöglichen, hatte ich vor einiger Zeit Order, Sie um Auskunft zu deren Ankunftstag in Molsdorf oder Stedten zu bitten, damit sofort jemand mit der Einladung ihrer Hoheiten hingeschickt werden könne. Sie können sich die gegenwärtige Pein nicht vorstellen, jetzt, wo alle schon im Voraus nach Altenburg gefahren sind,153 – Edelleute, Offiziere, Silberdiener, Köche – und Ihre Hoheiten nur noch das notwendigste Personal für den täglichen Dienst hier haben. Was für einen Empfang könnte man der Herzogin bieten und welchen Eindruck hätte sie von unserem Hof? Andererseits, was wird Sie über den mangelnden Eifer an einer Begegnung denken, wo sie doch so nah ist. Ich bekenne, dass ich bei beiden Varianten mein Blut in den Adern brodeln fühle. Mein lieber Landsmann, man 150

151

152 153

Burkhard Christoph von Münnich, Ingenieur, Generalfeldmarschall und Politiker, war seit 1721 in russischen Diensten; Johann Heinrich Friedrich Ostermann, Diplomat und Staatsmann, seit 1704. Beide hatten unter Zarin Anna Iwanowna erheblichen Einfluss. Die Todesurteile nach dem Staatsstreich wurden in Verbannung umgewandelt. Der Mediziner Hermann Paul Juch lebte im zu Kurmainz gehörenden Erfurt und war häufig Gast am Gothaer Hof. Er war Leibarzt in Sachsen-Eisenach und Sachsen-Weimar und wurde auch in Gotha zu medizinischen Fragen zu Rate gezogen. Maria Augusta von Thurn und Taxis Herzogin von Württemberg, die sich nach der Karnevalssaison in Berlin auf der Rückreise nach Stuttgart befand. (vgl. Anm. 144). Der Landtag in Altenburg begann am 17. Mai 1742. Der Hof kehrte am 18. Juni 1742 nach Gotha zurück.

80

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

bittet Sie, uns aus dieser schrecklichen Verunsicherung mit einigermaßen guter (509 r) Figur herauszuhelfen. Ich ahne wohl, dass es schwierig sein wird. Was aber meinem beschränkten Kopf unüberwindbar scheint, ist es vermutlich für den Ihren nicht. Wir sollten morgen abreisen, deshalb sind schon alle vorausgefahren. Da der Prinz154 jedoch vorgestern von einem kleinen Erkältungsfieber befallen wurde, wollten Ihre Hoheiten ihn nicht verlassen, ohne zu wissen, wie die Krankheit ausgeht. Es geht ihm besser und die Reise ist auf Donnerstag verlegt worden. Obwohl er nicht in der Lage ist, sie zu begleiten, versichert Herr Juch, dass er in acht oder zehn Tagen folgen könne. Sehen Sie zu, mein lieber Landsmann, was Ihnen einfällt, um uns aus der Schlinge zu ziehen. Ich selbst habe keine Idee, schwitze nur Blut und Wasser und verfluche diese Kombination unglücklicher Umstände, die sich alle miteinander vereinen, um uns den Verstand zu rauben. Falls Sie unseren teuren Grafen von Gotter sehen,155 haben Sie die Güte, ihm tausend Komplimente und Freundschaftsversicherungen von Seiten der Durchlauchtigsten Hoheiten und mir zu übermitteln. Beide haben Sie eine so gute und glückliche Einbildungskraft. Möge der Himmel Ihnen irgendeine kühne Idee eingeben. Sie wird in jedem Fall gut sein, wenn (509 v) sie uns aus dem Schlamassel zieht. Adieu, teurer Landsmann und würdiger Freund. Möge Gott Sie schützen. Mein lieber Gatte entbietet seinen Gehorsam, wir beide umarmen Sie und ich bin von ganzem Herzen lebenslang mit aller Art Hochachtung und Freundschaft, Monsieur, höchstverehrter und geschätzter Landsmann, Ihre ergebenste und gehorsamste Dienerin Buchwald. Ich denke, W.[itzleben] keinen schlechten Dienst erwiesen zu haben, wenn ich ihm das, was Sie mir über ihn schrieben, gezeigt habe. Wir haben darüber aus vollem Herzen gelacht und ich glaube, die Aufrichtigkeit seiner Erklärung, gepaart mit einer scheinbar genauen Kenntnis seiner selbst, werden ihm viel mehr als alle bisher unermüdlich vorgetragenen, ewigen Bitten erleichtern, das Gewünschte zu erhalten.156

30. [o. O., o. D.157] (590 r) Ich möchte die Gelegenheit sehr gern nutzen, mein lieber Landsmann, Ihnen dafür zu danken, dass Sie mir das Glück verschaffen wollen, Ihnen meine Pflicht zu bezeugen und der Herzogin von Württemberg meine Aufwartung zu machen. Die Durchlauchtigsten Hoheiten der Herzog und die Herzogin befehlen mir, Ihnen Komplimente zu über154 155 156 157

Der Gothaer Erbprinz Friedrich Ludwig. Gustav Adolf Graf von Gotter weilte auf Schloss Molsdorf. Hartmann von Witzleben war Oberkonsistorialpräsident in Gotha und an der Entscheidung über die von Keller erbetene eigene Kirche in Stedten beteiligt (vgl. Einleitung, S. 24 f.). Vermutlich Gotha, vermutlich nach dem 12. Mai 1742. Die Datierung erfolgt trotz abweichender Paginierung aufgrund des engen Zusammenhangs zu Brief 29.

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

81

mitteln und bitten um Information zur Ankunftszeit Ihrer Königlichen Hoheit der Herzogin in Stedten, um der Fürstin dorthin ihre Komplimente senden zu können und sie zu bitten, ihnen die Ehre ihrer Bekanntschaft zu gewähren, worüber Ihre Hoheiten entzückt wären.158 Sie selbst, lieber Landsmann, lade ich schon jetzt ein. (590 v) Sie sollten sich nicht bitten lassen oder ich ziehe Ihnen die Ohren lang. Ich habe Ihnen von Frau von Schertel viele Komplimente auszurichten.159 Sie war acht Tage hier und wir hatten beide große Lust, ohne Vorwarnung bei Ihnen einzufallen. Nur das schreckliche Wetter und die Schwierigkeit, abends hierher zurückzukehren, haben uns in den letzten Tagen daran gehindert. Die ersten Tage ihres Aufenthalts haben wir in höchster Sorge um unseren lieben Prinzen verbracht, den die geschickten Stützen der Fakultät von Windpocken befallen glaubten. Erst am sechsten Krankheitstag haben diese großen Herren erraten, dass es Röteln waren. Die Entscheidung Karls VI. bezüglich solcher Scharlatane war vielleicht die vernünftigste seines Lebens.160 Was sagen Sie zu unserem Prinzen Johann Adolph? (591 r) Kaum ist er in England gelandet, ist die Einheit der königlichen Familie wiederhergestellt, das gesamte Ministerium metamorphosiert, die Nation zufrieden und ganz Europa erstaunt über Kunst und Können unseres jungen Politikers. Das also heißt es, sich an einen anderen Ort versetzt zu sehen! Ein so großes Genie sollte sich in Übersee entwickeln.161 Ich glaube, dass es oft mehr als einen Johann Adolph auf dem Marktplatz der Welt gibt, den man so vernünftig beurteilt. Adieu, lieber Landsmann. Möge uns der Himmel die Gnade erweisen, noch lange über die Verrücktheit der Sterblichen zu lachen. Weit davon entfernt, ihnen Schlechtes zu wünschen, will ich sie deshalb weiterhin lieben. Aus Gründen der Vielfalt bewegt mich aber ein ganz anderes Motiv dazu, Ihnen Gutes zu wünschen und mit einer auf höchste Achtung gegründeten Freundschaft von ganzem Herzen, lieber Landsmann, Ihre ergebenste und gehorsamste Dienerin Buchwald zu sein. (591 v) Mein lieber Gatte entbietet seinen Gehorsam.

158

159 160 161

Henriette Marie Erbprinzessin von Württemberg (vgl. Anm. 13) reiste mit ihrer Tochter häufig an den Hof ihres Bruders nach Mecklenburg-Schwedt und verbrachte die Karnevalszeit an den Berliner Höfen. Die Durchreise der katholischen Herzogin von Württemberg überschnitt sich vermutlich zeitlich mit der der protestantischen Erbprinzessin. Die aus Württemberg stammende Sophia Maria Schertel von Burtenbach, Oberhofmeisterin bei Elisabeth Sophie von Sachsen-Meiningen. Die restriktiven Maßnahmen gegen Forschung und Ausbildung an der Medizinischen Fakultät in Wien wurden erst unter Maria Theresia mit der Berufung des Arztes Gerard van Swieten 1745 aufgehoben. Der Bruder Herzog Friedrichs III. Prinz Johann Adolph besuchte 1741 und 1742 seine Schwester Auguste, die seit 1736 mit Friedrich Ludwig Prince of Wales verheiratet war. Das anhaltende Zerwürfnis zwischen König Georg II. und seinem Sohn (vgl. Anm. 67) trug dazu bei, dass Premierminister Robert Walpole 1742 im Zusammenhang mit den Misserfolgen Großbritanniens im Überseekonflikt mit Spanien im War of Jenkins’ Ear (1739–1742) zurücktrat. Im Kontext der Reise Johann Adolfs von Sachsen-Gotha-Altenburg kam am 7. Juli 1742 ein Kurier aus England an den Hof. Kellers Besuch erfolgte am 9. Juli, Johann Adolph selbst kam am 14. Juli 1742 auf den Friedenstein. Darauf, dass Prinz Johann Adolph Vorverhandlungen zu dem am 28. Juli 1742 von Großbritannien vermittelten Frieden von Berlin führte, der den Ersten Schlesischen Krieg zwischen Österreich und Preußen beendete, spielt auch Brief 31 an.

82

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

31. Gotha, den 20. Juni 1742 Monsieur, (510 r) nichts ist natürlicher als unser Bedürfnis, etwas über Ihren Gesundheitszustand zu erfahren und uns so schnell wir können darüber zu informieren. Angesichts unserer mehrwöchigen Abwesenheit162 und, falls Ihr Gefühl noch dem unsern entsprechen sollte, haben Sie keinen Grund für den Vorwurf, Sie zu damit zu überraschen. Aber aus Freude am Neuen und weil Sie mir für Überraschungen kaum empfänglich erscheinen, empfinde ich Ruhm und Ehre, Ihnen eine verschafft zu haben. So stark hat der Geschmack an Außerordentlichem schon von mir Besitz ergriffen! Die Neigung, den großen Beispielen unseres Jahrhunderts163 zu folgen, hindert mich allerdings nicht daran, für Ihr gütiges Interesse (510 r) an meiner Indisponiertheit weitaus empfänglicher zu sein. Ich warte sehnlichst darauf, lieber Landsmann, dass Sie mir die Ehre und das Vergnügen verschaffen, Ihnen dafür sehr bald mündlich umfassend zu danken.164 Ihre Hoheiten werden entzückt sein, Sie hier zu sehen und befehlen mir, Ihnen das mitzuteilen sowie für Ihre Aufmerksamkeit ihnen gegenüber zu danken. Mein lieber Gatte und meine Schwester sind nicht weniger von der Ehre Ihres teuren Andenkens berührt. Sie entbieten beide ihren Gehorsam und ich bin von ganzen Herzen mit vollkommenster Hochschätzung, Freundschaft und unendlicher Achtung, Monsieur, Ihre ergebenste und gehorsamste Dienerin Buchwald. (511 r) P.S. Die öffentliche Meinung hat uns beide, Sie und mich, sehr unterschiedlich behandelt. Über mich hatte sie nur Schlechtes publik zu machen und über Sie nur Freudiges. Die der Königin Talestris erwiesenen und von ihr erhaltenen Aufmerksamkeiten haben viel Aufsehen erregt, so dass man glauben könnte, es sei Ihnen Herzenssache, sie über die Abwesenheit Alexanders zu trösten.165

162 163 164 165

Vgl. Anm. 153. Vgl. Anm. 161. Auf Initiative des englischen Gesandten in Preußen John Carmichael 3. Earl of Hyndford wurde der Friede von Breslau am 11. Juni 1742 geschlossen. Keller war am 9. Juli 1742 auf dem Friedenstein. Talestris in Anspielung auf die Darstellung Maria Theresias auf den Revers der Medaille anlässlich der Krönung zum König von Ungarn 1741, auf dem sie als reitende Amazone dargestellt ist. Alexander der Große in Anspielung auf Friedrich II. von Preußen, der den Vorfrieden von Breslau am 28. Juli 1742 in Berlin unterzeichnete. Antiken Historikern zufolge soll es zwischen Königin Talestris und Alexander dem Großen zu einem Treffen gekommen sein.

83

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

32. Wiesbaden, den 20. September 1742166 Monsieur, mein verehrtester und geschätzter Landsmann, (512 r) die gedanklichen Besuche, Umarmungen und geistigen Segnungen, mit denen Sie mich in Ihrem Brief beehrten, haben mir große Freude bereitet. Alles, was von meinem chevalier167 kommt, hat mit Sicherheit diese Wirkung, und bis hin zu seinen Predigten empfange ich es mit Dankbarkeit und Fügsamkeit. Die Predigt, mit der Sie mich versorgen, mein lieber Landsmann, ist so real wie Ihr Besuch imaginär. Das ärgert mich allerdings sehr, denn ich wäre wahrlich entzückt gewesen, Ihre teure Gegenwart tatsächlich zu erleben. Ihre Predigten sind bewundernswert, Sie selbst jedoch mehr wert als alle Predigten der Welt. Hier hätten Sie gute und große Gesellschaft gefunden und sie angenehm bereichert. Und trotz Ihrer Beredsamkeit und Philosophie, mit der sie plötzlich bereit sind, die Interessen (512 v) der größten Scharlatanin aller Fakultäten168 zu vertreten, hätte Ihnen meiner Meinung nach der hiesige schätzenswerte Arzt169 allein durch seine Anwesenheit und eine Minute Unterhaltung sehr schnell die Lust daran verdorben, eine so schlechte Sache zu unterstützen. Denn ich glaube, dass es Gott gefiel, unter allen Kreaturen keine schlimmere alte Hexe als jenes Tier zu schaffen. Wenngleich er nicht viel zur exakten Einhaltung Ihres mir vorgeschlagenen Regimes beigetragen hat, kann ich doch sagen, dass immerhin mein Gatte dafür sorgte, dass ich kein Jota davon abwich. An Predigten seinerseits hat es auch nicht gefehlt. Ihr Männer und Gatten seid gewiss die gnadenlosesten Prediger, die es gibt, so dass ich dank eurer Anweisungen und eigener Überlegung ein vorbildliches Regime eingehalten habe. Dass Sie in meinem Gesicht Spuren dieser Weisheit finden, verspreche ich jedoch nicht, denn ich befürchte sehr, dass mir die weitere Verkettung der Dinge nicht zu robuster Gesundheit verhilft. Apropos Verkettung, wissen Sie, dass sie mich – unbeabsichtigt – nach Göppingen zu meiner armen Mutter führt?170 Sie wollte uns hier besuchen. Ich war einerseits wegen ihres Alters und ihrer schlechten Gesundheit, andererseits wegen 166

167 168

169

170

Das Ehepaar von Buchwald reiste zu einer Kur nach Wiesbaden. Vermutlich war die Reise auch mit politischen Aufträgen verbunden. Wiesbaden war Sitz der Regierung unter Karl von Nassau-Usingen. In unmittelbarer Nähe lag der Sitz des Mainzer Kurfürsten und Reichserzkanzlers Philipp Karl von Eltz (vgl. Anm. 143). Als chevalier (frz. ‚Ritter‘) bezeichnete sich Ernst Christoph von Manteuffel in seinen Briefen, die er ab dem 11. Juni 1742 an Herzogin Luise Dorothea schickte. Maria Theresia hatte zwei Tage nach der Krönung Karls VII. am 12. Februar 1742 das österreichische Heer in Bayern einmarschieren und München besetzen lassen und hielt mit dieser Aktion die Kaiserfrage im Interesse des Hauses Habsburg offen. Eine bayerisch-französische Armee konnte Bayern zwar zunächst zurückerobern, das südliche Bayern jedoch wurde im nächsten Feldzug unter dem Oberkommando des Prinzen Karl Alexander von Lothringen erneut besetzt. Vermutlich der Mainzer Kurfürst und Reichserzkanzler Philipp Karl von Eltz, der im Interesse einer Beendigung des zweijährigen Interregnums und unter dem Druck Frankreichs bei der Wahl des römisch-deutschen Königs am 24. Januar 1742 für den Bayerischen Kurfürsten Karl Albrecht stimmte, nachdem er ursprünglich für ein Habsburger Kaisertum eingetreten war (vgl. Anm. 143). Vgl. Einleitung, S. 14.

84

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

der mangelnden Sicherheit (513 r) während der Passage der Franzosen dagegen. Deshalb hat sie uns um einen Besuch gebeten. Zunächst habe ich es abgelehnt, sie war gekränkt und ich, die lieber zehn Jahre allein mit dem dümmsten aller Ärzte bliebe als meine gute Mutter nur einen Augenblick zu betrüben, entschied mich, ihr zu gehorchen. Deshalb reisen wir am Montag hier ab. Ich werde höchsten vier Tage in Göppingen sein, Stuttgart trotz all meiner Sehnsucht nicht sehen und sofort nach Gotha zurückkehren, wo ich hoffe, lieber Landsmann, Sie bald wiederzusehen. Ich werde Ihnen viel zu erzählen haben, denn ich habe höchst Denkwürdiges gesehen, zum Beispiel den Kaiser der Germanen mit seiner gesamten Familie und dem Hof im Lager der Gallier mitten im Reich.171 Aber ich sollte nicht an dieser Stelle aufhören. Da ich Ihre Art zu denken kenne, bitte ich um Verzeihung. Das burleske Jahrhundert, in dem wir leben, muss mir als Entschuldigung dienen. Es scheint darin Mode zu sein, alles verkehrt zu machen. Adieu, teurer Landsmann. Seien Sie meines vollständigen Danks für Ihre verbindliche Aufmerksamkeit versichert, meiner Freundschaft sowie Hochachtung und Verbundenheit, mit der ich, Monsieur und lieber Landsmann, unverbrüchlich Ihre ergebenste und gehorsamste Dienerin Buchwald bin. Mein lieber Gatte versichert Ihnen seinen Gehorsam und die Kanzlerin sendet Ihnen ebenso wie ihr Gatte tausend Komplimente.172

33. Gotha, den 18. Dezember 1742 Monsieur, (514 r) in größter Eile der Welt, geschätzter Landsmann, will ich Ihnen mitteilen, dass ich gestern Abend Ihren Hoheiten Ihren Brief zeigte, denen die Nachricht, dass Graf von Gotter eine Möglichkeit gefunden habe, mit dem Grafen von Promnitz ein so vorteilhaftes Geschäft wegen Dietendorf abzuschließen, offenbar sehr gefallen hat.173 Alle beide sagten lediglich, dass ihnen, kämen Sie heute mit dem Käufer, ein Wiedersehen angenehm wäre. Und ich sage Ihnen, dass ich darüber, dass Sie es nicht taten, sehr wütend bin.174 Nachdem

171

172 173

174

Der landlose Kaiser Karl VII. war vollständig von Frankreich abhängig, lehnte alle Vermittlungsangebote von Großbritannien und Preußen ab und lebte von 1742 bis 1744 im Palais Barckhausen in Frankfurt am Main. Zum Kanzlerehepaar von Oppel vgl. Anm. 122 auf Bl. 513 v sind mehrere Additionen notiert. Graf von Gotter besaß seit 1734 das Lehnsgut Alte Hof bei Neudietendorf. 1742 bot sich ihm die Gelegenheit, das Gut an die Herrnhuter Brüdergemeine zu verkaufen, die sich im Herzogtum SachsenGotha-Altenburg ansiedeln wollte. Deren Vertreter war Graf Balthasar Friedrich Erdmann II. Reichsgraf von Promnitz, Geheimer Rat und Kabinettsminister des sächsischen Kurfürsten Friedrich August II. Der Kaufvertrag über 20 000 Reichstaler wurde schon am 10. Dezember 1742 unterzeichnet. Keller war erst wieder am 1. Januar 1743 auf dem Friedenstein.

85

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

ich heute Morgen mit dem Rat Gotter175 gesprochen hatte, der mir einen Brief des Grafen, unseres Freundes,176 übergab, kann ich den Grund dafür jedoch sehr gut verstehen. Im Brief teilte er mir lediglich sein Kaufgeschäft mit und dass Graf Pr.[omnitz] wegen der Bestätigung hierherkommen werde. Durch den Rat habe ich dann von den Beziehungen zwischen dem neuen Untertanen und (514 v) den Mährischen Brüdern erfahren.177 Nun befürchte ich, dass der heilige Mann in seinem deplatzierten Eifer vielleicht dazu verführt sein wird, heute am Hof zu viel zu sagen178 und seine wirklichen Absichten über die geplante Einrichtung in Dietendorf aufzudecken. Damit wäre der Orthodoxie unfehlbar Öl ins Feuer gegossen und Gott weiß, was daraus wird. Kommen Sie, ich flehe Sie an, diese Bombe entschärfen zu helfen. Würde unser Freund seinen Plan verfehlen, wäre ich untröstlich. Adieu, ich kann dazu nichts weiter schreiben, erwarte Sie aber und bin stets von ganzem Herzen Monsieur, mein lieber Landsmann, Ihre ergebenste und gehorsamste Dienerin B.[uchwald]. Mein lieber Gatte versichert Ihnen seinen Gehorsam und wenn sein Bett fertig ist, bittet er Sie darum, es zu schicken.179

34. Gotha, den 11. Februar 1743 Monsieur, mein geschätzter Landsmann, (516 r) ich bin ebenso wie mein lieber Gatte äußerst beunruhigt, lieber Landsmann, von Ihnen keine Nachricht zu haben und wir flehen Sie an, uns aufrichtig zu sagen, ob Ihr Leiden beendet ist. Sie hatten mir gütigst versichert, dass es sich nicht verschlechtert habe. Das reicht nicht, um meine Gedanken zu beruhigen. Ich habe ständig das Bild eines elen-

175 176 177

178 179

Heinrich Ernst Gotter war Gothaer Archivar und Legationsrat. Er stand dem Halleschen Pietismus nahe. Gustav Adolf Graf von Gotter. Die vor allem in Böhmen ansässige, während des 30-jährigen Krieges fast völlig vernichtete, auch Mährische Brüder genannte Glaubensgemeinschaft erlebte ab 1722 in Herrnhut (Kursachsen) unter dem Schutz des Grafen Nikolaus Ludwig von Zinzendorf und ab 1737 in Berlin eine neue Blüte. Zinzendorf wurde 1736/1738 auf Betreiben der lutherischen Orthodoxie aus Sachsen verbannt. Auch in Sachsen-Gotha-Altenburg wehrte sich die orthodoxe lutherische Landeskirche unter Cyprian (vgl. Brief 5, Anm. 26) gegen das von Graf von Gotter 1743 beim Gothaer Herzog Friedrich III. und dem Oberkonsistorium beantragte Patronatsrecht, die Erlaubnis, einen eigenen Pfarrer und Lehrer zu berufen, und außerhalb der geltenden Staats- und Kirchengesetze eine eigene kirchliche Ordnung aufzubauen. Es wurde am 11. Januar 1743 abgelehnt. Vermutlich auch Anspielung auf die ungelösten Probleme zur Böhmischen Kurstimme und die vergebliche Kandidatur des kursächsischen Königs Friedrichs August II. als römisch-deutscher König. Graf von Promnitz war am 18. Dezember 1742 Gast auf dem Friedenstein. Anspielung auf den erwünschten Frieden im Reich.

86

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

den Wurms vor Augen, der einen Apfel frisst,180 und werde erst ruhig sein, wenn ich Sie davon befreit weiß. Gebe Gott, dass der Aderlass diese Wirkung hatte. Auch Ihre Durchlauchtigsten Hoheiten wünschen das von ganzem Herzen und befehlen mir, Ihnen Millionen Komplimente zu übermitteln. Ich bewundere den Gleichmut (516 v) Ihrer Seele, der mich jedoch nicht überrascht, weil ich Ihre Art zu denken kenne. Ich wage sogar zu glauben, dass ich so mutig wäre, Ihnen nachzueifern, wenn es mich beträfe. Aber wenn es sich um meine Freunde handelt und vor allem um eine Seele, die ich so sehr wie Ihre schätze und ehre, ist niemand so schwach wie ich. Das gebe ich zu. Wäre ich es weniger, würde ich Ihnen grollen, den Aderlass verschoben zu haben. Sollte es für Sie etwas Dringenderes auf der Welt geben, als sich selbst zu helfen? Adieu, lieber Landsmann. Mir fehlt die Zeit, noch mehr zu schreiben. Graf von Bünau ist seit vorgestern hier und mir bleibt keine Sekunde für mich.181 Er scheint ziemlich niedergeschlagen und durch die Deklaration des Königs von Pr.[eußen]182 bitter aufgebracht zu sein, wobei er weit davon entfernt ist, (517 r) sie für bare Münze zu halten. Ich bin mit vollkommenster und aufrichtigster Zuneigung, Monsieur, mein geschätzter Landsmann, Ihre ergebenste und gehorsamste Dienerin Buchwald.183

35. Gotha, den 31. März 1743 Monsieur, (518 r) wenn sie wüssten, Monsieur mein lieber Landsmann, wie sehr mich Ihr Zustand interessiert, dächten Sie nicht daran, mir für meinen heftigen Wunsch nach häufigeren Nachrichten von Ihnen zu danken. Sie würden fühlen, dass ich sie unbedingt brauche, um meinen Geist zu beruhigen. Wenn auch einerseits die Versicherungen von Herrn Juch außerordentliche Freude machen, verstehe ich andererseits nicht, dass Sie nach all dem entzogenen Blut, das die Krankheit hervorrief, noch immer nicht von den Schmerzen befreit sind. Sie sind wohl Zeichen dafür, mein teuerster Freund, dass von diesem Blutandrang noch etwas in der Brust vorhanden ist. Passen Sie in Gottes Namen auf. Es könnte (518 r) 180 181

182

183

Anspielung auf den Reichsapfel als Krönungsinsignium. Heinrich von Bünau, Gesandter Kaiser Karls VII. im Ober- und Niedersächsischen Reichskreis, war seit dem 10. Februar 1743 Gast auf dem Friedenstein. 1745 kehrte er nach Kursachsen auf sein Gut Schloss Nöthnitz bei Dresden zu wissenschaftlichen Studien zurück. 1751 wurde er obervormundschaftlicher Statthalter des Herzogtums Sachsen-Eisenach und 1756 Premierminister in Weimar. Er trat 1759 in den Ruhestand. Vermutlich der Vorschlag Friedrichs II. von Preußen, eine Mediations- bzw. Neutralitätsarmee aus Truppen Bayerns, der Pfalz, Württembergs, Ansbachs und Bayreuths unter preußischer Führung aufzustellen, um den Frieden im Heiligen Römischen Reich zu wahren. Der Vorschlag wurde von Kursachsen, Hannover und den geistlichen Fürsten abgelehnt. Bl. 517 v ist ein gesiegelter Umschlag mit der Anschrift „A Monsieur Monsieur Le Baron de Keller, Ministre d’Etat Intime de la Serenissime Maison Ducale de Wurtemberg, à Stedten“.

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

87

sich nach und nach ein Abszess bilden, der umso gefährlicher wäre, als Sie sich vom ersten Anfall noch nicht erholt haben. Müssen ausgerechnet Sie es sein, mein lieber Landsmann, an dem dieser miserable Wurm nicht aufhört zu nagen, während es so viele andere Individuen gibt, die ihm als Nahrung dienen könnten, aber vor Gesundheit strotzen.184 Das also sind die unergründlichen Wege der Vorsehung, die ich bewundere und nicht verstehe. Achten Sie auf sich, geschätzter Landsmann. Ich flehe Sie im Namen der mir versprochenen, so wertvollen Freundschaft an. Ihre Hoheiten senden Ihnen tausend Freundschaftsbekundungen, die von aufrichtigen Wünschen für Ihre völlige Genesung begleitet werden. Unsere arme Herzogin hat der Verlust ihres Bruders sehr getroffen, der am vergangenen Donnerstag (519 r) in Meiningen starb.185 Mein Gatte wurde hingeschickt. Deshalb übermittle ich von ihm nichts, habe Ihnen aber Millionen Freundschaftsgrüße von meiner guten alten Mutter und den beiden Prinzessinnen, Mutter und Tochter, auszurichten. Meine Mutter hat beide nach Schwedt begleitet.186 Nichts in meinem ganzen Leben hat mich jemals so überrascht wie die Nachricht vom Auftauchen dieses kleinen Hofs. Sie kennen sicher die Gründe, die ihn plötzlich so ambulant werden ließen, und den Krach, den man mit der Landesadministration hatte, die sich dabei – so wird gesagt – wenig menschlich verhielt. Ich glaube allerdings, alles in allem hätten die Reisenden besser daran getan, zu Hause zu bleiben und meiner armen Mutter ginge es dann gut. Ich bezweifle, dass sie mein Gekrakel lesen können. Es ist Mitternacht und stockdunkel. Adieu, lassen Sie mich genauestens wissen, wie es Ihnen geht und ob Sie Ihre teure Gesundheit seit (519 v) Ihrem letzten Brief gefestigter finden. Die kleine Oldershausen ist hier. Ich finde sie so dick, fett und rot wie noch nie.187 Sie schickt Ihnen tausend Komplimente und ich bin stets mit allen Ihnen bekannten Empfindungen, die so lange wie mein Leben dauern, Monsieur, mein lieber Landsmann, Ihre ergebenste und gehorsamste Dienerin Buchwald. Viele Komplimente an Ihre Frau Schwester, ich bitte darum.188

184

185 186

187

188

Vermutlich Anspielung auf den unvermittelten Tod des Mainzer Kurfürsten Philipp Karl von Eltz zu Kempenich am 21. März 1743, der entgegen seinen Versprechen und trotz Geldzahlungen durch Habsburg für die Wahl des bayerischen Kurfürsten gestimmt hatte. Zu Juch vgl. Anm. 151. Karl Friedrich von Sachsen-Meiningen starb am 28. März 1743 kinderlos. Die Reise ist eine von mehreren 1743/44 an die Höfe Mecklenburg-Schwedt und Berlin, um Finanzstreitigkeiten mit dem Württemberger Hof zu klären (vgl. Einleitung, S. 15 f.) und Verhandlungen zur Eheschließung zwischen der 17-jährigen Prinzessin und dem Mecklenburgischen Erbprinzen Friedrich zu führen. Vermutlich Antoinette Friederike von Oldershausen, Gattin des im Dienst Hannovers stehenden Burchard Anton Friedrich von Oldershausen. Das Ehepaar weilte seit dem 28. März 1743 auf dem Friedenstein. Vermutlich die seit 1732 verwitwete Maria Margarete Hochstetter, die Keller in Stedten das Haus führte und dort 1774 starb.

88

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

36. [o. O., o. J.189] (603 r) Mein liebster Landsmann, Ihr Glücksbote hat uns soeben Ruhe und Freude zurückgebracht. Gott sei ewig gesegnet, der Sie, mein lieber und teurer Freund, uns zurückgibt. Alles, was ich Ihnen über unsere Ängste sagen könnte, bliebe stark hinter dem, was wir fühlten, zurück. Sie haben mich höchst bittere Tränen vergießen lassen, aber ich bedaure das nicht. Im Namen des Himmels und der Freundschaft, schonen Sie sich, um uns nicht noch einmal in so außerordentliche Abenteuer zu stürzen. Ihre Durchlauchtigsten Hoheiten und all Ihre Freunde beschwören Sie und senden Ihnen eine Million Freundschaftsgrüße. Mein lieber Gatte und ich umarmen Sie von ganzem Herzen. Es scheint, als wären Sie uns seit Ihrer unverhofften Genesung noch lieber geworden. Der Herzogin ist die gute Nachricht, die Sie ihr zukommen ließen, unendlich viel wert. Sie können (603 v) sicher sein, dass Sie sehr an Ihrem Wohlsein interessiert ist. Ich bin mit Herz und Seele, mein lieber Landsmann, Ihre ergebenste, gehorsamste und treue Freundin Buchwald. Tausend Komplimente an Ihre Frau Schwester.190 Schreiben Sie mir nicht, bevor Sie nicht völlig wiederhergestellt sind.

37. Gotha, den 31. Dezember 1743 Monsieur, mein lieber Landsmann, (520 r) Sie sind, um es deutlich zu sagen, ein schrecklicher Mensch. Sie ziehen meine Seele, wohin Sie wollen, zu Freude, Schmerz, Dankbarkeit, Furcht, zu allen Regungen, derer eine so empfindsame Seele wie die meine fähig ist. Ja, teurer Landsmann, Ihr lieber Brief hat jetzt all diese Empfindungen aufgerüttelt.191 Ich bin so überzeugt von Ihrer Freundschaft, vom Guten, das Sie mir wollen, und habe so viele Gründe, Ihnen das Gleiche zu wünschen, dass ich es nicht bei den Komplimenten belasse, zu denen die gegenwärtige Zeit hin und wieder Gelegenheit gibt. Ich glaube, wenn der Himmel uns das Glück gewährt, das wir einander wünschen, werden wir uns über uns er Schicksal nicht zu beklagen haben. Und über unsere freundschaftlichen Gefühle brauchen wir wohl nur weiterhin so zu den189 190 191

Vermutlich Gotha, vermutlich zwischen dem 31. März und 31. Dezember 1743. Trotz abweichender Paginierung wird der Brief aufgrund seiner inhaltlichen Bezüge zu Brief 35 an dieser Stelle eingeordnet. Vgl. Anm. 188. Keller war am 23. Juni sowie am 29. und 31. August 1743 auf dem Friedenstein, danach am 4. und 5. September 1743 auf dem Sommersitz Ichtershausen zu Gast, wo er am 4. September als Renardin (frz. ‚Füchslein‘) in den Eremitenorden (vgl. Einleitung, S. 20–23) aufgenommen wurde.

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

89

ken, wie wir es bisher taten, um mit uns zufrieden zu sein. (520 v) Was jedoch Ihren Gesundheitszustand betrifft, teurer Landsmann, fehlt mir, nachdem ich Ihre Mitteilungen erhalten habe, noch viel zu meiner Zufriedenheit. Er beunruhigt mich tausend Mal mehr als ich sagen kann und Ihre Reise zur jetzigen Jahreszeit verstärkt die Unruhe beträchtlich.192 Das einzige Tröstliche ist für mich, dass Sie vermutlich den berühmten Arzt Eller konsultieren können,193 der die Gesundheit unseres Tourbillon so gut wiederhergestellt hat194. Nicht nur die Kälte während der Reise lässt mich erzittern, auch die Frage, ob Ihnen das turbulente Leben während dieses glänzenden Aufenthaltes nicht mehr schaden könnte als Herr Eller Gutes tut. Denken Sie in Gottes Namen an meine arme Mutter, die gegenwärtig trotz ihres Alters dort ist, und an all die Umstände, die für sie so befremdlich sein müssen, als müsste ich in einer Versammlung von Quäkern eine Hofrobe zur Schau tragen.195 Sie ist sozusagen völlig außerhalb ihrer Sphäre. Ich (521 r) glaube, dass ihre Pr.[inzessin] dort den gesamten nächsten Monat verbringen wird, und Sie sicher verstehen können, dass ich für meine arme alte Mutter von ganzem Herzen den Augenblick ihrer Abreise als Erlösung herbeisehne. Ihre Hoheiten senden Ihnen tausend Freundschaftsgrüße und Komplimente. Unsere teure Herzogin hat das mir zur Übermittlung Aufgetragene gesehen. Es ihr zu zeigen war das Beste. Ich weiß um die große Bedeutung, die sie Ihrer Freundschaft beimisst und hätte alles vielleicht nicht so gut und so angenehm wie Sie selbst sagen können. Wenn Sie wissen möchten, was sie mir geantwortet hat, kommen Sie wie versprochen am Sonntag196. Sie werden sie endgültig davon überzeugen, dass Sie ebenso zu ihren Freunden gehören, wie Sie Ihre Freundin ist. Damit ist alles gesagt. Mein lieber Gatte und meine Schwester entbieten Ihnen tausend untertänigste Komplimente und wünschen mit mir gemeinsam, dass unser lieber Renardin gesund und glücklich bleibt. Ich bin mit Herz und Seele, Monsieur, mein geschätzter Bruder und Landsmann, Ihre ergebenste und gehorsamste Dienerin und treue Schwester Buchwald.

192

193

194 195 196

Keller stand als Gesandter Württembergs vor einer Reise nach Berlin, wo während der Ballsaison auch Frau von Neuenstein mit der württembergischen Erbprinzessin und deren Tochter weilte. Grund der Reise Kellers waren Verhandlungen mit Heinrich Graf von Podewils, Preußischer Wirklicher Geheimer Staats-, Kriegs- und Kabinettsminister, wegen der Überlassung von württembergischen Truppen an Preußen. Johann Theodor Eller studierte Naturwissenschaften und Medizin in Halle, den Niederlanden, Paris und London, lebte ab 1724 in Berlin als Leibarzt der preußischen Könige, Militärarzt und Leiter der Charité. Er reorganisierte 1743 die physikalische Klasse der Sozietät der Wissenschaften und war Mitglied der Leopoldina in Halle. Tourbillon (frz. ‚Wirbelwind‘) war der Ordensname des Grafen von Gotter im Eremitenorden. Quäker lehnten den Gebrauch von Titeln und Ehrbezeugungen ab, waren gegen Luxus und weltliches Vergnügen. Ein Besuch Kellers am 5. Januar 1744 vor seiner Reise nach Berlin ist im Fourierbuch nicht verzeichnet.

90

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

Feldt Marschallin Seckendorff war am Samstag hier und ist gestern zurückgefahren.197 Der Marschall wird ihr folgen.198 Wir erwarten ihn heute Abend oder morgen. Die Dinge scheinen mir vieldeutiger und verworrener denn je zu sein. Mein Gott, was werden Sie in diesem Schlamassel tun? Anderen vielleicht Gutes und Ihnen selbst Schlechtes. (521 v) Bitte, tausend Komplimente an Ihre liebe Frau Schwester, Ihren Herrn Bruder und seine liebenswürdige Gattin.199 Ich stelle mir vor, was sie angesichts dieser Reise fühlen und fühle mit ihnen.

38. Gotha, den 4. Januar 1744 Monsieur, mein teuerster Landsmann, Bruder und Freund, (522 r) trotz der durch die Ankunft des felt Marschalls200 gestern Morgen entstandenen Ablenkung habe ich die Pflicht und Freude, das von Ihnen Befohlene auszuführen, nicht aus den Augen verloren. Deshalb habe ich den Plan so schnell als möglich Herrn von Oppel übergeben und dringend gebeten, ihn zu prüfen und mir aufrichtig und schnell zu sagen, ob er ihn für realisierbar hält.201 Er hat das heute Morgen getan und mir versichert, dass ihm die Sache bis auf einige kleine Ausnahmen, auf die das ehrenwerte Konsistorium202 drängen wird, sehr machbar erscheint. So werde ich meine Batterien, das heißt Ihre an mich adressierten Briefeinlagen in Stellung bringen. Vor der Übergabe werde ich allerdings Kanzler Nitzschwitz203 den Plan lesen lassen, um auch dessen Zustimmung neben der des Herrn von Oppel sicher zu sein. Sie sehen, wie sehr ich mich für die Sache der 197

198

199

200 201

202

203

Die Gattin von Friedrich Heinrich von Seckendorff, Clara Dorothea von Hohenwarth, war vom 28. bis 30. Dezember 1743 Gast auf dem Friedenstein. Der kursiv gesetzte Teil des Titels ist im Original auf Deutsch. Friedrich Heinrich von Seckendorff, Diplomat und Militär, kam am 3. Januar 1744 auf dem Friedenstein an (vgl. Einleitung, S. 19 f.). Während des Aufenthalts von Seckendorffs weilten zahlreiche Militärs auf dem Friedenstein. Johann David Keller war durch Kaiser Karl VI. am 30. September 1738 in seiner Eigenschaft als Herzoglich Württembergischer Hofrat und Resident in Amsterdam ebenfalls der alte Reichsadelsstand zuerkannt worden. Seine Gattin war Marie Christine Schaeffer. Vgl. Anm. 198. Zu Oppel vgl. Anm. 122. Unter dem Deckmantel des Kirchenprojekt Kellers in Stedten (vgl. Einleitung, S. 24 f.) geht es hier vermutlich um die Initiative Württembergs, mit Friedrich II. von Preußen in ein Gespräch zur Beendigung des Krieges zu kommen. Ziel war, die Fürstenunion und die Kreisassoziation erfolgreich zu Ende zu führen. Friedrich II. verweigerte die dafür geforderte Trennung von Frankreich und stoppte die Vermittlungsversuche. Der Schwäbische Kreis erklärte daraufhin seine Neutralität. Mitglieder des Gothaer Oberkonsistoriums waren Hartmann von Witzleben als Präsident, Ernst Salomon Cyprian als Vizepräsident (Anm. 26), Johann Benjamin Huhn als Generalsuperintendent sowie Heinrich Ludewig Avemann als Geheimer Justiz- und Oberkonsistorialrat. Vgl. Anm. 119.

91

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

Kirche interessiere und wenn ich noch etwas anderes als eine Gelegenheit brauche, um (522 v) ihr Wachsen eifrig zu fördern, werde ich Sie in Berlin benachrichtigen. Wie immer es ausgehen mag, möge Gott Sie dabei leiten und Sie erhalten, teuerster Freund. Mein lieber Gatte, meine Schwester und unsere ganze Clique bekräftigen diesen Wunsch von ganzem Herzen mit einem Amen. Unsere teure Herzogin ist für Ihre Gesundheitswünsche sehr dankbar und übermittelt ihrem lieben Gemahl Trisette204 tausend Freundschaftsgrüße. Ich bin mit Herz und Seele und allen Ihnen bekannten Gefühlen, die so lange wie ich selbst währen, lieber Freund und Bruder, Ihre treue Schwester und ergebenste Dienerin Buchwald. Der arme Seckendorff ist ziemlich niedergeschlagen. Ich glaube, er würde am liebsten eine Partei ehrenvoll verlassen, in der er kaum Ehre findet.205 Er sagt, dass man nicht nur keine Möglichkeit sieht, einen Plan zu entwerfen, sondern letztlich alles schlechter denn je läuft. Er fährt direkt nach Dresden und Sie werden ihn in Berlin treffen.206 Wir haben auf Ihre Gesundheit getrunken und er schickt Ihnen tausend Komplimente.

39. Gotha, den 18. Januar 1744 Monsieur, mein lieber Bruder und Landsmann, (523 r) ich hoffe, dass Sie nun glücklich in Berlin angekommen sind und die Anstrengungen der Reise Ihre Gesundheit nicht so beeinträchtigen, wie ich befürchtete.207 Das wünsche ich Ihnen sehr, liebster Bruder. Das gehört zu wahrer Freundschaft. Sie lässt mich auch ungeduldig auf liebe Nachricht von Ihnen warten! Nachdem ich den Herren von Oppel und von Nitzschwitz208 Ihr mir überlassenes Schreiben gezeigt hatte, riet man mir, gleiches auch gegenüber Herrn Cyprian zu tun. Deshalb habe ich ihn zum Tee eingeladen. Er kam vor zwei Tagen. Ich habe ihm, so gut ich konnte, den Fall erklärt. Obwohl er große Schwierigkeiten voraussieht, versprach er mir, zum Erfolg dieser Angelegenheit alles ihm

204

205

206 207 208

Auffällige Kombination des Maskulinums „Gemahl“ mit dem Femininum „Trisette“. Als Triset werden drei zusammengehörende Ringe bezeichnet, von denen zwei die Eheringe eines Paares sind und der dritte ein dazu passender Diamantring für die Ehefrau ist. Vgl. Einleitung, S. 22. Die Armee Frankreichs, die Kaiser Karl VII. unterstützte, hatte in der Schlacht bei Dettingen am 27. Juni 1743 gegen die britischen, kurhannoverschen und österreichischen Truppen der Pragmatische Armee verloren, wodurch die Position des Kaisers, in dessen Diensten Seckendorff stand, stark geschwächt wurde. Preußen fühlte sich durch den Wormser Vertrag vom 13. September 1743 zunehmend bedroht, zudem waren Kursachsen und Kurköln auf die Seite Maria Theresias getreten. Keller war vor der Reise als Gesandter Württembergs an den Berliner Hof am 10. Januar 1744 auf dem Friedenstein. Vgl. Anm. 119 und 122.

92

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

Mögliche zu tun. Er erbat für sich und Herrn von Witzleben209 die Briefe, die ich von Ihnen habe, was ich ihm nicht verweigern konnte. (523 v) Gestern hat er mir auf dem hier mitgeschickten Papier die Bedingungen geschickt und mich gebeten, Sie Ihnen mitzuteilen. Bevor Ihr Ersuchen dem Herzog übergeben wird, solle ich dazu Ihre Antwort abwarten. Was er im vierten Abschnitt sagt, finde ich ziemlich ambivalent. Mit der Zeit kann er daraus je nach Gutdünken ebenso viele Helden wie Schwierigkeiten erwachsen lassen. Ich will die Post nicht verpassen und es ist schon so spät, dass ich davor zittere. Adieu, teurer Landsmann. Ich empfehle Ihnen meine liebe Mutter.210 Mein Gatte, meine Tochter und die gesamte kleine Clique, vor allem Ihre illustre Gemahlin Triset211 senden Ihnen tausend Freundschaftsgrüße und Komplimente. Ich bin mit den Ihnen bekannten Gefühlen, Monsieur, Ihre ergebenste und gehorsamste Dienerin Buchwald.

40. Gotha, den 21. April 1744 (524 r) Ich beginne mit der Bitte, teuerster Bruder, uns künftig ohne diesen unnützen Ballast an Komplimenten zu schreiben. Er ist, dem Himmel sei Dank, unter uns wahrlich nicht nötig, da wir Besseres in unsere Freundschaft einzubringen haben. Und dieses Bessere ist Gefühl! Sie sehen, dass ich Ihnen mit gutem Beispiel vorangehe. Wenn Sie dem nicht folgen wollen, lasse ich es wieder und werde meine Mitteilungen wieder mit einem „Monsieur“ beginnen und mit der „ergebensten und gehorsamsten Dienerin“ schließen. Würden Sie mir diesen Zwang auferlegen, würde ich Sie allerdings schlecht kennen. Nach dieser Präambel werde ich Ihnen, teuerster Renardin sagen, dass mir Ihr Brief unendliche Freude bereitet hat. Ihre Anrede als teuerste Ihrer Freundinnen stimmt mit meinem Herzen und Verstand so überein, dass beide völlig beruhigt sind. Ich wette, dass keine der Tinkturen Ihres berühmten Herrn Schmalkalden212 die Gesundheit eines Sterblichen so fördert wie Ihre Gefühle meine Zufriedenheit. Ich flehe Sie lediglich an (524 v) zu glauben, dass ich deren Zusicherung jedes Mal aufs Neue voller Freude empfange und weit davon entfernt bin, ein Schweigen, das sie mir vorenthält, als Diskretion zu betrachten. Falls die Herzogin von W.[ürttemberg] dieses Feingefühl höchst deplatziert findet, überlasse ich,

209 210 211 212

Vgl. Anm. 26 und 202. Vgl. Einleitung, S. 14. Im Gegensatz zu Anm. 204 erscheint hier die Kombination von maskuliner und femininer grammatischer Form umgekehrt. Vgl. Anm. 135. Die Bezeichnung ist eine kritische Anspielung auf die Bündnispolitik Friedrichs II. von Preußen, der am 22. Mai 1744 die Frankfurter Union zwischen Preußen, Hessen-Kassel, der Kurpfalz und Kaiser Karl VII. zur Verteidigung des Letzteren gründete und an verschiedenen Höfen um Beitritt warb.

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

93

deren Ansprüche auf einer alten und aufrichtigen Freundschaft gründen,]213 es Ihnen, über das, was ich davon halte, zu urteilen. Über Ihre Entschuldigungen habe ich herzlich gelacht. Ich sehe Sie hier in Ihrem Element, lieber Landsmann. Bedenken Sie aber, dass sie mir, auch wenn sie für eine große Fürstin ganz passend sein können, nicht unbedingt etwas wert sein müssen. Ich wette, dass sie gut ankamen und Ihnen wegen der Doppelrolle,214 in der Sie sich vorgestellt haben, ohne Zögern sofort verziehen wurde. Sich zu gegebener Zeit angenehm darzustellen ist eine unendlich große Kunst. Sie haben jedoch vergessen, diesem Gemälde Ihrer Amphibiengestalt eine Prise der darüberliegenden Fuchsphysiognomie hinzuzufügen, durch die Sie der Menge oft wie ein Phänomen erscheinen, das dem großen (525 r) Kometenspektakel des vergangenen Jahrhunderts ähnelt, in dem jeder das sah, was er sehen wollte.215 Es wird mir von allen Seiten versichert, dass Ihre Kirchenangelegenheit auf gutem Wege sei,216 und Herr von Witzleben sagte mir sogar, dass seiner Meinung nach diese Angelegenheit, wären Sie hier, in acht Tagen abgeschlossen wäre. Beide Präsidenten haben mir Wunder versprochen und sollen mir den Stand der Dinge schriftlich mitteilen. Falls Sie Wort halten, bevor dieser Brief abgeht, werde ich alles mitschicken. Wie unser guter Tourbillon mir sorgsam per Brief mitteilte, werden Sie von ihm mündlich erfahren haben, dass er wegen meiner Freimütigkeit ihm gegenüber wegen der kleinen Verhandlung hier sehr wütend ist.217 In der Folge hat sich gezeigt, dass es allen Grund gab zu befürchten, dass man am Berliner Hof die Sache als beschlossen betrachten, der unsere aber nicht in der Lage sein würde, sie umzusetzen, da es keine Möglichkeit gibt, die Republik in Sachen Dragonerregiment zum Rücktritt zu zwingen.218 Aber ich weiß nicht, woraus er all die Schlussfolgerungen zieht, die er meinem Brief entnehmen will und an die ich nicht gedacht habe. Ich bitte Sie eindringlich, deshalb mit ihm in meinem Namen ernsthaft, jedoch freundschaftlich zu schimpfen. Über seine Nichte219 denkt er und denken auch Sie ganz richtig. Ich bin vollkommen (525 v) gleicher Meinung, dass man in einem solchen Fall das Nützliche dem Angenehmen vorziehen muss und Bruder Tourbillon weiß 213

214 215 216 217 218 219

Maria Augusta von Thurn und Taxis, katholische Herzogswitwe von Württemberg hatte sich um 1738 nach Preußen hin orientiert. Dagegen wird auf ältere Bündnisse Sachsen-Gotha-Altenburgs mit Württemberg verwiesen, wo der erste protestantische Fürst Württembergs Ulrich 1534 die Reformation durchsetzte und 1536 dem Schmalkaldischen Bund beitrat. Keller war 1737 bis 1747 Bevollmächtigter Minister Württembergs am Wiener Hof und ab 1744 zugleich Gesandter Württembergs am Berliner Hof. Anspielung auf Kellers Ordensnamen und Brief 36. Vgl. Einleitung, S. 24 f. Graf von Gotter sollte im Auftrag Friedrichs II. von Preußen am Gothaer Hof seit April 1744 wegen Rekruten verhandeln, für die der König Subsidien versprach. Sachsen-Gotha-Altenburg hatte gegen die Zahlung von lukrativen Subsidien seit dem Ende des 17. Jahrhunderts Soldaten an die Niederländische Republik gegeben. Friederike von Wangenheim, die den Grafen von Gotter auf seinen Reisen nach Berlin und Gotha begleitete, gehörte seit 1744 zum Kreis um Herzogin Luise Dorothea, wurde 1747 deren Hofdame und 1751 mit dem Gothaer Gesandten beim Reichstag Friedrich Samuel von Montmartin verheiratet.

94

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

genau, was die teure Herzogin ihm dazu gesagt hat. Die einzige Schwierigkeit ist, den großen Cousin zu einer klaren und eindeutigen Erklärung zu bewegen.220 Er schielt mit Sicherheit nach ihr und Sie, meine teuren und geliebten Brüder, wissen genau, dass zwischen dem Schielen nach einer Schönen und einem heiligen Eheversprechen ein kleiner Unterschied besteht, sonst hätten Sie beide vielleicht ebenso viele Schönheiten wie Hemden. Ich habe die Kleine ernsthaft geprüft, die mir hoch und heilig schwor, dass er niemals etwas Ernsthaftes oder Verbindliches gesagt habe. Sie hat sogar beteuert, dass sie nichts gegen ihn habe, jedoch bekannt, dass sie den kleinen Cousin, wäre er wie der große in der Lage gewesen, ihr ein Vermögen zu verschaffen, vorgezogen hätte. Ich könne jedoch darauf bauen, dass sie alles täte, was ihr Onkel wolle. Ich sehe auch, dass sie den Cousin gut händelt und lenkt. Der wartet seinerseits vielleicht auf die Ankunft des Onkels, um Klartext zu sprechen. Gewiss ist der kleine sehr traurig und weiß, dass seine Angelegenheiten schlecht laufen. Er hat nicht mal Gelegenheit, mit der Schönen ein Wörtchen zu reden, so sehr ist sie von dem anderen besessen. Wegen der Länge des Briefs und der Krakelei entschuldige ich mich wirklich nicht. Wäre er kürzer, hätte ich weniger Vergnügen gehabt. Sie sagen gar nichts zu Ihrer Gesundheit. Hoffentlich ist das ein gutes Zeichen, denn Sie wissen, wie sehr mich alles, was einen so lieben Freund betrifft, interessiert. Die teure Herzogin übersendet Ihnen tausend Freundschaftsgrüße, mein Gatte, meine Schwester und unsere Frauen umarmen Sie ebenso wie ich, die von ganzem Herzen Ihnen gehört, Buchwald. (524 r)221 Man hat mir gerade sagen lassen, dass Ihnen das Protokoll der Kirchenangelegenheit von Stedten geschickt wurde. Bitte informieren Sie mich so schnell als möglich, ob das stimmt. Man versichert mir nochmals, dass Sie sehr gut daran täten, eher früher als später jemandem eine Vollmacht zum Abschluss dieser Angelegenheit zu erteilen. Am besten jedoch wäre Ihre persönliche Anwesenheit, die für mich zugleich das Angenehmste wäre.

41. [o. O.,222] den 19. Mai 1744 (526 r) Mit wahrer Freude habe ich, teuerster Bruder und Freund, Ihre lieben Briefe erhalten und Sie können darauf bauen, dass unsere würdige Ordensobere sich Ihre Kirchenangelegenheit zur eigenen macht.223 Nach den vielen Unterredungen mit dem orthodoxen Zauderer224 ist man der Ansicht, dass es besser wäre, Sie würden jemandem die Vollmacht 220 221 222 223 224

Ob, wie der Brieftext nahelegt, sowohl der Gothaer als auch der Berliner Hof Interesse an einem Engagement Friederike von Wangenheims hatten, ist nicht nachweisbar. Die folgende Passage wurde auf dem oberer Rand von Bl. 524 r notiert. Vermutlich Gotha. Vgl. Einleitung, S. 24 f. Ernst Salomon Cyprian, vgl. Anm. 24.

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

95

erteilten, hier in Ihrem Namen alles zu verhandeln. Wenn Sie Ihren Herrn Bruder225 dazu bewegen könnten, wäre das der kürzeste und beste Weg. Es gibt die Möglichkeit, so versichert man, sich innerhalb weniger Tage außergerichtlich mit den Bischlebenern zu arrangieren, anstatt ihnen mit einem gerichtl.[ichen] ausspruch zu drohen226. In diesem Fall wird das elende Gesindel der Advokaten die Gemeinde unfehlbar dazu bewegen, die Risiken auf sich zu nehmen und Sie hätten, wie auch immer der Ausgang wäre, den Ärger mit einem Prozess. Den könnte man allerdings in die Länge ziehen, damit Sie Zeit gewönnen. Um Sie darüber zu informieren, wie man über die Minimierung aller (526 v) Schwierigkeiten denkt, wollte ich die heutige Post nicht verpassen. Von Seiten des Hofs und des Ministeriums gibt es übrigens kein Problem, einem gerichtl.[ichen] Ausspruch zuzustimmen. Als Freund aber und weil man wünscht, dass Sie bald freie Hand haben mögen, gibt man Ihnen diesen Rat. Machen Sie mir die Freude und teilen Sie mir unverzüglich Ihre Entscheidung mit, denn ich bekenne, dass mir der Erfolg dieser kleinen Angelegenheit eigentlich mehr am Herzen liegt als der der großen, bei der ich wahrlich gern darauf verzichten würde, die Feder in die Hand zu nehmen, so sehr bin ich ihrer leid. Hat man jemals ein solches Verfahren gesehen? Ich persönlich wäre bereit, alles hinzuschmeißen und bereitwillig zum Teufel gehen zu lassen – unseren armen Tourbillon großzügig ausgenommen, dessen Krankheit mich beunruhigt und wirklich betrübt. Bitte grüßen Sie ihn von mir und bekunden Sie ihm mein Mitgefühl an all seinen Leiden. Um ihn zu grüßen und zu bedauern, braucht es allerdings ein Herz wie meins und einen Zustand wie seinen. Hat er doch in seinem Brief mir gegenüber die spitze Bemerkung fallenlassen, dass man ihn bedaure, von uns zum Narren gehalten worden zu sein!227 Ob er dieses schöne Kompliment so, wie er es wiedergibt, bekommen hat, weiß ich nicht, weiß aber sicher, dass ich es für eins der unangebrachtesten halte und er keine Antwort darauf verdient. Ich kann all dem nur ein gutes Omen für die Lage unseres (527 r) lieben Bruders Tourbillon entnehmen, die ich gar nicht so schlecht finde, denn er beliebt weiterhin zu spotten. Ich werde ihm sicher mit der nächsten Post schreiben. Heute kann ich gerade so diese Zeilen kritzeln, die Sie vielleicht gar nicht dechiffrieren können. Ihre Hoheiten senden Ihnen beide tausend Freundschaftsgrüße, mein lieber Gatte und unsere Weiberchen versichern Sie ihres Gehorsams und ich bin von ganzem Herzen, mein teuerster Bruder, ganz die Ihre, Buchwald. Sagen Sie unserem Freund, dass die öffentliche Meinung über seine Nichte von der seinen sehr abweicht,228 denn alle glauben, dass sie dem großen Verehrer mehr Wohlwollen als dem anderen zeigt, der mit ihr wahrlich nicht zufrieden ist. Andererseits wird behauptet, der Große bilde sich ein, dass er nicht in der Zuneigung der Dame, sondern in früheren Vereinbarungen Schwierigkeiten finden werde, die zwischen dem Onkel seit dessen letzter

225 226 227 228

David von Keller, vgl. Anm. 199. Vgl. Anm. 20. Der kursiv gesetzte Ausdruck ist im Original auf Deutsch. Vgl. Anm. 217. Sachsen-Gotha-Altenburg verzögerte die von Gotter zu verhandelnde Truppenstellung für Friedrich II. von Preußen bis 1746. Vgl. Brief 40.

96

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

Reise und dem Kleinen getroffen wurden. Seine häufigen Ausflüge nach Molsdorf bestätigen ihn in diesem Gedanken.

42. Gotha, den 3. Juni 1744 (528 r) Schon länger, lieber Freund, kennen Sie das Vertrauen und die Freundschaft unserer teuren Herzogin zu Ihnen. Beides bewegt sie nun, Ihre Ansicht zu einer Angelegenheit zu erbitten, in der es für sie extrem wichtig ist, eine so weise und auch aufrichtige wie die Ihre zu bekommen. Es handelt sich darum, den Prinzen, ihren Sohn, vom Hof zu entfernen und einen Ort zu wählen, wo seine Erziehung erfolgreicher als in seinem Vaterhaus zu sein verspricht.229 Neben diesem allgemeinen Grund, der seine Entfernung wünschen lässt, gibt es noch besondere, den Prinzen betreffende Umstände, die dies absolut gebieten.230 Nachdem zum möglichen Ort reiflich analysiert und nachgedacht worden ist, kam man überein, dass es keinen angemesseneren als Paris gebe, wo man ihn bis zum fünfzehnten Lebensjahr lassen will. In dieser Zeit solle er dort als Schüler leben und keinerlei Kontakt zur vornehmen Welt haben. Danach will man ihn an eine Universität in Deutschland oder Holland zum Studium des Natur- und des öffentlichen Rechts sowie der Reichsgeschichte schicken. Anschließend (528 v) soll er seine Reisen unternehmen und nach Frankreich zurückkehren, um dort den Hof und die vornehme Welt zu sehen. Die einzige Schwierigkeit entspringt den aktuellen und zukünftigen politischen Umständen. Angesichts dessen, dass wir Holland Truppen überlassen haben, wäre es wichtig zu wissen, ob dem Prinzen beim Aufenthalt in Paris im Falle einer Kriegserklärung Frankreichs Unannehmlichkeiten entstehen könnten.231 Herr von Thun hat, um das aufzuklären, an den Minister Zweibrückens, Herrn von Wernicke, geschrieben, der zurzeit in Frankfurt weilt.232 Als Privatperson ohne Auftrag sollte dieser bei Monsieur de Chavigny, der zu seinen guten Freunden gehört, sondie229

230 231 232

Vgl. Einleitung, Anm. 33. Als Prinzenerzieher und Reisebegleiter für den neunjährigen Erbprinzen Friedrich Ludwig wurde Ulrich von Thun engagiert. Thun hatte in Rostock, Straßburg und Leipzig studiert und als Hofmeister an den Höfen von Nassau-Usingen, Pfalz-Zweibrücken sowie HessenDarmstadt gewirkt. Mehrere Reisen führten ihn nach Paris, wo er 1757 bis zu seinem Tod 1788 als außerordentlicher und bevollmächtigter Gesandter des Herzogs von Württemberg lebte. In die Beratungen über die Erziehung des Prinzen war auch Ernst Christoph von Manteuffel einbezogen, der für Leipzig als Ausbildungsort plädierte. Erbprinz Friedrich war körperlich missgebildet. Die hier umrissene Grand Tour ähnelt der Bildungsreise nichtlegitim geborener Prinzen. Die Gefahr eines Kriegs zwischen Frankreich und dem Heiligen Römischen Reich war latent vorhanden. Die Niederländischen Generalstaaten waren zwar offiziell neutral, unterstützten jedoch Österreich. Thun kannte den Diplomaten Georg Philipp von Wernicke, der später Gesandter Württembergs in Paris war, vom Pfalz-Zweibrücker Hof.

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

97

ren.233 Dem hier Beigefügten können Sie die Antwort des Ministers entnehmen. Sagen Sie uns, lieber Bruder und Freund, ob Sie glauben, dass der Prinz in Paris in völliger Sicherheit wäre. Man will ihn Ende August abreisen lassen und es ist Zeit, sich wegen der nötigen Reise- und Aufenthaltsvorkehrungen festzulegen und wegen des Ortes zu entscheiden. Sie sind mit den Vorgängen und dem gesamten politischen System vertraut und ein Freund unserer teuren Herzogin. Sie rechnet damit, dass Sie zu ihrer Beruhigung beitragen und (529 r) ihr helfen, die Ihrer Meinung nach bessere Partei zu ergreifen. Mit großer Ungeduld erwartet sie Ihre Antwort und hat mich wohl zwanzig Mal ermahnt, die heutige Post nicht zu verpassen. Sie hat den heiligen Vater zu sich rufen lassen und ihm Ihre Kirchenangelegenheit sehr ernsthaft nahegelegt.234 Er hat die unglaublichsten Dinge versprochen. Morgen früh werden wir sehen, was daraus wird, denn man wird ihn in die Sitzung des Geheimen Rats rufen, wo die Sache entschieden werden muss. Nach allen nur denkbaren Bemühungen sowohl bei den Herren des Konsistoriums als auch bei den beiden Geheimen Räten müsste es mit dem Teufel zugehen, ginge sie nicht zu Ihren Gunsten aus. Ich habe in eben diesem Moment Ihre beiden Briefe vom 25. bekommen, einen durch Ihren maître Jacques und den andern per Post. Sie können dem gerade Geschriebenen entnehmen, dass man schon im Voraus an dem gearbeitet hat, womit Sie mich beauftragen. Ich hoffe, Ihnen mit der nächsten Post, dazu Entscheidendes sagen zu können. Gestern Abend kamen Graf von Bünau und seine Gattin.235 Sie sind vergnügter als sonst und man spricht von einem Vertrag, mit dem sich der König von Pr.[eußen] verpflichtet habe, (529 v) dem Kaiser mit aller Kraft beizustehen.236 Was für ein segensreicher Tag ist für mich heute! Man bringt mir Ihren lieben Brief vom 30. und einen von unserem Tourbillon. Darauf ist heute unmöglich zu antworten. Das geht erst mit der nächsten Normalpost. Unterdessen grüße ich ihn und auch Sie von ganzem Herzen. Ich werde Ihr Ersuchen weitergeben. Ich bin zurück und will den angefangenen Brief nun beenden,237 lieber Freund, und Ihnen sagen, dass die Herzogin alle nur denkbaren Vorsichtsmaßnahmen wegen des alten Wolfs von Cyprian getroffen hatte. Sie hat ihm Ihr Ersuchen vor der Übergabe an den Herzog gezeigt, nochmals sehr ernsthaft mit ihm gesprochen und er versprach, sich entsprechend zu verhalten. Im Geheimen Rat tat er genau das Gegenteil. Da wir für einen solchen Fall jedoch Maßnahmen ergriffen hatten, wird er der Dumme sein. Um es kurz zu machen: Der Herzog gewährt Ihnen, worum Sie im Ersuchen gebeten haben. Sie können, während 233

234 235

236 237

Théodore Chevignard de Chavigny war 1744 bis 1745 Botschafter Frankreichs im Kurfürstentum Bayern und in Frankfurt am Main. Er verhandelte 1744 die antiösterreichischen Verträge zwischen Frankreich und Preußen. Vgl. Einleitung, S. 24 f. Bünau (vgl. Anm. 181) war in dritter Ehe mit Christine Elisabeth von Arnim verheiratet. Das Ehepaar kam am 2. Juni 1744 auf den Friedenstein. Auch in den Folgemonaten sind Besuche des Grafen von Bünau verzeichnet. Die Frankfurter Union aus Preußen, der Kurpfalz und Hessen-Kassel hatte am 22. Mai 1744 einen Allianzvertrag mit Kaiser Karl VII. geschlossen Der Nachtrag wurde vermutlich geschrieben, nachdem Friedrich II. von Preußen am 5. Juni 1744 dem Nymphenburger Vertrag beigetreten war und sich dadurch die Unterstützung Frankreichs, Spaniens, Schweden, Neapels, Bayerns, der Kurpfalz und Kurköln sicherte.

98

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

Sie auf Ihre Kirche warten, schon bauen. Ich weiß nicht, ob Sie die Ausfertigung des Reskripts mit dieser oder der nächsten Post erhalten werden. Sicher ist jedoch, dass die Sache entschieden wurde. Die teure Herzogin und Herr von Oppel238 haben wie Engel gehandelt, mich freut das von Herzen. Adieu, ich kann nur ein semper eadem239 hinzufügen, Buchwald. Mein lieber Gatte und meine Schwester und alle unsere Weiberchen übermitteln Ihnen tausend ergebenste Komplimente. Entschuldigen Sie das verworrene Gerede und die Kritzelei in diesem Brief. Ich bin völlig durcheinander und glaube, so einen in meinem gesamten Leben nicht geschrieben zu haben. Hier ist als Beilage zum Brief das Billet, das Herr von Thun mir gerade bringt.240

43. Gotha, den 6. Juni 1744 (540 r) Schreckliche Kopfschmerzen erlauben mir nicht, Ihnen, lieber Freund, einen langen Brief zu schreiben, können mich aber nicht daran hindern, Ihnen die Kopie des Reskripts in Ihrer Angelegenheit zu senden, dass der Herzog dem Konsistorium übergegeben hat. Der höchst orthodoxe Cyprian, danach befragt, warum er sich anders verhalten habe als der Herzogin versprochen, hat sich mit fadenscheinigen Gründen zu entschuldigen versucht. Schließlich ließ er in seinem Enthusiasmus den wahren Grund raus und sagte: „Ich kenne die Würtemberger, es seind lautter pfäffische indifferentisten.“241 Haben Sie jemals etwas Blöderes als diesen alten Schwätzer gesehen? Ich bin auf diesen alten Wolf und seine hündische Orthodoxie so wütend, dass ich ihn am liebsten verprügeln würde. Aber ich werde es nicht tun, weil ich fürchte, dass er (540 v) Ihnen in den drei oder vier elenden Tage, die ihm noch zum Leben bleiben, Ärger machen könnte.242 Sie täten deshalb sogar besser daran, ihn nicht wissen zu lassen, dass Sie über die Geschehnisse informiert sind. Er wird sich zumindest stets zu Zurückhaltung verpflichtet fühlen, denn persönlich spricht er gut von Ihnen und tut so, als verehre er Sie. Ich dachte aus allen Wolken zu fallen, als ich gerade in meinem Schreibtisch den Brief fand, den ich meinem vorhergehenden beigelegt zu haben glaubte. Er enthält die Antwort 238 239

240 241 242

Vgl. Anm. 122. (Lat.) Stets dieselbe. Wahlspruch der Königin Elisabeth I. von Großbritannien und Irland. Die Verwendung des Wahlspruchs Elisabeths I. verweist im Kontext des in Anm. 237 erwähnten Bündnisses auf die weiterhin erhoffte Unterstützung Österreichs durch Großbritannien. Die oben angekündigte Beilage wurde erst mit dem Brief vom 6. Juni 1744 gesandt. Im Original Deutsch, zugleich Anspielung auf die noch unklare Haltung Herzog Karl Eugens von Württemberg zu den Religionsreversalien (vgl. Einleitung, S. 6 und S. 24). Die Kirche in Stedten wurde erst nach dem Tod Cyprians im Beisein Friedrichs III. am 20. September 1745 eingeweiht.

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

99

Monsieur de Chavignys an Wernicke, auf die von Thun erbetene Anfrage. Ich füge ihn hier bei und bitte Sie und die teure Herzogin um Verzeihung für meine Zerstreutheit. Ich war zu sehr in Eile und der Graf Bünau mir zu sehr auf den Fersen, als ich das von Herrn von Thun gebrachte Billet nahm. (515 v) Beilage 243 Herr von Riedesel, der in eigenen Angelegenheiten in Frankfurt war,244 hatte mit Herrn von Heringen245 zahlreiche Gespräche. Der sagte ihm, dass der hiesige Hof sehr gut daran täte, seine Truppen von den Holländern abzuziehen,246 egal, was es koste, dass es zwischen dem König von Pr.[eußen], dem Kaiser und Frankreich einen Vertrag gebe,247 dem die wichtigsten Höfe des Reichs schon beigetreten wären, um den Kaiser, dem der König von Preußen mit aller Kraft beistehen werde, zu halten, dass die geistlichen Stände zu keinerlei Opposition in der Lage seien, dass im Übrigen die ihnen von den Höfen Wien und Hannover in den Kopf gepflanzte Idee durch den Beweis, dass der Kaiser weder daran glauben könne noch wolle, ganz leicht zu zerstören war, sich die Mehrzahl schon davon abgewandt habe und letztlich die von uns ergriffene Partei die riskanteste sei, dass Herr von Chavigny Heringen sogar beauftragt habe, (515 r) unseren Hof darüber zu informieren, weil er von dessen Beziehung hierher wusste und auch, dass er eine Pension erhalte. (540 v) Allerdings wüsste ich nicht, wie man ehrenvoll auch nur erwägen kann, sich zu einem solchen Schritt drängen zu lassen. Der Hass Heringens auf das Haus Österreich wie auch der ängstliche Charakter des Herrn von Riedesel sind bekannt. Alles zusammen kann sicher den Brief diktiert haben. Gewiss ist die gegenwärtige Krise nicht angenehm, aber ohne eine allgemeine Umwälzung glaube ich nicht, dass wir viel zu befürchten hätten. Wie man dabei gegenüber dem K.[önig] von Pr.[eußen] zu handeln entschlossen ist, beurteilen Sie völlig richtig.248 Genau das ist der Plan. Übrigens weiß man gut, was man von der vermuteten Zustimmung Ihrerseits zu dem, was der gute T.[hun] schreiben kann, zu halten hat.249 Man kennt Sie und das genügt.

243

244 245 246 247

248

249

Die vermutlich als zusammenfassende Abschrift an Keller gesandte Wiedergabe der angeblichen Aussage Chavignys (vgl. Anm. 233) ist undatiert. Der letzte Abschnitt scheint ein Kommentar zu sein. Das von der Herausgeberin als Beilage gekennzeichnete Blatt wird hier trotz abweichender Paginierung aufgrund seines inhaltlichen Bezugs in den Brief der Buchwald eingefügt. Der Jurist Johann Wilhelm von Riedesel war sächsisch-eisenachischer Hofgerichtsrat und Vizepräsident des Hofgerichts in Jena, Mitglied der Landesregierung zu Gotha, Hof- und Justizienrat. Der Jurist und Geheime Rat Rudolf Anton von Heringen war 1743–1749 Komitialgesandter der Ernestinischen Herzöge beim Reichstag in Regensburg. Vgl. Anm. 218. Am 5. Juni 1744 schloss sich Friedrich II. von Preußen mit den in der Frankfurter Union verbundenen Herrschern den durch den Nymphenburger Vertrag von 1741 verbündeten Staaten Bayern, Frankreich und Spanien an. Zum Bündnis gehörten auch Kursachsen, Hessen-Kassel/Schweden, das Königreich Neapel, die Kurpfalz und Kurköln. Russland sollte ebenfalls eingebunden werden. Der Gothaer Hof unterschätzte das in Anm. 247 umrissene Bündnis, das für Friedrich II. von Preußen die Absicherung für die unmittelbar darauf erfolgende Kriegserklärung gegen Österreich am 10. August 1744 war. Vgl. Anm. 229 und 232.

100

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

44. Sonntag abends, den 28. Juni [o. J.250] (589 r) Man hat mir soeben gesagt, lieber Bruder und würdiger Freund, dass Sie heute Abend zu Hause erwartet werden und zugleich, dass Sie um vier Uhr morgens wieder abreisen. Wie also Sie treffen? Wäre ich heute nach dem Diner gekommen, hätte ich Sie, so wird mir versichert, noch nicht angetroffen. Käme ich morgen früh, wird mir gesagt, seien Sie nicht mehr da. Ich möchte Sie sehr gern umarmen, von einer Gelegenheit, die das Schicksal mir selten schenkt, profitieren. Falls Sie morgen um acht Uhr früh noch in Stedten sind, werden Sie mich für eine Viertelstunde sehen. Über dieses Glück und das, davon unserer lieben Herzogin berichten zu können, wäre ich entzückt, lieber Bruder. Deren Brief wird Sie informieren, wie dankbar sie Ihnen für Ihre weisen Ansichten ist, die alle umgesetzt werden.251 Der Pr.[inz] wird nach Genf geschickt252 und Sie können darauf vertrauen, dass man alles Sie Betreffende perfekt geregelt hat253. Dessen Anwältin ist allein die Herzogin. Tausend Komplimente an Ihre Schwester.254 Ich bin vollkommen die Ihre, Buchwald. Ein mündliches Ja oder Nein an den Boten.

45. Gotha, den 22. August 1744 (530 r) Ihr lieber Brief, teuerster Freund, hat mich außerordentlich gefreut und weil ich nicht als erste eine quälende Schreibpause brechen wollte, erwarte ich, dass Sie mir mein so zermürbendes Abwarten anrechnen. In dieser Zeit habe ich zwanzig Mal daran gedacht, auf ehrenvolle Diskretion zu verzichten, den wirklich einzigen Grund, dessen Sie mich anklagen könnten. Ich gebe zu, dass diese Tugend mich viel gekostet hat, und der dadurch entstandene Sieg scheint mir im Augenblick weit unter der Freude zu rangieren, die ich durch wechselseitige Nachrichten hätte haben können. Aber gut, so ist es mit den mensch250 251 252

253 254

Absendeort ist vermutlich Gotha, das Jahr vermutlich 1744. Keller kehrte kurz aus Berlin zurück. Der erste Brief von Herzogin Luise Dorothea an Keller datiert vom 17. Juni 1744, in dem sie Keller für seine Antwort auf die Anfrage der Buchwald zur Reise des Erbprinzen Friedrich dankt (vgl. Brief 42). Die Änderung des ursprünglich für den Erbprinzen vorgesehenen Aufenthaltsortes Paris (vgl. Brief 42) erfolgte während des Berlinaufenthaltes von Keller angesichts des zu erwartenden Eintritts Frankreichs in den Krieg. Die Herzöge von Sachsen-Gotha-Altenburg protegierten seit etwa 1721 die lutherische Gemeinde in Genf und vermittelten die Pfarrer. Zugleich bestand durch diesen Wechsel des Erziehungsortes die Möglichkeit, die dort ansässigen protestantische Bankiers zu kontaktieren. Vgl. Einleitung, S. 24 f. Vgl. Anm. 188.

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

101

lichen Tugenden. Gott bewahre mich vor einer Tirade moralischer Reflexionen. Das böte mir zahlreiche Themen, weil diese Materie mich zu stark hinreißen und ich vielleicht die Post verpassen würde. Selbst wenn ich sie nicht verpasste, liebster Bruder, fürchte ich, dass mein Brief Sie nicht mehr in Stuttgart erreicht. Der Ihre ist vom 15. und gerade angekommen. Sie schreiben, dass Sie in etwa einer Woche zurück sein werden. Wenn Sie diesen Plan umsetzen, wird mein Brief verlieren. Aber ich werde wohl trotzdem zufrieden sein, weil ich Sie dadurch früher sehe. Es ist besser, dass dies eher (530 v) mir als diesem Blatt Papier widerfährt. Was kann man zu diesem niederschmetternden Ereignis255 anderes sagen, als dass alles verloren ist. Es sei denn, ein Wunder geschieht. Aber nichts deutet darauf hin. Um es zu verdienen, hätte anders vorgegangen werden müssen. Wie konnte man gegenüber allem, was Sie vorschlugen, so taub sein, nicht nur mit Blick auf W.[ien], sondern auch zuvor wegen der Räumung Bayerns!256 Ich glaube, dass man dies jetzt bitter bereut. Was aber hilft ihnen und uns allen nun ihr sinnloses Bedauern. Ihre Hoheiten übermitteln Ihnen, mein lieber Bruder, tausend Komplimente und Freundschaftsgrüße und beschwören Sie, uns bei Ihrer Rückkehr einige Tage zu schenken, entweder hier oder in Ichtershausen, wohin man Ende der kommenden Woche reisen möchte.257 Falls Sie entgegen aller Erwartung verpflichtet sein werden, noch länger als vorgesehen an Ihrem Hof zu bleiben, bittet man Sie dringend, lieber Bruder, uns einige freundschaftliche und brüderliche Hinweise zu dessen geplanten Maßnahmen zu geben und Ihre weisen Ratschläge den Ihrer Meinung nach von uns zu ergreifenden hinzuzufügen. (531 r) Viel mehr als nach dem Ruhm, respektabel im Sinne eines von Ihnen angedeuteten Gemeinplatzes genannt zu werden, was wir offenbar so wie Sie verstehen, streben wir zweifelsohne an, wirklich respektabel zu sein. Ich habe mich an den attischen Führer Perikles erinnert. Thukydides, der von ihm im Kampfspiel zu Boden gezwungen wurde, berichtet, dass Perikles danach mit außerordentlicher Beredsamkeit zu beweisen suchte, dass der am Boden liegende Thukydides nicht gestürzt sei.258 Ebenfalls in der kommenden Woche soll der Prinz nach Genf reisen.259 Unsere ganze männliche und weibliche Ordensgemeinschaft sendet Ihnen viele Komplimente und Freundschaftsgrüße, vor allem mein lieber Gatte und meine Schwester. Ich erwidere all 255 256 257 258

259

Friedrich II. hatte den Zweiten Schlesischen Krieg mit dem Überfall auf Böhmen am 12. August 1744 begonnen. Bayern war nach dem Gefecht von Simbach am 9. Mai 1743 von bayerischen und hessischen Truppen geräumt und von Österreich besetzt worden, so dass Kaiser Karl VII. ohne Land war. Der Sommeraufenthalt des Gothaer Hofs auf dem Landsitz dauerte vom 28. August bis 9. Oktober 1744. Referenz auf das 8. Buch der Perikles-Biographie des antiken Biographen und Philosophen Plutarch. Demnach soll Thukydides Melesias, Feldherr und Führer der aristokratischen Opposition Athens gegen die Machtbestrebungen des Perikles, während seiner Verbannung auf die Frage, ob er oder Perikles im Ringen geübter sei, geantwortet haben: „Wenn ich ihn auf den Boden werfe, leugnet er doch, dass er gefallen sei, er behält recht, und überredet selbst die, die es gesehen haben.“ Erbprinz Friedrich reiste mit dem Erzieher Ulrich von Thun und einem kleinen Hofstaat am 26. August 1744 von Gotha ab.

102

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

Ihre und vier andere Umarmungen und danke Ihnen Millionen Mal für Ihre verbindliche Sorge um meine liebe Mutter,260 die ich Ihrer Freundschaft, mein würdiger Freund, empfehle und bin von ganzem Herzen mit allen Ihnen bekannten Gefühlen und aller Zuneigung, geschätztester Bruder, Ihre treue Schwester Buchwald. (531 v) Unser Freund Tourbillon schreibt völlig enttäuscht von der dritten Ablehnung seines Reisegesuchs nach Molsdorf durch den König261 und schwört, dass es keine Barbarina gebe, die ihn halten und in diesem Desaster trösten könne.262 Das Desaster des Barons von Pöllnitz ist für mich das einzige wirklich schreckliche.263 Er war einige Tage hier und hat mich lesen lassen, was der König ihm schrieb, zu welch ehrenvollen Bedingungen er ihm die Gnade erweisen würde, ihn wieder in seine Dienste zu nehmen. Wenn er das akzeptiert, würde ich das, ehrlich gesagt, nicht verstehen. Warum hängt er sich nicht auf oder bringt jemand anderen um? Für mich wäre das Leben nach solchen Erniedrigungen eine höchst schwere Last. Mein Herz schämte sich für ihn beim Lesen dieser schönen Stücke zutiefst. Das versichere ich Ihnen. Er ist nach Kassel gereist, um Fürsprache vom Statthalter zu bekommen.264

46. Ichtershausen, den 5. September 1744 (532 r) Bevor mich Ihr Brief erreichte, mein teuerster Freund, war er, obwohl per Stafette bis auf zwei Meilen von hier befördert, zehn Tage unterwegs. Man hatte ihn sicherlich nach Gotha geschickt und, als man mich dort nicht antraf, die Güte, ihn dort vier bis fünf Tag liegenzulassen, bevor man ihn hierherbrachte, wo wir uns seit zwölf Tagen befinden. Glauben Sie, lieber Bruder, dass ich die Widrigkeiten, die Ihre Rückkehr verzögern, doppelt stark empfinde, da ich nun so nah bei Stedten bin und in der Lage gewesen wäre, oft von der Anwesenheit unseres lieben Renardin profitieren zu können. Schon deshalb würde 260 261

262

263

264

Vgl. Einleitung, S. 14. Graf von Gotter, seit 1740 im Dienst Friedrichs II. von Preußen, war erst wieder am 29. Oktober 1744 Gast auf dem Friedenstein. Er hatte aus finanziellen und gesundheitlichen Gründen die Entlassung aus dem preußischen Staatsdienst erbeten, der erst 1745 stattgegeben wurde. Die aus Parma stammende, zuvor in Paris und London engagierte Tänzerin Barbara Campanini war von 1744 bis 1749 von Friedrich II. für die von Graf von Gotter seit 1743 geleitete Königliche Oper in Berlin engagiert worden, trat ihr Engagement jedoch nicht an. Karl Ludwig von Pöllnitz war mehrfach Gast auf dem Friedenstein, zuletzt am 24. Januar 1744. Friedrich II. von Preußen hatte Pöllnitz 1740 zum Oberzeremonienmeister ernannt, ihn jedoch am 1. April 1744 mit einem scharfen Schreiben beurlaubt und dessen Posten gestrichen. Ein Brief des Königs zur Wiedereinstellung ist nicht überliefert, jedoch kehrte Pöllnitz laut einem Brief Jordans an Friedrich II. vermutlich im August 1744 nach Berlin zurück. Statthalter und ab 1751 Landgraf von Hessen-Kassel war Wilhelm VIII., dessen Bruder Friedrich seit 1730 zwar Landgraf von Hessen-Kassel, zugleich jedoch seit 1720 König von Schweden war.

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

103

ich neben anderen Gründen von ganzem Herzen all die Hunde von Zeloten in die Hölle wünschen. In einem gewissen, von Ihnen erwähnten Brief bewundere ich die Art zu denken und sich auszudrücken.265 Unsere teure Herzogin, die Ihnen tausend und abertausend Freundschaftsgrüße sendet, sagt, dass es die Ihre sei und der Brief Ihre Seele vollkommen widerspiegele. Das gelänge dem geschicktesten Maler mit Ihren Gesichtszügen niemals so perfekt. Sie bemerken sicher, lieber Renardin, dass sie von Ihrer Seele eine sehr vorteilhafte Meinung hat. Angesichts dessen ist es (532 v) nicht erstaunlich, dass sie Sie allen ihr bekannten Ministern dieser niederen Welt vorzieht. Ich kann Ihnen zugleich versichern, dass ihr Vertrauen in Sie und ihre Hochachtung unermesslich sind. Sie befiehlt mir, lieber Bruder, Ihnen den beigefügten Brief vertraulich zuzusenden und bittet Sie sehr um Ihre Ansicht zu dessen Inhalt.266 Ich habe darauf zunächst geantwortet, dass der Fall des Hauses Sulzbach und Neuburg nicht wie der unsere sei Dieser Hof habe lediglich einer neutralen Macht, die selbst jetzt noch keine Partei ergriffen hat, Truppen gegeben. Andererseits drängt die Republik außerordentlich stark auf den Marsch des Dragonerregiments. Es wäre für das jämmerliche Regiment nach all dem Ihnen bekannten Durcheinander, das man in B.[erlin] hatte,267 wahrlich unangenehm, wäre man verpflichtet, es den Holländern zu verweigern oder es zurückzuziehen. Selbst es zu behalten, wird viele Unannehmlichkeiten hervorrufen. Allerdings haben sich die Umstände wirklich gewaltig verändert. Man fleht Sie, teuerster Freund an, uns ganz freimütig Ihren Rat zu erteilen. Sie können darauf zählen, dass Sie niemals auch nur der geringsten Indiskretion ausgesetzt sein werden und man all dem verpflichtenden Dank, den man Ihnen schon bisher für Ihren Eifer und die Freundschaft gegenüber diesem Haus schuldet, weiteren hinzufügen wird. Unser lieber Prinz ist am 26. (533 r) des vergangenen Monats aus Gotha abgereist.268 Es war ein sehr heißer Tag und ein großer Sieg der teuren Herzogin über ihr Herz. Gott möge sie dafür mit dem Erfolg der Erziehung ihres Sohnes belohnen. Die letzten Briefe Thuns sind aus Worms. Er merkt an, dass er, statt über Stuttgart zu reisen, den Weg durch das Elsass nimmt, denn er habe erfahren, dass dieser frei von Truppen und der andere davon überschwemmt sei.269 Bevor ich nun schließe, muss ich Ihnen noch im Vertrauen sagen, dass der Platz des entfernten Prinzen in einigen Monaten von einem zweiten Prinzen eingenommen werden könnte, wenn es Gott gefällt, uns einen solchen anstelle einer zweiten

265 266

267 268 269

Nicht erschließbar. Luise Dorotheas Brief ist nicht erschließbar. Die seit 1742 vereinigten Linien der Wittelsbacher Häuser Sulzbach und Neuburg wurden von Karl Theodor als Karl IV. Pfalzgraf, Kurfürst von der Pfalz und Herzog von Jülich und Berg regiert. Er hatte 1728 die militärstrategisch wichtige Markgrafschaft Bergen-op-Zoom in den niederländischen Generalstaaten geerbt. Deshalb waren für ihn Truppenbereitstellungen für die Niederlande reichsrechtlich betrachtet unproblematischer als für Sachsen-Gotha-Altenburg. Friedrich II. forderte von Sachsen-Gotha-Altenburg Truppen. Vgl. Einleitung, S. 19. Im Brief Ulrich von Thuns aus Worms vom 30. August 1744 an Herzog Friedrich III. werden Sicherheitsgründe genannt.

104

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

Prinzessin zu geben.270 Unser Tourbillon wird sich am 10. dieses Monats endlich auf den Weg in sein geliebtes Molsdorf machen und Herr von Pöllnitz ist auf der Rückreise nach Berlin nochmals durch Gotha gekommen.271 Was für ein Unglück, zu solch einem Preis zu existieren! Adieu, lieber und würdiger Freund. Ich erwidere aus tiefstem Herzen all Ihre Umarmungen, ebenso mein Gatte und meine Schwester. Unser Dank für Ihre Güte und Sorge um unsere liebe Mutter ist gewiss so groß wie unsere Schuldigkeit. Beides wird nie aus meinem Herzen gelöscht, gleich der aufrichtigen und unverbrüchlichen Zuneigung, mit der ich gänzlich Ihre Buchwald bin. Haben Sie die Güte und werfen […] den Brief in […]272

47. Gotha, den 7. November 1744 (534 r) Über meine Freude bei Ihrem Erscheinen, teuerster Bruder, werde ich Ihnen nichts sagen, denn Sie haben sie gesehen.273 Dessen bin ich sicher, und da meine Physiognomie nichts besser kleidet als dieses Gefühl, haben Sie für Gesundheit gehalten, was in Wahrheit nur auf meine Freude über Ihre teure Anwesenheit zurückzuführen war. Aber je länger sie dauerte und je mehr ich ahnte, dass sie zu kurz sein würde, desto treffender war Ihr Vergleich unserer Begegnung mit einem Traum. Der war für mich immerhin sehr angenehm und so kann ich mit Voltaire sagen, dass das Erwachen mir nicht alles nahm.274 Zurück blieben Dankbarkeit und noch ein Grad mehr an Bewunderung für Ihr umfassendes und geradliniges Genie, für die Aufrichtigkeit und Güte Ihres Herzens. Hielten Sie das Gesagte für ein Kompliment, wäre ich wirklich beleidigt, lieber Freund. Nein, ich gebe mein Ehrenwort, dass ich, von diesem begründeten Empfinden durchdrungen, mit einer Art Eitelkeit gern daran denke und mich damit beschäftige. Vielleicht geschieht das mehr aus Eigenliebe als aus Liebe zu Ihnen. Schließlich, so bekenne ich, lieber Bruder, schmeichelt mir 270 271 272 273 274

Prinz Ernst Ludwig wurde am 30. Januar 1745 geboren. 1741 war Prinzessin Friederike Luise nach zwei männlichen Zwillingspaaren (Totgeburten 1735 und 1739) am 30. Januar zur Welt gekommen. Vgl. Anm. 261 und 263. Ein Besuch von Pöllnitz ist im Fourierbuch nicht verzeichnet. Die Textlücken sind durch Ausriss entstanden. Ein Besuch Kellers auf dem Friedenstein ist für diesen Zeitraum nicht notiert. Sein Name erscheint im Gothaer Fourierbuch erst wieder am 19. Januar 1745. Referenz auf das Gedicht Voltaires für Ulrike von Preußen, die „Songe de M. de Voltaire à la princesse royale de Prusse au mois de septembre 1743 lorsqu’il était à Berlin“: Souvent un air de vérité //Se mêle au plus grossier mensonge; //Cette nuit dans l’erreur d’un songe, //Au rang des Roi j’étois monté. //Je vous //aimois alors, et j’osois vous le dire; Les dieux à mon reveil ne m’ont pas tout ôté; //Je n’ai perdu que mon Empire. Der als Kommentar auf die erneute Flucht Kaiser Karls VII. aus seiner Residenz München zu lesende Text wurde in den handschriftlichen anonymen poetischen Textsammlungen in Gotha und Darmstadt identisch parodiert (FG Gotha, Chart. B. 1344, Bl. 92 und Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt, HS 1731, Bl. 128).

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

105

nichts mehr als die Vollkommenheit meiner Freunde und vor allem derer, die ich wie Sie besonders liebe. Mir ist, als würde ich deren Vorzüge teilen und ihr Verdienst durch die mir erwiesene Ehre auf mich abfärben. Bedenken Sie, mein lieber und würdiger Freund, für wie viele Dienste ich Ihnen verbunden bin und wie sehr mich (534 v) ihr Schicksal deshalb aus tiefster Seele interessiert. So beunruhigt mich, lieber Renardin, der Plan, von dem Sie mir noch immer als einer sehr ernsten Idee erzählt haben. Ich bin ebenso wie Sie überzeugt, dass eine gut gewählte Verbindung viel zu Ihrem Glück beitragen kann und muss.275 Aber je unterscheidungsfähiger und zartfühlender Sie werden, desto schwerer wird es Ihnen fallen, die Sie glücklich machenden Eigenschaften in einem einzigen weiblichen Wesen vereint zu sehen. Ich bin alle mir bekannten Personen durchgegangen und finde weder den Gleichklang der Gefühle noch die Übereinstimmung der Umstände, welche für einen so langen Weg nötig sind. Bei dieser Gelegenheit erinnere ich mich einiger Verse Rousseaus, die ich Ihnen mitteilen muss und zu gegebener Zeit zu bedenken rate: LʼHomme créé par le Fils de Japhet Nʼeu quʼun seul corps mâle ensemble & femelle. Mais Jupiter de ce tout si parfait Fit deux moitiez & rompit le modéle. Voilà dʼoù vient quʼà sa moitié jumelle Chacun de nous brûle dʼêtre rejoint. Le coeur nous dit, ha la voilà, cʼest elle. Mais à lʼépreuve, hélas, ce ne lʼest point.276 Und da es nach einem Versuch zu spät ist, können mich, lieber Bruder, nur Ihre Vorsicht sowie die Fürsorge der göttlichen und weisen Vorsehung, der wir beide, Sie und ich, so sehr verpflichtet sind, beruhigen. Ich werde sie sehr ernsthaft und aus tiefstem Herzen bitten, über Ihre Wahl zu wachen und sich vor dem irreparablen Unglück, die falsche Hälfte zu nehmen, zu hüten. Ich habe das Fräulein Hahn277 gesehen, eine Nichte der Frau von Molck, die mir von sehr angenehmem Geist und Aussehen zu sein schien. Ihr Vater ist Geheimer Rat in Meiningen und sehr reich, hat jedoch viele Kinder. Man sagt ihr ein bewundernswertes Naturell und (535 r) ebensolchen Charakter nach, aber leider kenne ich sie nicht genug, um das mit völliger Sicherheit zu bestätigen. Deshalb hätte ich nie den Mut, sie Ihnen vorzuschlagen. In Berlin gibt es beim Fräulein von Schmettau noch ein

275 276 277

Zur Chiffre „Hochzeit“ vgl. Einleitung, S. 21 und 23. Frei zitiertes Epigramm aus Jean Baptiste Rousseau „Oeuvres. Odes, cantates, épigrammes, poésies diverses“ (Londre 1723). Die Unterstreichung stammt aus dem Originalbrief der Buchwald. Vermutlich Luise Friedrike Henriette oder Elisabetha Ernestina, Töchter des Sachsen-Meininger Geheimen Rats Heinrich Gottfried von Hahn, Träger des Senioratsordens der Ernestinischen Linie der Wettiner. Deren Tante war Sophia Albertina von Molck, geborene von Wolzogen, Gattin des Geheimen Rats und Hofmarschalls Joachim Christoph von Molck. Letzterer wurde 1744 aus Sachsen-Meininger Dienst in Gothaer übernommen. Die Eheleute Molck waren ab 1745 Mitglieder des Eremitenordens.

106

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

Mädchen ihrer Schwester namens Schoenebeck, die mir sehr gefiel.278 Ich glaube, diese junge Person ist voller Gefühl. Es wird jedoch gesagt, dass sie sich vorgenommen habe, nie zu heiraten und ich weiß tatsächlich von einigen ausgeschlagenen, obwohl beachtlichen Partien. Aber sie könnte ihre Ansicht für einen, der ihr gefällt, sehr gut ändern. Die Familie ist sehr wohlhabend und die junge Person sehr liebenswürdig. Nun gut, lieber Bruder, möge Gott sie inspirieren und sobald er es getan hat, bitte ich Sie ernstlich, mir Bescheid zu geben. Ich beteure Ihnen, dass ich erst Ruhe finden werde, wenn Sie sich entschieden haben. Unsere teure Herzogin übermittelt Ihnen tausend Freundschaftsgrüße und sieht in der ihr mitgeteilten Ansicht einen erneuten Beweis Ihrer Freundschaft. Falls noch Zeit dazu ist, wird sie davon zu profitieren versuchen. Da jedoch dem Freund die Ihnen zuvor mitgeteilten Punkte schon geschickt worden sind, wird es, falls er davon sofort Gebrauch macht, zu spät sein.279 Darüber würde sie sich sehr ärgern, denn Ihre Überlegung ist eine der richtigsten. Die teure Herzogin und ich haben noch vieles auf dem Herzen, worüber wir mit Ihnen sprechen wollten und woran wir uns erst nach Ihrer Abreise erinnerten. Wenn man so wenig Zeit gemeinsam verbringt und so viele Leute die Augenblicke teilen wollen, passiert das. Sicher sind Sie völlig überzeugt davon, lieber Freund, dass ich nichts unterlassen werde, damit Sie von Ihrem Geistlichen in Bischleben befreit werden.280 Man hat mir gesagt, dass es sehr schwer sei, im Lande einen fähigen Mann für den Posten des Superintendenten zu finden. Das verlange einen umfassend gebildeten Mann – weniger für die Kanzel als für Konten und für Gelder, die durch seine Hände gehen. Sie können aber sicher sein, dass alles, was möglich sein wird, geschieht, denn unsere teure Herzogin interessiert sich ebenso dafür wie Sie und wie ich an dem, was Ihnen Freude bereiten kann. Unserem armen Tourbillon geht es noch immer sehr schlecht. Er hätte heute kommen sollen, aber sein Gesundheitszustand erlaubte es nicht.281 Mein Gott, wie ist seine Lage traurig und wie gut urteilen Sie in jeder Hinsicht darüber! Er hat mir über alles, was sie beide gemeinsam sowohl wegen seiner Nichte282 als auch seinetwegen beschlossen hatten, geschrieben. Ich hoffe, er wird genügend Kraft haben, der Vernunft und den Ratschlägen seiner wahren Freunde zu folgen. Leider sind Sie nicht ständig an seiner Seite und er ist noch immer (535 v) beunruhigt und misstrauisch. Ich muss sagen, dass mich sein Zustand mit wirklichem Mitleid erfüllt, vor allem, weil er nicht mal ein Hundertstel von dem erzählt, 278

279 280 281 282

Vermutlich die einzige Tochter der Elisabeth Sophia von Schmettau aus ihrer Ehe mit dem 1742 verstorbenen preußischen Oberst Kurt Friedrich von Schoenebeck, Charlotte Christiane (vgl. Anm. 135). Vermutlich Ulrich von Thun; vgl. dessen Briefe an Luise Dorothea vom 27. Oktober und vom 9. November 1744. Vgl. Einleitung, S. 24 f. Graf von Gotter kam erst wieder am 30. November 1744 an den Hof. Vgl. Brief 41.

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

107

was seinen Geist quält. Er hat mir gerade geschrieben, wie unglücklich er wegen der Täuschung durch seine Nichte sei und dass seine Geschichte Stoff für eine Komödie gebe.283 Am lächerlichsten darin sei seine Figur als betrogener Onkel, der der gerissenen Nichte eine Schenkung zugunsten von Damon machte, die gegen seine Intention und seinen Willen Leander, dem Liebhaber der Kleinen, zugutekam. Alles sei vorhanden und es fehlten nur noch Sganarelle und Stockschläge. Ich bin allerdings überzeugt, dass die Kleine an der Betrügerei und dem Ablenken des unentschlossen Liebäugelnden keinesfalls beteiligt war und ihn noch heute heiraten würde, würde er sich ihr erklären. Sobald Tourbillon wieder ausgeht, werde ich mit ihm ganz normal sprechen und wir werden zumindest den Grund für alles erfahren. Zwei Tage nach Ihrem Erscheinen hier erhielt man aus Wien das gedruckte Schreiben der Königin von Ungarn an den Schwäbischen Kreis284 sowie die Teile der Korrespondenz des Grafen von S.[chmettau], die ihm beigefügt waren.285 Er zahlt meinem Herrn Vater286 mit etwa gleicher Münze heim wie letzterer der Königin für seine Freiheit.287 Ich bin sehr neugierig, wie dieser Freundschaftszug von meinem Vater aufgenommen wird und ob trotz allgemeiner Liebe zum Verrat dem Verräter, der meinem Vater und dessen Freundschaft all sein Vermögen schuldet, nicht mit Misstrauen und Hass begegnet wird. Wenn er es verdiente betrogen zu werden, dann zumindest nicht von ihm. Was für ein Gemälde der Menschheit! Ich brauche Ihre Inspiration, würdiger Freund, um der Misanthropie zu entkommen, die sich meiner durch solche Ereignisse bemächtigen könnte. Ich umarme Sie mit doppeltem Eifer, Hochachtung und Freundschaft und bleibe, weil ich nichts Besseres sein kann, für meinen lieben Renardin stets dieselbe288 Buchwald.

283

284

285

286 287

288

Anspielung auf die Komödie von Louis de Boissy „Le rival favorable“, die am 30. Januar 1739 in der Comédie Italienne in Paris erstmals aufgeführt wurde und im Unterschied zu Varianten von Destouches „Le curieux impertinent“, (1710), Legrand „L’aveugle clairvoyant“ (1716) bis Lessing „Damon, oder die wahre Freundschaft“ (1747) die Figur des Harlekins (Sganarelle) enthielt. Thema der Komödie ist die Freundschaft zwischen Damon und Leander, die beide gleichzeitig in eine reiche Witwe verliebt sind, deren Verwandte sich in das Werben einschaltet. Das Schreiben Maria Theresias ist vom 16. Oktober 1744. Sie bezeichnete im Interesse des Reichs und des Friedens in Europa die auf Frankreich setzende Frankfurter Union als Betrüger der mindermächtigen unmittelbaren Reichsstände. Politische Konsequenz waren ihre Hinwendung zu Konstanz, weil sie Württemberg nicht mehr traute, sowie ihr Versprechen, neutrale Herrscher zu schützen. Der ehemals Kaiserliche Generalfeldmarschall Samuel Graf von Schmettau wechselte 1741 als Militär und Diplomat in preußische Dienste, wo er als Gesandter in Paris den Zweiten Schlesischen Krieg mit vorbereitete. Auszüge aus dessen Berichten an den preußischen König gerieten in österreichische Hände und wurden veröffentlicht. Friedrich II. berief Schmettau am 22. November 1744 ab, der danach als Geodät arbeitete. Philipp Jacob von Neuenstein war 1729 in Stuttgart verstorben (Hermann Schack von Buchwald an Keller 8. November 1749). Zur Chiffre Vater vgl. Einleitung, S. 9 f. Seckendorff hatte Schmettau protegiert. Dessen hier als Verrat bezeichneter Seitenwechsel von kaiserlich-österreichische in kaiserlich-bayerische Dienste wird mit Schmettaus politisch relevanter Nachlässigkeit bezüglich seiner Briefschaften verglichen. Vgl. Anm. 239.

108

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

Mein lieber Gatte, meine Schwester und alle ihre Freunde und Freundinnen senden Ihnen eine Million Komplimente und Freundschaftsgrüße. Ich sende Ihnen beiliegend, lieber Bruder, die Ankündigung eines ziemlich einzigartigen Werks, das ich aus Genf erhalten habe.289 Überlegen Sie, ob es Ihnen oder jemand anderem Ihrer Bekanntschaft gefallen könnte.

48. Gotha, den 5. Dezember 1744290 (560 r) Man ist von Ihrer Freundschaft und Ihrer guten Gesinnung uns gegenüber so überzeugt, lieber Bruder, dass man die von Ihnen zugestandene Freiheit, uns jederzeit an Sie wenden zu können, nutzen wird. Man wird sich dafür der Adresse bedienen, die Sie mir genannt haben. Ich glaube sogar, dass man Ihre Güte in der Ihnen schon mitgeteilten Angelegenheit sehr bald nutzen wird. Sie wurde von unserem Bruder To.[urbillon] eingeleitet, kann jedoch offenbar wegen seines Gesundheitszustandes und der Ihnen bekannten Umstände nicht abgeschlossen werden.291 Ich habe Ihre letzten beiden an Ihn gerichteten Briefe gesehen, von denen er wahrlich gerührt war. Ich wollte sie nutzen, um ihn zur Änderung seiner Pläne zu bewegen. Das war jedoch nicht möglich, denn er ist nicht in der Lage, in der großen Welt zu leben und gleichzeitig seine Ausgaben entsprechend der ihm zur Verfügung stehenden Mittel zu beschränken. Er sagt, dass er ein solches Versprechen nicht einhalten könne, dann weiter verarme und ihm anschließend nur Schande und Reue ohne eine einzige Ressource blieben. Ich hoffe sehr, dass er auf seinem selbst geplanten Weg weniger Schwierigkeiten findet und sähe sein Schicksal schon gern entschieden, denn sein gegenwärtiger Zustand ist viel schlimmer als der Tod. Er tut mir unendlich leid, und seine gesamte Hoffnung (560 v) beruht ausschließlich auf Ihrem Beistand und Ihrer Freundschaft. Ich habe einen Brief von P.[odewils] gelesen, der ihn beschwört, so schnell wie möglich zurückzukehren. Ansonsten würde der Herrscher nicht zögern zu sagen, dass er den Missbrauch der von ihm so sehr gewünschte Reiseerlaubnis vorhergesehen habe und sie ihm deshalb zu Recht nicht habe erteilen wollen. Dieses Vorspiel gefällt mir gar nicht und es verspricht kein gutes Ende. Im gleichen Brief werden Sie sehr gelobt, als 289

290

291

Ankündigung der „Quinti Horatii Flacci odae sex selectae fidibus vocalique musicae […] restitutae“ (Sechs Horaz-Oden für Sopran) von Guiseppe Antonio Paganelli, der in Padua, Venedig, Rheinsberg, Bayreuth wirkte und auch Verbindungen nach Braunschweig, Gotha, Durlach und München hatte. Thun schickte dieses Werk Herzog Friedrich III. von Sachsen-Gotha-Altenburg am 9. Juli 1745 (vgl. Einleitung, S. 23). Friedrich II. von Preußen erwähnt die Oden in einem Brief an Graf von Gotter am 2. März 1745. Das ursprüngliche Datum wurde mit 5. Januar 1745 überschrieben. Damit wird kaschiert, dass die im Brief genannten Ereignisse dem Gothaer Hof, vermutlich vermittelt über Podewils, schon bekannt waren (vgl. Einleitung, S. 23). Der Hinweis auf die zerrütteten Finanzen des Grafen von Gotter spielt vermutlich auf die militärische und politische Lage Friedrichs II. von Preußen an.

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

109

höchst galanter Mann bezeichnet und es wird hinzugefügt, dass man Sie für nicht sehr zufrieden mit Ihrem Hof hält und dies, auch wenn man mit Ihnen selbst zufrieden sei, ein zusätzliches Problem ist. Außerdem wird darin sehr ausführlich über die große, als Neutralität maskierte Bindung all unserer Höfe an das Haus Österreich geschrieben, was bedeute, die traurige Epoche Karls V. und Ferdinands II. wieder auferstehen zu lassen.292 Wenn man dem tapferen Beispiel des Königs schon nicht folgen wolle, solle man ihm wenigstens keinen Widerstand leisten. Der Klage über eine solche Blindheit schließt sich die angenehme Nachricht an, dass der König von Po.[len] völlig darüber verzweifle, dass der Reichstag durch verschiedene Debatten unfruchtbar gestorben sei, wofür man Ihre Minister als Verursacher anklagt.293 All das, lieber Bruder, muss unter dem Siegel des Vertrauens und der Freundschaft unter uns bleiben. Ich hielt es für nötig, Sie informieren, wie über Sie betreffende Dinge gedacht wird. Graf von Bünau war zunächst 6 Tage hier.294 Danach ist er nach Eisenach zurückgekehrt, um die Hochzeit der jüngsten Tochter des Herzogs mit dem Fürsten von R.[udolstadt] zu vollenden.295 Danach verbrachte er noch einen Tag hier. Sie können sich gut vorstellen, dass er mit allen möglichen Mitteln überzeugen wollte, (561 r) der Union beizutreten.296 Man hat so höflich und so negativ wie möglich geantwortet. Unser Eindruck, dass er ziemlich unzufrieden darüber ist, dass all seine Mühe, Anstrengung und Zeit nur heiße Luft machten, stimmt mit dem, was der Herzog von W.[eimar] uns hier mitgeteilt hatte, völlig überein.297 Den Neuigkeiten aus Böhmen zufolge laufen die Dinge noch lange nicht nach Wunsch des großen Nothelfers, der, so sagt man, von seinen neuen Alliierten sehr enttäuscht sei, ihn dermaßen exponiert zu haben.298 All das ist jedoch nicht entscheidend und es bedarf wahrlich anderer Ereignisse, um erneut auf Frieden hoffen zu können. 292

293 294

295 296 297 298

Die wechselnde politische Verantwortung für das Heilige Römische Reich zwischen den Brüdern Karl V. und Ferdinand I., welcher schon zu Lebzeiten seines Bruders 1531 zum Römischen König gewählt wurde, führte zwar zum Augsburger Religionsfrieden, führte jedoch mit dem Ende der Universalmonarchie Karls V. zu einer Schwächung des Reichs in Europa. Vgl. auch Einleitung, S. 21 f. Anspielung auf die Informationen Podewils und Heinrich Adam von Borkes an Friedrich II. von Preußen am 24. November 1744 über eine Oppositionsliga gegen die Frankfurter Union, an der sich die geistlichen Kurfürsten, Hannover und Kursachsen sowie Salzburg, Würzburg, BraunschweigWolfenbüttel, Sachsen-Gotha-Altenburg, Holstein-Gottorf, Hessen-Darmstadt und Württemberg beteiligten. Am 12. Dezember 1744 richtete Friedrich II. an die Höfe von Ansbach, Bayreuth, Darmstadt, Gotha, Mainz, Trier, Würzburg und Wolfenbüttel abmahnende deutsche Kanzleischreiben. Kaiser Karl V. und Ferdinand II. versuchten, die Reichsstände zurückzudrängen und die Vormachtstellung des Katholizismus im Heiligen Römischen Reich zu wahren. Friedrich August II. Kurfürst und Herzog von Sachsen und König von Polen und Herzog von Litauen. Heinrich von Bünau kam als Kaiserlicher Gesandter mit seiner Gemahlin am 10. November 1744 auf den Friedenstein, wo er auf der Prinzengalerie in sieben Gemächern logierte. Am 16. November fuhr er nach Eisenach und war vom 20. bis 21. November nochmals in Gotha. Die Eheschließung zwischen Bernhardine Christiane Sophie von Sachsen-Weimar-Eisenach und Johann Friedrich von Schwarzburg-Rudolstadt fand am 19. November 1744 statt. Vgl. Anm. 292. Am 22. November 1744 wurde Friedrich III. ein Handschreiben von Ernst August I. von SachsenWeimar übergeben. Kursachsen wechselte von preußischer auf österreichische Seite und schloss am 8. Januar in Warschau mit Großbritannien, den Niederlanden und Österreich am 8. Januar 1745 eine Quadrupelallianz.

110

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

Wissen Sie, lieber Bruder, dass ich durch Ihre Unterstellung, der Schm.[ettau] auch nur angedeutet zu haben, was mir Ihretwegen vor einigen Jahren durch den Kopf ging, noch beleidigt bin?299 Ich schwöre bei Gott, niemals in meinem Leben weder ihr noch jemand anderem ein Wörtchen davon gesagt zu haben. Sie taten sehr schlecht daran, sie aufgrund einer völlig falschen Vermutung zu schneiden. Der Grund jedoch, warum ich sie gegenwärtig nicht erwähnt habe, ist, dass Sie von meiner Idee höchst wenig erbaut waren und es wohl zurzeit noch weniger wären. Es wird übrigens gesagt, dass wegen ihres bedeutenden Engagements ihre Entfernung ein unerschütterlicher Entschluss sei und sie deshalb noch bedeutendere Partien ausschlug. In Wirklichkeit jedoch sind es ihre Eltern, die sich sehr für diese große Entfernung aussprechen und gute Gründe dafür haben. Sie werden mit Ihrer Furcht davor, sich mit jemandem einzulassen, kaum weiterkommen und keine vernünftige Person wird Ihnen Vorschläge unterbreiten. Ich gebe zu, von dem, was in einem Mann vorgeht, keine Vorstellung zu haben, sehe aber weder einen realen noch scheinbaren Nachteil, der ihm daraus entstehen könnte, (561 v) auf irgendeine Person erfolglos ein Auge geworfen zu haben. Wäre ich ein Mann, wäre Verachtung für mich genauso schwer verdaulich wie jetzt als Frau. Mit Ihrem Verdienst – ohne Ihnen hier ein Kompliment machen zu wollen – sind Sie dem jedoch niemals ausgesetzt und jeder andere, in den Umständen liegende Grund kann weder Ihnen noch jemand anderem schaden. Ich will Sie also zu weniger Vorsicht ermutigen, liebster Freund, wenn Sie ein Objekt Ihres Gefallens finden, denn ich entnehme Ihrem Brief, dass Sie nicht durch das Gegenteil sündigen werden. Ansonsten räsonieren Sie wie immer als wahrer Philosoph und mir bleiben nur aufrichtige Wünsche, dass Sie das finden werden, was sie so glücklich macht, wie Sie es verdienen. Wäre ich in Berlin, könnte ich Ihnen wahrscheinlich helfen und versuchen, die Beziehung, die Sie durch Ihre große Zurückhaltung vernachlässigten, wieder zu erneuern. Ich bitte Sie, ihr von mir das Billet von Sieur Paganelli zu übergeben, dessen Musik sie und ihre Nichten lieben und es freudiger als Sie empfangen, weil sie dessen Wert besser kennen.300 Als ich Ihre Antwort auf die Übersendung las, habe ich Tränen gelacht. Dafür, meine Aufmerksamkeiten so zu empfangen, bewundere ich Sie. Ich zahle mit gleicher Münze heim und werde Ihnen sagen, dass ich die Verse von Voltaire schon hatte.301 Der vertonte Horaz ist noch immer Horaz und in den Händen eines Philosophen nie fehl am Platze – umso mehr allerdings in der Bibliotheksklasse, in die Sie die Vacarminis und Tapagiminis stellen.302 Das hindert mich nicht, Sie herzlich zu umarmen und Ihnen zuvor tausend Freundschaftsgrüße unserer Herzogin zuzusichern, deren Freund und Orakel Sie noch immer sind. Mein lieber Gatte, meine Schwester und alle unsere Weiberchen übersenden Ihnen tausend untertänige Komplimente und ich bin, lieber Bruder, immer und wahrhaft die Ihre, B.

299 300 301 302

Vgl. Anm. 135. Vgl. Einleitung S. 23 und Anm. 289. Vgl. Anm. 274. Vgl. Anm. 283, 1. Akt, 6. Szene und 3. Akt, 5. Szene.

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

111

(606 r) Beilage303 Ich stimme all Ihren Gründen zu, lieber Bruder, nachdem ich sie lange mit aller Kraft bekämpft habe. Ich gebe nicht aus Schwäche, sondern aus Notwendigkeit nach. Denn ich fühle, dass Sie sich wahrlich verirren werden, wenn Ihre Freunde Sie durch Ratschläge zu einer Lebensform drängen, die sie nur gezwungenermaßen annehmen und wo Abneigung und Enttäuschung nur durch ehrenvolles Ertragen verhindert werden. Aber bedenken Sie auch, teuerster Freund, dass eben diese Ehre absolut fordert, die Partei würdig zu unterstützen, die Sie aus Neigung, Notwendigkeit und Pflicht wählen werden. Machen Sie sich auf das Ungerechteste, Demütigendste und Unangenehmste gefasst. Stellen Sie sich das für Sie Schmerzhafteste vor, was Ihnen von Seiten eines irritierten Herrschers widerfahren kann. Bereiten Sie sich darauf vor, all dem durch die Kraft Ihres Muts und durch eine bestmögliche, weise Wirtschaftseinrichtung überlegen zu sein, die Sie von jeglicher Hilfe unabhängig macht. Sie müssen nur wollen, um viel zu erreichen und können damit rechnen, dass selbst Ihre kleine Eitelkeit nichts dabei verliert und Sie für die Öffentlichkeit so noch größer erscheinen als Sie es schon waren. Ich (606 v) rate Ihnen, sich zu verabschieden, denn aus dem Brief von Pod.[ewils] schließe ich, dass Sie Ihre Rückkehr nicht länger verschieben sollten.304 Ich erwarte Sie diesen Nachmittag bei mir. Frau von Molck und Frau von Wolzogen werden hier sein.305 Sie hatten sich angekündigt, bevor ich Ihren Brief erhielt, aber das macht nichts. Wir werden eine halbe Stunde im Zimmer meines Gatten verbringen. Ich gehe jetzt sofort zur Herzogin und überbringe Ihre Komplimente und bin semper idem, immer der Gleiche,306 die treueste Ihrer Freundinnen, B. Diese Frau von Danckelmann spricht und denkt vielleicht gut, schreibt aber absolut schlecht.307

303

304 305 306

307

Trotz abweichender Paginierung wird die undatierte Nachricht an Graf von Gotter aufgrund des inhaltlichen Bezugs zu Brief 47 und Brief 52 an dieser Stelle platziert und von der Herausgeberin als Beilage bezeichnet. Zugleich ist der Text als Warnung an Friedrich II. zu lesen (Einleitung, S. 22 f.). Vgl. Einleitung, S. 21 f. Vermutlich Auguste Juliane von Wolzogen und Sophia Albertina von Molck. Im Unterschied zur weiblichen Form (vgl. Anm. 239) wird hier die männliche des Abschiedsgrußes in Anlehnung an das Urteil Ciceros über den Gleichmut des Sokrates in den „Gesprächen in Tusculum“ III, 15, 31 verwendet. Lucie Sophie Danckelmann, geb. von Freyberg, war die zweite Gattin des Carl Ludolph Freiherr von Danckelmann, der zwischen 1740 und 1748 in preußischen Diensten stand, danach Staatsminister der Landgrafschaft Hessen-Kassel und Präsident aller Kollegien in der Grafschaft Hanau und später preußischer Staatsminister wurde.

112

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

49. [o. O.,308] den 19. Dezember 1744 (536 r) Mich ergreift ein Freundschafts- und Zärtlichkeitsenthusiasmus für Sie, teurer und würdiger Bruder, dem ich nicht widerstehen kann, noch will. Ich muss Ihnen alle Zärtlichkeit, die ich für Sie im Herzen trage, kundtun. Und wie ein Liebhaber seiner Mätresse sagen würde: „Je häufiger ich Sie sehe, desto mehr liebe ich Sie“, sage ich Ihnen: „Je mehr ich Sie kenne, teuerster Freund, desto mehr schätze, ehre und bewundere ich Sie.“ Kurz, wissen Sie, was die teure Herzogin dazu sagt? „Damit die Leute so sind, wie wir sie wollen, müssten sie Ihnen gleichen.“ Sie hat einer gewissen Person, bei der in dieser Hinsicht eine starke Ähnlichkeit mit Ihnen vermutet wurde, niemals geglaubt und ist deshalb nicht überrascht, dass Sie sie überprüft und deren Achillesferse entdeckt haben und Ihnen das wahre Gesicht weniger als die zur Schau getragene Maske gefällt. Ich fürchte allerdings die möglichen Auswirkungen ihrer Unterstellungen und der von Belle-Isles309 und betrachte es wahrlich als eine besondere Fügung der Vorsehung, dass Sie in der Lage sind, deren verborgene Machenschaften zu verfolgen. Vielleicht finden Sie den rettenden Ariadnefaden, um uns aus dem Labyrinth herauszuhelfen. Lassen Sie sich von den Schwierigkeiten bei der weiteren aufmerksamen Beobachtung nicht abschrecken, lieber Bruder. Es gibt nur wenige Menschen, die so solide wie Sie denken und dies mit der Gabe des Himmels vereinen, klar und auch angenehm (536 v) die Wahrheiten auszudrücken, von denen sie überzeugt sind, um andere dafür zu gewinnen. Da mir Ihre glücklichen Talente eine Art himmlischer Berufung zu sein scheinen, die Sie verpflichtet, dem öffentlichen Wohl zu dienen, wird man Ihnen persönlich Gerechtigkeit widerfahren lassen. Und das ist schon viel. Dadurch überzeugt man früher oder später, vor allem, wenn man für die Wahrheit eintritt! Meiner Meinung nach verwirren sich durch das Manifest, das ich gerade las, die Dinge erneut.310 Darin verlangt die K.[önigin] ihre schlesischen Gebiete. Offensichtlich beharrt sie darauf und da man auf der anderen Seite sicher nicht bereit sein wird, sie abzutreten, kann das nur in einem sehr langen Krieg enden. Es sei denn, unsere teure Freundin, die liebenswürdige Vorsehung neigt dazu, sich sofort für den einen oder anderen zu erklären. Man hat verbreitet, dass der Graf von Schm.[ettau] wegen seiner schönen Korrespondenz der Staaten des Königs verwiesen wurde.311 Ich glaube, da ist nichts dran. Unterdessen wird sich mein Herr Vater, so sagt er, zurückziehen, sobald die Truppen in den Winter-

308 309

310

311

Vermutlich Gotha. Der französische General und Diplomat Belle-Isle war entschiedener Gegner der Pragmatischen Sanktion und Österreichs und hatte sich persönlich für die Wahl des bayerischen Kurfürsten zum Kaiser engagiert. Maria Theresia veröffentlichte am 1. Dezember 1744 ein Manifest, in dem sie verkündete, dass der Breslauer Vertrag nichtig sei und ihre ehemaligen schlesischen Untertanen Friedrich II. von Preußen keinen Gehorsam mehr schuldeten. Schmettau blieb in Berlin, vgl. Anm. 285.

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

113

quartieren sind.312 Der Entschluss steht so felsenfest, dass ihn seiner Behauptung nach nichts auf der Welt ins Wanken bringen wird. Aber davon bin ich ebenso wenig wie vom Exil seines Gegners überzeugt, welcher wohl darauf hofft, dass sich die Königin von U.[ngarn] durch symbolisches Erhängen313 an ihm rächt. Wenn die Königin nach und nach all diese ehrenwerten Leute aneinander rächen würde, fände ich das ziemlich amüsant. Ich habe meinen Brief damit begonnen, lieber Freund, Ihnen zu sagen, dass mich Ihre Denkart immer stärker bezaubert und obwohl ich mit Politik begann, ist dies nicht das einzige, wofür ich Sie bewundere. Ihr Verhalten als Freund verdient (537 r) das zumindest ebenso sehr. Ich habe mit unendlicher Genugtuung all Ihre Mühe registriert, mit der Sie die Ideen eines unglücklichen Freundes geraderückten, um ihn am Irren zu hindern. 314 Was für ein Glück, solch einen Freund wie Sie zu haben, der mit unverdorbenem Charakter, offenen Herzens, mit Aufrichtigkeit und Aufgeklärtheit zu uns spricht, unsere wahren Interessen erhellen kann, für die wir in unserer Lebhaftigkeit und Leidenschaft zu oft blind sind. Gleichwohl ist es traurig, wenn die Kraft nicht vorhanden ist, einem weisen Führer zu folgen. Unser Freund schwört bei allem, was heilig ist, nicht die Mittel zu haben, selbst wenn er wollte. Seit Ihrem ersten Brief habe ich alles nur denkbar Mögliche getan, ihn zum Ändern des Plans zu bewegen und finde mich seit zehn Tagen in einer täglichen Korrespondenz mit ihm wieder. Dazu sagt er mir schließlich, dass ich ihn enttäusche, obwohl er von mir täglich neue Ansichten verlangt, die er dann nicht befolgt, sondern am nächsten Tag ablehnt. Er ist nun so ernsthaft krank, dass Juch ihn in Gefahr sieht.315 Ich kann Ihnen nicht mehr dazu sagen. Haben Sie Erbarmen mit diesem Unglücklichen. Ich habe gelesen, was er Ihnen schrieb und glaube, dass er sich wegen der 900 Rekruten täuscht.316 Soweit ich mich erinnere, war nur von 600 oder 700 die Rede. Vielleicht erinnern Sie sich besser daran als ich. Vor dem Abgang der Post habe ich keine Zeit mehr, diejenigen zu fragen, die es wissen. Ihr Vergleich mit einem Mann, der sich selbst die Kehle durchschneidet, um dem Strick zu entgehen, ist leider nur zu richtig. Würde ein starker Schlaganfall diesen guten Dienst erweisen, käme er sehr gelegen. Adieu, lieber Bruder und würdiger Freund. Ich umarme Sie ebenso wie mein lieber Gatte Ihnen seinen Gehorsam entbietet. Als er über meine Schulter blickte und den Anfang meines Briefes las, hat er mich mit mürrischer Mine und wenig zärtlichen Ausdrücken beschimpft. Als er aber sah, dass der Brief an mei312

313

314 315 316

Seckendorff hatte das Oberkommando über die bayerische Armee niedergelegt, ließ sich eine Reiseerlaubnis auf sein Landgut Meuselwitz ausstellen, verließ München jedoch Richtung Augsburg. Dort arbeitete er an einem Friedensprojekt, dessen Kern die Versöhnung der Häuser Habsburg und Wittelsbach sein sollte. Friedrich II. reiste nach der Niederlage von Prag am 14. Dezember 1744 von Schlesien nach Berlin, nachdem er die Armee an Generalfeldmarschall Fürst Leopold I. von AnhaltDessau übergeben hatte. Der stand seit 1693 in brandenburg-preußischem Militärdienst und war unter Friedrich II. von Preußen General. Propagandistisch wirksame öffentliche Hinrichtung einer abwesenden Person in Gestalt einer Strohpuppe. Referenz auf die „Couplets sur un criminel […]“ (Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt, HS 1737, Bl. 103–105). Anspielung auf Gustav Adolf Graf von Gotter. Zu Juch vgl. Anm. 151; hier vermutlich als Sprachrohr des neuen, am 22. April 1743 gewählten Mainzer Kurfürsten Johann Friedrich Karl von Ostein, der eine Neutralitäts- und Friedenspolitik verfolgte. Vgl. Anm. 217.

114

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

nen lieben Keller adressiert war, änderte er seinen (537 v) Gesichtsausdruck und versicherte lebhaft, dass er darüber ebenso denke und ich Recht hätte. Unsere würdige Herzogin befiehlt mir ausdrücklich, Ihnen tausend Freundschaftsgrüße zu übermitteln und zu sagen, dass nach gründlicher Suche ausschließlich Sie würdig wären, ihr politischer Held zu sein. Es geht ihr Gott sei Dank ziemlich gut und wir warten auf ihre bevorstehende Entbindung.317 Ich bin stets, mein lieber Bruder und würdiger Freund, von ganzem Herzen die Ihre, Buchwald. Die Mutter dieses Schilbach,318 von dem Sie mir erzählt haben, ist bei mir gewesen und hat mich gebeten, Ihnen wegen ihres Sohnes zu schreiben, der wirklich ein guter Untertan sein soll. Wenn Sie es für angezeigt halten, schreibe ich dazu meiner Mutter. Aber in Wirklichkeit glaube ich nicht, dass dringend ein Kammerdiener gebraucht wird. Ich zweifle sehr, dass der Hofstaat von Prinzessin L.[uise] zurzeit erweitert wird.319 Von den Ideen für Ihre Grabinschrift bin ich entzückt.320 Sie enthalten Ihr gesamtes Denkgebäude. Praktizieren Sie es noch hundert Jahre, lieber Bruder. Die Zeit Ihres Lebens ist durch dessen Anwendung eine Zeit des Ruhms und ich halte Sie deswegen für einen der glücklichsten Sterblichen, den ich kenne. Ach so, haben Sie das Billet von Herrn Paganelli der Person zurückgegeben, an die ich es gerichtet hatte?321 Ihre Diskretion macht Sie zu einem schrecklichen Menschen. Ich wette, dass Sie es nicht getan haben. Mir scheint aber, dass dieser Vorstoß völlig belanglos ist und auch Sie selbst große Mühe hätten, ihm eine andere Wendung zu geben.

50. [o. O.,322] den 31. Dezember 1744 (538 r) Als Ersatz für Sie selbst, mein teuerster Freund, gibt es für mich nichts Lieberes und Angenehmeres als Ihre Briefe. Sie gehören der Seele, die meine stärkt. Ihre von mir geliebte und bewunderte Vernunft offenbart mir immer deutlicher das Tableau einer praktischen Philosophie, die ich unbedingt nachahmen will, denn nur sie allein ist tatsächlich geeignet, uns wahrhaft glücklich zu machen. Wegen des Inhalts meines letzten Briefs schmeichelt mir der Umweg, mit dem Sie sich von sich selbst entfernen, um zu mir zu317 318

319 320 321 322

Vgl. Anm. 270. Um welchen der sechs Söhne der Elisabeth Margaretha Schilbach, Gattin des 1741 gestorbenen Gothaer Hofmalers und Kunstkämmerers Christian Schilbach, es sich handelt, ist nicht erschließbar. Der Sohn Johann Christian wurde ebenfalls Kunstkämmerer in Gotha. Am Hof war ein Johann Christoph Schilbach als Pagenhofmeister angestellt. Zu Prinzessin Luise Friederike von Württemberg (vgl. Einleitung, S. 13 f.). Vgl. Anm. 313 und die in der Handschrift enthaltene „Epitaphe“ Bl. 125. Vgl. Anm. 289 und Anm. 300. Vermutlich Gotha.

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

115

rückzukehren. Ja, lieber und würdiger Freund, ich kenne Ihren ganzen Wert und dadurch bin auch ich etwas wert. Ihre Freundschaft wird mir Kompass sein, denn um sie zu verdienen, werde ich mich stets aufs Höchste bemühen, ihrer würdig zu sein. Durch diesen Wunsch werde ich besser werden. Sie sagen mir nichts zu Ihrer Gesundheit. Ich hoffe, dies ist ein gutes Zeichen. Allerdings bittet die Herzogin darum, diese Hoffnung zu bestätigen, was uns sicher mehr als alles Übrige interessiert. Unserem armen T.[ourbillon] geht es körperlich und geistig wahrlich schlecht. Falls sich die Dinge, (538 v) wie es den Anschein hat, zum Schlechten wenden, könnte Ihr Vergleich wahr werden, was ich tatsächlich befürchte. Der entschiedenste Epikureer erscheint mir in einem solchen Fall wie ein wütender Feigling.323 Einmal in Gang gekommen, geht er weiter als der bravste Mann und überschreitet mit gesenktem Kopf die Grenzen wahrhaften Mutes. Ich sehe voraus, dass ihn nichts auf der Welt zur Umkehr veranlassen wird, vor allem nach der schriftlichen Demarche, die er schreiben ließ. Statt einer Sorge hat er nun zwei. Seine Lage ist in jeder Hinsicht sehr traurig. Ich glaube, der größte Dienst, den Sie ihm erweisen können, wäre ein Versuch, dass sein Plan so wenig schlecht und ungnädig wie möglich aufgenommen wird. Dies würde selbst den, sein Leben zu retten, übersteigen. Auf eine gute Aufnahme darf man nicht hoffen. Die Umstände schließen ein gnädiges Verfahren aus und ohne eine kleine Pension wäre er ewig zu bedauern, obwohl ihm noch Schlimmeres passieren könnte. Wenn möglich, retten Sie seine Selbstgefälligkeit. Sie ist das Wertvollste, wenn es an wahrer Ehre fehlt, die zu anderen, langfristigen Vorsichtsmaßnahmen führt, um sich nicht nochmals in einer solchen Lage wiederzufinden. Aber gut, wer einmal darin steckt, ist unglücklich genug, um das Erbarmen eines so guten und würdigen Herzens wie des Ihren zu wecken. Das Abenteuer des Marechal de (539 r) Belle-Isle hat uns erstaunt.324 Mein Gatte hat, bevor wir darüber völlige Gewissheit erlangten, dagegen gewettet und verlor seinen Einsatz. Der Coup ist sicher äußerst kühn und es wird groß sein, ihn unterstützen zu können. Nun, beide Seiten treiben die Dinge ins Extrem und es braucht ein Gegenmittel gleicher Art, um sie wieder in den Normalzustand zu versetzen. Sagen Sie mir doch, lieber Freund, glauben Sie, dass wir darauf hoffen können, dass die germanische Libertät all diese gewaltsamen Operationen übersteht?325 Das Zirkularschreiben ist vor einigen Tagen angekommen. Ich denke, es ist zum Teil das Werk, das ein gewisser Jemand während seiner Durchreise durch B. anfertigen ließ. Beiden Seiten wird, wie es einmal ein gewisser großer König gegenüber seinem Ministerium tat, vorgeschlagen: „Vertragen Sie sich …“326 Und wenn 323 324

325 326

Anspielung auf Friedrichs II. „Épitre VI. Au comte de Gotter“, wo es heißt: Combien de travaux il faut pour satisfaire des Épicuriens. (frz. ‚Wie schwer ist es, Epikureer zu befriedigen.‘) Am 20. Dezember 1744 wurde General Belle-Isle, der auf Anordnung des französischen Hofs als Gesandter nach Berlin reisen sollte, in Elbingerode vom hannoverschen Amtmann Johann Herrmann Meyer unter dem Vorwurf der Spionage verhaftet, nach der Festung Stade und von dort nach London transportiert. Zwischen Frankreich, England, Hannover und dem Kaiser entstand ein aufwendiger Streit um den völkerrechtlichen Status und die Freigabe des Marschalls, welcher 1745 ausgetauscht wurde. Vgl. Einleitung, S. 20–22. Die angedeutete Anekdote wird in Friedrichs II. „Histoire pour servir à l’Histoire de la Maison de Brandebourg“ als Ausspruch seines Vaters Friedrich Wilhelm I. in Preußen bei einem Streit zwischen dem Herzog von Braunschweig und dem Herzog von Gotha wiedergegeben.

116

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

dies ausreiche, in seinem Eckchen ruhig sitzen zu bleiben und sich nicht umsonst in das ganze Schlamassel einzumischen, wäre man nur zu glücklich. Aber die große Frage ist, ob man so bis zum Schluss ausharren kann und was vorteilhafter sein wird – sich einen Namen zu machen oder nicht. Ich platze vor Neugier darauf, was man in der Brieftasche des eingekerkerten Marschalls gefunden haben wird. Ich bin sicher, dass alles bald gedruckt erscheint und darin zumindest ebenso interessante Dinge zu finden sein werden wie in den Briefen von Sch.[mettau]. Die anzügliche Idee des alten Kämpen, mit der er auf den libertinen Gedanken von Gotter antwortete, hat mich herzlich zum Lachen gebracht.327 Schließlich habe ich schon immer gesagt, dass sich ein jeder Himmel und Hölle nach seiner eigenen Denkart vorstellt. Um in den Himmel zu kommen, braucht der Pr.[inz] von D.[resden] die Fußwaschung der Armen offensichtlich nicht, sondern sollte sich als Katholik um die Reinigung des Weges kümmern, von dem er glaubt, dass es der beste dorthin sei.328 Aber pardon, ich merke, dass auch ich in einen ziemlich unanständigen Ton falle und es an Gotter und nicht (539 v) an mir ist, auf diesen guten Rat zu antworten. In diesem Augenblick erhält man die Nachricht, dass der Kaiser dem Marechal de BelleIsle die Markgrafschaft Burgau auf vorderösterreichischem Gebiet als Geschenk vermacht habe. Er folgt dem Beispiel Kaiser Leopolds, der zu Beginn dieses Jahrhunderts zugunsten des Herzogs von Marlborough über die Herrschaft Mindelheim in Bayern verfügte.329 Adieu, lieber Freund, ich umarme Sie und liebe Sie von ganzem Herzen. Ebenso sehr wie Sie Komplimente verabscheuen, hasse auch ich sie. Halten wir uns also an die wahren und aufrichtigen Gefühle der Freundschaft füreinander und bleiben wir einander im neuen Jahr und in allen, die wir noch zu leben haben, gleich, denn wir werden kaum Besseres tun können. Unsere teure Herzogin versichert, dass sie Ihnen alles erdenklich Gute wünscht und davon überzeugt ist, dass Sie ihr das Gleiche wünschen. Ich habe nicht vergessen, all Ihre Komplimente weiterzureichen und wurde beauftragt, sie hundertfach zurückzugeben. Ich hüte mich aber, alle zu nennen und Sie damit zu langweilen. Mein lieber Gatte will allerdings, dass ich Ihnen seine untertänigste Verpflichtung entbiete und versichere, dass er, genauso wie ich selbst es bin, der Ihre ist, B. Entschuldigung, lieber Bruder, für meine abscheuliche Kritzelei. Meine Tinte, meine Feder und mein Papier sind nichts wert. Ich könnte an dieser Stelle mit größerer Wahrheit als 327

328

329

Schmettaus Briefe (vgl. Anm. 285) erschienen 1745 anonym unter dem Titel „Briefe und Schriften, welche an 3 gekrönten Häuptern ergangen, v*“. Seine Äußerung über Graf von Gotter ist nicht erschließbar. Der 1712 zum Katholizismus übergetretene Friedrich August II. Kurfürst von Sachsen und König von Polen war während des Zweiten Schlesischen Kriegs auf die Seite Habsburgs geschwenkt. An dessen Kandidatur zum römisch-deutschen König arbeitete Seckendorff im Kontext seines Friedenskonzeptes (vgl. Anm. 312). Die seit 1208 verwaiste schwäbische Markgrafschaft Burgau gehörte seit 1301 den Habsburgern, Ansprüche Bayerns wurden bis 1805 immer wieder abgewehrt. Am 28. April 1704 hatte Kaiser Leopold I. den englischen Feldherrn im Spanischen Erbfolgekrieg John Churchill 1. Duke of Marlborough nach dessen erfolgreichen Feldzügen gegen Frankreich und Bayern zum Fürsten des Deutschen Reichs erhoben und ihm 1705 die Herrschaft über Mindelheim verliehen.

117

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

dieser alte Wolf von Cyprian sagen, dass mein Herz mehr wert ist als mein Geschriebenes.330 Wir werden nicht versäumen, Sie von der Entbindung der teuren Herzogin sofort zu benachrichtigen.331 Ich bin überhaupt nicht zufrieden damit, wie Sie mein Billet nutzen. Aber ansonsten denken und räsonieren Sie über diese Materie wie ein Orakel und alle meine Befürchtungen sind zerstreut. Hier ist auch noch ein zweites, von dem Sie nach Gutdünken Gebrauch machen werden, um alle Hindernisse zu beseitigen.332

51. Gotha, den 5. Januar 1745 (543 r) Unser Bruder Tourbillon möchte, dass ich ihm für Sie, teuerster Landsmann, einen Brief mitgebe.333 Wie Sie sich vorstellen können, lasse ich mir das nicht zwei Mal sagen. In diesem Augenblick jedoch erhalte ich Ihren Brief vom 1. des Monats, der mich sehr berührt und traurig macht und wahrlich alles andere verdrängt. Warum musste unser gemeinsames Interesse und unsere Freundschaft, deretwegen ich keinen Posttag versäume und somit nicht einen Tag lang meine aufrichtige Anteilnahme an einem für Sie voraussehbar bedauerlichen Ereignis zurückhielt, der Grund dafür sein, dass Sie ausgerechnet durch mich davon erfuhren! Nein, ich kann Ihnen gar nicht sagen und Sie würden es auch nicht glauben, wie sehr mich das berührt. Ich gebe zu, dass ich mich deshalb verfluche. Ich, die möchte, dass Ihnen niemals, auf welchem Wege auch immer, etwas Unangenehmes widerfährt, stelle fest, die erste gewesen zu sein, die Sie betrübte. Meine Beweggründe sind meine Entschuldigung, trösten mich jedoch nicht. Wer hätte in Ichtershausen, als die Verstorbene (543 v) mir die Ehre eines Besuchs erwies, geglaubt, dass ich vom Tod umarmt würde und sie vor mir diesen Tribut zollen muss.334 Was Sie, mein lieber Bruder, zu unserem eigenen Tod und zu dem der von uns Geliebten sagen, ist völlig richtig. Mit uns enden auch unsere Gefühle, nur beim Tod derer, die wir lieben, bleiben sie.335 Und nur das Gefühl erlaubt uns, Freude zu empfinden oder zu leiden.

330 331 332 333 334

335

Der Ausspruch Cyprians ist nicht nachweisbar. Vgl. Anm. 270. Nicht nachweisbar. Graf von Gotter reiste nach kurzem Aufenthalt in Molsdorf wieder nach Berlin. Vermutlich der plötzliche Tod der Maria Anna Erzherzogin von Österreich, Gattin des Prinzen Karl Alexander von Lothringen und Bar, am 16. Dezember 1744 in Brüssel. Sie war 1744 kurzzeitig Statthalterin der Habsburgischen Niederlande. Prinz Karl Alexander von Lothringen und Bar war Kaiserlicher Feldmarschall der österreichischen Habsburger und von 1744 bis 1780 Gouverneur und Generalkapitän der Österreichischen Niederlande. Das Paar reiste im März 1744 über Erfurt und Leipzig nach Brüssel (vgl. Einleitung, Anm. 48). Seit der Antike anhaltender Diskurs über das Verhältnis von Körper und Seele, in dem hier eine materialistische Position eingenommen wird.

118

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

Bruder Tourbillon wird Ihnen außerdem allerhand mitteilen, was zu schreiben ich gegenwärtig keine Zeit habe. Ich hoffe, dass er Sie noch in Berlin antrifft, obwohl ich Sie übrigens gern bald umarmen würde. Ich bin stets mit der Ihnen bekannten Zuneigung von ganzen Herzen vollkommen die Ihre, Buchwald. Tausend Freundschaftsgrüße von Ihren Hoheiten und ebenso viele Komplimente von meinem Gatten, meiner Schwester sowie den Freunden und Freundinnen.

52. Gotha, den 30. Januar 1745 (541 r)336 Ich sitze am Bett unserer teuren Herzogin und habe die unendliche Freude, Ihnen, teuerster Freund, mitzuteilen, dass sie um sieben Uhr morgens einen schönen, runden Prinzen auf die Welt gebracht hat.337 Sie und das Kind sind Gott sei Dank völlig wohlauf und wir wünschen nur, dass das anhält. Sie befiehlt mir, Ihnen das mitzuteilen und sendet Ihnen tausend Freundschaftsgrüße. Stellen Sie sich meine Glückseligkeit vor, lieber Freund, und wie sehr ich den guten Gott liebe. Der arme Kaiser ist dem Hörensagen nach wie ein Heiliger gestorben.338 Möge Gott seine Seele empfangen und uns die Ruhe geben, die er uns nehmen ließ. Was glauben Sie, mein teuerster Freund, können wir darauf hoffen? Ich bin heute voller Zuversicht. Das sind die Wirkungen von Wohltaten und die Vorsehung erweist uns eine sehr große. Ich umarme Sie mit gütigem und zufriedenem Herzen, Buchwald. (550 r) Beilage339 Mein lieber Bruder, mir bleibt nur die Zeit, Ihnen zu sagen, dass unsere teure Herzogin heute Morgen um sieben Uhr einen schönen, runden Jungen zustande gebracht hat, dass es ihr ganz gut geht und dass ich Ihre Vorwürfe, in jedem Brief meine Meinung zu ändern, nicht verdiene, denn wenn sich die Bedingungen ändern, muss man reagieren, wenn man den Beweggründen entsprechend handelt und denkt. Als keiner Ihrer Freunde, und vor allem Podewils, bereit war, Ihre Briefe dem König zu übergeben, habe ich augenblicklich aufgehört, an den Erfolg Ihres Plans zu glauben und Ihnen zur Reise

336

337 338

339

Bl. 542 v trägt das buchwaldsche Siegel und die Anschrift „An Monsieur / Monsieur Baron von Keller / Geheimer Staatsminister Seiner Durchlaucht / des regierenden Herzogs von Württemberg / und dessen außerordentlicher Gesandter. / fr[ankiert]. Duderstatt @ Berlin“. Prinz Ernst Ludwig von Sachsen-Gotha-Altenburg, ab 1772 Herzog Ernst II. Der Tod des Wittelsbacher Kaisers Karl VII. am 20. Januar 1745, angeblich durch einen Gichtanfall, kam für die Zeitgenossen überraschend. Der Gothaer Hof sah in diesem Tod einen Beitrag zum erhofften Frieden (LATh-StA Altenburg, Familienarchiv Seckendorff Nr. 2274, Bl. 9 v–10 r). Vermutlich an Gustav Adolf Graf von Gotter gerichteter Brief, von der Herausgeberin als Beilage bezeichnet. Die Platzierung des Briefs erfolgt trotz abweichender Paginierung aufgrund des Inhalts an dieser Stelle.

119

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

nach Berlin geraten.340 Jetzt, wo deren Meinung nach Keller B.[erlin] vielleicht bald verlassen könnte, möchte ich Sie schon vorher aus den für Sie so unerträglichen Banden befreit wissen, die Sie, das sehe ich voraus, während der Abwesenheit Ihres Freundes allein nur sehr ungern tragen werden. Die Art, wie Sie davon befreit werden, fürchte ich allerdings wie den Tod. Ich spreche Wünsche aus und das ist alles, was ich kann. Adieu, semper idem, B.341 (550 v) Das ganze Zimmer ist voller Leute. Ich kann kaum Ihre Briefe lesen und noch weniger mit der H.[erzogin] von dem Brief sprechen, den Sie mir vom König übermittelt haben. Der Tod des Kaisers hat das System dermaßen verändert, dass ich denke, sie täten besser daran, mit dem K.[önig] weder über die Rivalität noch über das Misstrauen zu reden, was man gegenüber dem Sachsen zu haben glaubt. Übrigens habe ich schon wetten wollen, dass der König von Pol.[en] Kaiser wird.342

53. Gotha, den 18. März 1745 (544 r) Aus Ihrem Brief an Bruder Gotter habe ich von allen Bedrängnissen und den unendlichen Schwierigkeiten bei Ihrer aktuellen Verhandlung erfahren.343 Allerdings überrascht mich das nicht. Ich hatte es erwartet. Was ich jedoch sehr bewundere, ist die von Ihnen vertretene Position und dass Sie die anderen in einer solch hoffnungslosen Angelegenheit auf Ihre Seite zu ziehen wussten. Letzteres, das muss ich bekennen, verstehe ich noch nicht ganz. Wie konnten Sie sie dazu bewegen? Aber gut, ich gratuliere Ihnen und lobe Sie von ganzem Herzen, so wie es auch unsere teure Herzogin tut, (544 v) die Ihnen tausend Komplimente und Freundschaftsgrüße übermittelt. In eigenem Interesse hofft sie sehr, dass Sie nach dem vollständigen Erfolg im Kern Ihrer Angelegenheit nun wegen der einzelnen Arrangements noch einige Zeit in Paris bleiben können, und bittet Sie in diesem Fall dringend, die des Erbprinzen sowohl mit Blick auf den Haushalt als auch die Erziehung etwas in Augenschein zu nehmen. Gegen Ende dieses Monats soll Herr von Thun

340 341 342

343

Vgl. Anm. 303. Vgl. Anm. 306. Vgl. Anm. 328. Auch im Kreis um den Leipziger Universitätsprofessor Johann Christoph Gottsched gab es ähnliche Spekulationen (Jacob Daniel Wendt an Gottsched am 24. April 1745). Frankreich bemühte sich, Friedrich August II. für eine Kandidatur um die Kaiserwürde und eine Aussöhnung mit Preußen zu gewinnen. Keller weilte am Stuttgarter Hof, dessen Position für die anstehende Kaiserwahl geklärt werden musste, und reiste danach zu Verhandlungen nach Paris, bei denen es nicht nur darum ging, ob der sächsische Kurfürst oder Franz Stefan von Lothringen für die Kaiserwahl kandidieren, sondern wie die preußischen und österreichischen Eroberungen zukünftig aufgeteilt würden.

120

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

mit ihm nach Paris reisen344 und es wäre für die Herzogin eine große Beruhigung, würden Sie, lieber Bruder, alles persönlich und (545 r) aus der Nähe begutachten, ohne den Anschein zu erwecken, dass man Ihnen dazu den Auftrag gegeben hätte. Die teure Herzogin wäre Ihnen, lieber Renardin, dafür sehr verbunden. Sie hat gerade eine sehr liebenswürdige Hofdame aus Straßburg, das Fräulein von Glaubitz, engagiert.345 Meine Gesundheit ist wie immer – mal schlechter, mal besser. Aber im Ganzen gesehen geht es mir weniger schlecht als sonst und ich erhoffe von der Rückkehr des Frühlings alles. Übrigens, teuerster Freund, ich danke Ihnen vielmals für den von Ihnen weitergeleiteten gnädigen Brief Ihrer Königlichen Hoheit der H.[erzogin] von W.[ürttemberg] und das Rezept, das sie mir zusandte.346 Wird es meiner Gesundheit dadurch so gut wie meiner kleinen, geschmeichelten Eitelkeit gehen, (545 v) werde ich selig sein. Bevor ich schließe, beschwöre ich Sie, lieber Bruder, einer gewissen Person gegenüber weniger energisch zu sein, die ich trotz ihrer Maske sehr leicht durchschaue.347 Akzeptieren Sie, ich flehe Sie an, dass andere weniger Verstand und schlechteres Benehmen als Sie haben, ohne ihnen deshalb das Genick brechen zu wollen. Ich appelliere dabei an Ihre Philosophie und beschwöre Ihre Freundschaft, mir gegenüber immer gleich zu sein, so wie niemand auf der Welt wahrhaftiger als ich ganz die Ihre bin, Ihre treue Schwester Buchwald. Mein Gatte und alle unsere Freundinnen und Freunde senden Ihnen tausend Freundschaftsgrüße.

54. Gotha, den 27. März 1745 (546 r) hätte mir Bruder Tourbillon nicht schon Nachricht von Ihnen gegeben, hätte ich Sie, mein lieber Bruder, schon eher darum gebeten. Nach dessen Ankündigung, dass Sie mit der Kutsche von den Bergeshöhen auf Ihren Weg herabgesegelt seien, bin ich entzückt darüber, dass Sie uns diese hässliche Episode Ihrer Geschichte nun so locker erzählen können.348 Obwohl Sie versichern, noch nie mit besserem Appetit gegessen zu haben als

344 345

346 347 348

Die Erlaubnis Herzog Friedrichs III., zur Erziehung des Erbprinzen Friedrich von Genf nach Paris zu wechseln, wurde mehrfach verschoben und erst am 31. Dezember 1747 erteilt. Karolina Franziska von Glaubitz wurde erst im Februar 1747 Hofdame bei Herzogin Luise Dorothea. Thun diskutierte dieses Engagement in seinen Briefen an die Herzogin ab 9. Juli 1746. Der elsässische Zweig der Glaubitz gehörte seit 1660 zur Reichsritterschaft im Ritterkanton Ortenau. Vermutlich hat Keller die württembergische Erbprinzessin Henriette Marie auf ihrem Witwensitz in Göppingen besucht. Nicht erschließbar. Offenbar die Rückreise Kellers aus Frankreich (vgl. Anm. 343). Eine solche Reiseepisode ist in der „Epitre écrite d’Elfeld après mon départ des Deuxponts à S. A. la Princesse héréditaire de Darmstadt

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

121

nach diesem Unterfangen und dass es Ihnen nie besser ging, beschwöre ich Sie, für die Zukunft den festen Entschluss zu fassen, nur tagsüber zu reisen. Bedenken Sie, dass man sich den Hals nur einmal bricht und der Ihre nicht dazu gemacht ist, der Gnade dieser bestialischen Pferde und Postillione ausgeliefert zu sein. Dem elenden Tourbillon gegenüber habe ich für Sie Partei ergriffen. Es macht ihm sichtlich Freude, uns alle geistig zu verunglimpfen. Fragte er mich doch, ob ich glaube, es sei philosophische Vorsicht gewesen, die Sie entgegen aller freundschaftlichen Ansicht und Einwände nachts reisen ließ und meinte, dass man ihn, hätte er so etwas getan, unweigerlich als Überspannten, als Starrkopf bezeichnet hätte. Nur unsere Angewohnheit, all Ihre Handlungen zu verteidigen, würde uns dazu bewegen, sie völlig anders als seine zu beurteilen. Auf all sein Reden habe ich so gut ich konnte geantwortet, ihn sogar angegriffen, um (546 v) ihn zum Aufgeben und zur Verteidigung zu zwingen. Aber im Grunde, mein lieber Renardin, sind auch die teure Herzogin und ich wenig erbaut davon, welch geringen Wert Sie darauf legen, uns den würdigsten und teuersten der Freunde zu erhalten. Ich habe Herrn von Oppel lesen lassen, was Sie unserem Tourbillon schrieben, damit er es Ihrem guten Freund, dem alten Wolf, mitteilt.349 Oppel ist der Ansicht, dass Sie besser daran täten, teuerster Bruder, dem Prozess freien Lauf zu lassen, als auf den von Ihnen erwähnten Kompromiss zurückzugreifen. Darauf wird sich der Anwalt der Gegenpartei niemals einlassen, weil dieser Weg dem Interesse von Anwälten generell diametral entgegengesetzt ist. Allem Anschein nach werden sich auch im Konsistorium keine Richter finden, die eine Verlängerung des Streits verhindern wollen. Sagen Sie mir, lieber Bruder, ob es Maßnahmen zu ergreifen gilt, Schritte oder Vorsprachen einzuleiten sind, die Ihnen nützlich sein können. Niemand wird sich mit mehr Eifer und Freude mit allem, was Sie betrifft, befassen. Ich zweifle nicht, dass Sie bei dem, was Bruder Tourbillon über mich gesagt hat, das Wahre vom Falschen leicht trennen konnten. Weniger zu Ihrer Aufklärung als um diesem ewigen Tourbillon die verdiente Verwirrung zu bereiten, (547 r) schicke ich Ihnen beiliegend sein eigenhändig geschriebenes Billet.350 Mögen Sie entscheiden, wer von uns beiden das Tischtuch zerschnitten hat und alleiniger Zerstörer all dessen ist, was Ordnung genannt werden kann. Er war vierzehn Tage hier, die von ebenso vielen Abwesenheiten wie Eskapaden gekennzeichnet waren.351 Nun gut, wer vom Wasser trinkt, wird wieder dürsten,352 und ich würde eher einen Schwarzen versuchen weiß zu waschen, als ihn einen einzigen seiner vernünftigen Pläne ausführen zu lassen, die er oder seine Freunde für seinen neuen Lebensstil entwarfen.353 Dafür hat er

349 350 351

352 353

alors à Bouswiler“ beschrieben worden (vgl. Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt, HS 1731, Bl. 113–120). Die folgenden Informationen können sich sowohl auf Kellers Kirchenangelegenheit in Stedten (vgl. Einleitung, S. 24 f.) als auch auf dessen Verhandlungen während seiner Frankreichreise beziehen. Nicht überliefert. Dass Graf von Gotter aus Berlin nach Molsdorf zurückgekehrt sei, erwähnt Ulrich von Thun im Brief vom 16. März 1745 gegenüber Luise Dorothea. Sein Besuch auf dem Friedenstein ist am 23. April 1745 notiert. Johannes 4:13–15. Die folgende Passage spielt auf die geplante Frühjahrsoffensive Friedrichs II. an, obwohl im März 1745 im Staatshaushalt 4,5 Millionen Taler fehlten.

122

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

diesen Kommissar aus Berlin kommen lassen, der ihm angeblich einen bewundernswerten Haushaltsplan entworfen hat, worin alles in zahlreichen Kapiteln geregelt und so geordnet ist, dass seine aktuellen Einkünfte gerade so reichen. Aber ein Kapitel, das mit Sicherheit mehr als alle anderen verlangt, wurde vergessen: das der verschrobenen Phantastereien. Ich wette, dass er seinen Plan am 1. April eben damit starten wird, ein für ein solches Unternehmen geeigneter Tag. Er wird seine Leute an einen Aprilscherz glauben lassen und sie dazu bringen, ihm alles hundertfach zurückzuzahlen. Die drohende Ankunft der schönen Barbarina in Molsdorf morgen oder übermorgen wird diesen famosen Haushaltsstart herrlich unterstützen.354 Ihm fehlte nur noch dieser Zwischenfall, der übrigens einen wunderschönen Fehdehandschuh nach Berlin wirft, wo man schon voller Sorge ist, dass dieses Mädchen entgegen ihrem dreijährigen Engagement neue Pläne haben könnte. Man hat sie heimlich bis nach Leipzig verfolgt, hat versucht, dort einen Handelsmann zu engagieren, (547 v), um die an Mademoiselle Bar.[bara] Campanini adressierten Briefe aus dem Postbüro abzuholen. Der Handelsmann ging hin. Als er dort einen an Madame Mariane Campanini adressierten Brief fand, ließ er sich von der Post bestätigen, dass für Mademoiselle Bar.[barina] kein Brief angekommen sei. Da er aber eine ernsthafte Intrige vermutete, schickte er den abgeholten Brief per Stafette sofort an den Hof von Dresden. Nachdem er dort geöffnet und gelesen worden war, wurde er mit der Bemerkung zurückgeschickt, dass er nichts enthalte, was das Kabinett interessiere.355 Es handele sich um einen Liebhaber, der sich über die Barbe[rini] beklage und sie wohl verlassen wolle. Man solle diese Nachricht der in Leipzig weilenden Schönen übergeben. Das wurde getan, woraufhin sie anfragte, ob man, ohne durch Leipzig zu müssen, nach Molsdorf und von dort aus nach Hamburg fahren könne. Dies lässt vermuten, dass sie nicht, wie in Berlin vorgegeben, nach Venedig, sondern um jeden Preis zu ihrem Engländer will, um dessen Wut zu beruhigen. Der König hat ihr zusätzlich zu seinen großen Geschenken zehntausend Écus Versorgung zugesprochen. Was halten Sie, lieber Bruder, vom beginnenden Verhängnis der Alliierten, denen im Nu fünfhundert Hannoveraner genommen wurden?356 Die Position der französischen Armee scheint sehr vorteilhaft zu sein. Gebe Gott, dass das, was Herr von Röder vor einigen Tagen an Herrn von Hertzberg schrieb, begründet ist. Demnach sollen sich

354

355

356

Vgl. Anm. 262. Die Tänzerin Barbara Campanini soll wegen einer Beziehung zu dem englischen Politiker James Stuart Mackenzie ihr Engagement in Berlin nicht angetreten haben. Friedrich II. holte sie unter diplomatischen und militärischen Zwangsmaßnahmen nach Berlin, wo sie ihr Debüt am 8. Mai 1744 gab. Hinweis auf die Verlagerung des Kriegsgeschehens um die norditalienischen Herzogtümer Parma, Guastalla und Piacenza zwischen Österreich, das Unterstützung durch die Republik Venedig und Großbritannien suchte, sowie Frankreich und Spanien. Truppen Sachsen-Gotha-Altenburgs waren auf österreichischer Seite an der Schlacht von Piacenza (16. Juni 1745) beteiligt, über die sich Friedrich III. von Sachsen-Gotha-Altenburg durch Thun genau Bericht erstatten ließ (FB Gotha, Chart B 1560). Kursachsen war in den bevorstehenden Frieden von Füssen nicht involviert. Hinweis auf die Verlagerung des Kriegsgeschehens in die Österreichischen Niederlande. Die französische Armee unter Moritz von Sachsen kämpfte siegreich gegen die alliierte bzw. Pragmatische Armee, bestehend aus habsburg-österreichischen, britischen, niederländischen, kurhannoverschen und hessen-kasselschen Verbänden.

123

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

die Höfe von Wien und Bayern verbünden, wobei man auch auf den Berliner hoffe.357 Das wäre zu schön, um wahr zu sein. Tausend Freundschaftsgrüße, lieber Bruder, von der würdigen Herzogin, von allen, die Sie kennen, und von mir eine liebe und herzliche Umarmung, Buchwald.

55. Gotha, den 27. April 1745 (548 r) Ich danke Ihnen tausend Mal für Ihre gütige Mitteilung, teuerster Freund, und Sie können sicher sein, dass ich für Ihre Freundschaft und diese Aufmerksamkeit zu empfänglich bin, um nicht aufs Sorgfältigste damit umzugehen. Es hat allerdings den Anschein, dass sich die Unregelmäßigkeit, die sich in unserem miserablen Jahrhundert überall einschleicht, auch in unseren Briefwechsel mischt. Ihre drei lieben Briefe habe ich zwar gut verpackt erhalten, aber sie sind nicht in der Reihenfolge des Absendedatums angekommen. Der letzte, vom 20., kam als erster an und die zwei anderen drei Tage danach. Die teure Herzogin sendet Ihnen tausend Freundschaftsgrüße und glaubt wie ich, dass all die schönen Dinge, die man erwartet, am Ende sprichwörtlich der Berg sein werden, der kreißt und eine Maus gebiert. Wir halten nicht viel davon, dass der kleine Bruder glaubt, sich aus der Angelegenheit heraushalten zu können. Und ohne den Nachbarn, wird jede Übereinkunft immer nur Tünche sein. Es wäre wünschenswert, dass diejenigen, deren Wohlergehen die Vorsehung von Zeit zu Zeit erneuert, davon besseren Gebrauch machen wollen oder können. Aber oft habe ich bemerkt, (548 v) dass es fast allen Sterblichen am schwersten fällt, das wirklich Machbare erkennen und sich darauf unter guten und schlechten Umständen fixieren zu können. Ich bin sehr neugierig zu sehen, ob das Korps von zwanzigtausend Mann sein Ziel erreichen wird.358 Br.[uder] T.[ourbillon], dem ich von Ihren Briefen nichts gesagt habe, versichert hoch und heilig, dass sein Herr am Zusammenschluss teilhat, um vereint die Gallier zu vertreiben.359 Der liebe Vater tut mit seinem Handeln nicht unrecht, denn im Falle eines Erfolgs hätte er nicht nur das Glück sich reinzuwaschen, son-

357

358

359

Zu Röder Anm. 106. Ludwig Reinhard von Hertzberg war ab 1745 Gothaer Geheimer Rat ohne Session. Anspielung auf den bevorstehenden Frieden von Füssen am 22. April 1745 zwischen Österreich und Bayern. Der Sohn des verstorbenen Kaisers Karl VII., der Bayerische Kurfürst Maximilian III. Joseph, erhielt seine Staaten zurück. Er akzeptierte die Pragmatische Sanktion und versprach Franz Stefan von Lothringen seine Stimme bei der Kaiserwahl. Gleichzeitig bemühte sich Friedrich II. um einen Separatfrieden mit Wien, dessen Grundlage am 26. August 1745 mit der Konvention von Hannover gelegt wurde. Die von Seckendorff geführte Schlacht bei Pfaffenhofen am 15. April 1745 beendete den Krieg in Süddeutschland zugunsten Österreichs. Zwischen Bayern und Österreich wurde am 22. April 1745 der Friede zu Füssen geschlossen. Kursachsen erhielt von Österreich Gebietszusagen für die Zukunft und wollte im Gegenzug 22 000 Soldaten stellen. Die Hoffnung, dass Friedrich II. dem Bündnis beitreten werde, erfüllte sich nicht.

124

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

dern dabei auch nicht leer auszugehen.360 Es wäre auch kein Heldenmut vonnöten, im Zuge einer allgemeinen Einigung auf eine Gelegenheit zu hoffen, die Zahlung der Summen zur Sprache zu bringen, welche ihm die Cousine noch schuldet, womit er sonst kaum rechnen könnte. Und dies ist zweifelsohne der wahre Grund für all seine Bewegungen. Aber gut, die Vorsehung bedient sich aller möglichen Mittel, um die Dinge an das von ihr weise vorbestimmte Ziel zu bringen. Und dieses politische Chamäleon oder Scharwentzel361 wäre immerhin so glücklich, (549 r) am Ende des Spiels zum allgemeinen Wohl beigetragen zu haben, während es gleichzeitig erfolgreich an seinem eigenen arbeitete. Dies sind der Beweggrund und der Reiz, der gewöhnlich 99 Prozent der Menschen dazu bringt, das zu tun, was die Vorsehung will, das sie tun. Und genau in solchen Fällen vergleiche ich Sie mit diesen gewöhnlichen Seelen und finde Sie so unendlich über ihnen stehend, dass sich meine Freundschaft und Zuneigung verdoppeln und ich mich innerlich rühme, einen Freund wie Sie zu haben. Herr von Oppel hat mich gestern gebeten, Ihnen viele Grüße zu übermitteln und anzukündigen, dass sich für die Pfarrstelle in Bischleben ein Kandidat vorgestellt habe und man sogar sehr auf eine Entscheidung dränge.362 Die würde er jedoch bis zu Ihrer Antwort hinauszögern, weil er nicht wisse, ob es Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen gilt, um die Bedingungen für den zukünftigen Pfarrer so zu gestalten, damit sie Ihnen nicht wie zu Lebzeiten seines Vorgängers Schwierigkeiten bringen. Deshalb bittet er Sie, mir so schnell wie möglich dazu die nötigen Informationen zu schicken. Schreiben Sie sie bitte ein extra Memorandum, das ich Herrn von Oppel geben kann und das etwas detailliert ist, denn ich halte ihn in dieser Angelegenheit für nicht sehr gut informiert. Sie gehört normalerweise in das Ressort des Herrn (549 v) von Nitzschwitz, der gerade nach Wien abgereist ist, wo er die vom Königreich Böhmen verliehenen Lehen des hiesigen Hauses bestätigen wird.363 Er wird sicher drei Monate weg sein. In dieser Zeit leitet Herr von Oppel auch dessen Ressort und wird dafür sorgen, dass dem Pfarrer nichts gegen Ihren Vorteil gewährt wird. Haben Sie also die Güte, lieber Freund, mir die gewünschten und Ihnen nötig erscheinenden Anweisungen so schnell wie möglich zu schicken. Sehen Sie in mir für alle Ewigkeit Ihre mit Herz und Seele vollkommen treue Freundin B.

360

361 362 363

Seckendorff hoffte auf ausstehende Zahlungen Maria Theresias für seine Gesandtentätigkeit am Wiener Hof in Höhe von ca. 100 000 Gulden und Besoldung. Die Zahlungen erfolgten teilweise erst in den fünfziger Jahren. Im Original Deutsch. Im Kartenspiel ein Bube, der als Trumpfkarte eingesetzt wird. Vgl. Einleitung, S. 24 f. Johann Caspar Löwe trat die Stelle am 9. Mai 1745 an. Zu den 1547 von Kaiser Ferdinand I., ab 1526 gewählter König von Böhmen, an die Ernestiner verliehene Lehen gehörten.

125

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

Unsere gesamte Gesellschaft sendet Ihnen tausend Komplimente und Freundschaftsgrüße. Ich sage Ihnen nichts von meinem Gatten, denn er hatte, so sagt er, die Ehre, Ihnen selbst zu schreiben.364

56. [o. O., o. J.365] (604 r) Monsieur, mein lieber Landsmann, es stimmt, mein lieber Landsmann, dass man Ihnen Unrecht tat, als mir versichert wurde, Sie hätten den schönen Plan unseres Freundes Tourbillon wegen des Turms nicht nur gutgeheißen, sondern sogar dazu geraten.366 Allerdings hatte man sich dieser List nur bedient, um mir den Mund zu stopfen. Ich war entzückt, durch Sie persönlich zu erfahren, dass Sie darüber genauso richtig denken, wie Sie glücklicherweise auch in anderen Fällen zu denken und zu handeln gewohnt und somit weit davon entfernt sind, Ihren und meinen Freund vom Regen in die Traufe geraten zu lassen. In diese Richtung etwa interpretiere ich den Akt der Zerstörung des Turms. Ich rechne es Ihrer Aufmerksamkeit unendlich hoch an (604 v), mich vor einer Täuschung bzw. davor bewahrt zu haben, Ihnen gegenüber einen Moment lang ungerecht zu sein. Dies ist ein Zeichen dafür, lieber Landsmann, dass Ihnen meine Hochachtung und aufrichtige Freundschaft nicht gleichgültig sind. Ich bin Ihnen für dieses Vorgehen so dankbar und Ihr lieber Brief hat mir so viel Freude gemacht, wie er auf der Stirn unseres lieben Tourbillon Falten hervorrief. Hätten Sie sein sanftes und freundschaftliches Gebaren gesehen, mit dem er mir diesen Brief aushändigte und dessen Inhalt wärmstens empfahl, wären Sie entzückt gewesen. Ich habe nicht gezögert, ihn nach leisem Überfliegen der gesamten Gesellschaft laut vorzulesen. Der gefasste Gesichtsausdruck Tourbillons verschwand plötzlich, um Verfinsterung und Gewitterwolken Platz zu machen, die auf vielfältige Art hervorbrachen. Ich glaube, er hätte uns beide gern umgebracht. Den gesamten Abend über (605 r) grübelte er über den Streich nach und stieß von Zeit zu Zeit aus: „Dieser Teufel von Keller, mir eine solche Uriel-Nachricht mitzuge-

364

365

366

Herrmann Schack von Buchwald hatte Keller am 26. April 1745 als Kandidaten für die Pfarrstelle Johann Michael Heusinger Jena vorgestellt, der in Halle und Jena studiert hatte und an der Universität Gießen, ab 1730 an den Gymnasien in Gotha und Eisenach wirkte. Vermutlich Gotha, vermutlich zwischen dem 8. und 26. Mai 1745. Trotz abweichender Paginierung wird der Brief aufgrund des Bezugs zur Belagerung von Tournai ab dem 25. April 1745 und zum Eremitenfest auf Schloss Friedenstein am 25. Mai 1745, an dem Keller nur kurz teilnahm, an dieser Stelle eingeordnet. Während der Belagerung von Tournai kam es am 8. Mai 1745, als König Louis XV und der Dauphin Louis Ferdinand de Bourbon dem französischen Heer einen Besuch abstatteten, zu einer Explosion des Pulverturms der Zitadelle. Der erwähnte Turm (frz. la tour) spielt auf den Namen der Festung Tournai an.

126

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

ben!“,367 worauf ich antwortete: „Dieser gute, dieser würdige Keller.“ Schließlich ist er mit dem Entschluss fortgegangen, Ihnen gewaltig und sich selbst nicht weniger zu grollen, so dass ich mehr wünsche als hoffe, dass Sie seine Meinung haben ändern können. Ihre Durchlauchtigsten Hoheiten befehlen mir, lieber Landsmann, Ihnen eine Million Freundschaftsgrüße zu senden. Die Herzogin lässt Ihnen sagen, dass Bruder Renardin bestraft werden wird, weil er beim letzten Mal trotz der Bitten der Ordensoberen darauf bestand zu gehen.368 Es sei denn, er versuche diesen Ungehorsam durch eine baldige Rückkehr auszulöschen. Die gute Schwester Tranquille369 umarmt sie so wie alle anderen Schwestern. Sie hat ebenso wie die Ordensobere wie eine Verrückte gelacht, als ich ihr den Abschnitt Ihres Briefs zur Krätze vorlas. Da muss es wohl ein Geheimnis geben und da ich diskret bin, habe ich nicht hingesehen. Adieu also, lieber Landsmann. Ich hoffe, dass Sie diese Schmiererei entziffern können und vor allem, dass sich Ihre Gesundheit verbessert. Daran nehme ich unendlich Anteil, Ihre ergebenste und treue Dienerin Buchwald. Nehmen Sie die tausend Komplimente meines lieben Gatten entgegen und übermitteln Sie genauso viele von mir an Ihre teure Schwester, Ihren Bruder und seine liebenswürdige Gattin.370

57. Gotha, den 5. Juni 1745 (551 r) Für die mir gütigst mitgeteilten Nachrichten danke ich Ihnen, lieber Bruder, untertänigst tausend Mal. Über die endlosen Hindernisse, die Ihrer Rückkehr im Wege stehen, bin ich mindestens so sehr wie Sie erbost, umso mehr, als ich kein Ende absehe. Das, was Sie in Ihrem letzten Brief sagen, den ich die Freude hatte, gestern zu bekommen, wird unweigerlich eintreten. Es zeichnet sich hier schon seit drei Wochen ab. Uns wurde ein gewisser Bünau, ober apellations raht aus Celle,371 geschickt, der am Montag von hier abreisen

367 368 369 370 371

Uriel ist ein in den Ostkirchen anerkannter vierter Erzengel; seine Attribute sind Schwert und Flamme; in den westkirchlichen Bibeln wird er nicht genannt. Vgl. Anm. 365. Tranquille (frz. ‚die Ruhige‘) war der Ordensname war der Ordensname der Frau von Nitzschwitz. Vgl. Anm. 199. Günther von Bünau, Jurist, Hofrat in Hannover und von 1741–1752 Oberappelationsrat (im Originalbrief auf Deutsch) in Celle, war seit dem 14. Mai 1745 als Abgesandter von Hannover/des Englischen Königs auf dem Friedenstein. Er bewohnte drei Zimmer auf der Prinzengalerie und reiste am 7. Juni 1745 ab. Er warb nach Abschluss einer Geheimkonvention zwischen Kursachsen und Hannover um militärische Unterstützung gegen Friedrich II. von Preußen, dessen schlesische Eroberungen im Falle eines Siegs der Alliierten aufgeteilt werden sollten.

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

127

wird, um dem Fürstbischof von Würzburg den gleichen Vorschlag zu machen.372 Danach kehrt er hierher zurück. Gleichzeitig soll er mit unserem Nachbarn in Eisenach Truppenverhandlungen führen und wird allem Anschein nach etwas erreichen.373 Der Sächsische Hof verfolgt das gleiche Ziel, aber Gott allein weiß, wie alles ausgeht.374 Falls die Österreicher am Rhein so glücklos sind, wie es die Alliierten in Fontenay waren, ist zweifelsohne (551 v) vorauszusehen, worauf alles hinausläuft.375 Euch schickt man einen gewissen Gemmingen, der den gleichen Auftrag wie Herr von Bünau für uns hat.376 Es ist wenig tröstlich, sich angesichts dieser schwierigen Umstände entweder in den Abgrund links oder rechts stürzen zu können. Wohl deshalb fürchtet man zu Recht den zweiten Band dieser falschen Politik, nachdem man die Wirkung des ersten gesehen hat. Die gesamte Gemeinschaft, von der Ordensoberen und dem Ordensoberen bis hin zur kleinen Schwester Singulière (das ist die Wangenheim, die vor einigen Tagen in den Eremitenorden aufgenommen wurde),377 grüßt und umarmt den lieben Bruder Renardin. Dessen Abwesenheit ist allgemein sehr bedauert worden, vor allem von seiner besten Freundin, unserer teuren Ordensoberen, und seiner treuen Schwester Brillante.378 Herr von Keyserling kam auf seinem Weg nach Frankfurt hier durch und verbrachte zwei Tage mit uns.379 Auch dies ist etwas Neues – ein Minister Russlands, welcher der Wahl

372

373 374

375

376

377 378 379

Friedrich Karl von Schönborn-Bucheim war seit 1705 Reichsvizekanzler und seit 1729 Fürstbischof von Würzburg und Bamberg. Sein 1743 diskutierter Plan, den Fürstenverein der Mindermächtigen reichsrechtlich anzuerkennen, war allerdings von Kurhannover abgelehnt worden. Sachsen-Weimar-Eisenach war während des Österreichischen Erbfolgekrieges offiziell neutral. Der kursächsische Premierminister Heinrich von Brühl verfolgte bis Juli 1745 den Plan einer Geheimkonvention mit Hannover. Gleichzeitig hielt er den französischen Hof hin, der Friedrich August II. als Kaiserkandidaten mit dem Ziel unterstützen wollte, Kursachsen von seinen Verbündeten Österreich, England/Hannover und Russland zu trennen und sich Preußen wieder anzunähern. In der Schlacht bei Fontenoy am 11. Mai 1745 siegte Frankreich gegen die alliierte Armee von Briten, Hannoveranern, Österreichern und Niederländern. Die französischen Truppen am Rhein zogen sich im Juni 1745 ohne größere Kämpfe auf die linke Rheinseite zurück. Ludwig Eberhard von Gemmingen, hannoverscher Regierungsrat und Staatsminister, war Komitialgesandter in Regensburg und außerordentlicher Gesandter des englischen Königs an mehreren Höfen, so auch am Hof von Württemberg. Singulière (frz. ‚die Einzigartige‘) war der Ordensname der Friederike von Wangenheim, die am 25. Mai 1745 in den Eremitenorden aufgenommen wurde. Brillante (frz. ‚die Glänzende‘). Die Buchwald unterschrieb hier erstmals mit ihrem vollständigen Ordensnamen. Der russische Gesandte am Dresdener Hof Hermann Karl von Keyserling war, zeitgleich mit dem Gesandten Hannovers/des Englischen Königs (Anm. 371), vom 15. bis 17. Mai 1745 Gast auf dem Friedenstein. Er logierte neben den fürstlichen Gemächern. Zarin Elisabeth war trotz der Aufforderung des kursächsischen Premierministers Heinrich von Brühl im Mai 1745 der Quadrupelallianz zwischen Österreich, Großbritannien, Sachsen und den Niederlanden gegen Preußen nicht beigetreten.

128

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

eines Kaisers beiwohnt!380 Ich hoffe, dass auch Kuli Khan sich noch einzumischen gedenkt.381 Oh, große Germanen, was ist aus euch geworden!

58. [o. O., o. J.382] (601 r) Ich habe so schlecht geschlafen, dass ich mich heute so mies fühle wie schon seit drei Wochen nicht. Gott möge Ihnen, lieber und würdiger Freund, ein so wertvolles Gut wie Gesundheit erhalten. Ihr Verlust lässt mich deren Wert erkennen, und allen, die mir lieb sind, wünsche ich sie umso eifriger, je weniger ich sie offenbar selbst genießen kann. Ich habe die Bitte der armen Witwe unserer lieben Herzogin übergeben, welche Ihnen tausend Freundschaftsgrüße übermittelt und Sie beschwört, wegen Ihrer prompten Rückkehr Wort zu halten. Im Gegenzug wird sie alles ihr Mögliche tun, Ihre Witwe und Waisen trösten zu lassen.383 Ich umarme Sie, mein liebster Renardin, und bin von ganzen Herzen Ihre treue Brillante.

59. Gotha, den 12. Juni 1745 (552 r) In diesem Augenblick habe ich, mein teuerster Bruder, das hier beigefügte schöne und erbauliche Stück erhalten. Herr von Oppel hat mich beauftragt, es Ihnen vertraulich zu übermitteln und bittet Sie, in einem kleinen, ausschließlich für ihn bestimmten Mémoire festzuhalten, wie Sie diese Angelegenheit beendet wissen wollen.384 Er erbittet dieses Memorandum nur zu seiner eigenen Information, um sicher zu Ihrer Zufriedenheit handeln 380

381

382

383 384

Anspielung auf die wiederholte Einmischung ausländischer Mächte in die Wahl des Kaisers, nunmehr im Vorfeld der Wahl des Gatten Maria Theresias zu Kaiser Franz I. Stephan am 13. September 1745 in Frankfurt am Main. Nader Schah Afchar (Thamas Kuli Khan) regierte Persien von 1736–1747 und war militärisch sehr begabt. Sein Reich erstreckte sich vom Kaukasus bis zum Indus und in den Süden des Persischen Golfs. Nach seiner Ermordung floh sein Sohn nach Europa, wurde von Maria Theresia getauft und erzogen und stand in deren Militärdienst. Vermutlich Gotha, vermutlich zwischen dem 5. und 12. Juni 1745. Trotz abweichender Paginierung wird der Brief aufgrund des Gebrauchs des vollständigen Ordensnamens Brillante wie in Brief 57 und Brief 59 und inhaltlicher Bezüge zu Brief 59 hier eingeordnet. Das Billet bezieht sich vermutlich auf den überraschenden Sieg Friedrichs II. von Preußen gegen die Österreicher unter Führung des Prinzen Karl Alexander von Lothringen sowie das sächsische Heer unter Johann Adolf von SachsenWeißenfels in der Schlacht bei Hohenfriedberg am 4. Juni 1745. Vgl. Einleitung, S. 14. Vgl. Einleitung, S. 24 f.

129

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

und Gegenteiliges von Seiten des alten Wolfs möglichst verhindern zu können. Der Herzog und die teure Herzogin übersenden Ihnen tausend Freundschaftsgrüße und Komplimente, ebenso Herr von Oppel, mein Gatte und alle unsere Weiberchen. Sie wissen, was gerade in Schlesien vorging. Ein wahrlich sehr schlechtes Vorspiel, das auf der einen Seite den Mut sehr aufblasen wird, während es auf der anderen Seite den vor kurzem in Böhmen erworbenen niederwirft.385 Man sagt, dass der Herzog von W.[ürttemberg] verwundet sei, weiß es aber noch nicht sicher.386 Den Briefen aus Leip.[zig] und Dresden zufolge, (552 v) entscheidet diese Niederlage noch nichts.387 Das möge Gott geben. Unser Herr von Bünau ist nach W.[ürzburg] und Bamberg und vielleicht noch an weitere Höfe in der Nachbarschaft gereist.388 Er will uns nach diesen kleinen Ausflügen besuchen. Ich umarme Sie sehr herzlich, mein lieber Bruder, und erwarte Ihr Memorandum in Kürze. Ich habe Ihren letzten deutschsprachigen Brief erhalten. Wir danken Ihnen untertänigst und lieben Sie nach wie vor sehr, vor allem ich, die lebenslang Ihre treue Schwester Brillante ist.

60. Gotha, den 7. Juli 1745 (554 r) Ich freue mich von ganzem Herzen, teuerster Freund, Sie glücklich heimgekehrt zu wissen und will Sie auch meinerseits ganz herzlich umarmen, dieweil ich auf das Glück hoffe und sicher damit rechne, es morgen oder übermorgen wirklich zu tun. Ihre Hoheiten lassen Sie bitten, das ihnen bestimmte Vergnügen nicht zu verschieben, und der Herzog befiehlt mir ausdrücklich, Ihnen zu sagen, dass er am Freitag mit Ihrem Besuch rechnet. Es ist der Luisen-Tag, ein Fest, das er durch die Anwesenheit eines seiner teuersten und würdigsten Freunde wesentlich schöner fände.389 Und nicht zuletzt, lieber Renardin, lassen mein Gatte, meine Schwester und alle anderen Ihnen so viel bestellen, dass mir weder Zeit noch Platz bleibt, von mir selbst zu sprechen. Dabei bin ich mehr als alle auf der Welt Ihre treue Schwester Buchwald.

385 386 387 388 389

Vgl. Einleitung, S. 23 und Anm. 416. Herzog Karl Eugen wurde nicht verwundet. Umfangreiche politisch-militärische Informationen stammen vor allem aus Manteuffels Briefen an Luise Dorothea aus Leipzig und, ab Mitte August, direkt aus Dresden. Vgl. Anm. 371. Im Hof- und Adresskalender wird der 9. Juli 1745 als Louysa-Tag verzeichnet. Ein Aufenthalt Kellers auf dem Friedenstein ist im Fourierbuch nicht erfasst.

130

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

61. Gotha, den 4. August 1745 (555 r) Hier ist, mein lieber Bruder, was Seine Hoheit der Herzog mir soeben für Sie gebracht hat390. Der alte Wolf hat völlig dem entsprochen, was ich von seinem Verstand und seinem Herzen erwartete. Mit allen Scheinargumenten, die er sich nur ausdenken konnte, hat er seinen Bericht mit über hunderttausend Schwierigkeiten gefüllt, die zum Fall Ihres frommen Projekts geeignet wären, hätte es denn von seinem hündischen Willen abgehangen. Und damit Sie über die Entscheidung des Herzogs im Konsistorium informiert sind, schicke ich sie nun sofort durch diesen Boten. Der Herzog übermittelt Ihnen viele Komplimente und lässt Ihnen ausrichten, dass es ihn freuen würde, wenn Sie mit ihm als Anwalt zufrieden wären, denn in genau dieser Eigenschaft möchte er Ihnen mit dem hier beigefügten Stück Bericht erstatten. Er hofft auf das Vergnügen, Sie zum Geburtstag unserer teuren Herzogin hier zu sehen,391 die mir befiehlt, Ihrem lieben Renardin tausend Freundschaftsgrüße auszurichten. Herr von Oppel, mein Gatte und alle unsere Weiberchen entbieten Ihnen ihren Gehorsam und ich, mein teurer und würdiger Freund, umarme Sie mit dem alten Refrain Ihrer treuen Freundin Buchwald aufs herzlichste. Meine Komplimente an Ihre Schwestern und Ihren Bruder.392

62. Gotha, den 20. November 1745 (556 r) Ich bin entzückt, mein teuerster Bruder, Sie von Ihrer kleinen Expedition zurück zu wissen, die also das Schicksal unserer guten Prinzessin Luise entscheidet.393 Möge der Himmel geben, dass sie glücklich wird! Ich an ihrer Stelle wäre es nicht, aber ich wünsche ihr, die Dinge anders sehen zu können. Ich betrachte Gutes und Schlechtes natürlich mit Blick auf meine arme, alte Mutter. Meiner Meinung nach wäre ein kleiner Rückzugsort, entweder in Mecklenburg oder im Lande Württemberg, wo sie ihre Religion ausüben könnte, das Beste. Sie könnte im Hause ehrenwerter Leute als Pensionärin leben, ohne gezwun-

390

391 392 393

Die eigenständige Kirche in Stedten wurde von Herzog Friedrich III. genehmigt. Deren Pfarrer war ab dem 15. November 1745 Johann Heinrich Schröder. Ab dem 7. November 1747 bis 1753 trat Nicolaus Rost an dessen Stelle. Beide hatten an der Universität Jena studiert. Ein Besuch Kellers am 10. August 1745 ist im Fourierbuch nicht verzeichnet. Keller hatte vier Schwestern, zum Bruder vgl. Einleitung, S. 6. Keller war an den seit 1743 geführten Eheverhandlungen für die lutherisch erzogene Luise Friederike von Württemberg beteiligt, die am 2. März 1746 Friedrich von Mecklenburg-Schwerin heiratete, der reformierten Glaubens war.

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

131

gen zu sein, sich in den Haushalt oder irgendwelche Plackerei einzubringen.394 Ich beschwöre Sie, teuerster Freund, ihr, falls Sie sie vor der Abreise nach Mecklenburg nochmals sprechen (556 v), Ihre weisen Ansichten und Ihren freundschaftlichen Rat mitzuteilen. Ihre Hoheiten übersenden Ihnen Millionen Freundschaftsgrüße und unsere teure Ordensobere ist entzückt vom Vorschlag für den guten kleinen Bruder.395 Sie lässt Ihnen ausrichten, dass sie, auch wenn sozusagen das Kind schon in den Brunnen gefallen ist, weniger hoffnungslos ist, als Sie es anscheinend sind, dass es ihrem politischen Helden letztlich gelingen werde, die Hindernisse zu überwinden, die tatsächlich sehr viel größer geworden sind, aber für ihn, anders als für jeden anderen Kopf, keine unlösbaren, sondern vielleicht nur schwierige Angelegenheiten darstellen. Wir wünschen sehr, dass die Vorsehung dazu ihren Segen gibt. Der General Österreichs Berlichingen ist hier durchgekommen.396 Er rühmt die Güte und Menschlichkeit des Königs von Preußen, dessen Gefangener er noch ist, aufs Höchste und hebt diesen Fürsten in dem Himmel. Ich bezweifle, dass es unseren Nachbarn bei dem, was sie offenbar vorhaben, besser als früher gehen wird. (557 r) Das Spiel scheint für sie sehr ernst zu werden.397 Mein Vater ist nun an seinem Rückzugsort, von wo aus er mir einen langen Brief schrieb und bekundete, dass er gegenwärtig ausschließlich die Ruhe seines Privatlebens genießen wolle.398 Gleichzeitig kann man jedoch wie bei der zum Mädchen verwandelten Katze399 feststellen, dass er sich kaum bezähmen kann, auf eine Schar Mäuse loszugehen. Mein guter Ehemann umarmt Sie, mein teuerster Freund, mit mir zusammen von ganzem Herzen, versichert Ihnen seinen untertänigsten Gehorsam und bittet Sie zugleich inständig, nicht über alle Details, alle Kleinigkeiten zu spotten, mit denen er Sie wegen seiner Kutsche belästigt, deren Bestellung Sie gütigst übernahmen.400

394 395 396 397

398

399

400

Frau von Neuenstein folgte Luise Friederike nach Schwerin und lebte vorwiegend im Schloss Bützow. Vermutlich Karl von Lothringen. Johann Friedrich Freiherr von Berlichingen war 1734 Generalfeldwachmeister, 1737 FeldmarschallLeutnant und 1743 General der Kavallerie in kaiserlich-österreichischem Dienst. Nach der Schlacht von Hohenfriedberg (vgl. Anm. 416) hatte sich der Dresdener Hof im Oktober 1745 zunächst für einen Angriffsplan auf die Kernlande Preußens entschieden. Gleichzeitig sollten Österreichs Truppen unter Karl von Lothringen Niederschlesien besetzen. Ziel war, die Kapitulation Friedrichs II. zu erzwingen. Dieser Plan wurde unmittelbar vor Beginn der Operationen am 20. November 1745 vom kursächsischen Premierminister Heinrich von Brühl annulliert. Unmittelbar darauf marschierte Friedrich II. am 23. November, Leopold von Anhalt-Dessau am 29. November 1745 in Sachsen ein. Zwischen dem 30. Juli und 23. November 1745 riet die Buchwald im Auftrag des Gothaer Hofs Seckendorff mehrfach, Bayern zu verlassen und auf sein Gut Meuselwitz nach Sachsen-Gotha-Altenburg zu kommen. Ovid, Metamorphosen, 5. Buch: Diana verwandelt sich auf der Flucht vor Thyphaeus in eine Katze und wurde so zu einem Symbol für Wandelbarkeit. Seckendorff bat im Oktober 1745 um Wiedereintritt in kaiserlich-habsburgische Dienste, was 1747 genehmigt wurde. Anspielung auf die prunkvolle Nachahmung der goldenen Kaiserkutsche der Habsburger durch Kaiser Karl VII. und die nunmehr erfolgreiche Krönung Franz Stefans von Lothringen als Kaiser Franz I. am 4. Oktober 1745 (Zur Chiffre „Kutsche“ auch Hermann Schack von Buchwald an Keller am 28. Dezember 1744).

132

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

Meine Gesundheit ist noch immer sehr angegriffen und ich sehe keinen Weg, sie wiederherzustellen. Gegenwärtig bereiten mir vor allem anhaltende Blutwallungen, die kein Heilmittel dämpfen kann, und Schlaflosigkeit, die mich völlig niederwirft, alle möglichen Beschwerden. Unsere kleine Gesellschaft sendet Ihnen tausend Freundschaftsgrüße. Meine Freundschaft, mein teurer und würdiger Freund, endet gewisslich erst mit dem Leben, Buchwald.

63. Gotha, den 4. Dezember 1745 (558 r) Angesichts Ihres Angebots für meine alte Mutter fühle ich sowohl das gesamte Ausmaß Ihrer teuren und großzügigen Freundschaft, liebster Bruder, verstehe aber auch, dass ich Ihre Güte nicht ausschließlich und in jeder Hinsicht zu unseren Gunsten missbrauchen darf. Gewiss wäre aufgrund ihres Alters und ihrer Situation für die wenigen Tage, die ihr die Vorsehung noch geben mag, nichts angenehmer und ehrenvoller als der Rückzug in das Haus eines Freundes wie Sie es sind.401 Allerdings vermute ich gleich Ihnen, mein Freund, dass ihr der Gedanke an einen für ihr Seelenheil dringend notwendigen Priester schwer auszureden ist, und bezweifle, dass die Kinder sie den Schwarzmänteln und Beffchen überlassen werden. Dass es für mich jedoch äußerst wichtig ist, alle Pflichten gegenüber einer so guten Mutter zu erfüllen, habe ich ihr geschrieben und sie gebeten, mir ganz einfach (558 v) ihre Gedanken mitzuteilen, um entweder gemeinsam nach Umsetzungsmöglichkeiten zu suchen oder ihr andere nahezulegen. Ich bekenne Ihnen, dass es mein heftigster Wunsch ist, ihr eine Situation zu verschaffen, in der sie sich aufgehoben fühlt. Verzeihen Sie, mein würdiger Freund, ich rede von meinen Angelegenheiten als spräche ich mit mir selbst. Aber ich bekenne, dass ich Ihre Freundschaft nicht zu verdienen glaube, würde ich nach all dem mir bisher Erwiesenen an Ihrer Anteilnahme zweifeln. Meine Gesundheit ist unverändert. Es gelingt mir nicht, sie wiederherzustellen. Sie allerdings schaffen es eher, sie mich wegen des Grundes, für den ich Ihnen zufolge leben soll, trotzdem zu schätzen. Da haben wir nun die schöne und glückliche Folge der bewundernswerten Politik unserer Nachbarn, der Sachsen.402 Der alte Fürst von Dessau wartete nur auf den günstigen Moment, in welchem sich die zwischen Merseburg und Leipzig lagernden sächsischen Truppen entfernten, die man in der Nacht des vergangenen 29. gütigst Richtung Dresden kommen ließ, (559 r) und setzte sich sofort in Bewegung. Er war am vergangenen 30. nahe bei Leipzig und forderte die Stadt sofort zur Übergabe auf. Daraufhin schickten ihm Universität und Magistrat Abgesandte, mit denen er um die Summe von 401 402

Vgl. Einleitung, S. 14 und entsprechende Diskussionen zur Religionsausübung der „Mutter“ in den Briefen 11 und 64. Im Gefecht bei Hennersdorf am 23. November 1745 besiegten die Preußen die kursächsischen Truppen, darunter das Infanterieregiment Sachsen-Gotha, nachdem sich deren österreichische Verbündete unter Karl von Lothringen nach Böhmen zurückgezogen hatten.

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

133

zwei Millionen verhandelte. Danach zog er ein und logierte im jochms thal.403 Er nahm Schloss, Stadt und Stadttore in Besitz und beschlagnahmte alle Kassen Königs August. Nur ein Postamt ist noch frei. Der Fürst versicherte, dass Briefverkehr und Handel nicht unterbrochen werden dürften. Dem aus Weißenfels gesandten Deputierten versprach er für das Land und den Besitz des Herzogs vollständige Sicherheit.404 Sagen Sie mir, mein lieber Freund, ob man sich derart an der Nase herumführen lassen darf und hundert Jahren später zu glauben sein wird, dass es an einem ganzen Hof, in einem großen Land, einem großen Ministerium und einem ebenso großen Generalstab nur Maulwürfe gab, (559 v) die Gott ausdrücklich dazu erschaffen zu haben schien, den preußischen Helden größer zu machen.405 Man muss allerdings gerechterweise wirklich zugeben, dass er ein sehr großer Mann ist, der Stärken und Schwächen anderer völlig richtig einschätzt und geschickt auszunutzen weiß. Ich glaube, dass mein Herr Vater ebenso wie der gute chevalier Manfrede schreckliches Herzklopfen haben.406 Adieu, lieber Freund, ich habe keine Zeit, noch mehr darüber zu sprechen. Ich umarme Sie ganz herzlich, ebenso mein lieber Gatte, der Ihnen untertänigst für all Ihre Güte dankt. Er hat mich gebeten, Ihnen den beigefügten Papierkram zu übermitteln. Ihre Hoheiten senden Ihnen eine Million Freundschaftsversicherungen. Die Ordensobere stellt zu dem Affront, den man in all seiner Größe haben wollte, schöne Überlegungen an. Schade, dass wir zurzeit unseren liebenswürdigen Baron AntiVerhandler aus Hannover weder sehen noch hören.407 Ich wäre neugierig, ihn verdutzt und vor Schreck stumm wie einen Fisch zu sehen. Teerwasser soll angenehme Eigenschaften haben, aber ich glaube, dass unsere Äskulape es noch nicht anzuwenden verstehen. 408 Juch hat mir gestanden, dass er es an zwei Kranken, einem sich verflüchtigenden und ei-

403

404

405

406

407 408

Im Original Deutsch. Der Name der Gasse im Zentrum Leipzigs entstand durch den dort stattfinden Silberhandel aus den böhmischen Silberbergwerken von Sankt Joachimsthal, später dominierten Tuchhändler. Sachsen-Weißenfels gehörte als Sekundogenitur zu Kursachsen. Herzog Johann Adolf II., Schwager Friedrichs III. von Sachsen-Gotha-Altenburg, war dessen letzter Herzog. Er gehörte zur kursächsischen Heeresführung und war während der Abwesenheit des Königs sowie des Ministers von Brühl Chef der kursächsischen Regierung. Friedrich II. soll über den Gesandten Schwedens in Berlin Baron Carl Freiherr von Rudenschöld am 11. November 1745 vom sächsisch-österreichischen Plan zum Einmarsch in Preußen erfahren haben. Die Mitteilung stammte von Gustaf Wulfenstierna, 1744–1747 Minister am Dresdner, ab 1748 am Preußischen Hof. Manteuffel nannte sich in Briefen an Luise Dorothea chevalier (frz. ‚Ritter‘) oder chevalier Manfrede. Der Legende nach soll der nichtehelich geborene Sohn des letzten Kaisers der Staufer Friedrich II., Manfred, seinen Vater ermordet haben, um selbst Kaiser zu werden. Zwischen dem 20. Dezember 1745 und dem 11. Januar 1746 ist in den Briefen der Buchwald an Seckendorff zugleich ein Höhepunkt des Informationsflusses zwischen Gotha, Manteuffel, Seckendorff, Gotter und Podewils erkennbar. Vgl. Anm. 371. Behandlungen mit Teerwasser, dessen gesundheitliche Wirkung umstritten ist, wurden in der Neuzeit durch den Bischof, Nationalökonomen und Philosophen George Berkeley in seinem Werk Siris 1744) propagiert.

134

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

nem wassersüchtigen, erprobt habe und es beiden danach schlechter ging. Vielleicht sind beide sogar abgegangen.409

64. Gotha, den 11. Dezember 1745 (562 r) Ich hatte Ihnen, würdiger Freund, alles beschrieben, was ich durch unseren Herrn Juch über Teerwasser erfahren konnte.410 Wie Sie sehen, hat er damit nicht die Erfahrungen gemacht, die mich auf dessen Anwendung neugierig machen könnten. Vielleicht ist das eher sein Fehler als das des Heilmittels, das durch fehlerhafte Anwendung oft all seine Stärke und Wirkung zu unrechter Zeit verliert. So etwa ergeht es auch dem Heilmittel, das unser kleiner Alchemistenbruder beauftragt war zu mixen.411 Trotz seiner Geschicklichkeit ist leicht erkennbar, dass es ihm im Moment zu schwerfällt, Quecksilber mit den anderen Ingredienzien zu verbinden, ohne zu riskieren, dass ein guter Teil der anderen Wirkstoffe davon völlig aufgesogen wird. Was in jeder Hinsicht stimmt, stimmt vor allem in der Alchemie. Auf den richtigen Moment kommt es an! Alle großen Alchimistenscharlatane haben darüber unterschiedlich geurteilt und nur der kleine Bruder, der als einziger einen klaren Blick auf den Destillierkolben hatte, sagte Ihnen wiederholt, was daraus entstehen würde. Aber er predigte Blinden und Tauben. Überlassen wir sie ihrem Schicksal und sprechen lieber darüber, was sich auf politischem Gebiet ereignet. Das bedeutet nichts weniger, als die Blinden zu verlassen (562 v) und bei den Maulwürfen zu landen, zumindest, was unsere armen Nachbarn betrifft.412 Ihr Plan, den siegreichen König von vier verschiedenen Seiten gleichzeitig anzugreifen, hatte in etwa das Schicksal eines guten Schwaben, unseres Landsmannes, der am Türkenfeldzug teilnahm.413 Er bildete sich ein, mit diesen Leuten auf einen Schlag fertig zu werden und als er einen von ihnen bemerkte, schrie er sofort, dass er ihn fangen und an den Ohren herbeiziehen werde. Sein etwas vorsichtigerer Kamerad ließ ihn allein vorausgehen und als er ihn wie den Teufel schreien hörte, fragte er von weitem: 409 410 411

412

413

Zu Juch Anm. 151 und Anm. 184. Möglicherweise Anspielung auf den Tod Karls VII. und den von Philipp Karl von Eltz. Vgl. Anm. 408. Nicht eindeutig erschließbar. Erst nach der Schlacht von Kesselsdorf am 15. Dezember 1745 waren Friedrich II. von Preußen und Maria Theresia zu Friedensverhandlungen bereit, die ihren Abschluss im Friede von Dresden am 25. Dezember 1745 fanden. Offizieller Friedensvermittler war Großbritannien. Vgl. zu den Vorwürfen gegen den Dresdner Hof Anm. 405. Kursachsen musste Preußen eine Million Taler Kriegsentschädigung zahlen, litt unter Handelssanktionen und verlor einen Teil der Bevölkerung an die preußische Armee. Die Episode bezieht sich vermutlich auf die Schlacht bei Negroponte, wo Karl Rudolf von Württemberg-Neustadt die im Dienst Venedigs stehenden württembergischen Truppen im August 1688 gegen die Osmanen führte, zunächst am Auge und danach durch eine Kugel schwer verwundet wurde. Die wörtliche Rede ist im Original Deutsch.

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

135

„Hasts Türkle?“ Der andere antwortete ihm voller Schmerz: „Nan, der Türkel hat mieh!“414 Wirklich, man weiß nicht, was man von diesem Übermaß an Verblendung denken soll. Der König von Polen ist nach Prag gereist.415 Man lässt seinen Palast ausräumen, hat Graf von Brühl gesagt und vor der Abreise den französischen Botschafter gebeten, darin zu wohnen.416 Inzwischen ist ganz sicher, dass die Preußen mit unendlicher Zurückhaltung vorgehen, was den Alliierten der Sachsen, die genau das Gegenteil tun, Schande macht. Nun werden sie bald fast ganz Kursachsen beherrschen. Sagen Sie, lieber Freund, was soll daraus werden? Werden sich diese Köpfe ewig wenden, nur um (564 r) mit der Nase im Dreck zu landen? Kann es sein, dass man sich, statt der Notwendigkeit zu gehorchen, darauf versteift, sich und zugleich viele andere in den sicheren Ruin zu stoßen? Dann und falls die Endphase dieses Zustandes eintritt, sähe ich zumindest gern, dass die anderen Sachsen, die mich etwas mehr als die Kursachsen interessieren, davon profitieren könnten und einige Fetzen aus früherem Besitz oder die ihnen zustehende Administration zurückerhalten.417 Sie verstehen mich sicherlich und sagen vielleicht, ich sei verrückt. So aber bin ich gestrickt, lieber Bruder, dass ich bei dieser Gelegenheit für die mir Verbundenen Vorteile ersehne und dem nicht Einhalt gebieten kann. Für mich selbst hingegen bin ich unfähig, Luftschlösser zu bauen. Das Kapitel in Naumburg418 hat die Aufforderung erhalten, in drei Raten hundertfünzigtausend Écus, 60 Pferde, 20 Karren und 10 Knechte innerhalb von 14 Tagen zu zahlen. Falls nicht, werde man sie mit feuer und schwerdt zur Lieferung zwingen.419 Sie tun alles, um die Forderungen zu erfüllen, aber Armut und die vorgeschriebene kurze Frist lassen sie um das Gelingen bangen. Die Verzweiflung ist extrem. Sie haben dem Hof drei Mal von ihrem Unglück geschrieben und um Information gebeten, was sie in dieser Zwangslage antworten (564 v) oder tun sollen, jedoch kein Lebenszeichen bekommen. Nun, so wird gesagt, betrachte sich das Land schon als verstoßen. Es gibt dazu überall heftige Gerüchte, vor allem in Dresden, wo die Bevölkerung ohne Hemmung darüber redet. Zweifelsohne wird man dem Sieger bei der Ankunft dort Tore und Herzen öffnen. Auf seinen Befehl hin wurde im Leipziger Schloss, die Pleissenbourg genannt, am vergangenen Sonntag in der katholischen Kapelle ein reformierter Gottesdienst abgehal414 415 416 417

418

419

Anspielung auf die in Anm. 413 genannte Augenverletzung. Nach der Niederlage gegen Preußen beschuldigte Heinrich von Brühl Karl von Lothringen, die Sachsen im Stich gelassen zu haben. Der sächsische Kurfürst und König von Polen floh mit seiner Familie am 1. Dezember 1745 aus Dresden und kam am 4. Dezember in Prag an. Französischer Botschafter in Dresden war 1745 bis 1746 François-Marie de Villers la Faye Comte de Vaulgrenant. Durch den Naumburger Vertrag 1554 wurde die in der Wittenbergischen Kapitulation 1547 erzwungene Gebietsaufteilung zwischen den Albertinern und Ernestinern zugunsten Letzterer teilweise rückgängig gemacht. Die Ernestiner verloren dadurch jedoch die Kurwürde. Das Naumburger Stiftsgebiet gehörte seit 1657 zur Sekundogenitur Sachsen-Zeitz und fiel mit dem Tode des letzten protestantischen Vertreters der Linie Sachsen-Zeitz im Jahr 1718 an das Albertinische Kursachsen zurück, behielt jedoch eigene Verwaltungsbehörden. Verbindungen des Gothaer Hofs zu Naumburg bestanden über den Gothaer Geheimen Rat und Dom-Probst in Naumburg Christian von Uffel sowie Johann Adolf von Sachsen-Gotha-Altenburg, der dort nach der Schlacht bei Hohenfriedberg sein Generalstabsquartier als kursächsischer Generalmajor eingerichtet hatte. Im Original Deutsch.

136

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

ten, was der Bevölkerung nicht missfiel.420 Mein alter Herr Vater bekam in seinem Quartier doch etwas Furcht. Er ist mit seiner Frau zurzeit in Altenburg.421 Man ist Ihnen, lieber Bruder, wegen Ihrer Mühe, Ihrer Güte und Ihrer Freundschaft unendlich verbunden und befiehlt mir, tausend Komplimente und Freundschaftszusicherungen zu senden. Unser guter Oppel hat die Preußen zwei Meilen vor seinem Landsitz und Blattern in seinem Haus, die er selbst und seine Frau noch nicht hatten.422 Die jüngste Tochter hat sie schon überstanden, aber sein Sohn ist jetzt so schwer daran erkrankt, dass der arme Mann völlig verzweifelt ist. Er übersendet Ihnen tausend Komplimente. Unsere gesamte Gesellschaft umarmt sie zusammen mit mir sehr herzlich. Meine Gesundheit ist etwas besser, jedoch fehlt mir bald mehr, bald weniger Schlaf. Tourbillon fragt mich, ob ich wisse, dass Sie kurz vor der Hochzeit stünden, und lässt mich rätseln, unter welchen Auspizien423. Ich bin ganz sicher, dass es zuvörderst die (563 r) der Vernunft sein werden und wünsche mit der Ihnen bekannten Neugier auf all Ihre Angelegenheiten zu wissen, ob wirklich etwas dran ist. Er selbst hatte keine Hemmungen, sich mit dem zu brüsten, wovon Sie mir berichtet haben und ist entschlossen, Sie zu treffen, sobald der K.[önig] in Berlin zurück sein wird. Mein lieber Gatte entbietet Ihnen seinen untertänigsten Gehorsam und tausend Dank für die Sorgfalt, mit der Sie ihm eine gute Kutsche besorgen.424 Er wird rundum mit allem, was Sie an Passendem finden, zufrieden sein, sich aber etwas schämen, Ihnen solche Umstände bereitet zu haben. Adieu, lieber und würdiger Freund. Ich bin immer höchst wahrhaft Ihre treue Schwester Bw.

420

421

422

423 424

Kursiver Text im Original Deutsch. Die im 13. Jahrhundert errichtete Burg, die nach ihrer Zerstörung im Schmalkaldischen Krieg 1546/47 als Teil der Festungsanlage um Leipzig neu errichtet wurde, war schon durch die Disputation zwischen Martin Luther und Johannes Eck im Juni 1519, die zur Ächtung Luthers führte, zu einem symbolischen Ort für das Dominanzstreben des Katholizismus geworden. Der 1697 zum Katholizismus konvertierte Kurfürst Friedrich August I. von Sachsen ließ hier 1710 eine katholische Kapelle einrichten. Seckendorffs Gut Meuselwitz war von Truppen Friedrichs II. visitiert worden. Die Buchwald versicherte ihm im Auftrag Herzog Friedrichs III. am 28. Dezember 1745, dass er in seinem Stadtpalais in Altenburg in Sicherheit sei, Friedrich II. es nicht wagen werde, den Vasallen eines neutralen Fürsten zu attackieren und dadurch die Reichsstände gegen sich aufzubringen. Das Gut Gosda in der Niederlausitz hatte Oppel 1718 als Lehen empfangen. Die Krankheitsmetapher spielt auf einen ähnlichen Vorgang wie in Anm. 421 an. Die jüngste Tochter Oppels war Martha Eleonore, die Söhne Carl Georg August und Johann Siegmund. Vgl. Einleitung, S. 21 und 23. Vgl. Anm. 400.

137

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

65. Gotha, den 25. Dezember 1745 (565 r) Ich möchte Ihnen, lieber Freund, mein unendliches Beileid zum Verlust Ihrer Schwägerin aussprechen.425 Die in Ihrer Familie herrschende Einheit, die Zuneigung Ihres Bruders zu seiner würdigen Gattin und deren sanfter und rechtschaffener Charakter hatten ihr Ihre Hochachtung eingebracht. Von all dem spricht Ihr aufrichtiges Bedauern. Ich fühle und teile es, mein lieber und würdiger Freund, in zärtlicher und treuer Freundschaft, die mich mein Leben lang an Sie bindet. Ich würde bei dieser Gelegenheit, wäre dies möglich, meinen Eifer und meine unaufhörlichen Wünsche für Ihre Zufriedenheit verdoppeln, damit es dem Himmel gefallen möge, dieses Ereignis für Sie das letzte seiner Art und das neue Jahr sowie zahllose weitere nur glücklich sein zu lassen. Falls die Wechselfälle des Lebens keinen langen, ununterbrochenen Wohlstand erlauben, bescheide ich mich, Ihnen ein langes Leben zu wünschen, vorausgesetzt das Angenehme übersteigt das Unangenehme beachtlich. (565 v) Ich bitte Sie, mein teurer Bruder, dem lieben freüllen Schmettau tausend Komplimente zu übermitteln.426 Ich war sehr erleichtert zu erfahren, dass wir, ohne einander abzusprechen, die gleiche Idee hatten. Mein Geist erhebt sich unter dem Einfluss des Ihren und ich hüte mich im Moment, einen kleinen, schön ausgedachten Plan mit ihr als Hälfte wie ein Luftschloss zu betrachten. Für das Geschlecht der Ernestiner scheint es mir ein gutes Zeichen zu sein, dass der Himmel den gleichen, unaussprechlichen Gedanken in unser beider Köpfe entstehen ließ. Möchten Sie, lieber Bruder, der ihn entstehen sah, ihm nicht als Führer dienen? Es wäre nur eine Kleinigkeit, ihn bald zu einem gewissen Grad an Perfektion zu führen. Man müsste es einfach nur so einrichten, dass die liebenswürdige Schmettau und ich damit beauftragt würden, die dabei nötige Aufteilung zu regeln. Wir sind großzügig und würden nicht wie Harlekin handeln, der alles auf eine und nichts auf die andere Seite legt.427 Wir würden nur die zwei kleinen kirchlichen Pfründe auf die Seite der Ernestiner bringen428 und entsprächen damit (566 r) sowohl unserer schützenden Zuneigung zu diesem Geschlecht als auch der höchstmöglichen Gerechtigkeit. Überlegen Sie, ob Sie und andere am Ruhm beteiligt sein wollen, eine so schöne, weil gerechte Handlung auszuführen. Entschuldigen Sie, mein lieber Bruder, dieses Geschwätz, das Sie angesichts Ihrer gegenwärtigen Geisteslage vielleicht unangebrachter denn je finden. Ich denke, in genau solchen Fällen sollte man vom Hundertsten ins Tausendste springen, um den Blick von traurig 425 426 427 428

Marie Christine Schaeffer, die Gattin von Johann David von Keller (vgl. Anm. 199) starb im Alter von 28 Jahren im Dezember 1745 und hinterließ vier Kinder. Der kursive Text ist im Original Deutsch, vgl. Einleitung S. 21 und 23 sowie Anm. 136. Übernahme einer Wendung über den Dresdener Hof aus einem Brief der Buchwald an Seckendorff (LATh-StA Altenburg, Familienarchiv Seckendorff Nr. 2274, Bl. 21 r). Sachsen-Gotha-Altenburg hoffte u. a. auf den Besitz von Naumburg (Luise Dorothea an Keller am 26. Juli 1746).

138

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

stimmenden Wahrheiten abzulenken. Ihre Hoheiten senden Ihnen tausend Komplimente und Freundschaftsgrüße und Sie können sicher sein, dass Ihr Kummer sie bekümmert. Man befiehlt mir, Sie dessen zu versichern. Aber ich will Sie nicht auf dieses Thema festnageln. Mein Gatte, meine Schwester und unsere gesamte kleine Gesellschaft versichern das Gleiche und ich umarme Sie von ganzem Herzen und bin ewig Ihre treue Schwester Br.[illante]. In diesem Augenblick kommt die Nachricht von einem angeblichen Frieden zwischen den Königen von Preußen und Polen.429 Der Beweis dafür ist, dass alle kürzlich erfolgten Lieferungen an die Leibziger430 zurückgesandt worden sind. So ist also unser Held, der nach Berlin zurückkehren wird, mit Ruhm bedeckt, der umso größer ist, als er ihn nur Ihm verdankt und Frieden folgt.431 Bedingungen sind noch nicht bekannt, aber der Informant versichert, dass die Lausitzen dazu gehören werden.432 (566 v) Von meinem Gatten soll ich unbedingt mitteilen, dass sein Schweigen ganz sicher nicht auf fehlende, Ihnen schuldige Gefühle zurückzuführen ist, sondern dass er die Zahl der Zudringlichen nicht erhöhen will, denen Sie im gegenwärtigen Fall ausgesetzt sind.

66. Gotha, den 5. Januar 1746 (567 r) Nun ist unser Tourbillon abgefahren, um Sie, mein lieber Bruder, zu treffen. Bei dieser ganzen Reise beneide ich ihn nur um das Vergnügen, Sie zu sehen433. Er hat mich das, was Sie zu dieser Reise schrieben, lesen lassen. Ich habe darüber und über die von Ihnen ergriffenen Vorsichtsmaßnahmen gegen seine zu erwartenden Anwandlungen schlechter Laune und Tourbillon-Phantasien nach Herzenslust gelacht. An diesen aufrichtigen Zügen, die ich an Ihnen so ehre und liebe, habe ich Sie genau erkannt. Herr von Wangenheim wird ihn auf seinen großen Wunsch hinbegleiten,434 um ihm einerseits Freude zu 429 430 431

432

433 434

Der Friede von Dresden zwischen Preußen, Kursachsen und Österreich wurde am 25. Dezember 1745 unterzeichnet und beendete den Zweiten Schlesischen Krieg. Im Original Deutsch. Am 28. Dezember 1745 erfolgte ein triumphaler Einzug Friedrichs II. in Berlin. In dem in Anm. 427 genannten Brief wird Friedrich II. als großer Mann bezeichnet, der von einem großen Glück sekundiert werde, das er nicht nur sich selbst verdanke. Die Informationen stammen vermutlich aus den Briefen Manteuffels an Luise Dorothea. Die beiden Lausitzen waren ursprünglich Nebenländer der Böhmischen Krone, wurden 1623 an Kursachsen verpfändet und 1636 dauerhaft übergeben; vgl. auch die in Anm. 417 genannten Verträge, in deren Folge Sachsen-Gotha-Altenburg Besitz in der Lausitz verlor. Graf von Gotter reiste erst am 7. Januar 1746 nach Berlin. Vermutlich Ernst Wilhelm von Wangenheim von Großenbehringen, Geheimer Rat, später Erzieher des Prinzen August und seit 1746 Mitglied des Eremitenordens.

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

139

machen, andererseits weil ihm diese Gelegenheit günstig erscheint, den Berliner Hof mit offiziellerer Zustimmung zu sehen. Er hat mich gebeten, Ihnen als unser gemeinsamer Freund empfohlen zu werden und ich bitte Sie, teuerster Freund, ihm Ihre Ansichten mitzuteilen. Er ist ein kluger und rechtschaffener Mann und will unserem Tourbillon keinesfalls auf der Tasche liegen. Der hatte ihm vorgeschlagen, ihn auszuhalten und für hundert Dukaten, die er ihm zahlen solle, sowohl alle Kosten der Reise als auch des Aufenthalts in Berlin zu übernehmen. (567 v) Da er jedoch niemandem zur Last fallen will, will er sich auch nicht in unnütze Ausgaben hineinziehen lassen und all die imitieren, die unser guter Bruder vielleicht vorhat zu tätigen. Und so werden Sie bitte die Güte haben, ihm beim Sparen und Abwägen zu helfen. Dafür wäre er Ihnen zu spürbarem Dank verpflichtet, den ich zugleich zu dem, den ich selbst Ihnen schulde, hinzufügen werde. Wenn all das stimmt, was man hier über die Friedensbedingungen zwischen den Höfen von Berlin, Wien und Sachsen publiziert, nähern wir uns dem glücklichen Zeitpunkt, der Deutschland einzig und allein auf dauerhafte Ruhe hoffen lässt. Nur die Franzosen werden als Geprellte aus diesen Unruhen hervorgehen, die sie zu bilden halfen und damit bekommen, was sie verdienen.435 Unsere teure Ordensobere, die Ihnen tausend Freundschaftsgrüße sendet, sagt, dass man jetzt zumindest verpflichtet sein wird anzuerkennen, dass Sie den wahren Stand der Dinge durchschaut und vorausgesagt haben. Wäre man weise genug gewesen, Ihnen zu glauben, hätte man in W.[ien] und in H.[annover] zu einem günstigeren Preis das bekommen, (568 r) was man gegenwärtig wesentlich teurer bezahlt und dabei noch froh ist, es zu diesem Preis zu bekommen. Der König von Preußen muss mit sich selbst sehr zufrieden sein. Dieser Feldzug bringt ihm unsterblichen Ruhm. Aber bewundern Sie nicht die Sachsen und ihren glücklichen Stern?436 Diese Leute bereichern sich durch Bankrotte, und ihre Geschäfte wären vielleicht weniger gut, wären sie weniger kurzsichtig gewesen. Die Vorsehung hat zweifelsohne nicht beschlossen, ihnen dieses Ereignis eine Lehre sein zu lassen, denn sie fahren zu gut dabei, als dass sie daraus klüger werden könnten. Nun gut, jedes Wesen muss seine Bestimmung erfüllen und die ihre ist offenbar, unserem Helden auf ewig als Zielscheibe zu dienen so wie es die meine ist, ewig mit zärtlichster und aufrichtigster Freundschaft ganz die Ihre und Ihre treue Schwester B. zu sein. Unsere ganze kleine Gesellschaft sendet Ihnen ergebenste Komplimente und tausend Freundschaftsgrüße. Ich hatte diesen kleinen Brief im Voraus geschrieben, weil ich damit rechnete, dass Tourbillon zwei Tage eher abreisen würde. Und nach allem, was ich in diesen zwei Tagen erfahren habe, verdienen die Sachsen an diesem Frieden doch nicht so viel, obwohl sie nicht so viel verlieren, wie sie normalerweise befürchten mussten. Man hat fest versichert, dass der siegreiche K.[önig] ihnen drei Kreise des König.[reichs] Böhmen über435

436

Der Friede von Dresden wurde vom Reich und von Großbritannien garantiert, Frankreich verlor an Einfluss, da die englische Krone auch den von Frankreich unterstützten katholischen Jakobitenaufstand beendete (Brief der Buchwald an Seckendorff, ThStA LA Altenburg, Familienarchiv Seckendorff Nr. 2274, Bl. 26 r und Bl. 27 v–28 r. Eine Fehlannahme, denn Kursachsen musste an Preußen 1 Millionen Taler Kriegsentschädigung zahlen.

140

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

lassen werde, was sich aber nicht bestätigt. (568 v) Ich wurde von der Ordensoberen beauftragt, lieber Bruder, Sie über die Folgen der Verpflichtung zu informieren, die man gegenüber dem König von Pr.[eußen] wegen der 600 Rekruten eingegangen ist.437 Als er sich Dresdens bemächtigt hatte, schrieb er dem Herzog sofort höchst verbindlich, erinnerte im Zusammenhang mit seinen raschen Erfolgen zugleich an die versprochenen Rekruten und verwies auf die günstige Gelegenheit, sie ihm nach Leipzig zu schicken. Dieser Schritt war wegen des Sächsischen Hofs nicht angenehm. Es gab jedoch keine Möglichkeit zum Rückzug und man ergriff lediglich die Vorsichtsmaßnahme sich auszubedingen, dass diese Rekruten gegenwärtig weder gegen Sachsen noch Österreich eingesetzt würden. Bevor jedoch die Antwort des Königs dazu eintraf, war der Friede geschlossen und der König schickte sofort einen seiner Flügeladjutanten, den Marquis de Varenne, hierher, um den kleinen Handel abzuschließen.438 Nachdem hier viel nachgedacht worden war, hielt man es allerdings für angebracht, dem König diese 600 Rekruten gratis zu überlassen und ihn lediglich darum zu bitten, sie als Regiment zu betrachten, das er ergänzen könne, indem er den 600 die restlichen hinzufügt und es den Namen unseres zweiten Prinzen tragen lässt.439 Allerdings wird für ihn keinerlei Offiziersgehalt und keinerlei Vergütung verlangt, bevor er nicht das Alter erreicht haben wird, sich eines Tages selbst dem König zu präsentieren und ihm seine Dienste anzubieten. Ich betrachte das als noble Geste und vor allem (572 r) als Schutz vor dem Verdacht, aus Furcht so zu handeln. Noch bevor man diesen Plan auch nur entwarf, waren alle Truppen des Königs außerhalb Sachsens. Übrigens sind die Leute wesentlich leichter in Bewegung zu setzen, wenn man ihnen ehrlich sagen kann, dass sie nicht per Zufall in andere Regimenter gesteckt werden. Außerdem behält man sich vor, dass die Konvention voll wirksam werden müsse. Das betrifft vor allem deren letzten Artikel, der übrigens bestimmt, dass man keinesfalls zu Rekrutierung verpflichtet sei. Man hat also Bruder Tourbillon damit beauftragt, dem König diesen Vorschlag zu machen und behält, während man auf seine Antwort und Zustimmung wartet, Marquis de Varenne hier. In der Hoffnung auf die Zustimmung des K.[önigs] wurde Tourbillon vom jüngsten Vorschlag nichts gesagt. Die Ordensobere bittet Sie darum, mir mitzuteilen, was Sie davon denken und die Güte zu haben, die Tourbillonaden ein wenig im Auge zu behalten. Sie verstehen – er weiß nicht, dass ich Ihnen schreibe. Sie werden sehen, ob er Ihnen etwas davon anvertraut. Falls nicht, wäre es meiner Meinung nach besser, ihm zu sagen, dass ich Ihnen zu seinem Auftrag einige Andeutungen gemacht hätte, um so Gelegenheit zu haben, ihm ab und zu Ihre Meinung zu sagen. Ich habe W.[angenheim] unter dem Vorwand, seinet- und seiner Interessen wegen zu schreiben, beauftragt, Ihnen meinen Brief heimlich zu übergeben. Ich weiß nicht, mein teuerster Bruder, ob Sie diese Kritzelei lesen können.

437 438

439

Vgl. Anm. 217. Sachsen-Gotha-Altenburg hatte mit Brandenburg-Preußen zwischen 1740 und 1756 mehrere Kartellverträge zur Stellung von Rekruten gegen Subsidien abgeschlossen. Der Flügeladjutant in preußischem Dienst Albrecht Friedrich de Varenne traf am 4. Januar 1746 auf dem Friedenstein ein. Friedrich II. akzeptierte das taktische Manöver Gothas, mit dem sich der Hof Optionen gegenüber Preußen vorbehielt (FB Gotha Chart 2415, Luise Dorothea an Friedrich II. am 26. Februar 1746). Das Infanterieregiment wurde dem 1747 geborenen Prinzen August übergeben, der es 1769 abgab.

141

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

Wir sind bei Bachoff zum Diner.440 Es (572 v) ist schon sehr spät und mir war es höchst wichtig, von dieser Gelegenheit zu profitieren, um Sie über dieses kleine Detail zu informieren, von dem unsere Ordensobere Sie in Kenntnis gesetzt haben will und das nicht so leicht per Post zu übermitteln ist. Sie können sich nicht vorstellen, lieber Bruder, welche falschen und dummen Schritte mein alter Schwätzer von Vater aus Furcht, die ich für völlig deplatziert halte, noch unternommen hat.441 Man war darüber informiert, wollte sich darüber amüsieren und über ihn spotten. Tourbillon wird Ihnen alles erzählen, was der alte Schwätzer, der mich wahrlich wütend gemacht hat, aus lächerlicher Angst tat und schrieb.

67. Gotha, den 12. Februar 1746 (569 r) Meiner hinkenden Gesundheit, liebster Bruder, verdanken Sie mein Schweigen und dass ich Sie gegen meinen Willen in Ruhe gelassen habe. Ich hatte auf die Freude gehofft, einander hier zu umarmen. Was ist aus der Reise geworden, die Sie an Ihren Hof machen sollten? Ich glaube, der glückliche Stern unseres Bruders Tourbillon hat sie für die Zeit seines Aufenthaltes in Berlin verhindert. Seinem letzten Brief zufolge müsste er von dort am 16. des Monats abreisen und ich fände es reizend, würden Sie die Rückreise gemeinsam antreten. Übrigens bewundere ich nicht weniger als Sie den besagten Fleiß und die unendlichen Ressourcen, aus denen er sich zu speisen weiß. Allerdings verschwendet der beste Arbeiter auf undankbarem Boden seine Kraft und ich denke, der arme Tourbillon könnte sich in mancherlei Hinsicht schnell in einem solchen Fall finden. Aber wir werden über all das nach Lust und Laune herziehen, wenn wir einander wiedersehen. Ich bin so frei, lieber Bruder, (569 v) meine Antwort an G.[otter] an Ihre Adresse zu schicken. Bitte senden Sie den Brief zurück, falls er schon abgereist sein sollte, damit ich ihn von meiner Unschuld überzeugen und mich vor seinen Vorwürfen schützen kann. Was denken Sie, teuerster Freund, über die politische Situation? Manche behaupten, sehr klar zu sehen und sagen, dass dieser Frieden, den man so sehr gewünscht und als Werk des Himmels angesehen habe, nur ein von Menschen gemachter und kein dauerhafter sei.442 Er sei nur Tünche und die glatte Meeresoberfläche, unter der sich Stürme verdecken, nur scheinbar ruhig. Diese Stürme seien umso gefährlicher, da keinerlei Vorbereitungen getroffen würden, sich in Sicherheit zu bringen. Der protestantische Stand sei letztlich noch nie so stark wie jetzt gefährdet gewesen, der Wiener Hof wolle das Reich um jeden Preis in einen Krieg mit Frankreich hineinziehen und das werde ihm gelingen. Da mag uns der Himmel behüten, denn das hieße vom Regen in die Traufe kommen. Unsere preußischen Rekruten sind 440 441 442

Vgl. Anm. 55; vermutlich Ernst Christoph Bachoff von Echt, Jurist, Hofadvokat und seit 1746 Bürgermeister von Gotha. Brief der Buchwald an Seckendorff (LATh-StA Altenburg, Familienarchiv Seckendorff, Nr. 2274, Bl. 25 r–28 r), wo der Überfall auf Meuselwitz abgewiegelt wird. Ebd., Bl. 27 v–28 r.

142

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

vorgestern unter Führung des Marquis (570 r) de Varenne abgegangen,443 der, wie ich erfuhr, schon gestern Abend 68 Mann verloren hat. Glücklicherweise hatte der hiesige Hof in der Konvention genau festgelegt, dass der Transport zu Lasten des K.[önigs] erfolgt. Es ist trotzdem höchst unangenehm, kein anderes Motiv gehabt zu haben, als diesem Fürsten eine Freude zu machen. Deren Wirkung wird vielleicht nur sehr wenig der Intention des hiesigen Hofs und seinen Ausgaben für Anwerbung und Unterhalt der Rekruten seit Abschluss der Konvention bis heute entsprechen. Wären sie, wie vorgeschlagen, von hier als Regiment abgegangen, hätte es vielleicht keinen einzigen gegeben, der dies nicht bereitwillig getan hätte und die mitgeschickte Eskorte von fünfzig preußischen Reitern hätte ausreichen können. Sie aber gegen ihren Willen mit einer so schwachen Eskorte marschieren zu lassen, ist mir unbegreiflich. Wenn das so bleibt, weiß Gott, ob ihr Führer noch hundert behält. Schon in der ersten Nacht desertierte sogar ein Reiter der Eskorte samt Pferd und allem anderen. Das nenne ich ein Beispiel geben. Ihre Hoheiten befehlen mir, mein lieber Bruder, Ihnen tausend Freundschaftsgrüße zu übermitteln, die gesamte Clique ebenfalls, vor allem mein lieber Gatte, der Sie gnädig darum bittet, ihm einen Rat zu geben, wie er seine Kutsche, wenn sie fertig ist, am geschicktesten hierherkommen lässt.444 Ich habe eine Sauklaue, pardon, aber ich liebe und ehre Sie wie immer von ganzem Herzen, B.

68. Gotha, den 11. April 1746 (571 r) Mein teuerster Bruder, ich will Ihnen tausendfach ergebenst danken, das Geld meiner Mutter so gütig übernommen zu haben und gleichzeitig mit Ihnen schimpfen, weil Sie eine roß Chur wagten, um schneller von einem Katarrh zu genesen, der trotz seiner Heftigkeit einfach mit etwas Geduld weggegangen wäre, ohne sich Schlimmerem auszusetzen.445 Unsere teure Ordensobere bittet Sie sehr, ein anderes Mal, bevor Sie derart ihr Leben riskieren, konsultiert zu werden und erinnert Sie ebenso wie ich daran, dass man wahren Freunden ein wenig Rechenschaft über eingeleitete oder vernachlässigte Gesundheitsmaßnahmen schulde. Eine solche Kur mit einer einzigen, entscheiden, allerdings gewaltsamen Krisis sollten Sie mir verordnen, denn seit dieser schlimmen Ruhr schleppe ich mich nur noch so dahin und kann dank Herrn Juch446 weder leben noch sterben. Dieser Zustand ist 443 444 445

446

Vgl. Brief 66. Vgl. Anm. 400. Vermutlich ein an Manteuffel gerichteter Brief zu dessen Mission am Dresdener Hof von August 1745 bis April 1746, die er trotz einer Erkrankung unternommen hatte und damit laut Buchwald bereit war, „Leben und Gesundheit der Politik zu opfern“ (Buchwald an Seckendorff, LATh-StA Altenburg, Familienarchiv Seckendorff Nr. 2274, Bl. 18 r/v). Vgl. Anm. 151.

143

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

meiner Meinung nach trauriger als der Tod, der alles Leid beendet. (571 v) Adieu, mein teurer und geliebter Bruder. Trotz unserer großen Ungeduld, Sie zu sehen, beschwören wir Sie, Ihren Stirnhöhlenkatarrh wirklich nicht herauszufordern, auf dass er völlig ausheile, bevor Sie sich an die Luft begeben. Aber n.[ota] b.[ene]: Die Luft von Molsdorf ist für Katarrhe weder gesünder noch ungefährlicher als die Gothas.447 Ich umarme Sie von ganzem Herzen und bin ewig, teurer und würdiger Freund, Ihre treue Schwester B. Tausend ergebenste Komplimente von unserer gesamten kleinen Truppe. Mein Gatte ist wegen der Kutsche voller Freude und Dank.448 Auch meine Mutter schreibt mir, dass sie nicht glaube, vor Juni hierherzukommen.449 Und das ist genau die Zeit, wo ich vermutlich nach Ems reisen muss.450 Was für ein Unglück! An Ihre teure Frau Schwester und Ihren Herrn Bruder tausend Komplimente.451

69. Gotha, den 12. Dezember 1747 (573 r) Ich hoffe, lieber Bruder und würdiger Freund, dass Sie gut in Stuttgart angekommen sind und sich vollkommener Gesundheit sowie allgemeinen Wohlseins erfreuen. Das verdienen Sie so sehr und ich wünsche es Ihnen von ganzem Herzen. Das Gleiche wünsche ich Ihnen für den weiteren Verlauf Ihrer großen Reise, teuerster Bruder, wie auch mein Gatte, meine Schwester und all Ihre anderen Freunde und Freundinnen, vor allem die teure Herzogin, die Ihnen tausend Freundschaftsversicherungen sendet und Sie beschwört, uns nicht zu vergessen. Nach all dem, lieber Freund, will ich Sie bitten, die Besorgungen, mit denen ich Sie für Paris beauftrag hatte, zu verschieben, weil ich gerade vom Tode dieses ewigen Herzogs Leopold von Mecklenburg erfahren habe.452 Das wird wahrscheinlich am kleinen Hof unserer Prinzessin Luise viel Freude,453 zugleich aber große 447 448 449 450

451 452

453

Anspielung auf die Beziehungen Manteuffels zu Graf von Gotter. Vgl. Anm. 400. Frau von Neuenstein stattete ihrer Tochter erst am 13. September 1747 einen etwa zehntägigen Besuch ab (Frau von Neuenstein an Keller am 12. September 1747). Eberhardine von Neuenstein schrieb Keller am 3. August 1746, dass das Ehepaar von Buchwald Mitte August von einer Kurreise nach Ems zurückkehren werde. Der Badeort stand unter gemeinschaftlicher Herrschaft von Oranien-Nassau und Hessen-Darmstadt. Vgl. Anm. 190 und 199. Karl Leopold Herzog zu Mecklenburg-Schwerin starb am 28. November 1747. Seine Regierungszeit ab 1713 endete nach der Reichsexekution 1719–1727 im Jahre 1728 mit der Nachfolge seines Bruders Christian Ludwig II. Luise Friederike von Württemberg und Friedrich von Mecklenburg wurden nach dem Tod Karl Leopolds Erbprinzenpaar von Mecklenburg-Schwerin.

144

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

Trauer hervorrufen. Ich glaube, dass ich deren gewünschte Bestellungen rückgängig machen muss. Falls ich mich hier täusche, (573 v) und sie weiterhin auf ihren kleinen Aufträgen besteht, werde ich Ihnen nach Paris schreiben. Bevor Sie in diese schöne Stadt reisen, senden Sie mir, wenn Sie dafür Zeit haben, teurer Freund, eine kleine Nachricht. Schreiben Sie mir, ob Sie zufrieden sind. Sie wissen, wie sehr ich mich aus Freundschaft zu Ihnen für alle Sie betreffenden Vorgänge interessiere. Ich befürworte wahrlich und von ganzem Herzen alles, was man für Sie tut. So umarme ich Sie sehr herzlich und bin ewig die Ihre, Buchwald.

70. Gotha, den 20. Januar 1748 (574 r) Hier, teuerster Bruder, ist für Sie ein Brief von meiner guten alten Mutter, der unendlich lange unterwegs war. Ich hoffe, er kommt noch rechtzeitig genug, damit Sie die Aufträge der Erbprinzessin von Mecklenburg erledigen können.454 Ich gehe davon aus, dass Sie das gern übernehmen. Ich danke Ihnen, lieber Bruder, für alle Freundschaft, die Sie mir in Ihrem teuren Brief aus Stuttgart bekunden. Sie werden sicher völlig davon überzeugt sein, dass sie mich unendlich berührt und meine Gefühle der Hochachtung, der zärtlichen und treuen (574 v) Freundschaft zu einem so würdigen Freund erst mit meinem Leben enden werden. Ihre Durchlauchtigsten Hoheiten senden Ihnen tausend Freundschaftsgrüße. Die teure Herzogin beschwört Sie, sie nicht zu vergessen. Wir feiern heute den Geburtstag unseres lieben Erbprinzen.455 Einer kommt auf diese irdische Welt und ein anderer verlässt sie. Der regierende Herzog von Sachsen-Weimar ist gestern Abend um 7 Uhr gestorben, ohne krank gewesen zu sein.456 Schade, dass es nicht unser garstiger Herzog von Meiningen war!457 Aber letzten Endes wird die Vorsehung alles zum Besten richten und wir, die (575 r) immer nur ein kleines Stück von allem sehen, urteilen darüber zweifellos falsch. Sie alle aus Stuttgart werden hier wie die Vorsehung behandelt und jeder, der sich zu einem Urteil berechtigt glaubt, interpretiert die jüngsten Debatten mit dem Bischof von Konstanz je nach Denkart höchst unterschiedlich.458 Angesichts dessen be454

455 456 457

458

In ihrem Brief an Keller vom 22. Dezember 1747 kommentiert Frau von Neuenstein den Tod des Herzogs von Mecklenburg und erneuerte die Bestellung von Stoffen in Paris für Erbprinzessin Luise Friederike und sich selbst. Erbprinz Friedrich, der während seines Parisaufenthaltes 13 Jahre alt wurde. Ernst August I. von Sachsen-Weimar-Eisenach starb am 19. Januar 1748, angeblich ohne ein Testament zu hinterlassen. Anton Ulrich von Sachsen-Meiningen regierte das Herzogtum ohne erbberechtigte Kinder seit 1743 gemeinsam mit seinem Halbbruder Friedrich Wilhelm, ab 1746 allein von Frankfurt am Main aus. Im Fall seines Todes wäre Sachsen-Meiningen unter den Ernestinern aufgeteilt worden bzw. die Stellung Sachsen-Gotha-Altenburgs gestärkt worden. 1747/1748 sollte aus den Kreisen Franken, Kurrhein, Oberrhein, Österreich und Teilen Schwabens eine Assoziation für den Fall eines Defensivkrieges mit Frankreich wieder aktiviert werden. Die Fürs-

145

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

neide ich Sie darum, durch zuverlässiges und weises Verhalten über solche dummen Diskussionen erhaben sein zu können. Sie, mein lieber Freund, sind dabei in Ihrem Vorgehen gegenüber einer gewissen Person459 in Ihrem Element und ich bin in meinem, Sie zu bewundern und ewig sehr herzlich zu lieben, Buchwald. (575 v) Mein Gatte, meine Schwester und all unsere Weiberchen senden Ihnen tausend Komplimente und Freundschaftsgrüße.

71. Weimar, den 8. Juli 1748 (576 r) Mein teurer und würdiger Bruder, Ihr Brief aus Mömpelgard460 vom 26. des vergangenen Monats ist mir erst vor zwei Stunden übergeben worden und da die Post nach Nürnberg gleich abgeht, die ich nicht verpassen will, habe ich nur Zeit, Ihnen schnell zu sagen, dass niemand auf der Welt aufrichtigeren Anteil an Ihrem Wohlergehen nehmen kann als ich. Mir scheint, als sei ich es, die einen großen Sieg errungen hätte. Je mehr ich Ihren Kopf und Ihr Herz mit denen vieler anderer Sterblichen vergleiche, desto mehr finde ich Gründe, Sie zu lieben und zu schätzen. Dies tue ich also, lieber und würdiger Freund, mit der ganzen Kraft meiner Seele. Die teure Herzogin schließt sich dem an und erwartet Sie mit einer Ungeduld, die ich nicht auszudrücken vermag. Sie hat Ihnen vor mehr als zwei Wochen nach Stuttgart geantwortet (576 v) und sorgt sich sehr, dass ihr Brief in fremde Hände gelangt sein könnte. Das glaube ich jedoch nicht, denn Sie haben mir ja empfohlen, auch diesen hier dorthin zu adressieren. Herr von Oppel entbietet Ihnen seinen Respekt und ist sehr zufrieden, dass Sie für den Erbprinzen in Paris Geld hinterlegen. 461

459 460

461

ten von Hessen-Kassel, Kurpfalz, Kurköln und Württemberg blieben der Assoziation fern. Nach Verhandlungen zwischen dem Bischof von Konstanz Kasimir Anton von Sickingen und dem österreichischen Politiker Johann Karl Philipp Graf Cobenzl trat der Schwäbische Kreis am 28. Februar 1748 nach der Abreise des Württembergischen Verhandlers wieder ein. Vermutlich der französische Außenminister zwischen 1747 und 1751 Louis Philogène Brûlart Vicomte de Puisieux. Am 10. Mai 1748 wurde vom französischen Außenminister de Puisieux und Keller eine Konvention unterzeichnet, die Rückgabe der 7 Mömpelgarder Herrschaften, der Grafschaft Horburg und der Herrschaft Reichenweiler betreffend. Am 19. Juli 1748 gratulierte auch Frau von Neuenstein aus Schwerin zum Abschluss der Mömpelgarder Angelegenheit, der Keller an allen Höfen Ehre mache, wozu ihm auch die Erbprinzessin von Mecklenburg Luise Friederike gern persönlich gratulieren würde. In den abschließenden Reiserechnungen für Erbprinz Friedrich sind solche Zahlungen nicht aufgeführt. Zum Vorgang vgl. Thuns Briefe an Friedrich III. zwischen dem 1. August und 4. Dezember 1748 sowie an Luise Dorothea am 26. August 1748. Thun forderte, angeblich für den Haushalt des Erbprinzen in Paris, die Summe von 20 000 Talern aus Mömpelgarder Steuereinnahmen. Der Zahlungsvorgang wurde von Keller verzögert, bis Thun im Dezember 1748 schließlich 5000 Taler in bar und einen Wechsel über 1500 Taler erhielt. Außerdem hatte Röder 80 000 Francs angeboten. Vor diesem Geldtransfer hatten der Gothaer Erbprinz und Thun Herzog Karl Eugen von Württemberg

146

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

Die von Ihnen bestimmte Summe, drei-, vier-, fünftausend Ecus oder selbst mehr, wenn Ihnen das größere Freude macht, wird Ihnen hier in Gotha zurückgezahlt. Herr von Thun wird Befehl erhalten, dieses Geld abzuheben. Den von Ihnen erwähnten Brief, lieber Bruder, habe ich erhalten und Ihnen vor allem deshalb schnell geantwortet, weil man ebenfalls an ein Arrangement gedacht hatte,462 und unter der Hand daran arbeitete. Das tut man noch immer, und um einander nicht zu kreuzen, muss man sich an den eingeschlagenen Weg halten, den ich Ihnen mündlich erläutern werde. Ich hätte Ihnen noch viel (576-1 r) zu sagen, auch wie und durch wen diese Angelegenheit und der Kerngrundsatz auf die befremdlichste Art der Welt durchkreuzt wurden. Ein uns bekannter Kopf hat sich bei diesem ganzen Handel auf eine Weise gedreht, dass man nicht weiß, ob der Hauptgrund dafür Schwäche oder Boshaftigkeit gewesen ist.463 Adieu, teuerster Bruder, man ist sehr glücklich, einen Kopf wie den Ihren zu haben. Gott behüte ihn für die zärtliche und aufrichtige Freundschaft ihrer treuen Schwester B. Verzeihung wegen der Unordnung und der Kritzelei in diesem Brief. Ich schreibe mit eilender Feder und eilendem Herzen. Der kleine Ausflug Ihres Durchlauchtigsten Herrn wird in W.[ien] lautes Schreien hervorrufen.464

72. Gotha, den 2. Oktober 1748 (577 r) Ich war, teurer Bruder, wirklich sehr überrascht, von Ihnen einen Brief aus Sondershausen zu erhalten.465 Niemals hätte ich Sie am Hof dieses Fürsten und auf seiner Jagd

462

463

464 465

und dessen Brüder am 25. Juli ihrem Sommerhaus Fontenai empfangen und wurden vom Herzog am 1. August 1748 in Paris zum Gegenbesuch eingeladen. Keller sollte während seines Parisaufenthaltes mit dem Versailler Hof wegen einer Unterstützung bei der Weimarer Vormundschaft verhandeln, indem Frankreich die Stimme des bayerischen Kurfürsten für Sachsen-Gotha-Altenburg erwirkte. In diesem Kontext begannen die Maßnahmen zum Abbruch der Grand Tour des Erbprinzen, der sich bis 1750 hinzog (FB Gotha, Chart 2415, Luise Dorotheas an Keller ab dem 16. Mai 1748). Herzog Anton Ulrich von Sachsen-Meiningen als Senior des Ernestinischen Hauses und Herzog Franz Josias von Sachsen-Coburg-Saalfeld als Subsenior klagten beim Reichshofrat gegen den Anspruch Sachsen-Gotha-Altenburgs auf Administration des Landes und Vormundschaft über den Erbprinzen nach dem Tod des Herzogs von Sachsen-Weimar-Eisenach. In dieser Situation brach der Gothaer Hof den Kontakt zum politisch beratenden Ernst Christoph von Manteuffel ab, der den Umfang der Ansprüche Gothas ebenfalls vehement bestritt (Manteuffel an Luise Dorothea vom 17. Januar bis 17. August 1748). Der Kaiser entschied am 17. September 1749 einen Vergleich, wonach Friedrich III. die Vormundschaft über den Erbprinzen und die Administration von Eisenach, Franz Josias die Administration von Weimar erhielt. Vgl. Anm. 461. Es war die erste von insgesamt vier Parisreisen Karl Eugens von Württemberg. Heinrich XXXV. regierte seit 1740 Schwarzburg Sondershausen, das 1712 zu einem unmittelbaren Reichsfürstentum ernannt worden war. Das Land war stark armiert und hatte zahlreiche Subsidienverträge. Mütterlicherseits bestanden Beziehungen zu Sachsen-Weimar.

147

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

gesucht. Als ich Sie dort wusste, habe ich daraus jedoch nicht ganz die von Ihnen vermutete Schlussfolgerung gezogen. Ich bin sehr zufrieden, von Ihnen den wahren Grund für diesen Ausflug zu hören, denn ich bekenne, dass ich mir den Kopf zerbrochen habe, um ihn zu erraten. Ihren lieben Brief habe ich erst gestern Abend erhalten, nachdem wir den gesamten Tag über auf Ihre Ankunft gewartet hatten. Aber gut, da wir feststellen, dass Hirsche oder der Fürst Sie noch festhalten und da Ihre Durchlauchtigsten Hoheiten vor drei Tagen für morgen zum Diner nach Langensalza bei der Herzogin von Weißenfels eingeladen wurden,466 schicke ich Ihnen schnellsten diesen Boten, um (577 v) Sie zu benachrichtigen. Wir möchten die teuren und kostbaren Augenblicke Ihrer Gegenwart planen und, falls Sie Ihren Besuch bei uns vielleicht für morgen festgelegt haben, nicht riskieren, Sie zu verpassen. Ihre Durchlauchtigsten Hoheiten warten darauf gewiss mit all der Ungeduld, die bei einem so teuren und schätzenswerten Freund wie Ihnen natürlich ist. Das sind die mir diktierten Worte und man befiehlt mir, sie Ihnen zusammen mit tausend Freundschaftsversicherungen von Seiten des Herzogs und der teuren Herzogin zu übermitteln. Letztere fügt außerdem noch ihre lebhafteste Dankbarkeit hinzu. Von meinen Gefühlen, teuerster Freund, spreche ich nicht, denn ich glaube, Sie völlig überzeugt zu wissen, dass ich allein Sie mehr liebe und schätze als die ganze übrige Welt zusammen. Kommen Sie also, lieber Bruder, je eher, desto besser, außer morgen und lassen Sie sich unterdessen gedanklich umarmen, Buchwald.

73. Gotha, den 9. Oktober 1748 (578 r) Ihre Durchlauchtigste Hoheit die Herzogin versichert Ihnen, teuerster Freund, ihre unendliche Dankbarkeit für alle Anstrengung und Sorgfalt, die Sie aus Freundschaft zu ihr bei Dingen zeigten, die ihr so stark am Herzen liegen. Würde ich Ihnen sage, wie sehr man Sie, mein würdiger Freund, bewundert und liebt, würde ich Sie langweilen und kein Ende finden. Und man beschwört Sie nochmals äußerst dringlich, uns in den Weimarer Angelegenheiten nicht allein zu lassen467. Höchstes Vertrauen macht indiskret, vor allem in dringlichen Fällen – verzeihen Sie unsere Aufdringlichkeit zugunsten des Gefühls, das Sie zu Recht einflößen. Man befürchtet seitens des Reichshofrats Blitzeinschläge. Sie können sich also leicht vorstellen, wie wichtig es ist, (578 v) den König von Pr.[eußen] von seiner an466

467

Die Schwester Friedrichs III. von Sachsen-Gotha-Altenburg, Friederike, lebte nach dem Tod ihres Gatten Johann Adolf II. von Sachsen-Weißenfels kinderlos auf ihrem Witwensitz Langensalza. Die Sekundogenitur fiel an Kursachsen zurück. Vgl. Einleitung, S. 25. Der Kampf Sachsen-Gotha-Altenburgs um die Sicherung von Einflussmöglichkeiten in Sachsen-Weimar-Eisenach geht sowohl aus den zahlreichen Briefen Luise Dorotheas an Keller seit dem 23. September 1748 als auch den beiden erhaltenen Briefen Friedrichs III. (21. Dezember 1748 und 18. September 1749) an Keller hervor. Keller hatte großen Anteil an den betreffenden Korrespondenzen mit Friedrich II. von Preußen und Maria Theresia.

148

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

scheinend unentschlossenen Haltung abzubringen, die Sie hier kürzlich seinen letzten Briefen entnehmen konnten.468 Man ist noch immer überzeugt davon, dass allein Ihre Anwesenheit in B.[erlin] dies zustande bringt und wünscht leidenschaftlich, dass Sie sich zu einer Reise dorthin entscheiden könnten. Je schneller, desto besser, um nicht unvorbereitet überrascht zu werden. Der Minister von Trier, Herr von Spangenberg, hat endlich auf den Brief der Herzogin geantwortet.469 Obwohl voller Eifer und guten Willens, ist leicht erkennbar, dass ihn das Ministerium in Hannover gewarnt und ihm einen Maulkorb angelegt hat. Trotzdem verspricht er alles, was von ihm selbst abhängen wird. Der Zustand der teuren Herzogin ist noch immer unverändert. Sie hat eine weitere Augenentzündung. Ich glaube, es ist (579 r) überflüssig, Ihnen zu sagen, dass jeder Tag, den Sie auch immer für einen Besuch wählen, Ihren Hoheiten und tutti quanti470 ein glücklicher und angenehmer Tag sein wird. Ich meinerseits habe einen Grund, Samstag statt Freitag zu wünschen. Falls es der Herzogin besser geht, muss ich Freitag nach Eisenach zum Diner fahren,471 komme jedoch abends zurück. Adieu, lieber Bruder, würdiger Herzensfreund. Tausend Komplimente an die liebe Schwester.472 Ich bin immer die Ihre, Buchwald. Dem, was mein lieber und würdiger Kanzler473 Ihnen gerade von mir schrieb und was meinen Herzensempfindungen völlig entspricht, kann ich nur noch hinzufügen, dass ich Sie beschwöre, uns bei Ihrem Besuch etwas länger als gewöhnlich von der süßen Freude profitieren zu lassen, Sie zu unterhalten. Was ich sage, ist kein Vorwurf.

74. [o. O., o. D.474] (609 r) Pardon, lieber Freund, für die späte Antwort. Man hat mich warten lassen, mich auf die Folter gespannt, ich bin auf hundertachtzig. Schließlich ist Herr von Oppel gekommen. Er bittet Sie ergebenst um Entschuldigung dafür, dass er Ihnen durch mich antwor468 469

470 471

472 473

474

Vgl. u. a. Friedrich II. von Preußen an Luise Dorothea von Sachsen-Gotha-Altenburg am 16. Juli 1748. Jacob Georg von Spangenberg war Gesandter des Erzbischofs von Trier in Regensburg, Wien und Frankfurt am Main. Vor seiner Konversion zum Katholizismus 1733 stand er im Dienst SachsenMeiningens. (Ital.) alle, ohne Ausnahme. Vermutlich Vorbereitungen auf die Landeshuldigung und die Landtagsproposition am 3. Dezember sowie den Landtag am 23. Dezember 1745, die Friedrich III. in seinem privaten Kalender notierte (FB Gotha, Chart B 1551(1745), Bl. 25 r). Vgl. Anm. 190. Handschriftlicher Zusatz von Herzogin Luise Dorothea, in dem die maskuline Form chancelier (frz. ‚der Kanzler‘) auffällt. Unter den Briefen Luise Dorotheas an Keller findet sich ebenfalls ein Doppelbrief der Fürstin und Frau von Buchwalds vom 6. Mai 1748). Vermutlich Gotha, vermutlich am 10. oder 11. Oktober 1748. Trotz abweichender Paginierung wurde der Brief wegen des inhaltlichen Bezugs zur Eisenach-Reise (Anm. 471) der Buchwald an dieser Stelle eingeordnet.

149

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

tet. Er ist im Moment im Geheimen Rat, danach wird er sofort das von Ihnen Gewünschte zusammenstellen und schicken. Falls Sie schon abgereist sind, wird er Ihnen diese Papiere durch einen Boten zukommen lassen.475 Ihre Hoheiten übermitteln Ihnen Millionen Freundschaftsgrüße. Gleich Ihnen hielt man es für misslich, Herrn von Podewils im Voraus von Ihrer Ankunft zu informieren, aber ebenso, dies nicht zu tun und ihm so ganz kurz vor Ihrer Abreise schreiben zu müssen. Man lässt Ihnen deshalb ausrichten, dass Sie den Minister letztlich besser als wir kennen und (609 v) demnach besser einschätzen können, ob er im Falle einer Vorankündigung G.[otter] davon erzählen und ihm so die Möglichkeit verschaffen würde, sich dementsprechend zu arrangieren und Maßnahmen zum Nachteil Ihrer Verhandlungen zu ergreifen. Wenn er, Podewils, und sogar der K.[önig] es nicht wissen, wäre das perfekt.476 Die Abreise nach Eisenach ist auf Samstagmittag festgelegt, die Rückkehr auf den folgenden Dienstag. Man beschwört Sie, mein teuerster Freund, dass Sie, falls Sie vermutlich vor unserer Rückkehr glauben abreisen zu müssen, noch Freitag zum Diner zu kommen, um sich mit Ihnen noch absprechen zu können und sich zu dem, was vielleicht während dieser drei Tage passieren könnte, zu verständigen. Adieu, lieber und würdiger Freund. Ich umarme Sie und mag Sie von ganzer Seele, Buchwald. (610 r) Wäre es nicht besser, wenn Seine Hoheit der H.[erzog] dem K.[önig] durch Sie schriebe?477 Dieser Gedanke kam mir soeben. Ha, wie sehr haben Sie Recht und wie leicht ist zu erkennen, dass man sehr viel mehr hätte erhalten können, wäre man mit der jüngsten Erklärung weniger schnell gewesen. Ich bin darüber wütend.

75. Gotha, den 15. Oktober 1748 (580 r) Mein teuerster Bruder, ich soll Ihnen eine Million Freundschaftsgrüße von Ihren Hoheiten bestellen. Man wird alles tun, wozu Sie gütig geraten haben478 und betrachtet Sie als unseren wahren Schutzengel. Die teure Herzogin beschwört Sie, sie nicht zu verlassen. Kommen Sie bald wieder, lieber Freund, uns zu helfen und zu stärken. Oppel wird Order erhalten, nach Rastatt zu fahren.479 Man beschwört Sie nochmals, sich bei den Unterneh475 476 477 478 479

Keller reiste nach Berlin. Heinrich Graf von Podewils und Graf von Gotter sollten als Gesandte Friedrichs II. von Preußen, dem Herzog Friedrich III. misstraute, die Strategie Preußens in der Weimarer Tutelangelegenheit vertreten. Buchwald bestätigt den für Herzog Friedrich III. von Keller entworfenen Brief an Friedrich II. von Preußen am 17. Oktober 1748. Vgl. Anm. 475. Residenz und Garnisonsstadt des katholischen Markgrafen Ludwig Georg Simpert von Baden-Baden, der gleichzeitig Inhaber des 3. Kreis-Infanterieregiments des Schwäbischen Reichskreises war.

150

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

mungen, die man von Ihrer Sorge und Freundschaft erwartet, so weit als möglich der Argumente zu erinnern, die Sie für Ihren Hof gegen die Wiens nutzten, um die von uns geforderten Tutelrechte zu unterstützen. Teilen Sie sie uns mit und sorgen Sie dafür, (580 v) dass Herr von Oppel bei seinem Aufenthalt in Stuttgart entsprechende Informationen erhalten kann und dafür durch Sie einem der Minister empfohlen wird. Der Vater480 und Ihre Hoheiten bitten Sie inständig darum. Ich, teuerster Herzensfreund, umarme Sie mit gleichem Eifer wie ich Frieden wünsche481 und bin ewig die Ihre, B. Mein Gott, lieber Bruder, der ausstehende Rechnungszettel für meine Mutter! Ich wage gar nicht ihr zu schreiben, dass ich ihn noch nicht angefertigt habe.482 Ich bitte Sie gnädig darum. Mein Gatte ist heute Morgen nach Eisenberg gefahren.483

76. Gotha, den 16. Oktober 1748 (581 r) Ihre beabsichtigten, so sehr von Freundschaft getragenen Dienste werden Ihre Durchlauchtigsten Hoheiten niemals aus dem Gedächtnis streichen. Sie beauftragen mich, lieber und würdiger Bruder, Sie dessen und ihrer unendlichen Dankbarkeit fest zu versichern. Hier sind die 50 Florins von meiner guten alten Mutter.484 Ich habe Ihr den Rechnungsbeleg schnellsten geschickt. Meine größte Furcht ist, dass Sie sich bei der Berechnung der Stärke des Tour Noire geirrt haben könnten.485 Falls Sie den wahren Preis finden, beschwöre ich Sie, lieber Bruder, mich zu benachrichtigen. Für wen halten Sie uns, wenn Sie die Boten, die Sie wegen unserer Angelegenheiten schicken, bezahlen?486 Ich schäme 480 481

482 483 484 485

486

Seckendorff, vgl. Einleitung S. 9 f. Der zwei Jahre lang vorbereitete, seit dem 24. April 1748 verhandelte Friede von Aachen wurde am 18. Oktober geschlossen und beendete den Österreichischen Erbfolgekrieg. Die europäische Vorkriegssituation wurde im Wesentlichen wiederhergestellt, der Krieg zwischen Großbritannien und Frankreich verlagerte sich in die Überseegebiete. Frau von Neuenstein hatte Keller schon im Brief vom 19. Juli 1748 die Bezahlung der Stoffe aus Paris versprochen. Seit 1707 zu Sachsen-Gotha-Altenburg gehörendes Amt. Die mittelalterliche Goldmünze stammt aus Florenz und entsprach dem Goldgulden. Nach heutiger Berechnung wären dies ca. 5000 Euro. Anspielung auf die im Frieden von Aachen festgelegte, mit Geldzahlungen verbundene Rückgabe der von Frankreich eroberten Österreichischen Niederlande. Die Tour Noire (frz. ‚Schwarzer Turm‘) befindet sich im Zentrum Brüssels. Der Gouverneur und Generalkapitän der Österreichischen Niederlande Karl Alexander Prinz von Lothringen und Bar kehrte im April 1749 in die Statthalterresidenz zurück. Streit um den Anteil an der Wiederherstellung des friedlichen Status ante quo bellum im Heiligen Römischen Reich und Europa und zukünftige Mitspracherechte. In ähnlicher Weise wird eine Doppelzahlung um das symbolträchtige Doppelporträt „Erbprinz Friedrich en Telemac“ gestritten, was ebenfalls auf eine Kostenteilung deutet (Thun an Luise Dorothea am 26. Januar und 2. März 1745).

151

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

mich dafür und bezahle sie auch meinerseits, um (581 v) kein schlechtes Gewissen zu haben. Überlegen Sie, ob Sie diese Boten beim nächsten Mal wieder profitieren lassen wollen. Ich umarme Sie sehr herzlich, lieber Herzensfreund und bleibe Ihre treue Schwester B. Mein Gatte ist gestern nach Eisenberg abgefahren.487

77. Gotha, den 17. Oktober 1748 (582 r) Die gerechte und spürbare Dankbarkeit Ihrer Hoheiten dafür, wie Sie sich aus Freundschaft, Sorge und Güte ihre Interessen zu Herzen nehmen, lieber und würdiger Freund, ist nicht zu beschreiben. Man wird alles tun, wozu Sie raten und ist vom Brief an den König entzückt und begeistert.488 Er ist ein Meisterstück. Man wird versuchen, ihn morgen zusammen mit dem an G.[raf] von Podewils adressierten abzuschicken. Ich verstehe nicht, warum G.[raf] Gotter sich nicht beurlauben lässt und ganz einfach hierherkommt.489 Hat ihm irgendjemand jemals gesagt, dass er hier ungelegen käme? Bringen Sie ihn dazu, selbst darauf zu kommen. Ich denke, es wäre sehr hart, ihm deshalb eine Art Einladung zu senden und (582 v) ich glaube nicht, dass der Herzog dies tun wird. Um all diese Unannehmlichkeit und neues Getöse zu vermeiden, versuchen Sie doch, um des lieben Friedens willen, ihn hierherzubringen. Ich bekenne, dass mich dieser Punkt wirklich beunruhigt. Adieu, liebster und würdiger Freund. Sie können sicher sein, dass Ihnen all Ihre Originalschreiben zurückgegeben werden und Sie niemals genannt oder belästigt werden. Ich umarme Sie von ganzem Herzen und bin aufrichtig Ihre treue Schwester Buchwald. Ich werde den Rechnungszettel der Händlerin nach Schwerin schicken.490 Tausend Komplimente an die liebe Schwester.491

487 488 489

490 491

Vgl. Anm. 483. Vgl. Anm. 477. Vermutlich die vorsichtige Bitte Gothas um diplomatische Unterstützung in der Weimarer Tutelfrage. Graf von Gotter war nach Spannungen zwischen dem Gothaer und Berliner Hof u. a. im Zusammenhang mit seinem Rekrutierungsauftrag nach Berlin zurückgekehrt (vgl. Anm. 437 und 433) und verkaufte Schloss Molsdolf, dessen Nutzungsrecht er bis 1757 behielt, 1748. Vgl. Anm. 478. Vgl. Anm. 190.

152

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

78. Donnerstag mittags492 (607 r) Liebster Bruder und würdiger Freund, Ihre Durchlauchtigsten Hoheiten übermitteln Ihnen Millionen Freundschaftsgrüße und Dank für die Mühe, ihnen Herrn Battier verschafft zu haben.493 Die teure Herzogin wird Ihnen morgen oder übermorgen selbst schreiben. Sie kann es nicht sofort tun und will Ihren Kammerdiener nicht aufhalten. Gleichzeitig wird Sie Ihnen, teurer Freund mitteilen können, was man zu Herrn Battier beschließen wird. Sie hat Ihnen noch viel zu sagen und ich glaube, dass man Sie dringend zu einem Besuch bitten wird, selbst wenn nur für vierundzwanzig Stunden.494 Ich danke Ihnen für Ihre liebenswürdigen Verse.495 Ich finde, dass die Metamorphose (607 v) der sich umwälzenden Erde die darin enthaltene Philosophie in keiner Weise erschüttert und die gesegneten Walzen deren Anwendung nur leichter und liebenswerter machen. Aus Liebe zu uns und ohne Ihnen schaden zu wollen, wünsche ich lediglich, dass Sie diese Metamorphose um einige Zeit verschieben könnten und sich überzeugen ließen, Ihren Durchlauchtigsten Hoheiten den größten Freundschaftsdienst zu erweisen, den Sie gegenwärtig bekommen können. Sie sollen mit einer Reise nach Berlin beauftragt werden, um schnellsten das gütliche Übereinkommen abzuschließen, zu dem man sich vor kurzem entschlossen hat.496 Das soll zu den Bedingungen geschehen, welche der Wiener Hof dem König von Preußen vorschlagen ließ, (608 r) der sie danach Seiner Hoheit dem Herzog übermittelte und zuriet. Seine Hoheit akzeptiert alles und wird auf alles eingehen, was der König für ihn zu beschließen geruht. Dies und wozu man entschlossen ist und sich verpflichtet, teilt man heute Seiner Majestät per Stafette schriftlich mit. Sie ahnen sicher, lieber Bruder, wie sehr dies geheim gehalten werden muss und wie wichtig es ist, dass davon nichts nach außen dringt. Ich umarme Sie ganz herzlich, das Herz voller Freundschaft zu Ihnen und vollkommen die Ihre, Buchwald.

492

493

494

495 496

Vermutlich Gotha, vermutlich 5. oder 12. Dezember 1748. Trotz abweichender Paginierung wird der Brief aufgrund des Trauerrandes aus schwarzer Tinte, der auf den Tod der Stiefmutter Luise Dorotheas, Elisabeth Sophie von Brandenburg Herzogswitwe von Sachsen-Meiningen, am 22. November 1748 in Römhild referiert, hier platziert (vgl. auch Luise Dorothea an Keller am 12. Dezember 1748). Der Theologe und Mathematiker Jean Battier hatte in Basel studiert, war Mitglied der Berliner Akademie der Wissenschaften und wurde als Präzeptor in den Dienst des Erbprinzen Friedrich nach Paris vermittelt, wo er nur bis Mai 1749 blieb (Luise Dorothea an Keller vom 23. November und 12. Dezember 1748 sowie Thun an Luise Dorothea zwischen dem 30. Dezember 1745 und 12. Mai 1746, ebenso Thun an Friedrich III. vom 18. Dezember 1748 bis 14. August 1749. Letztere Briefe enthalten eine ausführliche Biographie und Charakterbeschreibung Battiers). Vgl. Friedrich III. an Keller am 21. Dezember 1748 mit dem Dank, seinen inständigen Bitten um Unterstützung Gehör verschafft zu haben und die Tutelrechte Sachsen-Gotha-Altenburgs für den Weimarer Erbprinzen dem preußischen Minister von Podewils vortragen zu wollen. Nicht erschließbar. Die Unterstützung Friedrichs II. von Preußen in der Tutelsache für den Weimarer Erbprinzen wurde von Seiten Gothas mit einem Subsidienvertrag kompensiert.

153

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

Mein Gatte und meine Schwester übermitteln Ihren Gehorsam, ich den meinen Ihrer Schwester.497

79. Gotha, den 16. Januar 1749 (583 r) Da Sie stets Sie selbst bleiben, sind Sie der einzige Sterbliche, der meine ganze Zärtlichkeit und Bewunderung verdient. Glücklich jeder, der Sie so wie ich kennt! Ich bin in einem solchen Freundschaftsenthusiasmus, mein teurer und würdigster Freund, dass ich mich zwingen muss, von etwas anderem als von den Empfindungen zu reden, die Sie in mir wachrufen. Wenn Sie wollen, ärgern Sie sich noch einmal über die treueste und wahrhaftigste Freundin, die Sie auf der Welt haben, weil sie Ihnen zu sagen wagt, wie sehr sie Ihre vielen schätzenswerten Eigenschaften liebt. Ich muss der zärtlichen Herzensfreundschaft ein wenig Luft schaffen. (583 v) Ja, mein Bruder, mein lieber Bruder, im Vergleich zu anderen Menschen erscheinen Sie mir als ein Wesen, das aus einem ganz anderen Stoff gemacht ist. Möge das länger als ich währen. Entschuldigung, das wäre geschafft. Seine Durchlauchtigste Hoheit der Herzog befiehlt mir, Ihnen tausend Freundschaftsgrüße auszurichten. Man hat nach einem Kampf bis gestern spät abends die Partei der Ehre ergriffen. So lässt man heute die Stafette mit der handschriftlichen Antwort des Herrn abgehen, die in jedem Punkt und in jeglicher Hinsicht zwar nicht dem geratenen, jedoch dem gezeigten Weg folgt.498 Man befiehlt mir, Sie im Voraus zu benachrichtigen, dankt Ihnen hundertmillionenfach und bittet Sie, lieber Freund, falls möglich, zu kommen. Der Herzog möchte Ihnen zumindest zeigen, wie (584 r) er es angestellt hat und Sie auch wegen der Idee konsultieren, Herrn von Montmartin499 nach Berlin zu schicken und ihm sogleich die Stafette folgen zu lassen, die in zwei Stunden abgeht. Letzterer ist hier. Man wäre sehr erleichtert, würden Sie ihn treffen. Er weiß nichts von dieser Absicht und man wäre sehr erfreut, Ihr Urteil über seine Eignung zu hören. Der Herzog selbst hat mir befohlen, Ihnen dies zu schreiben und dass er außerdem sein Ehrenwort gebe, Sie mit nichts zu belasten. Zudem fühle er sich als fürstlicher Ehrenmann dazu verpflichtet, Ihnen eigenhändig jene Papiere auszuhändigen, die er Ihnen noch nicht zurückschicken konnte, weil sie kopiert 497 498

499

Vgl. Anm. 190. Vgl. Anm. 477. Zur Ablehnung der Kellerschen Pläne siehe Luise Dorothea an Keller am 16. und 23. November 1748 sowie Friedrich III. an Keller am 21. und 31. Dezember 1748: Gotha wolle sich auf die Tutelschaft beschränken und auf das Recht der Nachfolge verzichten, um den Reichshofrat nicht zu provozieren und den Frieden im Ernestinischen Haus zu wahren. Samuel Friedrich von Montmartin weilte seit dem 15. Januar 1749 auf dem Friedenstein, wurde am 20. Januar verpflichtet und reiste am 4. März nach Berlin. Er hatte nach einem Jurastudium in Leipzig und Leiden und der Tätigkeit beim Reichskammergericht Wetzlar am Hof in Bayreuth und im Fränkischen Reichskreis führende Positionen. 1742 wurde er von Kaiser Karl VII. zum Reichshofrat ernannt, 1744 in Württemberg Geheimer Rat, vertrat Sachsen-Gotha-Altenburg 1750 bis 1758 als Gesandter in Regensburg, war danach Württembergischer Minister, später Gesandter Württembergs in Paris.

154

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

werden. Ermessen Sie selbst, lieber Freund, was die teure Herzogin über ihre Liebe, (584 v) Hochachtung und Dankbarkeit Ihnen gegenüber sagt und denkt. Man kann es kaum in Worte fassen, Sie ahnen es. Sie lässt Ihnen sagen, dass der Herzog und sie sich keineswegs darüber ärgern, dass Sie gestern nicht gekommen sind. Mehr noch, sie heißen es gut und halten es für weise.500 Da aber nun die Entscheidung gefallen ist und die Stafette heute Abend abgeht, fällt das Ausstehen einer Entscheidung als Begründung für Sie weg. Die Herzogin lässt Ihnen sagen, dass sie mit gleicher Stafette an den Grafen von Gotter geschrieben und ihm die Erneuerung Ihrer und der Freundschaft des Herzogs unter der Bedingung angeboten habe, dass er seine Wienreise ablehnt und sich in B.[erlin] und Wien für die Interessen des Herzogs einsetzt, um für ihn die beanspruchten Veränderungen zu erlangen.501 Adieu, lieber Seelenfreund, Ihre Seele ist Gegenstand meiner höchsten Leidenschaft. Hier sind Ihre Briefbögen und ein Brief des Botschafters Tourbillon. Ha, wie frei werde ich atmen, wenn wir dem größten aller Übel, der Schande, entgehen.

80. Gotha, den 8. Februar 1749 (585 r) Mein großes Vergnügen beim Empfang der Zeilen eines meinem Herzen so teuren Freundes ist durch die Nachricht von den Schwierigkeiten, die Sie wegen des Ziels Ihrer Reise hatten, gedämpft worden, ein Ziel, lieber Freund, das gewiss auch ich stärkstens herbeisehne. Ich beschwöre Sie also im Namen meiner zärtlichen und treuen Freundschaft, mir Nachricht vom Ausgang dieser Angelegenheit zu geben.502 Die unseres Hofs sind noch so wie bei Ihrer Abreise. Man hat keinerlei Schritte unternommen, weil aus W.[ien] ebenso wie aus Berlin Ansichten eingingen, die dazu raten, sich, wolle man sein Ziel erreichen, nochmals des Ministeramtes von Tourbillon zu bedienen.503 Falls die Abneigung dagegen unüberwindlich bleibt, (585 v) ist es jedoch nach wie vor unumgänglich, dass Seine Hoheit der Herzog einen Minister nach W.[ien] schickt, dessen Status Seiner Kaiserlichen Hoheit Respekt zollt. Deshalb lässt man Herrn von Wolzogen herkommen. 504 All das jedoch kostet viel Zeit und ich befürchte wirklich einige Rückschläge, umso mehr, als man aus B.[erlin] warnt. Es sei ersichtlich, dass die Schwierigkeiten bei der Annahme Rehboms505 vielleicht für die Feinde nur Vorwände sind. Sie wollten die Unnachgiebigkeit des 500 501 502 503 504 505

Keller war am 11. Januar auf dem Friedenstein, folgte allerdings der Einladung, Montmartin zu treffen, nicht. Um die Entsendung des Grafen von Gotter nach Wien war zwischen Friedrich III. und Friedrich II. von Preußen ein Streit entbrannt. Keller weilte nochmals zu Verhandlungen in Mömpelgarder Angelegenheiten in Paris, wo sich auch Herzog Karl Eugen und die Prinzen von Württemberg aufhielten. Vgl. Anm. 501. Graf von Gotter kam für die Mission am 4. März 1749 auf den Friedenstein. Vermutlich Ernst Ludwig von Wolzogen, Geheimer Legationsrat in Sachsen-Hildburghausen. Johann Christoph von Rehbom war Geheimer Rat in Sachsen-Weimar und Sachsen-Gotha-Altenburg, Reichshofrat und zum neuen Abgesandten auf dem Reichstag bestimmt.

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

155

Herzogs gegen die Entsendung Gott.[ers] eventuell als Versuch darstellen, Fristen zu gefährden und Ausflüchte zu nutzen, um sich der Einigung zu entziehen. Das könnte den Kaiser seine Avancen bedauern lassen und alles gegen uns wenden. Die Schlussfolgerung also ist, (586 r) dass, wäre man an der Stelle des Herzogs, den Schlechtgesonnenen keine Angriffsfläche bieten und Tourbillon schicken würde, um alles ohne Verzögerung abzuschließen. Dies ist der sicher nicht schöne Stand der Dinge, der meiner Meinung nach mit jedem Augenblick die Anwendung Ihres Systems nötiger zu machen scheint. Diese Leute sind offensichtlich allesamt der unglücklichen Annahme, dass alles, was man für uns tun wird, aus Gnade geschieht. Mein Gott, wie quälend ist es, die Wahrheit zu kennen und zu fühlen, ohne die Macht zu haben, sie andere wissen und befolgen zu lassen. Das, so bekenne ich, lieber Bruder, lässt mich das Leben hassen. Meine Vernunft und mein Herz nehmen nur Sie (586 v) zu Recht von allen anderen Sterblichen aus, um Sie noch mehr lieben zu können. Ziegesar506 hat mich gefragt, ob ich von Ihnen Briefe erhalte und wie Ihre Angelegenheiten laufen. Ich habe ihm geantwortet, dass Sie noch gewisse Schwierigkeiten vorfänden, die mich beunruhigen. Daraufhin sagte ihm die Herzogin, er solle Ihnen schreiben und ihre gemeinsamen schwäbischen Ausdrücke in diesen Brief einfließen lassen. Er hat es getan und mir den beigefügten Brief übergeben. Adieu, lieber Bruder und würdiger Freund. Ich umarme Sie und liebe Sie von ganzem, Ihnen gehörendem Herzen, Buchwald. Ihre Hoheiten senden Ihnen eine Million Versicherungen der Hochachtung und Freundschaft. Sie wurden durch Ihr Verhalten am zurückliegenden Abend beschämt. Sie brauchten nicht so zu handeln. Ihre Seele ist bekannt genug und Sie sollten die der anderen nicht erniedrigen. Mein Gatte und meine Schwester entbieten Ihnen ihre untertänigsten Dienste. Pardon für mein Gekritzel. Das ist kein Schreiben – ich glaube zu sprechen, nicht zu schreiben. Bitte um Nachricht von Ihnen, mein Lieber. Der alte Manteuffel ist nun tot.507

506

507

Carl Siegmund von Ziegesar war ab 1742 Oberforstmeister und Berater, später Geheimer Rat Herzog Ernst Augusts von Sachsen-Weimar-Eisenach und hoffte nach dessen Tod auf die Mitgliedschaft in der vormundschaftlichen Regierung, aus der er 1750 von Friedrich III. entlassen wurde. Er besaß in Drackendorf bei Jena ein Rittergut. Manteuffel starb am 30. Januar 1749 in Leipzig. Sein Briefwechsel mit Herzogin Luise Dorothea war schon seit dem 17. August 1748 erloschen.

156

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

81. [o. O.,] Freitag morgens, 17. Oktober [o. J.508] (602 r) Es gehört zu Ihrer souveränen Vernunft, lieber Freund, sich die meine durch Überzeugung untertan zu machen. Ich bin höchst glücklich, dass Sie diesen Vorteil über mein Herz und meinen Kopf haben und sich dessen nur zu beider Gutem bedienen. Ich danke Ihnen, lieber Bruder, für das zärtliche und herzliche Interesse an Ihrer armen Freundin und verspreche, dass ich aus Liebe zu Ihnen und unserem lieben Madame Gustgen, die ich gemeinsam mit Ihnen tausend Mal umarme, sehr weise zu sein versuche. Unsere teure Herzogin sendet Ihnen tausend Freundschaftsgrüße, Buchwald.

82. [o. O.,] den 19. Februar 1750509 (587 r) Wie bin ich froh, mein Freund, von Ihrer Indisposition erst nach Ihrer Genesung erfahren zu haben. Ich bitte Gott aus tiefem Seelengrund, mir den liebsten und würdigsten Herzensfreund mit seiner lieben Gusterle, die mir ständig lieber wird,510 zu erhalten. Ich werde der du Tour schreiben lassen und die teure von uns so geliebte Prinzessin wird bald eine Antwort haben.511 Gott weiß, dass ich all deren Kummer und Leid fühle, mehr, als beträfe er mich selbst. Die von meiner Schwester erwähnte Person, die für den Fall, dass unsere teure Prinzessin zwei Damen haben möchte, die zweite sein könnte, ist die Ihnen von mir im Vertrauen genannte, die wir beide, Sie und ich, jederzeit nach Belieben sehen, (587 v) sie beurteilen, über sie einen exakten Bericht anfertigen und für unsere teure Prinzessin ein getreues Porträt entwerfen könnten. Ich werde nicht ruhen, bis ich für sie jemanden gefunden habe, auf den sie bauen kann und der sie zufriedenstellt. Sie kennen mein Herz, lieber Freund, Sie wissen, durch wie viele Bande es dieser teuren Fürstin verbunden ist, für die ich mein Leben gäbe. Sagen Sie ihr all das, ich beschwöre Sie. Meine

508

509 510 511

Vermutlich Gotha, vermutlich 1749. Trotz abweichender Paginierung wird der Brief an dieser Stelle eingeordnet. Die Buchwald reagiert darin auf die Nachricht vom Tod ihrer Mutter (vgl. Hermann Schack von Buchwald an Keller am 10. Oktober 1749). Zudem wird erstmals Kellers Gattin Auguste Luise Eleonore von Bechtolsheim erwähnt (vgl. Einleitung S. 7). Vermutlich Gotha. Das im Original angegebene Jahr 1749 ist vermutlich falsch und wurde aufgrund der im Brief genannten Ereignisse auf 1750 korrigiert. Vgl. Anm. 508. Luise Friederike von Mecklenburg-Schwerin suchte eine neue Hofdame. Im Gothaer Fourierbuch ist am 1. Juli 1749 die Ankunft der Fürstin Sophie Christiane von Nassau-Saarbrücken mit der Oberforstmeisterin Maria Christina Franziska Freiin von Maltitz und einem Fräulein de Tour notiert.

157

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

Augen sind sehr schwach. Meinem armen Gatten ging es sehr schlecht. Er grüßt sie von ganzem Herzen und ich ebenfalls, Buchwald. Der famose Taylor ist noch in Kassel.512 Ich erwarte ihn täglich.

83. [o. O., o. D.513] (617 r) Ihr Brief, mein Erster Freund,514 erreicht mich im erbarmungswürdigsten Zustand der Welt. Ich habe gerade die schmerzhafte Operation des berühmten englischen Augenarztes D.[oktor] Taylor überstanden und habe noch verbundene Augen. Deshalb muss ich mich für die von Ihnen verlangte Antwort der Hand meiner Schwester, Ihrer und meiner Freundin, bedienen. Sie fordern sie im Namen der Freundschaft, die meinem Herzen schon immer zu lieb und zu respektabel war, als ihr nicht entsprechen zu wollen. Um sie zu verdienen, muss ich zum Thema Ihres Briefs mit Offenheit, der Grundlage meines Charakters und meiner Freundschaft, sprechen. Man betrachtet hier den Rückruf des Prinzen als unerlässlich, um in der Lage zu sein, über alles, was seine Person und Erziehung betrifft, selbst bestimmen zu können. Hinzu kommt die Erwägung, dass der Schaden angesichts der kurzen, noch verbleibenden Erziehungszeit irreparabel wäre, würden die zärtlichen Eltern die geringste ihrer Pflichten vernachlässigen. Ich kann Ihnen also nichts Gewisses sagen, nur dass sie (617 v) vermutlich in jeder Hinsicht entsprechend der vorgefundenen Lage der Dinge handeln werden. Ich bezweifle, dass man Sie wegen der künftigen Erziehungsarrangements für den Prinzen konsultieren wird, nicht jedoch, dass man höchst entschlossen ist, selbst darüber entscheiden zu wollen. Daran glaube ich umso mehr, als man Sie beschuldigt, immer versucht zu haben, die natürliche Autorität des Vaters und der Mutter bei der Erziehung ihrer Kinder einzuschränken. Die Entscheidung, dem Prinzen nicht folgen zu wollen, ist ein Punkt, bei dem ich es aus Zurückhaltung und Freundschaft nicht über mich bringe, Ihnen zu- oder abzuraten. Nein, mein Erster Freund, davor hüte ich mich. Ich will und darf Ihnen weder schmeicheln noch Sie täuschen. Ich kenne die Zukunft und deren Umstände nicht, wo eine solche Entscheidung für Sie gut oder schlecht

512 513 514

Laut Gothaer Fourierbuch weilte der Okulist John Taylor, seit 1736 am Hof des Prince of Wales angestellt, am 11. März 1750 auf dem Friedenstein. Vermutlich Gotha, vermutlich nach dem 11. März 1750, vermutlich die Kopie eines nach der Augenoperation (vgl. Anm. 512) Eberhardine von Neuenstein diktierten Briefs an Thun. Thun bezeichnet in seinen Briefen an Luise Dorothea Frau von Buchwald als Erste Freundin. Seinem Antwortbrief vom 23. März 1750 folgte am 2. April 1750 einen weiterer Brief der Buchwald, in welchem sie im Namen des Herzogspaares das Ende der sogenannten Grand Tour des Erbprinzen befahl (vgl. auch Eberhardine von Neuenstein an Keller am 2. April 1750).

158

Briefe 1738 bis 1750 [1757]

ausgehen kann. Auch will ich mich den Vorwürfen nicht aussetzen, die Sie mir zu Recht werden machen können, falls ich Ihnen für eine der Entscheidungen mit Gewissheit Zusicherungen machen würde, welche die Zeitläufte nicht überstehen. Akzeptieren Sie also lediglich meinen aufrichtigen Wunsch, (618 r) dass Ihnen Ihre Weisheit die für Sie beste und für Ihre Interessen günstigste Entscheidung eingeben möge. Wie auch immer diese ausfallen wird, Sie werden in mir ewig die Gleiche finden, bereit, Ihnen, soweit es von mir abhängt, auf die Weise und in dem Sinne zu dienen, dass dies Ihren Wünschen entspricht. Sie wissen genau, dass Sie, damit ich mich einbringen kann, ohne mir selbst zu missfallen, die Dinge mit aller Vorsicht und aller nur denkbaren Zurückhaltung behandeln sollten. Nur so habe ich die Möglichkeit, es mit Erfolg zu tun. Dies wünsche ich sehr, sowohl aufgrund meiner natürlichen Treuherzigkeit als auch der Gefühle, die mir den Titel Ihrer Ersten Freundin eingebracht haben, B.

84. [o. O., o. D.515] (588 r) Ich möchte zu Ihnen fliegen, mein lieber Freund, damit Sie auf meinem Gesicht alle Begeisterungsstürme meines zärtlichen Herzens sehen könnten. Mögen Sie, glücklicher Vater, sich im lieben Dorotheus wiedererkennen. Die teure Herzogin ist von diesem Ereignis entzückt. Sie erwartet die gefatterschaft516 und ich lobe aus tiefer Seele Gott, spreche meine aufrichtigsten Wünsche aus und umarme sie alle drei, den kleinen Dorotheus mit zärtlichstem Herzen als treueste Buchwald.

515

516

Vermutlich Gotha, vermutlich am 19. oder 20. Februar 1757. Die Datierung ergibt sich aus dem Geburtsdatum des ersten Sohnes Dorotheus Ludwig Christoph, der am 19. Februar 1757 zur Welt kam. Das Ehepaar Keller bekam insgesamt zehn Kinder, zwei Söhne und sechs Mädchen. Von Letzteren starben mehrere im Kindesalter. Zur Geburt der ersten Tochter am 12. November 1750 (Eberhardine von Neuenstein an Keller am 2. November 1750 und Hermann Schack von Buchwald an Keller am 19. November 1750). Im Original Deutsch.

ANHANG Anhang

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS Abkürzungsverzeichnis Bl. = Blatt FB Gotha = Forschungsbibliothek Gotha der Universität Erfurt HRR = Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation LATh-StA Gotha = Landesarchiv Thüringen, Staatsarchiv Gotha LATh-StA Altenburg = Landesarchiv Thüringen, Staatsarchiv Altenburg o. D. = ohne Datumsangabe o. J. = ohne Jahresangabe o. O. = ohne Ortsangabe

TABELLARISCHES BRIEFVERZEICHNIS Tabellarisches Briefverzeichnis Tabellarisches Briefverzeichnis 1738 (9 Briefe) Briefnr. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.

Datum 15.07. 14.08 zw. 17. und 18.08 14.10. 05.11. verm. zw. 16.11. und 06.12. 06.12. 16.12. 27.12.

Absendeort Friedrichswerth Gotha Gotha Gotha Gotha verm. Gotha Gotha Gotha Gotha

Bemerkungen

Datum 06.01 mit P.S. 10.01. verm. zw. 10.01. und 07.02. 07.02. 21.02. verm. zw. 19.03. und 02.05.

Absendeort Gotha verm. Gotha Gotha Gotha verm. Gotha

Bemerkungen urspr. 03.01.

02.05. 30.06. 21.07. verm. nach 21.07.

Gotha Gotha Gotha Gotha

1739 (9 Briefe)1739 Briefnr. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18.

1740 (5 Briefe)1740 Briefnr. 19. 20. 21. 22. 23.

(9 Briefe)

Brief an die Mutter Frau von Neuenstein

(5 Briefe)

Datum 02.01. 02.04. verm. vor 02.07. 02.07. 24.10. verm. 1740

Absendeort Gotha Gotha verm. Gotha Gotha Gotha

Bemerkungen

164

Tabellarisches Briefverzeichnis

1741 (5 Briefe)1741 Briefnr. 24. 25. 26. 27. 28.

Datum verm. um 13.07. 13.07. 18.08. 06.12. 29.12.

Absendeort verm. Gotha Gotha Gotha Gotha Gotha

Bemerkungen

Absendeort Gotha verm. Gotha Gotha Wiesbaden Gotha

Bemerkungen

Absendeort Gotha Gotha verm. Gotha Gotha

Bemerkungen

Datum 04.01. 18.01. 21.04. 19.05. 03.06. 06.06. verm. 1744

Absendeort Gotha Gotha Gotha verm. Gotha Gotha Gotha

Bemerkungen

28.06. 22.08.

verm. Gotha Gotha

1742 (5 Briefe)1742 Briefnr. 29. 30. 31. 32. 33.

(5 Briefe)

Datum 27.05. verm. nach 12.05. 20.06. 20.09. 18.12.

1743 (4 Briefe)1743 Briefnr. 34. 35. 36. 37.

(5 Briefe)

(4 Briefe)

Datum 11.02. 31.03. verm. zw. 31.03. und 31.12. 31.12.

1744 (13 Briefe)1744 Briefnr. 38. 39. 40. 41. 42. 43. 44. 45.

(13 Briefe)

Beilage verm. von Ulrich von Thun

165

Tabellarisches Briefverzeichnis

Briefnr. 46. 47. 48. 49. 50.

Datum 05.09. 07.11. 05.12.1744 19.12. 31.12.

Absendeort Ichtershausen Gotha

Bemerkungen

verm. Gotha verm. Gotha

1745 (15 Briefe)1745 (15 Briefe) Briefnr. 51. 52. 53. 54. 55. 56. 57. 58. 59. 60. 61. 62. 63. 64. 65.

Datum 05.01. 30.01.

Absendeort Gotha Gotha

18.03. 27.03. 27.04. verm. zw. 08. und 23.05. 05.06. verm. zw. 05. und 12.06. 12.06. 07.07. 04.08. 20.11. 04.12. 11.12. 25.12.

Gotha Gotha Gotha verm. Gotha Gotha verm. Gotha Gotha Gotha Gotha Gotha Gotha Gotha Gotha

1746 (3 Briefe)1746 Briefnr. 66. 67. 68.

Briefnr. 69.

Beilage eines Briefs an G. A. Graf von Gotter

(3 Briefe)

Datum 05.01. 12.02. 11.04.

1747 (1 Brief)1747

Bemerkungen

Absendeort Gotha Gotha Gotha

Bemerkungen

Absendeort Gotha

Bemerkungen

(1 Brief)

Datum 12.12.

166

Tabellarisches Briefverzeichnis

1748 (9 Briefe)1748 Briefnr. 70. 71. 72. 73. 74. 75. 76. 77. 78.

Datum 20.01. 08.07. 02.10. 09.10. verm. 10. oder 11.10. 15.10. 16.10. 17.10. verm. 05. oder 12.12.

1749 (3 Briefe)1749 Briefnr. 79. 80. 81.

Briefnr. 84.

Bemerkungen

Absendeort Gotha Gotha verm. Gotha

Bemerkungen

Absendeort verm. Gotha verm. Gotha

Bemerkungen

Absendeort verm. Gotha

Bemerkungen

(2 Briefe)

Datum 19.02. verm. nach 11.03.

1757 (1 Brief)1757

Absendeort Gotha Weimar Gotha Gotha verm. Gotha Gotha Gotha Gotha verm. Gotha

(3 Briefe)

Datum 16.01. 08.02. 17.10. verm. 1749

1750 (2 Briefe)1750 Briefnr. 82. 83.

(9 Briefe)

Brief an Ulrich von Thun

(1 Brief)

Datum verm. 19. oder 20.02.

QUELLENVERZEICHNIS Quellenverzeichnis

Ungedruckte Quellen Ungedruckte Quellen

Forschungsbibliothek Gotha der Universität Erfurt (FB Gotha) Chart A 2415 (Teilnachlass Christoph Dietrich von Keller) – Bl. 462 bis Bl. 619 (Briefe von Juliane Franziska von Neuenstein/von Buchwald) – Bl. 1 bis Bl. 420 (Briefe von Herzogin Luise Dorothea von Sachsen-Gotha-Altenburg) – Bl. 421 bis Bl. 461 (Briefe Herzog Friedrichs III. von Sachsen-Gotha-Altenburg) – Bl. 620 bis Bl. 711 (Briefe von Jeanne Marguerite von Neuenstein, Eberhardine von Neuenstein, Schack Hermann von Buchwald) – Bl. 712 bis Bl. 713 (Dreistufenplan Kellers zur Kaiserwahl, 1756) – Bl. 714 bis Bl. 715 (Finanzangelegenheiten Kellers 1764) Chart B 1918 II – Bl. 32 bis Bl. 35 (Juliane Franziska von Neuenstein an unbekannt) – Bl. 3 bis Bl. 29 (J. F. v. Buchwald an Johann Eustach von Görtz) Chart B 1954 (Schilderungen einiger Personen aus der Umgebung der Herzogin Louise Dorothée. Gemahlin des Herzogs Friedrich III. von Sachsen-Gotha-Altenburg) Chart B 1344 (Recueil des pièces différentes en vers et en prose) Chart A 1164 (Memoires de l’Ordre des Hermites de bonne Humeur MDCCXXXIX) Chart B 1430 (Règles de l’Ordre des Hermites de bonne Humeur avec la liste des Membres de l’Ordre) Chart B 1560 (Ulrich von Thun an Herzog Friedrich III. von Sachsen-Gotha-Altenburg) Chart B 1551 (1742, 1743, 1745, 1746, 1747, 1748, 1749), 1750, 1751) (Hoch-Fürstlicher Sachsen-Gothaisch- und Altenburgischer Hof- und Adress-Calenders, Privatexemplare Herzogs Friedrich III.)

Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt HS 1737 (Poésies diverses)

Landesarchiv Thüringen, Staatsarchiv Gotha (LATh-StA Gotha) Geheimes Archiv E III 20 a, Nr. 3 (La Divinité inconnue Geheimes Archiv UU I, 22 (Dienerakte Keller) Geheimes Archiv E XIII a 17 bis E XIII a 24 (Ernst Christoph von Manteuffel an Herzogin Luise Dorothea von Sachsen-Gotha-Altenburg) Kammerimmediate 1775, 1776, 1777, 1778 (Reiserechnungen Erbprinz Friedrich für Genf und Paris) Landesregierung-Testamente, Nr. 152 (Juliane Franziska von Buchwald)

168

Quellenverzeichnis

Oberhofmarschallamt Nr. 681/c/1738–1750 (Fourierbücher Gotha)

Landesarchiv Thüringen, Staatsarchiv Altenburg (LATh-StA Altenburg) Familienarchiv von Seckendorff, Nr. 1140 (Briefwechsel mit Christoph Dietrich von Keller 1754–1761). Familienarchiv von Seckendorff, Nr. 1150 (Briefwechsel mit Franz von Lothringen 1737–1740). Familienarchiv von Seckendorff, Nr. 1163 (Briefwechsel des Grafen Friedrich Heinrich von Seckendorff mit der Baronesse de Neuenstein 1732–1757). Familienarchiv von Seckendorff, Nr. 2274 (Korrespondenz mit der Frau von Buchwald geb. von Neuenstein zu Gotha. 1742 bis 1760).

Gedruckte Quellen Gedruckte Quellen Familiengeschichte der Grafen und Herren von Keller – einschließlich des bürgerlichen Teils – bis 1722. Reprint der 1. Auflage, hg. von G. KELLER, Bad Langensalza 2016. SCHÖPFLIN, Johann Daniel, Wissenschaftliche und diplomatische Korrespondenz, hg. von Jürgen VOSS, Stuttgart 2002. Correspondance de Frédéric II avec Louise-Dorothée de Saxe-Gotha (1740–1767), hg. von Marie-Hélène COTONI, Voltaire Foundation Oxford 1999 (Studies on Voltaire and the Eighteenth Century 376). GOTTSCHED, Johann Christoph, Briefwechsel. Unter Einschluss des Briefwechsels von Luise Adelgunde Victorie Gottsched, Historisch-kritische Ausgabe, im Auftrag der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig hg. von Detlef DÖRING und Manfred RUDERSDORF, Berlin u. a. 2007 ff. VON THUN, Ulrich, Briefe aus Genf (1744–1747), hg. von Bärbel RASCHKE, Gotha 2016 (Friedensteinsche Quellen Nr. 8). VON THUN, Ulrich, Briefe aus Paris 1747–1750, hg. von Bärbel RASCHKE, Gotha 2013 (Friedensteinsche Quellen Nr. 5). Lobgedichte an Die Durchlauchtigste Louise, in: Göttliche Louise. Die Inszenierung Luise Dorotheas von Sachsen-Gotha-Altenburg in fünf Akten, hg. von Bärbel RASCHKE (Schriftenreihe des Freundeskreises der Forschungsbibliothek Gotha e. V., Band 3, Gotha 2017, S. 70–81.

Digitalisierte Quellen Digitalisierte Quellen Das Grab der Frankfurthischen Union. Von einem Patriotischen Teutschen beschrieben. Frankfurt und Leipzig 1745, download.digitale-sammlungen.de/BOOKS/download.pl? id=bsb10886207 (Zugriff 21. April 2022). Oeuvres de Frédéric le Grand – Werke Friedrichs des Großen. Digitale Ausgabe der Universität Trier. Politische Korrespondenz Friedrich’s des Großen, friedrich.uni-trier.de/de/politKorr/toc (Zugriff 21. April 2022).

Digitalisierte Quellen

169

Karl Theodor von Dalberg, Madame de Buchwald, Erfurt 1786, dfg-viewer.de/show/?tx_dlf[id]=https %3A%2F%2Fopendata.uni-halle.de%2Foai%2Fdd%3Fverb%3DGetRecord%26metadataPrefix%3 Dmets%26identifier%3Doai%3Aopendata.uni-halle.de%3A1981185920%2F47713 (Zugriff 21. April 2022).

FORSCHUNGSLITERATUR (AUSWAHL) Forschungsliteratur (Auswahl)

Frauen in der Diplomatiegeschichte Frauen in der Diplomatiegeschichte BASTIAN, Corina/DADE, Eva Kathrin/THIESSEN, Hillard von/WINDLER, Christian (Hg.), Das Geschlecht der Diplomatie. Geschlechterrollen in den Außenbeziehungen vom Spätmittelalter bis zum 20. Jahrhundert, Köln/Weimar/Wien 2014. BASTIAN, Corina, Verhandeln in Briefen, Frauen in der höfischen Diplomatie des frühen 18. Jahrhunderts, Köln/Weimar/Wien 2013. BASTL, Beatrix, Das österreichische Frauenzimmer. Zum Beruf der Hofdame in der Frühen Neuzeit, in: Jan HIRSCHBIEGEL/Werner PARAVICINI (Hg.), Das Frauenzimmer. Die Frau bei Hofe in Spätmittelalter und früher Neuzeit (Residenzenforschung 11), Stuttgart 2000, S. 355–376. BRAUBACH, Max, Die Geheimdiplomatie des Prinzen Eugen von Savoyen, Köln 1962. BEYRICH, Rudolf, Kursachsen und die polnische Thronfolge 1733–1736, Leipzig 1913. DADE, Eva Kathrin, Madame de Pompadour. Die Mätresse und die Diplomatie, Köln/Weimar/Wien 2010. KELLER, Katrin, Hofdamen. Amtsträgerinnen im Wiener Hofstaat des 17. Jahrhunderts, Wien/Köln/ Weimar 2005. WENDT-SELLIN, Ulrike, Herzogin Luise Friederike von Mecklenburg-Schwerin (1722–1791). Ein Leben zwischen Pflicht, Pläsier und Pragmatismus, Köln/Weimar/Wien 2017.

Europa während des Österreichischen Erbfolgekrieges, diplomatische Post und Chiffrierung Europa: Österreichischer Erbfolgekrieg, diplomatische Post und Chiffrierung ARETIN, Karl, Otmar von: Das Alte Reich 1648–1806, Stuttgart 1997. BRAUN, Guido (Hg.), Diplomatische Wissenskulturen der Frühen Neuzeit. Erfahrungsräume und Orte der Wissensproduktion, Berlin 2018. FREHLAND-WILDEBOER, Katja, Treue Freunde? Das Bündnis in Europa 1714–1914, München 2020. GREILING, Werner/MÜLLER, Gerhard/SCHIRMER, Uwe/WALTHER, Helmut G. (Hg.), Die Ernestiner. Politik, Kultur und gesellschaftlicher Wandel, Köln/Weimar/Wien 2016. HAUG, Tilman/WEBER, Nadir/WINDLER, Christian (Hg.), Protegierte und Protektoren. Asymmetrische politische Beziehungen zwischen Partnerschaft und Dominanz 16. bis frühes 20. Jahrhundert, Weimar/Wien 2016. HAUG, Tilman, Ungleiche Außenbeziehungen und grenzüberschreitende Patronage. Die französische Krone und die geistlichen Kurfürsten (1648–1678), Köln/Weimar/Wien 2015. KALIPKE, Andreas, Verfahren im Konflikt. Konfessionelle Streitigkeiten und Corpus Evangelicorum im 18. Jahrhundert, Münster 2015.

172

Forschungsliteratur (Auswahl)

KANN, Oliver/SCHWARZ, Michael (Hg.): Militärisches Wissen vom 16. bis zum 19. Jahrhundert. Universitätsverlag Potsdam 2021. KERNBAUER, Eva, Der Platz des Publikums. Modelle für Kunstöffentlichkeit im 18. Jahrhundert, Köln/ Weimar/Wien 2011. LÜTHY, Herbert, La Banque protestante en France de la Révocation de l’Édit de Nantes à la Révolution. II (Reprint der französischen Originalausgabe), in: Gesammelte Werke, hg. von Irene RIESEN und Urs BITTERLI, Zürich 2005. MATZKE, Judith, Gesandtschaftswesen und diplomatischer Dienst Sachsens 1694–1763, Leipzig 2011. MÜLLER-UHRIG, Steven, Wer regiert Russland? Das Aufbegehren des russischen Adels 1730 als vermeintliche Gefährdung der Monarchen Europas, Wien/Köln/Weimar 2021. OHMEIS, Stefan, Einblicke. Geschichte und Geschichten über das Bankhaus Metzler und die Familie von Metzler in Frankfurt am Main, Frankfurt am Main 2007. PAULMANN, Johannes/SCHNETTGER, Matthias/WELLER, Thomas (Hg.): Unversöhnte Verschiedenheit. Verfahren zur Bewältigung religiös-konfessioneller Differenz in der europäischen Neuzeit, Göttingen 2016. ROUS, Anne-Simone/MULSOW, Martin (Hg.), Geheime Post, Kryptologie und Steganographie der diplomatischen Korrespondenz europäischer Höfe während der Frühen Neuzeit (Historische Forschungen, 106), Berlin 2015. SCHMIDT, Alexander, Vaterlandsliebe und Religionskonflikt. Politische Diskurse im Alten Reich (1555– 1648), Leiden/Boston 2007. SCHMIDT, Georg/MÜLLER-LUCKNER, Elisabeth (Hg.), Die deutsche Nation im frühneuzeitlichen Europa. Politische Ordnung und kulturelle Identität? (Schriften des Historischen Kollegs, 80), Oldenburg 2010. ULBERT, Jörg, Sicherungsmaßnahmen in französischen Diplomaten- und Konsularkorrespondenzen (1650–1730), in: Francia. Forschungen zur westeuropäischen Geschichte, 45 (2018), S. 357–372. WEBER, Nadir, Gute Miene zum bösen Spiel? Freundschaft, Kooperation und Vertrauen in den französisch­preußischen Beziehungen des 18. Jahrhunderts, perspectivia.net/publikationen/discussions/82013/weber_freundschaft (Zugriff 22. April 2022).

Orden in der Frühen Neuzeit Orden in der Frühen Neuzeit BOOCKMANN, Hartmut, Der Deutsche Orden. Zwölf Kapitel aus seiner Geschichte, München 52012. FRANCKE, Karl Heinz/GEPPERT, Ernst-Günther, Die Freimaurer-Logen Deutschlands und deren Grosslogen 1737–1985, Matrikel und Stammbuch, Bayreuth 1988. HILDEBRANDT, Siegfried, Der Deutsche Ritterorden im Mitteldeutschland des 16.–18. Jahrhunderts: Topoi und Personen, in: Mitteldeutsches Jahrbuch für Kultur und Geschichte, 2002, Band 9, S. 65–81. REINALTER, Helmut, Die Geschichte der Freimaurerei in den europäischen Staaten. Innsbruck 2020. SARNOWSKY, Jürgen, Die Johanniter. Ein geistlicher Ritterorden in Mittelalter und Neuzeit, München 2011.

Orden in der Frühen Neuzeit

173

SCHNEIDER, Diethardt, Der englische Hosenbandorden. Beiträge zur Entstehung und Entwicklung des „The Most Noble Order of the Garter“ (1348–1702) mit einem Ausblick bis 1983. 2 Bände (4 Teile). Schneider-Krause, Bonn 1988.

PERSONENVERZEICHNIS Personenverzeichnis Personenverzeichnis Das Personenverzeichnis ist in zwei Teile geteilt, Privatpersonen und Angehörige von Herrscherhäusern. Es umfasst die in der Einleitung, in den Briefen und im Zeilenkommentar genannten Personen. Es werden lediglich das Geburts- und Todesjahr genannt, gefolgt von der Angabe der Seitenzahlen, auf denen weitere Informationen zur genannten Person mit Ausnahme der beiden Briefschreibenden zu finden sind. Diese beziehen sich in erster Linie auf den Zeitraum der vorliegenden Briefe. Frauen aus Herrscherhäusern werden i. d. R. ihren Herkunftshäusern zugeordnet.

Alexander der Große (356 v. Chr. bis 323 v. Chr.) 82 Avemann, Heinrich Ludwig (1696–1761) 90 Bachoff von Echt, Ernst Christoph (1704– 1763) 141 Bachoff von Echt, Georg Heinrich (1652– 1744) 53 Bachoff von Echt, Johann Wilhelm (1693– 1758) 53 Battier, Reinhard (1724–1779) 152 Belle-Isle, Charles Louis Auguste Fouquet, Herzog von Gisors (1684–1761) 112, 115 Berkeley, George (1685–1753) 24, 133 Berlichingen, Johann Friedrich von (1682– 1751) 131 Béthencourt, Anne Catherine Jacquin de (?–?), Alias Fidèle 51 Béthencourt, Jacquin de (?–?) 49, 51 Boileau, Nicolas (1636–1711) 76 Boissy, Louis de (1694–1758) 30, 107 Brühl, Heinrich von (1700–1763) 127, 131, 133, 135 Buchwald, Juliane Franziska von, geb. von Neuenstein (1707–1789), Alias ab 1739 Brillante Buchwald, Luise Friederike Sophia Johanna (1740–1764) 16–18, 72, 78, 92

Buchwald, Schack Hermann von Buchwald (1705 bis 1761), Alias ab 1739 Amusant 16, 60, 64, 125 Bünau, Christine Elisabeth, geb. von Arnim (1699–1783) 97, 109 Bünau, Günther von (1710–1758) 126 f., 129 Bünau, Heinrich Graf von (1697–1762), Alias ab 1745 Sociable 86, 97, 99, 109 Campanini, Barbara, genannt Barberina oder Barbarina (1721–1799) 102, 122 Campanini, Mariane (?–?), 102 Carmichael, John 3. Earl of Hyndford (1701–1767) 82 Chavigny, Théodore Chévignard de (1687–1771) 96–99 Churchill, John, 1. Duke of Marlborough (1650–1722) 116 Cicero, Marcus Tullius (106 v. Chr. bis 43 v. Chr.) 111 Cobenzl, Johann Karl Philipp, Freiherr zu Prosegg (1712–1770) 144 f. Corneille, Pierre (1606–1684) 25, 69 Courcelle, de (?–?) 62, 65, 67 Cyprian, Ernst Salomon (1673–1745) 25, 31, 42 f., 85, 90 f., 94, 97 f., 117, 121, 129 f. Dalberg, Karl Theodor von (1744–1817) 18

176

Danckelmann, Karl Ludolf von (1699– 1764) 111 Danckelmann, Lucie Sophie von, geb. von Freyberg (1704–1764) 111 Destouches, Philippe Néricault (1680– 1754) 107 Eller, Johann Theodor (1689–1760) 89 Eltz-Kempenich, Philipp Karl von (1665– 1743) 72, 77, 83, 87,134 Erffa, Dorothea Elisabetha von, Alias ab 1739 Modeste 59, 69 Fine, Adrienne (?–?) 18 Fleury, André-Hercule de (1653–1743) 61 Forstner von Dambenois, Wolfgang Reinhard (1705–1766) 75 Franckenberg, Luise Henriette, geb. von Schmettau (1701–1774) 75 Franckenberg, Sylvius Eberhard von Franckenberg und Ludwigsdorf (1682–1764) 75 Gemmingen, Ludwig Eberhard von (1719– 1782 ) 127 Glaubitz, Carolina Franziska von (?–1749) 120 Görtz, Johann Eustach von Schlitz, gen. von (1737–1821) 17 Gotter, Gustav Adolph von, (1692–1762) Alias Tourbillon 24, 28, 31, 46, 51, 53, 56, 58 f., 63, 69, 72, 75, 80, 84 f., 89, 93, 95, 97, 102, 104, 106–108, 111, 113, 115–121, 125 f., 133, 136, 138–143, 149, 151, 154 f. Gotter, Heinrich Ernst (1703–1772) 85 Gottsched, Johann Christoph (1700–1766) 43 Hahn, Elisabetha Ernestina von (1724–?) 105 Hahn, Heinrich Gottfried von (?–?) 105 Hahn, Luise Friedrike Henriette von (1725–?) 105 Hardenberg, Friedrich August von (1700– 1768), Alias Désirant 59, 75 f. Helwig (?–?) 67

Personenverzeichnis

Heringen, Rudolf Anton von (1697–1755) 99 Hertzberg, Ludwig Reinhard von (1691– 1750) 122 f. Heusinger, Johann Michael (1690–1751) 125 Hochstetter, Maria Margarete (1695–1774), geb. Keller 87 f., 90, 100, 143 Horaz (65 v. Chr. bis 8 v. Chr.) 22 f., 30, 108, 110 Huber, Marie (1695–1753) 46 Huhn, Johann Benjamin (1684–1744) 90 Jordan, Charles Étienne (1700–1745) 102 Juch, Hermann Paul (1676–1756) 23, 32, 44, 79 f., 86 f., 113, 133 f., 142 Kamecke, Clara Sophia von (?–?), Alias ab 1739 Espérante 59, 65, 69 Keller, Auguste Luise Eleonore von Mauchenheim, gen. von Bechtolsheim (1732–1781), Alias ab 1749 Appétissante 12, 156, 158 Keller, Christoph Dietrich (1699–1766) Alias Renardin Keller, Dorotheus Ludwig Christoph (1757– 1827) 158 Keller, Johann David von (1697–?) 11, 90, 95, 137, 144, 152 Keller, Marie Christine, geb. Schaeffer (1717– 1745) 137 Keyserling, Hermann Karl von (1696–1764) 69, 127 Kornmann (?–?) 67 La Fontaine, Jean de (1621–1695) 41 Lessing, Gotthold Ephraim (1729–1781) 107 Löwe, Johann Caspar (1706–1767) 42, 124 Mackenzie, James Stuart (1719–1800) 122 Maltitz, Maria Christina Franziska, geb. von Gemmingen (1723–?) 156 Manteuffel, Ernst Christoph Freiherr von, (1676–1749) Alias chevalier, chevalier

Personenverzeichnis

Manfrede, Diable 9, 22, 28 f., 31, 83, 96, 129, 133, 138, 142 f., 146, 155 Maupertuis, Pierre Louis Moreau de (1698– 1759) 73 f. Metzler, Benjamin (1650–1686) 67 Metzler, Johann Jeremias (1677–1743) 67 Meyer, Johann Hermann (1706–1760) 115 Meyer, Johann Philipp (?–?) 70 Molck, Joachim Christoph von (1699–1781), ab 1745 Alias Actif 105 Molck, Sophia Albertina von, geb. von Wolzogen (1703–1763), ab 1745 Alias Affable 105, 111 Molière, eigentlich Jean-Baptiste Poquelin (1622–1673) 41 Montmartin, Samuel Friedrich von (1712–1778) 93, 153 f. Münnich, Burkhard Christoph von (1683–1767) 79 Nader Schah Afchar, genannt Thamas Kuli Khan (1688–1747) 128 Neuenstein, Eberhardine Wilhelmine von (1712–1801), Alias ab 1739 Florissante 15–18 Neuenstein, Jeanne Marguerite von, geb. de Moysen de la Rochelogerie (verm. 1678– 1749) 15 f., 39 Neuenstein, Philipp Jacob (1663–1729) 15, 109 Newton, Isaac (1643–1727) 20–22, 41 Nitzschwitz, Gottfried Heinrich von (1700– 1753) ab 1739 Alias Complaisant 71, 90, 124 Nitzschwitz, Sophia Maria, ab 1739 Alias Tranquille, 126 Oldershausen, Antoinette Friederike von, geb. von Reden (1716–1797), Alias ab 1745 Friponne 87 Oldershausen, Burchard Anton Friedrich von (1710–1791), Alias ab 1745 Impatient 87

177

Oppel, Carl Georg August (1725–1760) 136 Oppel, Christiane Charlotte von, geb. von Planitz (1703–?) 72, 84, 136 Oppel, Johann Siegmund (1730–1798) 136 Oppel, Martha Eleonore (1726–1801) ab 1749 Alias Adroite 136 Oppel, Siegmund Ehrenfried von (1687–1757), Alias ab 1743 Content 72, 84, 90 f., 98, 121, 124, 128–130, 136, 148–150 Ostein, Johann Friedrich Karl von (1689–1763) 113 Ostermann, Johann Heinrich Friedrich von (1687–1747) 79 Paganelli, Giuseppe Antonio (1710 bis vor 1764) 30, 108, 110, 114 Perikles (um 490 v. Chr. bis 429 v. Chr.) 101 Plotho, Erich Christoph von (1707–1788) 70 Plutarch (um 45 bis um 125) 101 Podewils, Heinrich von (1696–1760), Alias Der Fürsichtige 31, 89, 108 f., 118, 133, 149, 151 f. Pöllnitz, Karl Ludwig von (1692–1775) 102, 104 Promnitz, Balthasar Friedrich Erdmann II. von (1683–1745) 84 f. Publius Ovidius Naso (43 v. Chr. bis um 17 n. Chr.) 131 Puisieux, Louis Philogène Brûlart Vicomte de (1702–1770) 145 Rehbom, Johann Christoph von (?–?) 154 Riedesel, Johann Wilhelm von (1705–1782) 99 Röder, Albertine, geb. von Rau von und zu Holzhausen (?–?), Alias ab 1749 Prévenante 68 Röder, Heinrich Günter Reinhard, von (1697– 1756), Alias ab 1749 Bienfaisant 68, 77, 122 f., 145 Rost, Nicolaus (1717–1773) 130 Rousseau, Jean Baptiste (1671–1741) 105 Rudenschöld, Carl von (1698–1783) 133

178

Schertel von Burtenbach, Elisabeth Sophie Charlotte (1728–1795) 18 Schertel von Burtenbach, Sophia Maria (1690– 1780) 18, 81 Schilbach, Christian (1660–1741) 114 Schilbach, Johann Christian (ca. 1708–1757) 114 Schilbach, Elisabeth Margaretha (?–?) 114 Schlichten, Johann Philipp von der (1681– 1745) 39 Schmettau, Samuel von (1684–1751) 30, 107, 112, 116 Schoenebeck, Charlotte Christiane von (1734– ?) 106 Schoenebeck, Elisabeth Sophia, geb. von Schmettau (1698–?) 106 Schoenebeck, Kurt Friedrich von (?–1740) 106 Schönborn-Bucheim, Friedrich Karl von (1674–1746) 127 Schröder, Johann Heinrich (1719–1774) 130 Schulenburg, Anna Adelheit Catharina von der Schulenburg, geb. von Bartensleben, (1699–1756) 41 f. Seckendorff, Clara Dorothea, geb. von Hohenwarth (1674–1757) 29, 90 Seckendorff, Friedrich Heinrich von (1673– 1763), Alias Vater, Germania 13, 15–17, 26 f., 29–31, 34, 90 f., 107, 112 f., 116, 123 f., 131, 133, 136 f., 141, 150 Sickingen, Kasimir Anton von (1684–1750) 144 f. Sokrates (469 v. Chr. bis 399 v. Chr.) 111 Spangenberg, Jacob Georg von (1695–1779) 148 Swieten, Gerard van (1700–1772) 81 Taylor, John (1703–1770) 17, 157 Thukydides, Sohn des Melesias (5. Jh. v. Chr.) 101

Personenverzeichnis

Thun, Ulrich von (1707–1788) 9, 25, 30, 74, 96, 98 f., 101, 103, 106, 108, 119–122, 145 f., 152, 157 f. Tornaco, Arnold Franz von (1696–1766) 63, 65 Tour, Mademoiselle de (?–?) 156 Uffel, Christian von (1687–1748), Alias ab 1739 Gentil 57, 135 Varenne, Albrecht Friedrich de (?–1757) 140 f. Vaulgrenant, François-Marie de Villers la Faye de (1695–1774) 135 Villiers, Thomas de, 1. Earl of Clarendon (1709–1786) 73 Voltaire, eigentlich François-Marie Arouet (1694–1778) 9, 20, 22, 104, 110 Walpole, Robert Horace, 4. Earl of Orford (1717–1797) 81 Wangenheim, Carolina Franziska von, geb. von Wurmser (?–?) 18 Wangenheim, Friederike von (1729–1752), Alias ab 1745 Singulière 81, 93 f., 127 Wangenheim, Ernst Wilhelm von Großenbehringen (1720–1790), Alias ab 1746 Minos 138 f. Watzdorf, Heinrich Erdmann von (1692–1749) 43 f. Wenig, Johann Ernst (1702–1745) 42 Wernicke, Georg Philipp von (?–?) 96–99 Wettstein, Johann Gaspar (1695–1760) 11 Wilmowsky, Fräulein von (?–?) 61 Witzleben, Johann Hartmann von (1717–?) 80, 90, 92 f. Wolzogen, Auguste Juliane von (1693–1755) 111 Wolzogen, Ernst Ludwig von (1723–1774) 154 Wulfenstierna, Gustav von (1714–1758) 133 Ziegesar, Carl Siegmund von (1696–1754) 155

Anhalt-Dessau Leopold I. (1676–1747), ab 1693 Fürst 113, 131 Anhalt-Zerbst Magdalena Augusta (1679–1740), ab 1696 Herzogin von Sachsen-Gotha-Altenburg 43 Baden-Baden Ludwig Georg Simpert (1702–1761), ab 1707 Markgraf 149 Bayern Karl Albrecht (1697–1745), ab 1726 als Karl I. Herzog und Kurfürst, ab 1742 als Karl VII. Kaiser des HRR 25 f., 44, 74, 77, 83 f., 91 f., 97, 101, 118 Maximilian III. Joseph (1727–1777), ab 1745 Herzog und Kurfürst 123 Braunschweig-Wolfenbüttel Anton Ulrich (1714–1774), ab 1739 Gatte von Anna Leopoldowna, Militär, 78 Elisabeth Christine (1691–1750), ab 1708 Gattin Kaiser Karls VI. 33 Dänemark Christian VI. (1699–1746), ab 1730 König 21 Frankreich Élisabeth Charlotte d’Orléans (1676–1744), ab 1698 Herzogin von Lothringen, ab 1737 Fürstin von Commercy 22 Louis XV (1710–1774), ab 1715 König von Frankreich 125 Louis Ferdinand de Bourbon (1729–1765), Dauphin von Frankreich 125 Philippe II. d’Orléans (1674–1723), 1715 bis 1723 Regent Frankreichs 15

Großbritannien Friedrich Ludwig von Hannover (1707–1751), ab 1729 Prince of Wales 11, 58, 81, 157 Georg II. August (1683–1760), ab 1727 König von Großbritannien und Irland, Kurfürst von Braunschweig-Lüneburg (Hannover) 21, 58, 81 Habsburg Ferdinand I. (1503–1564), ab 1521 Erzherzog Österreichs in den habsburgischen Erblanden, ab 1558 Kaiser des HRR 76, 109, 124 Ferdinand II. (1578–1637), ab 1590 Erzherzog Innerösterreichs, ab 1619 Kaiser des HRR 109 Karl V. (1500–1558), ab 1516 als Karl I. König von Spanien, ab 1519 Erzherzog von Österreich, von 1520 bis 1556 Kaiser des HRR 63, 76, 109 Karl VI. (1685–1740), ab 1711 Kaiser des HRR 11, 33, 77, 90 Maria Anna (1718–1744), Erzherzogin von Österreich, ab 1744 Herzogin von Lothringen und Bar und Statthalterin der österreichischen Niederlande 29, 117 Maria Theresia (1717–1780), ab 1740 Erzherzogin von Österreich und König von Ungarn und Böhmen 26 f., 29, 33, 74, 81–83, 91, 107, 112, 124, 127 f., 134, 147 Joseph von Habsburg-Lothringen (1741–1790), ab 1764 römisch-deutscher König, ab 1765 Kaiser des HRR und Mitregent Maria Theresias 33 Hessen Philipp I. (1504–1567), ab 1509/1518 Landgraf 63 Hessen-Kassel Wilhelm VIII. (1682–1760), ab 1730 Statthalter, ab 1751 Landgraf 102

180

Lothringen Franz Stephan (1708–1765), ab 1736 als Franz III. Herzog von Lothringen und Bar, ab 1737 als Franz II. Großherzog von Toscana, ab 1745 als Franz I. Stephan Kaiser des HRR 21 f., 26, 30, 33, 77, 119, 124, 131 Karl Alexander (1712–1780) Prinz von Lothringen und Bar, ab 1744 Gouverneur der Österreichischen Niederlande 29, 83, 117, 128, 131 f., 135, 150 Mecklenburg (-Schwerin) Karl Leopold (1678–1747), ab 1713–1728 Herzog 143 Christian Ludwig II. (1683–1756), ab 1728 Herzog 143 Friedrich (1717–1785) ab 1756 Herzog 130, 143 Nassau-Saarbrücken Sophie Christiane von Erbach-Erbach-Reichenberg, ab 1742 Fürstin (1725–1795) 156 Pfalz Karl Philipp Theodor, ab1742 als Karl IV. Pfalzgraf und Kurfürst von der Pfalz sowie Herzog von Jülich und Berg 25, 103 Pfalz-Zweibrücken Karoline Henriette (1721–1774), ab 1768 Landgräfin von Hessen-Darmstadt 17, 25, 29 Polen Stanislaus I. Leszczyński (1677–1766), 1733– 1736 König von Polen und Großfürst von Litauen, ab 1737 Herzog von Lothringen und Bar 22

Personenverzeichnis

Preußen Friedrich I. (1657–1713), ab 1688 als Friedrich III. Kurfürst von Brandenburg und Herzog in Preußen, ab 1701 als Friedrich I. König in Preußen 40 Friedrich II. (1712–1786), ab 1740 König in Preußen 9, 22, 27, 29–33, 74, 77, 82, 90, 95, 97, 99, 101–103, 107–109, 111–113, 122 f., 126, 131, 133 f., 136, 138, 140, 147– 149, 154 Friedrich Wilhelm I. (1688–1740), ab 1713 König und Kurfürst von Brandenburg 21, 25, 40, 42, 115 Russland Anna Leopoldowna (1718–1746), von 1740 bis 1741 Regentin des Russischen Zarenreiches für Iwan VI. 78 Jelisaweta Petrowna Romanowa (1709–1762), ab 1741 Zarin 15, 78 Anna Iwanowna (1693–1740), von 1711 bis 1737 Regentin von Kurland und ab 1730 Zarin 86 f. Iwan VI. Antonowitsch (1740–1764), von 1740 bis 1741 Zar 78 Kursachsen Friedrich August I. (1670–1733), ab 1694 Kurfürst von Sachsen, sowie ab 1697 bis 1706 und 1709 bis 1733 als August II. König von Polen und Großherzog von Litauen 151 Friedrich August II. (1696–1763), ab 1733 Kurfürst und Herzog von Sachsen, ab 1734 als August III. König von Polen und Großherzog von Litauen 84, 109, 116, 119, 127, 135 Sachsen-Weißenfels Johann Adolf II. (1685–1746), ab 1736 Herzog 128, 133, 147

181

Personenverzeichnis

Sachsen-Coburg-Saalfeld Franz Josias (1697–1764), ab 1729 Herzog von Sachsen-Coburg, ab 1745 von SachsenCoburg-Saalfeld 146 Sachsen-Gotha-Altenburg Augusta (1719–1772), ab 1736 Princess of Wales 11, 58, 81 Ernst Ludwig (1745–1804), ab 1772 Herzog Ernst II., Alias ab 1749 Espiègle 15, 131 Friederike (1715–1775), ab 1736 Herzogin von Sachsen-Weißenfels 147 Friederike Luise (1741–1776), Alias ab 1745 Innocente 104 Friedrich III. (1699–1772), ab 1732 Herzog, Alias ab 1739 Le Prieur, Supérieur 11–13, 16, 21 f., 25 f., 30–32, 66, 73, 85, 103, 108 f., 122, 126 f., 130, 146, 148 f., 152–155 Friedrich Ludwig (1735–1756), Alias ab 1739 Vaillant 26, 80, 96, 100 f., 119 f. 144–146, 150, 152, 157 Johann Adolf (1721–1799) 81, 135 Sachsen-Meiningen Anton Ulrich, ab 1743 gemeinsam mit Friedrich Wilhelm, ab 1746 Herzog (1687–1763) 144, 146 Elisabeth Sophie von Brandenburg (1674– 1748), ab 1691 Herzogin von Kurland, ab 1703 Markgräfin von BrandenburgBayreuth, ab 1714 Herzogin von SachsenMeiningen 15, 64, 69, 81, 152 Enst Ludwig I. (1706–1724) 64 Ernst Ludwig II. (1709–1729), ab 1724 Herzog 15 Friedrich Wilhelm (1679–1746), ab 1743 Herzog gemeinsam mit Anton Ulrich 144, 146 Karl Friedrich (1679–1746), ab 1733 Herzog (1712–1743), Alias ab 1739 Content 15, 37, 87

Luise Dorothea (1710–1767), ab 1732 Herzogin von Sachsen-Gotha-Altenburg, Alias ab 1739 La Prieure, Supérieure 9–34, 37 f., 59, 61, 66, 83, 88 f., 93 f., 98, 100, 103, 106, 110, 120 f., 126 f., 129, 131, 133, 139–142, 148, 152 f., 155, 157 Sachsen-Weimar-Eisenach Bernhardine Christiane Sophie von SachsenWeimar-Eisenach (1724–1757), ab 1744 Herzogin von Schwarzburg-Rudolstadt 109 Ernst August I. (1688–1748), ab 1728 Herzog 32, 122, 160, 162, 172 Ernst August Konstantin (1737–1758), ab 1755 Herzog 34 Savoyen-Carignan Eugen Franz (1663–1736) 15 f., 24, 31 Schwarzburg-Rudolstadt Johann Friedrich (1721–1767), ab 1744 Fürst 109 Schwarzburg Sondershausen Heinrich XXXV. (1721–1767), seit 1740 Fürst (1689–1758) 146 f. Staufer Friedrich II. (1194–1250), ab 1220 Kaiser des HRR 133 Manfred (1232–1266), ab 1250 Fürst von Tarent, Verweser in Reichsitalien und Sizilien und ab 1258 König von Sizilien 28, 133 Thurn und Taxis Maria Augusta (1706–1756), ab 1733 Herzogin von Württemberg 21, 39 f., 93

182

Württemberg Eberhard Ludwig (1676–1733), ab 1693 Herzog 11, 15, 21, 37, 49 f. Friedrich Eugen (1732–1797) 39, 77 Henriette Marie von Brandenburg-Schwedt, Erbprinzessin (1702–1782) 21, 41 Karl Alexander (Württemberg-Winnental), ab 1733 Herzog von Württemberg (1684– 1737) 11, 39 Karl Eugen (1728–1793), ab 1744 Herzog 21, 31, 39, 51, 77, 98, 129, 145 f., 154 Ludwig Eugen (1731–1795) 39, 77 Luise Friederike (1722–1791), ab 1756 Herzogin von Mecklenburg-Schwerin 15, 39, 114, 130 f., 143 f., 145, 156 f.

Personenverzeichnis

Württemberg-Mömpelgard Leopold Eberhard (1670–1723), ab 1699 Herzog 49 f. Württemberg-Neuenstadt Karl Rudolf (1667–1742), ab 1716 Herzog, von 1737 bis 1738 Administrator des Herzogtums Württemberg 21, 44, 134 Württemberg-Oels Karl Friedrich II. (1690–1761), von 1738 bis 1744 Administrator des Herzogtums Württemberg 21, 39

ABBILDUNGSVERZEICHNIS Abbildungsverzeichnis Abbildungsverzeichnis 1 Christoph Dietrich Freiherr von Keller (unbekannt) de.wikipedia.org/wiki/Christoph_Dietrich_von_Keller#/media/Datei:Christoph_Dietrich_Freiherr_ von_Keller.jpg (Zugriff 22. April 2022)

2 Silhouette der Frau von Buchwald um 1770 Forschungsbibliothek Gotha der Forschungsbibliothek Erfurt, Chart B 1918, Bl. 2 r

3 Frontispiz zu Voltaire Élémens de la philosophie de Newton, Amsterdam 1738 de.wikipedia.org/wiki/Datei:Voltaire_Philosophy_of_Newton_frontispiece.jpg (Zugriff 22. April 2022)

4 Stedten, Partie an der Gera Zeichnung (Tuschfeder, aquarelliert, auf Papier) von Carl oder Aloys Apell, um 1810 vermutlich nach einer Vorlage von Heinrich Dornheim 32.5 x 41.8 cm Angermuseum Erfurt, Grafische Sammlung, Inv. Nr. XI 428/42 Foto: Dirk Urban, Erfurt

5 Regeln und Mitgliederlisten des Ordre des Hermites de bonne Humeur Forschungsbibliothek Gotha der Universität Erfurt, Chart A 1164, Bl. 1

6 Apotheose des Herkules Deckengemälde aus Schloss Stedten, Öl/Leinwand um 1737 vermutlich von Jakob Samuel Beck 430 x 250 cm Angermuseum Erfurt, Inv.-Nr. III, 102