Geschichte der deutsch-lateinischen Wörterbücher von 1750 bis 1850 9783110771770, 9783110771688

This study sheds light on the history of eighteenth- and nineteenth-century German-Latin lexicography, which has receive

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German Pages 402 [404] Year 2022

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Table of contents :
Vorwort
Inhalt
1 Einleitung
2 Das Gesamtkorpus der deutsch-lateinischen Wörterbücher im Überblick
3 Deutsch-lateinische Wörterbücher vor 1750
4 Prolegomena zu den deutsch-lateinischen Wörterbüchern von 1750 bis 1850
5 Untersuchung einzelner deutsch-lateinischer Wörterbücher
6 Untersuchungen zum lateinischen Wortschatz
7 Resümee
Literatur
Register
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Geschichte der deutsch-lateinischen Wörterbücher von 1750 bis 1850
 9783110771770, 9783110771688

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Johannes Isépy Geschichte der deutsch-lateinischen Wörterbücher von 1750 bis 1850

LEXICOGRAPHICA Series Maior

Supplementary Volumes to the International Annual for Lexicography Suppléments à la Revue Internationale de Lexicographie Supplementbände zum Internationalen Jahrbuch für Lexikographie Edited by Rufus Hjalmar Gouws, Ulrich Heid, Thomas Herbst, Anja Lobenstein-Reichmann, Oskar Reichmann, Stefan J. Schierholz and Wolfgang Schweickard

Volume 162

Johannes Isépy

Geschichte der deutsch-lateinischen Wörterbücher von 1750 bis 1850

ISBN 978-3-11-077168-8 e-ISBN (PDF) 978-3-11-077177-0 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-077184-8 ISSN 0175-9264 Library of Congress Control Number: 2022939851 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbiblio­grafie; detaillierte bibliografische Angaben sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2022 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com

| Magistris optimis qui me discupulum in Gymnasio S. Stephani Augustae Vindelicum sito litterarum Graecarum Latinarumque elementis et amore imbuerunt d. d. d.

Vorwort Beliebter Topos in den Vorreden lateinischer Wörterbücher ist es, sich von den Arbeiten früherer Lexikographen abzugrenzen: In der Vergangenheit habe es viel zu viele (mangelhafte) Wörterbücher gegeben; das eigene Werk würde diese bei weitem übertreffen, ja als erstes überhaupt eine gute lexikographische Methode anwenden. Die Art der Distanzierung variiert von Autor zu Autor. Einer jener Lexikographen schreibt: Weil nun zu dergleichen Arbeit [sc. dem Wörterbuchschreiben], auser einiger Arbeitsamkeit, kein sonderlicher Geist oder Gelehrsamkeit erfordert zu werden schiene: so war es kein Wunder, daß die Anzahl der Wörterbücher, jährlich, wie ein fortgewälzter Schneeballe zunahm; also daß schon ein ziemlich gutes Gedächtnis erfordert wird, nur der meisten Wörterbücher Verfasser zu merken. Bernhold 1757, Vorbericht: § 3.

Ob nun der Zitierte die anderen Lexikographen zu Recht zu mittelmäßigen Kompilatoren herabstufte, sei hier anheimgestellt. Ziel der vorliegenden Dissertation ist jedenfalls, das ‚Schneechaos‘ der Wörterbücher gewissermaßen wissenschaftlich zu erschließen. Dem dienen die folgenden Untersuchungen der Geschichte und Programmatik der deutsch-lateinischen Wörterbücher. Ganz im Sinne des Verfassers wäre der Erfolg, den von der Forschung vernachlässigten, freilich keineswegs unbedeutenden Philologen durch eine Geschichte der deutsch-lateinischen Wörterbücher sinnbildlich wieder ein Gesicht zu geben. Das vorliegende Buch entstand als Inaugural-Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Philosophie an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Als erstem möchte ich meinem Erstbetreuer und Doktorvater Prof. em. Dr. Wilfried Stroh (LMU), genannt Valahfridus, den gebührenden Dank zuteil werden lassen. Von ihm stammt die Themenstellung dieses Buches, die mich nach dem Zurücklegen verschiedener anderer Themenvorschläge sogleich ganz in Besitz nahm. Ich hoffe, sein Großmut, mich aetate provectus als Doktoranden anzunehmen, möge ihm nie zur Enttäuschung geraten sein. Stets stand er mir mit Rat und Tat zur Seite, seine Korrekturen und Vorschläge waren leuchtende Wegweiser durch die Labyrinthe der Wörterbücher. Ebenso danke ich meiner Doktormutter Prof. Dr. Claudia Wiener (LMU), die sich bereitfand, die Zweitbetreuung zu übernehmen. Müsste ich zwei der vielen sie auszeichnenden Tugenden hervorheben, so wären es ihr Vertrauen in den Doktoranden und ihre uneingeschränkte Hilfsbereitschaft. Dieser wurde ich nicht nur bei theoretischen Fragestellungen dieser Doktorarbeit teilhaftig, sondern auch bezüglich wichtiger formaler Fragen des Dissertationsverlaufs. Dann danke ich Prof. Dr. Peter O. Müller aus Erlangen. Er hat meine Arbeit von Anfang an mit großer Wertschätzung und manchem Rat begleitet, nicht zuletzt auch

https://doi.org/10.1515/9783110771770-202

VIII | Vorwort

durch die Lektüre einiger Kapitel und Bereitstellen von hilfreicher Literatur. Zudem gilt ihm mein Dank für seine prompte Bereitschaft, als Drittprüfer an der Disputatio teilzunehmen. Außerdem danke ich für die geduldige Lektüre meines Vaters Sándor, meines Bruders Peter, von Claudia Wick, Simone Oelke, Veronika Lütkenhaus, Michael Neidhart und allen, die mir in irgendeiner Form bei der Doktorarbeit geholfen haben. Uwe Postl sei herzlicher Dank gesagt für zahlreiche stilistische Verbesserungen. Nicht zuletzt danke ich meinen Eltern für ihre Unterstützung und vielen Ungenannten für ihr Gebet. Auch den Bibliothekaren des Lesesaals „Altes Buch“ und des 2019 gegründeten Philologicums der Universität München gilt mein Dank. Sie ermöglichten mir, über drei Jahre in Ruhe forschen und schreiben zu können, bis die krisenhaften Zeiten die Schließung erzwangen. Auch danke ich den Verantwortlichen des Verlags De Gruyter für die gute und umstandslos effiziente Betreuung des Publikationsvorgangs. Gewidmet sei diese Arbeit meinen Lehrern am Gymnasium bei St. Stephan in Augsburg, besonders Pater Emmanuel Andres O.S.B., Matthias Ferber und Albert Regenfelder. Ohne ihre Liebe zu den alten Sprachen, die sie durch geduldiges Lehren auch in mir entfachten, wäre sie sicherlich nie geschrieben worden. Diese Dissertation wurde durch ein Stipendium der Hanns-Seidel-Stiftung gefördert. Mein letzter Dank gilt den Verantwortlichen für die ideelle und finanzielle Förderung.

Augsburg, im September 2022.

Inhalt Vorwort|VII 1 1.1 1.2 1.3 1.4

Einleitung|1 Die Zeit von 1750 bis 1850|4 Auswahl der Wörterbücher und Methode ihrer Untersuchung|10 Überblick zur bisherigen Forschung|17 Formalia|19

2

Das Gesamtkorpus der deutsch-lateinischen Wörterbücher im Überblick|21

3 3.1 3.2

Deutsch-lateinische Wörterbücher vor 1750|30 Von den Anfängen bis zu den humanistischen Wörterbüchern|30 Deutsch-lateinische Wörterbücher als Wörterbücher der deutschen Sprache|37

4

Prolegomena zu den deutsch-lateinischen Wörterbüchern von 1750 bis 1850|53 Die Vorreden und die Neuartigkeit der deutschen Wörterbuchsprache|55 Die Notwendigkeit des Lateinschreibens|63 Stimmen wider den unmäßigen Gebrauch der Wörterbücher|81 Die vorherrschenden Lateinübungen in den Gymnasien um 1800|82 Die Stimmen der Philologen zum Gebrauch der Wörterbücher|87 Konfessionalität und Stand der Lexikographen|96 Fazit|112

4.1 4.2 4.3 4.3.1 4.3.2 4.4 4.5 5 5.1 5.2 5.2.1 5.2.2 5.2.3 5.2.4 5.2.5 5.3 5.3.1 5.3.2

Untersuchung einzelner deutsch-lateinischer Wörterbücher|115 Füllhorn und Klassiker – Adam Friedrich Kirschs Cornucopiae|116 Hohe jesuitische Lexikographie – Der Paedagogus Latinus von Jakob Bayer|126 Bayer als Paedagogus Latinus et Graecus Germanae iuventutis|127 Aufbau, Frontispiz und Titelblatt|129 Die Vorreden|134 Die beiden letzten Auflagen|139 Die Bearbeitung durch Joseph Uihlein|140 Der Purismus bei Johann Georg Samuel Bernhold|142 Schwerpunktsetzungen und Theorie im Vorbericht|142 Purismus im Wortschatz|147

X | Inhalt

5.4 5.4.1 5.4.2 5.4.3 5.4.4 5.5 5.6 5.6.1 5.6.2 5.7 5.8 5.9 5.10 5.10.1 5.10.2 5.10.3 5.10.4 5.10.5 5.10.6

„Die vergessene Zentralgestalt“ – Immanuel Johann Gerhard Scheller|153 Schellers lateinisch-deutsche Lexikographie|157 Sprachreinheit versus Eindeutigkeit – Schellers ‚Großes‘ Wörterbuch|159 ‚Der Scheller‘ – Das Handlexicon|170 Franz Xaver Schönbergers ‚Österreichischer Scheller‘ – Ein unvollendetes Werk|174 Ein weiterer Klassiker aus der Leipziger Schule – Carl Ludwig Bauer|188 Kürze und Latinität in Ernst Friedrich Wüstemanns Handwörterbuch|199 Lexikographische Kürze und Vollständigkeit|201 Reine Latinität|207 Ein wahres Zeitbedürfnis – Friedrich Karl Krafts Deutsch-lateinisches Lexikon|211 Die Frage der Klassizität bei Wüstemann und Kraft|220 Georg Heinrich Lünemanns unvollendetes Werk|228 Sonstige Wörterbücher|234 Europa Latina von Johann Christoph Bremer|234 Zwei preiswerte Wörterbücher für arme Schüler (Schmerler und Haas)|236 Kleines deutsch-lateinisches Wörterbuch für Anfänger in der lateinischen Sprache|239 Ernst Friedrich Kärchers Wörterbücher|240 Albin Heinrichs Ergänzungsband zu Schellers etymologischem Wörterbuch|241 Felix Sebastian Feldbauschs Kleines deutsch-lateinisches Wörterbuch|243

6 6.1 6.2 6.3 6.3.1 6.3.2 6.3.3 6.3.4

Untersuchungen zum lateinischen Wortschatz|245 Die lateinischen Quellen der Lexikographen|245 Vollständigkeit im deutschen Wortschatz|249 Exemplarische Untersuchung einzelner Fachbereiche|254 Geistesgeschichtliche Modewörter|254 Kirchlich-theologische Begriffe|271 Technik und Erfindungen|295 Musik|317

7

Resümee|338

Inhalt | XI

Literatur|345 Abkürzungen|345 Korpus der deutsch-lateinischen Wörterbücher von 1750–1850|346 Weitere verwendete Wörterbücher|364 Sonstige Literatur|370 Register|385 Register der Lexikographen und Altphilologen|385 Register der Lemmata aus deutsch-lateinischen Wörterbüchern|388

1 Einleitung Noch im Jahr 1741 hat Johann Leonhard Frisch (1666–1743) in seinem Teutsch-lateinischen Wörter-Buch „[u]m der gelehrten Ausländer willen […] offt das Latein hinzugethan“.1 Latein war hier also weniger Ziel- als Brückensprache, die zur Verständigung diente. Dies zeigt einerseits, welch integrative Kraft das Lateinische in dieser Zeit zumindest für die Gelehrtenwelt besaß, andererseits aber auch die zunehmende Wichtigkeit der Nationalsprache. Denn Frischs Blick galt vor allem der Erforschung der deutschen Sprache und weniger der Weiterentwicklung der lateinischen Lexikographie. Bis ins 18. Jahrhundert hinein mögen deutsch-lateinische Wörterbücher also für „gelehrte Ausländer“ auch der Erlernung des Deutschen gedient haben. Doch gleichzeitig mit dem Niedergang des Lateinischen als abendländischer Gelehrtensprache im 18. Jahrhundert geht dieser Aspekt der Brückensprache Latein zunehmend verloren. In der Regel, und in der Zeit nach Frisch bis heute fast ausschließlich, wird es andersherum sein: Ein deutsch-lateinisches Wörterbuch benutzt, wer einen lateinischen Text oder eine lateinische Rede abzufassen sucht. Das Thema dieses Buches impliziert also die aktive Verwendung des Lateinischen. In der Gegenwart ist kaum mehr ein kausaler Zusammenhang zwischen aktiver Verwendung der ‚toten‘ Sprache und einem praktischen Berufszweig erkennbar. Die vorliegende Arbeit möchte dazu beitragen, die unter allen Sprachen wohl einzigartige Rolle, Pflege und auch den Niedergang des Lateinischen in der Neuzeit, besonders im 18. und 19. Jahrhundert, genauer zu verstehen. Dies geschieht aus der Perspektive der deutsch-lateinischen Lexikographie unter besonderer Berücksichtigung des lateinischen Wortschatzes. Tiefe erhält die Erforschung dieses Gebietes freilich erst, wenn man sich den einmaligen Kulturbruch vor Augen hält, den die europäische Gesellschaft mit der Abwendung vom Lateinischen hin zu den Nationalsprachen seit dem 16. bis zum 19. Jahrhundert vollzogen hat. Zusammen mit der Sprache ging auch eine Kulturtradition verloren. Erstmals werden im 18. Jahrhundert mehr wissenschaftliche Bücher auf Deutsch gedruckt als auf Latein.2 Französisch ist die neue lingua franca der Diplomatie. Das Deutsche wird – gerade auch durch deutsch-lateinische Wörterbücher etwa von Christoph Ernst Steinbach (1698–1741) oder Johann Leonhard Frisch – immer genauer erforscht und kodifiziert. Latein hingegen verliert in diesem Prozess zunehmend an Boden, wird gezwungenermaßen auf die Schule beschränkt und verliert allmählich seine Rolle als Wissenschaftssprache. Im 19. Jahrhundert wird Latein im Zeichen des Neuhumanismus hauptsächlich noch an den Gymnasien in Wort und

|| 1 Frisch 1741: 2r. 2 Vgl. Stroh 2007: 237–244, v.a. 238–239. https://doi.org/10.1515/9783110771770-001

2 | Einleitung

Schrift genutzt. Heute gilt Latein zwar weiterhin als wichtige Bildungssprache – in der akademischen Welt ist es in vielen Fällen nach wie vor in Form des Latinums für die Qualifikation nötig –, doch nur kleine Kreise pflegen es noch aktiv. Die vorliegende Untersuchung geht unter anderem der Frage nach, welche Spuren des Kulturbruchs im 18. Jahrhundert sich in zeitgenössischen deutsch-lateinischen Wörterbüchern finden lassen. In jüngster Zeit lässt sich jedoch auch eine andere Entwicklung nicht übersehen: Auch wenn sich das Lateinische von seiner Degradierung im 18. Jahrhundert bis heute nicht erholt hat, kann man für die vergangenen Jahre immerhin eine kleine Renaissance des gesprochenen und geschriebenen Lateins konstatieren. Zeitschriften wie Latinitas, Melissa oder Vox Latina veröffentlichen regelmäßig zeitgenössische neulateinische Literatur, darunter Gedichte. Literarische Werke werden ins Lateinische übertragen, Vorlesungen, Konferenzen, Radiosendungen auf Latein moderiert. Ja sogar Kurse und Institute mit lateinsprachlicher Ausrichtung gibt es. All dies bezeugt: Die Möglichkeit einer solchen Renaissance besteht zweifellos, in engen Grenzen freilich, und es gibt Interesse und Bedarf.3 Doch hierbei stellt sich ein lexikographisches Problem, das unmittelbar das Thema dieses Buches berührt: Moderne Begriffe, die den Römern nicht bekannt sein konnten, müssen in einer Sprache ausgedrückt werden, die ‚tot‘ ist – ‚tot‘ insofern, als die Entwicklung der lateinischen Sprache als Ganzes bereits in der Antike abgeschlossen war.4 Die Frage nach der Wortschatzentwicklung stellte sich – aus dem Zeugnis antiker Schriftsteller ersichtlich5 – schon von Anfang an. Heute wird sie vor allem von einem sich schnell wandelnden technischen Wortschatz der europäischen Sprachen geprägt, der immer stärker durch das Englische geprägt wird. Vorausgesetzt, man räumt diesem Anliegen überhaupt hinreichende Legitimität ein, wie soll etwa Fasten your seatbelt! auf Latein ausgedrückt werden? Wie Autokorso, Brainstorming, Fußballweltmeisterschaft, Nachhaltigkeit, Postmoderne, Währungsgemeinschaft, -reform, Wertepluralismus, Wutbürger usw.? Dazu wird man mitunter in neueren Wörterbüchern fündig, die auf modernem deutschen Wortschatz basieren. Als Beispiel seien hier das thematisch geordnete Visuelle Wörterbuch (2010) von Robert Maier genannt, das Lexicon recentis latinitatis (1998) des Vatikanprälaten Carolus Egger oder das Lexicon vocabulorum quae difficilius Latine redduntur (1963) von Kardinal Antonio Bacci. Ein „ausführliches“ und „möglichst vollständiges“6 deutsch-lateinisches Wörterbuch jedoch, das sowohl vom || 3 Vgl. als Ausgangspunkt Stroh 2001; Leonhardt 2009. 4 S. „Mors immortalis – Latein wird durch seinen Tod unsterblich“. In: Stroh 2007: 103–120. 5 Cic. de orat. 3,211; Hor. ars 58–59. 6 So der Titel des Deutsch-Latein-Wörterbuchs von Immanuel Johann Gerhard Scheller (Leipzig 3 1805), dessen Ankündigung im Titel keine leeren Worte sind. Das Lexikon umfasst zwei Bände mit insgesamt 3744 Spalten.

Einleitung | 3

heute tatsächlich gebrauchten deutschen Wortschatz ausgeht, wie man ihn etwa im Duden findet, als auch gut fundierte, das klassische Latein in angemessener Weise berücksichtigende Interpretamente liefert, ist nach wie vor ein Desiderat. Für die sprachliche Bewältigung eines solchen Vorhabens gilt grundsätzlich: [Latein] ermöglicht es, wie global über die Räume, so diachron über die Zeiten hinweg zu kommunizieren. Je deutlicher dies gefühlt wird, um so stärker muss auch der sprachlich-stilistische Anspruch sein. Stroh 2001: 93

Dies als Maßstab genommen, kann das Ausführliche deutsch-lateinische Handwörterbuch von Karl Ernst Georges in der siebten Auflage von 1882 als wichtigstes, unverzichtbares deutsch-lateinisches Referenzwerk betrachtet werden, ebenso sein kleineres Pendant mit dem Titel Kleines deutsch-lateinisches Handwörterbuch in der siebten Auflage von 1910 (ed. Heinrich Georges) oder nun auch der sogenannte „Neue Georges“ (2017). Letzterer möchte jedoch „lediglich eine Modernisierung des bewährten Vorhandenen“ bieten, wie es im Vorwort heißt. Konkret bedeutet dies eine Ablösung der Frakturschrift durch eine Antiquaschrift, Streichungen veralteter Stichwörter und Ergänzungen vereinzelter Lemmata. Die Rezensionen legen nahe, dass man sich hier leider nicht an die Substanz gewagt hat.7 Der modernisierte Nachdruck macht den gegenwärtigen Mangel an einem zeitgemäßen und guten deutsch-lateinischen Wörterbuch nur noch fühlbarer. Betrachtet man die Geschichte der Wörterbücher so kann die deutschsprachige Wissenschaft auf eine bemerkenswerte Tradition zurückblicken. Fast zweihundert deutsch-lateinische Wörterbücher sind nach jetzigem Erfassungsstand seit ca. 1400 im deutschsprachigen Raum entstanden (s. Kap. 2). Und heute fehlt nicht nur ein umfassendes deutsch-lateinisches Wörterbuch, sondern auch eine wissenschaftliche Untersuchung der Entwicklung deutsch-lateinischer Lexikographie. Vereinzelt wurden Wörterbücher, vor allem aus germanistischer Perspektive, beschrieben (s. Kap. 1.3), doch eine Überblicksarbeit fehlt bis heute. In Abhandlungen zur Geschichte der klassischen Philologie steht die lateinische Lexikographie nicht im Mittelpunkt, geschweige denn die deutsch-lateinische. Nur einzelne Philologen, die sich auch dieser Art der Lexikographie gewidmet haben, finden darin hier und da eine kurze Erwähnung.8 Dabei ist die Beschäftigung mit dieser Thematik entgegen dem Vorurteil weit entfernt von lebloser Tätigkeit und Monotonie. Zumindest will die vorliegende Arbeit,

|| 7 Vgl. Weitz 2018b und 2018c. Ähnlich deutlich schon die Rezensionen zum lateinisch-deutschen „Neuen Georges“ (2013). 8 So etwa Immanuel Johann Gerhard Scheller (1735–1803) und Christian Gottlieb Broeder (1745– 1819) in Bursian 1883: 507–509; nur Scheller und Karl Ernst Georges (1806–1895) in Kuhlmann/Schneider 2012.

4 | Einleitung

lateinische Sprach-, Lexikographie- und Kultur- und Erziehungsgeschichte zueinander in Beziehung setzen und dadurch einen Beitrag zum Verständnis der oben skizzierten Entwicklung des Lateinischen leisten. Im Sinne des Autors wäre es, wenn dadurch ein Baustein gelegt werden könnte für das Verfassen eines aktuellen deutsch-lateinischen Wörterbuchs. Denn ein solches wird sich in vielem auch auf die Wörterbuchtradition der vergangenen Zeiten stützen, die es hier zu erforschen gilt. Darin läge ein unmittelbarer praktischer Nutzen dieser Untersuchungen. In diesem Einleitungskapitel soll nun beleuchtet werden, warum gerade der Zeitraum von 1750 bis 1850 für die Erforschung der deutsch-lateinischen Wörterbücher ertragreich sein kann und mit welchen Thesen und Ausgangsfragen (Kap. 1.1) und mit welchen Methoden (Kap. 1.2) diese im vorliegenden Buch umgesetzt wurde.

1.1 Die Zeit von 1750 bis 1850 Auf diese relativ fest umrissene Epoche beschränken wir uns nicht nur deshalb, weil eine Gesamtuntersuchung aufgrund der großen Zahl allein an deutsch-lateinischen Wörterbüchern (samt Nachdrucken, Neuausgaben, Bearbeitungen usw.), die seit dem späten Mittelalter erschienen sind, den Rahmen einer Dissertation überschritten hätte. Vielmehr ist diese Zeit aus mehreren Gründen besonders bedeutsam für das Verständnis der deutsch-lateinischen Lexikographie. Einerseits handelt es sich nämlich um deren Blütezeit schlechthin. Gleichzeitig ist dies aber auch die Zeit des Verfalls des lebendigen Lateins. Aus diesem Paradox ergibt sich eine für die Forschung fruchtbare Spannung: Wie hat man sich eine solche gegenläufige Entwicklung vorzustellen? Zudem lässt sich auch der heutige, oben angedeutete lexikographische Status quo nur aus dieser Zeit heraus verstehen, die zudem rückwärtiger Brückenkopf zur Generation der Wörterbücher vor 1750 ist. Für den Zeitraum von 1750 bis 1850 also lässt sich paradoxerweise feststellen, dass sehr viele deutsch-lateinische Wörterbücher (etwa 40) erschienen, obwohl mit dem Aufblühen des Französischen und der Landessprachen Latein immer mehr an Bedeutung verlor.9 Mehrheitlich dienten die Wörterbücher dem aktiven Gebrauch der lateinischen Sprache, die aber in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts allmählich als Wissenschafts- und Umgangssprache abgelöst wurde. Zudem erschien nur noch ein kleiner Teil der wissenschaftlichen Literatur auf Latein.10 Und dennoch gab es eine große Konkurrenz unter den Lexikographen (vor allem um 1820), die den Antrieb zu immer besseren und wissenschaftlicheren Lexika gab.

|| 9 Zu den Gründen für den Niedergang des Lateinischen s. Stroh 2007: 234–248; Leonhardt 2009: 231– 244; Korenjak 2016: 90. 10 Vgl. Pörksen 1983.

Die Zeit von 1750 bis 1850 | 5

Hier sollen nun in Kürze gewisse Zeitumstände betrachtet werden, die als Prämissen für die Entwicklung eines solchen Paradoxes verantwortlich sein könnten. Weitere Antworten dürfen wir aus dem Studium der Wörterbücher erwarten. Zunächst fällt die Zeit, die als Blütephase deutsch-lateinischer Lexikographie bezeichnet werden kann, mit der Blüte deutscher Literatur und vor allem der deutschen, durch den aufklärerischen Rationalismus beeinflussten Klassischen Philologie zusammen.11 Es ist die Zeit eines Lessing, Goethe und Schiller. Als markanter Punkt für die Philologie sei ihre Emanzipierung von der Theologie und die Etablierung der Alterthumswissenschaft durch Friedrich August Wolf (1759–1824) genannt. Fachlich gesehen wichtig waren aber zum Beispiel auch die textkritischen Bestrebungen Karl Lachmanns (1793–1851), die systematische Durchdringung von Metrik und Syntax der alten Sprachen und die fortwährende Verbesserung der Kommentare der Klassiker (zu diesen weiter unten mehr). Am Ende dieser im Nachgang als Vorarbeiten empfundenen Tätigkeiten stehen dann schon eher im ausgehenden 19. Jahrhundert die wissenschaftlichen Großunternehmungen der Klassischen Alterthumswissenschaft (RE, CIL, PIR, ThLL).12 Wichtig ist sodann festzuhalten, dass der Niedergang des aktiven Lateins nicht mit dem Jahr 1750 begonnen hat. Vielmehr handelt es sich dabei um einen über dreihundert Jahre dauernden Prozess.13 Dieser führte zwar schließlich als „Endergebnis“ zu einer „Marginalisierung der neulateinischen Literatur“, doch war die Entwicklung dorthin „weder homogen noch linear und erweckt nur im Nachhinein den Eindruck des Zwangsläufigen“.14 Martin Korenjak (2016: 91) beschreibt diesen Prozess des Niedergangs wie folgt: [Sie] verlief in der ersten Hälfte des [18.] Jahrhunderts relativ gemächlich, beschleunigte sich in seinem Laufe und erreichte in den Jahrzehnten um 1800 ihren Höhepunkt.

Als mutmaßlichen „Beginn dieser Achsenzeit“ nennt er die Aufhebung des Jesuitenordens im Jahre 1773, der unter anderem zum Zusammenbruch des weltweiten Schulsystems der Jesuiten führte.

|| 11 Vgl. Muhlack 1985: 116–117 und Landfester 2006: 17–20. 12 Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE, 1893–1978; basierend auf dem sog. Ur-Pauly, der Real-Encyclopädie der classischen Alterthumswissenschaft, 1837–1864; heute: Der Neue Pauly, seit 1996); Corpus Inscriptionum Latinarum (CIL, seit 1853); Prosopographia Imperii Romani (PIR, 1897/1898; PIR2, 1915–2015 mit Unterbrechungen); Thesaurus Linguae Latinae (ThLL, offiziell seit 1893). Abgesehen von der RE erschienen und erscheinen diese Werke ganz auf Latein. Das Lateinische erhält in der Philologie – nach der hellenophilen Zeit – im 19. Jahrhundert allmählich überhaupt wieder mehr Bedeutung (vgl. Pfeiffer 1982: 232). Zur zunehmenden Verwissenschaftlichung im 18. und 19. Jahrhundert s. Baumbach 2002: 116. 13 S. Pörksen 1983. 14 Korenjak 2016: 19.

6 | Einleitung

Die lateinische Sprache wurde für wissenschaftliche Zwecke seit etwa 1750 zwar insgesamt tatsächlich immer weniger verwendet. Für einzelne Fächer gelten aber unterschiedliche Gepflogenheiten: Gegenüber den Naturwissenschaften und der Rechtskunde hat man im historischen und philosophischen Bereich bereits früher verstärkt landessprachliche Werke veröffentlicht.15 Besonders zäh hielten im 18. Jahrhundert dagegen die Juristen mit einem gewissen Standesselbstbewusstsein an der lateinischen Rechtssprache fest.16 Was die Publikation von naturwissenschaftlichen und medizinischen Werken angeht, so ergibt sich nach einer Auswertung des „Wolfenbütteler Verzeichnisses medizinischer und naturwissenschaftlicher Drucke. 1472–1831“ durch Uwe Pörksen (1983: 215–216) folgendes Bild: Bis 1580 halten sich deutsche und lateinische Veröffentlichungen die Waage. Danach dominiert für etwa hundert Jahre deutlich das Lateinische, Ende des 17. Jahrhunderts kann sich das Deutsche kurz emporschwingen. Hier gilt: „Leibniz und Thomasius trafen mit ihrer Forderung, ins Deutsche überzugehen, um 1680 den Trend auf dem Buchmarkt.“17

Abb. 1: Lateinische und deutsche Titel medizinischer und naturwissenschaftlicher Drucke 1500– 1800 in der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Graphik von Christoph Martin aus Pörksen 1983: 215, mit freundlicher Erlaubnis von Uwe Pörksen.

Doch zwischen 1700 und 1770 sind nach dieser Statistik überraschenderweise wieder lateinische Publikationen in der Überzahl, worauf schließlich eine Explosion der Zahl deutscher Bücher folgt, während das Lateinische immer mehr abnimmt (vgl. die Ergebnisse aus der Auswertung der Titel- und Vorredensprache der deutsch-lateinischen Wörterbücher in Kap. 4.1). Daraus leitet Pörksen ab, dass sich Latein in

|| 15 So Leonhardt 2009: 242. 16 Vgl. von Polenz 2013: 56ff. 17 Pörksen 1983: 216.

Die Zeit von 1750 bis 1850 | 7

medizinischen Veröffentlichungen aufgrund fachsprachlichen Konservatismus lange Zeit neben dem Deutschen halten und mit ihm konkurrieren konnte. Erst für das späte 18. Jahrhundert (hier 1770) ist der proportional verlaufende Niedergang des Lateinischen bzw. Aufstieg des Deutschen auch in dieser Statistik greifbar. Betrachtet man allerdings den gesamten Büchermarkt anhand der einschlägigen Bibliotheks- und Messkataloge, so erschienen noch bis in die 1680er Jahre mehr Bücher auf Latein als auf Deutsch.18 Zwischen 1700 und 1800 aber „ging der Anteil der lateinischen Bücher, die in Frankfurt und Leipzig gehandelt wurden, [...] von etwa 30 auf 4 Prozent zurück“.19 Die Veröffentlichung großer naturwissenschaftlicher Werke auf Latein, wie Carl von Linnés (1707–1778) Systema naturae (1735), wird im 19. Jahrhundert seltener, auch wenn es letzte ‚Ausläufer‘ von Bedeutung gibt, zum Beispiel der auf Latein publizierende Carl Friedrich Gauß (1777–1855) Anfang des 19. Jahrhunderts.20 Dennoch blieb das Latein im Bildungsbereich nach wie vor präsent: Manches Buch wurde teilweise sogar eigens ins Lateinische übersetzt, um das europäische Publikum zu erreichen, zum Beispiel Hobbes „Leviathan“21 (lat. 1668) und Kants „Kritik der reinen Vernunft“ (Critica rationis purae, lat. 1796)22. Seine Dissertation für die Professur hatte Immanuel Kant (1724–1804), wie es in dieser Zeit noch üblich war, anno 1770 auf Latein verfasst. Der Originaltitel lautet De mundi sensibilis atque intelligibilis forma et principiis („Von der Form der Sinnen- und Verstandeswelt und ihren Gründen“), sie gilt als die Vorläuferin der „Kritik der reinen Vernunft“. Man darf voraussetzen, dass für die Komposition lateinischer Werke oder für Übersetzungen auch deutsch-lateinische Wörterbücher konsultiert wurden. Unabdingbarer Faktor für die Produktivität der Lexikographen ist jedoch sicherlich der Schulbetrieb (s. Kap. 4.2 und 4.3.1) – vor allem der protestantische (s. Kap. 4.4) –, in dem nach wie vor das Lateinische im Mittelpunkt steht. Zu verdanken ist dies dem neuhumanistischen Interesse am klassischen Altertum im 19. Jahrhundert und den Vorläufern im 18. Jahrhundert, wie Johann Matthias Gesner (1691–1761) und Johann August Ernesti (1707–1781).23 An Gymnasien wird die Ausbildung der aktiven Sprachbeherrschung des Lateinischen (im Gegensatz zu lateinfeindlichen

|| 18 Vgl. Korenjak 2016: 21. 19 Ders. 91. 20 S. Stroh 2007: 237–244; 252. 21 Leviathan, sive De materia, forma, & potestate civitatis ecclesiasticæ et civilis, Authore Thoma Hobbes Malmesburiensi. Amsterdam: Joan Blaeu, 1668; vgl. Korenjak 2016: 85. 22 Immanuelis Kantii Opera ad philosophiam criticam. Volumen primum, cui inest Critica rationis purae, Latine vertit Fredericus Gottlob Born. Leipzig: Schwickert, 1796; vgl. Stroh 2007: 242; Korenjak 2016: 95. 23 Zu den Umständen dieser angesichts des allgemeinen Bedeutungsverlustes des Lateinischen und der Vorliebe für das Griechische im Neuhumanismus überraschenden Tatsache s. Stroh 2007: 249– 270.

8 | Einleitung

Einstellungen der Gesellschaft) unverdrossen und im Zeichen des Neuhumanismus sogar verstärkt fortgesetzt. Jedenfalls waren für die lateinischen Aufsätze, die fleißig gehaltenen Schulreden24 und die alltäglichen Stilübungen gute deutsch-lateinische Nachschlagewerke unerlässlich (vgl. Kap. 4.2 und 4.3). Etliche bekannte Schulmänner in herausragenden Stellungen waren daher auch lexikographisch tätig, wie etwa Immanuel Johann Gerhard Scheller (1735–1803), Rektor am Gymnasium in Brieg (Schlesien), oder Friedrich Karl Kraft (1786–1866), Rektor am Johanneum in Hamburg. Für das 18. Jahrhundert, in dem das Lateinische immer stärker seine angestammte Rolle als akademische und diplomatische Gebrauchssprache verlor, ist schließlich eine sprachliche Entwicklung zu berücksichtigen, die die wichtigste Frage dieses Buches berührt. Paradoxerweise blühte nämlich ausgerechnet im 18. Jahrhundert eine Antibarbarus-Literatur auf, die ein möglichst reines, auch idiomatisch perfektes Latein forderte.25 Korenjak 2016: 90

Man hat dies sogar als Mitgrund dafür angeführt, dass das Lateinische immer weniger verwendet wurde: Bevor man das Risiko auf sich nahm, sich durch stilistisch unsauberes Latein zum Gespött zu machen, hörte man lieber ganz auf, es zu gebrauchen. Korenjak 2016: 9026

Martin Korenjak verweist an dieser Stelle aber auch auf Kirsch 1714, der in seinem oft aufgelegten Cornucopiae „keine klassizistischen Bedenken“ kannte, sondern alles aufgenommen habe, „was dem Benutzer in irgendeiner Lebenslage dienlich sein konnte“.27 Doch wie verhält es sich mit den anderen Wörterbüchern im 18. und im 19. Jahrhundert? Folgen sie der puristischen Tendenz des Zeitgeistes und der Antibarbari? Wie weit reicht der Rückgriff auf „idiomatisch perfektes Latein“, das heißt auf die Sprache der sogenannten Klassiker (s. dazu Kap. 5.8), vor allem auf Cicero? Und vor allem, wie drücken sie Begriffe aus, die die Römer noch nicht kannten, etwa die revolutionären Neuerfindungen der Dampfmaschine oder Eisenbahn (s. Kap. 6.3.3)? Mit Klassizismus werden für unsere Zwecke jene Bestrebungen gewisser Zeiten beschrieben, in denen die Latinisten die sprachliche Musterhaftigkeit (Klassizität) alleine oder hauptsächlich bei den sogenannten Klassikern der lateinischen Literatur, vor allem bei Cicero, in verstärkter Weise verankerten (s. dazu Kap. 5.8 und 6.3.2.1).

|| 24 S. Paulsen 1919: 600–602 (insb. Fußnote 1). 25 Zur Unterscheidung von verschiedenen „Sprachsituationen“ (Schule, Wissenschaft, einzelne Fachsprachen, lingua franca) s. Leonhardt 2009: 239–242. 26 Mit Berufung auf Leonhardt 2009: 231–244 und 2010: 247–258. 27 Korenjak 2016: 90.

Die Zeit von 1750 bis 1850 | 9

Der Begriff klassisch wurde bis ins 19. Jahrhundert hinein in dem Sinne gebraucht, dass diese Autoren stilistisch vollkommen und daher im Stile nachahmenswert seien.28 Dazu gehörte es auch, dass Philologen, die einer sprachpuristischen Ausrichtung anhingen, in diesen Zeiten bestrebt waren, die lateinische Sprache von unklassischen oder sogar unlateinischen Wörtern und Verbindungen zu reinigen (Purismus) und so die hohe Latinität der (häufig als „besten“ bezeichneten) Autoren der klassischen Zeit, aber auch der neueren Stilisten, sofern sie sich selbst an den Klassikern orientierten, wieder hervorzuheben. Am Gymnasium wurde dieser klassizistische Anspruch jedenfalls kultiviert, vor allem in Form des lateinischen Schulaufsatzes. Noch bis 1892 war dieser in Preußen obligatorisch (s. Kap. 4.3.1.). Der Erwerb aktiver Sprachkompetenz und die imitatio diente allerdings vorwiegend und fortschreitend der formalen Bildung (s. dazu Kap. 4.2) „als eine Art Kunstübung [...], die, wie man glaubte, vor allem der künstlerischen Ausformung der deutschen Sprache zu gute kommen könne“.29 Bereits für die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts konstatiert Friedrich Paulsen eine Diskrepanz zwischen der schulischen Pflege der lateinsprachigen imitatio und dem Zeitgeist der außerschulischen Welt.30 Der Vorrang eines puristischen, an Cicero orientierten Sprachstandards galt im Übrigen nicht nur für die Komposition eigener lateinischer Texte, sondern auch für die Auswahl der Lektüre, deren Autorenkreis fast nur noch die klassisch-heidnischen Autoren umfasste. Die christlichen, spät- und neulateinischen Autoren waren indes geradezu verpönt.31 Autoren wie Terenz, Vergil, Horaz, Sallust, Livius und vor allem Cicero wurden ja schon immer gelesen. Während naturwissenschaftliche Texte, die lange Zeit (wie etwa Celsus für die Medizin) auch Träger sachlichen Wissens waren, nicht länger um ihres Inhalts gelesen werden mussten, behielten die klassischen Autoren ihren Wert. Zugleich konnte der zeitgeistigen Hellenophilie durch die Orientierung an den Klassikern auch etwas von der neuentdeckten Schönheit des Lateinischen – sei es beim Lesen, sei es beim Schreiben – entgegengesetzt werden. Inwieweit nun der Klassizismus in den Wörterbüchern zwischen 1750 und 1850 aufscheint und gleichzeitig das alte, unklassiche Gebrauchslatein lexikographisch verdrängt wird, ist die wichtigste Ausgangsfrage der vorliegenden Untersuchung. Dieser Frage liegt folgende Prämisse zugrunde: Je stärker das Lateinische in der Gesellschaft (etwa in der Verwaltung oder in der akademischen Welt) noch gebraucht wurde, desto leichter konnte man um der Verständlichkeit willen vom klassischen Sprachgebrauch abweichen; je weniger präsent das Lateinische aber wurde, desto

|| 28 Zum Begriff s. van Bommel 2015: 28, Anm. 33. 29 Landfester 1988: 95. Zu den Widerständen gegen die philologisch ausgerichtete Sprach- und Schulbildung und den Umfang des Lateinunterrichts im Neuhumanismus s. ders., 68–72. 30 Paulsen 1919: 602–607. 31 S. dazu Fuhrmann 1995.

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freier konnten die Latinisten die klassischen Sprachnormen durchsetzen und so die Sprache auch von Unklassischem lexikographisch reinigen. Daraus ergab sich am Anfang der Wörterbuchanalyse folgende Arbeitshypothese: Vorausgesetzt, dass die genannte Prämisse richtig sei, müsste der Klassizismus, da doch das Lateinische im 18. Jahrhundert seine Rolle als Allgemeinsprache verlor, nun auch in den deutsch-lateinischen Wörterbüchern immer stärker Berücksichtigung finden. Diese Arbeitshypothese konnte jedoch bereits durch die ersten Vergleiche differenziert und präzisiert werden. Die Ergebnisse werden in dieser Studie vorgestellt. Diese soll einen Beitrag zum Verstehen des Umbruchs leisten, der mit dem Verlust des Lateinischen als Allgemeinsprache einhergegangen ist.

1.2 Auswahl der Wörterbücher und Methode ihrer Untersuchung Konkret ließ sich die Frage nach der neuen Ausrichtung auf das klassische Latein durch den Vergleich der deutsch-lateinischen Wörterbücher dieses Zeitraums von 1750 bis 1850 beantworten. Naheliegend erschien die Annahme, dass der Klassizismus in den einzelnen Lemmata der Wörterbücher auffindbar sein, ja sogar dominant zu Tage treten müsse. Zudem sind die Vorreden der geeignete Ort, um auf die eigene Programmatik hinzuweisen. Zur Beantwortung der genannten Frage bedurfte es deshalb zum einen der Betrachtung des Äußeren der Wörterbücher, das heißt der programmatischen Titelseiten und Vorreden wie auch von Person und Umfeld des Lexikographen. Vor allem aber musste der deutsch-lateinische Wortschatzteil untersucht werden. Dementsprechend basiert die Arbeit auf metalexikographischen und lexikologischen Untersuchungen ausgesuchter deutsch-lateinischer Wörterbücher des 18. und 19. Jahrhunderts. Die metalexikographischen Untersuchungen umfassen zum einen Entstehungs- und Wirkungsgeschichte der Wörterbücher, erhellen deren bildungsgeschichtlichen Hintergrund und befassen sich zudem mit Vor- und Nachspann, Autor, Adressat und Intention, makrostruktureller Wortschatzgliederung und Artikelstruktur. Die Lexikologie hingegen behandelt mit linguistischen Mitteln den Wortschatz und die Mikrostruktur von Wörterbüchern auf der Ebene der Wortartikel. Die Kombination von metalexikographischer und lexikologischer Analysen ist für die Ausgangsfrage nach dem Gebrauch des Lateinischen besonders fruchtbar, da die Übersetzung der einzelnen Lemmata vor dem Hintergrund der Zeitumstände des Lexikographen gesehen werden müssen. So ist es etwa wichtig, sich bei der Betrachtung des Wortschatzes immer auch die gesellschaftlichen Entwicklungen, den neuhumanistischen Lateinunterricht, den Stand des Lateinischen an Schule und Universität und in der Gesellschaft vor Augen zu halten (s. Kap. 4). Die Übersetzung einzelner Lemmata ins Lateinische und ihr Vergleich zwischen den Wörterbüchern ist Schwerpunkt des Kapitels 6.

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Wenn man nun gewissermaßen von außen nach innen zum Wesen des Wörterbuchs vordringen möchte, stehen anfangs Fragen formaler Art, wie etwa Umfang und Aufbau oder die ‚Verkehrssprache‘ des Wörterbuchs im Vordergrund. Lateinische oder seit Schellers Zeiten vermehrt deutsche Vorworte wie auch die Untertitel geben oft über Absichten, Vorgehensweise und Programmatik des Lexikographen Auskunft. Wörterbuchsprache und Vorreden werden in den Kapiteln zu einzelnen Wörterbüchern (Kap. 5) bzw. in allgemeiner Weise im Prolegomena-Kapitel (Kap. 4) untersucht. Dazu kommen in Kapitel 5 Lebensbilder der Lexikographen, wobei auch zeitgenössische Rezensionen und Viten berücksichtigt wurden. Auch stellt sich die Frage nach Zweck und Funktion des Wörterbuchs,32 dem Adressaten, der Benutzersituation und den Problemen, die für Benutzer entstehen können. Hat der Autor seine Lateinschüler oder die gebildete Allgemeinheit im Blick? Soll das Lexikon den lateinischen Stil klassischen Anspruchs fördern oder nur Nachschlagewerk für Alltagsbegriffe sein? Festzustellen ist auch, um welche Art von ‚Lexikon‘ es sich handelt: einfache Wörterlisten oder mehrbändige Handbücher; Synonymenlexika oder Wörterbücher für den Schulgebrauch, Stilbildung oder Nachschlagewerke für Fachgebiete wie Technik, Militär, Medizin oder Biologie. Ein besonderes Augenmerk legt diese Untersuchung auf ein bisher meines Wissens vernachlässigtes Thema der Geschichte der Klassischen Philologie: die Dominanz der protestantischen Philologen in der neueren lateinischen Lexikographie. Das Kapitel 4.4 spürt möglichen Gründen dieser Dominanz nach. Die Frage nach der Konfessionalität einzelner Lexikographen und nach kulturgeschichtlichen Gründen für die ungleichgewichtige Verteilung mündet in eine weitere ein: Hat sich die Zugehörigkeit zum Katholizismus oder zum Protestantismus auch auf der Wortebene niedergeschlagen? Größere gegenseitige Polemik ist für die zu untersuchende Zeit freilich nicht zu erwarten, doch in welcher Weise wurden theologisch strittige Lemmata (zum Beispiel die katholischen Sakramente) ins Lateinische übersetzt (s. Kapitel 6.3.2)? Und welche Rolle spielten die klaren terminologischen Grenzen zwischen den Konfessionen, die es noch bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil gegeben hat? Ebenfalls lassen sich bei manchen Lemmata nicht nur sprachliche, sondern auch geistesgeschichtliche Entwicklungen nachzeichnen, etwa beim Begriff der Aufklärung (s. Kapitel 6.3.1). Interessant sind auch die Verbindungslinien, die durch Rezeption und Bearbeitung eines Lexikons entstehen. Kaum bekannt ist etwa die verwickelte Vorgeschichte der Wörterbücher von Karl Ernst Georges, die auf den Vorarbeiten im Handlexikon Schellers und Lünemanns basieren.33 Bei der Untersuchung der einzelnen Wörterbücher galt es zudem zu fragen, wie stark einzelne Lexikographen auf Vorgängerwerke

|| 32 Zur Terminologie s. Bergenholtz/Tarp 2002. 33 Für die lateinisch-deutsche Seite s. Krömer 1991: 3032. Einzelne Auflagen und Bearbeitungen des jeweiligen Wörterbuchs finden sich im Kapitel „Literatur“ am Ende der Arbeit.

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zurückgegriffen haben. Interessante Einblicke in die Entwicklung des Copyrights gewährt die Auseinandersetzung zweier Verlagshäuser um einen unerlaubten Druck des Scheller’schen Wörterbuchs (s. Kap. 5.4.4). Auf der Analyse des Wortschatzes als eigentlichem Inhalt der Wörterbücher liegt in dieser Arbeit besonderes Gewicht (Kap. 6). Sie erfolgt insbesondere an modernen Begriffen nach-antiker Zeit, die je nach Interpretation, sprachlicher Kenntnis, stilistischen Vorlieben des Lexikographen, aber auch zeitgenössischen Sprachkonventionen unterschiedlich übersetzt werden können. Der Konflikt, der sich beim Aufeinandertreffen von antikem Wortmaterial und moderner Sachbedeutung auftut, soll bei der Untersuchung einzelner Begriffe den wichtigsten Aspekt bilden. Im Mittelpunkt steht hier also wesentlich die ‚Hinübersetzung‘, das heißt die Frage, ob, wie und in welchem Latein moderne Begriffe in den Wörterbüchern übersetzt werden. Im Kapitel 6 werden exemplarisch einzelne Begriffe dieser Art aus vier Fachbereichen untersucht. Die Untersuchung des deutsch-lateinischen Wortschatzes basiert auf Konkordanzen mit vier Themenfeldern Geistesgeschichte, Theologie, Technik und Erfindungen sowie Musik. Ausgewählt wurden in erster Linie Grundbegriffe und Schlagworte der einzelnen Disziplinen möglichst zeitgenössischen Ursprungs; bei der Technik die wichtigsten Erfindungen der Zeit nach Steins Kulturfahrplan (zum Beispiel Dampfmaschine oder Eisenbahn), bei der Musik grundlegende Gattungen neuerer Zeit, neue und alte Instrumente und musiktheoretische Begriffe (Oper, Kantate, Oboe, Adagio usw.), bei der Geistesgeschichte wesentliche Leitbegriffe der Zeit (etwa Aufklärung, Idealismus oder Fortschritt), bei der Theologie zentrale theologische Termini, die auch in der rationalistischen Zeit stark umstritten waren (wie zum Beispiel Ablass, Auferstehung, Firmung usw.). In diesen großformatig angelegten Vergleichslisten wurden etwa 1300 Lemmata untereinander verglichen. Dafür wurden folgende zwölf Wörterbücher in den hier angegebenen Auflagen berücksichtigt. 1 Kirsch 1714 / 1774 = Kirsch, Adam Friedrich (1714): Abundans Cornucopiae linguae Latinae et Germanicae [...]. Nürnberg: Buggel. Kirsch, Adam Friedrich (1774): Abundantissimum Cornu Copiae Linguae Latinae Et Germanicae [...]. Editio Novissima. Leipzig: Schwickert. Bayer 41740 = Bayer S.J., Jakob (1740): Paedagogus Latinus Germanae Juventutis sive Lexicon Germanico-Latinum et Latino-Germanicum [...]. Mainz: Mayer [zuerst 1724; zuletzt Bayer/Mayer 121819]. Bayer/Mayer 121819 = Mayer, Carl Philipp (1819): Jacobi Bayer Paedagogus Latinus Germanae Juventutis sive Lexicon Germanico-Latinum et Latino-Germanicum – Deutsch-Lateinisches und Lateinisch-Deutsches Wörterbuch [...]. Würzburg: Stahel. Bernhold 1757 = Bernhold, Johann Georg Samuel (1757): Zu gründlicher und vernünftiger Erlernung der Lateinischen Sprache eingerichtetes Wörterbuch. Onolzbach: Posch. Bernhold 1759 = Bernhold, Johann Georg Samuel (1759): Zusätze und Verbesserungen zu dem Bernholdischen Lateinischen Wörterbuche. Onolzbach: Posch. Bauer 21798 = Bauer, Carl Ludwig (1798): Deutsch-lateinisches Lexicon. Breslau: Korn [zuerst 1778].

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Scheller 31805 = Scheller, Immanuel Johann Gerhard: Ausführliches und möglichst vollständiges deutsch-lateinisches Lexicon oder Wörterbuch zur Übung in der lateinischen Sprache. Leipzig: Fritsch [11784; 21789]. Scheller/Lünemann 31817 = Lünemann, Georg Heinrich (1817): Imm. Joh. Gerh. Schellers lateinischdeutsches und deutsch-lateinisches Handlexicon vornehmlich für Schulen [...]. Zweyter oder deutsch-lateinischer Theil. Leipzig: Hahn [zuerst Scheller 1792]. Schönberger 21842 = Schönberger, Franz Xaver (1842): Neuestes lateinisch-deutsches und deutschlateinisches Hand-Lexikon zum Schul- und Geschäftsgebrauche, Bd. 3. Wien: Sammer [zuerst 1820]. Lünemann 1821 = Lünemann, Georg Heinrich (1821): Deutsch-Lateinisches Wörterbuch nach den klassischen Schriftstellern der Römer und den besten neuern Latinisten kritisch bearbeitet. Erster Theil (A–D). Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. Wüstemann 1826/1827 = Wüstemann, Ernst Friedrich (1826/1827): Deutsch-lateinisches Handwörterbuch, 2 Bde. Gotha: Henning. Kraft 41843/1844 = Kraft, Friedrich Karl (1843/1844): Deutsch-lateinisches Lexikon. Stuttgart: Metzler [11820/21; 21824/25; 31829/30]. Georges 71882 = Georges, Karl Ernst (1882): Ausführliches deutsch-lateinisches Handwörterbuch aus den Quellen zusammengetragen und mit besonderer Bezugnahme auf Synonymik und Antiquitäten unter Berücksichtigung der besten Hülfsmittel, 2 Bände. Leipzig: Hahn [aus Scheller 1792 und Scheller/Lünemann 1807 und folgenden Auflagen hervorgewachsen].

Auswahl der zwölf Wörterbücher für den Vergleich von Lemmata

Diese Auswahl orientierte sich an der philologischen Qualität und Originalität, die durch den Vergleich selbst, aber besonders auch an der zeitgenössischen Verbreitung und der Wirkungsgeschichte abzulesen waren. Kleinere Wörterbücher wurden punktuell hinzugezogen. Die wichtigeren Werke erhalten in den Untersuchungen entsprechend mehr Raum (s. besonders Kap. 5), während nachgeordnete Lexika exemplarisch in die Darstellung einbezogen werden. In Kapitel 3 wird zudem die deutschlateinische Lexikographie vor 1750 summarisch dargestellt, die eng mit der deutschen Lexikographie verbunden ist. Als Vergleichspunkt außerhalb der untersuchten Zeit dient die letzte Ausgabe vom Ausführlichen deutsch-lateinischen Handwörterbuch von Karl Ernst Georges (71882), das sich – neben dem am wohl weitest verbreiteten Kleinen deutsch-lateinischen Handwörterbuch desselben Autors und seines Sohnes Heinrich Georges (71910) – bis heute als fast ausschließlich verwendetes deutsch-lateinisches Wörterbuch faktisch durchgesetzt hat. „Der Neue Georges“ scheint keine substanziellen Verbesserungen erzielt zu haben.34 Darüber hinaus ist das Handwörterbuch ein guter Fixpunkt, weil Georges als ausgewogener Lexikograph gelten kann: Er „nimmt“, so die treffende Charakterisierung

|| 34 Vgl. die Rezension von Weitz 2018b.

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von Martin Hellmann (2002: 55) zum Ausführlichen lateinisch-deutschen Handwörterbuch, sowohl den Puristen des ciceronianischen Stils als auch den Apologeten des Barbarismus den Wind aus den Segeln, lässt den Spezialisten Raum für die Erforschung des Absonderlichen und den Ästheten für die Auswahl des Schönen.

Eine Neuentdeckung als puristisch unüberbietbares Wörterbuch ist Johann Georg Samuel Bernholds mittelgroßes und nicht allzu weit verbreitetes Wörterbuch von 1757. Es nimmt in jeder Gliederung der Wörterbücher eine Sonderstellung ein. Mit Bauers und Schellers Wörterbüchern um 1800, freilich noch der Alltagstauglichkeit des Lateinischen verpflichtet und daher bei weitem weniger puristisch, erreicht die deutschlateinische Lexikographie eine neue Stufe, die sich äußerlich schon am Umfang dieser Wörterbücher zeigt. Den sowohl qualitativen als auch quantitativen Höhepunkt bilden freilich die Wörterbücher von Lünemann, Wüstemann, Kraft und schließlich von deren Nachfolger bzw. Schüler Georges. Allesamt sind sie exzellente Latinisten und zählen zu den ausgewogenen Lexikographen. Die Untersuchung des Wortschatzes wird im Einzelnen zeigen, welche sprachlich-stilistische Unterschiede zwischen den einzelnen Werken feststellbar sind. Referenzpunkte in die andere Richtung der Zeitachse sind der Paedagogus Latinus (1724) des Jesuiten Jakob Bayer und die Cornucopiae (1714) von Adam Friedrich Kirsch aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts sowie dessen Bearbeitung von 1774. Die Bearbeitungsgeschichte von Kirsch geht bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, während die des Paedagogus Latinus gar bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts reicht. Punktuell wurden auch neuere Wörterbücher mit hauptsächlich modernem Wortschatz als Referenzwerke hinzugezogen: Das Visuelle Wörterbuch von Robert Maier (2010), das Lexicon auxiliare von Christian Helfer (31991), Lateinische Musterprosa und Sprachpflege der Neuzeit (17.-Anfang des 19. Jhs.) – ein Wörterbuch (2017) von Oleg Nikitinski und auch die lateinische Vicipaedia, die eine wachsende Anzahl an lateinischen Einträgen aufzuweisen hat. Diese reichen von machina sartoria35 bis hamaxostichus, das wiederum auf das gleichbedeutende tramen36 verlinkt ist. Die sprachliche Qualität hängt hier vom Autor des jeweiligen Artikels ab und variiert daher recht stark. Der Rechtssoziologe Christian Helfer (1930–2008) aus dem Umkreis von Pater Caelestis Eichenseer (1924–2008), wertete für sein Wörterbuch Lexicon auxiliare unter anderem die lateinischen Titel wissenschaftlicher Dissertationen neuerer Zeit aus. Es berücksichtigt nach eigener Auskunft zahlreiche akademische Abhandlungen vor allem aus der Medizin, Biologie und Rechtswissenschaft vom 16. bis zum 19. Jahrhundert bzw. deren Titel. Das macht sein Wörterbuch zu einer ergiebigen Fundgrube für || 35 https://la.wikipedia.org/wiki/Machina_sartoria (letzter Zugriff: 12.5.2022). 36 https://la.wikipedia.org/wiki/Tramen (letzter Zugriff: 12.5.2022).

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die neulateinische Wissenschaftssprache. Vieles dort ist allerdings Eigenkreation, die es kaum mit der Ästhetik und Sprachreinheit klassischer Latinität und Lexikographie des 18. und 19. Jahrhunderts aufnehmen kann, wie etwa autoaliēnātio für Selbstentfremdung.37 Martin Hellmann (2002: 83) beschreibt treffend: Mit dem Lexicon auxiliare von Christian Helfer (1982) trat schließlich eine neue kindliche Freude am Lateinsprechen und am eigenmächtigen Basteln einer lateinischen Sprache zutage, die mit der deutschen Übersetzung (1998) von Eggers Lexicon recentis latinitatis (1992) im Begriff ist, eine gewisse Popularität zu gewinnen.

Mit dem Erscheinen des Visuellen Wörterbuchs im Jahr 2010 wird diese Tendenz fortgesetzt. Der Schwerpunkt unserer Studie liegt auf dem lateinischen Wortschatz, während germanistische Fragestellungen als solche nicht oder nur am Rande in den Bereich der Untersuchung gehören und daher hier nur genannt werden. Auf der deutschen Seite geht es unter anderem um die Auswahl der Wörter (Lemmaselektion) und deren Gliederung, bei der lateinischen um die adäquate Übersetzung dieser Wörter. Beide Seiten unterliegen dabei einem je verschieden zu fassenden Einfluss der jeweiligen Zeit. Das Deutsche unterliegt als lebendige Sprache stetiger Entwicklung: Neue Wörter tauchen auf, werden aus Fremdsprachen entlehnt, verschwinden wieder aus der Umgangssprache. Es lässt sich also untersuchen, welchen Stand die in der damaligen Zeit aktuellen Begriffe lexikographisch innehatten und, sofern möglich, aus welchen Quellen sie stammten. Hierbei ist von Interesse, ob und in welchem Maße neue technische Erfindungen und geistesgeschichtliche Entwicklungen Eingang in die deutsch-lateinischen Wörterbücher gefunden haben. Zu fragen ist, ob auch Eigennamen oder topographische Bezeichnungen berücksichtigt wurden. Der Verfasser eines Schullateinwörterbuchs wählt die Wörter sicher anders aus, als jemand, der alle Fachbereiche der Wissenschaften abdecken will. Was also sind die Quellen eines deutsch-lateinischen Wörterbuchs für den deutschen Wortschatz? Handelt es sich um ein Umkehrwörterbuch, wie im Mittelalter üblich, oder gibt es rein deutschsprachige Lexika als Quellen wie die Wörterbücher von Adelung oder Campe? Mit dem Begriff ‚Umkehrwörterbuch‘ werden Wörterbücher bezeichnet, die durch reine ‚Umkehrung‘ entstehen, das heißt alle deutschen Entsprechungen eines lateinisch-deutschen Wörterbuchs werden nun zum Lemma des deutsch-lateinischen Teils, wie es beispielsweise beim Rusticanus terminorum (1482) oder Vocabularius incipiens teutonicum ante latinum (ca. 1482) der Fall ist. Darüber hinaus kann man auch dialektale und orthographische Eigenheiten feststellen und danach die Benutzung von Quellen eruieren.

|| 37 Bsp. nach Stroh, Wilfried (2022): Geschichte der lateinischen Sprache. In: Kipf, Stefan / Schauer, Markus (Hrsg.): Fachlexikon zur Didaktik des altsprachlichen Unterrichts (im Erscheinen).

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Aus der Sicht der Latinistik aber steht die sachlich und sprachlich korrekte Übersetzung des deutschen Lemmas ins Lateinische im Mittelpunkt. Die lateinischen Interpretamente unterliegen dem Einfluss des jeweiligen Stilideals: Welches Latein möchte man als Lexikograph dem Leser, dem Schüler vermitteln? Zu fragen ist zunächst: Gibt der Autor eine Quelle an und lässt er auch poetische Ausdrucksweisen zu? Wie gibt man moderne Wörter wieder, zum Beispiel heute Crowdfunding38, Medienschelte39 oder Smartphone40, im 18. und 19. Jahrhundert Blitzableiter41, Freimaurerloge42 oder Pietismus43? Es geht hier um die Normativität der Lexika – greift man auf die klassische Literatur oder auf neulateinische Prägungen aus dem Alltagslatein zurück? Es gilt daher zu untersuchen, welchem Stilideal die lateinischen Übersetzungen verpflichtet sind, die der Lexikograph für ein deutsches Lemma vorschlägt. Sofern es keine direkte Entsprechung in den antiken Quellen gibt, hat der Lexikograph mehrere Möglichkeiten: Bei der Bildung von lateinischen Interpretamenten kann er entweder auf klassisches Latein zurückgreifen, zum Beispiel aus bei klassischen Autoren verwendeten Wörtern eine Wendung bilden, die dem Inhalt des deutschen Begriffs möglichst nahe kommt (mit der Gefahr allerdings, an Eindeutigkeit zu verlieren); oder er verwendet beziehungsweise kombiniert neulateinische Wörter, konstruiert neue Ableitungen oder führt neue ‚eurolateinische‘ Wörter aufgrund des aktuellen Gebrauchs in romanischen Sprachen ein. Diese Richtung jedoch birgt die Gefahr, das Ideal des seit Cicero stilbildenden Hochlateins zu verletzen. Das wichtigste Kriterium bei der Wortschatzuntersuchung war also, wie schon gesagt, die Beantwortung der Frage, ob und in welcher Form der Klassizismus in den Wörterbüchern der Zeit von 1750 bis 1850 immer stärker vertreten war. Außer Frage steht jedenfalls, dass die Autoren der in dieser Untersuchung verglichenen Wörterbücher des 18. und 19. Jahrhunderts allesamt exzellente Latinisten waren, die den Barbarismus abgelehnt haben und bestrebt waren, möglichst schön, also im Stile der Klassiker zu schreiben. Welche Autoren der einzelne Lexikograph zu diesen gezählt, || 38 Etwa conquisitio pecuniarum (nach Tac. hist. 2, 84) bzw. je nach Kontext zu umschreiben, z.B. tota interretiali regione conquirere pecunias ad societatem faciendam. 39 Ebenso bei obiurgatio diurnariorum, z.B. diurnarios conviciis consectari. 40 Vielleicht telephonum (manuale) callidum oder lepidum (je nach Verständnis von engl. smart). 41 Scheller (1805, I: 559) sucht nach einem angemessenen Wort für Blitzableiter: „etwa deductor fulminis, oder res deducens fulmen oder materiam fulminis, oder res deducendo fulmini (oder deducendae materiae fulminis) serviens“, während Mühlmann 1854 nur conductor fulminis (226) vorschlägt (conductor ist der physikalische t.t. für den elektrischen Leiter, im klassischen Latein bedeutet es allerdings nur Mieter oder Unternehmer). 42 Für die Loge greift Scheller auf die in der Antike bekannten Wörter collegium und sodalitas zurück (I: 1871), Freymäurer übersetzt er wörtlich liber caementarius (engl. free mason). 43 Pietismus möchte Scheller trotz der hybriden Bildung beibehalten, „weil es oft zum Schimpfnamen dient“ (II: 2227), also der Eindeutigkeit halber, nämlich gegenüber den Mitgliedern der gleichnamigen innerprotestantischen Bewegung.

Überblick zur bisherigen Forschung | 17

wie er einzelne Lemmata übersetzt hat und welche bemerkenswerten Nuancen und Entwicklungen feststellbar sind, davon wird in den einzelnen Abschnitten zu den Wörterbüchern zu handeln sein.

1.3 Überblick zur bisherigen Forschung Seitens der germanistischen Philologie und Lexikographie sind die deutsch-lateinischen Wörterbücher der frühen Neuzeit bei weitem besser erschlossen als durch die Latinistik selbst. Dies liegt daran, dass die Entwicklung deutscher Wörterbücher und somit der deutschen Sprache überhaupt eng mit der zweisprachigen lateinischen Lexikographie verbunden ist (s. Kap. 3.2).44 So gibt es kleinere und größere Arbeiten zu einzelnen deutsch-lateinischen Wörterbüchern (z.B. zu van der Schueren, Dasypodius, Hederich, Frisch). Allerdings beziehen sich diese meist auf den deutschen Teil, während das Lateinische nur am Rande erscheint. Die Entstehung und Entwicklung der deutschsprachigen Wörterbücher ausgehend vom 16. Jahrhundert bis ins 18. Jahrhundert ist in neuerer Zeit aus lexikographischem Blickwinkel ausführlich erforscht worden.45 Eine Fundgrube sind die bibliographischen Verzeichnisse für die Wörterbuchdrucke des 15. und 16. Jahrhunderts in der lesenswerten Gesamtdarstellung von Peter O. Müller (2001) „Deutsche Lexikographie des 16. Jahrhunderts: Konzeptionen und Funktionen frühneuzeitlicher Wörterbücher“. Müller untersucht darin aus vornehmlich metalexikographischer Sicht 120 deutschsprachige Wörterbücher des 16. Jahrhunderts, darunter auch die unser Thema betreffenden Wörterbücher von Cingularius, Serranus, Decimator, Emmel, Ulner, Dasypodius, Fries, Maaler, Alberus, Ruland, Megiser sowie die Nomina substantiva, adiectiva, et verba frequentiora e Germanico Latine reddita. Über die einsprachige und zweisprachige lateinische Lexikographie berichtet Dietfried Krömer (1990 und 1991) summarisch. Einen Durchgang durch die Geschichte der lateinischen Lexikographie bietet auch Ferdinand Heerdegen im Handbuch der klassischen Altertums-Wissenschaft (41910). Schulwörterbücher, wie es ja gerade die deutsch-lateinischen Wörterbücher sind, sind allerdings bei beiden größtenteils ausgeklammert. Eine große Hilfe für die Erfassung der deutsch-lateinischen Wörterbücher boten bibliographische Arbeiten zur deutschsprachigen Lexikographie (Claes 1977 für die Zeit bis 1600, Henne 2001 für einzelne Wörterbücher bis zum 18. Jahrhundert, Jones 2000 für 1600–1700, Zaunmüller 1958 für 1460–1958).46 Einschlägig für die || 44 S. Grubmüller 1990. 45 S. u.a. Müller 2001; Grubmüller 1990; Schirokauer 1987; Henne 2001; Kettler 2008. 46 Zu Claes 1977 vgl. Müller 2001: 25, der darauf hinweist, dass „zahlreiche Wörterbuchausgaben ohne Autopsie und zudem mit unvollständigem Titel aufgenommen wurden, woraus mehrere bibliographische Irrtümer resultieren“.

18 | Einleitung

untersuchte Zeit ist die Bibliotheca philologica von Wilhelm Engelmann (1853). Ausgewertet wurde auch das Handbuch der philologischen Bücherkunde für Philologen und gelehrte Schulmänner von Krebs (1823). Zudem waren auch verschiedene lexikographische Untersuchungen hilfreich, unter anderem die Aufsätze von Dietfried Krömer (s. Literatur) und Klaus Grubmüller (1990), deren Ergebnisse an entsprechender Stelle referiert werden. Pointierte Anmerkungen und nützliche Hinweise zu einigen wichtigen deutsch-lateinischen Wörterbüchern aus Sicht des lateinsprechenden Benutzers finden sich in den „Hilfen zum Lateinsprechen: kommentierte Bibliographie“ (Stroh 1994). Richard Wolf hat auf seiner Internetseite „Lateinische Wörterbücher – Eine illustrierte Bibliographie“ eine umfassende und äußerst nützliche Sammlung mit bibliographischem Material zusammengestellt.47 Für jeden, der nach historischen Wörterbüchern sucht, eine wahre ‚Schatzkammer‘. Die Wörterbücher lassen sich nach verschiedenen Kriterien anordnen – nach Sprache, nach Anzahl der Sprachen (einsprachig, polyglott), nach Autoren, Sachgebieten; des Weiteren können nachklassische Wörterbücher und sonstige Wörterbücherarten (z.B. Antibarbari, Etymologische Wörterbücher usw.) gesondert angezeigt werden. Neben einem biographischen Stichwort zu jedem Lexikographen findet sich hier eine große Anzahl an Lexika mit genauem Titel und bibliographischen Angaben. Zudem wird auf Kuriositäten und Besonderheiten des jeweiligen Wörterbuchs hingewiesen. Diese Pionierleistung wird keineswegs dadurch geschmälert, dass in den hier folgenden Abschnitten zu einzelnen Wörterbüchern manche von Wolfs bibliographischen Angaben korrigiert oder ergänzt werden. Schon dem Titel nach ein Thesaurus ist das Überblickswerk von Hermann Niedermayr (2017) mit dem Titel Lexikalische Schatzhäuser – Lateinische Schulwörterbücher von 1500 bis heute. Es bietet nicht nur einen informativen Durchgang durch die lateinisch-deutschen Schulwörterbücher, von denen viele auch einen deutsch-lateinischen Teil haben, sondern in zwei Einleitungskapiteln – für den in der lexikographischen Theorie Unbewanderten nützliche – Hinweise zur Sprachdidaktik, Lexikologie und Lexikographie. Bei den einzelnen Wörterbüchern folgen auf eine kurze Lebensbeschreibung des Autors der genaue Titel, die Bearbeitungsgeschichte und Programmatik des Werks. Die Entwicklung der Lexikographie in den einzelnen Wörterbüchern wird anhand des Beispiellemmas gerere am Ende eines jeden Kapitels veranschaulicht. So lassen sich die einzelnen Wörterbücher an diesem Stichpunkt gut vergleichen. Besonderes Augenmerk legt Niedermayr auf die Kriterien „Genauigkeit der gegebenen Informationen“ und „Benutzerfreundlichkeit“. Deutsch-lateinische Schulwörterbücher sind allerdings „nur dann am Rande berücksichtigt, wenn sie als Pendants zu lateinisch-deutschen Wörterbüchern

|| 47 http://www.richardwolf.de/latein/ (letzter Zugriff: 11.5.2022).

Formalia | 19

konzipiert wurden“.48 Denn in „den letzten 150 Jahren liegt“, so Niedermayr, „der Schwerpunkt des Lateinunterrichts eindeutig auf dem Übersetzen lateinischer Texte und nicht mehr auf der lateinischen Textproduktion“.49 Da zumindest in Preußen der lateinische Abituraufsatz noch bis 1892 gefordert war, ist diese Aussage hinsichtlich dessen einzuschränken. In Süddeutschland wurde er schon in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts abgeschafft.50 Richtig ist, dass sich der Schwerpunkt immer weiter zum Lesen bzw. Übersetzen der Texte verschoben hat. Man würde diesem nützlichen Arbeitsbuch eine größere Verbreitung wünschen; der Sonderdruck der didaktischen Zeitschrift Latein Forum ist allerdings weder leicht zu beziehen noch aufzufinden.51 Abgesehen von den verstreuten Einzelabhandlungen zu einigen wenigen deutsch-lateinischen Wörterbüchern vor allem der frühen Neuzeit gibt es meines Wissens aber keine Gesamtdarstellung der deutsch-lateinischen Wörterbücher, somit auch nicht für die Wörterbücher des 18. und 19. Jahrhunderts. Einen ersten kurzen Überblick bietet der Aufsatz (2002) von Martin Hellmann mit dem Titel „Überblick über die neuere lateinisch-deutsche und deutsch-lateinische Lexikographie – mit besonderem Augenmerk auf die Umgestaltung altbewährter Schulwörterbücher“. Darin behandelt Hellmann die großen Linien der lateinisch-deutschen und deutsch-lateinischen Lexikographie „bis zur Etablierung des Georges“, einzelne Schulwörterbücher (den „Taschen-Heinichen“, später „Pons“; den „Stowasser“ und Langenscheidts Wörterbücher) sowie knapp auch die deutsch-lateinischen Wörterbücher.

1.4 Formalia Die Mehrzahl der behandelten Wörterbücher steht der Öffentlichkeit im Internet frei zur Verfügung. Sofern ein Digitalisat oder im seltenen Falle ein durchsuchbares Online-Portal verfügbar ist, wird im Kapitel „Literatur“ ein permanenter Link angegeben. Dort findet sich auch ein „Korpus der deutsch-lateinischen Wörterbücher von 1750–1850“, worin alle Werke dieser Zeit aufgeführt werden. Die für dieses Buch wichtigsten Wörterbücher werden mit allen Auflagen und umfassenden bibliographischen Angaben genannt und um die Zugangsmöglichkeit (in einer Bibliothek oder digital) und die dazugehörige Sekundärliteratur ergänzt. Wie es in alter Zeit allgemein üblich war, wurden in allen behandelten Wörterbüchern die deutschen Teile in gotischer Schrift, die lateinischen in römischer Schrift gedruckt. Dieser Unterschied wird hier lediglich durch den kursiven Druck des lateinischen Textes zum Ausdruck gebracht. Die auch im Original kursiv gedruckten Teile der Wörterbücher werden dabei im Schriftbild nicht gesondert berücksichtigt. Die || 48 Niedermayr 2017: 66. 49 Ebd. 50 Vgl. Eckstein 1887: 322–323. 51 Vgl. die Rezension von Weitz 2018a. Für den Hinweis auf dieses im wahrsten Sinne im letzten Regalfach der BSB München versteckte Werk danke ich Claudia Wiener, München.

20 | Einleitung

besonderen Zeichen für die deutschen Umlaute (aͤ , oͤ , uͤ ) wurden der heutigen Schreibweise (ä, ö, ü) angeglichen.

2 Das Gesamtkorpus der deutsch-lateinischen Wörterbücher im Überblick Möchte man die Gesamtheit der deutsch-lateinischen Wörterbücher einer ersten Gliederung unterziehen, so lassen sich fünf halbwegs gegeneinander abgrenzbare Zeiträume feststellen:1 Die Zeit von (1.) den spätmittelalterlichen Anfängen bis zu (2.) den humanistischen Wörterbüchern und Polyglotten (14. bis 16. Jahrhundert) (s. Kap. 3.1); (3.) die Zeit der lexikographischen Kodifizierung der deutschen Hochsprache mithilfe deutsch-lateinischer Wörterbücher (hauptsächlich 17. bis Mitte des 18. Jahrhunderts mit Ausläufern in beide Richtungen) (s. Kap. 3.2); schließlich (4.) die Zeit von 1750 bis 1850 (s. Kap. 4–6) und (5.) die daraus hervorgehende Jetztzeit der deutsch-lateinischen Lexikographie. An die 200 deutsch-lateinische Wörterbücher wurden zwischen dem Ende des 14. Jahrhunderts und 2020 verfasst. Die folgende Werkliste mit 194 bisher bekannten Wörterbüchern stützt sich auf die oben (in Kap. 1.3) genannten bibliographischen Werke sowie auf eigene Recherchen vor allem in Online-Katalogen der Universitätsbibliothek München, der Bayerischen Staatsbibliothek München und dem KVK (Karlsruher Virtueller Katalog), der zahlreiche Kataloge bündelt und durchsucht. Die genannte Zahl ist freilich nicht als endgültige zu betrachten, da damit zu rechnen ist, dass einige Werke noch nicht erfasst sind. Durch neue Bibliographien oder neue lexikographische Literatur könnte sich diese Liste also noch erweitern. Zudem käme man auf eine andere Anzahl, wollte man etwa Werke, die von früheren Wörterbüchern abhängig sind, ganz ausschließen. In diese Liste wurden derartige Wörterbücher nur dann aufgenommen, wenn sie einen stark abweichenden Titel (s. zum Beispiel die spätmittelalterlichen Vokabularien) oder sonstige eindeutige Abweichungen vom Original aufweisen. Zudem wurden auch Werke aufgenommen, die wesentliche Erweiterung des Originals oder für die Lexikographiegeschichte von größerer Bedeutung sind, so etwa die beiden Faber-Bearbeitungen durch Cellarius 1686 (1692, 1696) und Gesner 1726/1735 sowie der Index Germanico-Latinus von Stübel 1710 oder später die Bearbeitungen von Scheller (11792) durch Lünemann (11807) und Georges (11831/1833).

|| 1 Vgl. die drei zeitlichen Einheiten der neuhochdeutschen Lexikographie von Helmut Henne (zusammengefasst in Szlęk 1999: 22), der vom 15. bis 20. Jahrhundert jeweils zwei Jahrhunderte zusammenfasst. https://doi.org/10.1515/9783110771770-002

22 | Das Gesamtkorpus der deutsch-lateinischen Wörterbücher im Überblick

Tab. 1: Anzahl der Wörterbücher nach Jahrhunderten Jahrhundert 14. Jh.

Anzahl 2

15. Jh.

6

16. Jh.

25

17. Jh.

56

18. Jh.

38

19. Jh.

34

20. Jh.

21

21. Jh.

12

Insgesamt

194

Ausgehend von der mittelalterlichen Glossographie und deren Wörterlisten beginnt die Geschichte der deutsch-lateinischen Wörterbücher schon Ende des 14. Jahrhunderts, immerhin 600 Jahre nach dem bekannten lateinisch-althochdeutschen Abrogans (um 790).2 Die eigentliche Wörterbuchtätigkeit nimmt ihren großen Aufschwung in der humanistischen Zeit. Nach gewichtigem Auftakt im 16. Jahrhundert wird die Zeit zwischen dem 17. und 19. Jahrhundert durch die aus heutiger Sicht schier unglaubliche Menge an Neuerscheinungen zu einer Art Hochzeit deutschlateinischer Lexikographie. Die hervorstechende Zahl im 17. Jahrhundert ist durch die Auswertung der Bibliographie von Jones zu erklären, der die Wörterbücher von 1600 bis 1700 minutiös erfasst hat. Kleinere dort erwähnte Wörterlisten, wie etwa Balthasar Kindermanns Der deutsche Poet (Wittenberg 1664), werden hier nicht genannt, da nur wenige Seiten (710– 712) als deutsch-lateinisches Verzeichnis zu bezeichnen sind. Hier werden semantisch doppeldeutige Begriffe, die meist auch orthographisch zu unterscheiden seien, aufgelistet, z.B. „Die Acht / bannum. Acht / cura. Die Mähr / res nova. die Märre / Equa.“ usw. Ohne die Wichtigkeit solcher Listen allzu gering einstufen zu wollen, z.B. auch – nicht in allen Ausgaben vorhandene – Indizes in Georg Agricolas BergwerckBuch (1621; Jones 2000: Nr. 180) oder in Johann Popps Kräuter Buch (1625; Jones 2000: Nr. 929), können sie doch nicht als selbständiges Wörterbuch bezeichnet, geschweige denn als großer Beitrag zur deutsch-lateinischen Lexikographie erachtet werden. Für die nachfolgenden Jahrhunderte ist eine derart ausführliche Aufstellung wie bei Jones noch nicht vorhanden. Schließlich sei erwähnt, dass die heutigen technischen Möglichkeiten, etwa die Einbeziehung digitaler Wörterbücher, aus

|| 2 Zu den Glossaren s. die entsprechenden Kapitel in Müller 2001 und Szlęk 1999.

Das Gesamtkorpus der deutsch-lateinischen Wörterbücher im Überblick | 23

lexikographischer Sicht auf ein fruchtbares 21. Jahrhundert hoffen lassen, zumal bereits im ersten Fünftel einige neue Wörterbücher erschienen sind. Im Folgenden werden die Kurztitel chronologisch angeführt. Für genauere Angaben sei auf die in Kapitel 1.3 genannten Bibliographien und Monographien sowie auf Kap. 8 (Literatur) am Ende dieses Buches verwiesen. Kurztitel der deutsch-lateinischen Wörterbücher in chronologischer Reihenfolge

1. 2. 3. 4. 5. 6.

7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21.

22. 23. 24. 25. 26. 27. 28.

1 Fritsche Closener: Abgrúnde-profundum-Glossar. Drittes Viertel des 14. Jh. Vocabularius theutonicus. Kurz vor 1400. Dietrich Engelhus: Vocabularius quadriidiomaticus. Kurz nach 1400 [abhängig von (2.)]. Johannes Harghe: Baseler Vokabular. Basel 1447 [abhängig von (1.) und (2.)]. Stralsunder Vokabular. Bei Stralsund um 1460 [abhängig von (2.)]. Gerard van der Schueren: Theutonista vulgariter dicendo der Duytschlender. Köln 1477 [abhängig von (2.)]. Rusticanus terminorum. Nürnberg 1482 [abhängig von (2.)]. Vocabularius incipiens teutonicum ante latinum. Speyer, ca. 1482. Vocabularius in quo. Münster, ca. 1509 [gedruckter Textzeuge von (2.)]. Hieronymus Cingularius: Tersissima latini eloquii Synonymorum collectanea. Wittenberg 1513. Vocabularius primo ponens dictiones theutonicas. Straßburg 1515. Petrus Dasypodius: Dictionarium Germanicolatinum. Straßburg 1536. Erasmus Alberus: Novum Dictionarii genus. Frankfurt 1540. Johannes Serranus: Synonymorum libellus. Nürnberg 1549. Cornelius Valerius: Dictionarium quatuor linguarum. Löwen 1556. Johannes Fries (Frisius) / Johannes Christophorus von Rotberg: Novum Dictionariolum puerorum Latinogermanicum et e diverso Germanicolatinum. Zürich 1556. Conrad Gessner: Teütsche Nammen der Fischen und Wasserthieren. Zürich o.J. [Vorrede: 1556]. Josua Maaler: Die Teütsch spraach [...] Dictionarium Germanicolatinum novum. Zürich 1561 [s. Kap. 3.2]. Index vocum Germanicarum, Latinis atque Hebraicis respondentibus. Basel 1570 [deutschlateinischer Index der Baseler Calepinus-Ausgabe]. Hermann Ulner: Suppellex copiosa. Frankfurt am Main 1567. Cornelius Kilianus: Dictionarium Teutonico-Latinum. Antwerpen 1574 [abhängig von (16.)]; Etymologicum Teutonicae linguae sive Dictionarium Teutonico-Latinum. Antwerpen, 3. erw. Aufl. 1599. Nomina substantiva, adiectiva, et verba frequentiora: e Germanico Latine reddita. Ingolstadt 1581. Heinrich Decimator: Sylva vocabulorum et phrasium. Leipzig 1578. Heinrich Decimator / Valentin Schindler: Sylva vocabulorum et phrasium [...] vocabulis Hebraicis aucta. Wittenberg 1586. Martin Ruland: Dictionariolum et Nomenclatura Germanicolatinograeca. Augsburg 1586. David Schelling und Helfricus Emmel: Lexicon trilingue (Index Germanicolatinus). Straßburg 1586. Heinrich Decimator: Nomenclatura quatuor linguarum. Leipzig 1589. Hieronymus Megiser: Dictionarium quatuor linguarum. Graz 1592.

24 | Das Gesamtkorpus der deutsch-lateinischen Wörterbücher im Überblick

29. 30. 31. 32. 33. 34. 35.

36. 37. 38. 39. 40. 41. 42. 43. 44. 45. 46. 47. 48. 49. 50. 51. 52. 53. 54. 55. 56. 57. 58. 59. 60. 61. 62. 63.

Helfricus Emmel: Sylva quinquelinguis vocabulorum. Straßburg 1592. Helfricus Emmel: Nomenclator propriorum nominum Germanicolatinus. Straßburg 1592. Helfricus Emmel: Nomenclator quatrilinguis, Germanicolatinograecogallicus. Straßburg 1592. Heinrich Decimator: Sylva quinquelinguis. Frankfurt 1595. Heinrich Decimator: Pars prima Sylvae vocabulorum et phrasium [...] aucta. Leipzig 1596. Aemilius Portus (Emilio Porto): Dictionarium germanico-latinum. Frankfurt am Main 1600. Anon.: Dictionarium linguarum germanicae, latinae, italicae et slavonicae. Mühlhausen (Thüringen) 1600. Andreas Calagius: Synonyma Latina. 1602.3 Severinus Hellinx: Ciceronianae phraseos seu dictionis varietas. Köln 1603. Nicolaus Volckmar: Dictionarium trium linguarum [Teil 3]. Danzig 1605. Peter Loderecker: Dictionarium septem diversarum linguarum. Prag 1605. Aldus Manutius: Purae, elegantes et copiosae latinae linguae phrases. Leipzig 1607 und Danzig 1607. Anon.: Colloquia et dictionariolum sex linguarum. Köln 1610. Andreas Helvigius: Etymologiae sive origenes dictionum germanicarum. Frankfurt a.M. 1611. Anon.: Novum germanico gallico-latinum dictionarium. Genf 1611. Georg Henisch: Teutsche Sprach und Weißheit. Augsburg 1616 [s. Kap. 3.2]. Anon.: Kurtzer Ausszug und Begriff deß Dictionarij. Leipzig 1617. Wolfgang Schönsleder S.J.: Promptuarium germanico-latinum. Augsburg 1618. Isaac Habrecht: Ianua linguarum quadrinlinguis [Index]. Strasbourg 1624. Anon.: Janua linguarum trilinguis [Index]. Rinteln 1626. Levin Hulsius: Dictionarium teutsch-frantzösisch-italiänisch-lateinisch. Frankfurt a.M. 1627. Johann Werner: Manuductio orthographica ad linguam germanico-latinam. Altenburg 1629 und 1635. Isaac Habrecht: Ianua linguarum silinguis [Index]. Strasbourg 1629 und 1630. Andreas Bachmann: Janua latinitatis bipatens [...] Zweyflügelige Thür zum Latein. Leipzig 1631. Justus Georg Schottelius: Teutsche Sprachkunst. Braunschweig 1641 [pp. 22–27]. Nathanael Duez: Dictionarium germanico-gallico-latinum. Leiden 1642. Anon.: Thesaurus studiosorum, sive Inventarium Dictionum Germanico-Latinarum. Köln 1648. Matthias Dögen: Heutiges tages übliche Kriges Bau-kunst. Amsterdam 1648 [dt.-lat.-frz., ca. 240 milit./geometr. Begriffe]. Christian Neubauer: Enchiridion linguae Latino-Germanicae […] cum Indice Dictionum Phrasiumque Germanicarum locupletissimo. Frankfurt a.M./Leipzig 1651 [s. auch Neubauer 1692]. Johann Amos Comenius: Ianuae Linguarum Reseratae Vestibulum germanico-latinum. Zürich 1655. Gebhard Overheide: Neu vermehrte Schreib-Kunst. Braunschweig 1657 [pp. 80–89]. Jakob Redinger: Comeniana grammatica. Hanau 1659. Heinrich Göseken: Manuductio ad linguam oesthonicam. Tallinn 1660. Johann Amos Comenius: Prima pars scholasticae eruditionis, dicta, Vestibulum. Frankfurt am Main 1662. Georg Erasmus Oellinger: Officina pharmaceutica [...] Designatio alphabetica medicamentorum. Nürnberg 1663.

|| 3 Vgl. Müller 2001: 278, Anm. 244; aber ohne Dictionarium germanico-latinum-polonicum und mit variiertem Titel: Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt, Cb 3451 (1), urn:nbn:de:gbv:3:1-110848.

Das Gesamtkorpus der deutsch-lateinischen Wörterbücher im Überblick | 25

64. Johann Jakob Dentzler: Clavis linguae Latinae [...] et vice versa clavis Germanico-Latina. Basel 1666. 65. Nathanael Duez: Compendium grammaticae germanicae. Amsterdam 1668. 66. Anon.: Neues teutsch-frantzösich-lateines Dictionarium. Genf 1669. 67. Maciej Dobracki (Matthias Gutth(a)eter): Polnische teutsch erklärte Sprachkunst. Olesnica 1660, 1669 [deutsch-polnische-lateinisches WB gramm. Termini]. 68. Johann Gerlach Wilhelmi: Lexicon proso-metricum latino-graeco-germanicum et germanicolatinum. Frankfurt 1673. 69. Johann Lindner: Fodina linguae latinae, graecae, germanicae. Leipzig 1673 [verschiedene Auflagen, vgl. Hausmann 1988: 26]. 70. Justus Georg Schottelius: Brevis et fundamentalis manuductio. Braunschweig 1676. 71. Jacob Meier: Hortulus adagiorum germanico-latinorum. Basel 1677. 72. Johann Amos Comenius oder Jakob Redinger: Vestibulum trilingue [...] Vorpforte der Schul Unterweisung [...] Vestibulum scholasticae eruditionis. Nürnberg 1678. 73. Peter Nyland[t]: Neues medicinalisches Kräuterbuch. Osnabrück 1678. 74. François Pomey: Le dictionaire royal [...] Dictionarium regium [...] Königliches Dictionarium. Frankfurt am Main 1681. 75. Johann Georg Seybold: Teutsch-Lateinisches Wörterbüchlein. Nürnberg 1683 [zahlreiche Auflagen]. 76. Nicolaus Gürtler: Lexicon quatuor linguarum [Teil 2]. Basel 1683. 77. Anon.: Vocabularium germanico-latinum. Augsburg 1683. 78. Anon. : Nouveau dictioniaire du voyageur [...] Neues Dictionarium oder Wörter-Buch für einen Reisenden. Genf 1683. 79. Ehrenreich Weismann: Lexicon bipartitum, Latino-Germanicum, et Germanico-Latinum. Stuttgart 1685 [zuerst einteilig 1673; zahlreiche Auflagen bis 121775]. 80. Georg Friedrich Franck[e] von Fran[c]kenau (1643/4–1704): Flora francica. Strasbourg 1685. 81. Andreas Reyher: Lexicon latino-germanicum sive theatrum romano-teutonicum [Index Germanico-Latinus]. Leipzig/Frankfurt am Main 21686 [Gotha 1673 mit abweichendem Titel, vgl. Jones 2000: Nr. 955]. 82. Johann Ludwig Prasch: Onomasticon germanico-latinum. Regensburg 1686. 83. Anon.: Le dictionaire orateur [...] Wolredendes teutsch-frantzösisch-lateinisches Wörter-Buch. Frankfurt am Main 1688. 84. Johann Ludwig Prasch: Dissertatio altera de origine germanica latinae linguae [...] Glossarium bavaricum. Regensburg 1689. 85. Christian Weis: Enchiridon Grammaticum, Das ist eine kurtze Anweisung zu der Lateinischen Sprache. Dresden 1689. 86. Georg Heinrich Ursin[us]: Onomasticon germanico-graecum. Regensburg 1690. 87. Kaspar Stieler: Der teutschen Sprache Stammbaum und Fortwachs oder Teutscher Sprachschatz. Nürnberg 1691 [s. Kap. 3.2]. 88. Christian Neubauer: Studiosae iuventutis commodo Dictionarium novum Latino-GraecumGermanicum, Germanico-Latinum, et Graeco-Latinum. Frankfurt a.M. 1692 [s. auch Neubauer 1651]. 89. Christophorus Cellarius: Basilii Fabri Sorani Thesaurus eruditionis scholasticae [Index Germanico-Latinus]. Leipzig 1696 [Ausgaben von Cellarius 1686 und 1692; Erstausgabe von Faber 1571; s. auch Stübel 1710 und Gesner 1726/1735]. 90. Novum lexicon latino-sueco-germanicum […] Neues Teutsch- und Lateinisches Dictionarium, Band 3. Hamburg/Stockholm 1700. 91. Giovanni Veneroni: Le dictionaire imperial [...] Das käyserliche Sprach- und Wörter-Buch [Teil 3]. Frankfurt am Main 1700.

26 | Das Gesamtkorpus der deutsch-lateinischen Wörterbücher im Überblick

92. Caspar Zacharias Wussin: Dictionarium germanico-latino-bohemicum [...] Dictionarium von dreyen Sprachen. Prag 1700. 93. Theodor Spieser: Novum lexicon universale latino-germanicum et germanico-latinum. Basel 1700 [21716, Zacharias Hemminger]. 94. Andreas Stübel (Stubelius): Index Germanico-Latinus. In: Basilius Faber: Thesaurus eruditionis scholasticae. Leipzig 1710. 95. Johannes Christophorus Sommerhoff: Lexicon pharmaceutico-chymicum latino-germanicum et germanico-latinum. Nürnberg 11701, 21713. 96. Adam Friedrich Kirsch: Abundans Cornucopiae linguae Latinae et Germaniae. Nürnberg 1714 [zahlreiche Auflagen und Bearbeitungen; s. Kap. 5.1]. 97. Franz Wagner S.J.: Universae Phraseologiae germano-latinae Corpus. Augsburg 1718. 98. Jakob Bayer S.J.: Paedagogus Latinus. Mainz 1724 [s. Kap. 5.2]. 99. Christoph Ernst Steinbach: Vollständiges deutsches Wörterbuch vel Lexicon GermanicoLatinum. Breslau 21734 [zuerst Deutsches Wörterbuch vel Lexicon Germanico-Latinum, 1725; s. Kap. 3.2]. 100. Siegmund Jacob Apin: Grammaticalisches Lexicon. Nürnberg 1727 [Anhang u. geogr. Lexikon]. 101. Siegmund Jacob Apin: Glossarium novum ad aevi huius statum adornatum. Nürnberg 1728. 102. Paul Aler: Dictionarium Germanico-Latinum. Köln 1727. 103. Johann Georg Wachter: Glossarium Germanicum. Leipzig 1727 und 1737. 104. Benjamin Hederich: Promtuarium latinitatis probatae et exercitae, oder vollständigstes Teutsch-Lateinisches Lexicon. Leipzig 1729. 105. Daniel Friedrich Jahn (Janus): Philologisches Lexicon der reinen und zierlichen Latinität. Leipzig 1 1730 und ders.: Philologisch-kritisches Schul-Lexicon. Halle 21753. 106. Teutsch-lateinisches und russisches Lexicon. St. Petersburg 1731. 107. Johann Adam Weber: Lexicon encyclion oder kurtzgefaßtes lateinisch-teutsches und teutschlateinisches Universal-Wörter-Buch. Chemnitz 11734 [21745; 41807]. 108. Johann Matthias Gesner: Basilii Fabri Thesaurus eruditionis scholasticae [Index GermanicoLatinus]. Leipzig 1735 [von Gesner zuerst hg. 1726; ein dt.-lat. Index erschien zuerst 1686 als Anhang an die Bearbeitung von Christophorus Cellarius; s. Stübel 1710; Erstausgabe von Faber 1571]. 109. Franz Xaver Kropf S.J.: Amalthea Germanica et Latina. Dillingen 1735. 110. Johann Leonhard Frisch: Teutsch-lateinisches Wörter-Buch. Berlin 1741 [s. Kap. 3.2]. 111. Georg Matthiae: Novum locupletissimum manuale lexicon. Halle (Saale) 1748/1749 [41775]. 112. Anonym S.J. / Álvares, Manuel S.J.: Anweisung zur Lateinischen Sprach [Index]. München/Ingolstadt/Augsburg 1751. 113. Philipp Reinhard Soppe: Deutsch-lateinisches Lexicon phraseologicum. Frankfurt 1751. 114. Benedikt Friedrich Nieremberger: Deutschlateinisches Wörterbuch. Regensburg 1753 [dt.-lat. Teil zu: Johann Heinrich Drümel: Lexicon manuale Latino-Germanicum & Germanico-Latinum]. 115. Johann Georg Samuel Bernhold: Zu gründlicher und vernünftiger Erlernung der Lateinischen Sprache eingerichtetes Wörterbuch. Onolzbach 1757 [s. Kap. 5.3]. 116. Paul Eugen Layritz: Lexikon Manuale. Halle 1760. 117. Conrad Gottlob Anton: Thesaurus linguae latinae usibus germanorum, Duabus Partibus Latino-Germanica Et Germanico-Latina. Leipzig 1774. 118. Christoph Keller (Cellarius): Latinitatis probatae et exercitae liber memorialis. Salzburg 1777.4

|| 4 Das lat.-dt. Wörterbuch Latinitatis probatae et exercitae liber memorialis von Christoph Cellarius erschien zuerst Merseburg 1689. Wolf vermutet, dass das genannt dt.-lat. Wörterbuch ein Anhang

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119. Carl Ludwig Bauer: Deutsch-lateinisches Lexicon. Breslau 1778 [s. Kap. 5.5]. 120. Immanuel Johann Gerhard Scheller: Ausführliches und möglichst vollständiges deutschlateinisches Lexicon oder Wörterbuch zur Übung in der lateinischen Sprache. Leipzig 11784 [31805] [s. Kap. 5.4]. 121. Johann Christoph Bremer: Europa Latina. Quedlinburg und Blankenburg 1785 [s. Kap. 5.10.1]. 122. Friedrich Gottlob Born: Lexicon Latinum et Theodiscum. Leipzig 1790. 123. Immanuel Johann Gerhard Scheller: Lateinisch-deutsches und deutsch-lateinisches Handlexicon vornehmlich für Schulen, Band 2: Zweyter oder deutsch-lateinischer Theil. Leipzig, 1. Aufl. 1792 [s. Kap. 5.4.3; seit 1807 von Lünemann, seit 1831/33 von Georges herausgegeben;]. 124. Johann Adam Schmerler: Lateinisch-deutsches und deutsch-lateinisches Wörterbuch. Erlangen 1794 [s. Kap. 5.10.2]. 125. Anon.: Kleines deutsch-lateinisches Wörterbuch für Anfänger in der lateinischen Sprache. Augsburg 1795 [s. Kap. 5.10.3]. 126. Karl Gottlieb Anton: Lexicon catholicon latinae linguae, Band 3: Allgemeines deutschlateinisches Wörterbuch. Leipzig 1796. 127. Georg Thomas Serz: Deutsche Idiotismen, Provincialismen, Volksausdrücke, sprüchwörtliche und andere Redensarten. Nürnberg 1797 [1820 neu von J. S. Meiner mit abweichendem Titel]. 128. Christian Gottlob Bröder: Lateinisch-deutsches und deutsch-lateinisches Taschenwörterbuch. Leipzig 11801, 51820. 129. Johann Gottfried Haas: Vollständiges lateinisch-deutsches und deutsch-lateinisches Handwörterbuch. Ronneburg und Leipzig 11804, 21808 [s. Kap. 5.10.2]. 130. Georg Heinrich Lünemann: Schellers lateinisch-deutsches und deutsch-lateinisches Handlexicon vornehmlich für Schulen, Zweyter oder deutsch-lateinischer Theil. Leipzig 1807 [s. Kap. 5.9; auf Grundlage von Scheller 1792 (s. Kap. 5.4.3); nach mehreren Auflagen später durch Georges 1831/1833 bearbeitet]. 131. Christian August Frege: Versuch eines allgemeinen botanischen Handwörterbuchs. Zeitz 1808. 132. Friedrich Rudolph Lenke: Neues deutsch-lateinisches Taschenlexicon für Schüler. Leipzig 1809. 133. Joseph Uihlein: Deutsch-lateinisches und lateinisch-deutsches Wörterbuch. Frankfurt am Main 1811 [s. Kap. 5.2.5; Bearbeitung von Bayer (zuerst 1724)]. 134. Adolf Holzmann: Neues und möglichst vollständiges Lateinisch-deutsches und Deutschlateinisches Taschenwörterbuch. Augsburg 1813. 135. Ernst Zimmermann: Kleines deutsch-lateinisches Wörterbuch in etymologischer Ordnung. Darmstadt 1814 [als zweiter Teil von Schellers Kleinem lateinischen Wörterbuch (zuerst 1779)]. 136. Franz Xaver Schönberger: Allgemeines lateinisch-deutsches und deutsch-lateinisches SchulLexikon für die Österreichischen Staaten, Band 3 [dt.-lat.]. Wien/Triest 1818–20 [s. Kap. 5.4.4; Wien, 3. Aufl. 1842 mit abw. Titel; abhängig von Scheller 1792 und Scheller/Lünemann 1807]. 137. Johann Friedrich Weingart: Lateinisch-Deutsches und Deutsch-Lateinisches Schul-Lexicon. Sondershausen 1819. 138. Friedrich Karl Kraft: Deutsch-lateinisches Lexikon. Stuttgart 11820/1821, 41843/1844 [s. Kap. 5.7 und 5.8; dazu Kraft/Forbiger 1826 und Forbiger 1856]. 139. Georg Heinrich Lünemann: Deutsch-Lateinisches Wörterbuch nach den klassischen Schriftstellern der Römer und den besten neuern Latinisten kritisch bearbeitet, Erster Theil (A–D). Göttingen 1821 [s. Kap. 5.9].

|| zur Salzburger Ausgabe (1777) sein könnte, s. Wolf, Richard: Cellarius, Christoph (1638–1707). [Unter: ; letzter Zugriff: 16.5.2022].

28 | Das Gesamtkorpus der deutsch-lateinischen Wörterbücher im Überblick

140. Ernst Friedrich Kärcher: Lateinisch-deutsches und deutsch-lateinisches Schul-Wörterbuch. Leipzig 1822. Deutsch-lateinisches Wörterbuch für Gymnasien. Leipzig, 2. Aufl. 1840 [s. Kap. 5.10.4]. 141. Lateinisch-deutsches und deutsch-lateinisches Schulwörterbuch, ca. 1823 [?]. 142. Ernst Friedrich Kärcher: Kleines deutsch-lateinisches Wörterbuch. Karlsruhe 1824. Kleines deutsch-lateinisches Schulwörterbuch. Stuttgart, 2. Aufl. 1836 [s. Kap. 5.10.4]. 143. Friedrich Karl Kraft / Albert Forbiger: Neues deutsch-lateinisches Handwörterbuch. Leipzig 1826 [vgl. Kraft 1820 und Forbiger 1856]. 144. Ernst Friedrich Wüstemann: Deutsch-lateinisches Handwörterbuch. Gotha 1826/1827 [s. Kap. 5.6 und 5.8]. 145. Albin Heinrich: Deutsch-lateinisches Wörterbuch als Ergänzungstheil zu Imm. Joh. Gerh. Schellers lateinischen Wörterbuche in etymologischer Ordnung. Teschen 1826 [s. Kap. 5.10.5]. 146. Karl Ernst Georges: Ausführliches deutsch-lateinisches Handwörterbuch. Leipzig 71882 [basierend auf Scheller (zuerst 1792), Scheller/Lünemann (zuerst 1807) und Georges (zuerst 1831/1833)]. 147. Felix Sebastian Feldbausch: Kleines deutsch-lateinisches Wörterbuch. Karlsruhe 11833, 2 1844, 31848 [s. Kap. 5.10.6]. 148. Georg Aenotheus Koch: Deutsch-lateinisches vergleichendes Wörterbuch der alten, mittleren und neuen Geographie. Leipzig 1835. 149. Friedrich Buchner: Droguen und Chemicalien Wörterbuch. Magdeburg 1839 [21849; 41890 von Georg Buchner]. 150. Otto Kreußler [lat.-dt.] / Johann Ernst Volbeding [dt.-lat.]: Kurzgefaßtes lateinisch-deutsches und deutsch-lateinisches Handwörterbuch. Leipzig 1841. 151. Gustav Eduard Mühlmann: Handwörterbuch der Lateinischen Sprache. Würzburg 1845. 152. Johann Friedrich Schmalfeld: Deutsch-lateinisches Taschenwörterbuch. Eisleben 1850. 153. H. Walpert: Alphabetisch‐synonymisches Wörterbuch der deutschen Pflanzennamen. Magdeburg 1852. 154. Christian Frederik Ingerslev: Lateinisch-deutsches und deutsch-lateinisches SchulWörterbuch, Band 2: Deutsch-Lateinisches Schul-Wörterbuch. Braunschweig 1853, 21855. 155. Wilhelm Freund: Deutsch-lateinisch-griechisches Schulwörterbuch. Berlin 1855. 156. Albert Forbiger: Deutsch-lateinisches Handwörterbuch. Stuttgart, 2. Aufl. 1856 [vgl. Kraft/Forbiger 1826]. 157. Karl Ernst Georges: Kleines deutsch-lateinisches Handwörterbuch. Hannover/Leipzig 1865 [von Heinrich Georges, 71910]. 158. Friedrich Adolph Heinichen: Deutsch-lateinisches Schulwörterbuch. Leipzig, 1. Aufl. 1866 u.ö. 159. Karl Ernst Georges: Lateinisch-deutsches und deutsch-lateinisches Schulwörterbuch. Leipzig 1 1877 [111929]. 160. Géza Kuun: Vocabularium Germanico-Latinum ex Codice cumanico Bibliothecae ad Templum Divi Marci Venetiarum. Budapest 1880. 161. Aenotheus Koch: Deutsch-lateinisches Taschenwörterbuch. Berlin 21883 [bis 20. Aufl. o. J.]. 162. Hermann Menge [lat.-dt.] / Otto Güthling [dt.-lat.]: Lateinisch-deutsches und deutschlateinisches Wörterbuch. Berlin-Schöneberg 31918 [11903/1907?]. 163. Jean Baptiste Pinth: Deutsch-Neulateinisches Wörterbuch. Luxemburg 1917. 164. August Stadler: Deutsch-lateinisches Schulwörterbuch. Bamberg 1929. 165. Albert Haemmerle: Alphabetisches Verzeichnis der Berufs- und Standesbezeichnungen vom ausgehenden Mittelalter bis zur neueren Zeit. München 1933. 166. Walter Gottschalk / Hans Weinert: Deutsch-lateinisches Schulwörterbuch. Leverkusen 11948. 167. Friedrich Adolph Heinichen / Herbert Zimmermann (Hrsg.): Deutsch-lateinisches Taschenwörterbuch für den Schulgebrauch. Stuttgart 1950 [= Der Taschen-Heinichen 2].

Das Gesamtkorpus der deutsch-lateinischen Wörterbücher im Überblick | 29

168. Otto Ernst Moll / Rudolf Dahms: Lateinisches Taschenwörterbuch, Teil II [deutsch-lateinisch]. Berlin/Stuttgart 1951. 169. Wilhelm Schöne: Deutsch-lateinisches Vokabular. Pößneck 11951. 170. Albert Sleumer: Deutsch-Kirchenlateinisches Wörterbuch. Bonn 31962. 171. Hermann Menge: Langenscheidt Taschenwörterbuch Latein, Deutsch-Lateinisch. Berlin/München 11963 [1999]. 172. Amleto Tondini / Tommaso Mariucci: Lexicon novorum vocabulorum. Rom/New York 1964 [u.a. mit deutschem Index]. 173. Guerino Pacitti: Piccolo lessico per un congresso internazionale dedicato al latino. Rom 1966. 174. Karl Berger / Günter R. W. Arnold: Mykologisches Wörterbuch. Jena 1980. 175. Christian Helfer: Lexicon auxiliare – Ein deutsch-lateinisches Wörterbuch. Saarbrücken 21985; 3 1991. 176. Melissa: Modernes lateinisches Kleinhandwörterbuch: Deutsch-Lateinisch. Brüssel 1988. 177. Gerhard Köbler: Althochdeutsch-neuhochdeutsch-lateinisches Wörterbuch. 3. Aufl. 1991 [verschiedene Online- und Print-Ausgaben]. 178. Sigrid Albert: Cottidianum vocabularium scholare. Saarbrücken 1992. 179. PONS Standardwörterbuch Latein, lateinisch-deutsch, deutsch-lateinisch. Stuttgart 1992 [verschiedene Drucke bis 2007]. 180. PONS Praxiswörterbuch Latein, Latein-Deutsch, Deutsch-Latein. Stuttgart 1993 [verschiedene Bearbeitungen bis 2008]. 181. Sigrid Albert: Imaginum vocabularium Latinum [deutscher Index]. Saarbrücken 1998. 182. Karl Egger u.a.: Neues Latein-Lexikon – Lexicon recentis latinitatis. Bonn 1998 [ital. Rom 1992]. 183. PONS Schülerwörterbuch Latein, Latein-Deutsch, Deutsch-Latein. Stuttgart 2001 [versch. Bearbeitungen bis 2012]. 184. Hans Meier: Medizinisches Wörterbuch: Deutsch-Latein. Regensburg 2004. 185. Albert J. Urban: Latein-Wörterbuch. Erftstadt 2005. 186. Peter Lichtenberger: Die lateinischen Ortsnamen des Bezirkes Perg in OÖ [...] Deutsch-Latein und Latein-Deutsch. Linz 22006. 187. Johann Paul Bauer: Wörterbuch der heutigen Rechts- und Politiksprache. Lexicon terminorum iuridicorum et politicorum nostrae aetatis. Deutsch-Latein. Theodisco-Latinum. Saarbrücken 2008. 188. Robert Maier: Latein-Deutsch – Visuelles Wörterbuch. London u.a. 2010 [deutscher Index]. 189. Gerhard Köbler: Lateinisches Abkunfts- und Wirkungswörterbuch für Altertum und Mittelalter 2010 (online). 190. PONS Basiswörterbuch Latein-Deutsch, Deutsch-Latein. Stuttgart 2010. 191. Fritz Losek / Sigrid Bohrmann: Stowasser primus. München 2010. 192. Langenscheidt, Schulwörterbuch Latein: Latein-Deutsch, Deutsch-Latein. München/Wien 2015. 193. Oleg Nikitinski: Lateinische Musterprosa und Sprachpflege der Neuzeit (17.–Anfang des 19. Jhs.) – Ein Wörterbuch. Leiden 2017 [dt.-lat. Index]. 194. Peter Lichtenberger: Lexicon Latinum Hodiernum. 1994–2022 [online: http://www.lateinlexikon.com/ (letzter Zugriff: 16.5.2022).

3 Deutsch-lateinische Wörterbücher vor 1750 3.1 Von den Anfängen bis zu den humanistischen Wörterbüchern Dieses Kapitel beschäftigt sich in summarischer Weise mit den ersten drei der im Vorkapitel genannten Zeiträume, also mit der Zeit bis etwa 1750. Für diese Zeit besteht die wichtigste Erkenntnis in der folgenden Tatsache: „Lateinische Lexikographie steht […] am Anfang der Lexikographie des Deutschen überhaupt und hatte bis zur Zeit der beweglichen Lettern eine schon mehr als 600-jährige Geschichte“.1 Dies gilt nicht nur für die mittelalterlichen Vokabularien, sondern – wie wir im zweiten Teil des Kapitels 3 sehen werden – in gewisser Weise auch für sprachnormierende Werke wie das Grimm’sche Wörterbuch. Die Entwicklung der Wörterbücher mit deutschsprachigem Teil, also Deutsch als Zielsprache, beginnt im frühen Mittelalter mit glossographischen Erklärungen zu lateinischen Autoren und zur Bibel. Als erstes deutsches Buch und Wörterbuch zugleich, sogar als „Beginn der deutschen Literaturgeschichte“2 und der deutschen Sprachwissenschaft gilt das alphabetisch geordnete lateinisch-althochdeutsche Glossar mit Namen Abrogans (Cod. Sang. 911, um 790). Die Frühphase der deutsch-lateinischen Wörterbücher besteht aus zwei Einheiten: (1) von den Anfängen im späten 14. Jahrhundert bis ins erste Viertel des 16. Jahrhunderts (die spätmittelalterlichen Vocabularii), (2) daran anschließend die humanistische Lexikographie, dominiert durch Dasypodius 1536, Frisius 1556 und Josua Maalers Die Teütsch spraach (1561) und gekennzeichnet durch die Herausgabe von Nomenclatoren (wie von Emmel 1592) und vielen drei- und mehrsprachigen Wörterbücher (die polyglotten Calepinusausgaben3, Emmel 1586). In diesem Kapitel können nur die wichtigsten lexikographischen Entwicklungsstufen und die dazu gehörigen Wörterbücher knapp zusammengefasst werden. Für eine genauere Auseinandersetzung sei auf Peter O. Müllers 2001 erschienene Monographie mit dem Titel „Deutsche Lexikographie des 16. Jahrhunderts“ verwiesen. Im Vergleich zu lateinisch-deutschen war die Anzahl deutsch-lateinischer Glossare des Spätmittelalters gering.4 Sie entstanden hauptsächlich im Umkehrverfahren aus lateinisch-deutschen Glossaren, wobei „sie ihre Existenz also dem Interesse am Lateinischen, nicht am Deutschen verdanken“5. Das Auftreten deutsch-lateinischer Wörterlisten deutet Grubmüller (1986) als Auftakt des Prozesses des Monopolverlusts des Lateinischen als Bildungssprache:

|| 1 Hellmann 2002: 56. 2 Krömer 1990: 1714. 3 Zu den polyglotten Calepinus-Ausgaben s. Müller 2001: 117ff. 4 Müller 2001: 160. 5 Grubmüller 1986: 153; vgl. auch De Smet 1986: 59; Müller 2001: 278–279; Müller 2002: 203ff. https://doi.org/10.1515/9783110771770-003

Von den Anfängen bis zu den humanistischen Wörterbüchern | 31

Denn das steigende Angebot an deutsch-lateinischen Vokabularien sei „Zeugnis dafür, daß nun nicht mehr nur das unmittelbare Verständnis lateinischer Schriften durch deutsche Worterklärungen angestrebt wird, sondern daß auch der Weg vom Deutschen ins Lateinische in den Blick tritt“6. Nun beginnt die Geschichte der Wörterbücher, die dem Erlernen des Lateinischen über den Umweg des Deutschen dienen. Diese treten an die Seite jener, die dem Verständnis lateinischer Lektüretexten dienten. Für die Verbreitung deutschlateinischer Glossare war die Erfindung des Buchdrucks und auch die Verbesserung des Lateinunterrichts und des Bildungswesens samt des Bedeutungszuwachses der deutschen Sprache dienlich, die von Reformatoren und Humanisten gefördert wurde.7 Das erste deutsch-lateinische Glossar, nach seinem ersten Eintrag Abgrúndeprofundum-Glossar benannt, entstand im dritten Viertel des 14. Jahrhunderts im Umfeld von Fritsche Closener, einem Straßburger Kleriker, und enthält nur Nominalia.8 Anspruchsvoller und größer war der sogenannte Vocabularius theutonicus, entstanden kurz vor 1400:9 Er weist über 4000 Einträge auf und war im Mittelalter mit 14 Handschriften als einziges in größerem Umfang verbreitet. Im 16. Jahrhundert gab es zudem ca. 1509 in Münster bei Lorenz Bornemann einen Druck mit dem veränderten Titel Vocabularius in quo. In der Folge wird der Vocabularius theutonicus durch andere umfangreiche alphabetische Vokabularien rezipiert (Baseler Vokabular, Stralsunder Vokabular, Theutonista und Rusticanus terminorum).10 Gerard van der Schueren (1411–um 1490), Sekretär der Herzöge von Kleve, war der erste, der den deutsch-lateinischen Teil an den Anfang seines Wörterbuchs Vocabularius qui intitulatur Theutonista vulgariter dicendo der Duytschlender (gedruckt in Köln 1477) stellte – eine eher ungewöhnliche Praxis, die sich später etwa auch im Paedagogus Latinus (zuerst 1724) des Jesuiten Jakob Bayer findet. In der spätmittelalterlichen Phase finden sich neben diesen Vokabularien weitere Umkehrlexika, wie der Vocabularius incipiens teuthonicum ante latinum (Speyer, ca. 1482, t.a.q.; acht Drucke bis ca. 1500) gedruckt bei Peter Drach (1455–1504), der nur unwesentliche veränderte Nachdruck davon mit dem Titel Vocabularius

|| 6 Grubmüller 1986: 153. 7 Vgl. De Smet 1986: 59. 8 S. Müller 2001: 160; Grubmüller 1990: 2042; Kirchert, Klaus / Klein, Dorothea (Hrsg.) (1995): Die [lat.-dt.] Vokabulare von Fritsche Closener und Jakob Twinger von Königshofen. Überlieferungsgeschichtliche Ausgabe. Bd. I: Einleitung, Text A–Im, Bd. II: Text In–Z, Bd. III: Register. Tübingen: Niemeyer. 9 S. Müller 2001: 160–161; Grubmüller 1990: 2042; eine digitale, durchsuchbare Datenbank: Vocabularius Theutonicus online [; letzter Zugriff: 24.3.2022]. 10 Vgl. Müller 2001: 163–164

32 | Deutsch-lateinische Wörterbücher vor 1750

primo ponens dictiones teuthonicas (Straßburg 1515)11 und der Vocabularius in quo (Münster 1509). Unklar ist, ob der Rusticanus terminorum oder der Vocabularius incipiens teuthonicum ante latinum den Rang des ersten gedruckten deutschlateinischen Wörterbuchs innehat.12 Das didaktische Ziel, nämlich die Verbesserung der Lateinkenntnisse, ist allen gemeinsam. Wie unselbständig und unhandlich diese nur durch Umkehrung entstandenen deutsch-lateinischen Vokabularien sind, zeigen folgende Lemmata aus dem Rusticanus terminorum: Stat do man meisterliche rede lernet (Bl. ee VIIv; dydascolion), Stat oder dorff. dauon aristoteles geporn ist (Bl. ee VIIIr; strageria), Stat des ertzbistumbs in cilicia (ebd.; tarsum), Steyler gryffel (Bl. ff. Ir; pugillaris).13 Diese Einträge sind nur als Interpretamente der lateinischen Lemmata, nämlich dydascolion, strageria, tarsum und pugilaris, aus dem lateinisch-deutschen Teil zu verstehen. Bei der Umkehrung wurden Lemma und Interpretament einfach vertauscht. Die aktive Sprachbeherrschung des Lateinischen im Geiste der klassischen und von nun an wieder stilbildenden Autoren der Antike rückt mit dem Humanismus in den Mittelpunkt. Dementsprechend begann auch eine neue Zeit der Lexikographie überhaupt: Wörterbücher entstehen mit höherem Anspruch und kaum zu vergleichen mit den bis dahin verwendeten Wörterlisten. Ziel der humanistischen Werke war eine „Schullexikographie“14 vor allem zur Verbesserung des lateinischen Ausdrucks. Basis war das Studium der Quellen, das heißt der optimi auctores. Das Exzerpieren schlägt sich in den Wörterbüchern häufig durch die Angabe der Autoren oder der Belegstellen nieder. Die Sprachpflege des Lateinischen und allmählich auch des Deutschen ist das erklärte Ziel der Lexikographie. Doch bis ins 16. Jahrhundert erscheint das Deutsche, wie erwähnt, nicht als Ziel-, sondern als Brückensprache, fast ausschließlich dem Erlernen der lateinischen Sprache dienend, insbesondere auch in den Werken mit deutschen Lemmata.15 Die zwei wichtigsten und für die späteren Wörterbücher maßgeblichen lateinischen Lexika des Humanismus sind das ursprünglich rein-lateinische Dictionarium des Ambrosius Calepinus (zuerst 1502, später als polyglottes Wörterbuch häufig bearbeitet) und das lateinisch-französische Dictionarium seu Latinae linguae Thesaurus von Robertus Stephanus/Estienne (1531). Der Name Calepinus wurde aufgrund der weiten Verbreitung des Wörterbuchs metonymisch auch für lateinische Wörterbücher im Allgemeinen gebraucht.16 Von mindestens einem dieser zwei Wörterbücher sind auch die beiden maßgeblichen Schulwörterbücher der Zeit abhängig: Das Dictionarium latinogermanicum || 11 S. Müller 2001: 164–165. 12 Vgl. Müller 2001: 164, Anm. 126. 13 Bsp. nach Grubmüller 1986: 153; s. auch Grubmüller 1990: 2042. 14 Müller 2001: 539; s. auch Szlęk 1999: 24–25. 15 Vgl. Müller 2001: 278–279. 16 Vgl. Niedermayr 2017: 71.

Von den Anfängen bis zu den humanistischen Wörterbüchern | 33

(1535) aus der Hand des Petrus Dasypodius (Peter Hasenfratz17, etwa 1490–1559), eines der im protestantischen Straßburg dieser Zeit angesehensten Persönlichkeiten. Es ist „d a s Schulwörterbuch des Jahrhunderts“.18 Nach seiner Zeit als Pastor und Lehrer in Zürich, wohin ihn 1527 Zwingli berufen hatte und das er nach der Schlacht bei Kappel (1531) verlassen musste, unterrichtete Dasypodius in Straßburg von 1538 an unter der Ägide von Johannes Sturm auch in den höheren Jahrgangsstufen des Gymnasium Argentinense. Zunächst nur lateinisch-deutsch, erschien das von Jakob Grimm als „das erste namhafte hochdeutsche wörterbuch“19 bezeichnete Werk seit 1536 auch mit deutsch-lateinischem Teil, seit der Ausgabe von 1537 mit dem Titelzusatz et vice versa germanicolatinum, ex optimis Latinæ linguæ scriptoribus concinnatum. Der Untertitel des deutsch-lateinischem Teils lautet: Dictionarium Germanicolatinum in usum et gratiam Germanicæ pubis summa diligentia concinnatum. Dass Dasypodius zum ersten Mal in der Geschichte der deutsch-lateinischen Wörterbücher für seinen Titel nicht mehr den mittelalterlichen Terminus Teuthonicum oder ähnliches gebraucht, sondern die seit Anfang des 16. Jahrhunderts bis etwa 1530 sich durchsetzende Bezeichnung Germanicum, ist das sinnfällige Zeichen des Wandels deutschen Sprachbewusstseins (unter anderem im Zeichen der Wiederauffindung der taciteischen Germania) und für die humanistische Abwendung vom unreinen Latein des Mittelalters.20 Das Wörterbuch ist mit seinem Bekenntnis zur Benutzung von auctores latinae linguae probi ein entschiedener „Bruch mit der mittelalterlichen Vokabulartradition“, die es überflüssig machen wollte.21 Die hohe Auflagenzahl des Dasypodius verbildlicht dessen großen Einfluss auf die Lexikographie des 16. Jahrhunderts.22 Der deutsch-lateinische Teil (erarbeitet nach der Ausgabe von 1536) ist noch der mittelalterlichen Umkehrlexikographie verpflichtet.23 So findet man die Einträge „Breutgam/Nymphus, lat. Sponsus“ und „newer Breutgam/Neonymphus“ – ein in der Antike nicht belegtes griechisches Fremdwort – genauso im lateinisch-deutschen Teil als Sublemma unter Nympha. Der Eintrag „eyn Breutgamführer/Auspex, Para|| 17 Ketteler 2008: 431; „was Hase oder Häslein sein wird, bei ihm selbst steht geschrieben […] hasz, häszlin, […] haas dasypus“ (Jacob Grimm in seiner Vorrede zum Deutschen Wörterbuch, Bd. 1, Leipzig 1846, Sp. 20). Zu Dasypodius und seinem Wörterbuch s. auch Schirokauer, Arno (1987): Studien zur frühneuhochdeutschen Lexikologie und zur Lexikographie des 16. Jahrhunderts. Heidelberg: Winter; West, Jonathan (1989): Lexical Innovation in Dasypodius’ Dictionary, Berlin/New York: De Gruyter; Müller 2001: 62–73, 203–209; Kettler 2008: 430ff.; Niedermayr 2017: 80–83 und Müller 2018. 18 De Smet 1986: 61. 19 DWB, Vorwort, Bd. 1 (1854): Sp. XX. 20 Vgl. De Smet 1986: 60 und De Smet 1984; Grubmüller 1986: 157–158. 21 Grubmüller 1990: 2045. 22 Vgl. Müller 2001: 69–70. 23 Vgl. Grubmüller 1990: 2045.

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nymphus“ ist eine Kürzung von „Paranymphus, Der breutgamführer/der obmann auff der hochzeit/ oder brautlauff/ lat. Auspex“.24 Das Lemma verSuchung/Experientia, Experimentum, Periculum ist zusammengesetzt aus den entsprechenden Einträgen des lateinisch-deutschen Teils (unter experior bzw. periculum) usw. Insgesamt hält sich Dasypodius bei der Umsetzung eng an seine lateinischdeutsche Vorlage und hat in größerem Umfang wohl keine zusätzlichen Quellen ausgewertet.25 Das zweite wichtige Schulwörterbuch dieser Zeit ist „Der Kleine Fries“, das Novum Dictionariolum puerorum Latinogermanicum et e diverso Germanicolatinum (1556). Es handelt sich dabei um das erfolgreichste Wörterbuch aus der Hand des Johannes Frisius (1505–1565), Schüler von Huldrych Zwingli und Lehrer in Basel und Zürich. Begonnen hatte Fries seine lexikographische Tätigkeit mit der Übersetzung des Dictionarium Latinogallicum von Stephanus, das er um etwa ein Fünftel des bestehenden Wortmaterials erweiterte:26 Das Dictionarium Latino-Germanicum, auch „Der Große Fries“ genannt, wurde 1541 zusammen mit Petrus Cholinus herausgegeben, seit 1556 von Fries allein bearbeitet. Hier werden die französischen Interpretamente von Stephanus einfach durch deutsche ersetzt.27 Der Große Fries hat keinen eigenen deutsch-lateinischen Teil; Josua Maaler, wie Fries aus Zürich, hat später sein Wörterbuch Die Teütsch spraach (Zürich 1561; s.u.) als Umkehrung des Großen Fries erstellt. „Der Kleine Fries“ entstand unter Mitarbeit eines Schülers namens Johannes Christophorus von Rotberg, der den deutsch-lateinischen Teil als Umkehrung des Dictionariolum puerorum Latinogermanicum verfasste. Dabei hat von Rotberg die Artikel teils deutlich gekürzt,28 teils auch aus dem lateinisch-deutschen Großen Fries ergänzt. Der Kleine Fries erlebte noch bis 1750 zahlreiche Bearbeitungen und Drucke. Zur weiteren Entwicklung des Kleinen Fries und Dasypodius, die lange zueinander in einer gewissen Konkurrenz um die Position als führendes Schulwörterbuch standen, siehe unten das Kapitel 4.4. Einen eigenen Index Germanicolatinus (abhängig vom deutsch-lateinischen Teil des Dasypodius) hat das 1586 in Straßburg erschienene Lexicon trilingue, ex Thesauro Roberti Stephani et Dictionario Ioannis Frisii summa fide ac diligentia collectum (Latein, Griechisch, Deutsch) von David Schelling und Helfricus Emmel, wobei Em-

|| 24 Paranymphus ist in der christlichen Literatur der Spätantike belegt. Zitate nach Dasypodius 1537. 25 Genaueres zur Problematik des Umkehrens bei Dasypodius s. Müller 2001: 203–209; zur Abhängigkeit des lat.-dt. Teils von Calepinus Müller 2001: 66. 26 Zu Fries und seinen Wörterbüchern s. Müller 2001: 78–84, 102–117, 209–213; Kettler 2008: 487ff.; Niedermayr 2017: 83–88. 27 Vgl. Grubmüller 1990: 2045. 28 Der Umfang des deutsch-lateinischen Teils macht nach Müller 2001: 211 nur 40 Prozent des lateinisch-deutschen Teils aus (bei Dasypodius liegt dieses Verhältnis bei 70 Prozent).

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mel die beiden Indices erstellt hat (deutsch-lateinisch und griechisch-lateinisch).29 Der Verleger Rihel aus Straßburg hat das Lexicon als verbesserte Fortführung des Großen Fries konzipiert, Johannes Sturm steuerte das Vorwort bei. Neben Dasypodius und Frisius ist ein weiterer Lexikograph hervorzuheben, der ein maßgebliches und lange Zeit verwendetes Wörterbuch geschaffen hat. Es handelt sich um den lange ohne deutsch-lateinischen Teil erscheinenden Thesaurus eruditionis scholasticae des sächsischen Pädagogen Basilius Faber (um 1520–um 1576), zuerst erschienen 1571/1572 in Leipzig.30 Nominell für die Schule geschrieben, kann es doch als Wörterbuch mit wissenschaftlicher Ausrichtung bezeichnet werden.31 Zwar werden deutsche Übersetzungen der lateinischen Belege gegeben, doch andere Erklärungen sind auf Latein. Faber schreibt in der Vorrede des Wörterbuchs, er beabsichtige nicht nur ein Dictionarium durch Aufzählen der Wortbedeutungen zusammenstellen; vielmehr wolle er die jedem einzelnen Begriff eigenen sprachlichen Feinheiten erklären (quid in unaquaque voce proprietatis inesset atque elegantiae). Diesem Anspruch eines Thesaurus entspricht, dass sich Faber für sein Wörterbuch eher einen Leser denn einen Benutzer wünscht, der nur bei zweifelhaften Bedeutungen im Wörterbuch nachschlägt.32 Die Absicht, mehr als nur ein Nachschlagewerk zu schaffen, zielt auf die Pflege der aktiven Sprachkompetenz der lateinischen Sprache in Verbindung mit der Vermittlung von Bildung. Hauptquelle des Thesaurus ist laut Faber das Wörterbuch von Caelius Secundus Curio (1503– 1569) mit dem Titel Thesaurus linguae Latinae sive Forum Romanum (Basel 1561), das wiederum auf den Thesaurus des Stephanus zurückgreift. Fabers Werk blieb die nächsten beiden Jahrhunderte eines der wichtigsten Schulwörterbücher. Es folgten zahlreiche Bearbeitungen namhafter Latinisten bis ins 18. Jahrhundert hinein. Ein deutsch-lateinischer Index erschien, wenn ich mich nicht irre, allerdings erst 1686 als Anhang an die Bearbeitung durch Christophorus Cellarius (1638–1707), einem Hallenser Rhetorikprofessor. Dieser bearbeitete drei Ausgaben (1686, 1692, 1696). Dass sich schließlich auch der Leipziger Professor und Rektor der Thomasschule Johann Matthias Gesner (1691–1761) 1726 und 1735 (in zwei Bänden) der Herausgabe des Thesaurus eruditionis scholasticae annahm, zeigt die Bedeutung des Werkes. Gesner baute auf die Vorarbeit einer Reihe teils ebenfalls nicht unbedeutender Philologen: Vor Cellarius waren dies August Buchner (1591–1661), Rhetorikprofessor in Wittenberg, später Johann Georg Graevius33 (1632–1703), Herausgeber und Kommentator antiker Autoren und Nachfolger von Gronovius in Deventer als Professor,

|| 29 Zum Lexicon trinlingue s. Müller 2001: 13; 135–143 und Kettler 2008: 956–1010. 30 Zu Fabers Wörterbüchern s. Müller 2001: 84–88 (Epitome), 128–135; Niedermayr 2017: 89–92. 31 Vgl. Müller 2001: 128–129. 32 Vgl. Müller 2001: 130. 33 S. Leonhardt, Jürgen: Graevius, Johann Georg, in: Kuhlmann/Schneider 2012, 488–489.

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und zuletzt Andreas Stübel34 (1653–1725), Philologe und für einige Jahre Konrektor der Thomasschule in Leipzig, bis er aufgrund seiner chiliastischen Haltung35 seines Amtes unter gleichzeitiger Weiterzahlung des Lohnes enthoben wurde. Der vollständige Titel der Gesnerschen Ausgabe lautete in der (lateinisch-deutschfranzösischen) Fassung von 1735: Basilii Fabri Sorani Thesaurus eruditionis scholasticӕ omnium usui et disciplinis omnibus accommodatus post celeberrimorum virorum Buchneri, Cellarii, Graevii, operas et adnotationes et multiplices Andreae Stübelii curas iterum recensitus, emendatus, locupletatus a Io. Matthia Gesnero. Accessit primum hac editione verborum et formularum interpretatio Gallica. Prostat Lipsiae, M DCC XXXV.

Der Titel des deutsch-lateinischen Teils lautet: Index Germanico-Latinus Rerum, vocabulorum, phrasium, descriptionum & locutionum proverbialium, accesionibus jam auctus cumulatissimis.

Zur Vermeidung unnötiger Weitläufigkeit beschränke sich der Index, so die kurze Vorbemerkung, auf die genaue Übersetzung der einzelnen Worte. Man solle auf den lateinisch-deutschen Teil zurückgreifen, wolle man Genaueres über die Verwendung oder die Güte des jeweiligen lateinischen Wortes erfahren. Auffällig ist, dass die letzte Ausgabe des Faberschen Wörterbuchs im Jahre 1749 (herausgegeben von Johann Heinrich Leich, 1720–1750) gedruckt wurde, also ein Jahr vor dem letzten Druck des Kleinen Fries. Man kann also davon ausgehen, dass diese Generation von Wörterbüchern auch nach 1750 noch eine Weile im Gebrauch war, bis sie durch eine neue Wörterbuchgeneration abgelöst wurde. Parallel wurden die Wörterbücher etwa von Hederich, Weismann (zuerst im 17. Jahrhundert) und Kirsch (18. Jahrhundert) genutzt; sie seien in Norddeutschland teils noch Anfang des 19. Jahrhunderts in Gebrauch gewesen, wie Kraft berichtet (s.u.). Die neue Generation von Wörterbüchern kann man mit den Werken von Bauer und Scheller an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert ansetzen. Mit ihnen hat die deutsch-lateinische Lexikographie eine neue Entwicklungsstufe erreicht. Nicht minder auffällig als das Datum der Letztdrucke von Fries und Faber ist, dass die genannten deutsch-lateinischen Wörterbücher von Dasypodius, Fries und Faber mitsamt ihren Bearbeitern in einem kulturellen Umfeld entstanden sind, das konfessionell eindeutig geprägt war (u.a. Zürich, Straßburg, Leipzig): Sämtliche Lexikographen sind Protestanten (s. auch Kap. 4.4).36 Dies hängt unter anderem

|| 34 S. Koldewey 1893. 35 Das heißt die Erwartung des Tausendjährigen Reiches nach der Wiederkunft Christi. 36 Über das Leben von Schelling und Emmel ist nur wenig bekannt, letzterer war nach Müller (2001: 135, Anm. 95) in späteren Zeiten Schulrektor in Alzenau in Unterfranken, das – so zumindest der entsprechende Eintrag bei Wikipedia [unter: ; letzter

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sicherlich auch mit der starken Aufwertung des Deutschen durch die Reformation zusammen. Kurz erwähnt sei die deutsch-lateinische Sachgruppenlexikographie: Hier sind die Lemmata nicht rein alphabetisch angeordnet, wie bei den bisher genannten Wörterbüchern, sondern thematisch. Hierzu zählen die beiden lateinisch-deutschen und deutsch-lateinischen Nomenklatoren von Dasypodius und Frisch sowie der viersprachige Nomenklator von Emmel (ca. 1592)37. Thematisch geordnet ist auch das berühmte Ianuae Linguarum Reseratae Vestibulum germanico-latinum von Comenius im 17. sowie die Amalthea Germanica et Latina des Jesuiten Franz Xaver Kropf im 18. Jahrhundert. 2010 erschien Robert Maiers Visuelles Wörterbuch, das den deutsch-lateinischen Wortschatz allerdings nur durch den angehängten Index erschließt.

3.2 Deutsch-lateinische Wörterbücher als Wörterbücher der deutschen Sprache Klaus Grubmüller hat 1986 in seinem Aufsatz „Vokabular und Wörterbuch – Zum Paradigmawechsel in der Frühgeschichte der deutschen Lexikographie“ die Entwicklung beschrieben, die zur allmählichen lexikographischen Erschließung des Deutschen geführt hat. Es erscheint dabei als paradox, dass die Wörterbücher, die sich bis ausschließlich Adelung der Sammlung des deutschen Wortschatzes gewidmet haben, nicht einsprachig sind: „Die Interpretiersprache bleibt das Latein“, so de Smet zu Maalers Wörterbuch.38 So erläutert selbst Grimm noch das Lemma anvatern mit „patrisare, bei Ducange patrixare, patrizare, imitari patrem“39, bacharm mit egenus rivorum40 immerhin versehen mit einem Goethe-Zitat, degler oder digler heißt lediglich terebra gallica41. Wissenschaftliche Werke wie das Deutsche Wörterbuch hatten sich eben an die Wissenschaftssprache schlechthin zu halten.42 Das Festhalten an der lateinischen Erläuterungssprache in der deutschen Lexikographie hat eine lange Tradition, beginnend mit den oben erwähnten Wörterlis-

|| Zugriff: 24.3.2022] – überwiegend katholisch geprägt war. Seine Herkunft aus Wohnbach im Wetteraukreis (Hessen) lässt allerdings auf eine lutherische Situierung schließen. Wohnbach war 1545/1548 zum evangelischen Bekenntnis gewechselt, vgl. Wikipedia [unter: ; letzter Zugriff: 24.3.2022]. 37 S. Müller 2001: 384–389. 38 Smet, Gilbert de: „Wörterbücher“. In: Kanzog/Masser 1984: 941. 39 DWB Bd. 1, Sp. 511. 40 DWB Bd. 1, Sp. 1060. 41 DWB Bd. 2, Sp. 901; s. auch Degeler, Bd. 2, Sp. 895. 42 Vgl. Grubmüller 1986: 151.

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ten des Spätmittelalters und den Wörterbüchern der Humanisten. Diese sind am Lateinischen ausgerichtet und lediglich Umsortierungen des lateinisch-deutschen Teils, wie etwa bei Closener, dem Rusticanus terminorum und bei Dasypodius. In dieser Tradition stehen größtenteils auch die Wörterbücher des 17. und 18. Jahrhunderts, die zwar formal als deutsch-lateinische Wörterbücher gelten, deren implizites oder sogar vorrangiges Ziel jedoch die Erfassung und Erforschung der zeitgenössischen deutschen Sprache war. Dazu gehören insbesondere die Autoren Maaler, Stieler, Steinbach, Frisch, teilweise auch Henisch und schließlich sogar das Grimm’sche Wörterbuch. Die Kodifizierung der deutschen Sprache ist also eng mit der Geschichte der deutsch-lateinischen Wörterbücher verknüpft. Dass Latein zur Kommentierung deutscher Lemmata gebraucht wird, war für die Autoren eine aus Tradition und Konvention erwachsene Selbstverständlichkeit, von der sich die deutsche Lexikographie spätestens im 19. Jahrhundert zunehmend löste. Bereits in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts nimmt das Deutsche eine dominante Rolle bei den Titeln und Vorreden der deutsch-lateinischen Wörterbücher ein, während zuvor beide Sprachen in gleichem Maße verwendet werden (Genaueres s. in Kapitel 3.1.). So finden sich vor 1750 noch deutsch-lateinische Titelblätter, teils auch rein lateinische Vorreden. In Frischs Wörterbuch von 1741, dominiert bereits das Deutsche und ist die einzige Wörterbuchsprache. Nur nebenbei sei bemerkt, dass schließlich die zur Jahrhundertwende verfassten Wörterbücher der deutschen Sprache Johann Christoph Adelungs Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart (1793–1801) sowie Joachim Heinrich Campes Wörterbuch der Deutschen Sprache (1807–1811) ohnehin fast durchgängig deutschsprachig gehalten sind. Der protestantische Pfarrer Josua Maaler oder Pictorius (1529–1599) – wie Johannes Fries unter anderem in Zürich tätig – ist der erste Lexikograph, der aus dem Schatten des Lateinunterrichts heraustritt. Dies gilt jedoch nur mit großen Einschränkungen. Am Titel Die Teütsch spraach (Zürich 1561) lässt sich die intendierte Programmatik ablesen: Maalers Wörterbuch steht nominell „zum ersten Mal nicht mehr allein im Dienste des Lateinverständnisses“, sondern möchte den Reichtum der deutschen Sprache dokumentieren und damit die Volkssprache fördern.43 Von Grimm wird es gar als „das erste wahrhafte deutsche wörterbuch“44 bezeichnet. Maaler selbst markiert im deutschen Untertitel die vermeintliche Neuartigkeit seines Unterfangens: Die Teütsch spraach. Alle wörter, namen und arten zuo reden in Hochteütscher spraach, dem ABC nach ordenlich gestellt unnd mit guotem Latein gantz fleissig unnd eigentlich vertolmetscht, dergleychen bißhär nie gesähen / Dictionarium germanicolatinum novum. Hoc est, Lin-

|| 43 Maaler 1561, Gilbert de Smet 1971 (Hrsg.): Einführung zum Nachdruck: XIII; s. auch Müller 2001: 214–224; Kettler 2008: 594–626. 44 DWB, Vorwort, Bd. 1 (1854): Sp. XXI.

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guae Teutonicae, superioris [gemeint ist wohl die genannte Hochteütsche spraach] praesertim, thesaurus: in quo omnes ferè Germanicae dictiones atque locutiones ordine Alphabeti enumerantur, & Latinè ex probatissimis authoribus, quàm propriissimè purissimeque redduntur.

Der Titel hebt als besondere Neuartigkeit („dergleychen bißhär nie gesähen“) die alphabetische Reihung und die Orientierung an der guten Latinität hervor (Latinè ex probatissimis authoribus, quàm propriissimè purissimeque redduntur). Zwar scheint die Ausrichtung an den klassischen Autoren nach dem Titel des Werks nur ein Nebeneffekt zu sein. Doch in Wirklichkeit ist die starke Gewichtung, die die deutsche Sprache im Titel erhält, lediglich als Vision des Autors zu betrachten: Das patriotische Pathos, die Ankündigung des Titels sowie die programmatische Vorrede des ebenfalls in Zürich tätigen Conrad Gessner (oder Gesner, 1516– 1565) mit der Vision eines Thesaurus der deutschen Sprache, steht, so Grubmüller, in auffälligem Gegensatz zur tatsächlichen Gestalt des Wörterbuchs.45 Denn es entspricht mittelalterlicher Praxis, dass Maaler lediglich eine Umkehrung des Großen Fries (Dictionarium Latino-Germanicum von 1556) vornimmt und nur zu diesem Zweck die deutschen Begriffe den lateinischen vorangestellt und sie dann nach dem Alphabet geordnet hat – […] ita ut Germanica Latinis præponeret, & in alphabeticum rursus ordinem redigeret, idque non sine iudicio & delectu, ut si quæ uel redundare, uel linguæ nostræ parum conuenire iudicaret, etiamsi prius in Latinis interpretandis locum habuissent, omitteret.46 Somit ist Maaler mittelbar abhängig von Friesens Dictionarium Latinogallicum.47 Die im Großen Fries fehlenden Artikel hat Maaler aus dem Kleinen Fries ergänzt.48 Grubmüller (1986) spricht von der „Verbindung von neuem Anspruch [eines Thesaurus] und konservativem Verfahren“, was zum „Verfehlen des propagierten lexikographischen Zieles“ führt.49 Er erklärt, dass hier die Programmatik den realen Möglichkeiten der Umsetzung weit vorausgeeilt ist und dass der tatsächlich erfolgte Paradigmenwechsel erst allmählich wirksam werden konnte.50 Nach Müller (2001) gehe aus „Gessners Leservorrede […] sehr deutlich hervor, daß Maalers Werk [bereits beim Erscheinen] lediglich als Kompromißlösung betrachtet wurde“51. Das eigenständige Exzerpieren von Quellen kommt erst später auf, etwa bei Henisch oder Stieler. „Es ist symptomatisch für die deutsche Sprachsituation um 1560“, so de Smet (1986), „daß dieses ‚erste wahrhafte‘ deutsche Wörterbuch, vielleicht wegen

|| 45 Grubmüller 1986: 154. 46 Maaler 1561, Vorrede: Bl. *3r/v; vgl. Gilbert de Smet 1971 (Hrsg.): Einführung zum Nachdruck: XIVf.; Grubmüller 1986: 154. 47 Vgl. Müller 2001: 214f. 48 Vgl. Müller 2001: 220. 49 Grubmüller 1986: 155. 50 Grubmüller 1986: 157. 51 Müller 2001: 221.

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seiner beschränkten Basis, keinen Erfolg hatte und nicht einmal einen Neudruck oder eine Neuausgabe erlebte“.52 Dennoch sollte die Bedeutung Maalers nicht zu gering angesehen werden. Denn tatsächlich neu ist bei Maaler, dass er nicht ein Schulwörterbuch (wie bei Dasypodius und dem Kleinen Fries), „sondern mit dem Großen Fries […] ein umfangreiches, primär auf die Bedürfnisse von Studierenden bzw. Gelehrten ausgerichtetes Werk“ umgekehrt hat.53 Zudem war Pictorius keinesfalls nur von Sprachpatriotismus und Lateindidaktik geleitet. Hervorzuheben ist Maalers neuer Anspruch, sein großes Werk ausdrücklich auch in den Dienst von am Deutschen interessierten ausländischen Jugendlichen zu stellen. In seiner Widmungsvorrede an Conrad Gessner und Johannes Fries heißt es: Quoniam uos mihi, ut laborem hunc literarium in patriæ linguæ laudem et studiosorum usum subirem, authores fuistis (domini et præceptores colendißimi) debui profecto pro uestro erga me iure morem uobis gerere. […] Si uobis enim, colendißimis præceptoribus, uestrique similibus, si studiosæ iuuentuti nostræ, si exteris adolescentibus ingenuis, Gallis inquam, Italis, Anglis, etc. laborem hunc saltem aliqua ratione probare possum, equidem me operæ pretium fecisse arbitrabor. […] Vobis omnino charißimis dominis et præceptoribus gratificari, simulque rudioribus, et exteris nostræ linguæ cupidis prodesse uolui […]. Maaler 1561, Widmungsvorrede: Bl. *2r.

Und ein wenig konkreter in den Benutzungshinweisen des Wörterbuchs: Vtilis autem erit hic labor cum iis qui Germanica Latinè reddere uellent: tum exteris omnibus, qui in Germanica lingua addiscenda desudant […]. Maaler 1561, Vorrede: Bl. *2v

Aus diesen Zitaten wird das doppelte Ziel Maalers deutlich: Sein Werk soll gleichermaßen den Deutschen als Lateinwörterbuch, den Ausländern als Deutschwörterbuch dienen. Von der protestantischen Dominanz in Sachen deutsch-lateinischer Lexikographie war bereits die Rede. Wie ernst die Auseinandersetzung zwischen Katholizismus und Protestantismus geführt wurde, bezeugt die Tilgung des Autoren- und Druckernamens eines Exemplars von Maaler im Jesuitenkolleg Augsburg.54 Auch die Namen der in der Widmungsvorrede angesprochenen Conrad Gessner und Johannes Fries sind der damnatio memoriae durch Übermalung mit Tinte zum Opfer gefallen. Auch am Titel von Georg Henischs Teutsche Sprach und Weißheit – Thesaurus Linguae et Sapientiae Germanicae (Augsburg 1616) lässt sich das neue deutsche Sprachbewusstsein ablesen, auch wenn das deutsch-lateinische Gerüst erhalten || 52 De Smet 1986: 61. 53 Müller 2001: 214. 54 Signatur der BSB München: Augsburg, Staats- und Stadtbibliothek -- 4 Spw 265 [unter: ; letzter Zugriff: 25.3.2022).

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bleibt. Allerdings hat Georg Henisch (1549–1618) – Augsburger Arzt und Mathematiker, darüber hinaus Rektor der protestantischen Schule St. Anna – nur den ersten Band des mit 1875 Spalten umfangreich angelegten Wörterbuchs für die Buchstaben A bis G fertigstellen können. Wie der Titel sagt, ist das Wörterbuch nicht nur Wörterbuch (Thesaurus Linguae), sondern versammelt auch eine beträchtliche Anzahl Sprichwörter (Thesaurus Sapientiae). Die im Untertitel angeführte Neuartigkeit und Originalität der Methode (hac nova & perfecta methodo) bezieht sich auf die Anordnung der Wörter in Hauptlemmata und Ableitungen: Seine Hauptstichwörter sind alphabetisch geordnet, teils deutsch, teils lateinisch kommentiert und häufig noch mit Übersetzungsäquivalenten in bis zu neun Sprachen [s. unten Gesamttitel] ergänzt. Die dem Grundwort zugeordneten Ableitungen und Zusammensetzungen werden mit zahlreichen Sprichwörtern und Sinnsprüchen ergänzt, die zum Teil lateinisch erklärt, zum Teil aus klassischen und neuen Schriftstellern belegt werden. Archiveintrag der BBAW: „Henisch“ [Unter: http://dwb.bbaw.de/lexikographie/woerterbuecher /henisch>; letzter Zugriff: 25.3.2022]

Die Betonung der Klassizität bei den lateinischen Interpretamenten ist – wie bei allen anderen zeitgenössischen Wörterbüchern – unerlässlich. Bereits im Untertitel wird betont: vocabula omnia Germanica […] Latinè ex optimis qvibusque autoribus redduntur, ita, ut hac nova & perfecta methodo quilibet cùm ad plenam utriusq; lingvæ cognitionem, tum rerum prudentiam facile & citò pervenire possit.

Ebenso gehört zu den Konventionen, die Nützlichkeit für die Erlernung beider Sprachen – also des Deutschen wie des Lateinischen – hervorzuheben, auch wenn Henisch in erster Linie auf die Erfassung der deutschen Sprache abzielt, wie der Haupttitel zeigt. In der lateinischen Vorrede (datiert auf Epiphanie 1616) wird Deutsch nahezu der heiligen Sprachtrias Hebräisch, Griechisch, Lateinisch gleichgestellt: Verum enimvero inter has dulcissimæ nostræ patriæ laudes non infimam esse hanc judico, qvod lingvam habet ea tum dignitate, tum præstantia, qvam, exceptis Hebræa, Græca, Latina, nulla gens, nulla natio, nullus populus merito sibi vendicare potest. Henisch 1616 (ND 1973), Vorrede: 2r.

Schon 1541 hatten Frisius und Cholinus die deutsche Sprache sogar über das Griechische, Lateinische und „die daraus durch Zerstörung der Wörter (cum detrimento vocabulorum) abgeleiteten romanischen Volkssprachen“ erhoben.55 Die Fülle des Wortschatzes mache das Deutsche, ausnehmlich der Aussprache, jeder anderen Sprache überlegen: Itaque non uidemus quanam lingua, excepta pronuntiatione,

|| 55 Grubmüller 1986: 158.

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Germanica non sit felicior, et uocabulorum ui foecundior.56 Henisch (1616, ND 1973, Vorrede: 4r) weiter: Ad hanc igitur Germanicam nostram lingvam, quæ tanta excellit antiqvitate, ut originem ab ipsa Babiloniæ turris ædificatione ducat: tanta puritate, ut sola virgo illibata dicenda sit: tanta amplitudine, ut nullis terminis circumscribi, sed ubivis potius peregrinari videatur: tanta denique tum brevitate [!], tum copia, ut copiam in breuitate, & breuitatem [!] in copia nulla ferè dicendi vis nullaque copia, pro dignitate satis laudare atque extollere possit, ornandam atque locupletandam THESAVRUM hunc lingvæ & sapientiæ Germanicæ collegi; qui quidem (quod citra jactantiam dixerim) non vulgare dictionarium est, vnde singulorum duntaxat vocabulorum interpretatio petatur, sed opus omnibus ceteris lexicis plenius & perfectius.

Die Vorarbeiten Henischs werden erwähnt im Jahr 1691 zu Nürnberg erschienenen, für die deutsche Lexikographiegeschichte wichtigen Wörterbuch Der teutschen Sprache Stammbaum und Fortwachs oder Teutscher Sprachschatz Kaspar von Stielers (1632–1707). Es ist ein alphabetisch, nach dem Stammwortprinzip geordnetes Wörterbuch, d.h. zu „Schwimm/schwimmen“ gehört neben „Schwimmer“ (natator), „Schwimmerinn“ (foemina natans), „Blasenschwimmer“ (incubans cortici, vel utribus) und „Schwimmung“ (natatus, ars, & facultas natandi) auch „Schwimmig/ & Schwimmicht“ (natans, natatilis), „Unschwimmicht“ (innabilis), „Schwemmen/ geschwemmet“ (fluviô mersare), „Schwemmung“ und „Schwemme“ (natatile, aqvarium). Wie bei Maaler wird die deutsch-lateinische Form gewahrt, der eigentliche Zweck ist aber in erster Linie nicht die Pflege des Lateinischen, sondern – wie der Titel und die Vorreden (s.u.) zeigen – mindestens ebenbürtig die Normierung des Deutschen. Weiters ist Stieler, als Mitglied der Fruchtbringenden Gesellschaft Weimar auch genannt der Spate (lat. Serotinus, frz. Le Tard), für seine Lyrik (Die Geharnschte Venus oder Liebes-Lieder im Kriege gedichtet mit neuen Gesang-Weisen zu singen und zu spielen gesezzet nebenst ettlichen Sinnreden von 1660) und Erbauungsliteratur (Zeitungs Lust und Nutz von 1695) bekannt. Sein Werk wird trotz gewisser Mängel in der Etymologie zu den „Meilensteinen“57 bei der Fixierung einer hochdeutschen Sprache gezählt, es ist „das erste vollständige, umfassende Wörterbuch der deutschen Sprache [...] und ist als solches für die Geschichte der deutschen Philologie von einzigartiger Bedeutung“58. Der Nachdruck von 1968 umfasst drei Bände und enthält in den ersten beiden Bänden auch zwei alphabetische Register sowie einen Abriss der deutschen Grammatik von Stie-

|| 56 Frisius/Cholinus 1541, Vorrede: 2v. 57 Archiveintrag der BBAW: „Stieler“ [unter: ; letzter Zugriff: 25.3.2022]. 58 Stieler 1691 (ND 1968), III, Nachwort von Stefan Sonderegger: 3.

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ler. Mit 68000 Wörtern kann der Sprachschatz als Meisterleistung der deutschen Wörterbuchkomposition betrachtet werden.59 Dass die Form des deutsch-lateinischen Aufbaus erhalten bleibt, gilt für sämtliche Teile, also nicht nur für den eigentlichen Wörterbuchteil, sondern auch für den „Nachschuß etlicher fremden und zurückgebliebnen Wörter“ (Supplementum peregrinorum quorundam & in opere superiori praetermissorum vocabulorum). Das zweite Register ist ein alphabetischer Index, der das Auffinden gesuchter Wörter erleichtert, woran – neben Tadel für die Anordnung des eigentlichen Wörterbuchs – das Vorwort des Grimm’sche Wörterbuchs erinnert.60 Hervorzuheben ist die im Werk enthaltene „Kurze Lehrschrift Von der Hochteutschen Sprachkunst“ (Brevis Grammaticae imperialis linguae Germanicae delineatio), aufgeteilt in 32 Kapitel auf 243 Seiten. Diese Grammatik zielt ebenso wie das Wörterbuch auf eine Normierung der deutschen Hochsprache61 und ist konsequent durch deutsche und lateinische Titel gegliedert. Außerdem wird der wesentliche Teil der deutschen Texte in kürzerer Form auf Latein wiedergegeben. Manchmal ist Lateinisches auch den deutschen Texten untergemischt. Im ersten Kapitel definiert Stieler „die teutsche Sprache […] als eine durchgehende Reichs Haubtsprache“ ohne Zusatz von Dialektalem. Dieses „Hochteutsch“ vergleicht er mit der „Griegische[n] Haubtsprache“, der „Römische[n] Sprache“ und der „Franzöischen[n] [!] Hofsprache / la langve de la cour“.62 Daraufhin wird folgende kürzere lateinische Definition oder Zusammenfassung gegeben: Grammatica lingvæ Theotiscæ, seu Germanicæ imperialis [gemeint ist wohl die „Reichs Haubtsprache“], est purè loquendi & rectè scribendi disciplina. Überhaupt scheinen im gesamten Wörterbuch – im Gegensatz zu jenem Frischs von 1741 (s.u.), wo Latein nur als konventionelle Beigabe erscheint – Latein und Deutsch als gleichwertige Sprachen behandelt. So heißt es im deutschen Titel: „So Lehrenden als Lernenden / zu beider Sprachen Kundigkeit / nötig und nützlich“ (im Lateinischen nur: Opus Omnibus, cùm docentibus tum discentibus, utile & penè necessarium). Auffällig ist zudem, dass bereits im Titelblatt auf die Klassizität des lateinischen Wortschatzes abgehoben wird (perpetua interpretatione Latina ex classicis Autoribus), im Deutschen wiedergegeben mit der umschreibenden Formulierung „mit guter lateinischen Tolmetschung“. Die Vermutung, dass es mit dem Lateinpurismus noch lange nicht so weit ist, wie später bei den neuhumanistischen Autoren, bestätigt die Lektüre der Vorrede. Dort schreibt Stieler (1691, Vorrede) über die lateinischen Übersetzungen: Sonsten hat man nicht allemal/ bevorab [d.h. besonders] in neuerfundenen Sachen/ die Lateinische Erklärung mit Tullianischem und dergleichen allerreinestem Lateine geben können/

|| 59 Vgl. Stieler 1691 (ND 1968), III, Nachwort von Stefan Sonderegger: 11. 60 DWB, Vorwort, Bd. 1 (1854): Sp. XXII. 61 Vgl. Stieler 1691 (ND 1968), III, Nachwort von Stefan Sonderegger: 12. 62 Stieler 1691 (ND 1968), III, Kurze Lehrschrift Von der Hochteutschen Sprachkunst: 2.

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sondern sich iezuweilen der Küchenwörter / und / wie man teils in den Schulen / teils in denen Rechten und Künsten redet / so iedoch allezeit mit kleinern Lauflettern gegedruckt [!]/ bedienen müßen / zumal dieses kein Lateinisches / sondern ein Teutsches Wörterbuch heißet.

Dass sich Stieler für unklassisches Vokabular rechtfertigen muss, zeigt ex negativo, dass es immerhin ein Bewusstsein für Lateinpurismus gegeben hat. Doch offenbar war die Zeit noch nicht gekommen, in der man die Konzessionen an das Alltagslatein „in den Schulen / teils in denen Rechten und Künsten“ vernachlässigen durfte. Tatsächlich verfügt Stielers Wörterbuch über eine Fülle fachsprachlicher Terminologie, vor allem was den forensischen Wortschatz angeht.63 Was schon die Reihenfolge der Titelblätter – zuerst deutsch, dann lateinisch (s.u.) – gezeigt hat, wird mit dem Bekenntnis Stielers, es handle sich um ein deutsches Wörterbuch, eindeutig gemacht. Um aber dem Verdacht entgegenzuwirken, sein Werk sei gewissermaßen brotlose Kunst, fügt Stieler (1691, Vorrede) an: Wiewol kein Zweifel / es werde solches / in und auser den Schulen / zu Ubersetzung in die Lateinische Sprache / mit guten Nutzen gebrauchet werden können.

Was hingegen die deutsche Sprache angeht, ist Stieler durchaus striktem Purismus verpflichtet und tadelt lebhaft den schon damals starken Hang des Deutschen zur Übernahme von Fremdwörtern in die eigene Sprache. Im Widerspruch zu dieser grundsätzlichen programmatischen Erklärung verzichtet er aber keineswegs auf die Aufnahme von Fremdwörtern, sondern zeigt sich überraschend offen.64 Im Übrigen liest sich die Vorrede als Bestandsaufnahme zum Entwicklungsstand der deutschen Sprache, worin Spaten sich zu seiner „Liebe zu unserer teuren Heldensprache“ bekennt. Auch sonst beschäftigt sich die „Vorrede an den Teutschliebenden Leser“ mehr mit deutschsprachiger Lexikographie – wie etwa Fragen der Lemmaauswahl – denn mit dem Lateinischen. Die lesenswerten, aus moderner Sicht aber nicht immer zutreffenden Ansichten über die Etymologie des deutschen Wortschatzes können hier mit dem Grimm’schen Urteil: „dabei werden die falschesten etymologien geschmacklos geltend gemacht“, aber auch mit dem Hinweis auf ausgewogenere Würdigungen getrost übergangen werden.65 Aus lexikographischer Sicht ist zu erwähnen, dass Stieler auch „unhöfliche“ und „unzüchtige“ Wörter aufnimmt, um die deutsche Sprache möglichst in ihrer Vollständigkeit erfassen zu können. Somit verzichtet er auf das pädagogische Argument, das bei anderen Lexikographen als Begründung der Eliminierung entsprechender Lemmata dient.

|| 63 Vgl. Stieler 1691 (ND 1968), III, Nachwort von Stefan Sonderegger: 11. 64 Vgl. Stieler 1691 (ND 1968), III, Nachwort von Stefan Sonderegger: 10. 65 DWB, Vorrede, Bd. 1 (1854), Sp. XXII. Die Prinzipien der Stielerschen Etymologie erklärt und würdigt Stieler 1691 (ND 1968), III, Nachwort von Stefan Sonderegger: 8–11; zu Grimms Urteil vgl. 17–18.

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Abb. 2: Frontispiz des Nürnberger Kupferstechers Engelhard Nunzer (1661–1733) in Kaspar Stielers, des Spaten (Serotinus) Wörterbuch Teutscher Sprachschatz (1691), aus: BSB München, Signatur: Augsburg, Staats- und Stadtbibliothek -- 4 Spw 424. [Unter: ; letzter Zugriff: 25.3.2022]. Das Frontispiz ist inspiriert durch Schottelius‘ Ausführliche Arbeit Von der Teutschen HaubtSprache, Braunschweig 1663, 55. Die Rezeptionslinie zeichnet Jones (1999: 14–15) nach. Vor dem sprachsymbolischen indischen Feigenbaum sitzt der weise Sar(r)on, heute (wenn überhaupt) bekannt als vorgeschichtlicher König von Troizen, für die Zeitgenossen Stielers als König der Kelten. Laut Stieler hat dieser „fast vor dreytausent Jaren […] den teutschen Sprachbaum schon gewartet und gebaut / geschnittelt und gestützet […] Nicht Griechisch / nicht Latein | war damals auf der Welt“ (Uber den Kupfertitel). Johann Ludwig Prasch (1637–1690) hatte in seiner Dissertation De origine germanica latinae linguae (1686) versucht zu zeigen, dass ein guter Teil des Lateinischen auf die deutsche Sprache zurückzuführen sei.

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Abb. 3: Deutsches Titelblatt von Kaspar Stielers, des Spaten (Serotinus) Wörterbuch Teutscher Sprachschatz (1691), aus: BSB München, Signatur: Augsburg, Staats- und Stadtbibliothek -- 4 Spw 424.

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Abb. 4: Lateinisches Titelblatt von Kaspar Stielers, des Spaten (Serotinus) Wörterbuch Teutscher Sprachschatz (1691), aus: BSB München, Signatur: Augsburg, Staats- und Stadtbibliothek -- 4 Spw 424.

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„Eine direkte Fortsetzung hat Stielers lexikographisches Werk in Christoph Ernst Steinbachs ‚Vollständigem Deutschen Wörterbuch vel Lexicon germanico-latinum‘, Breslau 1734, erhalten“, wobei die etymologische Anordnung zugunsten eines strenger-alphabetischen Systems teilweise aufgegeben wird.66 „Sein Material bezieht das Wörterbuch überwiegend kompilatorisch aus Vorgängerwörterbüchern wie Henisch oder Stieler, dennoch stellt es aber auch den Beginn der Beleglexikographie dar, da neben Verwendungsbeispielen auch Zitate aus der zeitgenössischen Literatur angeführt werden, vor allem aus den von Steinbach edierten Schriften des schlesischen Dichters Johann Christian Günther sowie aus Texten anderer schlesischer Autoren wie Hofmannswaldau, Gryphius und Opitz.“67 Der Breslauer Arzt Steinbach (1698–1741) legte 1734 die zweite, wesentlich erweiterte Auflage seines Wörterbuchs von 1725 vor. Er verwickelte sich in den sogenannten „Güntherstreit“ mit Johann Christoph Gottsched (1700–1766), weil dieser ihn wegen seines Wörterbuchs und seiner Edition des schlesischen Dichters Johann Christian Günther (1695–1723)68 tadelte. Auch Frisch lehnte für die Berliner Akademie der Wissenschaften eine Zusammenarbeit mit Steinbach ab, benutzte jedoch in der letzten Zeit vor Veröffentlichung seines 1741 erschienenen deutsch-lateinischen Wörterbuchs (s.u.) Steinbachs Werk.69 Für unsere Zwecke ist die Forderung Gottscheds nach französischen Interpretamenten (anstatt lateinischer) interessant, „die ihm für Ausländer und Frauen […] angemessener erschienen wären“, worauf Steinbach „unqualifiziert mit dem Hinweis auf schlechte Lateinkenntnisse im Hause Gottsched“ konterte.70 Die deutschlateinische Form ist für Steinbach Selbstverständlichkeit:71 Die kürzeste dreier Vorreden ist auf Latein, die Stichwörter werden meist durch mehrere lateinische Äquivalente wiedergegeben und auf Lateinisch paraphrasiert, um den Inhalt des deutschen Wortes möglichst genau wiederzugeben. Die Beispiele aus der deutschen Dichtung hat sich Steinbach sogar eigens ins Lateinische übersetzen lassen.72 Als Standardwerk der deutschen Philologie des 18. und frühen 19. Jahrhunderts und als „der erste zielstrebige Versuch einer Gesamtdarstellung des deutschen Wortschatzes“73 gilt Johann Leonhard Frischs Teutsch-lateinisches Wörter-Buch von

|| 66 Stieler 1691 (ND 1968), III, Nachwort von Stefan Sonderegger: 11. 67 Archiveintrag der BBAW: „Steinbach“ [unter: ; letzter Zugriff: 25.3.2022]. 68 Carl Ehrenfried Siebrand (Pseudonym) (1738): Johann Christian Guenthers, des beruehmten schlesischen Dichters, Leben und Schrifften. Schlesien: auf des Verfassers eigene Unkosten. 69 Vgl. Walther Schröter, Einführung: VI*. In: Steinbach 1734 (ND 1973); Powitz, Einführung. In: Henne 2001: 133. 70 Walther Schröter, Einführung: X*. In: Steinbach 1734 (ND 1973). 71 Vgl. ebd. 72 Vgl. ebd. Von wem, wird hier nicht gesagt. 73 Powitz, Einführung. In: Henne 2001: 140.

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1741, erschienen bei Nicolai in Berlin. Der große Sprach- und Naturforscher konnte dieses sein Hauptwerk erst zwei Jahre vor seinem Tod (1743) im Alter von 85 Jahren, nach fünfzig Jahren Quellenstudium, fertigstellen. Eine Abbildung vor dem Titelblatt zeigt Frisch im 76. Lebensjahr auf einem Kupferstich (s.u.) – seines Sohnes Philipp Jacob, der unter anderem auch für die „Beschreibung von allerley Insecten in Deutschland“ die Stiche nach Zeichnungen seines Vaters beibrachte. Umgeben von mehreren seiner Werke hält Frisch den ersten Band seines Teutsch-Lateinischen Wörterbuchs; darunter findet sich auf einem Sockel der Vermerk seiner Funktionen als Rektor des Berliner Gymnasiums zum Grauen Kloster und Direktor der Abteilung für sprachgeschichtliche Germanistik an der Königlich Preußischen Sozietät der Wissenschaften und als Mitglied der Kaiserlich-Leopoldinisch-Carolinischen Deutschen Akademie der Naturforscher. Der lateinische Teil – „[u]m der gelehrten Ausländer willen ist offt das Latein hinzugethan“74 – scheint in Abhandlungen bisher nicht besprochen worden zu sein. Das Wörterbuch wird heute vorwiegend als ein deutsches Wörterbuch angesehen. So lautet etwa der Titel von Gerhardt Powitzens Buch „Das deutsche Wörterbuch Johann Leonhard Frischs“ (1959). Doch die lateinischen Lexikographen des 18. Jahrhunderts verwendeten Frischs Werk durchaus als Quelle für eigene deutschlateinische Wörterbücher, wie ein Vermerk in Bernholds Wörterbuch zeigt: Dieser konstatiert in seinem Vorbericht, dass er seine Wörter und Wendungen nur von den besten Autoren übernommen habe und fügt hinzu: „So oft ich aber bey einer neuen Sache auch neue Wörter oder Phrases brauchen musste, da melde ich es jedesmal, oder ich zeige durch den Buchstaben A. den Apin [1727, 1728], und durch H. den Hederich [1729], oder durch F. den Frisch [1741], an, die eine solche Redeart gebraucht haben.“75 Dennoch erscheint die lateinische Seite des Lexikons eher als Zusatzleistung denn als eigentlicher Zweck. Schon am Umfang von zwei Bänden mit 1169 dreispaltigen Seiten sowie am Titel (s.u.) erkennt man Frischs Bestreben, die deutsche Sprache in ihrer vorliegenden Gestalt ebenso zu dokumentieren wie ihre Ursprünge möglichst vollständig zu erforschen.

|| 74 Frisch 1741: 2r. 75 Bernhold 1757, Vorrede: § 43.

50 | Deutsch-lateinische Wörterbücher vor 1750

Abb. 5: Philipp Jacob Frisch (1704–1753), Kupferstich oder Radierung von Johann Leonhard Frisch (1666–1743), Berlin 1741; aus: BSB München, Signatur: 4 L.lat. 197-1. [Unter: ; letzter Zugriff: 25.3.2022]. Unter dem Porträt steht zu lesen: Joh. Leonhard. Frisch | Gymnasii Berol[.] Rector, Regiae Borussicae Soci-|etatis Scientiarum in Classe historico-philologico-germanica | Director, ut et Academiae Leopoldino-Carolinae Naturae-|Curiosorum Adscriptus. Aetatis, 76.

Deutsch-lateinische Wörterbücher als Wörterbücher der deutschen Sprache | 51

Der gesamte Titel lautet: Johann Leonhard Frisch || Teutsch-Lateinisches || Wörter-Buch, || Darinnen || Nicht nur die ursprünglichen, nebst denen davon hergeleiteten || und zusammengesetzten allgemein gebräuchlichen Wörter; || Sondern auch die bey den meisten || Künsten und Handwerken, bey Berg- und Saltz- || werken, Fischereyen, Jagd- Forst- und Hauß-Wesen, u.a.m. || gewöhnliche Teutsche Benennungen befindlich, || Vor allen, || Was noch in keinem Wörter-Buch geschehen, || Denen Einheimischen und Ausländern, so die in den mittlern Zeiten geschriebenen76 || Historien, Chroniken, Ubersetzungen, Reimen u.d.g. mit ihren veralteten || Wörtern und Ausdrückungen verstehen wollen, || möglichst zu dienen, || Mit überall beygesetzter nöthigen Anführung der Stellen, wo dergleichen in den Büchern zu finden, || Samt angehängter || Theils versicherten, theils muthmaßlichen Etymologie || und critischen Anmerkungen; || Mit allem Fleiß viel Jahr über zusammengetragen, || Und jetzt den Gelehrten zur beliebigen Vermehrung und Verbesserung || überlassen. || Nebst einem [lat.-dt.] Register der Lateinischen Wörter. || [Verzierung] || Berlin, || Verlegts Christoph Gottlieb NICOLAI. || 1741.

Die fehlenden oder nicht vollständig erfassbaren Bereiche werden im Vorbericht genannt, darunter geographische Wörter, Personen- und Adelsnamen. Besonders hebt Frisch die Erfassung des Mittelhochdeutschen und des veralteten dialektalen Wortschatzes77 samt der etymologische Herleitung aller Wörter hervor. Auch im Vorbericht geht es dementsprechend fast ausschließlich um den deutschen Wortschatz. Hier verteidigt Frisch die etymologische Anordnung der Wörter. Diese findet man im Lexikon konsequent angewendet: Gewalt steht hinter Walten usw. Diese Ableitungen finden sich zumeist am Ende jeden Lemmas und beruhen – wie im Titel mit roter Farbe angezeigt – auf einer „[t]heils versicherten, theils muthmaßlichen Etymologie“. Für Benutzer, insbesondere Schüler stellt diese Anordnung gewiss eine Herausforderung dar. Jedenfalls ist die nicht-alphabetische Anordnung Nachteil für den Gebrauch im Lateinunterricht. Dass das Werk nämlich auch für die Schule gedacht war (wenn auch unklar ist, in welcher Funktion), geht daraus hervor, dass Frisch die Aufgliederung der Bedeutungsebenen eines deutschen Wortes, wozu jeweils die lateinische Entsprechung gesetzt wird, in der Vorrede als für Schüler nützlich reklamiert.78 Die lateinischen Erläuterungen sind kurzgehalten, es sind oft nur Wort für WortÜbersetzungen. Über das Lateinische bemerkt Frisch lediglich: „Um der gelehrten Ausländer willen ist offt das Latein hinzugethan, und ohne abergläubischer und eitler Weise ein griechisches Compositum zusammen zu künsteln, lieber eine Umschreibung gebraucht worden.“79 Neubildungen aus dem Griechischen sollen hier

|| 76 Also die in mittelhochdeutscher Sprache verfassten Werke. 77 S. hierzu Vorbericht: 3v. 78 Vorbericht: 3r. 79 Frisch 1741, I: 2r. Frisch fügt keine lateinischen Interpretamente hinzu bei sehr speziellen Wörtern (etwa Calands-Buhlen, Kännel oder Canaster-Tobac) und bei Wörtern, deren Übersetzung oh-

52 | Deutsch-lateinische Wörterbücher vor 1750

also vermieden werden, Begriffe seien stattdessen rein lateinisch auszudrücken, auch wenn dies eine Umschreibung erfordert. Die Fachtermini der Wissenschaft seien, so Frisch weiter, häufig schwer zu verstehen oder zu erklären, aber mit lateinischen Interpretamenten leichter zu erschließen. Der Vorbericht schließt mit dem aus Vorreden anderer Wörterbücher bekannten Topos: Trotz der vielen Zweifler habe er, Frisch, sein Werk vollenden können, wozu die λεξικοφιλία („Liebe zum Lexicon-Schreiben so vieler gelehrten Leute“) oder gar λεξικομανία („damit vorgehende [d.h. einhergehende] Raserey dieses Seculi“)80 ihm sehr geholfen habe.

|| nehin eindeutig ist (etwa beim lateinischen Fremdwort Canonicus oder bei Eigennamen wie Canaan). 80 Vorbericht: 4r.

4 Prolegomena zu den deutsch-lateinischen Wörterbüchern von 1750 bis 1850 Im Jahr 1849 schrieb ein Rezensent über die von Ernst Friedrich Wüstemann (s.u.) verfassten Friderici Jacobsi laudatio (1848), diese Schrift sei in jenen Tagen eine Seltenheit, weil „sie lateinisch geschrieben“ ist.1 Dies „gilt bei Vielen, auch bei solchen, die sich sonst zum Gelehrtenstande zählen, für eine Sünde, nicht sowohl gegen den heiligen Geist (denn von ihm wissen die Kinder dieser Zeit wenig) als gegen den Geist der Zeiten, der aber nach einem bekannten Spruche der Herren eigner Geist ist, in dem die Zeiten sich bespiegeln“. Der offenbar zeitkritische und konservativ veranlagte Verfasser fährt fort: „Denn ein Buch, in welchem nicht vorzugsweise von den Fragen der Zeit, von der Arbeit, von den Associationen, vom allgemeinen Wahlrechte, von der Souverainität des Volks und ähnlichen Dingen die Rede ist, gilt jetzt gar nicht mehr für ein Buch, geschweige denn, wenn es ein lateinisches Buch ist.“ Am Gymnasium zu Gotha, dem Tätigkeitsort von Wüstemann und eine Zeit lang auch des Klassischen Philologen und Lehrers Friedrich Jacobs (1764– 1847), jedoch werde – so hebt die Rezension lobend hervor – nach wie vor an der Tradition der gesprochenen lateinischen Rede festgehalten. Latein galt dem Verfasser der Rezension unter dem Eindruck der gesellschaftlichen Entwicklungen gleichsam als umkämpfte, durch den Gegner bekämpfte Sprache. Er zitiert ein Wort Konrad Engelbert Oelsners (1764–1828), „eines unserer besten Staatsmänner“2: „‚der Gebrauch der Lateinischen Sprache würde aus den Geschäften eine Menge Windbeutel verdrängen, die kein Latein verstehen‘. Fiat applicatio [Es möge zur Anwendung kommen].“3 Der Rezensent reagiert damit auf die abfälligen Bemerkungen Arnold Ruges über die lateinische Sprache, eines Demokraten, der unter anderem mit Marx4 und Feuerbach in Verbindung stand. Der Rezensent schreibt: Wir nehmen daher auch nicht Anstand das gemüthliche [das heißt emotionale] Element in dieser Lobschrift hervorzuheben gegen alle die, welche wähnen, man könne im Lateinischen sich

|| 1 ALZ 109 (Mai 1849): Sp. 872. 2 Das Lob überrascht, Oelsner war immerhin als Girondist an der Französischen Revolution beteiligt. 3 ALZ 110 (Mai 1849): Sp. 878. Zitat aus: Oelsner-Monmerqué, Gustav (1848) (Hrsg.): Politische Denkwürdigkeiten aus Oelsners Schriften. Bremen: Franz Schlodtmann: 149. Oelsner fährt fort: „Schwerlich aber möchte sich die französische Sprache verdrängen lassen, die nun einmal Jedermann geläufig ist, und von allen europäischen Sprachen für den diplomatischen Verkehr am besten ausgebildet und geeignet zu sein schein“ (149–150). Das sei nicht von vornherei ein Vorteil für die Franzosen, denn: „Diplomatisches Uebergewicht gründet sich auf Waffenglück, Plan und Gewandtheit“ (150). 4 Zu Marxens lateinischem Abituraufsatz s. Stroh 2007: 249–253.264 und Stroh 2014: 140–142. https://doi.org/10.1515/9783110771770-004

54 | Prolegomena zu den deutsch-lateinischen Wörterbüchern von 1750 bis 1850

nicht gemüthlich ausdrücken, weil, wie das beliebte Schlagwort lautet, man nur für die Kaste und nicht für das Volk schrieb, oder weil uns ‚der schwellende Dilettantismus‘ der lateinischen Sprachbildung jetzt nicht mehr genügt, um an ein hochfahrendes Wort Arn. Ruge’s in den Halle’schen Jahrbb. (1838 Nr. 86) zu erinnern. ALZ 110 (Mai 1849): Sp. 8785

Er beschließt seine Polemik mit der rhetorischen Frage: „Ob wohl dieser Revolutionär und Aufrührer, der ein so schlechter Deutscher ist, jemals Latein geschrieben hat?“6 In diese Phase des Kampfes um die Stellung des Lateinischen fällt, wie auch schon anfangs erwähnt, die Blütezeit der deutsch-lateinischen Lexikographie. Bevor einzelne Wörterbücher besprochen werden, lohnt es sich daher, sich mit den Bedingungen auseinanderzusetzen, denen die Lexikographen dieser Zeit unterworfen waren: In erster Linie betrifft dies für unsere Zwecke den zeitgenössischen Lateinunterricht und den soziologischen und konfessionellen Hintergrund der Autoren. Zunächst aber nähert sich dieses Kapitel im Abschnitt 4.1 „Die Vorreden und die Neuartigkeit der deutschen Wörterbuchsprache“ den deutsch-lateinischen Wörterbüchern dieser Zeit anhand der sogenannten Wörterbuchaußentexte7 – damit sind alle Texte gemeint, die außerhalb des eigentlichen Wortverzeichnisses stehen, wie etwa Titel, Abkürzungsverzeichnisse, Widmungen, Vorreden usw.; hier wird untersucht, inwiefern sich die Wörterbücher darin von den früheren unterscheiden. Bei den in diesem Buch untersuchten Werken handelt es sich hauptsächlich um allgemeine Wörterbücher, die in erster Linie für die Schule und den Bildungsbereich gedacht waren. Denn – wie schon gesagt – galt noch im 19. Jahrhundert der aktive Gebrauch des Lateinischen als einer der wesentlichen Bestandteile gymnasialer Grundausbildung. Doch Bedenken an dieser Lateindidaktik wurden zunehmend lauter angemeldet. In einem eigenen Teil (Kap. 4.2) geht es daher um den Streit darüber, welche Rolle um 1800 das aktive Latein in der Schule und der Gesellschaft spielen sollte und tatsächlich spielte. Die Lexikographen selbst werden darauf Antwort geben. Um die vorherrschende Lateindidaktik um 1800 und um die lexikographische Didaktik an den Schulen geht es in Kap. 4.3.

|| 5 Das erwähnte Zitat ist einem durch den Publizisten Arnold Ruge redigierten Aufsatz von Dr. Thomas Echtermeyer mit dem Titel „Die Universität Halle“ entnommen (Sp. 688). In einer Betrachtung über den Stand der Klassischen Philologie in Halle wird die rein sprachlich-grammatikalischeformale „Versenkung lediglich in den Sprachgenius des Griechischen und Latienischen“ als ungenügend, eben als „Dilettantismus“ und als in den Schulbereich gehörig dargestellt und in den Gegensatz zu der als positiv anzusehenden Neuausrichtung der Philologie als „Historie“ und als „Alterthumswissenschaft“ gestellt. 6 ALZ 110 (Mai 1849): Sp. 878. 7 Zum Begriff s. Engelberg/Lemnitzer 2009: 135–143; ‚Umtexte‘ bei Herbst/Klotz 2003: 194–195.

Die Vorreden und die Neuartigkeit der deutschen Wörterbuchsprache | 55

Ein eigener Abschnitt ist der überraschenden Tatsache gewidmet, dass fast nur Protestanten die deutsch-lateinische Lexikographie bestimmt haben (Kap. 4.4 „Konfessionalität und Stand der Lexikographen“).

4.1 Die Vorreden und die Neuartigkeit der deutschen Wörterbuchsprache Libri frontem inspicite; quod promittit, præstabit. Paul Aler S.J. 1727

Während man aus der Analyse von Artikeln eines Wörterbuchs implizit Rückschlüsse auf die philologische Ausrichtung des Verfassers ziehen kann, ist die Vorrede der Ort par excellence, an dem der Verfasser gewisse Wesenszüge seines Werkes ausdrücklich benennen, ja sogar rechtfertigen kann. Diese Gelegenheit nutzen die Lexikographen in unterschiedlichem Maße und für unterschiedliche Zwecke. Wo der eine nur rein formale Hinweise gibt, ergreift der andere die Möglichkeit, über die lateinfeindlichen Umstände des Saeculums zu räsonieren. Mehr oder weniger deutlich gehen die Lexikographen auch auf die Stellung des aktiven Gebrauchs der lateinischen Sprache in Schule und Gesellschaft ein – dies meist mit apologetischer Ausrichtung, sodass man zwischen den Zeilen auch auf den Grad der Angefochtenheit des Lateinischen schließen kann. So stellen die literarisch und ästhetisch wertvollen Texte der Vorreden eine interessante, bisher unerschlossene Quelle für die Wissenschafts- und Sprachgeschichte des Lateinischen in der Neuzeit dar. Sie können in erster Linie dabei helfen, unser Bild über die Verwendung des Lateinischen um 1800 ein Stück weit zu ergänzen. Abgesehen davon ist – so schreibt die Lexikographin Claudia Wick (2008: 157) – die Lektüre besagter Vorwörter, die man heutzutage wohl in erster Linie aus lexikographiegeschichtlichem Interesse betreiben wird, [...] vergnüglicher als erwartet (wobei sicherlich die eine oder andere Äußerung den modernen lector benevolus reichlich sonderbar oder gar kauzig anmutet): So mancher große Name füllt sich mit Leben, wenn die jedesmal wiederkehrenden Probleme [die bei der Bearbeitung eines Wörterbuchs auftreten können, Anm. J. I.] in unterschiedlicher Akzentuierung und Manier erörtert werden.

Nicht zuletzt kann man aus den Wörterbuchaußentexten, vor allem aber den Vorreden, auch eine Reihe von wichtigen Auskünften über die lexikographische Konzeption erhalten. Mit der zunehmenden Güte der deutsch-lateinischen Wörterbücher im untersuchten Zeitabschnitt genügen auch die Vorreden tendenziell immer mehr den Erwartungen, die man an ein wissenschaftliches Wörterbuch der damaligen Zeit stellen kann. Mit dem Begriff ‚wissenschaftliches Wörterbuch‘ ist nicht unbedingt der Benutzerkreis des Wörterbuchs angesprochen: Die behandelten Wörterbücher wurden in erster Linie für die Stilübungen an der Schule geschrieben, auch wenn

56 | Prolegomena zu den deutsch-lateinischen Wörterbüchern von 1750 bis 1850

das lateinschreibende Publikum außerhalb der Schule als Benutzer der Wörterbücher von den Autoren keinesfalls aus-, sondern oft ausdrücklich eingeschlossen wird. Vielmehr will der Begriff ‚wissenschaftlich‘ sagen, dass es anhand von bestimmten philologischen und lexikographischen Kriterien erarbeitet wurde: Lünemanns Wörterbuchtitel Deutsch-Lateinisches Wörterbuch nach den klassischen Schriftstellern der Römer und den besten neuern Latinisten etwa trägt in diesem Sinne den Zusatz kritisch bearbeitet. In den anspruchsvolleren Wörterbüchern finden sich in der Regel Hinweise zum Gegenstand und Zweck des Wörterbuchs, zu seinem Platz in der bestehenden ‚Wörterbuchlandschaft‘ (nicht selten in polemischer oder abgrenzender Weise), zur Konzeption von Mikro- und Makrostruktur, zur Wörterbuchbasis und Lemmaselektion, zur Entstehung – meist ein mühevoller Prozess, wie die Lexikographen nicht müde werden zu betonen – und zur Benutzung des Wörterbuchs.8 In diesem Abschnitt soll es weniger um konkrete Inhalte oder die Programmatik der Autoren gehen als vielmehr um die Aufmachung der Titelei und die Form der Vorreden, das heißt vor allem um die verwendete Sprache. Im Vergleich mit älteren Wörterbüchern fällt nämlich sogleich die konsequente Einsprachigkeit der Titel und Vorreden der zwischen 1750 und 1850 erschienenen Wörterbücher ins Auge. Titel sind in der Regel ebenso auf Deutsch gehalten wie die Vorreden. Die immer stärker werdende Dominanz des Deutschen als Publikationssprache lässt sich auch in dieser Hinsicht feststellen. Im Vergleich mit Wörterbüchern der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts ergibt sich diesbezüglich bemerkenswerterweise noch ein anderes, gemischteres Bild: Hier ist die Mehrheit der deutsch-lateinischen Wörterbücher hinsichtlich der einleitenden Texte sowie dem Titel gänzlich lateinisch gehalten: Spieser 1700, Kirsch 1714, Apin 1728 (vgl. aber unten Apin 1727), Matthiae 1748, die jesuitischen Wörterbücher von Wagner 1718, Bayer 1724, Aler 1727 und Kropf 1739, ebenso der von Gesner bearbeitete Thesaurus eruditionis scholasticae von 1735 (abgesehen von einem äußerst kurzen deutschen Einleitungstext beim Index Germanico-Latinus mit Benutzungshinweisen). 1 Spieser, Theodor (1700): Novum lexicon universale latino-germanicum et germanico-latinum. Basel [21716, ed. Hemminger, Zacharias]. Kirsch, Adam Friedrich (1714): Abundans Cornucopiae linguae Latinae et Germanicae [...]. Nürnberg: Buggel. Wagner, Franz (1718): Universae Phraseologiae Latinae Corpus. Augsburg: Schlüter/Happach. Bayer S.J., Jakob (1724): Paedagogus Latinus Germanae Juventutis sive Lexicon Germanico-Latinum et Latino-Germanicum [...]. Mainz: Mayer [zuletzt Bayer/Mayer 121819]. Aler, Paul (1727): Dictionarium Germanico-Latinum […]. Köln: Noethen. Wachter, Johann Georg (1737): Glossarium Germanicum […]. Leipzig: Gleditsch [zuerst 1727].

|| 8 Kriterien nach Engelberg/Lemnitzer 2009: 137–138.

Die Vorreden und die Neuartigkeit der deutschen Wörterbuchsprache | 57

Apin, Siegmund Jacob (1728): Glossarium novum [...]. Nürnberg: Lochner. Gesner, Johann Matthias (1735): Basilii Fabri Thesaurus eruditionis scholasticae […] [Index Germanico-Latinus]. Leipzig: Schniebes [von Gesner zuerst hrsg. 1726; ein dt.-lat. Index erschien zuerst 1696 als Anhang an die Bearbeitung von Cellarius; Erstausgabe von Faber 1571]. Kropf, Franz Xaver (1735): Amalthea Germanica et Latina. Dillingen: Schwertlen. Matthiae, Georg (11748): Novum locupletissimum manuale lexicon. Halle (Saale): Bierwirth [21749, 3 1761, 41775].

Kurztitel der dt.-lat. Wörterbücher mit rein lateinischen Außentexten (1. Hälfte 18. Jh.)

Aber immer mehr gesellt sich das Deutsche zum Latein der Außentexte. In Sommerhoffs Lexicon pharmaceutico-chymicum (11701, 21713) und in Steinbach 1734, dessen Interessensschwerpunkt ähnlich wie bei Frisch 1741 in der deutschen Etymologie liegt, findet man sowohl ein lateinisches als auch ein deutsches Vorwort. Bei Steinbach überwiegt der deutsche Anteil sogar deutlich: Der Haupttitel ist gemischt, der Untertitel unmittelbar vor dem zweiten, deutsch-lateinischen Teil auf Deutsch. Erklärungssprache ist bei Frisch und Steinbach, wie wir sahen, noch selbstverständlich das Lateinische, auch wenn es ihnen um den deutschen Wortschatz geht. Gänzlich deutsch sind bereits die Außentexte bei Jahn 1730/1753 (hier mischen sich lateinisch beibehaltene Wörter wie Barbarismi, Soloecismi, Archaismi unter den ansonsten deutschen Titel), Weber 1734 (abgesehen vom kurzen Haupttitel Lexicon encyclion; der lange Untertitel ist deutsch) und Frisch 1741, dessen Werk ohnehin auf die deutsche Sprache abzielt und das die lateinischen Interpretamente lediglich „um der gelehrten Ausländer willen“9 hinzufügt. Apins Wörterbuch von 1727 ist im Gegensatz zu seinem ein Jahr später erschienen Wörterbuch (s.o.) hauptsächlich deutsch gehalten: Wie bei Jahn mischen sich auch hier lateinische Wörter in den deutschen Titel, und außer einem lateinischen Sendschreiben Gesners sind auch alle Vorreden auf Deutsch verfasst. Angemerkt werden muss, dass hier nur ein Teil, nämlich der geographische Anhang, deutsch-lateinisch ist. Hederichs Vorrede in seinem Promtuarium latinitatis probatae et exercitae (zuerst 1729) ist auf Deutsch, der Titel zweisprachig, wobei auch hier das Deutsche bei weitem überwiegt und nur der Haupttitel lateinisch ist. Hederich, Jahn und Weber sind auf das Lateinschreiben ausgerichtet, während Steinbach und Frisch die überkommene Form des deutschlateinischen Wörterbuchs wahren, um den deutschen Wortschatz darstellen zu können.

|| 9 Frisch 1741: 2r.

58 | Prolegomena zu den deutsch-lateinischen Wörterbüchern von 1750 bis 1850

1 Sommerhoff, Johannes Christophorus (1701): Lexicon pharmaceutico-chymicum latino-germanicum et germanico-latinum. Nürnberg: Zieger/Lehmann [Rüdiger, 21713]. Steinbach, Christoph Ernst (1734): Vollständiges deutsches Wörterbuch vel Lexicon GermanicoLatinum. Breslau: Korn [zuerst: Deutsches Wörterbuch vel Lexicon Germanico-Latinum. Breslau: Hubert, 1725]. Apin, Siegmund Jacob (1727): Grammaticalisches Lexicon [...]. Nürnberg: Endter/Engelbrecht. Hederich, Benjamin (1729): Promtuarium latinitatis probatae et exercitae, oder vollständigstes Teutsch-Lateinisches Lexicon [...]. Leipzig: Gleditsch [Bearbeitungen bis 1777]. Jahn (Janus), Daniel Friedrich (1730): Philologisches Lexicon der reinen und zierlichen Latinität. Leipzig: Martini und ders. (21753): Philologisch-kritisches Schul-Lexicon. Halle: Waisenhaus. Weber, Johann Adam (11734): Lexicon encyclion oder kurtzgefaßtes lateinisch-teutsches und teutschlateinisches Universal-Wörter-Buch. Chemnitz: Stößel [21745; 41807]. Frisch, Johann Leonhard (1741): Teutsch-lateinisches Wörter-Buch. Berlin: Nicolai.

Kurztitel der deutsch-lateinischen Wörterbücher mit deutschen oder deutsch-lateinischen Außentexten (1. Hälfte 18. Jh.)

Ohnehin gemischt sind die polyglotten Wörterbücher dieser Zeit: Bei Veneroni 1700/1714, der vier Sprachen (Französisch, Italienisch, Deutsch und Lateinisch) und dementsprechend auch vier Teile enthält (französisch-italienisch-deutschlateinisches Wörterbuch, in den weiteren Teilen wechselt jeweils die Lemmasprache), wird für die Titelseite des jeweiligen Teils die lemmagebende Sprache gewählt. Die Vorrede des Verlegers in Veneroni 1700 ist auf Deutsch.10 Bei Wussin ist nur der Haupttitel lateinisch, der weitere Titel ist deutsch; eine Vorrede scheint es ebenfalls nicht zu geben.11 Deutsch und russisch sind Titel und Vorrede eines polyglotten Wörterbuchs aus Sankt Petersburg. Es basiert auf dem häufig gedruckten Wörterbuch von Weismann (zuerst 1673, seit 1685 zweiteilig, Bearbeitungen bis 1775). 1 Veneroni, Giovanni (1700): Le dictionaire imperial [...] Das käyserliche12 Sprach- und Wörter-Buch [Teil 3]. Frankfurt am Main: Zunner [Zunner/Jung, 21714 und weitere Ausgaben]. Wussin, Caspar Zacharias (1700): Dictionarium germanico-latino-bohemicum [...] Dictionarium von dreyen Sprachen. Prag: Hampel [21722/1729; 31742–49]. Teutsch-lateinisches und russisches Lexicon (1731). St. Petersburg: Kayserl. Akademie der Wiss.

Kurztitel der polyglotten Wörterbücher (1. Hälfte 18. Jh.)

|| 10 In Veneroni 1714 fehlt die Vorrede, zumindest im Digitalisat der UB Mainz (urn:nbn:de:hebis:77vcol-2307). 11 Zumindest nicht im Digitalisat der BSB München (4 Polygl. 91-1; urn:nbn:de:bvb:12bsb10691137-4). 12 Das Prädikat käyserlich bezieht sich auf das Druckprivileg: Mit Römischer Käyserl. und Polnischen Maj. auch Chur-Sächsis. allergnädigst. und gnädigsten Freyheiten.

Die Vorreden und die Neuartigkeit der deutschen Wörterbuchsprache | 59

Diese Analyse der Titel und Vorreden zeigt, dass noch in den ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts mehr Latein als Deutsch für diese Texte verwendet wurde. Der Wechsel zur deutschen Sprache vollzieht sich bei den Vorreden etwa von den 30erJahren an und ist bereits ganz vollzogen bei den Wörterbüchern, die ab 1750 erschienen sind – natürlich abgesehen von Nachdrucken oder Neuausgaben älterer Wörterbücher, die bereits in der ersten Auflage mit lateinischen Außentexten gedruckt wurden. Bei den Titeln hingegen verläuft dieser Wechsel etwas langsamer: Er ist aber spätestens mit Bauers (zuerst 1778) und Schellers Wörterbüchern (seit 1784) vollzogen. Nach ihnen werden deutsch-lateinische Wörterbücher in der Regel bis auf den heutigen Tag mit deutschen Titeln versehen. Erst in neuerer Zeit ist man gelegentlich wieder dazu übergangen, Doppeltitel zu wählen: „Lexicon auxiliare – Ein deutsch-lateinisches Wörterbuch“ von Helfer 31991, „Neues Latein-Lexikon – Lexicon recentis latinitatis“ von Egger 1998 oder „Wörterbuch der heutigen Rechts- und Politiksprache. Lexicon terminorum iuridicorum et politicorum nostrae aetatis“ von Bauer 2008. Dies hat einerseits mit der Zweisprachigkeit des Wörterbuchs zu tun, das einen zweisprachigen Titel nahelegt, andererseits vielleicht auch damit, dass diese Autoren der Strömung des Latin vivant verpflichtet sind, in der die Übertragung eines jeglichen Wortes ins Lateinische eine entscheidende Rolle spielt. Der Wechsel zur deutschen Sprache der ‚Außentexte‘ fällt zusammen mit einer auffallenden und noch näher zu besprechenden Dominanz der Lexikographen protestantischer Konfession (s.u.). Die Jesuiten hingegen schrieben in den deutschlateinischen Wörterbüchern selbstverständlich nur Latein. Die vierte Auflage etwa von Bayers (1673–1750) Paedagogus Latinus von 1740 ist noch ganz auf Latein. Erst die Bearbeitung von 1786 (zehnte Auflage), die angesichts der Aufhebung des Jesuitenordens im Jahre 1773 vielleicht trotz deren weiteren Schul- oder weltpriesterlichen Tätigkeit nicht mehr von Jesuiten vorgenommen wurde, ist mit einem zusätzlichen deutschen Titel versehen und enthält nur noch eine deutsche Vorrede. Die Wörterbücher der Zeit nach 1750 enthalten neben der Vorrede (manchmal auch als Vorbericht oder Vorerinnerung bezeichnet) oft auch ein Abkürzungsverzeichnis, seltener ein Verzeichnis des zugrunde gelegten Autorenkorpus. Immer seltener ist jedoch die Widmung eines der Wörterbücher an eine Persönlichkeit der Zeitgeschichte. Man findet sie zum Beispiel noch bei Bernhold 1757, dessen Werk der Verleger dem polnischen Kleriker und Gelehrten Joseph Andrea (?) widmet, oder bei Kraft, der die zweite Auflage seines Wörterbuchs 1824/25 seinem Vater, dem Prediger Georg Gottlob Kraft, und die vierte Auflage 1843/44 „[d]em Hochedlen, Hochweisen Senate der freien Hansestadt Hamburg“ widmet. Die Länge der Vorreden variiert stark. Es finden sich Texte sowohl von ein bis zwei als auch von mehreren Dutzend Seiten Länge. Die vierseitige, knapp gehaltene Vorerinnerung am Anfang des Bauerschen Wörterbuchs etwa ist bei der Beschreibung der Konzeption und der Programmatik viel weniger ausführlich und genau als die langen Vorreden bei Scheller, Kraft oder Wüstemann. Manche Autoren haben

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ihre Vorreden in nüchternem Stil verfasst, manche dagegen – wie zum Beispiel Scheller (s.u.) – schreiben sehr temperamentvoll. Für die Zeit vor 1750 kann gelten, was Paul Aler S.J. in Bezug auf die Titelseite seines Werks in seiner Vorrede prägnant formuliert hat: Libri frontem inspicite; quod promittit, præstabit. Damit ist ausgedrückt, dass die Programmatik des Wörterbuchs bereits im Titel zu finden ist und man dafür nicht eine Vorrede studieren muss. Und tatsächlich macht Paul Aler bereits auf dem Titelblatt (s.u.) den Zweck des Wörterbuchs deutlich: Ut quodvis Scholasticum Pensum Germanicum facilè, et emendatè in Latinum verti, ac sæpius eleganter variari possit. Und ein zweites Mal: OPUS IN HOC GENERE ABSOLUTUM, NOVUM, pulcro ordine dispositum, atque unum pro transferendis in Latinum pensis Germanicis instar omnium. Die Ausrichtung auf die lateinischen Stilübungen, genauer die deutsch-lateinischen Übersetzungen in der Schule, ist hier als Ziel klar definiert. Zudem wird die Quantität (unum ... instar omnium – „eines mit dem Gehalt von allen“) hervorgehoben, womit Aler wohl zu verstehen gibt, dass in seinem Wörterbuch der Inhalt mehrerer Wörterbücher zusammengeflossen sind. So gedeutet, macht dies also in Alers Augen die Konsultation von vielen Einzelbüchern überflüssig. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts verschiebt sich jedoch die Darstellung der Programmatik eines Wörterbuchs gewissermaßen vom Titelblatt in die Vorrede: Während die Autoren in ihren Vorreden nun tendenziell immer genauer auf die lexikographische Konzeption eingehen und die Vorreden dadurch teilweise auch länger werden, werden im Gegenzug die Titel der Wörterbücher auffälligerweise immer kürzer. Während nach guter barocker Sitte etwa bei Kirschens Wörterbuch mit dem Haupttitel Cornucopiae von 1714, Bayers Paedagogus Latinus von 1724 oder Alers Dictionarium Germanico-Latinum von 1727 ein dichtbedrucktes und beeindruckendes Titelblatt mit Informationen zu Wörterbuchbasis, -gegenstand und -funktion vorangestellt ist, fallen beispielsweise die Titelblätter von Wüstemanns (1826; s.u.) oder Mühlmanns (1845/54) Handwörterbuch überaus schlicht aus. Ein weiteres Merkmal der Wörterbücher, die nach 1750 erschienen sind, ist, dass sie in der Regel keine Frontispize mehr haben, die die Programmatik auf ihre eigene Weise ausdrücken würden. Mit dem Ende des Barockzeitalters werden Frontispize, Kennzeichen der barocken Buchkunst, ja im Allgemeinen seltener. Bei Kirsch 1714, Bayer 1724 und Hederich 1729 findet sich auf der Frontispizseite zusätzlich ein ganzseitiger Stich, der zur Ästhetik und Autorität des Wörterbuchs wesentlich beiträgt. Bei Kirsch wird, auf den Titel des Cornucopiae anspielend, die Fülle des Wörterbuchs durch ein Füllhorn, bei Bayer das Wirken des Heiligen Geistes in allen Bereichen der Welt symbolhaft dargestellt (mehr zu beiden Bildern s.u.). Bei Hederich ist ein Triumphbogen in Rom zu sehen, der den Schriftzug M. TVLLIO CICERONI trägt. Die Bildaussage hier ist auf die Auswahl des Wortschatzes aus klassischen Autoren, insbesondere Cicero (aus tüchtigen, so wohl alten, als neuen Auctoribus, insonderheit aber aus dem Cicerone) bezogen. Derartige Symbolbilder finden sich (abgesehen von Bearbeitungen einzelner Wörterbücher, wie bei der 10. Auflage von Bayers Wörter-

Die Vorreden und die Neuartigkeit der deutschen Wörterbuchsprache | 61

buch 1786, in der dasselbe Symbolbild erhalten geblieben ist) in der Zeit nach 1750 nicht mehr.

Abb. 6: Programmatisches Titelblatt von Paul Aler, Dictionarium Germanico-Latinum, Köln 1727. Digitalisat der BSB München, urn:nbn:de:bvb:12-bsb10585571-5 (letzter Zugriff: 3.6.2022).

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Abb. 7: Schlichtes Titelblatt von Ernst Friedrich Wüstemann, Deutsch-lateinisches Handwörterbuch, Gotha 1826/1827. Eigener Scan des Autors.

Die Notwendigkeit des Lateinschreibens | 63

4.2 Die Notwendigkeit des Lateinschreibens das soll, dies muß, dies kann, dies wird nie unterbleiben Carl Ludwig Bauer 1778

Der Anfang des 19. Jahrhunderts steht in Preußen im Zeichen der Bildungsreform, die maßgeblich auf den Leiter der „Sektion des Kultus und des öffentlichen Unterrichts“, Wilhelm von Humboldt (1809/1810) zurückgeht. Äußeres Zeichen dafür war die Gründung der Universität zu Berlin 1809. Als weitere Meilensteine der Reform folgten das bereits erwähnte Edikt von 1810 zur allgemeinen Lehramtsprüfung (Examen pro facultate docendi) und verschiedene Bestimmungen zu Lehrplan und Abitur. Im Edict wegen Prüfung der zu den Universitäten übergehenden Schüler13 vom 12. Oktober 1812 wird vom Schüler des preußischen Gymnasium gefordert, „den eignen lateinischen Ausdruck ohne grammatische Fehler und grobe Germanismen in seiner Gewalt zu haben, nicht allein schriftlich, sondern auch über angemessene Gegenstände mündlich“.14 Der lateinische Aufsatz solle, so die Empfehlung des Edikts, ein alt-historisches Thema behandeln, da diese Themen geeignet seien, „die Anstrengung des Verfertigers nicht zu sehr zwischen Form und Materie zu theilen“15. Hinsichtlich der Materie „darf auch hier keinesweges eine trockne Hererzählung von Thatsachen das Ganze ausmachen, sondern vielmehr die Beziehung mehrerer wichtigen Begebenheiten auf einander, und die Darstellung und Beurtheilung ganzer Zustände der Völker sind es, woran die Combinationsgabe der Jünglinge zu prüfen seyn wird“. In der mündlichen Prüfung hingegen muss der Kandidat den Text eines Autors auf Latein auslegen können. Zum Autorenkanon gehören Cicero, Livius, Horaz, Vergil und Tacitus, wobei die ersteren „im Ganzen mit Leichtigkeit zu verstehen“, letzterer „aber nach gestatteter Ueberlegungs-Zeit richtig zu erklären“16 seien. Während die noch von Humboldt veranlasste preußische Prüfungsordnung von 1812 und auch die Bestimmungen von 1816, 1834 und 1837 (s.u.) selbstredend keinen Zweifel an der Notwendigkeit des Lateinschreibens, ja des aktiven Lateingebrauchs überhaupt aufkommen lassen, geben die oftmals apologetisch ausgerichteten Vorreden der deutsch-lateinischen Wörterbücher auch Einblick in die zeitgenössische Kritik am Lateinunterricht: Die Vorreden sind der geeignete und für damalige Verhältnisse ‚medienwirksame‘ Ort, an dem der Lexikograph auf die Kritik am aktiven Lateingebrauch reagieren kann. Aber auch die Stellung des Lateinischen in der Gesellschaft und vor allem in der Schule wird hier thematisiert.

|| 13 Schultze 1831: 6–26. Einen Überblick über die schulischen Stilübungen für die Jahre nach 1812 bietet Liebsch 2013: 153–217. 14 § 6, 1. A. a). 15 § 10,3. 16 § 6, 1. A. a).

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Die Notwendigkeit lateinischer Stilübungen in Form von Übersetzungen aus dem Deutschen kann Carl Ludwig Bauer (1730–1799) in den einleitenden Worten zur Erstausgabe seines Lexicons von 1778 noch mit dem Hinweis auf den zu seiner Zeit bis dahin unverzichtbaren aktiven Gebrauch des Lateinischen verteidigen: Sind Deutsch-Lateinische Wörterbücher an sich, überhaupt, nöthig? Ich glaube, ja; so lange wir aus dem Deutschen in das Lateinische, mündlich, oder schriftlich, übersetzen; das soll, dies muß, dies kann, dies wird nie unterbleiben. Bauer 1778, Vorerinnerung: 2r

Hört man aus diesen trotzigen Worten bereits eine Sorge um das Lateinschreiben heraus? Auch in der Vorrede zu seinem Übungsmagazin zum Lateinisch-Schreiben (1787) äußert sich Bauer zu diesem Thema. Darin bemerkt er bezüglich der Notwendigkeit von Stilübungen an der Schule, dass diese nur von jemandem abgeschafft werden könnten, der selber kein Latein beherrscht „oder wer die Lateinische Sprache gern von ihrem Range und Gebrauche verdrängen will, den man ihr so wenig rauben wird, als dem Römischen Rechte, und den ihr wenigstens keine neuere Sprache; am wenigsten bey [!] Ausländern, nehmen wird“17. Wer Latein abschaffen will, gehört nach Bauer zu jenen, die als Schüler im Lateinunterricht „mit elenden, Geschmacklosen [!], sachenleeren, dem Innhalte [!] nach unnützen und widrigen, blossen Wort- und Phrasen-Uebungen, ohne Absicht, ohne Einsicht, Geschmack, Nutzen und Unterhaltung, pedantisch geplagt worden“18 sind. Um dies zu vermeiden, möchte Bauer in seinem Übungsmagazin interessante und der Fähigkeit der Schüler angemessene Texte anbieten. An der grundsätzlichen Notwendigkeit der lateinischen Stilübungen lässt Bauer jedoch keine Zweifel aufkommen. Weit ausführlicher behandelt Immanuel Johann Gerhard Scheller (1735–1803) den Zustand des Lateinunterrichts und die Stellung des Lateinischen in Schule und Gesellschaft. Zunächst stellt er den desolaten Zustand des Lateinunterrichts fest. Daraus erwuchs nach Schellers eigenen Angaben die Motivation ein derart großes deutsch-lateinisches Wörterbuch (zuerst 1784) abzufassen – in der dritten Auflage von 1805 ist sein Werk auf zwei Bände mit insgesamt 3744 Spalten angewachsen. Gleich „zwey Drittel“ der Lateinlehrer, vermutet Scheller, würden zu seiner Zeit nicht fehlerlos Latein schreiben können und dadurch auch den Schülern falsche Wendungen beibringen. Das Bild, welches Scheller zeichnet, stellt dem Lateinunterricht seiner Zeit ein verheerendes Zeugnis aus: Man wundert sich zuweilen, daß so viele Jünglinge, nachdem sie vier, sechs, und mehr Jahre Latein gelernt, doch nicht im Stande sind, einen Bogen Latein ohne Fehler zu schreiben. Man würde sich nicht wundern, wenn man wüßte, daß unter so vielen Tausenden, die sich als Lehrer in der Latinität besolden lassen, wahrscheinlicher Weise zwey Drittel sind, die selbst nicht

|| 17 Bauer 1787, Vorrede: 2v. 18 Bauer 1787, Vorrede: 2v–3r.

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ohne Fehler Latein schreiben können; folglich die Fehler ihren Schülern nicht nur nicht verbessern, sondern ihnen auch fehlerhafte Wörter und Constructionen vorsagen. Scheller 1805, Vorrede zur ersten Auflage 1784: III (s. auch Vorrede zur zweiten Auflage 1789: XIX)

In einer Fußnote lässt er als Entschuldigung aber die schlechte Besoldung der Lehrer gelten, die einen besseren Lateinunterricht verhindern würde. Wer finanziell abgesichert sei, könne auch besser unterrichten. Zu diesem Zeitpunkt gab es noch keinen eigenen Gymnasiallehrerstand, der erst im Zuge der genannten Humboldtschen Reformen eingeführt wurde. Scheller spricht sich – hier wie auch in anderen Werken19 – für die finanzielle Aufwertung des vernachlässigten Lehrerberufes aus: Aber man darf es ihnen [den schlechten Lateinlehrern] eben nicht so übel nehmen: denn ihr Gehalt ist nicht darnach, daß sie etwas Sonderbares leisten sollten. Männer, die sich fühlen, verdingen sich nicht für einen so niedrigen Preis. Und doch müssen die Stellen besetzt werden. Man klagt über die Schulen, über die Lehrer, Lehrmethode etc.: man klage vielmehr über die geringen Besoldungen, oder über diejenigen, die sie gehörig verbessern könnten und sollten. Für einen anständigen Gehalt, bekommt man überall geschickte Männer, wenn man sie sucht. Scheller 1805, Vorrede zur ersten Auflage 1784: III

Über diesen wichtigen bildungspolitischen Zusammenhang finden wir in keinem anderen deutsch-lateinischen Wörterbuch eine Bemerkung. Häufig ist dort allerdings von Schülern aus armen Verhältnissen die Rede, denen im Vorwort die günstige Anschaffung des betreffenden deutsch-lateinischen Wörterbuchs versprochen wird. „Ein gutes deutsch-lateinisches Wörterbuch“20 solle, so Scheller, dem schlechten Lateinunterricht zumindest auf dem Gebiet des Wortschatzes Abhilfe schaffen. Natürlich könne man in einem solchen Wörterbuch unmöglich alle stilistischen, grammatikalischen usw. Einzelheiten behandeln; dennoch sei es für den Lateinschüler sehr nützlich, „weil es ihm die Wörter, als das Hauptwerk, darreicht, und ihm zeigt, wie er die Dinge ausdrücken müsse; und zwar nicht nur diejenigen, die die Alten bereits gekannt und ausgedrückt haben, sondern auch die sie nicht kannten, folglich nicht ausdrücken konnten“21. Scheller ist also bei der Darbietung des Wortschatzes auf die Erfassung nicht nur der antiken, sondern auch der modernen Welt ausgerichtet.

|| 19 Das Thema der anständigen Besoldung der Lehrer bzw. die Förderung der Anerkanntheit des Schulamts ist ein wichtiges Dauerthema für Scheller, so etwa auch lesenswert in der Vorrede zur zweiten Auflagen (erschienen 1789) von Anleitung, die alten lateinischen Schriftsteller philologisch und kritisch zu erklären usw., Neue Vorrede, XXII–XXIV, oder in: Rede, worin gezeigt wird, daß es für den Staat sehr vortheilhaft sey, wenn der Schulstand ansehnliche Einkünfte und Ehre geniesse, Breslau: Korn, 1780. 20 Scheller 1805, Vorrede zur ersten Auflage 1784: III. 21 Scheller 1805, Vorrede zur ersten Auflage 1784: IV.

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Auch der Umstand, dass Lateinschreiben in dieser Zeit einer starken gesellschaftlichen Kritik ausgesetzt war,22 wird von Scheller nicht übergangen. In den anderen Wörterbüchern wird diese Frage gar nicht oder nur in Ansätzen behandelt, während Scheller das Latein beherzt verteidigt. Eine klare apologetische Ausrichtung lässt sonst nur Kraft in seiner Vorrede zur vierten und letzten Auflage seines Wörterbuchs von 1843/44 erkennen (s.u.). Schellers Hauptargument in seiner ersten Vorrede von 1784 geht cum grano salis dahin, dass nur diejenigen Latinisten das Lateinschreiben angreifen würden, die des Lateinischen selbst nicht in ausreichendem Maße mächtig seien. Ähnliches hatte ja schon Bauer formuliert. Diese Kritiker übergeht Scheller mit rascher Feder, da er davon ausgeht, dass die Kritik von Leuten, die „insgemein keine großen Kenner der Latinität“23 sind, sich nicht durchsetzen werde. Zur Veranschaulichung zieht er folgenden Vergleich: Es wird nicht leicht ein großer Mathematiker von der Mathesis, ein großer Arzt von der Arzneykunst, ein großer Jurist von der Jurisprudenz, ein großer Maler von der Malerey etc; also auch ein großer Lateiner von der lateinischen Sprache, ein großer Grieche von der griechischen, verächtlich sprechen. Man weiß, warum der König von Preußen Friedrich der Zweyte von der deutschen Literatur verächtlich urtheilte: und Voltäre, der kein Deutsch verstand, gab ihm vollkommen darin recht. Socrates, der auch ein Philosoph war, würde ganz anders geurtheilt und geantwortet haben. Scheller 1805, Vorrede zur ersten Auflage 1784: IX

Der Vergleichspunkt zwischen Voltaire und Sokrates liegt hier darin, dass beide kein Deutsch beherrscht haben. Sokrates aber hätte sich niemals ein – noch dazu abwertendes – Urteil über etwas erlaubt, was er nicht kannte. Dieser unmissverständliche Tadel setzt sich auch in der Vorrede zur zweiten Auflage von 1789 fort. Dort richtet sich Scheller gegen diejenigen, die nur damit prahlen, gut Latein zu können. Sie sollten erst von einem außerschulischen Forum geprüft werden, bevor sie sich zu solchen Äußerungen aufschwängen. Latein in der Güte zu schreiben, „wie die Alten schrieben, die im goldnen Alter lebten, und die wir doch vorzüglich lesen“24, sei schwierig. Auch vorzügliche Gelehrte wie der Leipziger Jurist und Philologe Gottlieb Kortte (1698–1731) oder ein Ernesti, der sonst dem Cicero gleichgestellt werde, würden Fehler machen.25 Kein geringerer als Johann August Ernesti (1707–1781), ungeliebter Kollege von Johann Sebastian Bach (gest. 1750), war im Übrigen Schellers Lehrer und Förderer in dessen Leipziger Zeit (1752–1760). Das Folgende gerät nun zu einer Theorie der deutsch-lateinischen Übersetzung, in deren Zusammenhang Scheller auch die sogenannten exercitia in der Schule || 22 S. hierzu Landfester 1988: 68–72. 23 Scheller 1805, Vorrede zur ersten Auflage 1784: IX. 24 Scheller 1805, Vorrede zur zweiten Auflage 1789: XIII. 25 Scheller 1805, Vorrede zur zweiten Auflage 1789: XI–XIII.

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anspricht. „Schwer ists demnach überhaupt richtiges Latein überall zu schreiben: aber noch schwerer ists, etwas aus dem Deutschen in das Lateinische richtig und genau zu übersetzen.“26 So lautet die Ausgangsbehauptung. Denn erstens müsse man wissen, wo sich das Deutsche und das Lateinische hinsichtlich der Wendungen und Verbindungsarten ähnlich und unähnlich sind. Zweitens verhülle gleichsam der Ausdruck der Ausgangssprache den zu wählenden Ausdruck der Zielsprache, insbesondere weil man normalerweise Deutsch besser könne als Latein. Man hat zwar von manchem deutschen Gelehrten geglaubt, er verstehe mehr Latein als Deutsch. Aber es fragt sich noch, ob es sich wirklich so verhält, und wie es zu verstehen sey. Und wäre es auch an dem, so wäre es eine seltsame Ausnahme. Scheller 1805, Vorrede zur zweiten Auflage 1789: XIV

Zu Schellers Zeiten, also am Ende des 18. Jahrhunderts, ist es demzufolge kaum mehr vorstellbar, dass jemand die Gelehrtensprache Latein mehr verinnerlicht haben könnte wie die Nationalsprache. Drittens, so Scheller weiter, erlange keine Übersetzung den Beifall aller, da das Urteil häufig sehr subjektiv ausfalle. Der eine meine, es müsse wörtlicher übersetzt sein, der andere freier und so fort. Das Urteil nur dem Gefühl nach müsse also den „unveränderlichen, und allgemein erkannten Regeln“27 weichen. Dem Übersetzen stellt er das direkte Schreiben auf Latein gegenüber, das Philologen aufgrund der Ungebundenheit durch eine Vorlage bevorzögen. Wie aber hat eine Übersetzung ins Lateinische auszusehen? Scheller drängt mehrfach darauf, eine deutsche Vorlage möglichst genau zu übersetzen. Nicht ohne Not solle man vom Wörtlichen abweichen. Dies sei unnötig, wenn antike Autoren ohnehin eine einfache, wörtliche Formulierung verwendet haben: Beispielsweise müsse man für „Fieber haben“ nicht zwanghaft laborare febre schreiben, wenn man bei den Alten auch das wörtliche habere febrem findet.28 Vom Deutschen sollte man überhaupt nur abweichen, wenn daraus ein Germanismus im Lateinischen entstehen würde, zum Beispiel ter tria efficit novem statt dem richtigen ter tria efficiunt novem.29 Er tadelt die Lehrer und die „neuen Lateiner“, die sagen würden, dass eine lateinische Übersetzung umso schöner sei, je weniger sie dem deutschen Text gleiche. Manche Lehrer würden ihren Schülern sagen, dass freies Übersetzen „zierlicher“30 sei. Das aber bringe in den Augen Schellers den Nachteil mit sich, dass die Schüler nie gezwungen seien, sich die genaue Bedeutung eines Wortes einzuprägen. In seinem Wörterbuch versuche er daher die deutschen Wörter und Wendungen im

|| 26 Scheller 1805, Vorrede zur zweiten Auflage 1789: XIII. 27 Scheller 1805, Vorrede zur zweiten Auflage 1789: XIV. 28 Scheller 1805, Vorrede zur ersten Auflage 1784: VIII–IX. 29 Ebd. 30 Scheller 1805, Vorrede zur dritten Auflage 1805: XXXI.

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Lateinischen möglichst gleich wiederzugeben („Pünktlichkeit“31), das heißt Substantiv mit Substantiv, Adjektiv mit Adjektiv usw. Wo dies nicht möglich sei, umschreibe er verbal, ohne den Sinn zu verändern. Seine eigenen Übersetzungen müssten aber nicht als „Evangelium“ und „Vorschrift“32 gelten, wo andere eine passendere Übersetzung finden. Über diesen Umweg kommt Scheller schließlich zum Hauptpunkt seiner Apologie des Lateinschreibens. Sein Ausgangspunkt ist die genannte Einschätzung, dass nur die wenigsten richtig Latein schreiben könnten. Denn wenn sie sich darauf verstünden, würden sie es auch schätzen. Doch es gebe viel zu viele, die auf ihre angeblichen Lateinkenntnisse pochen, es aber in Wirklichkeit nicht beherrschen würden; gerade diese Leute – die Mehrzahl – bestimmen nach der Meinung Schellers Zeitgeist und Mode. So werde ihnen zu Unrecht die Möglichkeit gegeben das Lateinische anzugreifen und zu sagen: „Wozu das Lateinschreiben?“ Scheller antwortet auf den Einwurf der Gegner des Lateinschreibens mit zwei Argumenten: Das erste versucht den gegnerischen Argumenten gleichsam den Wind aus den Segeln zu nehmen, indem es zugibt, dass Latein nicht in einem bestimmten Sinne nützlich sei. Es lautet: Ich weiß, daß wir weder in Latium noch in Frankreich leben, folglich eigentlich weder lateinisch noch französisch schreiben oder reden sollten. Aber wer kann es denn hindern, wenn nun Beydes Vielen gefällt? Es ist wahr, daß Beydes nicht zur Gesundheit des Menschen beytrage, und daß viel Tausende ohne Beydes ihr Amt gut verwalten können. Scheller 1805, Vorrede zur zweiten Auflage 1789: XVII

Aber in Wirklichkeit sei das Lateinlernen gar nicht aus einem utilitaristischen Blickwinkel zu betrachten, so Scheller weiter: Allein viel sind der Dinge, ohne die wir gesund leben und unser Amt verrichten können, und deren Erlernung dennoch für anständig, ja für nothwendig, gehalten wird, z. E. das Lomberspielen, Tarockspielen, Billardspielen etc., Tanzen, Singen, das Spielen auf Instrumenten etc. und viele andere Dinge. Scheller 1805, Vorrede zur zweiten Auflage 1789: XVII–XVIII

Latein also als bürgerliches Luxusgut. Man gönne jedem sein Vergnügen! Dennoch stehe die Nützlichkeit des Lateinschreiben fest: In den Augen Schellers ist es daher überhaupt nicht nachvollziehbar, dass manche in parteilicher Weise das Französische dem Lateinischen vorziehen.33 Als zweites Argument führt Scheller neben vertiefter Kenntnis des Lateinischen und der Möglichkeit des Lateinsprechens („denn je || 31 Ebd. 32 Scheller 1805, Vorrede zur dritten Auflage 1805: XXXII. 33 Vgl. die am Anfangs des Kapitels zitierten Äußerungen des frankophilen Politikers Oelsner.

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geschwinder einer Latein schreibt, desto fertiger ist er auch im Lateinreden“) fünf Fälle an, wo man diese Kenntnisse außerhalb des Schulunterrichts gebrauchen könne: Erstens würden lateinische Bücher außerhalb Deutschlands leichter gelesen werden können. Zweitens geschehe der internationale Briefwechsel der Gelehrten (etwa mit holländischen Gelehrten) am leichtesten und gewöhnlich auf Latein. Drittens würden Gelehrte aus Ungarn oder Polen sich oft nur in ihrer Muttersprache oder eben dem Lateinischen verständigen können. Viertens: „In der Niederlausitz wird der Abt zu Neuzelle nach einem lateinischen Formular belehnt, das der Lenssecretär in Lübben aufsetzen muß.“ Fünftens: „Die Briegsche Oberamtsregierung hat bisher oft an die Pohlnischen Gerichtshöfe, der Gewohnheit nach, Lateinisch schreiben müssen, wobey einer der Oberamtsscretarien die Feder führt.“ Scheller 1805, Vorrede zur zweiten Auflage 1789: XVIII

In diesem Sinne ist Latein also nicht nur Luxusgut, sondern Gelehrten- und Verwaltungssprache von höchster Aktualität. Eine zeitgenössische Anekdote aus Franz Grillparzers Selbstbiographie (1791–1836) zeigt, dass das Lateinische um 1800 für den Briefverkehr in Mitteleuropa tatsächlich praktische Bedeutung hatte. Der Hofmeister hatte versäumt, Schulbücher für den jungen Grillparzer anzuschaffen: So ging es beinahe ein volles Jahr fort. Endlich aber brach das Schicksal herein. Mein Vater [ein Rechtsanwalt] hatte einen lateinischen Brief nach Ungarn zu schreiben, und war wegen eines Ausdruckes in Zweifel. Er ging daher in unser Zimmer, das er sonst nie betrat, um sich in meinem Wörterbuche Raths zu erholen [!]. Er findet aber weder Wörterbuch noch Schulbücher. Ein großes Verhör wird vorgenommen, in Folge dessen der schuldige Hofmeister das Haus verlassen muß, und ein neuer, ein Tiroler, Namens Scarpatetti aufgenommen wird. Grillparzer’s Sämmtliche Werke (1872), Zehnter Band. Stuttgart: Cotta, 20–21. Gefunden in Wolfs Internetbibliographie.

Wie verbreitet das Lateinische am Ende des 18. Jahrhunderts noch war, zeigen auch die Bemerkungen Schellers zum Stil eines Briefes. Dieser solle sich, so sein Rat, am besten an den Stilvorstellungen des Adressaten orientieren. Jedoch kommts auch hier oft darauf an, mit wem man zu thun hat. Schreibt man an jemanden, der kein anders als ciceronisches Latein hören und lesen mag, und dessen Gunst man sich also dadurch erwerben kann, so umschreibe man das Wort, so gut man kann, mit ciceronischen Worten. Scheller 1805, Vorrede zur ersten Auflage 1784: IV

Lateinschreiben ist in den Augen Schellers nicht nur für die gelehrte und geschäftliche Korrespondenz von Relevanz. Bereits Kenntnisse in Latein würden gewissermaßen eine Art bildungsbürgerliche Kultur stärken. Er argumentiert dabei mit dem Recht des Bürgers, am gesellschaftlichen Leben teilhaben und sein Privatleben

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lebenswert gestalten zu können, wozu auch die Kenntnis der lateinischen Sprache gehöre. So müsse der Bürger doch Latein können, wenn er die vielen neuen Fremdwörter (etwa Industrie, Luxus, Manipulieren, Somnambulismus usw.) in den Zeitungen, Edikten, Büchern usw. verstehen wolle. Denn wo ist heutiges [!] Tages ein Buch ohne lat. Wörter und Floskeln? Sollen diese Leute schlechterdings gezwungen werden in das Bierhaus zu gehen oder ähnlichen Zeitvertreib zu suchen? Scheller 1805, Vorrede zur zweiten Auflage 1789: XVIII

Dies aber betrifft nicht mehr das aktive Lateinschreiben. Mit den oben genannten Beispielen führt Scheller aber seinen Beweis, dass Latein nach wie vor benötigt werde und zwar nicht nur von den Gelehrten bei der weltweiten wissenschaftlichen Korrespondenz, sondern auch in der Verwaltung von Kirche und Staat. Scheller schließt seine Apologie mit dem Appell, die Lehrer gut auszubilden und zu bezahlen. Denn dann würde auch der Lehrerstand und durch den guten und zügigen Unterricht auch das Lateinische wieder attraktiver: Man bringe es demnach nur erst durch geschickte und ämsige [!] Lehrer dahin, daß die lateinische Sprache in kurzer Zeit gelernt werde (man mag sie nun lernen des Verstehens oder auch des Schreibens wegen); die Bedenklichkeit wegen ihrer Nützlichkeit wird hernach wohl von selbst aufhören. Scheller 1805, Vorrede zur zweiten Auflage 1789: XIX

Die Idee der formalen Bildung, die bald die eigentliche Begründung des Lateinunterrichts sein wird (s.u.), ist hier mit keinem Wort erwähnt. Aber schon in der Zeit als Rektor am Lyceum in Lübben (Niederlausitz, 1761–1771) hatte Scheller in seinem Werk mit dem klangvollen Titel Anleitung, die alten lateinischen Schriftsteller philologisch und kritisch zu erklären und den Cicero gehörig nachzuahmen, nebst einem Anhange von einer ähnlichen Lehrart in der griechischen und hebräischen Sprache von 11770 und 21783 in diese Richtung argumentiert.34 In den jeweiligen Vorreden zu den zwei Ausgaben dieses Werks behandelt Scheller die Frage, „woran es denn liege, daß die lateinische und griechische Sprache heutiges [!] Tages so schlecht gelernt wird, da man so viele Jahre darauf verwendet“.35 Die Gründe dafür sieht er in der fehlenden Begabung, dem fehlenden Fleiß der Schüler oder dem Vorurteil mancher Eltern, dass die vertiefte Kenntnis des Lateinischen für einen Theologen, Juristen oder Arzt weder nötig noch nützlich sei.

|| 34 Eckstein 1887: 111 urteilt über das Buch: „[M]ehr eine Sammelei über Wortbedeutungen, Konstruktionen, Übersetzung u. dgl. als ein systematisches Werk“. 35 Scheller 1783, Vorrede zur ersten Auflage 1770: VIII.

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Vielmehr würden, so die Eltern, lediglich Grundkenntnisse des Lateinischen ausreichen, um in der Gesellschaft bestehen zu können. Außerdem ginge es in Sprachen nur um Worte, während die Wissenschaften (Theologie, Jura, Medizin, Philosophie) sich nur mit Sachen beschäftigen würden. Diesen – mutatis mutandis auch heute noch bestehenden – Vorurteilen hält Scheller ein Argument entgegen, das im Kern an das Konzept der formalen Bildung erinnert. Er schreibt: Müssen denn aber alle Studirende eine gründliche Kenntniß der alten Sprachen besitzen? Was nützt sie z. E. den Juristen? Allein sie ist nicht bloß um ihrentwillen, sondern vornehmlich um der Folgen willen allen Studirenden anzupreisen. Denn sie schärft das Nachsinnen, macht gründlich, nachdenkend, dringt bey allen Sachen auf die Ursachen, nimmt nichts unbewiesen an etc. Nur muß man recht verstehen, was eine gründliche Kenntniß der Sprachen sey. Scheller 1783, Vorrede zur ersten Auflage 1770: XIV–XV

Damit ist bereits im Jahre 1770 – also über ein Jahrzehnt vor Friedrich Gedikes Ausführungen zur formalen Bildung (s.u.) – die Argumentationslinie der Philologen angedeutet, die Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts um die Beibehaltung des aktiven Gebrauchs der alten Sprachen im Unterricht kämpfen mussten.36 Von der Verbindung des Sach- und Sprachunterrichts – wie sie beim frühen Gedike ausgeführt wird – ist hier aber nicht die Rede.37 Der Gedanke der formalen Bildung lag laut Paul Barth geistig schon im Rationalismus und Idealismus des 18. Jahrhundert gleichermaßen in der Luft. Barth weist etwa auf die Rolle Immanuel Kants (1724–1804) hin, der mit der Betonung des Formalen in der Dualität von Form und Materie die Theorie der formalen Bildung geistig vorbereitet habe:38 Nach ihm gebe es zwei Prinzipien der Erkenntnis, der Ehtik und Ästhetik, nämlich die ungeordnete Materie und die ordnende Kraft der Sinne und des Verstandes. Und „schon um die Mitte des 18. Jahrhunderts“ sei der „Anteil [...], den das Denken an der Erkenntnis hat, indem es den gegebenen Stoff formt“ als Ziel des Unterrichts „vereinzelt“ anerkannt worden.39

|| 36 S. hierzu Paulsen 1921, II: 87–88; van Bommel 2015: 121–125 (124, Anm. 42 sind mehrere einschlägige Abhandlungen zur formalen Bildung vom Ende des 18. Jhs. aufgelistet); Landfester 1988: 38–41; Stroh 2007: 266–268. Die formale Bildung wird historisch dargestellt und diskutiert bei Barth 1920: 630–637; Barth 1921: 186–219, Lehmensick 1926 und Luther 1961. Ausführlich hat sich der Kenner der altsprachlichen Grammatik, Raimund Pfister, in verschiedenen Aufsätzen mit dem Thema befasst (1954, 1961, 1990), die immer in Bezug auf die altsprachliche Grammatik einerseits die historische Entwicklung bis ins 20. Jahrhundert nachzeichnen (v. a. Pfister 1961) oder vom Historischen ausgehend die formale Bildung für den zeitgenössischen Grammatikunterricht zugänglich machen wollten (Pfister 1954 und 1990). 37 Vgl. Paulsen 1921, II: 86–87. 38 Barth 1920: 630ff. und Barth 1921: 188ff.; s. auch Pfister 1961: 48–49. 39 Barth 1920: 630.

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Darauf konnten die Klassischen Philologen die Begründung des altsprachlichen Unterrichts aufbauen. Als geistiger Vater der ‚formalen‘ oder veraltet ‚formellen Bildung‘ im Zusammenhang mit dem Lateinunterricht gilt – der Sache nach – Friedrich Gedike (1754–1803), ein Zeitgenosse Schellers.40 Gedike hatte zuerst 1781 im Gegensatz zu einem nicht vorhandenen materiellen Nutzen von einem „formelle[n] Nutzen“ des Lateinunterrichts gesprochen.41 Die Aussagen Schellers und anderer Vordenker dürfen hier freilich nicht vergessen werden.42 Dem Namen nach spricht der Kantianer August Hermann Niemeyer (1754–1828) im Jahre 1805 zuerst von der „formalen Bildung“, die am besten in den beiden alten Sprachen vermittelt werde.43 Klassisch ist der Begriff dann 1807 bei Friedrich August Wolf (1759–1824) in seinem Museum der Alterthums-Wissenschaft, allerdings ohne den Dualismus von materialer und formaler Bildung: Die Erlernung der Grammatik sei bei den „Vorfahren“ eine „nützliche Gymnastik des Verstandes“ auch für diejenigen gewesen, „die nur allgemeine, nicht litterarische [!], Aufklärung suchten“.44 Und in den Consilia scholastica: „In Ansehen der formellen Bildung muss alles dahin abzwecken, dass der Schüler Aufmerksamkeit, Gedächtniss [!], Verstand und die übrigen Seelenvermögen, an den Lehrgegenständen, welche dazu vorzüglich tauglich sind, übe und stärke.“45 Dass aber die „gründliche Kenntniß der Sprachen“ – so Scheller in seiner Anleitung von 1770 weiter – nicht erreicht werde, daran trage vor allem die „schlechte und mechanische Lehrart ungeschickter und unfleißiger Schullehrer“46 die eigentliche Schuld. Was meint Scheller damit? Wenn diese [Schullehrer] die alten Scribenten nur obenhin durchexponiren lassen, und ihren Schülern der obern Classen, denn von diesen rede ich hier eigentlich, die darin vorkommenden Ausdrücke aus dem Kirsch und kleinen Pasor47 erklären, und höchstens etliche Figuren der

|| 40 Vgl. Fritsch 1990: 32. 41 Praktischer Beitrag zur Methodik des öffentlichen Schulunterrichts (1781), in: Gedike 1789, I: 119–120. Die einschlägigen Stellen bzw. Schriften Gedikes sind: Vertheidigung des Lateinschreibens und der Schulübung darin (1783), in: Gedike 1789, I: 289–321; Über den Begriff einer Bürgerschule (1799) und v.a. Über den Begrif [!] einer gelehrten Schule (1802). Zu Gedike und seiner Sicht des Lateinschreibens s. Fritsch 2006. 42 Vgl. die bei van Bommel 2015: 121–125 angeführten Schriften oder auch oben Schellers Ausführungen. 43 Niemeyer, August Hermann (51805): Grundsätze der Erziehung und des Unterrichts. Halle: Waisenhaus, Bd. III: 344–46. 44 Wolf, Friedrich August (1807): Darstellung der Alterthums-Wissenschaft. In: Museum der Alterthums-Wissenschaft, Berlin: Realschulbuchhandlung, Bd. I: 99. 45 Wolf, Friedrich August; Wilhelm Körte (Hrsg.) (1835): Consilia scholastica. Quedlinburg und Leipzig: Becker, 98, in Bezug auf die alten Sprache s. 102–103. 46 Scheller, Anleitung, Vorrede zur ersten Auflage 1770: XII. 47 Kirsch 1714; evtl. Pasor, Georg (1620): Lexicon Graeco-Latinum in Novum Domini Nostri Jesu Christi Testamentum. Herborn 1620 (zahlreiche Auflagen; auch Manuale Novi Testamenti).

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Rhetoric mechanisch hersagen lassen, wenn sie ihnen endlich, an Statt sie mit den Schönheiten der Alten bekannt zu machen, ganze Ströme von Phrases in die Feder dictiren, und folglich nur ihre Finger auf Kosten des Verstandes, der dabey ruht, und nicht nachsinnen darf, mechanisch bewegen lassen: so können Schüler, die auf eine so trockene, einförmige und superficielle Art abgespeiset werden, an den alten Schriftstellern selbst, als die sie nicht verstehen, vielweniger ihre Schönheiten fühlen, ohnmöglich ein Vergnügen finden, auch keinen Nutzen daraus schöpfen. Scheller, Anleitung, Vorrede zur ersten Auflage 1770: XII

Mit der Anleitung von 1770 war Scheller, wie er selbst ausführt, bemüht, die Lateindidaktik seiner Zeit zu verbessern und jungen Leuten, „die das Unglück gehabt, in die Hände mechanischer Lehrer zu fallen, auf den rechten Weg zu bringen, ihnen, wo sie nicht von Vorurtheilen schon zu sehr gefesselt sind, einen Geschmack an den alten Sprachen beyzubringen, und sie in den Stand zu setzen, die schönen Werke eines Rollins und Batteux vor [d.h. für] sich lesen zu können“48; um der Verständlichkeit willen habe er das Buch auch auf Deutsch verfasst. Insgesamt geht es Scheller also darum zu zeigen, dass nicht der Lateinunterricht an sich zu verwerfen ist. Vielmehr müsste nur der Unterricht so verbessert werden, dass er nicht zur Phrasendrescherei und „Wortkrämerey“49 verkomme und auch Schülern zugänglich sei, die nicht eine philologische Laufbahn einschlagen werden. Ein halbes Jahrhundert später war die gesellschaftliche Situation für das Lateinschreiben nicht günstiger geworden. Was die Notwendigkeit von Stilübungen an der Schule angeht, äußert sich Friedrich Karl Kraft (1786–1866), Rektor des Hamburger Johanneums, etwa sechzig Jahre später deutlich zurückhaltender als Carl Ludwig Bauer. Für diesen war es ja noch unvorstellbar gewesen, dass die Übersetzung ins Lateinische an den Schulen abgeschafft würde. In der Zeit, als Krafts Wörterbücher erschienen, war das Lateinschreiben nach wie vor und sogar verstärkt obligatorischer Bestandteil des preußischen Lehrplanes für humanistische Gymnasien. Zudem waren auch Direktoren und Lehrer angehal-

|| 48 Scheller 1783, Vorrede zur ersten Auflage 1770: XIV. Ohne die Textergänzung, die ich Claudia Wiener, München, verdanke, bleibt diese Stelle unverständlich. Denn warum Scheller gerade diese beiden Franzosen als Beispiel gewählt haben sollte, erschließt sich nicht: Beide sind nicht gerade für ihre Latinität berühmt geworden. Zumindest sprach sich Charles Rollin (1661–1741) vehement für den vermehrten Gebrauch der Nationalsprachen im Bildungssystem aus. Er selbst soll erst seit seinem sechzigsten Lebensjahr auf Französisch publiziert haben, vgl. Eintrag auf Wikipedia [; letzter Zugriff: 22.01.2022]. Charles Batteux (1713– 1780), frz. Philosoph, Altphilologe und Jesuit, Mitglied der Académie française, hat vor allem französisch publiziert. Lateinische Werke von einem der beiden sind mir nicht bekannt. Ebenso unbekannt ist, ob ihre Werke (bekannt war etwa Batteuxʼ Les beaux arts réduits à un même principe von 1746) ins Lateinische übersetzt wurden. 49 Scheller 1783, Vorrede zur ersten Auflage 1770: X.

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ten, Abhandlungen und Festvorträge in den Schulprogrammen auch auf Latein beizutragen.50 Die Anforderungen an den Abiturienten und die Umstände der Prüfung und der Erteilung des Reifezeugnisses wurden im Reglement für die Prüfung der zu den Universitäten übergehenden Schüler51 vom 4. Juni 1834 konkretisiert und verschärft. Mit dem Reglement wurde das Bestehen der Reifeprüfung zudem zur offiziellen Bedingung für den Übertritt an die Universität, unter anderem um eine „Überlaufung der Universität mit zum Teil ganz ungenügend vorgebildeten Leuten“52 zu verhindern. Was das Lateinabitur angeht, kommt zum freien Aufsatz noch eine Stegreifübersetzung aus dem Deutschen hinzu. Die schriftlichen Prüfungen bestehen somit „in einem lateinischen Extemporale, und in der freien lateinischen Bearbeitung eines dem Examinanden durch den Unterricht hinreichend bekannten Gegenstandes, wobei außer dem allgemeinen Geschick in Behandlung, vorzüglich die erworbene stylistische Correctheit und Fertigkeit im Gebrauche der lateinischen Sprache in Betracht kommen soll“53. Für den Aufsatz sind fünf Stunden, für die Übersetzung zwei Stunden vorgesehen. Neu ist eine Äußerung zu den zu benutzenden Hilfsmitteln. Die Regelung zu den Wörterbüchern erfolgt ex negativo: „außer den Wörterbüchern der erlernten Sprachen“ sind keine weiteren „Hülfsmittel“ zugelassen.54 Genauere Angaben zu den Wörterbüchern finden sich nicht. Dass damit deutschlateinische Wörterbücher gemeint sein könnten, ist aber unwahrscheinlich, obwohl der Wortlaut auch das ermöglichen würde. Gemeint sind vermutlich lateinischdeutsche Wörterbücher. Bei dieser Regelung handelt es sich also um eine gewisse Erleichterung im Vergleich zur Abiturinstruktion von 1812. Dort war nur in der Übersetzung aus und ins Griechische ein griechisches Wörterbuch ohne nähere Spezifizierung zugelassen. Die mündliche Prüfung erfolgt nach wie vor auf Latein, „wobei den Einzelnen Gelegenheit zu geben ist, stellenweise in zusammenhängender Rede ihre erlangte Fertigkeit im mündlichen lateinischen Ausdruck zu zeigen“55. Die Anforderungen sind nun genauer definiert, die Prüfung besteht in der Auslegung eines Autors. Es werden „von den Examinanden passende, theils früher in der Schule erklärte, theils

|| 50 Vgl. Baumbach 2002: 121–122. 51 Neigebaur 1835: 211–228; Zusammenfassung bei Paulsen 1921: 347–348. 52 Paulsen 1921, 289. 53 § 16, 2); Neigebaur 1835: 214. 54 § 18; Neigebaur 1835: 215. 55 § 23, 2); Neigebaur 1835: 216. Für diejenigen Kandidaten, die Theologie oder Philologie studieren wollen, gibt es im Reglement noch weitere Anforderungen: „Von den künftigen Theologen und Philologen ist noch eine Uebersetzung eines auf der Schule nicht gelesenen Abschnittes aus einem der historischen Bücher des Alten Testaments [wohl hebräischer Sprache], oder eines kürzeren Psalms ins Lateinische nebst hinzugefügter grammatischer Analyse zu fordern“ (§ 18, Anm. 2; Neigebaur 1835: 215).

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nicht gelesene Stellen aus dem Cicero, oder Sallust, oder Livius, oder Virgil, oder Horaz übersetzt und erklärt, um sowohl ihre Fertigkeit und Gewandtheit im Auffassen des Sinns und im richtigen und geschmackvollen Uebersetzen, als auch ihre grammatischen und antiquarischen Kenntnisse und den Erfolg ihrer Privatlectüre lateinischer Schriftsteller zu ermitteln.“56 Aus diesem Text geht hervor, dass offenbar auch eine deutsche Übersetzung vor der Auslegung auf Latein gefordert war. Die Abiturprüfung eines Kandidaten gilt als bestanden, „wenn im Lateinischen seine schriftlichen Arbeiten ohne Fehler gegen die Grammatik und ohne grobe Germanismen abgefaßt sind, und einige Gewandtheit im Ausdrucke zeigen, und er die weniger schwierigen Reden und philosophischen Schriften des Cicero, so wie von den Geschichtsschreibern den Sallust und Livius und von den Dichtern die Eklogen und die Aeneide Virgil’s und die Oden des Horaz im Ganzen mit Leichtigkeit versteht, sicher in der Quantität ist, und über die gewöhnlichen Versmaaße [!] genügende Auskunft geben kann“. Genauere Auskünfte darüber, was Formulierungen wie „mit Leichtigkeit“ und „einige Gewandtheit“ genau bedeuten, kann ein solches Reglement freilich nicht geben. Mit Hinblick auf die Diskussion um das Gymnasium in den zwanziger und dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts und die Kritik an der angeblichen „Überbürdung“57 durch die hohe Stundenanzahl wurde am 24. Oktober 1837 ein neuer preußischer Lehrplan mit dem Titel Circular-Rescript, betr. die für den Unterricht und die Zucht auf den Gymn. getroffenen allgemeinen Anordungen veröffentlicht, der allerdings die Abiturbestimmungen von 1812 nicht antastet.58 Die für unsere Zwecke interessanten Hauptänderungen bestehen neben didaktischen und organsiatorischen Verbesserungen darin, dass das Gymnasium auf neun Jahre verkürzt wird und die Wochenstunden zugunsten des Lateinunterrichts umverteilt werden. Mit Ausnahme der nun zwei- statt dreijährigen Prima, in der weiterhin acht Wochenstunden Latein gelehrt wird, bekommt der Lateinunterricht zehn Wochenstunden zugeteilt. Für Rektor Friedrich Karl Kraft in Hamburg stellt sich die Situation der lateinischen Stilübungen in dieser Zeit als recht trübe dar. In seiner Vorrede zur vierten Auflage des Deutsch-lateinischen Lexikons (1843/44) blickt Kraft auf die rasante Entwicklung seines Wörterbuchs zurück und gibt, die Aussagen der vorangegangenen Vorreden aufgreifend, noch einmal ausführlich Rechenschaft über Zweck, Stoff, Anlage und Quellen seines Wörterbuchs. Dem ersten Teil, der sich mit der Bestimmung des Wörterbuchs auseinandersetzt, eignen apologetische Züge: Kraft zeigt sich zunächst überzeugt, dass deutsch-lateinische Wörterbücher für die Schule

|| 56 Ebd. 57 S. Paulsen 1921: 356. 58 Zitiert nach Rönne 1855: 144–156; dazu allgemein Paulsen 1921: 349–355.

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unabdingbar seien. Diese Aussage wird jedoch merklich eingeschränkt, wenn er schreibt: So lange noch die altclassische Bildung in unseren Gymnasien als ein unentbehrliches Fundament für jede gründliche Fortbildung durch die sogenannten Facultäts-Wissenschaften59 auf den Universitäten anerkannt und den ihr gebührenden Werth behalten wird, kann es wohl kaum in Zweifel gezogen werden, ob Deutsch-Lateinische Lexika für die studirende Jugend in Schulen nothwendig seien. Kraft 41843/1844, Vorrede, Bd. 1: IX

Der Nutzen und Sinn dieser Wörterbücher und damit aller obligatorischen Übungen im Lateinschreiben hängt in dieser Formulierung Krafts von einer Bedingung ab, die um die Mitte des 19. Jahrhunderts offensichtlich nicht mehr unverzichtbar erscheint – darauf weist zumindest die Einleitung des Satzes mit „So lange noch“: die gesellschaftliche Anerkanntheit des Lateinischen in der Schulbildung als „unentbehrliches Fundament“ für die akademische Laufbahn. Diesem hypothetischen Auftakt lässt Kraft eine ausführliche Verteidigung des aktiven Lateins folgen: Neben der Autorenlektüre seien die lateinischen Schreibübungen unverzichtbar zum Erlernen und inwendigen Verstehen des Geistes der lateinischen Sprache und der „Schönheit der in ihr geschriebenen Werke“60 – ein gewichtiges Argument, das bei Bauer nicht zu lesen ist. Scheller hatte immerhin knapp vom „Geschmack an den alten Sprachen“61 gesprochen. Daher, so Kraft an anderer Stelle, seien die deutsch-lateinischen Wörterbücher unerlässlich bei der „Uebung im Uebersetzen aus dem Deutschen ins Lateinische und selbst noch bei eignen lateinischen Ausarbeitungen“62. Die Erwähnung von freien Textproduktionen auf Latein fällt auf, da sie in den Vorreden anderer Wörterbücher kaum vorkommt. Der Grund hierfür ist unklar, bildet sie doch bis zum Ende des 19. Jahrhunderts einen wichtigen, wenn auch höchst umstrittenen Bestandteil des gymnasialen Lateinunterrichts (s. Kap. 4.3.1). Vielleicht galt der Lateinaufsatz für die lateinischen Lexikographen als Selbstverständlichkeit oder (wie schon Scheller zu Recht feststellte) als weniger schwierig als die an eine Textvorlage gebundene Übersetzung. Der Vollständigkeit halber sei hier erwähnt, dass in einigen wenigen Wörterbüchern (etwa bei Nieremberger, Bauer, Haas, Heinrich, in Kärchers Kleinen deutschlateinischen Wörterbuch) die Übersetzungen aus dem Deutschen ins Lateinische thematisiert werden. Exemplarisch sei hier die allgemein gehaltene Äußerung Be|| 59 Kraft meint hier wohl die traditionellen Fakultäten der Universität (Philosophie, Theologie, Jura, Medizin); in der philosophischen Fakultät waren auch die sich später absondernden Fächer zum Beispiel der Naturwissenschaften organisiert. 60 Ebd. 61 Scheller, Anleitung, Vorrede zur ersten Auflage 1770: XII. 62 Kraft 11820/1821, Vorrede, Bd. 1: V.

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nedikt Friedrich Nierembergers (1719–1785) fast hundert Jahre vor Kraft angeführt: „Die Jugend soll einen jeden Deutschen Aufsaz in reines und zierliches Latein übersezen [sc. können?]. Man hat zu dem Ende die lateinischen Wörter und Redensarten aus den besten Schriftstellern aufgesucht und zur mehrern Sicherheit die Namen dieser Schriftsteller selbst angeführet.“63 Nieremberger verbindet hier die Funktion (deutsch-lateinische Übersetzungen in der Schule) mit der Konzeption der Wörterbücherartikel (Auswahl und Angabe der „besten“ Autoren). Da – so schreibt er weiter – „einem jeden, der lateinisch schreibt, das Ansehen eines Cicero oder eines andern aus dem göldnen [!] Alter lieber seyn wird als eines Plautus oder Apulejus [...] habe [ich] einer jeden Redensart ihren eignen Gewährsmann beigefüget.“64 Bei Kraft jedenfalls werden beide Formen der lateinischen Schreibübung, also Übersetzungen und Aufsatz, zunächst mit der allgemeinen Anerkanntheit und mit dem Hinweis begründet, dass „eine gründliche classische Bildung ohne dieses tiefere Eindringen in den innern Geist und Mechanismus der lateinischen Sprache kaum möglich“65 sei. Gut sei ein deutsch-lateinisches Wörterbuch, wenn es den „Vorrath von einer guten lateinischen Phraseologie“ für diese Übungsformen darbieten könne. Dies schreibt Kraft in der ersten Auflage von 1820/21. Doch etwa zwanzig Jahre später reicht diese Begründung wohl nicht aus, und in der Vorrede zur vierten Auflage von 1843/44 verteidigt Kraft die Lateindidaktik mit einem ähnlichen Argument, das aber subtiler ist und mehr auf die Bildung der intellektuellen Fähigkeiten abhebt. Mit Bezug auf den Latein-Aufsatz schreibt er: Wer in den Geist der Lateinischen Sprache eindringen und die Schönheiten der in ihr geschriebenen Werke fühlen und beurtheilen lernen will, muß neben der sorgsamen Lectüre derselben auch fleißige Uebungen im Schreiben anstellen. Durch die Versuche eigner Productionen in der männlich schönen und volltönenden Römersprache finden wir das beste Mittel, uns ihren Geist inniger anzueignen und unserm Geiste eine Gewandtheit zu verleihen, welche ihn zu jeder andern Thätigkeit besser befähigt. Kraft 41843/1844, Vorrede, Bd. 1: IX

Hier klingt die oben schon angesprochene Theorie der formalen Bildung an, die in einer Zeit, als Latein seine Stellung als Gelehrtensprache zunehmend zu verlieren droht, an die Stelle des Arguments, Latein sei Gebrauchssprache, zu treten beginnt.66 Während Scheller, wie gesehen, das Lateinische noch als halbwegs nützlich charakterisieren konnte, müssen sich die Philologen des 19. Jahrhunderts mit zunehmendem Bedeutungsverlust des Lateinischen auf dieses Argument zurückziehen. Hervorzuheben ist hier, dass das Argument der Bildung des Geistes bei Kraft || 63 Nieremberger 1753: 2r. 64 Ebd. 65 Kraft 11820/1821, Vorrede, Bd. 1: V. 66 Vgl. Landfester 1988: 40.

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verknüpft wird mit den lateinischen Schreibübungen. Nach Kraft seien diese besonders geeignet, mit ihnen Latein inwendig zu lernen und die intellektuellen Fähigkeiten zu schulen. Zum aktiven Gebrauch geschriebenen und gesprochenen Lateins zitiert Kraft den Gründer und Leiter des philologischen Seminars zu Heidelberg, Friedrich Creuzer (1771–1858): Wer der Römer Sprache schreibt und redet, wird dadurch gewissermaßen ihr Zeitgenoßs, und desselben Glückes theilhaftig, dessen der sich freut, der in einer würdigen Umgebung lebt. Er wird von den Elementen einer großsen Zeit gleichsam getragen und emporgehoben. Und eben dieses Höherstellen aller Wissenschaft und ihrer Pfleger ist es eigentlich, was Noth thut. Kraft 41843/1844, Vorrede, Bd. 1: IX–X67

Creuzer hebt hier ausgehend vom Lateinschreiben und sogar -reden einen anderen, viel allgemeineren Gesichtspunkt hervor, nämlich ein allgemeines „Höherstellen aller Wissenschaft und ihrer Pfleger“. Der Neuhumanist Creuzer beklagt an dieser lesenswerten Stelle, dass Latein sein Alleinstellungsmerkmal als Eingangstor in die Wissenschaftswelt verloren habe: Nur durch das Beherrschen dieser Sprache, ja das Eintauchen in den Kosmos der römischen Welt sei man vor Vielschreiberei und vorlauten Urteilen gefeit, werde Wissenschaft „höhergestellt“, das heißt ausgezeichnet. Unmittelbar könne ein Wörterbuch, so Kraft weiter, nicht dem Erlernen des Lateinischen Stils dienen. Aber ein gutes Wörterbuch mit klassisch-lateinischer Phraseologie sei unentbehrlich für die Anfänger im Lateinschreiben, aber auch „für die geübteren Lateinschreiber“68. Das Latein-Wörterbuch sei auch Hilfsmittel in einer Zeit, in der dem Lateinunterricht weniger Zeit eingeräumt werde. Denn [j]e größer und vielfacher aber die Anforderungen sind, welche jetzt an studirende Jünglinge gemacht werden, desto wünschenswerther, ja nöthiger ist es, ihnen auf einem kürzeren Wege zu der Kenntniß der Lateinischen Sprache zu verhelfen, deren Erlernung früher der größte Theil der Schulzeit gewidmet wurde. Kraft 41843/1844, Vorrede, Bd. 1: X

Die Wörterbücher würden dabei helfen, ohne größere Zeitverluste auf einen großen klassischen Phrasenschatz zurückgreifen zu können. Adressat des Lexikons sei der Schüler der „obern Classen“69 der Gelehrtenschulen, „welche theils bei selteneren oder schwereren Ausdrücken und Redensarten ihrer Exercitien, theils bei Abfassung || 67 Zitat von Friedrich Creuzer (1807): Das akademische Studium des Altherhums, nebst einem Plane der Humanistischen Vorlesungen und des Philologischen Seminarium auf der Universität zu Heidelberg. Heidelberg, 43–44. Eine kurze Zusammenfassung seiner humanistischen Idee bei Paulsen 1921, II: 230. 68 Kraft 41843/1844, Vorrede, Bd. 1: X. 69 Ebd.

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eigner Lateinischer Arbeiten zu Hause eines Rathgebers und Führers bedürfen“70. Kraft betont, dass sein Wörterbuch aber nicht nur auf den Schüler ausgelegt sei, der bei seinen Schulübungen und lateinischen Arbeiten seltenere Wörter im Deutschen oder Varianz in der lateinischen Wortwahl sucht. Vielmehr ist sein Anspruch weit höher und reicht über die Schule hinaus: Denn auch Gelehrte sollen, wenn sie wissenschaftliche Texte auf Latein verfassen wollen, fündig werden: Doch nicht bloß auf den engern Kreis der Schule sollte sich mein Wörterbuch beschränken, es sollte auch für die ein brauchbares Hülfsmittel seyn, welche über Gegenstände Lateinisch schreiben wollen, die dem höhern, wissenschaftlichen Gebiete angehören. Kraft 41843/1844, Vorrede, Bd. 1: X

Doch wie hält es die akademische Welt mit dem Lateinischen zur Zeit von Kraft? Darüber wissen wir viel weniger als über die schulischen Verhältnisse. Doch lassen sich einige Eckpunkte zusammentragen: Die Kunst des Disputierens etwa wurde noch bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts an den Universitäten ausschließlich auf Latein gepflegt, so zumindest heißt es 1846 im Eintrag zu Disputation in Meyer’s Conversations-Lexicon71. Der anonyme Autor des Artikels beklagt den niedrigen Stand der Disputationskunst an den Universitäten, um daraufhin den Gebrauch der deutschen Sprache zu fordern. 1846 habe in Breslau eine Disputation zum ersten Mal überhaupt an einer deutschen Universität auf Deutsch stattgefunden, ein nachahmenswertes Vorgehen, wie der Autor findet. Durch den Gebrauch der deutschen Sprache könne man nämlich auf die Sache an sich besser eingehen, während man bei lateinischen Disputationen „bei auswendig gelernten stereotypen Formeln“ stehenbliebe. In gleichem Atemzuge fordert er eine Einschränkung des aktiven Gebrauchs des Lateinischen auch an den Gymnasien: „Für die Gymnasien würde dann auch der letzte Grund wegfallen, womit man jetzt die ausgedehnten zeitraubenden Uebungen im lateinisch Schreiben [!] und Sprechen vertheidigen kann.“ Mit dieser Forderung hat sich der Autor schließlich sozusagen durchgesetzt, auch wenn er sich den Tadel Bauers und Schellers zuziehen müsste, die ihm mangelnde Lateinkenntnisse vorhalten würden. Bis zum Jahr 1849 halten die preußischen Universitäten aber an Latein als offizieller Sprache fest, und Veranstaltungen („Akte“) im Kreis der Gelehrten, insbesondere bei Promotionen und Habilitationen, mussten auf Latein abgehalten werden, während für öffentliche „Akte“ auch Deutsch zugelassen wurde.72 Nach der Einführung der Abiturinstruktion von 1812 in Preußen mehrten sich die Klagen über den Mangel an Lateinkenntnissen der Schüler seitens der Universitäten, worauf das

|| 70 Ebd. 71 VII, 4 (1846): 876. 72 Vgl. Paulsen 1921: 536–537.

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Abiturreglement von 1834 (s.o.) mit Verschärfungen und einer starken Vereinheitlichung des Universitätszugangs reagierte. Da nach Paulsen (1921: 252) an der neugegründeten Berliner Universität die Altertumswissenschaften „als Mittelpunkt aller gelehrten Studien dargestellt wurden“, sprachen Rektor und Senat der Universität 1818 folgende Empfehlung aus, die allen neu Immatrikulierten ausgeteilt wurde: Die ganze wissenschaftliche Bildung der neueren Zeit ist auf das Studium des Altertums gegründet, von welchem sie sich, wie schön sich immer Sprache und Literatur der neureren [!] Völker ausgebildet haben und ferner ausbilden mögen, nur zu ihrem Verderb trennen kann. Die lateinische Sprache nicht allein zu verstehen, sondern auch richtig zu schreiben, ist eine Anforderung, welche an jeden wissenschaftlichen Mann mit Recht gemacht wird. Diese sowohl als die griechische ist jedem Studierenden, welches Fach er immer ergreifen mag, wenn er nicht bei der handwerksmäßigen Erwerbung gewisser Fertigkeiten kleben bleiben will, unentbehrlich: durch die Erklärung der alten Schriftsteller wird nicht allein der Sinn für das Verständnis der alten unübertrefflichen Muster geöffnet, sondern auch die Gabe gelehrter Forschung und des klaren, reinen und bestimmten Ausdrucks in Rede und Schrift ohne Unterschied der Sprache geweckt und geschärft: die übrigen zum Altertumsstudium gehörigen Lehrfächer enthalten Kenntnisse, welche zu erwerben jedes freigebildeten Menschen ohne Rücksicht auf sein künftiges Geschäft vorzüglich würdig ist.

Nachdem die philologischen Vorlesungen aber kaum frequentiert wurden, sprach das Kultusministerium eine Ermahnung an die Studenten aus.73 Seitens des Kultusministeriums wurden die preußischen Universitäten dazu angehalten, am aktiven Gebrauch des Lateinischen festzuhalten. In den philologischen Seminaren solle man das Gewicht auf Übungen im Lateinschreiben legen. Die medizinischen und juristischen Fakultäten wurden aufgefordert, mindestens eine lateinische Vorlesung im Semester anzubieten sowie bei den Examina auf die Geläufigkeit im Lateinsprechen zu achten.74 Nach dem Jahr 1849 jedoch ließen die deutschen Universitäten den aktiven Gebrauch des Lateinischen immer stärker fallen. Mit dem Jahr 1867 dürfen in Preußen Dissertationen in Medizin nun auch auf Deutsch verfasst werden, in der philosophischen Fakultät allerdings nur auf Antrag des Kandidaten.75 Am längsten hielt in Deutschland offenbar die Rechtswissenschaft am aktiven Gebrauch des Lateinischen fest. Das hatte auch mit einem gewissen „ständischen Konservatismus“ zu tun, der dazu führte, dass „Minister, Kanzler oder Räte eifersüchtig auf ihrem Statussymbol Latein“ beharrten.76 1876 durften aber in Preußen auch juristische Dissertationen und Habilitationen auf Deutsch geschrieben werden, die mündlichen Prüfungen erfolgten gemäß der Anordnung nur noch auf Deutsch. || 73 Paulsen 1921: 253. 74 Vgl. Paulsen 1921: 327; Koch 1840: 180–181. 75 Vgl. Paulsen 1921: 537. 76 Von Polenz 2013: 56; s. ders. 56ff. zur Ablösung der lateinischen durch die deutsche Rechtssprache; s. auch Hattenhauer 1987: 18ff.

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4.3 Stimmen wider den unmäßigen Gebrauch der Wörterbücher Wort für Wort wird ängstlich aufgesucht im Lexikon, [...] mit dessen Hülfe sie nun auch eine halb deutsch halb lateinisch geformte Mißgeburt zur Welt bringen. Friedrich Gedike 1779 Daß ein deutsch-lateinisches Wörterbuch für den weniger geübten Lateinschreiber ein nothwendiges und unentbehrliches, und selbst für den schon gebildeten ein nützliches Hülfsmittel sei, ist eine Wahrheit, die wol nicht leicht jemand in Abrede stellen wird. Lünemann 1821, Vorrede V

Mit diesen Worten lässt Georg Heinrich Lünemann die Vorrede zu seinem DeutschLateinischen Wörterbuch (1821) beginnen. Dass diese ‚Wahrheit‘ auch ‚Leugner‘ hervorgebracht hat, zeigen die Zeugnisse einiger Philologen (s.u.), die den Gebrauch von deutsch-lateinischen Wörterbüchern in Schulen ungern sahen. Lünemann hatte keine didaktischen Einwände, vielmehr stellt er als Grundproblem fest, „daß wir bis jetzt noch kein deutsch-lateinisches Wörterbuch haben, das den Forderdungen, die man an ein solches Werk zu machen berechtigt ist, vollkommen entspräche“77. Kraft schließt sich diesem Urteil in seiner Rezension zu Lünemann 1821 an und sieht den Grund für frühere „Verdammungsurtheile [...] in der unzweckmäßsigen Einrichtung u. mangelhaften Beschaffenheit der bisher gebrauchten Wörterbücher“78. Für „Anfänger im Lateinschreiben“, die noch keine Lektüreerfahrung haben, sei ein deutsch-lateinisches Wörterbuch aber ein probates Hilfsmittel. Ähnlich heißt es in einer Rezension zu Krafts Wörterbuch in zweiter Auflage von 1824/1825 (Anon. Rez. B.A. [Kürzel] (1826): Rez. zu Kraft 21824/25. In: ALZ, Bd. 23, August 1826, Nr. 149, Sp. 225–231): Es ist in unseren Tagen längst anerkannt, dass, um einen guten lateinischen Stil zu schreiben, es bey Weitem nicht hinlänglich ist, Phrasen und Redensarten aus Cicero oder wohl aus den verschiedenartigsten classischen Schriftstellern zu einer Art von Mosaikarbeit an einander zu reihen, sondern dass vielmehr von einem guten lat. Stilisten eine tiefe Erforschung und Ergründung des lat. Sprachgenius und eine dem gemässe selbständige, ja nöthigenfalls wohl selbst schöpferische Behandlung des römischen Sprachschatzes zu fo[r]dern sey; was denn freylich nur durch eine fortgesetzte Lectüre der röm. Classiker und durch sorgfältige Beobachtung der Eigenthümlichkeiten ihres Stils und ihrer Ausdrucksweise zu erreichen möglich ist. Da indess dieses nicht von jedem Lateinischschreibenden, am allerwenigsten aber von jungen Anfängern, gefo[r]dert werden kann, und da auch das glücklichste Gedächtnis wohl nicht im Stande seyn möchte, die ganze aus der Lectüre geschöpfte Masse guter Ausdrücke und Wendungen sich stets gegenwärtig zu erhalten: so sind ausführliche Wörterbücher, wie das vorliegende, ein wirkliches Bedürfnis.

|| 77 Lünemann 1821, Vorrede: V. 78 Kraft 1823: 266.

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Dem eingangs zitierten Lünemann schwebte ein kritisches Wörterbuch vor, das den gesamten deutschen Wortschatz umfasst und angemessene lateinische Äquivalente unter Berücksichtigung der Synonymik und einer reichen Phraseologie enthält. Nun ist das auf mehrere Bände angelegte „kritisch bearbeitete“ Werk Lünemanns (so der Titel) sicherlich kein praktisches Schulwörterbuch. Die akademisch ausgerichtete Zielsetzung der Vollständigkeit im Wortschatz ließ den Autor an der Fertigstellung weiterer Bände über den ersten Band hinaus sogar scheitern. Doch war das humanistische Gymnasium, genauer der auf den aktiven Gebrauch des Lateinischen in Wort und Schrift ausgerichtete Lateinunterricht, die treibende Kraft der Blüte deutsch-lateinischer Lexikographie im 18. und vor allem 19. Jahrhundert. So gut wie alle deutsch-lateinischen Wörterbücher sind im Umfeld der Schule und des Lateinunterrichts entstanden, die meisten der Autoren waren herausragende Schulmänner und Philologen mit lexikographischer Neigung – auch Lünemann, der Rektor am Göttinger Gymnasium war. Viele der Wörterbücher sind sogar ausdrücklich auf die Schule zugeschnitten. Die größeren Wörterbücher wollen zwar einen größeren Adressatenkreis ansprechen, doch verliert keiner der Lexikographen den Lateinunterricht am Gymnasium aus den Augen. Im Allgemeinen kann man also sagen, dass sie als Hilfsmittel für den aktiven Gebrauch des Lateinischen verwendet wurden, vor allem für das Abfassen von lateinischen Texten.

4.3.1 Die vorherrschenden Lateinübungen in den Gymnasien um 1800 Lateinische Schreibübungen gehörten an allen deutschen Gymnasien um 1800 zum festen Bestandteil des Lateinunterrichts, sei es als Übersetzung von einer deutschen Vorlage, sei es als freier Aufsatz. Der lateinische Abituraufsatz und die Auslegung eines Autors auf Latein entfielen in Preußen erst 1892. Darüber hinaus war es auch im 18., 19., teilweise noch im 20. Jahrhundert üblich, lateinische Reden bei Schulfesten, wie Jahresschluss, öffentliche Prüfungen u.ä. zu halten. So ist das Ziel des Unterrichts gemäß dem preußischen Lehrplan von 1816 schlicht die aktive Beherrschung des Lateinischen in Wort und Schrift: Die Sprachkenntniss des Jünglings muss [in der oberen Bildungsstufe, das heißt in Sekunda und Prima, auf die insgesamt fünf Jahre entfielen] bereits so weit vorgerückt sein, dass er sich der Sprachen, welche gelehrt werden, auch als Darstellungsmittel bedienen könne, ohne ihre Eigentümlichkeit zu verletzen. [...] Das Lateinische muss er rein und fehlerlos ohne Germanismen schreiben und über angemessene Gegenstände einfach und grammatisch richtig sich auch mündlich ausdrücken lernen. Schweim 1966: 66

Die rasante Entwicklung der deutsch-lateinischen Lexikographie in dieser Zeit wird nur verständlich, wenn man ihren ‚Sitz im Leben‘ kennt. Daher sei im Folgenden ein zusammenfassender Blick auf die Art des Unterrichts und der Übungsformen gewor-

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fen.79 Die preußische Unterrichts-Verfassung der Gymnasien und Stadtschulen vom 12. Januar 181680, von Friedrich Paulsen als „Konstitutionsakte des neuen Gymnasiums“81 bezeichnet, skizziert folgendes Idealbild: Der Lehrplan beinhaltete ein zehnjähriges Gymnasium in sechs Klassen von der Sexta bis Prima; die Tertia und Secunda waren zwei-, die Prima dreijährig angelegt. Der Paragraph 7. „Kursus im Lateinischen“ (das heißt so viel wie Lehrplan für den Lateinunterricht) bestimmte, welcher Stoff behandelt werden sollte. In der Unterstufe, die die je einjährige Sexta und Quinta umfasst, sind wöchentlich jeweils sechs Schulstunden für das Lateinische angesetzt. Neben dem Erlernen der Grammatik und dem Memorieren von Wörtern gehört bereits in der Sexta „die Einsicht in die Konstruktion einfacher Sätze, und selbstthätiges Bilden derselben“82 zum Lehrplan. Die Quinta setzt den Grammatikunterricht fort; erwartet wird die „Bildung ausgedehnter und zusammengesetzter Sätze“ und die Rückübersetzung von Elementarbuchtexten „aus der deutsch angefertigten Uebersetzung ins Lateinische [...], welche Uebung jedoch nur mündlich und unter Einwirkung des Lehrers vorgenommen werden muss“83. In der Mittelstufe, die die einjährige Quarta und zweijährige Tertia mit jeweils acht Schulwochenstunden umfasst, beginnt die Lektüre von Autoren84 und die eigentlichen Stilübungen. Zwei „Stylstunden“ widmen sich der Übung in der „Fertigkeit im eigenen Ausdruck“. In der einen werden die deutsch-lateinischen Hausaufgaben (Exercitia) verbessert, die andere gehört der Übung der StegreifÜbersetzungen (Extemporalien). Auf diese Stilübungsstunden abgestimmt soll sich eine Grammatikstunde mit der Syntax befassen. In der Tertia gehört im Rahmen der Ovidlektüre auch leichte Versifikation zum Lateinunterricht. Außerdem werden die „Stylübungen […] länger, verwickelter, und durch ihren Inhalt schwieriger.“85 || 79 Die wichtigsten Punkte finden sich in Paulsen 1921, Eckstein 1887, Schweim 1966, Landfester 1988 und neuerdings in van Bommel 2015. Die Geschichte des gelehrten Unterrichts aus der Feder des Reformpädagogen und Gegners des lateinischen Abituraufsatzes Paulsen (1846–1908) ist ein Klassiker der deutschen Schul- und Universitätsgeschichte. Friedrich August Eckstein (Lateinischer und griechischer Unterricht), führender Kopf der altsprachlichen Gymnasialphilologie und von 1863– 1881 Rektor der Leipziger Thomasschule, kämpfte hingegen für die neuhumanistischen Ideale und die Erhaltung des lateinischen Schulaufsatzes (vgl. Eckstein 1887: 320). Manfred Landfester (Humanismus und Gesellschaft im 19. Jahrhundert) und Bas van Bommel (Classical Humanism and the Challenge of Modernity) beschäftigen sich mit den Herausforderungen der Moderne, denen sich das humanistische Bildungsideal im 18. und 19. Jahrhundert ausgesetzt sah. 80 Zitiert nach Schweim 1966: 59–98. 81 Paulsen 1921: 291. Der Lehrplan wurde 1812 von Süvern fertiggestellt und wurde 1816/1817 „den Provinzialregierungen als ‚Richtschnur für die Unterrichtsverfassung‘“ mitgeteilt (Schweim 1966: 68), jedoch nie „als allgemein verpflichtende Verordnung publiziert“ (Paulsen 1921: 291). 82 Schweim 1966: 68. 83 Schweim 1966: 68–69. 84 In der Quarta: Phädrus, Eutropius, Aurelius Victor, daneben auch Chrestomathien möglich. In der Tertia: Ovid, Justinus, Cäsar, Curtius, Nepos. 85 Schweim 1966: 69.

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In der zweijährigen Secunda und in der dreijährigen Prima erfolgt der Lateinunterricht nach wie vor in acht Wochenstunden. In der Secunda sind die Vorgaben für das Lateinschreiben wie folgt: „Die Stylübungen für welche auch das Uebersetzen aus dem Griechischen und Lateinischen sehr zu empfehlen ist, werden durch Ausdehnung und höhere Forderungen noch schwieriger.“86 Fortgesetzt werden die Übungen in Versifikation; Lateinsprechen ist ab der Secunda bei der Erklärung der Autoren obligatorisch. Zum Pensum der Prima heißt es: „Zu der vielseitigern, und mit auf die Gattungen des Styls Rücksicht nehmenden Uebung im Schreiben kommt hier noch das Sprechen, welches besonders bei der Erklärung eines schweren Auktors geübt werden kann.“87 Dies sind die Idealvorstellungen der Unterichts-Verfassung von 1816. Vor der allmählichen Vereinheitlichung der Didaktik durch die verschiedenen Lehrpläne des 19. Jahrhunderts herrschte bezüglich der Übungen und der Prüfungsformen allerdings eine größere Varianz, die durch zeitgenössische Unterrichtsbeschreibungen exemplarisch dargestellt werden kann. So beschreibt Bas van Bommel in einem Kapitel seines Buches Classical Humanism and the Challenge of Modernity88 die Unterrichtssituation dieser Zeit beispielhaft an dem Rektor des Gymnasiums zu Bautzen, Karl Gottfried Siebelis (1769–1843). Er charakterisiert die Bautzener Schule als bilinguale Einrichtung, in der neben dem Deutschen der aktive Gebrauch des Lateinischen und auch des Griechischen bis weit ins 19. Jahrhundert florierten. Konkrete Schreibübungen gab es unter dem Rektorat von Siebelis in mehreren Formen: Zunächst ließ Siebelis im Unterricht lateinische Excerpte anfertigen, um die Eigenlektüre und Schreibfertigkeit der Schüler überprüfen zu können. Wöchentlich mussten die Primaner vier- bis sechsseitige lateinische, manchmal auch griechische Aufsätze einreichen, die nach Aufbau, Stil und Ausdruck sorgfältig korrigiert wurden. Schließlich gab es weitere nicht näher beschriebene Lateinübungen und Verskompositionen in Griechisch. Erst mit dem Lehrplan und dem Abiturreglement von 1892 (s.u.) verlor der freie lateinische Aufsatz, genauso wie die mündliche Prüfung, den obligatorischen Charakter. Für die Anfänger gab es in Bautzen die deutschlandweit üblichen Übungen in Komposition, das heißt Übersetzungen deutscher Texte ins Lateinische bzw. Griechische, im Allgemeinen auch als Exerzitien, Stilübungen oder auch Scripta bezeichnet. Diese Übersetzungen erfolgten entweder aufgrund einer schriftlichen Vorlage oder sehr häufig als Extemporalien aufgrund eines Diktats (s.u.). Die Themen waren moralische Prinzipien, Naturhistorie oder Mythologie. Weitere Möglichkeiten, den lebendigen Gebrauch des Lateinischen zu üben, hatten die Bautzener Schüler bei Feierlichkeiten, bei denen Lehrer und Schüler lateinische Reden oder Deklamatio-

|| 86 Schweim 1966: 70. 87 Ebd. 88 Imitating the classics (47–52).

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nen halten konnten, oder bei Klassenprüfungen, die auf Latein jährlich einmal vor einer internen Schulkommission und ein weiteres Mal öffentlich stattfanden. Seit 1829 wurden die besten Kompositionen von Reden zu einem besonderen Anlass mit einem Stipendium Siebelisianum prämiert. Regelmäßig veranstaltete Siebelis in den höheren Klassen, wo er bei der Auslegung der Klassikerautoren nur Latein gebrauchte, auch Disputationen mit Rede und Gegenrede zu einer These. An den deutschen Schulen waren zusammengefasst diese vier Hauptformen des Lateinschreibens üblich: (1.) Übersetzung eines deutschen Textes ins Lateinische; (2.) Mündliche Übersetzung eines deutschen Diktats aus dem Stegreif (Extemporalien); (3.) die freien Übungen, insbesondere der lateinische Schulaufsatz; (4.) verschiedene Progymnasmata.89 (1.) Den Kern aller Übung im Lateinschreiben bildeten die Übersetzungen eines deutschen Textes 1 ins Lateinische, wie wir es noch heute aus den Stilübungen an der Universität kennen. Diese Form wurde als Exercitium, Scriptum, Argumentum (oder in Württemberg nach Auskunft von Eckstein Argumentle), Specimen, in Österreich Pensum, allgemein auch Komposition und Stil(übung) bezeichnet. Gewöhnlich sollten sie vom Lehrer wöchentlich einmal als Hausaufgabe aufgegeben werden (worauf der in Württemberg zu Zeiten Ecksteins noch übliche Name Hebdomadar weist). Neben den deutsch-lateinischen Wörterbüchern galten besonders Übungs- und Anleitungsbücher zu den Stilübungen als Hilfsmittel für das Lateinschreiben.90 Die Auswahl der Texte war den didaktischen Fähigkeiten eines jeden Lehrers anheimgestellt, doch entstanden seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert immer mehr Übungsbücher mit deutschen Texten, zum Teil auch Lösungsbücher mit dem lateinischen Text.91 Diese Hilfsmittel hatten allerdings – wie Eckstein anmerkt – den Nachteil, dass sich auch die Schüler leicht Zugang zu einer Lösung verschaffen konnten. Bezüglich der Themen dieser Texte erwähnt Eckstein nur, dass in oberen Klassen auch Texte deutscher Autoren verwendet werden sollen, wie es Nägelsbach gepflegt habe. Zu dieser Übungsform gehören auch die Retroversionen, die Rückübersetzungen einer deutschen Übersetzung eines lateinischen Autors. Sofern die Stelle bereits gelesen worden ist, hatten diese Retroversionen den Vorteil, dass keine Vokabelangaben nötig waren und „der Schüler von dem Gebrauche des deutsch-lateinischen Wörterbuchs entwöhnt [wird], dessen Benutzung in der gedankenlosen Wahl der Ausdrücke sehr nachteilige Folgen hat“92. (2.) Die zweite Übungsform – Übersetzung eines Diktats aus dem Stegreif – wird wegen ihres Stegreifcharakters meist als Extemporale (im Plural Extemporalien) bezeichnet. Weitere Namen sind nach Eckstein: Exceptionen, Subita, Extemporalstil (in Baden), Extemporaneen. Der Unterschied zur ersten Form besteht darin, dass der deutsche Text vom Lehrer nur mündlich gegeben wird und die (vermutlich schriftliche) Übersetzung aus dem Stegreif erfolgt. Diese Übungsform erfordert didaktisches Fingerspitzengefühl, um den Schüler vor Überforderung oder stilistischer Nachlässigkeit im Schreiben zu bewahren. Eckstein empfiehlt daher, möglichst kurze Sätze zu wählen, die sich lexika-

|| 89 Die einzelnen Übungsformen beschreibt ein eigenes Kapitel in Eckstein 1887, Drittes Kapitel. Schreibübungen, Komposition, Stil: 304ff. 90 Eine Liste s. van Bommel 2015: 49–50, Fußnote 139. Weiters: Hand 1839. 91 S. Eckstein 1887: 309. Zur Korrektur der Exercitia s. ders. 310–311. 92 Eckstein 1887: 311.

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lisch an die Lektüre anschließen. Unter diesen Umständen könne, so Eckstein, diese Übung ein probates Mittel sein, die ganze Klasse ins Unterrichtsgeschehen einzubeziehen und das Wissen der Schüler zu prüfen und zu festigen. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert gerät neben den anderen auch diese extemporierte Übungsform zunehmend in die Kritik: Gegner dieser Übung brachten mit Bezug auf Quintilian vor allem vor, dass „diese Übungen zu einer gewissen Unüberlegtheit und Nachlässigkeit im Schreiben führen“ könnten.93 (3.) Der freie Aufsatz in lateinischer Sprache war als verpflichtendes Element der Abiturprüfung zwar lange Zeit umstritten, doch verlor er in Preußen erst mit dem Lehrplan und dem Abiturreglement von 1892 seinen obligatorischen Charakter (genauso wie die mündliche Prüfung auf Latein).94 Der lateinische Schulaufsatz basiert auf der Jahrhunderte langen humanistischen Tradition der Nachahmung von antiken Autoren, vor allem Ciceros in den Prosagattungen Brief und Rede. Seit den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts war der lateinische Schulaufsatz der innerdisziplinarischen Kritik immer stärker ausgesetzt; insbesondere legte man Wert darauf, dass die Themen nicht mehr abstrakt zu wählen seien, sondern sich nahe an die Lektüre und an die dort erworbene Phraseologie anzuschließen habe. Am längsten hielt sich der Abituraufsatz in Preußen und Sachsen, während er in Süddeutschland bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts abgeschafft worden war.95 Der Wegfall in Preußen wird formal durch Stundenkürzungen im Lateinunterricht unter anderem zugunsten von Turnstunden begründet. Im Lehrplan von 1892 heißt es: Eine so bedeutende Verminderung der Wochenstunden bedingte eine Aenderung des Lehrziels. An dem Gymnasium mußte nach Wegfall des lateinischen Aufsatzes auf stilistische Fertigkeit in dem bisherigen Umfang verzichtet werden, ein Verzicht, welcher ohnehin durch die abnehmende Werthschätzung des praktischen Gebrauchs des Lateinischen und die auch in Gelehrten- und Lehrerkreisen abnehmende Fertigkeit in demselben bedingt war.96

Das neue allgemein Lehrziel lautete: „Verständnis der bedeutenderen klassischen Schriftsteller der Römer und sprachlich-logische Schulung“.97 An vielen Schulen wurden zudem bei den actus oratorii, also öffentlichen Festlichkeiten (etwa der Abiturientenverabschiedung) Reden von Lehrern und Schülern vorgetragen.98 Diese waren teils von den Schülern selbst verfasst und vom Rektor korrigiert, teils vom Rektor verfasst.99 Die Themen

|| 93 So zusammenfassend Eckstein 1887: 307; Quint. 10, 3, 5 (sit primo vel tardus dum diligens stilus) und 10 (cito scribendo non fit ut bene scribatur, bene scribendo fit ut cito). 94 Zentralblatt für die gesamte Unterrichtsverwaltung in Preußen 1892, Heft 3: 199–351. Schon im Dezember 1890 hatte Kaiser Wilhelm II. den lateinischen Schulaufsatz zu Fall gebracht und führte dafür militärische und nationale Gründe an (vgl. Fritsch 1990: 23–24; Landfester 1988: 132ff.). Zusammenfassung mit Fokus auf die deutsch-lateinische Textproduktion bei Liebsch 2013: 183–191. Die Geschichte dieser Übung und der unmittelbaren Vorgängerin, der rhetorischen Imitationsübungen im Humanismus, und die Diskussionen über ihre Abschaffung vor allem im 19. Jahrhundert beschreibt ausführlich Eckstein 1887: 316ff. 95 Vgl. Eckstein 1887: 322–323. 96 Zentralblatt für die gesamte Unterrichtsverwaltung in Preußen 1892, Heft 3: 272. 97 Ebd. 218. 98 S. Paulsen 1919: 600–602 (insb. Fußnote 1). 99 Dazu Eckstein 1887: 319: „Es war im vorigen [d.h. 18.] Jahrhundert allgemein Sitte, daßs der Rektor die Reden machte, welche die Schüler vortrugen. In meiner Schulzeit [also in den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts] machte man die Rede selbst und gab sie dem Rektor nur zur Korrektur.“

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dieser freien Abhandlungen waren laut Eckstein „ganz allgemein gehalten, meist moralisierend, außser allem Zusammenhange mit dem Altertum und der Lektüre; das nannte man philosophische Themata“.100 (4.) Zu den Progymnasmata gehörte unter anderem die solutio carminis, also die Übertragung einer Dichterstelle in Prosa101, oder die Chrie102, also die schriftliche Besprechung einer Sentenz nach einem vorgegebenem Schema. Gemäß dem preußischen Lehrplan von 1816 gehörten im Rahmen der Ovidlektüre auch leichte Versifikationen zum Lateinunterricht der Tertia (also etwa 8./9. Klasse): „Zur metrischen Uebung dient die Wiederherstellung verworrener Verse oder die Uebertragung leichter Prosa in Jamben.“103 Das Ziel der versus perturbati bestand darin, die Wörter, die in einer falschen Reihenfolge vorgelegt wurden, wieder an den richtigen, metrisch korrekten Platz im Vers zu bringen.

4.3.2 Die Stimmen der Philologen zum Gebrauch der Wörterbücher Für die genannten Übungsformen waren gute deutsch-lateinische Nachschlagewerke unerlässlich. Doch gibt es unter den Latinisten auch Stimmen, die den unnötigen Gebrauch des deutsch-lateinischen Wörterbuchs tadeln. In allgemeiner Weise beschreibt 1829 ein Rezensent des Kraftschen Wörterbuchs das Grundproblem des Wörterbuchgebrauchs an Schulen: Auch weiss [Rezensent] aus Erfahrung, dass Schüler, die ihre Denkkraft nicht anstrengen mochten, sondern sich ganz auf das Wörterbuch verliessen, entweder ohne Rath blieben, oder ungeeignete, breite, schleppende, unrichtig verstandene Phrasen ausschrieben und ihre Arbeiten buntscheckig, aber nicht Römisch machten. Rez. zu Kraft 31829, in: Allgemeine Schulzeitung (4. Sept. 1829), Abth. II, Nr. 105: Sp. 866.

Daher müsse man darauf achten, welche Wörter und Übersetzungen in ein deutschlateinisches Schulwörterbuch aufzunehmen seien. Die Auseinandersetzung mit dem Thema beginnt aber schon früher, nämlich mit Johann August Ernesti (1707–1781). Dieser hatte bereits 1738 als Rektor der Thomasschule eine Abhandlung mit dem beredten Titel Prolusio academica qua demonstratur maius utiliusque esse latinos auctores intelligere, quam probabiliter latine scribere, et plerumque illud non posse, qui hoc possit verfasst. Darin richtet er sich, wie auch in seinen übrigen Schriften, allgemein gegen ein nimium phraseologiae studium und gegen einen damit einhergehenden stupor paedagogicus, der den Inhalt und die Form bei der Lektüre nicht beachtet.104 || 100 Eckstein 1887: 319. 101 Dazu Eckstein 1887: 325–326. 102 Dazu Eckstein 1887: 327–329. 103 Schweim 1966: 69. 104 Vgl. Paulsen 1921: 30–33; Eckstein 1887: 110–111.

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Konkret zu den Wörterbüchern äußert sich Ernesti in einem eigenen Absatz der kursächsischen Landesschulordnung für die drei Schulen in Meißen, Grimma und Pforta von 1773.105 Darin rät er, der mit Bauer und Scheller immerhin zwei große Verfasser deutsch-lateinischer Wörterbücher unter seinen Schülern hatte, vom Gebrauch der Wörterbücher bei den häuslichen Schreibübungen ab (cap. 7, § 6) und ordnet an: Sie [die Lehrer] sollen sie [die Schüler] überhaupt erinnern, bey dieser Arbeit, die Wörterbücher nicht sehr zu gebrauchen, und ihnen befehlen, daß sie lieber einen größern Mitschüler, oder sie selbst fragen sollen. Sie können auch, unter dem Dictiren [der deutschen Übersetzungsvorlage], bey solchen Wörtern und Redensarten, da sie vermuthen können, daß die Knaben sie nicht recht lateinisch geben möchten, etliche fragen, wie sie dieselben ausdrücken wollten, und es selbst sagen, so es keiner weiß. Ernesti 1773: 90–91

Eine nähere Begründung dafür wird nicht genannt. Der Wortschatz aber solle nicht aus Phraseologien oder Wörterbüchern zusammengesucht werden, sondern falle den Schülern bei der Lektüre der Schriftsteller und den Schreibübungen von selbst zu (§ 2). Dass Ernesti aber damit nicht den lebendigen Gebrauch des Lateinischen mindern möchte, ergibt sich schon allein aus den weiteren Anordnungen der Schulordnung. Die Fertigkeit im Schreiben solle durch Übung des ciceronianischen Stils erfolgen (§ 1). In den Stunden, die den Stilübungen (exercitia stili) gewidmet sind, sollen in der untersten Klasse Texte „aus einem wohlgeschriebenen, deutschen Buche von einem ihrem Verstande [sc. der Knaben] gemäßen, historischen und moralischen Inhalte“106 ins Lateinische übersetzt werden, um damit die Anordnung der Wörter und den Periodenbau zu lernen (§ 4). Die fehlenden Wörter und Wendungen sollen den Schülern bereitgestellt werden. Derselbe Text könne dann noch einmal zur eigenständigen schriftlichen Ausarbeitung zum Zwecke der Festigung des Gelernten aufgegeben werden. Als Hausaufgaben sollen Texte mit verschiedenen Themen (zum Beispiel eine Geschichte oder ein locus communis) diktiert werden. Auch hier betont Ernesti, dass ungewöhnliche deutsche Wörter oder Wendungen vom Lehrer angegeben werden sollten, „als sie in den Lexicis suchen zu lassen“ (§ 5). Eine weitere Übung für das Erlernen des lateinischen Stils ist die Rückübersetzung einer Stelle aus Cicero und der anschließende Vergleich der Übersetzungen

|| 105 In seiner Schulordnung schreibt Ernesti – hier in der Zusammenfassung von Paulsen (1921: 32) – dem altsprachlichen Unterricht an erster Stelle die Aufgabe zu „1) die alten Schriftsteller zu verstehen und auszulegen; 2) sie im Reden und Schreiben, und zwar nicht bloß in der lateinischen, sondern auch in den lebendigen Sprachen, mit Einsicht und Geschmack nachzuahmen; 3) allerlei nötige und nützliche Sachen daraus zu lernen“. 106 Ernesti 1773: 89.

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der Schüler mit dem Original (§ 7). In den oberen Klassen sollen vom Rektor und Konrektor wöchentlich Extemporalien gehalten werden, das heißt unmittelbare Übersetzungen eines diktierten deutschen Textes ins Lateinische (§ 9). In den genannten höheren Klassen sollen von den Schülern lateinische Texte auch frei abgefasst werden, „damit sie die Redekunst und Vernunftlehre [das heißt Philosophie] anwenden lernen“ (§ 10). Die Inhalte dieser freien Stücke gehen von „Erzählungen, Complimentirbriefen, kurzen natürlichen Anreden und locis communibus“107 bis hin zu ganzen Reden. Es folgt eine didaktische Anleitung für den Lehrer, wie das Thema für eine solche Rede gestellt werden sollte. Wortschatz und Thema sollten bekannt und nicht zu schwer sein, die Disposition im Unterricht erarbeitet werden usw. (§ 11). Deutlichkeit, Kürze und Zusammenhang sind nach Ernesti die maßgebenden Tugenden, auf die man bei diesen Übungen wertlegen müsse. Die §§ 15 und 16 enthalten schließlich eine kurze Didaktik der Versifikation; diese diene nach Ernesti allerdings allein dem Ziel des Verstehens und Erklärens der Autoren. Ernesti, wie gesagt, rät vom Gebrauch der deutsch-lateinischen Wörterbücher ab; stattdessen sollen Schüler durch Nachfragen bei älteren Schülern oder dem Lehrer fehlende Wörter erfragen. Das Motiv hinter dieser Didaktik jedoch wird nicht explizit gesagt. Deutlich benennt es der Berliner Philologe und Pädagoge Friedrich Gedike (1754–1803), der ebenfalls den unnötigen Gebrauch der deutsch-lateinischen Wörterbücher tadelt. Der Wegbereiter des preußischen Abiturs108 lehnt die Wörterbücher oder das Lateinschreiben nicht an sich ab, sondern möchte durch seinen Lehrplan erreichen, dass die damals üblichen Stilübungen und damit die Wörterbücher unnötig werden. Um seine Beweggründe zu verstehen, lohnt es, zunächst seine Beobachtungen zur zeitgenössischen Lateindidaktik etwas ausführlicher zu betrachten. Seine didaktischen Anschauungen legte er zuerst in seinem Erstlingswerk Aristoteles und Basedow oder Fragmente über Erziehung und Schulwesen bei den Alten und Neuern (1779) nieder; gewidmet ist es dem königlichen Minister Freiherr von Zedlitz. In verschiedenen Aufsätzen geht Gedike darin auf die Didaktik der Alten Sprachen und Fragen nach einer allgemeinen Schulverbesserung nach. Dass er dabei Basedow auf eine Stufe mit Aristoteles stellt, zeigt wie offen ein führender Pädagoge seiner Zeit wie Gedike für die philanthropinistische Linie war – zumindest eine Zeit lang, später neigte er mehr dem Neuhumanismus und der Idee der formalen Bildung zu.109 In seinem Buch widmet er Basedow, dem er in seinen Aufsätzen freilich nicht immer zustimmt, sogar eine asklepiadeische Ode, beginnend mit den Versen:

|| 107 Ernesti 1773: 94–95. 108 Zu Gedike s. Fritsch 2006 und 2011; Paulsen 1921: 84–91; Borinski 1964; Kaemmel 1878. 109 Vgl. Fritsch 2011: 25.

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Du, Nordalbiens [das ist Hamburgs] Sohn, flammest die Fackel an, Schwangst die sprühende mit mächtigem Herkulsarm, Daß sich hiehin und dorthin Weit ihr Schimmer verbreitete. Gedike 1779: 281

Johann Bernhard Basedow (1724–1790), führende Persönlichkeit der Philanthropen, gründete 1774 in Dessau die bekannteste philanthropinistische Schule.110 Auch wenn die Anhänger dieser Richtung Lateinunterricht nicht grundsätzlich ablehnten, traten sie doch für eine deutlich ‚lebendigere‘ und praxisnahe Methode ein. Die Sprachlehrmethode Basedows sollte ein möglichst schnelles Erlernen der deutschen, französischen und lateinischen Sprache ermöglichen. Im Mittelpunkt stand nicht der Grammatikunterricht, der als Theorie seinen Platz am Ende des Lehrgangs erhielt, sondern der aktive Gebrauch des Lateinischen, in der Art einer „Muttersprache“.111 Es wurde also sowohl Reden als auch Schreiben auf Latein geübt. Ob auch deutsch-lateinische Übersetzungen vorgesehen waren, ist mir nicht bekannt. Von derlei Stilübungen fehlt jede Nachricht zumindest in Basedows pädagogischen Schriften.112 Über den Gebrauch von Wörterbüchern als Zweck des Grammatikunterrichts bemerkt Basedow immerhin kurz: „Doch noch Eins! die Grammatik lehrt auch, im Nothfall Wörterbücher gewisser Art zu Rathe ziehn; und dieser Nutzen ist dem, der in einer Sprache viele Geschäffte hat, der unentbehrlichste.“113 Und: „Unter den wichtigsten Zwecken der grammatikalischen Lehrstunden ist auch dieser, daß die Jugend nach gewissen Regeln angewöhnt werde, unbekannte Redensarten in den Wörterbüchern aufzuschlagen.“114 Die hymnische Verehrung Basedows hinderte Gedike jedenfalls nicht daran, in einem lesenswerten Aufsatz mit dem Titel Von der lateinischen Sprache die méthode directe, insbesondere das Lateinsprechen, zu tadeln. Im Zusammenhang mit Lateinsprechen und -schreiben nennt er vier Formen der Bildung von der Antike noch nicht geläufigen Begriffen „des gemeinen Lebens“:115 1) Neubildungen: Dafür sei die lateinische Sprache zu unbiegsam; zudem müsse man dafür „aus den Schriften der

|| 110 Insgesamt gab es etwa 60 Philanthropine, vgl. Tenorth 2010: 91; s. auch Schmitt 2005. Zu Basedow s. Paulsen 1921: 51–57; Eckstein 1887: 112–114; Overhoff 2020. 111 Basedow 1774: 65; hier findet sich ein Bericht über die Effizienz dieser Methode anhand der Beispiele der fünfjährigen Tochter Basedows, Emilie (50–55), und eines angehenden Lehrers des Philanthropinums (58–64); seine Sprachlehrmethode beschreibt Basedow 31773 (zuerst 1770): 156– 181; vgl. Paulsen 1921: 54–56. 112 Basedow (31773: 157) spricht im Methodenbuch für Väter und Mütter der Familien und Völker von „Hören, Reden, Uebersetzen und Ausarbeiten“, ohne dies genauer zu erläutern. 113 Ders. 159. 114 Ders. 179–180. 115 Gedike 1779: 175–176.

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Alten die Sprachanalogie“ studiert haben. 2) Deutsche Ausdrücke mit lateinischen Endungen, was eine „Sprachenmengerei“ darstelle und einen barbarischen Stil fördere. 3) Umdeuten lateinischer Begriffe, wie consul für Bürgermeister116, tormenta für Kanonen oder tibialia für Strümpfe. Häufig seien diese Begriffe aber zu weit, noch häufiger zu eng, wodurch eine „Undeutlichkeit der Begriffe“ entstehe. 4) Umschreibungen: Diese aber würden zu Weitschweifigkeit und mangelnder sprachlicher Präzision verführen. Gedikes Denken entspringt der humanistischen Tradition einer Gelehrtenrepublik, in der Latein als verbindende Sprache dient. Für ihn ist Latein „Brücke der Gelehrsamkeit zwischen mehrern Nazionen“117 und „Gelehrtensprache“118 schlechthin. Lebende Sprachen wie das Französische seien dafür ungeeignet. „Die Sprache der Gelehrsamkeit muß figirt sein, sie muß einen gewissen Punkt der Vollkommenheit erreicht haben, über den nicht weiter hinauszugehn ist.“119 Dieses „Figirtsein“ – was sich von uns auch als ‚Tod‘ (s.u.) oder ‚Erstarrung‘ der Sprache auf einer vollkommenen Ebene bezeichnen lassen könnte – schließe die Bildung neuer Begriffe keinesfalls aus. Gedike beklagt dahingegen die Dominanz der Nationalsprache. Lateinschreiben sei nicht mehr Mode: „Denn wer will gern ungelesen bleiben?“120 Wissenschaftliche Werke sollten aber größtenteils auf Latein, populäre Werke auf Deutsch geschrieben werden, so Gedikes Vorstellung. Latein müsse dem ‚Stand‘ des Gelehrten vorbehalten sein, denn für alle anderen sei das Lateinlernen Zeitverschwendung, die kaum mit bloßer Formalbildung zu rechtfertigen sei.121 Vielmehr konstatiert Gedike einen interessanten Effekt der mangelnden Profilierung des Lateinischen als reine Gelehrtensprache: Latein würden zu viele lernen, die es gar nicht bräuchten, daher sei Latein zu seiner Zeit auch kaum mehr die anerkannte Gelehrtensprache. Das Lateinschreiben verteidigt Gedike (1779) dementsprechend zwar grundsätzlich, lässt es aber im Anfangsunterricht nicht zu. Die Anfänger sollen vielmehr anhand von Lesebüchern in das Lateinische eingeführt werden. Grammatik, Stilübungen und Lateinsprechen kommen bei Gedike erst in der späteren Folge hinzu, sobald sich die ersten Kenntnisse durch die induktive Methode gefestigt haben. Damit folgt er einerseits den Philanthropisten, die den Grammatikunterricht ebenfalls ans Ende des Lateinlehrgangs stellen. Andererseits weicht er von deren Sprachlehrmethode insofern ab, als dass diese das Lateinsprechen an den Anfang allen Lateinunterrichts gestellt hatten. Dies lehnt er ab, „weil sie [die lateinische Sprache]

|| 116 So etwa Frisch 1741, I: 157. 117 Gedike 1779: 161. 118 Ders. 163. 119 Ders. 157. 120 Ders. 160. 121 S. Ders. 162–167.

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todte Sprache ist, und nur in Büchern noch lebt“.122 Gedike (1779: 197) schreibt über die Lateinaufsätze: Jeder, der Latein lernt, will gern auch soweit kommen, daß er bei kommenden Gelegenheiten in dieser Sprache schreiben kann. Daß so sehr wenige es auch nur mittelmäßig lernen – davon liegt wieder der Grund in den mancherlei verkehrten Methoden. Dahin gehört zuförderst, daß man junge Leute zu früh zu lateinischen Aufsätzen anhält, noch eh’ sie einen hinlänglichen Vorrath von Ausdrükken [!] und eine gewisse Leichtigkeit im Gebrauch derselben besitzen.

Neu ist nun die Vorstellung Gedikes, mit der er fehlenden Wortschatzkenntnissen beim Verfassen von lateinischen Aufsätzen begegnen möchte. Er stellt (ebd.) die Behauptung auf, eine profunde Lektürekenntnis würde vom späteren exzessiven Gebrauch des deutsch-lateinischen Wörterbuchs abhalten: Mein Lehrling soll, eh er zu schreiben anfängt, schon sehr viel gelesen haben, damit er nicht die Ausdrükke aus dem Lexikon ängstlich zusammenstoppeln darf, sondern damit sie sich ihm von selbst ungezwungen darbieten. Und das werden sie, wenn ich ihn nur über solche Materien schreiben lasse, über die er schon viel gelesen.

Die Lektüre steht bei Gedike also immer vor dem Lateinschreiben. Den Lektürelehrgang teilt Gedike in drei Stufen ein, die historische, poetische und rhetorischphilosophische Lektüre. Wenn sich die Schüler zunächst ausreichend in die jeweilige Textgattung eingelesen hätten, könnten sie auch die Aufsätze zu denselben Themen bewältigen.123 Der spätere Beginn habe laut Gedike (1779: 198) noch einen weiteren Vorteil: Die Anordnung und Verbindung in diesen Aufsätzen, insofern sie vom Ausdruk unabhängig sind, soll meinem Lehrling keine Mühe machen, weil ich bei ihm schon Fertigkeit und Uebung in deutschen Aufsätzen voraussetze.

Dem Fortgang der Lektüre entsprechen bei Gedike (ebd.) auch die Themen der Aufsätze: Mit den historischen Ausarbeitungen wird mein Lehrling so lange fortfahren, bis er in der philosophischen Lektur schon etwas weiter gekommen. Alsdann werd ich ihn räsonnirende [d.h. wohl argumentierende] Aufsätze machen lassen, aber über Materien, die ihm geläufig sind. Entweder also werd ich ihm vorher vorräsonniren; oder besser durch Fragen die schon in ihm liegenden Begriffe über die aufgegebene Materie herausholen und so gleichsam auf einen Flek zusammen tragen.

|| 122 Ders. 174; vgl. aber 157: „Die lateinische Sprache hat allen ihren auch ältern Schwestern den Preis abgewonnen. Sie starb, und noch nach ihrem Tode lebt sie. Sie starb, weil sie aufhörte Nazionalsprache zu sein; sie lebt, weil sie demohngeachtet oder vielmehr eben darum die Sprache der Gelehrten aller Nazionen Europa’s ward.“ Zur Geschichte des Lateinsprechens s. Fritsch 1990. 123 Vgl. Gedike 1779: 197–198.

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Gedike spricht sich auch für das Schreiben von lateinischen Versen aus. Die Versifikation soll den Schüler vor allem dazu befähigen, den lateinischen Versbau zu verinnerlichen und den Unterschied zwischen lateinischer und deutscher Prosodie zu verstehen. Dichten solle der Schüler in der Muttersprache, „nicht in einer fremden, nicht in einer ausgestorbenen“124 Sprache. Im Folgenden unterzieht Gedike die gängigen Übungsmethoden des Lateinschreibens einer strengen Kritik und kommt dabei wieder auf die deutschlateinischen Wörterbücher zu sprechen. Das Einführen ins Lateindenken würde etwa durch „die so sehr gangbare Exerzizienmethode“ gehemmt, da [d.h. bei der] man den jungen Leuten etwas Deutsches diktirt, das sie nachher ins Lateinische übertragen müssen. Eine wahre Marter für sie! Viele von den diktirten Ideen haben sie noch nicht gehabt, haben sie wenigstens noch nicht unter lateinischem Ausdruk gedacht. Diesen müssen sie also erst in Eil herbeischaffen. Wort für Wort wird ängstlich aufgesucht im Lexikon, dessen deutsch-lateinischer Theil ihnen nun der wichtigste ist, und mit dessen Hülfe sie nun auch eine halb deutsch halb lateinisch geformte Mißgeburt zur Welt bringen. Gedike 1779: 200

Gedike lehnt also ausdrücklich nur die Form der Schreibübungen ab. Auf das Schreiben möchte er aber nicht verzichten. Als Übungsform zieht er freilich den freien lateinischen Aufsatz der deutsch-lateinischen Übersetzung vor. Gedike rät, die deutsch-lateinischen Wörterbücher beim Schreiben wegzulassen und lieber auf bekannte Wendungen zu setzen. Was aber stattdessen tun, um ans Wortmaterial zu kommen? Mein Lehrling wird bei seinen eignen Aufsätzen vorzüglich den lateinisch-deutschen Theil seines Lexikons gebrauchen, und lieber seine Ideen, eben darum, weil sie sein sind, so lange drehen und wenden, bis sie in die Zahl und Form der ihm schon bekannten Ausdrükke hinein passen. Gedike 1779: 200

Diese Methode schränkt die Themenwahl bewusst auf das im Unterricht Behandelte ein, um artifizielles, aus dem Wörterbuch zusammengesuchtes Latein zu vermeiden. Die induktive Methode möchte dadurch möglichst schnell zum Denken auf Latein anregen, das heißt der Umweg über die deutschen Strukturen solle möglichst vermieden werden. So werde, so Gedike weiter, der Stil am natürlichsten entwickelt und die meisten Germanismen vermieden. Auch die Rückübersetzungen hätten laut Gedike als Methode ihre Schwächen. Denn entweder handele es sich dabei um eine reine Gedächtnisleistung oder aber der Schüler stünde wieder vor demselben Problem wie bei der Exerzitienmethode, wenn er sich nicht mehr an den Originaltext erinnern kann. Als besonders anregen-

|| 124 Ders. 198; vgl. aber 157.

94 | Prolegomena zu den deutsch-lateinischen Wörterbüchern von 1750 bis 1850

de Übungsform bezeichnet Gedike die, bei der der Schüler einen Lateinaufsatz voller Grammatikfehler selber korrigieren darf.125 Erst nach langer Zeit in Lektüre- und Schreibübungen käme Gedike zum Grammatikunterricht und Lateinsprechen bei der Autorenauslegung. Deutlich allgemeiner wird das Thema von Nutzen und Nachteil der Benützung von Wörterbüchern in anderen Werken behandelt. Von Wörterbüchern im Allgemeinen spricht die Vorrede zu Kirschens Cornucopiae in der Leipziger Fassung von 1774: Man wird nicht leicht eine Gattung von Büchern finden, über deren Nutzbarkeit so gar verschieden geurtheilet würde, als über die Nutzbarkeit der Wörterbücher. Denn einige preisen sie, als die zuverlässigsten, ja fast als die einzigen Mittel, eine Sprache vollkommen verstehen und schreiben zu lernen, an: indeß daß andre sie als die sichersten Mittel, jungen Leuten eine unrichtige Kennniß einer Sprache beyzubringen, und sie von der Fertigkeit im richtigen Schreiben abzuhalten, ganz zu verwerfen, kein Bedenken tragen. Kirsch 1774, Vorrede des Herausgebers: a2r

Der anonyme Herausgeber stellt schließlich fest: „Aber beyde Partheyen gehen in ihrem Urtheile zu weit“126, und versucht sich mit einer Synthese der gegensätzlichen Positionen: Auf der einen Seite sei es natürlich richtig, dass man Wörter nur in ihrem Textzusammenhang verstehen könne. Nur durch „aufmerksames Lesen gut geschriebener Bücher“127, also vermutlich Stillektüre oder Lektüre von Anleitungen zum Lateinschreiben, könne man sich die nötige Kenntnis und Sprachrichtigkeit für den schriftlichen Gebrauch des Lateinischen aneignen. Auf der anderen Seite aber leisten die Wörterbücher, richtig gebraucht, einen guten Dienst: Denn wenn Wörterbücher Werke sind, in denen von jedem Worte die verschiedenen Hauptbedeutungen, welche sie in verschiedenen Verbindungen haben, angegeben: und in welchen die gewöhnlichsten Wörter und Redensarten unsrer Muttersprache durch Wörter und Redensarten einer fremden Sprache ausgedrückt werden: so müssen sie dem, dem noch nicht alle möglichen Bedeutungen der Wörter bekannt sind, doch diesen Dienst thun, daß sie ihm dieselben auf einmal vorlegen, um diejenige heraus zu suchen, welche der Zusammenhang im Lesen verlangt: und dem, der schon einige Uebung im Schreiben gehabt hat, und den Unterschied zwischen seiner Muttersprache und der fremden Sprache kennt, müssen sie doch wenigstens dazu dienen, daß sie ihn an die Wörter und Redensarten, die er noch nicht weiß, erinnern. Kirsch 1774, Vorrede des Herausgebers: a2r–v

|| 125 Vgl. Gedike 1779: 201–202. 126 Kirsch 1774, Vorrede des Herausgebers: a2r. 127 Ebd.

Stimmen wider den unmäßigen Gebrauch der Wörterbücher | 95

Es gebe laut dem Herausgeber nur zwei Gründe dafür, dass Wörterbücher jemanden vom Verstehen oder Schreiben abhalten würden, nämlich wenn unrichtige Bedeutungen und Wörter in dem Lexico angegeben sind; oder wenn der Lehrling einer fremden Sprache aus Bequemlichkeit und allzu grossem Zutrauen auf sein Wörterbuch alle Uebung in Auslegung fremder Bücher, und im Uebersetzen aus seiner Muttersprache, unterläßt: alsdann ist er freylich in Gefahr, aus den angegebnen Bedeutungen eine unschickliche, und aus dem Schatze von Redensarten eine übelpassende zu wählen, so oft er etwas liest, oder schreibt. Denn er besitzet die Geschicklichkeit nicht, ein Lexicon zu gebrauchen. Aber deswegen hören die Wörterbücher nicht auf für den ein gutes Hülfsmittel zu seyn, der diese Geschicklichkeit besitzet, das heißt für den, der sich schon durch Anleitung eines Lehrers die Fertigkeit erworben hat, aus dem Zusammenhange zu errathen, welche von den möglichen Bedeutungen sich in die Stelle, die er liest, schicke, und der durch aufmerksames Lesen gut geschriebener Bücher, und durch Uebungen im Schreiben, welche er unter der Aufsicht eines Sprachverständigen unternommen, die Geschicklichkeit erlangt hat, sich von vielen Dingen in der Sprache, gut auszudrücken, und es zu fühlen, was dem Genie derselben gemäß sey, oder nicht. Kirsch 1774, Vorrede des Herausgebers: a2v

Unter diesen Umständen würden diesem „Lehrling“ die Wörterbücher zu Hilfe sein, wenn er – sei es bei der Lektüre, sei es beim Verfassen lateinischer Texte – auf ein unbekanntes Wort stößt und es nachschlagen muss. Nun folgen diverse Beispiele, die den Gebrauch eines Wörterbuchs illustrieren sollen, da man „nicht überall junge Leute dazu anführt“128. Auffällig an dieser Vorrede aus dem Jahr 1774 ist, dass der Verfasser den passiven und den aktiven Gebrauch „der fremden Sprache“ – er vermeidet in diesem Teil den Begriff des Lateinischen – gleichrangig behandelt. Noch Kirsch selbst hatte in seiner Vorrede von 1713 den deutsch-lateinischen Teil mit einem einzigen Satz abgehandelt. Viel später ist es Mühlmann (1845, Vorrede: VII), der in der Vorrede zu seinem Handwörterbuch von 1845, das speziell auf die Schule zugeschnitten ist, auf die Kritiker von deutsch-lateinischen Wörterbüchern an Schulen hinweist. In einer dunklen Passage schreibt er: Die Erläuterung jedes abstracten Begriffes durch Lateinische Verbindungen und Wendungen, wodurch die Menge der sogenannten Redensarten mit vorangehender deutscher Uebersetzung bedeutend geschmälert worden ist, wird, so hoffe ich, als der richtigste Weg in einem DeutschLateinischen Wörterbuch anerkannt werden. Vielleicht wird hierdurch die gewiß nicht vorsichtig genug ausgesprochene Meinung derer, welche behaupten, daß der Schüler ein DeutschLateinisches Lexikon entbehren könne, einigermaßen zurückgewiesen.

Was genau Mühlmann mit der Formulierung „Redensarten mit vorangehender deutscher Uebersetzung“ meint, ist unklar. Ebenso ist die Formulierung „Erläute|| 128 Kirsch 1774, Vorrede des Herausgebers: a2v.

96 | Prolegomena zu den deutsch-lateinischen Wörterbüchern von 1750 bis 1850

rung jedes abstracten Begriffes durch Lateinische Verbindungen und Wendungen“ kryptisch. Dann fordert Mühlmann (ebd.) eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit der „Methode“ der Wörterbücher unter Pädagogen, ohne die Problematik genauer zu erläutern: Es hätte bei dieser Behauptung [sc. der Entbehrlichkeit der dt.-lat. Wörterbücher] die Methode von der Sache selbst geschieden werden sollen und in ersterer Beziehung wäre es allerdings zu wünschen, daß die Methode eines solchen Hülfsmittels von Pädagogen einmal ebenso genau und gründlich zur Sprache käme, wie die vielbesprochene Frage über die Schulausgaben.

Aus diesen Zeugnissen geht hervor, dass die deutsch-lateinischen Wörterbücher – ebenso wie die einzelnen Übungsformen des Lateinunterrichts – in der Didaktik nicht unumstritten waren. Führende Latinisten wie Ernesti oder Gedike warnen vor dem exzessiven Gebrauch der Wörterbücher und betonen die Wichtigkeit der Lektüre für die Erlernung des Wortschatzes, andere wie Mühlmann vermissen – so ist vielleicht letzteres Zitat zu verstehen – eine Didaktik des Wörterbuchs an sich. Trotz aller Kritik zeigt der blühende Buchmarkt, dass die Befürworter deutschlateinischer Wörterbücher die Oberhand haben. Überhaupt scheint in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts der Mangel an guten deutsch-lateinischen Schulwörterbüchern spürbar und eine neue Beschäftigung mit der Thematik notwendig gewesen zu sein. So zitiert Friedrich Karl Kraft einen Lehrer: Wenn Sie Ihr Vorhaben, ein deutsch-lateinisches Lexikon ganz neu zu bearbeiten, ausfuehren, so machen Sie sich dadurch um die studirende Jugend mehr verdient, als wenn sie ein halb Dutzend Schriftsteller edirten. Es ist nicht erlaubt, das [!] wir gerade hierin so weit zurueckgeblieben sind. Kraft 11820/21, Vorrede zur ersten Auflage. In: Kraft 21824: V.

4.4 Konfessionalität und Stand der Lexikographen Aus dem bisher Gesagten wurde bereits hinlänglich deutlich, dass deutschlateinische Lexikographie schon immer mit schulischen Bedürfnissen verbunden war. So verwundert auch nicht, dass die meisten der Verfasser dieser Wörterbücher in der Schule tätig waren, insbesondere auch die Autoren im 18. und 19. Jahrhundert, die meist herausragende Positionen des Gymnasiums innehatten. Unter anderem Blickwinkel hingegen macht man eine womöglich überraschende Beobachtung. So besteht ein großes Ungleichgewicht bezüglich der Konfessionszugehörigkeit:

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Fast alle deutsch-lateinischen Lexikographen sind Protestanten, schon seit der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts (s. Tabelle).129 Tab. 2: Verteilung der Konfessionen in der 1. Hälfte des 18. Jahrhunderts

Katholisch

Protestantisch

Franz Wagner S.J. (1675–1738), Jakob Bayer S.J. (1670/1673–1750), Paul Aler S.J. (1656–1727), Franz Xaver Kropf S.J. (1691–1746), Giovanni Veneroni (1642–1708)

Siegmund Jacob Apin (1693–1732), Benjamin Hederich (1675–1748), Johann Matthias Gesner (1691–1761), Johann Leonhard Frisch (1666– 1743), Theodor Spieser (?–?), Zacharias Hemminger (1668–1742), Johann Christoph Sommerhoff (1644–1723), Adam Friedrich Kirsch (?– 1716), Christoph Ernst Steinbach (1698–1741), Daniel Friedrich Jahn (1683–1760), Johann Adam Weber (?–?), Johann Georg Wachter (1663–1757); Caspar Zacharias Wussin (1664–1747) (?)

Doch war die Proportion der Konfessionszugehörigkeit in dieser Zeit noch ausgeglichener, zumal im katholischen Schulwesen hauptsächlich Jesuiten als emsige Autoren vielgenutzter Wörterbücher tätig waren. Innerhalb weniger Jahre erschienen mehrere Wörterbücher aus der Feder einer einzigen Jesuitengeneration: Das Universae Phraseologiae Germano-Latinae Corpus (Augsburg 1718) von Franz Wagner (1675–1738), der Paedagogus Latinus (Mainz 1724, s.u.) von Jakob Bayer (1670/1673– 1750)130, das zweibändige Dictionarium Germanico-Latinum (Köln 1727) von Paul Aler (1656–1727) und die Amalthea Germanica et Latina (Dillingen 1735) von Franz Xaver Kropf (1691–1746), eine thematisch geordnete Sammlung von Phrasen (Index locuples dictionum ex Germanicis Latinarum). Als Lehrer waren Jesuiten aufgrund sprachlicher Exzellenz prädestiniert für die Komposition der deutsch-lateinischen Werke. Zahlreiche Bearbeitungen und Auflagen von Wagners und Bayers Wörterbüchern bis ins 19. Jahrhundert hinein zeigen, dass sich auch Wörterbücher katholischer Provenienz auf dem großen Markt der deutsch-lateinischen Wörterbücher lange halten konnten. Katholisch war vermutlich auch Giovanni Veneroni (1642–1708), königlicher Sekretär und Übersetzer am französischen Hof. Er gab ein viersprachiges Wörterbuch mit dem klangvollen Titel Le dictionaire imperial (mit deutschem Untertitel: Das käyserliche Sprach- und Wörter-Buch) heraus. Gedruckt wurde es 1700 in Frank-

|| 129 Eine protestantische Dominanz der Lexikographie gilt schon für das 16. Jahrhundert (mündlicher Hinweis von Peter O. Müller, Erlangen). 130 Die Jahreszahlen nach Körner 2005: 121 sind 1670–1750, bei Ruland 1875 jedoch 1673–1750.

98 | Prolegomena zu den deutsch-lateinischen Wörterbüchern von 1750 bis 1850

furt bei Zunner (ND 2011), es folgten drei weitere Auflagen.131 Veneroni, vermutlich aus Verdun stammend, italienisierte seinen Namen, um sich in Paris als Florentiner ausgeben zu können. Er reüssierte rasch als „maître d'italien“ und stieg schließlich am Hof zum Dolmetscher des Königs auf. Genanntes Wörterbuch und seine Grammatik der italienischen Sprache galten lange Zeit als klassisch.132 Die übrigen Verfasser von deutsch-lateinischen Wörterbüchern in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts sind Protestanten. Die vier bekanntesten sind: Siegmund Jacob Apin (1693–1732) mit Glossarium novum ad aevi huius statum adornatum von 1728, in dem zahlreiche moderne Begriffe und Fremdwörter übersetzt werden; ebenso die Predigersöhne Benjamin Hederich (1675–1748) mit Promtuarium latinitatis probatae et exercitae von 1729 sowie Johann Matthias Gesner (1691–1761), seit 1726 Bearbeiter des berühmten Thesaurus eruditionis scholasticae. Dieser wurde zuerst 1571 von Basilius Faber (um 1520–um 1576) herausgegeben und unter anderem von Christoph Cellarius (1638–1707) bearbeitet – beide waren ebenfalls protestantische Lexikographen.133 Noch vor seiner Tätigkeit als Lehrer und Rektor am Gymnasium zum Grauen Kloster in Berlin wirkte der evangelische Sprachforscher und Verfasser des oben bereits erwähnten Teutsch-lateinisches Wörter-Buchs (1741), Johann Leonhard Frisch (1666–1743) seit 1691 als Hilfsprediger in Ungarn.134 Mit größter Wahrscheinlichkeit sind auch folgende Lexikographen, über deren Leben weniger bekannt ist, Protestanten: Theodor Spieser (?–?), Zacharias Hemminger (1668–1742), der Apotheker Johann Christoph Sommerhoff (1644–1723), Adam Friedrich Kirsch (?–1716), Christoph Ernst Steinbach (1698–1741), Daniel Friedrich Jahn (1683–1760), Johann Adam Weber (?–?) und Johann Georg Wachter (1663–1757). Über den Prager Ratsherrn, Lexikographen und Verleger Caspar Zacharias Wussin (1664–1747) liegen keine biographischen Details vor.135 Sein Wörterbuch Dictionarium germanico-latino-bohemicum [...] Dictionarium von dreyen Sprachen ist in drei Auflagen (zwischen 1700 und 1746) in Prag erschienen.136 Mehr als doppelt so viele Protestanten (12) als Katholiken (5) haben in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts deutsch-lateinische Wörterbücher verfasst. Ab 1750 wächst dieses Ungleichgewicht sogar noch. Deutsch-lateinische Lexikographie lag zu dieser Zeit fast gänzlich in der Hand protestantischer Autoren. Insbesondere die

|| 131 Das Prädikat käyserlich bezieht sich auf das Druckprivileg: „Mit Römischer Käyserl. und Polnischen Maj. auch Chur-Sächsis. allergnädigst. und gnädigsten Freyheiten“. Zur Vita vgl. Bouillet/Chassang 1878: p. 1956 und (letzter Zugriff: 8.3.2022). 132 Vgl. Bouillet/Chassang 1878: p. 1956. 133 Ein dt.-lat. Index erschien zuerst 1696 als Anhang an die Bearbeitung von Christophorus Cellarius. 134 Winter 1961. 135 Vgl. Brekle 2005, Bd. 8: 314. 136 Vgl. Brekle 2005, Bd. 8: 315; Jones 2000 : Nr. 1121.

Konfessionalität und Stand der Lexikographen | 99

größeren und wichtigeren Werke verfassten Klassische Philologen protestantischer Zugehörigkeit. Der Erörterung mutmaßlicher Gründe hierfür sei eine Dokumentation über die einzelnen Autoren vorangestellt. Tab. 3: Verteilung der Konfessionen nach 1750

Katholisch

Protestantisch

Anonym S.J. / Manuel Álvares S.J., Joseph Uihlein (?–?), Carl Philipp Mayer (1772–1840), Franz Xaver Schönberger O.Sch.P. (1754–1820), Albin Heinrich (1785–1864), Felix Sebastian Feldbausch (1795–1868)

(1) Lehrer und Theologen: Philipp Reinhard Soppe (?–1782), Benedikt Friedrich Nieremberger (1719–1785), Johann Georg Samuel Bernhold (1720–1760), Paul Eugen Layritz (1707–1788), Carl Ludwig Bauer (1730–1799), Immanuel Johann Gerhard Scheller (1735–1803), Johann Adam Schmerler (1765–1794), Conrad Gottlob Anton (1745– 1814), Karl Gottlieb Anton (1778–1861), Christian Gottlieb Bröder (1745–1819), Johann Gottfried Haas (1737–1815), Ernst Zimmermann (1786–1832), Johann Friedrich Weingart (1793– 1869), Friedrich Karl Kraft (1786–1866), Ernst Friedrich Kärcher (1789–1855), Gustav Eduard Mühlmann (1812–1870), Georg Aenotheus Koch (1802–1879)

(2) Lehrer ohne Theologie: Johann Christoph Bremer (1754–?) (?), Georg Heinrich Lünemann (1780–1830), Ernst Friedrich Wüstemann (1799–1856), Karl Ernst Georges (1806–1895), Johann Friedrich Schmalfeld (1811–1880), Albert Forbiger (1798–1878) (3) Gelehrte: Georg Matthiae (1708–1773), Friedrich Gottlob Born (1743–1807), Friedrich Rudolph Lenke (?– 1818), Johann Ernst Volbeding (1791–1864); Adolf Holzmann (?–1825?) (?), J. S. Meiner (?–?) (?)

Unter den Lexikographen mit bekannter Konfession befinden sich nur eine Handvoll Katholiken. Die oben genannten Wörterbücher von Wagner und Bayer wurden zwar weiterhin verlegt; neue deutsch-lateinische Wörterbücher aus dem jesuitischen Orden, der ja 1773 aufgehoben wurde, erschienen meines Wissens jedoch nicht mehr. Als Ausnahme kann die rege genutzte Anweisung zur Lateinischen Sprach (Auflagen zwischen 1751 und 1770) betrachtet werden. Sie stellt eine Art Kompendium zu dem von der Ratio studiorum für alle Jesuitenschulen vorgesehe-

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nen Grammatiklehrwerk De institutione grammatica von Manuel Álvares (1572)137 dar und enthält zwei deutsch-lateinische Indices. Zu den katholischen Autoren gehört als Lehrer an der Mainzer Domschule138 wahrscheinlich Joseph Uihlein (?–?), der eine Bearbeitung von Jakob Bayers Paedagogus Latinus unter neuem Titel (Deutsch-Lateinisches und Lateinisch-Deutsches Wörterbuch) vorgelegt hat. Carl Philipp Mayer (1772–1840) hat 1805 und 1819 die zwei letzten Auflagen des Paedagogus Latinus herausgegeben. Als Bibliothekar und Gymnasialprofessor in Würzburg war er vermutlich ebenfalls katholisch. Der Herausgeber des Scheller’schen Hand-Lexicons für österreichische Schulen, Franz Xaver Schönberger (1754–1820), war als Mitglied des Schulordens der Piaristen Gymnasiallehrer in Wien und Vizedirektor der Gymnasien in Niederösterreich.139 Ebenfalls Österreicher war Albin Heinrich (1785–1864), passionierter Mineraloge und Lehrer am katholischen Gymnasium zu Teschen, das nach den Schlesischen Kriegen bei Österreich verblieb.140 Dort verfasste er ein 1826 erschienenes Deutschlateinisches Wörterbuch als Ergänzungstheil zu Imm. Joh. Gerh. Schellers lateinischen Wörterbuche in etymologischer Ordnung – „zwar kein vollständiges“ Werk, aber laut der Vorrede des Autors doch ein „Wörterverzeichniß“, das „aus bloß classischen Ausdrücken“ besteht und so die Schüler „vor Mißgriffen in der Wahl der Wörter zu schützen“ sucht.141 Felix Sebastian Feldbausch142 (1795–1868), geboren und aufgewachsen in Mannheim, studierte in Heidelberg Philologie und wurde 1844 Direktor des Lyceums. Er wechselte sich im alternierenden Posten des Direktors mit dem evangelischen Director ab. Schließlich wurde er in den Oberstudienrat, ein Schulbeamtengremium, nach Karlsruhe berufen, wo auch sein Kleines deutsch-lateinisches Wörterbuch zwischen 1833 bis 1848 in drei Auflagen erschien. Der als unsteter Charakter beschriebene Johann Heinrich Drümel (1707–1770), Autor des lateinisch-deutschen Teils des Lexicon manuale, war zur Zeit der Abfassung (1753) Protestant, konvertierte aber 1762 zum Katholizismus.143 Protestant war allerdings der Verfasser des dazu gehörigen deutsch-lateinischen Teils (Deutschlateinisches Wörterbuch), Benedikt Friedrich Nieremberger (s.u.). Kennzeichnend ist die Rolle der katholischen Lexikographen: Drümel war lediglich für den lateinisch-deutschen Teil zuständig. Schönberger (wie unten noch zu

|| 137 Vgl. Korenjak 2016: 129. 138 Wie man dem Titelblatt von Uihleins Syntax der lateinischen Sprache für Anfänger, Mainz 1797 entnehmen kann. 139 „Schönberger, Franz Xaver”. In: BLKÖ 31 (1876), 127–128. Bis 1848 gab es in Österreich keinen säkularen Lehrerstand für Gymnasien, vgl. Führ 1985: 433. 140 „Heinrich, Albin“. In: BLKÖ 8 (1862), 224–226. 141 Heinrich 1826: IV. 142 Löhlein 1875a. 143 Baader 1804: 255–260.

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sehen sein wird) hat nur Schellers Werk bearbeitet, wobei der deutsch-lateinische Teil unverändert blieb. Bei den anderen Wörterbüchern aus katholischer Feder handelt es sich um kleinere (Feldbausch), von anderen Werken abhängige Wörterbücher (Heinrich) oder um Bearbeitungen (Uihlein und Mayer). Deutsch-lateinische Lexika der Güte und Originalität, die die Werke Bauers, Schellers, Krafts und von anderen auszeichnen, befinden sich nicht darunter. Alle anderen Lexikographen – soweit wir Nachricht über sie haben – waren Protestanten. Diese lassen sich drei Untergruppen zuordnen (s. obige Tabelle): (1) Schullehrer, die gleichzeitig auch Theologen waren, (2) Schullehrer ohne theologisches Examen (zumindest ohne dass wir Kenntnis über ein solches haben), (3) Gelehrte ohne Schultätigkeit. Die im Folgenden genannten Lexikographen der ersten Gruppe waren also sowohl protestantische Theologen als auch Lehrer an der Schule. Häufig entstammten sie einer Predigerfamilie und waren selbst Prediger. Die Verbindung von Theologenstand und Lehramt ist für das 18. Jahrhundert allerdings keinesfalls ungewöhnlich, sondern Normalfall. Denn bis Anfang des 19. Jahrhunderts, als man in Preußen das Gymnasium reformierte und durch die „Schaffung eines eigenen Gymnasiallehrerstandes“144 den Einfluss der Kirchen zurückdrängte, war das Lehramt in der Regel an den Theologenstand gebunden.145 Durch das Edikt vom 12. Juli 1810 wurde die allgemeine Lehramtsprüfung (Examen pro facultate docendi) eingeführt; dies war formal gesehen die Etablierung des Lehrerstandes. Doch wurden Philologie- und Theologiestudium auch im Folgenden oft weiterhin kombiniert, wie man auch an den Lebensläufen nachfolgender Philologen sehen kann.146 Es handelte sich um einen lang andauernden Säkularisierungsprozess, und das Edikt von 1810 zog „nur einen Schlußstrich unter die Entwicklung, die in der letzten Hälfte des 18. Jahrhunderts immer stärker geworden war“147. Vor allem die Gründung eines Philologischen Seminars 1787 durch Friedrich August Wolf (1759–1824) in Halle markiert einen wichtigen Punkt in dieser Entwicklung, nachdem Johann Matthias Gesner (1691–1761) und Christian Gottlob Heyne (1729–1812) in ihrem Seminarium Philologicum zu Göttingen noch vor allem Studenten der theologischen Fakultät unterrichtet hatten.148 Die große Mehrheit der hier behandelten Lexikographen waren oder blieben jedenfalls sowohl der Theologie als auch der Philologie verbunden: Philipp Reinhard Soppe (?–1782) graduierte 1726 in Gießen mit dem Thema De horis salutiferae passi|| 144 Paulsen 1921: 286. 145 „Von der ursprünglich vollständigen Zugehörigkeit der Schule zur Kirche waren am Anfang des 19. Jahrhunderts noch beträchtliche Überreste zurückgeblieben.“ (Paulsen 1921: 283). 146 Vgl. Führ 1985: 417–457. 147 Jeismann 1996a: 341; s. auch Führ 1985: 425; vgl. dagegen noch Paulsen 1921: 287: Die „alte Kombination des Lehramts mit dem geistlichen Amt hörte auf“. 148 Vgl. Landfester 2006: 13–14.

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onis Iesu Christi et illarum debita conciliatione (Dissertatio chronologica) zum Magister149 und war nach Lehr- und Rektorentätigkeit in Echzell und an der Lateinschule in Homburg (letzteres 1743–1744) seit 1744 Pfarrer in Köppern und 1763–1782 in Seulberg.150 Zahlreiche Anekdoten berichten davon, wie Soppe gewissermaßen zwischen die Fronten der beiden miteinander verfeindeten Regenten von HessenDarmstadt und Hessen-Homburg geriet.151 Im nahegelegenen Frankfurt am Main erschien 1751 sein Deutsch-lateinisches Lexicon phraseologicum. Benedikt Friedrich Nieremberger (1719–1785) studierte in Leipzig (1737–1741). Er wirkte danach als evangelischer Pfarrer und Prediger vornehmlich in Regensburg sowie als Lehrer am dortigen Gymnasium.152 Hier erschien 1753 sein Deutschlateinisches Wörterbuch als zweiter Teil von Johann Heinrich Drümels (s.o.) Lexicon manuale Latino-Germanicum & Germanico-Latinum. Der Rektor des Gymnasiums zu Heilbronn, Johann Georg Samuel Bernhold (1720–1760), war Sohn eines fränkischen Pfarrers.153 Nach einer Anstellung als Hofmeister, das heißt als Privatlehrer höhergestellter Jugendlicher in Altdorf, Lehrer und Dozent in Erlangen, wurde er 1746 zum Rektor des Gymnasiums zu Heilbronn und Aufseher der dortigen Stadtbibliothek ernannt; dort verfasste er auch sein Zu

|| 149 Vgl. Anonym (1726): 211. 150 Vgl. Zimmermann 1984: 47–53. 151 Da er sich in religiösen Fragen an Anweisungen aus Darmstadt hielt, wurde Soppe durch das Homburger Konsistorium nicht nur mit Geldbußen belegt, sondern 1747 sogar von Soldaten am Zutritt der Kirche zu Köppern gehindert und vom Dienst suspendiert, als er anlässlich eines Unwetters ein Gebetsformular des Darmstädter Konsistoriums von der Kanzel verlesen hatte. Doch zu guter Letzt wurde Soppe durch das vom Darmstädter Konsistorium entsandte Militär wieder in sein Amt eingesetzt. Verschiedene andere Anekdoten hochpolitischer Art schildert die Suleburc-Chronik (Zimmermann 1984): Einmal kam es zum Zwist mit dem prohomburgischen Schultheiß Reineck, der den Pfarrhofbrunnen in Abwesenheit des Pfarrers zur Hälfte niedergerissen hatte; ein andermal verweigerte Soppe die Herausgabe des Schlüssels zur Schulstube im Rathaus, wo er ohne Erlaubnis von Homburg in einer Notlage den todkranken Dorflehrer Höck vertreten hatte; wieder ein andermal kam es zum Streit zwischen Pfarrer und Schultheiß, als Ersterer ohne Wissen des Zweiteren Heu von der Jägerwiese im Wert von 18 Gulden zur Finanzierung der neuen Orgel verwendet hatte. Soppe verzichtete 1772 großmütig auf eine ihm zustehende Zulage von 30 Gulden aus dem Seulberger Kirchenkasten, nachdem dies den Unmut von Gemeindemitgliedern erregt hatte: „Die Liebe und das Zutrauen der Pfarrkinder zu ihrem Seelsorger muß von diesem höher geschätzt werden als viele Tausend stück Gold und Silber. Die Verschertzung dieser beiden nöthigen Eigenschafften derer Zuhörer um zeitlichen Gewinst willen stöhrt die Ruhe des Gewissens, verhindert die Krafft der Predigt, macht das Leben sauer, den Tod bitter und die Verantwortung schwehr.“ In geistlicher Hinsicht setzte er sich für die protestantische Orthodoxie ein, was uns durch den Titel seiner Schrift gegen die Pietisten fassbar wird: Kurzer Begriff der gefährlichen Irrthümer welche in den schädlichen Lehrsätzen der überhand nehmenden Pietisten enthalten sind (1767). 152 Kropfganß 1785. 153 Zedlers Universal Lexicon 1752, Suppl. 3: 887–888.

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gründlicher und vernünftiger Erlernung der Lateinischen Sprache eingerichtetes Wörterbuch (erschienen 1757 in Onolzbach). Paul Eugen Layritz (1707–1788), zusammen mit seinem späteren Schwiegersohn Theodor Christ. (?) Jembsch Verfasser eines Lexicon manuale (1760), gehörte als philologisch und didaktisch versierter Konrektor am Gymnasium in Neustadt an der Aisch „zu den vorzüglichsten Schulmännern Deutschlands“154. Er schloss sich der Herrnhuter Brüdergemeinde an, wurde dort 1775 zum Bischof geweiht und besuchte als Visitator unter anderem die Eskimomissionen auf Labrador. Carl Ludwig Bauer (1730–1799), poeta laureatus caesareus, Schüler Johann August Ernestis an der Thomasschule in Leipzig, war Rektor der Laubaner Schule und anschließend der evangelischen Schule zu Hirschberg in Schlesien. Neben philologischen Schriften hat er auch Theologisches veröffentlicht, etwa zur Rhetorik des Paulus oder zur Patristik.155 Sein Deutsch-lateinisches Lexicon erschien zuerst 1778 in Breslau. Sein Zeitgenosse Immanuel Johann Gerhard Scheller (1735–1803), ebenfalls Schüler der Thomasschule in Leipzig, stammte aus einer Predigerfamilie, war selbst Prediger und Rektor am Lyceum in Lübben (Niederlausitz) und am königlichen Gymnasium in Brieg (Schlesien).156 Er ist Autor zahlreicher stark rezipierter lateinischer Wörterbücher. Die beiden Letztgenannten werden in den folgenden Kapiteln ausführlich behandelt. Ebenfalls Theologe und Schulrektor, nämlich der Gemeindeschule im protestantischen Fürth, war der Bäckerssohn Johann Adam Schmerler (1765–1794). Er verfasste ein Lateinisch-deutsches und deutsch-lateinisches Wörterbuch kleineren Umfangs.157 Conrad Gottlob Anton (1745–1814), der Bearbeiter der Cornucopia von Kirsch, war lutherischen Bekenntnisses und von 1775 bis 1813 Professor für orientalische und klassische Sprachen in Wittenberg. Sein Sohn, Karl Gottlieb Anton (1778–1861), war nach dem Studium der Theologie, Philosophie und Philologie Rektor in Görlitz und dort auch lexikographisch tätig. Er beteiligte sich an der Herausgabe des Lexicon catholicon latinae linguae (1794/1796). Die Schullehrbücher (etwa die Practische Grammatik der lateinischen Sprache, Leipzig, 11787–191832) des in Leipzig studierten Superintendenten und Pfarrers von Dessau und später Beuchte und Weddingen im Fürstentum Hildesheim, Christian Gottlieb Bröder (1745–1819), erfreuten sich so großer Beliebtheit und Verbreitung, dass der Name Bröder gar als „Gattungsbegriff“ verwendet werden konnte.158 Sein

|| 154 Römer 1883: 88. 155 Schimmelpfennig 1875. 156 Hoche 1890. 157 Baader 1824, Bd. 1, Teil 2: 199–201. 158 H. (?) [Kürzel] (1876): „Broeder, Christian Gottlieb“. In: ADB 3, 345.

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Wörterbuch mit dem Titel Lateinisch-deutsches und deutsch-lateinisches Taschenwörterbuch wurde zwischen 1801 und 1820 fünfmal aufgelegt.159 Der unter dem postum gebrauchten Pseudonym M. A. Thibaut bekannt gewordene Johann Gottfried Haas (1737–1815) war nach philologischem und theologischem Studium in Leipzig Lehrer und Konrektor in Marienberg und Schneeberg im Erzgebirge.160 Sein Name ist mit zahlreichen Wörterbüchern sowohl moderner als auch antiker Sprachen für den Schulunterricht verbunden. Als glühender Patriot und evangelischer Kanzelredner dargestellt wird Ernst Zimmermann (1786–1832), zweiter Hofprediger von Großherzog Ludwig I. von Hessen-Darmstadt; nach Besuch des Darmstädter Gymnasiums und der Landesuniversität in Gießen wandte er sich neben seiner Tätigkeit als Lehrer an seiner selbst gegründeten Privatschule für Mädchen und später als Prediger zunächst philologischen, anschließend mit großem Erfolg theologischen Studien, besonders der Homiletik, zu.161 Er verfasste ein Kleines deutsch-lateinisches Wörterbuch in etymologischer Ordnung (Darmstadt 1814) als zweiten Teil von Schellers Kleinem lateinischen Wörterbuch (zuerst 1779, ab der vierten Auflage 1811 von Lünemann). Als Schulmann und Theologe tätig war Johann Friedrich Weingart (1793–1869), nach dem Studium in Jena (1811–1814) Rektor in Herbsleben und Pastor in Großfahner bei Gotha.162 Er verfasste ein Lateinisch-Deutsches und Deutsch-Lateinisches Schul-Lexicon, für Anfänger und Geübtere (Sondershausen 1819). Sohn eines Predigers war der nachmalige Rektor des Gymnasiums in Nordhausen und des Johanneums in Hamburg Friedrich Karl Kraft (1786–1866), der in Leipzig studierte hatte. Zu seinem bedeutenden Deutsch-Lateinisches Lexikon findet sich unten ein eigenes Kapitel. Der Lehrer, Rektor und Lexikograph Ernst Friedrich Kärcher (1789–1855) bestand „im Herbst 1810 seine Prüfung als Candidat des evangelischen Predigtamts [in Heidelberg] – denn nur als solcher hatte er damals Aussicht auf ein Lehramt“.163 Er war langjähriger Lehrer und Rektor des Karlsruher Lyceums und galt als einer der führenden Schulorganisatoren in Baden. Neben einem deutsch-französischen Schulwörterbücher verfasste er diverse kleinere der lateinischen Sprache (s.u.). Gustav Eduard Mühlmann (1812–1870), Verfasser eines Handwörterbuchs der Lateinischen Sprache, mit besonderer Rücksicht auf Lateinische Schulen, Gymnasien und Lyzeen (1845), war evangelisch-lutherischer Pastor zu Reinswalde in der Niederlausitz164 und Lehrer an der Thomasschule zu Leipzig. || 159 Vgl. Wolfs Internetbibliographie (letzter Zugriff: 22.03.2022). 160 Fränkel 1904. 161 Diehl 1900. 162 Thüringer Pfarrerbuch (1995): 704. 163 Löhlein 1875b: 445. 164 Wie man dem Titelblatt der Neuherausgabe des Freuden-Spiegel des ewigen Lebens (Halle 1854) entnehmen kann.

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Dort als Lehrer (seit 1831) und später als Konrektor (1862–1867) tätig war auch Georg Aenotheus Koch (1802–1879), Sohn eines evangelischen Pfarrers; zuvor studierte er evangelische Theologie und klassische Philologie in Leipzig.165 Dort verfasste er neben einem Gradus ad Parnassum und einem Lateinisch-deutschen Handwörterbuch auch ein Deutsch-lateinisches vergleichendes Wörterbuch der alten, mittleren und neuen Geographie (Leipzig 1835). Eine zweite Gruppe umfasst evangelische Autoren, die zwar Lehrer, aber keine Theologen bzw. nicht dezidiert theologisch interessiert waren oder über deren Stand oder deren theologische Studien nichts bekannt ist. Wie oben erwähnt, konnte man in Preußen spätestens seit 1810 Schullehrer ohne Theologieexamen werden. Über den Rektor des Fürstlichen Gymnasium zu Quedlinburg, Johann Christoph Bremer (1754–?), ist wenig bekannt. Er verfasste neben dem deutsch-lateinisch angeordneten topographischen Wörterbuch mit dem Titel Europa Latina (1785) auch ein Lateinisches Wörterbuch für Anfänger (1786). Seine Lehrtätigkeit in Berlin, Magdeburg und Quedlinburg legen die Vermutung nahe, dass er Protestant war. Der mutmaßlich protestantische Bearbeiter der Scheller’schen Wörterbücher und Lehrer am Göttinger Gymnasium Georg Heinrich Lünemann (1780–1830) sticht aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Freimaurerloge mit dem Namen Augusta zum goldenen Zirkel in Göttingen hervor, zu der seit 1783 auch Friedrich August Wolf gehört hatte.166 Er wurde zwar an der Theologischen Fakultät der Georgia Augusta immatrikuliert, schlug aber keine theologische Laufbahn ein, sondern studierte unter Heyne Altphilologie.167 Ernst Friedrich Wüstemann (1799–1856) besuchte das Gymnasium illustre in Gotha, studierte Altertumswissenschaften in Göttingen und kehrte anschließend als Lehrer an seine alte Schule zurück.168 Dort gab er mit dem späteren Direktor Rost seit 1820 die Anleitung zum Uebersetzen aus dem Deutschen in das Griechische heraus. Zu dieser Gruppe gehört auch Karl Ernst Georges (1806–1895).169 Als Schüler von Friedrich Karl Kraft und Ernst Friedrich Wüstemann gilt er nicht zufällig als ein führender Latein-Lexikograph des 19. Jahrhunderts. Zwischen 1839 und 1856 war er Oberlehrer am Herzoglichen Realgymnasium seiner Heimatstadt Gotha, bis ein Augenleiden sein Ausscheiden erzwang. Daraufhin konnte sich Georges ganz seiner lexikographischen Passion widmen. Noch vor der aktiven Schulzeit wurde er 1833 in Jena aufgrund seines deutsch-lateinischen Wörterbuches, bearbeitet nach Scheller und Lünemann, das er anstelle einer Dissertation einreichte, zum Doktor promo|| 165 Kämmel 1882. 166 N.N. (1884): „Lünemann“. In: ADB 19, 638–639. 167 Tütken 2005: 674–679. 168 Der Theologe und Historiker Friedrich Koldewey (1898: 368–369) hielt Wüstemann „für den besten Latinisten seiner Zeit“; s. auch das lateinische Totengedenken seines Schülers Georges (1857). 169 Baader 1964; Berbig 1904.

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viert; 1863 wurde er zum Professor ernannt. Lünemanns, Wüstemanns und Georgesʼ Wörterbücher werden unten näher behandelt. Otto Kreußler (1813–1897) ist der Verfasser des ersten Teils des Kurzgefaßten lateinisch-deutschen und deutsch-lateinischen Handwörterbuchs (zuerst 1841), während Johann Ernst Volbeding (s.u.) den deutsch-lateinischen Teil erarbeitet hat. Wenn auch Kreußlers Konfession nicht ausdrücklich erwähnt wird, so kann man aufgrund seiner Tätigkeit als Lehrer an der Nicolaischule in Leipzig und an der Landesschule in Meißen davon ausgehen, dass er Protestant war. Dies wird gestützt durch den „Zuruf aus der Heimat an die deutsch-lutherische Kirche Nordamericas“170, zu dessen Unterzeichner auch Kreußler zählte. Nur wenige Hinweise gibt es zu Johann Friedrich Schmalfeld (1811–1880). Gesichert ist, dass er Oberlehrer an seiner ehemaligen Schule, dem Königlichen Gymnasium zu Eisleben (heute Martin-Luther-Gymnasium) war und einige Schulbücher für den altsprachlichen Unterricht veröffentlicht hat, darunter auch das Deutschlateinische Taschenwörterbuch, für untere Klassen der Gymnasien, für Realschulen und Seminarien (Eisleben 1850).171 Besonders erfolgreich war Schmalfelds Lateinische Synonymik für die Schüler gelehrter Schulen, das zuerst 1836 erschien. Albert Forbiger (1798–1878), Mitarbeiter von Friedrich Karl Kraft, wird in seiner Lebensbeschreibung172 als ein fleißiger Schulmann charakterisiert, dessen wissenschaftliche Veröffentlichungen zur antiken Geographie allerdings rasch überholt gewesen seien; ganz im Gegensatz steht diese Einschätzung zur Bekanntheit seines dreibändigen Vergil-Kommentars (Leipzig 1836–1839), der noch heute mit Gewinn zusätzlich zu neueren Kommentaren herangezogen werden kann. Neben seiner Tätigkeit als Lehrer (seit 1824) und später als Konrektor (seit 1835) der Nikolaischule in Leipzig dozierte er einige Jahre (1824–1829) auch an der Universität seiner Heimatstadt Leipzig. Eher unüblich ist es, dass ein Verfasser eines deutsch-lateinischen Wörterbuchs nicht auch Lehrer war. Zu dieser dritten Gruppe zählt etwa Georg Matthiae (1708– 1773), der in Göttingen Medizin studiert hat, dort zum Bibliothekar der Universitätsbibliothek sowie zum Professor der Medizin berufen wurde.173 Sein Wörterbuch mit dem Titel Novum locupletissimum manuale lexicon latino-germanicum et germanicolatinum, zuerst erschienen in Halle 1748, erlebte bis 1775 vier Auflagen. Der Kantianer Friedrich Gottlob Born (1743–1807), vermutlich auch er Protestant, wurde bekannt durch seine Übersetzung von Kants Kritischen Werken ins || 170 Löhe, Wilhelm (1845): Zuruf aus der Heimat an die deutsch-lutherische Kirche Nordamericas. Beistimmende Unterschriften. Stuttgart: Liesching, 20. 171 Ellendt 1846: 274. 172 Lothholz 1904. 173 Hirsch 1884: 629. Im Index des ADB ist der Vermerk zur evangelischen Konfession mit einem Fragezeichen versehen [Unter: ; letzter Zugriff: 23.03.2022].

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Lateinische.174 Von 1782–1802 war er Professor der Philosophie in Leipzig, dann Schlossprediger zu Weesenstein bei Pirna. Sein Lexicon Latinum et Theodiscum (1790) ist eine Bearbeitung von Kirschens Cornucopiae. Über Leben und Tätigkeit des im Jahre 1818 verstorbenen Privatgelehrten Friedrich Rudolph Lenke ist sehr wenig bekannt;175 er verfasste neben seinem Neuen deutsch-lateinischen Taschenlexicon für Schüler auch ein „Denkmal der Reformation Luthers“ zum dreihundertjährigen Jahrestag, des Weiteren diverse Kataloge, darunter die „Neue Handbibliothek für Bücherfreunde; junge Studirende und Buchhändler aus allen Theilen der Litteratur“ (Leipzig 1799) und das „Verzeichniß sämtlicher Verlags- und Commissions-Bücher von Reinicke und Hinrichs Buchhändler in Leipzig“ (ebd. 1799). Johann Ernst Volbeding (1791–1864), der das Kurzgefaßte lateinisch-deutsche und deutsch-lateinische Handwörterbuch (zuerst 1841) herausgegeben hat (zusammen mit Otto Kreußler, s.o.), war Diakon in Delitzsch bei Halle und Superintendent und Oberpfarrer in Herzberg.176 Über Konfession und Lebensumstände von Adolf Holzmann (Neues und möglichst vollständiges Lateinisch-deutsches und Deutsch-lateinisches Taschenwörterbuch, Augsburg 1813) und von J. S. Meiner, Verfasser diverser sprachlicher Nachschlagewerke (Lexicon über deutsche Idiotismen, Provincialismen, Volksausdrücke in entsprechendes Latein übertragen, Leipzig 1820), ist mir bislang nichts Näheres bekannt. Die Orte der Drucklegung der Werke des Letzteren (Leipzig und Zeitz in Sachsen-Anhalt) sprechen freilich eher für eine evangelische Zugehörigkeit. Festzuhalten ist also: In der untersuchten Zeit haben fast ausschließlich protestantische Gelehrte auf dem Gebiet der deutsch-lateinischen Lexikographie gewirkt. Selbstredend entsprechen dem auch die Druckorte der Wörterbücher. Zehn Wörterbücher der behandelten Zeit (1750–1850) wurden allein in Leipzig gedruckt, die Mehrzahl der Wörterbücher (25) erschien in Sachsen, Thüringen und im evangelisch geprägten Nord- und Mitteldeutschland. Auf katholische Städte entfallen nur neun Wörterbücher. Der Befund einer protestantisch dominierten Lexikographie mag einer intuitiven Annahme entgegenstehen, katholische Lehrer wären durch die römische Tradition und Beschäftigung mit der lateinischen Patristik und liturgischen Texten mindestens genauso prädestiniert, derartige Wörterbücher zu verfassen. Jedenfalls stellt sich die Frage: Wie kommt es zu einem solchen konfessionellen Ungleichgewicht? Es ist zu deutlich, als dass man von Zufall sprechen könnte. || 174 Immanuelis Kantii Opera ad philosophiam criticam ... Latine vertit Fredericus Gottlob Born. Leipzig: Schwickert, 1796–1798, 4 Bde., vgl. Korenjank 2016: 95. 175 „Lenke, Friedrich Rudolph (gest. 1818)“. In: Wolf, Internetbibliographie [letzter Zugriff: 23.03.2022]. 176 Wie man einer Rezension zu seinen Predigten entnehmen kann, vgl. Theologisches Literaturblatt zur Allgemeinen Kirchenzeitung, Nr. 123, 8. November 1837, Sp. 1055–1056.

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Zunächst: Spätestens mit dem allgemeinen Verbot des Jesuitenordens im Jahre 1773 nimmt die lexikographische Blütezeit der jesuitischen Lexikographie ein jähes Ende. Wenn auch einzelne Jesuiten als Diözesanpriester und Lehrer weiterwirkten, stand dennoch das katholische Schulwesen vor einem großen Einschnitt. Der Beitrag von Katholiken zur Entwicklung der deutsch-lateinischen Lexikographie hielt sich, wie gesehen, in Grenzen. Eine Ausnahme bildet der Aufsatz Friedrich Teipels (1807–1861), eines katholischen Geistlichen und Lehrers in Coesfeld, der unter dem Titel „Theologische, insbesondere katholisch-theologische Beiträge zu einem deutsch-lateinischem Wörterbuche“ aus katholischer Sicht anhand einiger Dutzend Lemmata aus dem kirchlichen Bereich Korrekturen an Übersetzungen einiger Wörterbücher vorschlägt (s. Kap. 6.3.2). Zudem fällt auf, dass die Entwicklung der modernen Klassischen Philologie im Zeichen des Neuhumanismus eng mit protestantischen Altphilologen und Altertumswissenschaftlern verbunden ist und dementsprechend auch in protestantisch geprägten Gebieten (Preußen, Sachsen, Thüringen) vonstattenging. Diejenigen, die die Zeit der Bildungserneuerung seit dem 18. Jahrhundert maßgeblich bestimmt haben – Gesner, Ernesti, Winckelmann, Goethe, Heyne, Wolf, Humboldt und selbst die in Bayern tätigen Thiersch und Niethammer – waren evangelisch, auch wenn sich einige von ihnen als Nichtchristen oder gar als Heiden (Wolf) verstanden177. Der humanistische Geist dieser Zeit entstammte eindeutig dem evangelischen Milieu: sei es dass „die neue Nationalbildung [...] von ihrer Konzeption her durchaus vom Christentum unabhängig, also nichtchristlich, oder sogar antichristlich“178 war, sei es dass der Humanismus des 19. Jahrhunderts und Christentum letztendlich keine entgegengesetzten Größen waren179. Ausgehend von den protestantischen Universitäten Mitteldeutschlands Göttingen, Halle, Jena und Leipzig wurden die Ideen des Neuhumanismus und die damit zusammenhängende Reformen des Gymnasiums auch nach Süddeutschland getragen.180 Während sich das katholisch geprägte Österreich lange gegen jedwede neuhumanistische Tendenz wehrte, sodass

|| 177 Vgl. Landfester 1988: 65–66. 178 Landfester 1988: 64 und 88–89. Die neuhumanistisch konzipierte Bildung sei eine Antwort auf das als Gehorsamsreligion empfundene Christentum gewesen. 179 So van Bommel 2015: 168–203. Einen Mittelweg zwischen Vergötterung auf der einen und völliger Ablehnung der paganen Antike auf der anderen Seite versuchte Karl Friedrich von Nägelsbach (1806–1859) in seinen Artikeln (1838) über „Das Bewußtseyn der protestantischen Kirche über die Nothwendigkeit und Methodik des klassischen Unterrichts“. 180 „Grundlage der Reform der Gymnasiallehrerbildung wurde der an protestantischen mitteldeutschen Universitäten entwickelte Neuhumanismus mit seiner an den alten Sprachen orientierten Bildungstheorie. Philologie und Altertumswissenschaft lösten die Theologie als Grundlage der höheren Lehrerbildung ab. Bald gewannen die Universitäten Göttingen, Halle, Jena und Leipzig auch Einfluß auf Süddeutschland“ (Führ 1985: 422).

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die in Preußen etablierten Praktiken erst nach 1848 angewendet wurden, kam es in Bayern zu Abwehrreaktionen gegenüber den Ideen der protestantischen Reformer: Zwischen den protestantischen ‚Nordlichtern‘ und den katholischen Altbayern kam es in Behörden, Schulen und Hochschulen in dieser Zeit [aus verschiedenen Gründen] wiederholt zu Spannungen […] Auch Drohungen gegen Leib und Leben wurden ausgesprochen. Höhepunkt war schließlich der Mordanschlag auf Thiersch am Faschingsmontag des Jahren 1811. Neuerer 1978: 24

Im Zusammenhang mit der Konfession ist signifikant, dass nicht nur lateinische Lexikographen Protestanten waren, oft einer evangelischen Pfarrersfamilie und noch häufiger dem Lehrerstand angehörten, sondern auch andere Klassische Philologen diese Kriterien erfüllen. Dies gilt insbesondere auch für die Autoren der im 19. Jahrhundert entstandenen Referenzwerke zur lateinischen Grammatik, nämlich Johann Philipp Krebs (1771–1850) mit seinem Antibarbarus der Lateinischen Sprache, Karl Friedrich von Nägelsbach (1806–1859) mit seiner Lateinischen Stilistik, Raphael Kühner (1802–1878) mit seinen Grammatiken zur lateinischen und griechischen Sprache und etwas später Hermann August Menge (1841–1939) mit den Repetitoria zur lateinischen und griechischen Syntax. Hinzu kommen Größen der Altertumswissenschaften protestantischen Bekenntnisses, wie etwa Gottfried Hermann (1772–1848), der Predigersohn Karl Lachmann (1793–1851), Otto Jahn (1813–1869), der Pfarrerssohn Theodor Mommsen (1817–1903) und Ulrich von WilamowitzMoellendorff (1848–1931), beide Schüler von Jahn, Hermann Diels (1818–1922), der Pfarrerssohn Friedrich Nietzsche (1844–1900) und wahrscheinlich auch Conrad Bursian (1830–1883). Nicht wenige der genannten Philologen entstammen, wie gesehen, evangelischen Pfarrershaushalten, aus denen das Bildungsbürgertum des 18. und 19. Jahrhunderts erwachsen ist. Der schleichende Niedergang des lateinischen Sprachgebrauchs, der vielleicht etwas langsamer natürlich auch die Katholiken betraf, und die kulturell prägende Rolle des Deutschen im protestantischen Bereich, etwa als Gottesdienstsprache, zeitigten einen wichtigen Nebeneffekt für die Lexikographie und die Verbesserung deutsch-lateinischer Wörterbücher: Latinisten konnten sich freier von den Ungenauigkeiten eines alltäglichen Umgangs- und Kirchenlateins auf den korrekten Sprachgebrauch konzentrieren. Dieser bestand stets in der stilistischen und – soweit möglich – semantischen Ausrichtung auf die klassischen Autoren, insbesondere Cicero. Von diesem stilistischen Zeitgeist war auch der Lateinunterricht am humanistischen Gymnasium geprägt, wo man deutsch-lateinische Wörterbücher hauptsächlich einsetzte. Ein wirksames Mittel, eine puristische Sprachnorm durchzusetzen, war die Ersetzung älterer, hinsichtlich klassischer Wortwahl oft unzuverlässiger Wörterbücher durch eigene, dem klassischen Latein entsprechende. Wie unten noch erörtert wird, kann man bei diesen tatsächlich eine zunehmende Ausrichtung auf das klassische Latein beobachten, auch wenn sich einzelne Autoren und Lemmata dieser pauschalen

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Beschreibung entziehen. Die auffällige Blüte und Exzellenz deutsch-lateinischer Wörterbücher des beginnenden 19. Jahrhunderts hat ihren ‚Sitz im Leben‘ im gymnasialen Lateinunterricht und ihre Antriebskraft liegt bei den Klassischen Philologen hauptsächlich protestantischer Herkunft. Der katholischen Seite dagegen scheint die Klassizität des Lateinischen bei weitem nicht so sehr auf der Seele gebrannt zu haben. Im katholischen Kosmos gab es noch bis ins 20. Jahrhundert hinein die lateinische Liturgie und die scholastische Sprache der Theologie, die den katholischen Theologen nach wie vor einen lebendigen Zugang zur Antike, Spätantike und zum Mittelalter eröffnete. Das Latein der Scholastik blieb seit dem Mittelalter fast unberührt. Und so konnte Katholiken – pointiert formuliert – ein miserere nobis nicht aus der Ruhe bringen, während der evangelische Pfarrer gleich zur klassizistisch gespitzten Feder gegriffen hätte, um den Dativ zu korrigieren. Die katholischen Lehrer sahen wohl keine Veranlassung und standen auch nicht unter Druck, jede Wendung auf einen klassischen Ausdruck im Lateinischen zurückführen zu müssen. Sehen wir von der klassizistischen Stimme Teipels (1852) ab, waren deswegen neue Wörterbücher auch nicht unbedingt nötig.181 Es steht zu vermuten, dass an katholischen Schulen entweder weiterhin die älteren Wörterbücher (etwa der Paedagogus Latinus des Jesuiten Jakob Bayer, das von 1724 bis 1819 zwölfmal erschien) oder die aktuellen Wörterbücher mit zunehmend klassizistischer Ausrichtung benutzt wurden. So finden sich etwa in der Bibliothek des ehemaligen Jesuitengymnasiums von München, des heutigen Wilhelmsgymnasiums, die üblichen und erfolgreichen Wörterbücher der Zeit aus protestantischer Feder: Die Bearbeitung des Faberschen Thesaurus eruditionis scholasticae durch Gesner (1735), Frischs Teutsch-Lateinisches Wörter-Buch (1741), das Scheller’sche Handlexicon in der Bearbeitung von Lünemann (1822), Wüstemanns zweibändiges Deutsch-Lateinisches Handwörterbuch (1826/27), Krafts zweibändiges DeutschLateinisches Lexikon in der vierten Auflage (1843/44) und Mühlmanns Handwörterbuch der lateinischen Sprache (1854). Diese Liste zeigt, dass die maßgeblichen Wörterbücher von den Jesuiten verwendet wurden, es sei denn spätere Generationen hätten die Werke angeschafft. Hinzu kommen noch aus dem Kolleg der Jesuiten weitere Wörterbücher, die sich nun im Besitz der Bayerischen Staatsbibliothek befinden. Dies lassen handschriftliche Vermerke auf Titelblättern mehrerer von der Staatsbibliothek digitalisierten Wörterbücher vermuten: So findet sich beim Dictionarium Germanico-Latinum des Jesuiten Paul Aler (Köln 1727) die Eintragung „Collegii Soc. Jesu Monachii 1755“, während auf dem Titelblatt des Novum lexicon universa-

|| 181 Dezidiert abgelehnt worden sei die humanistische Bildung, so Landfester (1988: 90–91) ohne Quellenangabe, durch den ultramontanen Katholizismus, der nach 1848 im schulischen Studium der Antike die Möglichkeit gesehen habe, den sittlichen Verfall zu erkennen und zur christlichen Demut zurückzukehren, da die Erkenntnis der Wahrheit nur durch göttliche Gnade zu erlangen sei.

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le latino-germanicum et germanico-latinum (Basel 11700) von Spieser „Coll.ii Soc.tis Jesu Monachii 1710“ zu lesen ist. Auch das Wörterbuch von Siegmund Jacob Apin (1693–1732) mit dem Titel Grammaticalisches Lexicon (Nürnberg 1727) ist ex libris „Collegii Soc. Jesu Monachii“. Mit dem Befund eines derartigen konfessionellen Ungleichgewichts hinsichtlich der Lexikographen lässt sich zudem ein großer Unterschied zur stark konfessionell geprägten Zeit im 16.–18. Jahrhundert feststellen. In dieser Zeit waren Wörterbücher mit konfessionell geprägtem Wortschatz Teil der Auseinandersetzung zwischen Protestantismus und Gegenreformation. Das überaus erfolgreiche Dictionarium von Petrus Dasypodius (Drucke von 1535–ca. 1630) wurde zwar auch im jesuitischen Lateinunterricht benutzt, doch war man mit dem Fehlen eines guten Pendants katholischer Provenienz unzufrieden.182 Sein Name fiel daher in einigen Ausgaben aus den Bibliotheken von Jesuitenkollegs durch Tilgung der damnatio memoriae zum Opfer. In den dreißiger Jahren des 17. Jahrhunderts wurde dann das Dictionarium schlagartig durch den Dasypodius Catholicus (Drucke von 1633/34–1709), eine Bearbeitung des Dasypodius durch die Kölner Jesuiten, abgelöst. Peter O. Müller zeigt in seinem Aufsatz „Dasypodius Catholicus. Lexikographie und konfessionelle Ideologie im 17. Jahrhundert“: Es handelt sich keinesfalls um eine tiefgreifende Neubearbeitung des Dictionarium, das im Übrigen auch „keine dezidiert reformatorische Prägung zeigt“, sondern lediglich um eine zurückhaltende Überarbeitung mit dem Ziel, „es katholisch zu überformen“.183 Die Änderungen beziehen sich dabei nur auf ein Dutzend neu aufgenommener Lemmata sowie auf etwa 45 artikelinterne Zusätze katholischen Anstrichs. Beispiele für Neulemmata: „abendmahl deß Herren / Cæna Dominica, Sacramentum, Communio, Participatio Corporis & Sanguinis Christi, Sacra Communio, Sacrosancta Synaxis, Mensa Dominica“ oder „Procession / Supplicatio publica cum magna clericorum & civium pompa ducitur ad templum, ad ædem principalem ciuitatis“. Ein artikelinterner Zusatz lautet beispielsweise zu „Krantz“ bzw. zum Sublemma „rosenkrantz“: „die Bruderschafft deß H. rosenkrantz / Confraternitas, Sodalitas sacratissimi Rosarii, quæ apud Catholicos in frequenti & pio usu”.184 Schon dieser Relativsatz zeigt eine gewisse relativierende Sachlichkeit seitens der jesuitischen Bearbeiter, wohl im Wissen, dass der Dasypodius Catholicus auch von Protestanten genutzt werden könnte. Das weniger erfolgreiche deutsch-lateinische Wörterbuch des Jesuiten Wolfgang Schönsleder mit dem Titel Promptuarium Germanicolatinum (Drucke von 1618–1688) berücksichtigt den katholischen Wortschatz deutlich konsequenter. Mit dem Aufkommen des Dasypodius Catholicus wurde die Originalausgabe des Dasypodius

|| 182 S. hierzu Müller 2018. 183 Müller 2018: 249. 184 Allesamt zitiert nach Dasypodius Catholicus, Frankfurt a.M. 1653.

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vollständig ersetzt, es erschienen keine neuen Auflagen des Dictionarium mehr. Die katholische Version wurde mit dem unverfänglichen Titel Dasypodius Redivivus, wenngleich mit wenig Erfolg, auch für nichtkatholische Schulen gedruckt. Als „protestantischer Antipode des Dasypodius Catholicus“185 konnte sich vielmehr der sogenannte Kleine Fries (Novum Dictionariolum puerorum Latinogermanicum, et e diverso Germanicolatinum, seit 1556) etablieren. Während dieser im 16. Jahrhundert gegen das Dictionarium des Dasypodius nicht ankam, überflügelte er nun im 17. und 18. Jahrhundert den Dasypodius Catholicus. Dieser wurde nur bis 1709 gedruckt, während die Geschichte des Kleinen Fries erst mit dem Druck von 1750 ihr Ende fand. Einer Zeit, in der die Bücher von Johannes Fries vom Tridentinum indiziert wurden, folgte jene, in der der Kleine Fries bearbeitet durch den Protestanten Johann Caspar Schweizer (1619–1688) nach dem Ende des Dasypodius Catholicus auch an katholischen Schulen eingesetzt wurde. Im frühen 18. Jahrhundert blühte – wie oben geschildert – die katholische Lexikographie jesuitischer Prägung noch einmal auf; das durch den Jesuiten Jakob Bayer verfasste Wörterbuch mit dem Titel Paedagogus Latinus Germanae juventutis sive Lexicon Germanico-Latinum et Latino-Germanicum (s. Kap. 5.2) übernahm dann – zumindest angesichts der hohen Auflagenzahl zwischen 1724 und 1819 – die Rolle des führenden katholischen Wörterbuchs. Unüblicherweise ist hier der deutschlateinische Teil betont vorangestellt, dieser ist auch umfangreicher als der lateinisch-deutsche Teil und nicht auf klassisches Latein beschränkt. Die Konfessionalisierung spielt bei diesem Wörterbuch aber schon nicht mehr die Rolle, die sie noch zur Zeit der Wörterbücher Dictionarium von Dasypodius, Dasypodius Catholicus und Kleiner Fries innehatte.

4.5 Fazit Noch vor dem Blick in das eigentliche Wörterbuch lassen sich einige Erkenntnisse für die lateinische Wissenschaftsgeschichte gewinnen, die sich aus der Untersuchung der Titel und Vorreden ergeben und sich in eine fruchtbare Beziehung zur Geschichte des Lateinunterrichts und sogar zur Konfessionalität der Lexikographen setzen lassen. Bemerkenswert ist zunächst eine Entwicklung, die die Tatsache des Verlusts des Lateinischen als Gebrauchssprache von einer neuen Seite illustriert: Vorreden werden seit den 1730er-Jahren auf Deutsch geschrieben und Titel sind spätestens mit Bauers (zuerst 1778) und Schellers Wörterbüchern (seit 1784) ebenfalls deutschsprachig. Zuvor dominierte noch das Lateinische. Dem neuen Zeitgeist entspricht es,

|| 185 Müller 2018: 255.

Fazit | 113

dass man lange Titel barocker Art ebenso tilgt wie programmatische Frontispizien. So verschiebt sich die Darstellung der Programmatik vom Titelblatt in die Vorrede. Durch die umfassenden preußischen Schulreformen der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts behielt der Lateinunterricht weiterhin seine dominante Stellung unter den Fächern. Das Lateinschreiben und -reden und deren Didaktik sieht sich im 18. und 19. Jahrhundert aber fortschreitender äußerer, aber auch innerdisziplinarischer Kritik ausgesetzt. Markanter Höhepunkt ist die 1892 erfolgte Tilgung des lateinischen Aufsatzes aus dem preußischen Abitur. Die Apologien der Lexikographen für das Lateinische zeigen ex negativo den gefährdeten Stand des Lateinischen in Schule und Gesellschaft. Im ausgehenden 18. Jahrhundert bekräftigen die Autoren deutsch-lateinischer Wörterbücher teils mit Vehemenz die unbedingte Notwendigkeit des Lateinschreibens. Nicht nur Gelehrte, die mit ihren Kollegen aus aller Welt korrespondieren, sondern auch Verwaltungsbeamte bräuchten es für ihre tägliche Arbeit, so kann Scheller Ende des 18. Jahrhunderts noch argumentieren. Mit der abnehmenden Kraft des Lateinischen in der Gesellschaft wird jedoch immer stärker die Tendenz deutlich, den Zweck des Lateinlernens am Gymnasium in der formalen Bildung zu verankern. Eine wichtige Erkenntnis ist, dass Scheller bereits 1770 – also über ein Jahrzehnt vor dem als Vater der formalen Bildung bezeichneten Friedrich Gedike – diese Argumentationslinie für den Lateinunterricht der Sache nach formuliert hat. Die lateinischen Schreibübungen (und damit implizit auch die dazugehörigen deutsch-lateinischen Wörterbücher) seien unverzichtbar zum inwendigen Verstehen des Geistes der lateinischen Sprache und der Schönheit der lateinischen Werke, so ein weiteres gewichtiges Argument von Kraft Anfang des 19. Jahrhunderts. Bereits früh gibt es aber auch Stimmen, die die Verwendung von Wörterbüchern für die Schulen ablehnen, darunter prominente neuhumanistische Vordenker wie Ernesti oder Gedike. Die Dominanz protestantischer Lexikographen bereits in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts schließlich ist frappierend und wächst sich nach 1750 zu einem großen konfessionellen Ungleichgewicht aus. Über die Gründe können nur Vermutungen angestellt werden. Sicher ist, dass der neuhumanistische Zeitgeist und in ihm auch die moderne Klassische Philologie und die Schulreformen dieser Zeit dem protestantisch geprägten Norden des Deutschen Reiches entsprangen. Dem bildungsbürgerlichen Milieu des protestantischen Pfarrhaushaltes entsprossen zahlreiche Lexikographen. Hinzukam das abrupte Ende des Jesuitenordens 1773, das der Blütephase jesuitischer Lexikographie vor allem des beginnenden 18. Jahrhunderts (etwa Aler 1727, Bayer 1724) ein jähes Ende setzte. Weitere Auflagen und Bearbeitungen waren dennoch weiterhin im Gebrauch. Mit dem schleichenden Abschied vom Lateinischen als akademische Umgangssprache wurde der Weg für Protestanten und kulturell bedingt wohl langsamer auch

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für Katholiken für den klassizistischen Sprachgebrauch in der Lexikographie geebnet. Dass die grundsätzliche Norm des Klassizismus dennoch nicht durchgehalten werden konnte, zeigen die folgenden Kapitel, was pauschale Aussagen über klassizistische Tendenzen erschwert. Im Weiteren bleibt es eine wichtige Fragestellung, ob sich gerade bei den wenigen katholischen Autoren ein deutlicher Unterschied gegenüber den protestantischen Lexikographen abzeichnet.

5 Untersuchung einzelner deutsch-lateinischer Wörterbücher Im Folgenden werden Wesen und Beschaffenheit ausgewählter deutsch-lateinischer Wörterbücher in chronologischer Reihenfolge dargestellt. Dies geschieht durch Untersuchungen der Vorreden und Außentexte, des Wortschatzes und des Kontextes, in dem die Werke entstanden sind. Drei ‚Wörterbuchschulen‘ lassen sich unterscheiden: (1.) Die vom Alltagslatein geprägte Zeit vor 1750, untersucht am Beispiel von Kirsch (1714/1774) und Bayer (11724/41740/121819); (2.) die ‚Leipziger Schule‘ von Bauer (11778/21798) und Scheller (11784/31805 und 11792), die ins 19. Jahrhundert hinüberführt; und schließlich (3.) die ‚vorgeorgesische‘ Zeit mit Wüstemann (1826/1827), Kraft (11820/1821; 41843/1844) und Lünemann (1821), den Lehrern von Karl Ernst Georges, in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die beiden vor 1750 entstandenen Wörterbücher sind hier aufgenommen, weil sie aufgrund ihrer Bekanntheit, Bedeutung und Nützlichkeit oft wieder aufgelegt wurden: Adam Friedrich Kirschs erfolgreiches Werk Cornucopiae sowie der Paedagogus Latinus des Jesuiten Jakob Bayer. Für sich steht das extrem puristische Wörterbuch Bernholds (1757), das Gebrauchslatein gänzlich verwirft. Es folgen die Wörterbücher von Carl Ludwig Bauer und Immanuel Johann Gerhard Scheller, die beide Schüler Johann August Ernestis in Leipzig waren. Von Scheller aus führt über Georg Heinrich Lünemann ein direkter Weg zu Karl Ernst Georges, dem heute allgemein bekanntesten lateinischen Lexikographen. Schon dessen Lehrer Friedrich Karl Kraft und Ernst Friedrich Wüstemann haben exzellente deutsch-lateinische Wörterbücher verfasst, die hier ebenfalls untersucht werden. Nicht zuletzt die wissenschaftliche Konkurrenz dieser Werke hat schließlich den bisherigen Höhepunkt deutsch-lateinischer Lexikographie in Georges hervorgerufen. In unserem Buch steht die lexikographische Vorarbeit im Mittelpunkt der Untersuchungen, während das bis jetzt unübertroffene Werk von Georges, zumal es über den gesetzten Zeitraum von 1750–1850 hinausweist, nur illustrierend herangezogen wird. Beim Vergleich des Wortschatzes der Wörterbücher (Kap. 6) dient Georges 71882 als Vergleichspunkt außerhalb des genannten Zeitraums. Den Schluss bilden in diesem Abschnitt einige kleinere Wörterbücher von geringerer Bedeutung. Sie sind häufig abhängig von den genannten Lexikographen und zeugen so vom Einfluss der großen Wörterbücher. Ausführliche bibliographische Angaben zu den einzelnen Wörterbüchern und ihren Auflagen oder Bearbeitungen finden sich in der Literatur am Ende des Buches.

https://doi.org/10.1515/10.1515_9783110771770-005

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5.1 Füllhorn und Klassiker – Adam Friedrich Kirschs Cornucopiae Von den nachhumanistischen Wörterbüchern bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts ist besonders Adam Friedrich Kirschs Cornucopiae linguae Latinae et Germanicae selectum (zuerst 1714, zahlreiche Bearbeitungen bis Ende des 18. Jahrhunderts) von Interesse. Denn Kirsch (?–1716) nimmt neben dem klassischen Wortschatz auch explizit mittellateinische und neulateinische Wörter auf, die im lateinisch-deutschen Teil mit einem Asteriskus (griechische Fremdwörter) oder mit einem Kreuz (Peregrina, noua inuenta et barbara) gekennzeichnet werden. Vom deutsch-lateinischen Teil wird in Kirschens Vorrede nur andeutungsweise gesprochen, dazu unten mehr. Für die erste Wörterbuchschule in der Zeit vor 1750, die noch stark vom Alltagslatein geprägt ist, ist dieses bekannte Wörterbuch ein hervorragendes Beispiel. Aus lexikographischer Perspektive scheint das Gebrauchslatein zu dieser Zeit nämlich noch unbefangen gebraucht worden zu sein: Ein Lexikon wie Adam Friedrich Kirschs seit 171[4] immer wieder neu aufgelegtes Cornucopiae (‚Füllhorn‘) kannte bei der Auswahl seines Wortschatzes keine klassizistischen Bedenken, sondern nahm alles auf, was dem Benutzer in irgendeiner Lebenslage dienlich sein konnte. Korenjak 2016: 901

Schon in der Vorrede begegnen dem Leser Wendungen wie auctores classici oder impossibile est, die für einen Puristen zumindest zweifelhaft sind. Anfangs der Vorrede wird die Art des Wörterbuchs durch den Autor selbst insofern definiert, als Kirsch (1774: 2r) es als Manuale für die studierende Jugend (studiosae juventuti) bezeichnet; es sei nicht vergleichbar mit den größeren Lexika seiner Vorgänger: Dictionarium hoc non esse Cornu Copiae ratione quantitatis, respectu Perottorum, Calepinorum, Nizoliorum, Fabrorum, Reyherorum, aliorumque jam exstantium ingentis molis voluminum; sed ratione qualitatis, et intuitu Manualium studiosae juuentuti hactenus dicatorum.2

Laut Kirsch müsse das Wörterbuch auch unklassische Wörter berücksichtigen: In hoc enim, Lector amice, deprehendes vocabula tam noua, obsoleta, quam puriori latiniatis seculo vsitata, Dictionariolorum numerum excedentia.3 Dem Autor ist klar, dass der Schüler seiner Zeit auch neue und in der Antike noch unbekannte Begriffe auf Latein ausdrücken können muss. Es sei ein Versäum|| 1 Dort 1713 als Erscheinungsjahr, wohl nach Kirschens Vorrede, die aus diesem Jahr datiert. 2 Hier zitiert nach Kirsch 1774. Mit ergänzender und korrigierender Hand wurde hier – wie überhaupt – in die ursprüngliche Fassung eingegriffen, vgl. die abweichende Version von Kirsch 1714: Dictionarium hoc non esse Cornu Copiae respectu Perottorum, Calepinorum, Nizoliorum, Fabrorum, Reyherianorum, aliorumque jam exstantium voluminum, sed Manualium studiosae juuentuti tenus hac dicatorum. 3 Kirsch 1774: 2r.

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nis, dass die Wörterbücher diese Begriffe noch nicht aufgegriffen haben, so Kirsch (1774: 2v) weiter: Permultarum enim rerum nomina, et loquendi formulae, Latinis pariter ac Graecis ignotae, nostris tamen temporibus Germanis et Gallis, aliisque nationibus vsitatae, omnibus ferme in Lexicis, siue Dictionariis manualibus frustra quaeruntur, quae tamen in lucem proferendae sunt, et juuentuti scholasticae, aut vetustatis imitatione, aut verborum noua compositione, aut vocabulis nouis, vel fictis, vel quasi natiuis, aut permutatione, a graecis atque latinis vocabulis translatis, suppeditandae.

Nur die Jesuitenpatres Michael Pexenfelder (1613–1685) und François-Antoine Pomey (1618–1673) sowie Johann Amos Comenius (1592–1670) hätten sich darum gekümmert. Pomeys Wörterbuch Le Dictionnaire Royal des langues françoise et latine erschien zuerst 1664 in Lyon und wurde später als Le Grand Dictionnaire Royal (Frankfurt am Main 1681) auch um die deutsche Sprache ergänzt. Die Werke von Comenius und Pexenfelder seien, so Kirsch, von manchen als weniger nützlich empfunden worden, da nicht als Wörterbücher konzipiert.4 Der bayerische Jesuit Michael Pexenfelder widmete sein lateinisches Lehrbuch Apparatus Eruditionis tam rerum quam verborum per omnes artes et scientias dem Kurfürsten Maximilian Emanuel von Bayern (1662–1726, Kurfürst seit 1679). Zuerst 1670 in Nürnberg publiziert, ist das Werk eine Enzyklopädie, ein Durchgang durch die belebte und unbelebte Welt in Dialogform nach dem Vorbild des Comenius, von dessen teilweise häretischen Ansichten und teils unreinem Latein der Jesuit sich freilich in der Vorrede absetzt, ohne dessen didaktisches Verdienst zu verneinen oder in einen extremen Purismus zu verfallen.5 Der Apparatus Eruditionis wurde vor allem an Jesuitenschulen stark genutzt und erlebte zahlreiche, im Haupttext kaum veränderte Auflagen bis zur letzten im Jahr 1798.6 In lexikographischer Hinsicht interessant sind die dem Werk beigefügten Indices: ein lateinisch-deutsches Wörterverzeichnis von 140 Seiten mit etwa 2500 Vokabeln, „von denen die meisten in der Frühen Neuzeit eine neue, oftmals fachsprachliche Verwendung erfuhren oder überhaupt neu gebildet worden waren“.7 Zudem finden sich seit der Auflage von 1680 zwei weitere Indices, nämlich einer der frühneuzeitlichen Rechtssprache und ein deutsch-lateinisches Wörterverzeichnis (Qui postremus Index locupletissimus copiosi & novis Vocabulis tàm Latinis quàm Germanicis instructissimi Lexici instar esse possit), „das sich auf Ausdrücke der zeitgenössischen Fachprosa bzw. der fach- und sachbezogenen Alltagssprache be-

|| 4 Vgl. Kirsch 1774: 2v. 5 Vgl. die Einführung in CAMENA [unter: ; letzter Zugriff: 21.4.2022]. 6 Vgl. ebd.; Auflagen: 1670, 1680, 1687, 1704, 1744 und 1798. 7 Ebd.

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schränkt“.8 Dieser letztere scheint, zumindest nach stichprobenartigem Vergleich zwischen Kirsch 1714 und Pexenfelder 1704, allerdings von Kirsch kaum oder gar nicht für sein Wörterbuch berücksichtigt worden zu sein. Quelle für das Mittellateinische ist nach Angaben von Kirsch das einschlägige Glossarium ad scriptores mediae et infimae Latinitatis (zuerst 1678) von Du Cange. Die Aufnahme nach-antiker Wörter macht Kirschens weit verbreitetes Wörterbuch als Nachschlagewerk zu einem wichtigen und wertvollen Zeugen der Latinität und Gelehrsamkeit des ausgehenden 17. und des 18. Jahrhunderts. Sprichwörter schließt der Verfasser mit Verweis auf Spezialbücher bewusst aus.9 Der Begriff Füllhorn im Titel fungierte – auch in seiner griechischen Form Amalthea – als Titel auch anderer Enzyklopädien und Wörterbücher.10 Er entstammt ursprünglich den Gedichten des Horaz (carm. saec. 60; epist. 1,12,29). Der genaue Titel des 1714 erschienen Wörterbuchs von Kirsch lautet, hier (Tab. 4) im Vergleich zum Titel der seit 1718 erschienen Ausgaben: Tab. 4: Vergleich der Titel von Kirsch 1714 und Kirsch 1718/1774 Titel bei Kirsch 1714

Titel seit 1718, nach dem Tod von Kirsch im Jahre 1716 [mit Änderungen von 1774]

Abundans Cornucopiae linguae Latinae et Germanicae selectum, in quo Ordine Alphabetico Vocabula Latina pariter ac Graeca, Latinitati donata, itemque Noua, recentiori aeuo usuque recepta, nec non Phraseologiae elegantiores & Constructiones verborum, Similiter Deorum, Dearum, Idolorum, Gentium, Regnorum, Regionum, Urbium, Marium, Fluviorum, Insularum, Montium, Animalium, Arborum, Herbarum & Florum Nomina &c. simul ac Theologorum, Jure Consultorum, Medicorum, Philosophorum, Artium liberalium aliarumque Scientiarum

Adami Friderici Kirschii Abundantissimum Cornucopiae Linguae Latinae et Germanicae selectum, in [in fehlt in Kirsch 1774] quo continentur Vocabula Latina omnis aeui, antiqui, medii, ac noui, pariter ac Graeca, Latinitati donata, nec non Phraseologiae [formulae dicendi, Kirsch 1774] elegantiores & Constructiones Verborum, Similiter [praeterea, Kirsch 1774] Deorum, Dearum, Gentium, Regnorum, Regionum, Urbium, Marium, Fluuiorum, Insularum, Montium, Animalium, Arborum, Herbarum, Florum, & Mineralium Nomina, Uti etiam [nec non, Kirsch 1774] Theologo-

|| 8 Ebd. 9 S. Kirsch 1774, 4r. 10 Zum Beispiel die deutsch-lateinische Amalthea Germanica et Latina des Jesuiten Franz Xaver Kropf, Dillingen 1735. Zur antiken geschichtlichen bzw. mythologischen Bedeutung des Begriffs nimmt Kirsch 1774: 3v Stellung. Der Titel Cornucopiae spielt vielleicht auch auf ein frühhumanistisches Wörterbuch von Niccolò Perotti (1429–1480), Erzbischof von Siponto und Sekretär von Kardinal Bessarion, zugleich „Grundlagenwerk“ für das Wörterbuch von Calepinus an (so zumindest Niedermayr 2017: 69; Kettler 2008: 851). Dieses weit verbreitete Werk mit dem Titel Cornu Copiae seu linguae Latinae commentarii (zuerst postum 1489 in Venedig erschienen) war ursprünglich als enzyklopädischer Kommentar zu Martials Epigrammen konzipiert, konnte aber auch als allgemeines Lateinwörterbuch genutzt werden.

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Titel bei Kirsch 1714

Titel seit 1718, nach dem Tod von Kirsch im Jahre 1716 [mit Änderungen von 1774]

Theoreticarum & Practicarum, uti etiam Rei Militaris & Monetariae, qui hinc inde apud melioris notae Auctores leguntur Termini technici, Significationes & Explicationes, Syllabarum quantitatibus ubique supra impressis continentur. […]

rum, Jure Consultorum, Medicorum, Philosophorum, Philologorum, Poetarum, ac Mythicorum, Artium liberalium, aliarumque Scientiarum Theoreticarum & Practicarum, rei quoque Militaris ac Monetariae termini technici, Significationes & Explicationes, Syllabarum quantitatibus ubique supra impressis […] [Artibus liberalibus, aliisque disciplinis, Rei quoque Militari ac Monetariae verba propria, eorumque Significationes et Explicationes, Syllabarum longitudine vel breuitate signis expressa, Kirsch 1774]

Abb. 8: Titelblatt aus Adam Friedrich Kirschs Abundans Cornucopiae linguae Latinae et Germanicae selectum, Nürnberg 1714. Digitalisat der Bayerischen Staatsbibliothek München, Hbh/Ar 40, urn:nbn:de:bvb:12-bsb10799209-1.

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Offensichtlich ist, dass Kirsch hier tatsächlich ein Füllhorn anpreisen und als Adressaten neben den Geisteswissenschaftlern auch die Praktiker, Ärzte und Mediziner, ansprechen möchte – sogar militärische und ökonomische Begrifflichkeiten sind dem Titelblatt zufolge aufgenommen. Zudem wird klar, dass der Inhalt nicht nur den akademischen, sondern auch den alltäglichen und geschäftlichen Bereich umfassen soll. Dem Absatz des Wörterbuches hat diese in jeglicher Hinsicht umfassende (abundans, abundantissimum) Ausrichtung nicht geschadet: Es erlebte zahlreiche Auflagen und Bearbeitungen, sodass es als eines der erfolgreichsten lateinischen Schulwörterbücher des 18. Jahrhunderts gelten kann.11 Auch das Frontispiz (1714) scheint das schon im Titelblatt Ausgedrückte zu versinnbildlichen: In der Mitte sind zwei muskulöse und nur mit Lendenschurz bekleidete Schwarze zu sehen. Der eine hält am Meeresstrand sitzend eine geöffnete Muschel in der Hand, die eine Perle enthält. Um Fuß- und Handgelenke trägt er je eine Perlenkette. Mit der zweiten Hand, mit der er sich auf dem Boden abstützt, umfasst er einen spitzen Pfeil, der vom Bildinneren weg (Richtung Titelblatt auf Höhe des Autorennamens?) weist. Schaut diese erste Person dem Betrachter entgegen, so ist die zweite Person aufrecht und halb abgewandt dargestellt, wie sie sich gerade mit erhobenen Händen an der im Mittelpunkt des Bildes befindlichen Palme zu schaffen macht, wohl um Früchte zu ernten. Rechts von beiden ist eine Weinranke, links eine Gruppe von Personen zu sehen, die aufgrund ihrer Stellung vermutlich Perlentaucher darstellen. Sie befinden sich teils im Wasser, teils in einem Segelboot. Dieses erscheint primitiv im Vergleich zu dem Schiff, das zusammen mit einem anderen Boot im Hintergrund zu sehen ist. Es gehört wohl fremden Händlern, die an den natürlichen Reichtümern der Eingeborenen interessiert sind. Diese tauschen wohl ihre Perlen für andere Güter ein, ohne etwas von ihrem wahren Wert zu ahnen. Ein Hinweis an den Leser: „Sei dir des Wertes bewusst, den dies Lexicon zu bieten hat!“ Noch weiter dahinter lässt sich eine Landschaft mit Stadt ausmachen. Noch eine dritte Figur ist mit dem Muschelmotiv verbunden: Ein über der Szenerie schwebender Putto, der das titelgebende Füllhorn in der Hand hält, freilich so, dass es mit dem geöffneten Ende nach unten zeigt, sodass die darin enthaltenen Muscheln (und Edelsteine?) über dem Meer und Strand herabfallen. Dort liegen, links neben dem Fuß des Schwarzen, bereits einige mitsamt ihrer Perle, und der Schwarze scheint, wie geschildert, bereits eine von ihnen ergriffen zu haben.

|| 11 Die einzelnen Auflagen sind aufgezählt in Wolfs Internetbibliographie ; letzter Zugriff: 21.4.2022].

[unter:

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Abb. 9: Frontispiz aus Adam Friedrich Kirschs Abundans Cornucopiae linguae Latinae et Germanicae selectum, Nürnberg 1714. Digitalisat der Bayerischen Staatsbibliothek München, Hbh/Ar 40, urn:nbn:de:bvb:12-bsb10799209-1.

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Abb. 10: Frontispiz aus Adam Friedrich Kirschs Abundantissimum Cornu Copiae linguae Latinae et Germanicae selectum, Leipzig 1774. Digitalisat von CAMENA Mannheim [Unter: ; letzter Zugriff: 21.4.2022].

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Dies alles soll wohl vor allem die Fülle der Dinge versinnbildlichen, die das Wörterbuch über dem Benutzer ausgießt. Die Hauptpersonen des Bildes verstärken den Eindruck, dass es sich bei dem zu Erlernenden um Kostbarkeiten handeln muss, die von Natur aus gegeben und damit unbezahlbar sind und die es ob ihres unglaublichen Reichtums zu entdecken gilt. Diese verborgenen Schätze hat die lateinische Sprache den Benutzern des Cornucopiae zu bieten. Es ruft ihnen gewissermaßen zu: „Sucht nicht mühsam, hier habt ihr alles in Fülle!“ Die kleinen Änderungen des Titelblatts von 1774 zeigen im Vergleich zu Kirschs eigenem Titel von 1714, wie sehr sich der stilistische Zeitgeist in Leipzig bemühte, unklassische Wörter zu tilgen (Syllabarum longitudine vel breuitate statt Syllabarum quantitatibus und formulae dicendi statt Phraseologiae). Dies zeigt sich auch innerhalb des Wörterbuchs schon bei stichprobenartigem Vergleich der Lemmata: 1774 lautet etwa die Übersetzung für Atheisterey: atheismus, impietas, quae Deum tollit; opinio eorum, qui Deum negant.12 Zwar wird der moderne Begriff atheismus zugelassen, das nur christlich belegte Wort irreligiositas13 aber gestrichen – das einzige Interpretament in Kirsch 1714: „atheisterey/Atheismus. Irreligiositas”14. Ähnlich die Wandlung des Artikels „Menschwerdung“: 1714 heißt es noch einfach „Menschwerdung, incarnatio“15, 1774 hingegen mit klassizistischer Vorsicht „Menschwerdung, incarnatio. Theol. humanae naturae assumtio“16. Bemerkenswert auch die Veränderung, die im neuen Frontispiz von 1774 (s.o.) zum Ausdruck kommt: Es trägt nun die Züge zeitgeistbedingten Klassizismus. Barocke Fülle ist klassischer Schlichtheit gewichen. An einem einfach verzierten römischen Mauerwerk ist in der Mitte ein Medaillon mit dem Profilbild und Namen des M. T. Cicero angebracht. Darunter ist eine verschwommene Inschrift, kaum zu entziffern und noch dazu teils spiegelverkehrt zu lesen. Dort steht: M. T. CICER [?] || IS OPERA [?] || HIC CORRECTUM [?] || VA... [?]. Im unteren Bereich sind drei Personen abgebildet: Ein Knabe macht sich an einer Bücherbox mit Schriftrollen – vermutlich also mit Werken Ciceros – zu schaffen, während ein anderer Knabe sich anschickt, eine geöffnete Schriftrolle auf die Knie eines in Gedanken oder in der Lektüre versunkenen römisch gekleideten Gelehrten zu legen oder eher von dort wegzunehmen und dann in seine geöffnete Tasche zu versenken. Beide schauen auf den Text, der andere Knabe richtet sein Blick auf die Schriftrollen in der geöffneten Bücherbox oder auf eine Rolle, die außerhalb auf dem Boden liegt. Der barocke Begriff der Fülle von 1714 ist verschwunden. Er weicht der klassizistischen Bildlichkeit und einer verengten Symbolik der ciceronianischen

|| 12 Kirsch 1774: 80. 13 Vgl. ThLL 7,2,395. 14 Kirsch 1714: 30. 15 Kirsch 1714: 226. 16 Kirsch 1774: 553.

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Klassik, es sei denn man möchte die Bücherbox als ein literarisches Füllhorn deuten. Blickt man in den deutsch-lateinischen Teil von Kirschens Wörterbuch (hier in der Fassung von Leipzig 1774), so hält sich im Vergleich zu den vielen unklassischen Wörtern im lateinisch-deutschen Teil der Anteil der modernen deutschen Lemmata in Grenzen. Die meisten sind so allgemein, dass sie den antiken römischen Horizont nicht überschreiten. Überhaupt ist dieser deutsch-lateinische Teil mit nur 944 Spalten wesentlich kürzer als der lateinisch-deutsche mit 3028 Spalten. Beispiele für Artikel mit teils nachantiken oder modernen Vorstellungen sind: „A b c Schützerey, primorum elementorum tirocinium, imperitia“ (4), „Admiral, praefectus classis, thalassiarchus“ (38), „Algebre, Art der Arithmetique, algebra, numerorum scientia, quam algebram vocant“ (41), „Armbrust, catapulta, arcubalista, arcus“ (78), „Baß, v o x i m a , sonus grauissimus; er singet einen guten Baß, vocem infimam et pressam egregie modulatur“ (130), „Brille, conspicillum“ und „Brillenmacher, specularius, ocularius faber“ (188), „Bügeleisen der Schneider, instrumentum ferreum, quo vtuntur sartores ad pannum laeuigandum“ (192), „Canone, tormentum militare“, „Canoniren, fulminare machinis aeneis, maioribus tormentis se mutuo petere, tonare grandioribus ballistis; Canonenschuß, iactus grandioris tormenti“, „Canonierer, vibrator tormentarius, glandium ferrearum vibrator” (196), „Chorrock, amiculum linteum sacerdotale“ (199), „Componist, asmatographus, qui canticorum describit modos“ (201), „Director eines Balls, oder Music, mesochorus, choryphaeus“ (217), „Einschiessen, z. E. eine Mauer, tormentis explodendis deiicere murum“ (250), „Fagott, instrumentum musicum infimi soni“ (292), „Feldmarschall, tribunus militum cum consulari potestate, imperator militaris, (polemarchus.)“ (302), „Hautbois, lituus Gallicus“ (432), „Oper, Opera, fabula, quae musicis modis decantatur et machinis decoratur; opera theatralis, drama musicum“ (592), „Vergrößerungsglas, microscopium“ (770).

Belege fehlen – im Gegensatz zum lateinisch-deutschen Teil – ganz. Kirsch selbst übergeht den deutsch-lateinischen Teil in seiner Vorrede (datiert 1713) mit dem Hinweis auf die Evidenz des dort Dargebotenen: De Germanico-Latino Dictionario […] multa proferre superuacaneum esse duco, dum vnicuique Lecturienti per se clara esse auctumo. Zu Kirschs Leben ist nur sehr wenig bekannt:17 Er war Sohn eines Weimarer Hofkürschners und privatisierte in Nürnberg als Hauslehrer. Aufgrund seiner schwachen Konstitution konnte er keine öffentliche Tätigkeit ausüben und diente als Korrektor in Druckereien. Neben dem Cornucopiae bearbeitete er ein italienisches Wörterbuch und soll auch ein botanisches Lexikon ins Lateinische übersetzt haben, was sich aber nicht verifizieren lässt. Cornucopiae wurde bis zum Ende des 18. Jahrhunderts kontinuierlich neu aufgelegt und bearbeitet.18 Noch Ende des 18. Jahrhunderts erschienen zwei gesonderte

|| 17 S. Will 1805; Rotermund 1810. 18 S. Wolf, Internetbibliographie [unter: ; letzter Zugriff: 21.4.2022].

Füllhorn und Klassiker – Adam Friedrich Kirschs Cornucopiae | 125

Bearbeitungen durch immerhin nicht unbedeutende Philologen mit jeweils etwa verdoppelter Spaltenzahl und mit nun abweichenden Titeln: Thesaurus linguae latinae usibus germanorum, Duabus Partibus Latino-Germanica Et Germanico-Latina (Leipzig 1774) laut Wolf 1778 bearbeitet von Conrad Gottlob Anton (1745–1814), Professor für Orientalistik und Klassische Philologie in Wittenberg, und das Lexicon Latinum et Theodiscum, ad formam Kirschiani cornucopiae paratum (Leipzig 1790) von Friedrich Gottlob Born (1743–1807), dem Übersetzer der Kantianischen Werke ins Lateinische (Immanuelis Kantii Opera ad philosophiam criticam, in vier Bänden, Leipzig 1796–1798). Es liegt nahe zu vermuten, dass dieses Wörterbuch als Frucht der Übersetzungsarbeiten entstanden ist. Noch ungeklärt ist, ob die Bearbeitung mit dem Titel Thesaurus linguae latinae usibus germanorum mit einer Ausgabe des Cornucopiae zu identifizieren ist, die ebenfalls 1774 – allerdings mit dem alten Titel – in Leipzig erschienen ist (= Kirsch 1774), oder warum es voneinander abweichende Titel gibt.19 Auch Carl Ludwig Bauer (s.u.) hat nach Angaben seines Biographen für sein Wörterbuch zunächst Kirsch als Grundlage genommen. Als er später dessen Mängel feststellte, sei er von dieser Vorlage abgewichen und habe schließlich sein gänzlich eigenes Wörterbuch verfasst.20 Eine anderswo gelegentlich schon zitierte Anekdote zeigt, dass der Name Kirsch lange Zeit als Inbegriff eines lateinischen Wörterbuchs galt, wie später auch Scheller oder Georges. Der katholische Geistliche Heinrich Hansjakob (1837–1916), studierter Altphilologe und badischer Heimatschriftsteller, beschreibt in seiner Selbstbiographie, wie er aus dem Nachlass des unter anderem auch aufgrund einer Alterstaubheit als Beichtvater allseits beliebt gewesenen Kapuzinerpaters Leopold einen Kirsch ersteigern konnte: In der ersten Zeit meiner Studien gelangte ich zu einer mir hochwichtigen Erwerbung. […] Der Pater starb 1851 zum großen Leidwesen aller seiner Beichtkinder und ward begraben. Bald nach seinem Tode wurden seine Bücher und Mobilien versteigert. Ich wohnte der Versteigerung bei aus einer besonderen Liebhaberei zu dieser Prozedur. Eine solche hat für Kinder und Knaben gar viel Anziehendes, weil ein reicher Wechsel an Dingen und allerlei Szenen unter den Menschen bei derselben sich abspielen. Es wurde auch ein dickes, altes lateinisches Wörterbuch ausgerufen. Der Schuhmacher Räpple, welcher nebenbei mit Speck und Viktualien im kleinen handelte, bot einen Groschen darauf. Kreuzerweise steigerten er und ich uns nun hinauf, bis der „Bergfidele“ dem Schuhmacher Halt gebot mit den Worten: „Loß des Buach dem Beckephilipple, er brucht's zuam Schtudiere!“ Ich höre heute noch den Räpple mit seiner langsamen Zunge antworten: „Noa isch's ebbis anders, jez soll er's ha, i hätt' nu Späck dri g'wickelt.“ Alsbald ward mir das Buch um 13 Kreuzer

|| 19 Diese Ausgabe ist digital aufbereitet bei CAMENA Mannheim [unter: ; letzter Zugriff: 21.4.2022]. 20 Vgl. Hensel 1802: 24–25.

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zugeschlagen. Es war „Adami Kirschii cornu copiae linguae romanae“, mein erstes und bis heute mein einziges lateinisches Lexikon. Ich hatte eine gewaltige Freude an dem „alten Schunken“ und vergaß es dem Bergfidele nie, daß er zu meinen Gunsten beim Speckhändler Räpple interveniert hatte. Jetzt besaß ich drei lateinische Bücher, mir ein dreifaches Unterpfand für glückliches Studium. Gar oft aber brauche ich noch den Adam Kirsch in meinen alten Tagen und erinnere mich fast bei jedem Gebrauch an die Versteigerung der Hinterlassenschaft des Paters Leopold. Gefunden in Wolfs Internetbibliographie, hier zitiert nach: Hansjakob 1920: 30–33.

Heute ist ‚der Kirsch‘ dank der guten digitalen Aufbereitung bei CAMENA (Uni Mannheim) eines der wichtigsten Nachschlagewerke für neulateinische Philologen.

5.2 Hohe jesuitische Lexikographie – Der Paedagogus Latinus von Jakob Bayer Nec enim Christianus barbarè loqui censendus est, dum dicit: Salvator Mundi. Passio CHRISTI &c.; licet Voces: Salvator. Passio &c. minùs Latinæ sint. Jakob Bayer S.J. 1724

Aus jesuitischer Feder erschienen Anfang des 18. Jahrhunderts eine Reihe lexikographischer Werke, die entweder als Ganzes ein deutsch-lateinisches Wörterbuch sind oder zumindest einen deutsch-lateinischen Teil enthalten. Dazu zählt auch das Universae Phraseologiae Germano-Latinae Corpus von Franz Wagner (Augsburg 1718), das am Ende einen deutsch-neulateinischen Index mit zahlreichen modernen Begriffen enthält. Wie wichtig dieses Wörterbuch für den Alltagsgebrauch damals war, zeigen nicht nur die zahlreichen Bearbeitungen des Werks,21 sondern auch die Tatsache, dass kein geringerer als der ehemalige Augsburger Jesuitenschüler Leopold Mozart (1719–1787) in einem Brief an den Augsburger Freund und Verleger Johann Jakob Lotter sein Interesse am Kauf der Phraseologia Germanico-Latina in der Fassung von 1751 bekundet.22 Sicherlich war er diesem oder einem ähnlichen deutsch-lateinischen Wörterbuch in seiner Schulzeit an St. Salvator in Augsburg begegnet. Weitere wichtige jesuitische Wörterbücher vor und während dieser Zeit waren das bereits in Kap. 4.4 erwähnte Wörterbuch von Schönsleder (Drucke von 1618– 1688), der von Jesuiten bearbeitete Dasypodius Catholicus (Drucke von 1633/34– || 21 Anonymus S.J.: Phraseologia Germanico-Latina. Mainz/Frankfurt am Main 1751; P. Goldhagen S.J.: Phraseologia germanico-latina [...] et cum indice verborum in foro sacro, civili et militari. Mainz 1751; Martin Span, Augsburg 1801 und Wien 1824; Adjecta Phraseologia hungarico-slavonica, Tyrnaviae 1775 (bearbeitet von Ignaz Seibt, Prag 1847); vgl. „13. Wagner, Franz“. In: BLKÖ 52: 94–96. 22 Leopold 2019: 105.

Hohe jesuitische Lexikographie – Der Paedagogus Latinus von Jakob Bayer | 127

1709), der Apparatus Eruditionis (Auflagen von 1670 bis 1798) des bayerischen Jesuiten Michael Pexenfelder (s. Kap. 5.1), weiters die (in Kap. 4.1 und 4.4) bereits genannten Wörterbücher von Aler (1727) und Kropf (1735) sowie die Bearbeitung des in allen jesuitischen Schulen verwendeten Grammtiklehrbuchs von Manuel Álvares S.J., De institutione grammatica (1572) durch einen unbekannten Jesuiten (in sechs Auflagen zwischen 1751 und 1770)23. Als Anhang an diese Anweisung zur Lateinischen Sprach, die eine Art Kompendium zu Álvares darstellt, findet sich ein deutschlateinischer phraseologischer Teil und ein deutsch-lateinisch-griechisches Wörterverzeichnis (insgesamt über 80 Seiten). In diese Blütephase jesuitischer Lexikographie reiht sich auch der Paedagogus Latinus von Jakob Bayer mit zwölf Auflagen von 1724 bis 1819 ein. Da die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts nicht unmittelbarer Bestandteil dieser Dissertation ist, sei hier exemplarisch nur der Paedagogus Latinus von Jakob Bayer vorgestellt. Nach Kirsch 1714 ist er das zweite Beispiel für die Wörterbuchschule der Zeit vor 1750 und ragt noch ins 19. Jahrhundert hinein. Von einem katholischen Ordensmann verfasst, kann es als wertvolle Ergänzung und als Kontrast zur protestantisch geprägten deutsch-lateinischen Lexikographie um 1800 dienen. Mit diesem Werk „schuf B[ayer] eine wesentliche Grundlage für den Lateinunterricht im kath[olischen] Deutschland“.24

5.2.1 Bayer als Paedagogus Latinus et Graecus Germanae iuventutis Neben seinem Paedagogus Latinus war es das griechische Pendant mit dem Titel Paedagogus graecus latinae juventutis sive Lexicon latino-graecum novissimum, locupletissimum, expeditissimum von 1709, das den Namen Bayers für die Nachwelt bekannt gemacht hat.25 Diese beiden Wörterbücher und ihre langjährigen Verwendung im katholischen Bereich machten ihn „im eigentlichen Sinne“ zum „Erzieher für Erlernung der lateinischen Sprache im katholischen Deutschland“.26 Jakob Bayer (1670/1673–1750)27 war als Seelsorger und Schulmann ein verdientes Mitglied des Jesuitenordens, in dem er insgesamt 61 Jahre, davon 48 Jahre als Priester verbracht hat. Nach Eintritt in den Orden, Studium, Lehre und seelsorglichen Tätigkeiten in

|| 23 Vgl. Korenjak 2016: 129. 24 Körner 2005: 121. 25 Später erhielt das lateinisch-griechische Wörterbuch auch einen umgekehrten Teil. So lautet der Titel der Ausgabe von 1762: Paedagogus Graecus Latinae Juventutis sive Lexicon Latino-Graecum et Graeco-Latinum, utriusque linguae vocabula, idiotismos, dialectos, phrases, syntaxin, aliasque elegantias exhibens, cum duplici Onomastico Nominum Propriorum et Compendio Graecae Grammaticae nova ac perutili methodo digestum, et ad Graecas tironum exercitationes studiose accomodatum […]. 26 Ruland 1875: 188. 27 Die Jahreszahlen sind nach Körner (2005: 121) 1670–1750, bei Ruland (1875) jedoch 1673–1750.

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Fulda, Mainz, Würzburg und Heidelberg war er Rektor der Jesuitenkollegien in Ettlingen, Mainz, Bamberg und Würzburg. Gewissermaßen als ‚Folie‘ für die Wörterbücher neuhumanistischer Zeit ist Bayers Paedagogus insbesondere deshalb von Interesse, weil es sich über fast 100 Jahre auf dem großen Markt der deutsch-lateinischen Wörterbücher halten konnte: Durch die zahlreichen Bearbeitungen und Auflagen reicht seine Wirkungsgeschichte bis zu Scheller, Kraft und den anderen Lexikographen des frühen 19. Jahrhunderts. Präzise erschien das Wörterbuch in zwölf Auflagen zwischen 1724 und 1819; es sollte nach dem Willen eines Verlegers noch 1840 von Eduard Mühlmann neu bearbeitet werden, der dann aber anders als vorgesehen ein eigenes Schulwörterbuch, sein Handwörterbuch der Lateinischen Sprache (1845), erstellte.28 Verfolgt man die Druckgeschichte der bis dahin verwendeten deutsch-lateinischen Wörterbücher, zeigt sich, wie der Paedagogus Latinus den bis 1709 gedruckten Dasypodius Catholicus und schließlich auch den Kleinen Fries ablöste, der noch bis 1750 gedruckt wurde und auch an katholischen Schulen zum Einsatz kam.29 Offensichtlich diente der Paedagogus als weit verbreitetes Hilfsmittel hauptsächlich für die katholische Lateinschülerschaft im 18. Jahrhundert und für die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts. Aus einer Randbemerkung im Allgemeinen Litterarischen Anzeiger von 1800 erfahren wir, welche Stellung das Wörterbuch in dessen Stammgebiet um Mainz innehatte: Joseph Uihlein, Lehrer der Domschule zu Mainz, äußert in dem knappen Beitrag den „Wunsch“ (so lautet auch der Titel des Artikels), dass das Bayersche Wörterbuch dringend neu aufgelegt werden sollte, da es „für die Gegenden des Mains und MittelRheins ein Bedürfnis der Schulen ist“.30 Dabei solle man darauf achten, dass der deutsch-lateinische Teil verbessert werde und der neue Verleger den alten Preis von 2 Fl. 30 Kr. berücksichtigen müsse. Uihlein fügt hinzu, dass das Scheller’sche Handlexicon (s.u.) bisher nur deshalb nicht eingeführt worden sei, weil die Angabe von Genitiv und Genus bei den Substantiva und der Stammformen bei den Verba fehlten. Nur wenige Jahre später erfüllte der Würzburger Lehrer Carl Philipp Mayer den Wunsch Uihleins und legte 1805 die elfte Auflage des Paedagogus vor. Dies blieb Joseph Uihlein allerdings offenbar verborgen: 1811 brachte er nämlich sein eigenes Wörterbuch mit dem Titel Deutsch-Lateinisches und Lateinisch-Deutsches Wörterbuch (s.u.) heraus und bemängelt in dessen Vorrede – wie schon in seinem Artikel von 1800 – das Fehlen eines Schulwörterbuchs mit den grammatikalischen Angaben bei Substantiven und Verben; er selbst möchte diesem Problem durch sein Wörterbuch Abhilfe verschaffen.

|| 28 Vgl. Wolf, Internetbibliographie. 29 S. Müller 2018. 30 ALA Nr. 181 (17. Nov. 1800): Sp. 1783–1784.

Hohe jesuitische Lexikographie – Der Paedagogus Latinus von Jakob Bayer | 129

5.2.2 Aufbau, Frontispiz und Titelblatt Unüblicherweise ist beim Paedagogus Latinus der deutsch-lateinische Teil betont vorangestellt: Dieser ist auch umfangreicher als der lateinisch-deutsche Teil – in der ersten Auflage stehen 780 Seiten nur 440 gegenüber – und nicht auf klassisches Latein beschränkt, wie die Vorrede Bayers (s.u.) hervorhebt. Der Grund für die vorrangige Behandlung des deutsch-lateinischen Teils wird dort nicht explizit erläutert; man kann aber davon ausgehen, dass darin ausgedrückt ist, dass es sich um ein Wörterbuch in erster Linie für die aktive Übung im Lateinischen handelt. Sämtliche Außentexte des Wörterbuchs – also Titel, Vorrede und sämtliche andere Texte außerhalb des eigentlichen Wortschatzteils – sind in den ersten Auflagen (zumindest bis 1753) wenig überraschend noch ganz auf Latein gehalten.31 Erst in späteren Auflagen erhält die deutsche Sprache mehr Raum: Bereits die neunte Auflage von 1777 ist mit einem zusätzlichen deutschen Titel versehen, die zehnte Auflage von 1786 enthält darüber hinaus nur noch eine freie deutsche Übertragung der ursprünglich lateinischen Vorrede von Bayer. 1805 wird die Vorrede Bayers durch die von Carl Philipp Mayer, des Bearbeiters der beiden letzten Auflagen, abgelöst. Auf die Vorrede folgen in der ersten Auflage von 1724 ein Abkürzungsverzeichnis, eine Liste 27 nützlicher Grundregeln für den Stil (Faciliores quædam Styli Latini Elegantiæ) und ein Catalogus Auctorum sive Scriptorum Veterum Classicorum Latinæ Linguæ, geordnet nach der auf die Humanisten zurückgehenden Zeitalterlehre (s. Kap. 6.1). Das gesamte Werk wird beschlossen durch den jesuitischen Leitsatz O. A. M. D. G. (Omnia ad maiorem Dei gloriam). Bis 1786 enthält jede Auflage ein Privilegium Cæsareum gewissermaßen als kaiserliches ‚Copyright‘, das dem Verleger unter Androhung von Geldbußen einen gewissen Schutz vor Nachdruck des Werks durch andere Verlage bot. Bis zumindest 1753 enthält jede Auflage zudem auch die Druckerlaubnis des Jesuiten-Provinzials, der festhält, dass das Werk von dafür beauftragten Jesuiten durchgesehen und gutgeheißen worden ist (librum […] a deputatis ad id e Societate lectum et approbatum). Nicht nur die lateinische Sprache der Außentexte des Bayerschen Wörterbuchs bildet ein Unterscheidungskriterium zu den weitgehend auf Deutsch gehaltenen Wörterbüchern des ausgehenden 18. Jahrhunderts (Bauer, Scheller usw.). Im Gegensatz zu den späteren deutsch-lateinischen Wörterbüchern ist das jesuitische Wörterbuch der damaligen Sitte entsprechend mit einem reichhaltigen Titelblatt und ähnlich zu Kirsch 1714 (s.o.) mit einem Symbolbild auf dem Frontispiz ausgestattet. Dichtbedrucktes Titelblatt und ganzseitiger Stich stützen Ästhetik und Autorität des Wörterbuchs. In der Zeit nach 1750 sind derartige Symbolbilder bei sonsti-

|| 31 Die 7. und 8. Auflage von 1756 bzw. 1766 (s. Literatur) waren mir bisher nicht zugänglich.

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gen deutsch-lateinischen Wörterbüchern nicht mehr zu finden; das jesuitische Frontispiz von Bayers Wörterbuch blieb noch bis zur 10. Auflage von 1786 erhalten.32 Hier wird das Wirken des Heiligen Geistes in allen Bereichen der Welt symbolhaft dargestellt: In Gestalt der Taube schwebt er über dem ganzen Bild im Zentrum des von der Erde durch Wolken abgeteilten Himmels, der durch zehn Putti symbolisiert und umrahmt wird. Der Heilige Geist wird durch den Schriftzug als Spiritus scientiae et pietatis (Jes 11,2) charakterisiert. Dieser „Geist der Wissenschaft und der Frömmigkeit“ wirkt sich im unteren Bildteil auf verschiedene Weise aus: Die zentrale Frauengestalt der unteren Bildhälfte mit einem Buch unter dem Arm erscheint als Personifikation des Jesuitenordens, angedeutet durch das von den Jesuiten häufig verwendete Jesus-Monogramm „IHS“ über dem Herzen. Sie führt ein Kind in Richtung des Rundtempels auf der rechten Seite, der über der Tür ebenfalls diese Inschrift trägt. Das Kind, bildlich für eine den Jesuiten anvertraute Seele, betritt mit beinahe gefalteten Händen bereits mit einem Fuß die erste Stufe des dreistufigen Aufgangs zum Tempel, den Blick fest auf die rechts stehende Frauengestalt gerichtet. Während die erste Stufe frei bleibt, liegen auf der zweiten und dritten diverse symbolische Gegenstände: auf der zweiten Stufe ein Bischofshut, ein schwarzes Birett auf einem Buch und (nicht ganz eindeutig zu erkennen) ein Bischofsstab – wohl als Symbole für den geistlichen Stand –, auf der dritten Stufe als Symbol für die weltliche Herrschaft Schwert und Krone. Auf der dritten Stufe wartet vor dem Eingang des Rundtempels eine zweite, übergroße Frauengestalt, die als Verkörperung der pietas in der linken Hand ein qualmendes Weihrauchfass hält und mit der rechten nach oben, Richtung Himmel weist. Passend zur Vielfalt der Möglichkeiten eines Jesuitenschülers, die ihm mit den genannten Ständesymbolen vor Augen gestellt werden, hält eine engelartige Gestalt rechts (sie scheint dabei mit dem rechten Zeigefinger auf den hinter ihr befindlichen Tempel zu weisen) ein Banner in der Hand, das sich um ein Bündel von Waffen windet und worauf zu lesen steht: Pietas autem ad omnia utilis est (1 Tim 4,8). Pietas als Gabe des Heiligen Geistes rüstet den Zögling also in diesem Sinne für jeden der Stände. Doch hält der vom Jesuitenorden propagierte pietas-Gedanke noch eine weitere Dimension für den Betrachter des Bildes bereit: pietas beschränkt sich nicht nur auf das deutschsprachige Gebiet, in dem das Werk verwendet wurde. Vielmehr öffnet sich das Bildprogramm räumlich auf die ganze Welt und die ganze Schöpfungsrealität hin (Himmel, Wasser, Erde, die Menschheit mit ihrer transzendentalen Dimensi-

|| 32 Es fehlt in der durch die BSB München digitalisierten Auflage von 1753 (Signatur: 037/Spw 103-1; s. Literatur). Besser erkennbar erscheinen die Details im Digitalisat der Auflage von 1786 durch die SUB Göttingen (s. Literatur). Ich danke Claudia Wiener für wertvolle Hinweise bei der Interpretation des Bildes.

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on). Am Strand des Meeres sitzt zudem ein dunkelhäutiger Indianer (erkennbar an der Kopftracht), der dabei ist, eine Muschel mit einer Perle im Inneren zu öffnen und bereits mehrere geöffnete vor sich liegen hat (vgl. Kirsch 1714). Aus der Muschel fließt ein Schriftband mit folgendem Text hervor: Vas Pretiosum labia Scientiæ (Spr 20,15) – „ein kostbares Gefäß sind weise Lippen“, so heißt es wohl mit Bezug auf den Mund der Muschel (das heißt des weisen Mannes), die im Inneren die kostbare Perle, die Weisheit, trägt.33 Vermutlich ist dies eine Anspielung auf die bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts in Amerika bestehenden Jesuitenreduktionen, wo auch die musikalische, schulische und wissenschaftliche Ausbildung der indigenen Bevölkerung eine wichtige Rolle einnahm. Ein prächtiges Schiff voller Menschen ist aufgebrochen, um die Passagiere übers Wasser zu fahren. Welche Richtung es nimmt, ob zum gegenüberliegenden Ufer oder weiter hinaus, ist nicht genau zu erkennen. Auch die Inschrift auf dem Segel verrät uns nicht das genaue Ziel: Spiritus tuus bonus deducet me ([in terram rectam], Ps 142 (143),10). Auf dem gegenüberliegenden Ufer ist eine in eine Hügellandschaft hineingebaute Stadt mit Befestigung und einer Burg auf dem Gipfel des Hügels zu erkennen. Während auf diese Weise räumliche Ausdehnung veranschaulicht wird, symbolisiert das Bild auch eine zeitliche Dimension: Diese wird durch die dezent angedeuteten Ruinen eines antiken Gebäudes am unteren Bildrand ausgedrückt. Davor, links von der zentralen Frauengestalt, liegen Gegenstände, die auf verschiedene Künste hinweisen: eine Weltkugel, auf der schemenhaft ein Tier zu erkennen ist, Vermessungsinstrumente, ein Buch, eine Malpalette und eine Büste. Man kann sagen, dass die Ruinen zwar bereits von Pflanzen erobert worden sind, die Antike also überwunden ist. Doch sieht man auch, woher die Wissenschaften stammen, nämlich eben aus der antiken Tradition, und diese sind – so die Aussage dahinter – durch den Jesuitenorden glückhaft in die Neuzeit überführt worden.

|| 33 Der ganze Vers lautet: Est aurum et multitudo gemmarum, vas autem pretiosum labia scientiæ. Vgl. Cornelius a Lapide S.J. (1681: 523) gibt in seinen Commentaria in Proverbia Solomonis fünf Erklärungen zu dieser Stelle: 1. Manche sind materiell reich, aber haben keine labia scientiæ. 2. Ein vir sapiens et eloquens, d.h. qui pollet scientia labiorum, kann (wie Thales von Milet) leicht reich werden. 3. Der Wert der Weisheit wird mit dem Wert der Perlen verglichen. 4. Eine Übersetzungsvariante ermöglicht folgendes Verständnis: Die scientia (id est prudentia, virtus & sapientia) wird nicht nur mit allen Edelsteinen verglichen, sondern ihnen vorangestellt. Nicht nur Flüsse sind goldtragend, sondern auch verschiedene Heilige (at magis aurifera sunt labia sapientis; vehunt enim aurum sapientiæ, virtutis & charitatis), wie Johannes Chrysostomus, Petrus Chrysologus und die Kirchenväter. 5. Was man mit gemmæ oder margaritæ (hebr. peninim) übersetzt, könnte auch als intima verstanden werden: tum quia uniones intimæ sunt suæ chonce, tum quia ex intimo & profundissimo mari eruuntur: inde enim na[ut]æ eas expiscantur. Sic profundum est cor sapientis, & quasi pelagus inexhaustum sapientiæ, ex quo auditorem sapientiam expiscari assiduè usque ad fundum convenit, ut penetret intima ejus sensa, ac dictorum & sententiarum ejus profunda arcana scrutetur.

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Abb. 11: Frontispiz zu Jakob Bayer S.J.: Paedagogus Latinus. Mainz 1724. Digitalisat der Bayerischen Staatsbibliothek München, L.lat. 86, urn:nbn:de:bvb:12-bsb10585694-2. Inschrift oben: Spiritus scientiae et pietatis. Is. 11. (Jes 11,2) Inschrift auf dem Segel des Schiffes: Spiritus tuus bonus deducet me. Ps. 142 (Ps 142 (143),10) Inschrift bei der links sitzenden Gestalt: Vas Pretiosum labia Scientiae. Prov. 20. (Spr 20,15) Inschrift beim rechts kauernden Engel: Pietas autem ad omnia utilis est. 1. Tim. 4. (1 Tim 4,8)

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Abb. 12: Titelblatt zu Jakob Bayer S.J.: Paedagogus Latinus. Mainz 1724. Digitalisat der Bayerischen Staatsbibliothek München, L.lat. 86, urn:nbn:de:bvb:12-bsb10585694-2.

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Die Programmatik dieses Bildes heißt auf einen Satz gebracht: Aufbauend auf die jesuitische Schulbildung in den Künsten und Wissenschaften (scientia) und der Frömmigkeit (pietas) führt der Weg der irdischen Seele über die verschiedenen Stände schließlich zu dem göttlichen Geist, der die ganze Welt im Allgemeinen und die geistige Tätigkeit sowie das Leben des Einzelnen im Besonderen durchdringt und lenkt. Das Titelblatt des Paedagogus enthält einige wesentliche Informationen zu Wörterbuchbasis, -gegenstand und -funktion: Er ist speziell für Schulzwecke verfasst, wobei nicht nur die Wörter aufgenommen werden, sondern auch die idiomatischen Redewendungen beider Sprachen berücksichtigt sind. Deutsch-lateinischer und lateinisch-deutscher Teil enthalten jeweils einen topographischen Anhang, während die Nomenclatura celebriorum hominum – ohne besondere Begründung in der Vorrede – nur am Ende des letzteren zu finden ist. Im Gegensatz zu diesem reichen Titelblatt fallen die des nächsten Jahrhunderts, etwa von Wüstemanns (1826) oder Mühlmanns (1845/54) Handwörterbuch überaus schlicht aus.

5.2.3 Die Vorreden Einige, die Programmatik betreffende Abschnitte der Vorrede von Bayer können als eine lesenswerte Zusammenfassung der Problematik der deutsch-lateinischen Lexikographie überhaupt gelten.34 Hier wird entfaltet, was das Titelblatt mit der Bezeichnung Opus nova apud Germanos methodo digestum, et ad Latinas Tyronum Exercitationes faciliùs, celeriùs, emendatiùsque absolvendas, studiosè accomodatum umschreibt. In vier Punkten behandelt Bayer die ihm wichtigen Themen Vocabulorum Proprietas („die eigentliche Bedeutung der Wörter“), eorundem Copia („die Menge derselben“, das heißt der deutschen und lateinischen Vokabeln überhaupt, insbesondere aber der lateinischen Synonyme), Idiotismorum sive Phrasium Adagiorúmque Elegantia („die eignen Redensarten einer Sprache“) und Lexici ipsius Ordo atque Structura („die Einrichtung des Wörterbuches selbst“). Zunächst hält Bayer im ersten Punkt fest, was für den Benutzer das Wichtigste ist, nämlich das Korpus der verwendeten Autoren: Nicht nur die Schriftsteller der sogenannten Goldenen Zeit – Cicero, Livius, Julius Caesar, Varro, Vergil und Horaz werden beispielhaft genannt –, sondern auch die der späteren Zeiten seien berücksichtigt worden. Als Beispiele für letztere hebt Bayer Columella, Celsus, Seneca, die beiden Plinii, Quintilian, im Juristischen mitunter Ulpian hervor. Aufgrund des Wandels, den Staat und Kirche durchgemacht hat (facies Reipublicæ tum Sacræ tum

|| 34 Zitiert wird hier der lateinische Text nach Bayer 11724 und die deutsche Übertragung nach Bayer 10 1786.

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Profanæ à vetere illa mirum quantum mutata nunc est), und für neuere Erfindungen (multa … armorum, instrumentorum, machinarum, rerúmque aliarum genera in qualibet arte à Recentioribus inventa) habe er auch moderne neulateinische Interpretamente nicht getilgt, quæ vel usus vel necessitas hucusque introduxit. Denn, so Bayer, wenn man diese modernen Dinge mit den Worten der Klassiker, die diese noch gar nicht gekannt haben, ausdrücken wollen würde, verstünde man diese Übersetzungen entweder nicht oder müsste sie kompliziert umschreiben: vel certè non rarò, si eorum [i.e. veterum auctorum] verbis loqui velles, aut nemo sensum tuum assequeretur, aut nonnisi ingratâ orationis ambage explicare te posses. Damit hat Bayer ein Grundproblem der modernen deutsch-lateinischen Lexikographie benannt (s.o. auch Gedikes Ausführungen in Kap. 4.3.2). Die Wörter neueren, also nachklassischen Ursprungs, die unverständliche Umschreibungen ersetzen, kennzeichnet Bayer mit Vulgò. So heißt es etwa im Eintrag zu „Alt, in der Music“: „Der den Alt singt, Altist. Vulgò, Altista, ae. m.“35; ebenso „Bassist. Barophonus, i. m. Vulgò, Bassista, ae. m.“36 Eine Entsprechung zu Barophonus fehlt im ersten Beispiel, da im Neulateinischen nicht geläufig. Wie Bayer am Ende der Vorrede unter Nr. V. festhält, habe er auch im zweiten, lateinisch-deutschen Teil viele Wörter nachklassischer Autoren berücksichtigt. Exemplarisch erwähnt er Aulus Gellius, Apuleius, Festus, Macrobius, versieht dies aber in der Vorrede mit dem Hinweis, dass diese Wörter nur dem Verstehen lateinischer Werke dienen würden; keinesfalls sollten sie „ohne weiteres“ (temerè) im lateinischen Stil verwendet werden: quæ omnia eum solùm in finem huic Lexico inseruimus; ut, si horum aliqua libros legentibus occurrant, significata eorum Germanica hinc peti possint: non item ut ipsa in Latinis scriptionibus aut sermonibus temerè adhibeantur. Aus seinem eigenen, berufenen Munde erfahren wir auch, wie der Jesuit Bayer die seit der Renaissance heiß debattierte Frage des christlichen Vokabulars eindeutig beantwortet (s. auch Kap. 6.3.2.1): Zwar würden die Wörter der Heiligen Schrift und der Kirchensprache nicht der Hochsprache entstammen (licet […] minùs Latinæ sint), doch könne jemand, der sie gebraucht, nicht als unlateinischer Barbar abgestempelt werden: „Nec enim Christianus barbarè loqui censendus est, dum dicit: Salvator Mundi. Passio CHRISTI &c.“ Diese Vokabeln nämlich stünden unter der Obhut ihrer eigenen Autorität (suâpte se authoritate tuentur).37 Auch hier lässt sich katholisches Sondergut, wenn auch, wie im Dasypodius Catholicus (s.o.), nur in geringem Maße, nachweisen. Unanstößig ist für Bayer die Verwendung von rosarium für Rosenkranz, neben den üblichen Formulierungen

|| 35 Bayer 41740: 22. 36 Bayer 41740: 80. 37 S. ebd. die in die gleiche Richtung gehenden Äußerungen Jakob Baldes S.J.

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Globuli precatorii und Sphaerulæ precatoriæ.38 Überraschend ist die Verwendung nicht bei ihm, sondern im 19. Jahrhundert bei Wüstemann und Georges.39 Katholischer Prägung ist natürlich auch das Lemma „Meß, das göttliche Opffer“: „Missa, æ. f. Missæ Sacrificium, ii. n. Sacrosanctum Missæ Sacrificium. Sacrum, i. n. Liturgia, æ. f. *Meß halten, lesen. Missam facere, celebrare. Ad aram facere. Sacris operari. Sacrificare. Rem divinam facere, conficere. […]”40 Man vergleiche damit den puristischen Kommentar von Bernhold: „¶ Ein Gottesdienst der Catholischen Kirche: Missa. (Ist ein Nothwort.)“.41 Andere Wörterbücher behalten missa regelmäßig bei und ergänzen unterschiedlich mit den Varianten eucharistia, liturgia, sacrum (nur Bauer), sacra. Schließlich seien, so Bayer in der Vorrede weiter, auch unentbehrlich erscheinende Eigennamen auf -tor, -trix und -tio beibehalten, die zwar nicht bei den besten Autoren selbst gebraucht sind, aber von gut klassischen Verben abgeleitet. Bayer führt als Beispiele die nicht-ciceronianischen Wörter destructio, adductio und collector (nach den ciceronischen Wörtern constructio, deductio und lector) an. Verwiesen wird dabei auf das Horazische Diktum von der Wiedergeburt der Wörter in De arte poetica (70–72): Multa renascentur, quæ iam cecidêre, cadéntque, Quæ nunc sunt in honore, vocabula, si volet usus: Quem penes arbitrium est et jus et norma loquendi.

Der zweite Punkt der Vorrede betrifft die Menge der Wörter. Bayer bezeichnet mit copia einerseits die hohe Anzahl an deutschen und lateinischen Vokabeln überhaupt, die in seinem Wörterbuch anzutreffen sind. Ohne Beispiele zu nennen, weist er darauf hin, dass er auch dem Französischen entstammende Wörter, die sich im Deutschen eingebürgert haben, berücksichtigt habe. Beispielsweise findet sich im Wörterbuch das Lemma „Armee, Kriegs-Heer“ oder der chirurgische Begriff Fontanell: „Fontanell am Leib. Fonticulus. Rivulus, i. m. Vulgo, Fontanella, ae, f. *Ein Fontanell am Arm setzen. Rivulum in brachio suscitare.”42 Andererseits versteht Bayer unter copia auch die Vielzahl von lateinischen Interpretamenten für einen einzigen deutschen Begriff (una Vox Germanica pluribus Latinis synonymis redditur […]). Hinzu kommen auch gewisse ausgesuchte Redewendungen aus den alten Autoren: […] selectisque veterum Autorum [!] loquendi || 38 Bayer 41740: 506. 39 Wüstemann 1827, II: 295; Georges 71882, II: 791; s. auch Kapitel 6.3.2.2. 40 Bayer 41740: 440. 41 Bernhold 1757: 99. 42 Bayer 41740: 44 (Armee) und 239 (Fontanell). Armee wurde Anfang des 16. Jahrhunderts ins Deutsche übernommen; vgl. Pfeifer, Etym. Wörterb. Fontanella ist ein im Neulateinischen verwendeter Begriff, der über spätlateinisch fontana aus dem Italienischen bzw. Mittelfranzösischen herrührt. Zur Etymologie des seit dem 16. Jahrhunderts im Dt. belegten Wortes s. Pfeifer, Etym. Wörterb.

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formulis (quas alii Flores Latinitatis, alii Phrases vocant) exornatur [sc. una Vox Germanica]. Gemeint sind wohl der lateinischen Sprache eigentümliche Kollokationen und Wendungen, wie man sie etwa beim Lemma Theurung findet: „[…] *Theurung machen. Annonam flagellare, accendere, comprimere. Caritatem annonæ inferre.“43 Neben solchen gewöhnlichen Ausdrücken finden sich auch ausgefallenere Formulierungen, die die Varianz des Lateinschülers und -schreibers erweitern sollen, so zum Beispiel bei einem Unterlemma von Thränen, Zäher [!]: „*Falsche Thränen. Fictæ lacrimæ. Crocodili lacrymæ, arum.“44 Allerdings handelt es sich bei letzterem nicht um einen antiken, sondern wahrscheinlich um einen humanistischen Ausdruck griechischer Sprache.45 Schon in der ersten Auflage (1753) nach Bayers Tod fehlen diese lateinischen Krokodilstränen, seit 1786 sogar die fictæ lacrimæ. Da auch Redewendungen Berücksichtigung finden, würde nach Bayer in einem einzigen Werk zusammengefasst, was für die Schüler relevant und sonst nur in mehreren Büchlein verstreut zu finden sei: […] ut adeò huic operi vix quidquam desit earum elegantiarum, quæ variis sparsæ libellis circumferuntur, & à scholastica juventute desiderari possunt. Mit elegantiæ im Plural sind wohl eben jene Wendungen gemeint, deren Verwendung auf einen gewählten und korrekten, echt lateinischen Sprachgebrauch hindeuten. Im dritten Punkt der Vorrede hebt Bayer die große Zahl übersetzter idiomatischer Redewendungen und Sprichwörter der deutschen Sprache (proprias Germanis loquendi Formulas, quas Idiotismos ac Proverbia appellamus) hervor. Er erwähnt, dass fast alle Ausdrücke, die in alltäglichen Gesprächen auftauchen, ins Lateinische übersetzt sind: eas ferè omnes hìc reperias in Latinum translatas, quæcunque in familiaribus colloquiis passim occurrere possunt. Hier zeigt sich die starke Ausrichtung des Paedagogus Latinus auf ein aktiv gebrauchtes Latein, nicht weiter überraschend für ein jesuitisches Schulwörterbuch. Neben den „Krokodilstränen“ findet sich so beispielsweise für das deutsche Wort Haut nach den verschiedenen Substantiven manch idiomatische Kollokation und deren Übersetzung, wie „Einem die Haut über die Ohren ziehen“, „Er ist ein [!] gute Haut“ oder heute weniger gebräuchliche Wendungen wie „Die Haut voll lachen“ oder „Ich habe die Haut voll zu thun“ usw. (s. Beispiellemma).

|| 43 Bayer 41740: 594; vgl. annōna, in: ThLL (bei Varro Men. 529 findet sich statt accendere das Kompositum incendere); die Wendung caritatem annonae inferre ist weder hier noch bei caritas, in: ThLL belegt. 44 Bayer 41740: 594. 45 Kein Eintrag im ThLL; s. Crocodili lacrimae in Erasmus, Adagia 1360 – II,4,60 und Κροκοδείλου δάκρυα bei Michael Apostolius Paroemiographus, Collectio paroemiarum 10,17 (E.L. von Leutsch: Corpus paroemiographorum Graecorum, Bd. 2. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1851).

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Abb. 13: Beispiellemma Haut, aus: Bayer 1724: 329–330. Digitalisat der Bayerischen Staatsbibliothek München, L.lat. 86, urn:nbn:de:bvb:12-bsb10585694-2.

Ohne Angabe von Gründen hat die deutsche Übertragung der Vorrede in der Ausgabe von 1786 im dritten Punkt einen anderen Schwerpunkt gewählt: Hier wird bezüglich der Sprichwörter lediglich erläutert, dass sie „entweder dem Haupt- Bey- oder Zeitworte am Ende beygefüget“ sind. Dann wird auf die genaue Trennung der Bedeutungen bei polysemen deutschen Wörtern hingewiesen. Ebenso seien lateinische Übersetzungen für ein deutsches Wort, die im Lateinischen nicht synonym sind, genau auseinandergehalten, wodurch die Wahl des je passenden Wortes für Anfänger der lateinischen Sprache erleichtert werden solle. Zum Beispiel wird im Paedagogus der genaue Unterschied zwischen cutis, pellis und anderen Interpretamenten im Lemma Haut angegeben (s. Beispiellemma).

Hohe jesuitische Lexikographie – Der Paedagogus Latinus von Jakob Bayer | 139

Schließlich ist im vierten Punkt der lateinischen Vorrede vom Aufbau des deutsch-lateinischen Wörterbuchs die Rede. Den lateinischen Wörtern sind diverse grammatikalische Angaben hinzugefügt (Genus und die obliquen Fälle bei Hauptwörtern, Konjugation und Stammformen bei Verben sowie deren Konstruktion). Dies hebt Bayer als Unterscheidungsmerkmal seines Wörterbuchs zu anderen zeitgenössischen Wörterbüchern hervor. Beispielsweise findet man in Alers Dictionarium Germanico-Latinum aus derselben Zeit nur den Genitiv der Hauptwörter angegeben. Bayer verteidigt seine Methode als für die Schüler sehr nützliche und zeitsparende Errungenschaft – gegen die kritische Meinung derer, die darin die Wurzel für die ignavia der Schüler und Vernachlässigung der grammatikalischen Regeln durch sie sehen wollen. Die deutsche Fassung von 1786 hebt zusätzlich die striktalphabetische Ordnung hervor, die das Nachschlagen sehr erleichtert (im Gegensatz zur etymologischen Anordnung).

5.2.4 Die beiden letzten Auflagen Über das Leben von Carl Philipp Mayer (1772–1840), dem Bearbeiter der letzten beiden Auflagen, lässt sich mangels Quellen bisher wenig sagen. Sicher ist, dass er Bibliothekar im katholischen Würzburg und laut der Unterschrift unter der Vorrede zum Paedagogus von 1803 dort auch Gymnasialprofessor für Grammatik war, womit wohl die entsprechende Schulstufe des Jesuitengymnasiums gemeint ist. Der dortigen Universitätsbibliothek hinterließ er nach seinem Tod nicht nur seine Bibliothek, sondern „zusätzlich 700 Gulden für den Ausbau des geographischen Bestandes“.46 Mayer schließt seine deutschsprachige Vorrede der Ausgabe von 1805 (datiert vom April 1803)47 am eben genannten vierten Punkt Bayers an: Die Haupttugend des deutsch-lateinischen Teils sieht er darin, dass neben Substantiven der Genitiv und das Genus, bei Verben Genus verbi, Perfekt und Supin, der Kasus, den sie regieren, sowie bei beiden gewisse Unregelmäßigkeiten angegeben sind. Das Lexikon von Bayer sei daher neben dem dieser Angaben entbehrenden Scheller’schen Wörterbuch von den Schülern immer gerne hinzugezogen worden, wenn sie eine lateinische Arbeit zu schreiben hatten. Seine, Mayers Bearbeitung habe darin bestanden, alte Fehler von Bayer ebenso zu tilgen wie „die lateinischen Barbarismen“ und das Wörterbuch um mehrere tausende Wörter sowie fehlende Bedeutungen bei polysemen Wörtern zu ergänzen. Wie schon in anderen Wörterbüchern, wird auch von Mayer betont, dass die in der Bearbeitung hinzukommende Bogenzahl, wo möglich, begrenzt wurde, um das Werk auch für ärmere Schüler erschwinglich zu halten. Aus

|| 46 Bestandsgeschichte der UB Würzburg [1.32] [unter: ; letzter Zugriff: 23.4.2022]. 47 Abgedruckt in der 12. Auflage von 1819.

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diesem Grund seien Mehrfachbedeutungen im lateinisch-deutschen Teil ohne weitere Kommentare aneinandergereiht. Die Vorrede der Ausgabe von 1805 schließt mit dem Hinweis, dass das Wörterbuch erstens durchaus noch Barbarismen enthalten könne: Man müsse „aus verschiedenen Gründen in ein Wörterbuch manches aufnehmen […], was, streng genommen, Barbarismus wäre“. Damit ist wohl angedeutet, dass die Säuberung des Wörterbuchs von sogenannten Barbarismen zugunsten von reinem Cicero-Latein nicht konsequent im puristischen Sinne durchgeführt wurde. Dies wird aber nicht weiter ausgeführt. Laut der Vorrede zur letzten Auflage von 1819 war die elfte so schnell vergriffen, dass bald die zwölfte gedruckt und die Umarbeitung des lateinisch-deutschen Teils durch Mayer erfolgen konnte. Erwähnt wird auch eine negative Rezension, auf die Mayer eine Antwort allerdings verweigert. Die Brauchbarkeit des Wörterbuchs habe sich, so seine knappe Ausführung, ohnehin durch den Verkauf aller fünftausend Exemplare der elften Auflage erwiesen.

5.2.5 Die Bearbeitung durch Joseph Uihlein „Die bequeme Form, der möglichst correcte Druck, so wie der mäßige Preiß dieses Wörterbuches“48 – diese drei Errungenschaften zeichnen das als Bearbeitung des Paedagogus erschienene Deutsch-Lateinische und Lateinisch-Deutsche Wörterbuch von Joseph Uihlein nach dessen Worten aus. Joseph Uihlein war Lehrer an der Mainzer Domschule49 und somit wahrscheinlich Katholik. Dies ist jedoch für sein Verständnis von Latein und dem lateinischen Schulunterricht nicht von besonderer Bedeutung, soweit man dies seinen Worten in der Vorrede entnehmen kann. Auf die Fragen nach dem klassischen Gebrauch der Latinität geht Uihlein nicht ein. Von einer Betonung der nachklassischen oder mittelalterlichen Latinität, wie in Schönbergers Wörterbuch für Österreich (s.u.), kann bei Uihlein jedenfalls nicht die Rede sein. In seinem Lehrbuch der Syntax der lateinischen Sprache für Anfänger (Mainz 1797) – mit Anfängern meint Uihlein acht- bis neunjährige Knaben – zeigt er sich insofern auf dem Stand der damaligen Philologie, als dass er viele der neuesten Grammatiken und Lehrbücher herangezogen hat und zur Illustrierung der Syntax nach eigenen Angaben auf Beispiele klassischer Autoren zurückgreift. Als Verfasser des Wörterbuchs sowie der Syntax war Uihlein bestrebt, die Übung im Lateinschreiben zu fördern. Wie bei Bayer ist der deutsch-lateinischen Teils betont vorangestellt. Jedenfalls ist Uihlein zu den Befürwortern der Übungen im Lateinschreiben zu rechnen. Wie man einer Bemerkung in der Vorrede zu seinem

|| 48 Uihlein 1811, Vorrede: VI. 49 Wie man dem Titelblatt von Uihleins Syntax der lateinischen Sprache für Anfänger (Mainz 1797) entnehmen kann.

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deutsch-lateinischen Wörterbuch entnehmen kann, fühlt sich Uihlein einer Zeit angehörig, die gewissermaßen eine Renaissance der deutsch-lateinischen Übersetzungen erlebt. Er schreibt: Man ist schon vor mehr als zehn Jahren wieder auf den alten Weg zurück gekommen, nämlich die kleinen Lateiner in den Uebersetzungen aus dem Deutschen ins Latein eben so sehr zu üben, als es unsere Vorfahren in voller Ueberzeugung des gewissesten Vortheiles gethan haben. Der deutlichste Beweis dieser Rückkehr sind die vielerley Sammlungen von Aufgaben, die seitdem als Hülfsmittel zu dieser Uebung, theils mit, theils ohne Wortregister erschienen sind. Uihlein 1811, Vorrede: III

Weder äußert er sich zu den Gründen oder Umständen der genannten Entwicklung noch dazu, wann man von den Übersetzungen aus dem Deutschen ins Lateinische abgekommen ist. Die Aussagen sind derart allgemein, dass sie wohl nicht nur auf die Mainzer Schule zu beschränken sind. Wenn also hier von einem überregionalen Phänomen die Rede ist, liegt es nahe, dass Uihlein auf die Diskussionen von Philanthropismus und Neuhumanismus über die Methode des Lateinunterrichts anspielt (s. hierzu auch Kap. 4.3.2). Wie dem auch sei, in den Augen Uihleins fehlen „gute und bequeme Wörterbücher“, die die Schüler „ohne besondere Beschwerde in die Schule mit sich nehmen können“.50 Er kennt zwar die jüngst erschienenen Wörterbücher (er nennt Scheller, Schmerler, Lenke), meint jedoch, dass auch in diesen nicht alles Nötige zu finden sei. Vor allem würden Angaben zu Genus und Genitiv bei Substantiven sowie zu Perfekt und Supin bei Verben fehlen, die die jungen Lateiner noch nicht kennen können. „Wie oft sah ich aber Schüler sich lieber einen unrechten Genitiv oder ein falsches Perfect und Supinum selbst bilden, als daß sie sich die kleine Mühe gegeben hätten, weiter nachzuschlagen.“51 Die Neuauflage des Bayerschen Paedagogus Latinus von 1805 durch den Würzburger Lehrer Mayer war ihm – wie gesagt – offenbar entgangen. Er selbst hatte noch 1800 den Wunsch ausgesprochen, dass dieses für das Main-Rhein-Gebiet so wichtige Schulwörterbuch baldmöglichst wieder aufgelegt werde (s.o.). Neben anderen Wörterbüchern wurde auch Uihleins Werk von Johann Friedrich Weingart für die Erarbeitung seines Lateinisch-Deutschen und Deutsch-Lateinischen SchulLexicons für Anfänger und Geübtere (Sondershausen 1819) verwendet.

|| 50 Uihlein 1811, Vorrede: III. 51 Uihlein 1811, Vorrede: IV.

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5.3 Der Purismus bei Johann Georg Samuel Bernhold Ein sorgfältig erarbeitetes, aber wohl nicht in weiteren Kreisen verbreitetes Werk kleineren Ausmaßes ist das Wörterbuch mit dem klangvollen Titel Zu gründlicher und vernünftiger Erlernung der Lateinischen Sprache eingerichtetes Wörterbuch (1757) von Johann Georg Samuel Bernhold (1720–1760), geschrieben „zum Dienst Lehrender und Lernender“, wie es auf dem Titelblatt heißt. Es hat einen lateinischdeutschen und deutsch-lateinisch Teil, jeweils verbunden mit zahlreichen nützlichen Anhängen und Umtexten (s.u.).52 Als extremer Purist steht Bernhold für sich und lässt sich keiner Wörterbuchschule zuordnen. Bernhold, Sohn eines fränkischen Pfarrers, war seit 1746 Rektor des Gymnasiums zu Heilbronn (s. auch Kap. 4.4). Sein dort verfasstes Wörterbuch fand nur begrenzte Verbreitung, wie eine Rezension zu einem seiner anderen Bücher bemerkt; dort wird die Feststellung, es sei „nur in einem gewissen Bezirk in Umlauf gekommen“53, allerdings nicht weiter präzisiert. Gleichwohl wird Bernhold als „ein verdienstvoller Schulmann“ seiner Zeit gewürdigt.

5.3.1 Schwerpunktsetzungen und Theorie im Vorbericht Schon im Jahre 1754 hatte Bernhold in einer Nachricht Von einem herauszugebenden Lateinischen Lexico ein Lateinwörterbuch angekündigt. Dieses sollte – wie auch der Titel des 1757 erschienen Lexikons Zu gründlicher und vernünftiger Erlernung der Lateinischen Sprache eingerichtetes Wörterbuch und dessen Vorbericht zeigen – der Verbesserung des Lateinlernens dienen. Im Vorbericht des Wörterbuchs (datiert vom 15. Januar 1757) schildert er auf Deutsch in 44 Paragraphen seine Beweggründe für die Komposition eines Werks und die Innovationen desselben. 1759 erschien ein Corrigenda-Band (Bernhold 1759). Im Vorbericht sind die Probleme der deutsch-lateinischen Lexikographie und Lösungsansätze theoretisch benannt, die später Bauer, Scheller, Kraft usw. teils genauer zu lösen bemüht sind. Bernhold nennt drei Probleme und fünf Punkte, die seiner Ansicht nach in seinem eigenen Verfahren besser gelungen sind als bei anderen Wörterbüchern. Die Probleme (§ 42) betreffen die Homonyme, das schlechte Latein und unnötigen Wortschatz. Sein eigenes Verfahren (§ 43) ist gekennzeichnet durch Verwenden von bestem Latein, Erklärung deutscher Wörter, Weglassen von

|| 52 Der zweite, deutsch-lateinische Teil hat eine eigene Seitenzählung. Falls nicht anders angegeben, beziehen sich die Angaben der Seitenzahlen im Folgenden auf diesen Teil. 53 ALZ 3 (1791), Nr. 231: Sp. 424; eine Rezension zur dritten, verbesserten Auflage von: Lateinische Aufsätze und Sammlungen aus den classischen Schriftstellern, zum Gebrauch der untern und mittlern Classen der Gymnasien. Frankfurt/Leipzig: Brönner, 3. Aufl. 1789.

Der Purismus bei Johann Georg Samuel Bernhold | 143

Überflüssigem, pünktliche Übersetzung deutscher Partikeln und Warnung vor Unlateinischem. Zunächst sei die Frage der Polysemie, so Bernhold (§ 42), in den älteren Wörterbüchern nicht zufriedenstellend beantwortet; vielmehr würden deutsche Homonyme Missverständnisse beim Benutzer, also den Schülern verursachen. Da sie im Deutschen, vor allem bei Homonymen unsicher seien, müsse ein gutes Wörterbuch die Bedeutungen eines Wortes genau unterscheiden. Ein Beispiel: „Ich habe von etlichen Personen erfahren/ daß du ein liederliches Leben führest“ wird bei einem unbedarften Blick ins Lexikon zu: A quibusdam personis expertus sum &c. (experiri heißt „erfahren“ im Sinne von „die Erfahrung machen“). Oder: „Caius hat ein Amt erhalten“ wird fälschlich mit Caius munus conseruauit übersetzt (conseruare heißt „erhalten“ im Sinne von „bewahren“). Bernhold hat daher nach eigener Auskunft alle möglicherweise unbekannten durch bekanntere Wörter umschrieben mit besonderem Augenmerk auf die Homonyme, „und die verschiedenen Bedeutungen eines Wortes genau bestimmt und vorgestellt“ (§ 43). Beispielsweise gliedert Bernhold das Lemma der Sturm in zwei Teile (klimatisches und militärisches Verständnis) und erklärt die jeweilige Bedeutung des Homonyms, bevor er sie übersetzt:

Abb. 14: Das Lemma Sturm bei Bernhold 1757: 135. Digitalisat der Bayerischen Staatsbibliothek München, 4 L.lat. 60-1, urn:nbn:de:bvb:12-bsb10523550-0.

Das zweite große Problem ist laut Bernhold (1757, Vorbericht: § 42) die schlechte Latinität der Wörterbücher: Zweytens ist es ein abscheulicher Fehler unserer T[eutschen] Lexicorum, daß in denselben das allerelendeste Latein unter dem übrigen guten angesetzt wird. Ich beruffe mich hier auf die Erfahrung; mag aber niemand nennen. Doch muß ich einen Hederich [1729; Auflagen bis 1777] ausnehmen. Der unwissende Schüler nimmt alles, was er in seinem Handbuch, das sein Oracul

144 | Untersuchung einzelner deutsch-lateinischer Wörterbücher

ist, findet, ohne Auswahl in seinen Ubersetzungen, und gewöhnet sich das entsetzlichste Latein an. Und wer will ihm dieses verdencken? Wer sagt ihm denn, welche Redeart rein oder unrein ist? Und woher soll er denn erkennen, was er gebrauchen darf, oder nicht?

An dieser Stelle setzt Bernhold diesem Problem nichts entgegen, doch richtet er sein Wörterbuch selbst betont klassizistisch aus, was sich in der Untersuchung des Wortschatzes unten zeigen wird. Er setzt zudem in § 43 fest, dass lateinische Äquivalente in seinem Wörterbuch ausschließlich von den besten Autoren stammen. Seinem Vorbericht ist ein Verzeichnis der „Auctores, aus denen dieses Lexicon verfertigt worden“ (insgesamt 37 von Plautus bis Justinus54) angehängt sowie eine Recensio Classicorum, ut apellari solent, latinae linguae auctorum, ordine temporis descripta, adiectis melioribus editionibus. Die Wörter habe Bernhold zusätzlich von Schorus55 und aus dem Thesaurus von Gesner (1735) gesammelt. Da es sich also ausschließlich um gut lateinische Wörter handelt, seien die Stellen bei den Autoren gar nicht erst angegeben (§ 43). So oft ich aber bey einer neuen Sache auch neue Wörter oder Phrases brauchen musste, da melde ich es jedesmal, oder ich zeige durch den Buchstaben A. den Apin [1727], und durch H. den Hederich [1729; Auflagen bis 1777], oder durch F. den Frisch [1741], an, die eine solche Redeart gebraucht haben. Der Schuler darf also in diesem zweyten [deutsch-lateinischen] Theil greifen, wohin er will, so findet er nichts schlechtes oder verdächtiges, ohne daß er jedesmal gewarnet würde [nämlich vor unklassischen oder unlateinischen Äquivalenten]. Dieses wird Lehrende und Lernende von manchen Mühe und Sorge befreyen.

Das dritte von Bernhold benannte Problem handelt von der Lemmaselektion, also davon, welche deutschen Begriffe überhaupt in ein deutsch-lateinisches Wörterbuch aufzunehmen seien. Angesichts des sich stetig wandelnden Wortschatzes der deutschen Sprache bei abnehmender Fähigkeit, Latein zu gebrauchen, oder der sich ändernden didaktischen Anforderungen ist dies eine Frage, der sich jeder deutschlateinische Lexikograph je in seiner Zeit stellen muss. Die Schulwörterbücher würden, so der Autor, viele Wörter enthalten, die der Schüler nicht brauche oder die man nur durch umständliche Umschreibungen ausdrücken könne. Bernhold (1757, Vorbericht: § 43) plädiert dafür, in einem Schulwör-

|| 54 Gemeint ist Marcus Iunianus Iustinus, ein römischer Historiograph des zweiten, dritten oder vierten Jahrhunderts, Autor der Epitoma historiarum Philippicarum, einer Sammlung von Auszügen aus den Historiae Philippicae des Augusteers Pompeius Trogus. 55 Antonius Schorus oder Antonius van Schore (um 1525 bis 1552), Lehrer am Heidelberger Gymnasium, von dort wegen einer protestantisch angehauchten Satire vertrieben, s. ADB 32 (1891): 387– 388. Gemeint ist wohl der Thesaurus Ciceronianus linguae latinae cum praefat. J. Sturmii. Straßburg: Rihel, 1557 u.ö.; zuerst anonym als Apparatus verborum linguae lat. Ciceronianus. Straßburg: Rihel, 1551 erschienen, oder die Sammlung mit dem Titel Phrases linguae latinae. Basel 1550, Köln 1548, 1573, 1578 u.ö.

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terbuch alle derartig unnützen Wörter zu streichen, die ein Schüler nicht brauchen kann. Denn lieber! was hilft es mich, unlateinisch sagen zu können, was ein Landjäger/ Landjägermeister/ Landsknecht/ Oberbereuter/ Oberhofjägermeister/ Obersalzfactor (et)c. heisset. Was soll es nutzen? Und kan man das Papier nicht zu nützlichern und nöthigern Sachen verbrauchen? Wird der Schuler einmal ein Mann und in der Lat. Sprache geübter werden, so wird es ihm nicht unmöglich fallen, ein solche Wort, wenn er es je Lat. übersetzen müsste, wenigstens eben so schlecht zu umschreiben, als es in den gemeinen Wörterbüchern stehet. So lange aber der Jüngling in der Schule ist, mag ihm sein Lehrmeister sagen, was er von selbst nicht weiß.

Insbesondere die größeren der späteren Wörterbücher (s. etwa unten Scheller 1784) sind dagegen darauf bedacht, möglichst vollständig zu sein, also auch die moderne Welt ganz zu erfassen. Aber obschon der Hauptadressat der Schüler des deutschen Gymnasiums ist, sind diese nicht ausschließlich Schul-, sondern auch wissenschaftliche Wörterbücher, die die deutsche Sprache der damaligen Zeit in möglichst großem Umfang berücksichtigen wollen.

Abb. 15: Porträt von Johann Georg Samuel Bernhold (1720–1760), Porträtsammlung der Österreichischen Nationalbibliothek Wien, PORT_00109147_01.

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Abb. 16: Titelblatt von Johann Georg Samuel Bernhold: Zu gründlicher und vernünftiger Erlernung der Lateinischen Sprache eingerichtetes Wörterbuch. Onolzbach: Posch, 1757. Digitalisat der Bayerischen Staatsbibliothek München, 4 L.lat. 60-1, urn:nbn:de:bvb:12-bsb10523550-0.

Der Purismus bei Johann Georg Samuel Bernhold | 147

5.3.2 Purismus im Wortschatz Man kann Bernhold als fast schon extremen Vertreter der Klassizität werten. Auch wenn die lateinischen Interpretamente recht knapp ausfallen (mit insgesamt 210 Seiten ist das Werk auch nicht als ein großes Wörterbuch zu werten), lässt sich die klassizistische Ausrichtung aus einigen seiner Kommentare im Wortschatz sowie aus der Wortwahl erschließen. So lässt Bernhold (1757: 3) zum Beispiel nur eine Wendung mit venia beim Lemma Ablaß oder Nachlaß gelten: Die Vergebung der Sünden: Delictorum Oder Peccatorum venia.

Beim Lemma der Ablaßbrief fügt er an die Übersetzungäquivalente sogar noch eine dianormative Markierung („Nicht: Litterae indulgentiales oder Indulgentiae.“) an.56 Ein ähnliches Beispiel ist das Lemma die Aebtißin. Auch hier findet sich eine deutliche normative Festlegung, die ganz im Gegensatz zur Praktikabilität der geächteten Abbatissa steht. die Aebtißin: Rectrix oder Antistes virginum sacrarum: Praefecta virginum Deo sacratarum societati. * Ja nicht, Abbatissa. Bernhold 1757: 6

Auf der Suche nach weiteren Hinweisen im lateinischen-deutschen Teil wird man erst im dortigen Anhang fündig. Dort finden sich zwei Register, die sich mit unreinem oder schlechtem Latein beschäftigen. Im ersten Verzeichnis (S. 793–798 im lateinisch-deutschen Teil), worin Wörter des alltäglichen Gebrauchs („im gemeinen Leben oder sonst öfters, wenn sie gleich von den alten und reinen Lateinern nicht alle gebraucht worden sind“) nachzuschlagen sind, findet sich Abbatissa noch ohne Hinweis. Es handelt sich dabei um ein Verzeichnis und Erklärung einiger Wörter, die entweder im I. Theil vergessen worden, oder die im gemeinen Leben oder sonst öfters vorkommen, wenn sie gleich von den alten und reinen Lateinern nicht alle gebraucht worden sind, und daher in diesem Lex. nicht angezeigt stehen. Wo aber eines oder das andere davon auch bey alten Lat. gefunden wird, und im Lex. anzuzeigen vergessen worden, da stehet es jedesmal angezeigt. Wo kein Lat. Schriftsteller dabey stehet, da ist das Wort entweder neu und schlecht Lateinisch, oder es ist ein Kunstwort, oder mit einer den Alten unbekannten Sache erst neulich erfunden worden. In den beyden letzten Fällen darf man das Wort ohne Anstand gebrauchen.

Dass Abbatissa keinesfalls zu verwenden sei, erfährt der Benutzer erst aus dem deutsch-lateinischen Teil oder aus dem zweiten Register (S. 799–810 im lateinischdeutschen Teil), das auf das erste Verzeichnis folgt. Dieses zweite Register unterteilt || 56 Bernhold 1757: 2–3. Mehr zum Lemma Ablass in Kap. 6.3.2.

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Bernhold in drei Abteilungen: „I. Verzeichnis theils unlateinischer theils gemissbrauchter lateinischer einzelner Wörter“ (S. 799–800 im lateinisch-deutschen Teil), „II.) Wörter, die offenbar unlateinisch oder wenigstens von den guten Lateinern nicht gebraucht worden sind“ (S. 800–809 im lateinisch-deutschen Teil) und „III.) Formuln oder Redearten (Phrases), die nicht gut Lateinisch sind“ (S. 809–810 im lateinisch-deutschen Teil). Auch am Gesamttitel dieses zweiten Index zeigt sich die klassizistischnormative Ausrichtung Bernholds: „Anzeige verdächtiger oder unlateinischer oder auch gemißbrauchter lateinischer Wörter und Redearten“. Darin finden sich antibarbaristische, auch für den heutigen Benützer nützliche Hinweise, wobei zuerst das „gemißbrauchte“ oder „verdächtige“ Wort und dann die korrekte lateinische Form aufgeführt wird, zum Beispiel in der ersten Abteilung: Alias, sonsten, ohnehin. für, Alioqui. Camera, die Kammer oder Gemach. für, Cubiculum oder Conclaue. Dominus, da es ein bloser [!] Ehrentitul ist, wie das Französische Monsieur, und auch denen die nicht zu gebieten haben, gegeben wird. z. E. Ein vornehmer Herr. hier saget man nicht dominus (wenn es nicht etwan [!] ein regierender und gebietender Herr ist) sondern, Vir eximius, princeps, illustris, honoratus &c. Saecularis, weltlich, das dem Heiligen entgegen stehet. für, Profanus. Bernhold 1757: 799–800 (im lat.-dt. Teil)

Unter den als „offenbar unlateinisch“ gebrauchten Wörtern (II. Abteilung) findet sich schließlich auch das Beispiellemma Abbatissa: Abbatissa, die Aebtissin. für, Dux & rectrix virginum Deo sacrarum. Bernhold 1757: 800 (im lat.-dt. Teil)

Hier finden sich auch Begriffe wie: Conditionaliter, mit Beding [!]: bedingsweise. für, Ea lege, conditione. Gulositas, die Schlemerey oder Gefrässigkeit. für, Gula. Originale peccatum, die Erbsünde. für, Naturalis ad mala oder scelera pronitas. Bernhold 1757: 802; 804; 806 (im lat.-dt. Teil)

Im dritten Teil dieses Index, der „Formuln oder Redearten (Phrases)“ enthält, „die nicht gut Lateinisch sind“, liest man zum Beispiel: Cum tempore, mit der Zeit. für, Procedente tempore. Rebus sic stantibus, bey so bewandten Sachen. für, Rebus ita se habentibus: Quae cum ita sint. Bernhold 1757: 809; 810 (im lat.-dt. Teil)

Deutlich puristischer als etwa Scheller zeigt sich Bernhold etwa beim Lemma der Secretarius. Dieses Wort lässt er als Übersetzung im Gegensatz zu Scheller (und in seinem Gefolge Schönberger) nicht gelten.

Der Purismus bei Johann Georg Samuel Bernhold | 149

Tab. 5: Das Lemma Secretarius im Vergleich Bernhold 1757: 127

Scheller 1805, II: 2562

der Secretarius, der die geheimen Schreiben eines grosen [!] Herrn oder Collegii auszufertigen hat: Qui est a litteris secretioribus alicuius: Scriba. S. I. Th.

Secretär, Secretarius.

Manchmal konzediert aber selbst Bernhold (1757: 7; ähnlich beim Lemma Allwissenheit) der Fachsprache eine gewisse Freiheit, wenn dies lexikographisch gleichsam zähneknirschend geschieht, so z.B. bei Allgegenwärtig: Allgegenwärtig. Qui omnibus locis & rebus praesens adest: Praesentissimus. (Kan [!] nur von GOtt [!] gesagt werden). Die Theologen sagen: Omnipraesens.

Auch dieser Kommentar belegt klar die normative Ausrichtung Bernholds, die ja schon im Vorbericht (§ 43) als Innovation des Wörterbuchs herausgestellt wird: Fünftens habe ich hin und wieder den Schuler vor unlateinischen Wörtern, die sehr gemein sind, gewarnet, und also auch dadurch manches philologische Unglück zu verhüten gesucht.

Omnipraesens ist theologisch ein viel zu wichtiger Begriff, als dass er fehlen könnte. Das zeigt sein Vorkommen auch in allen anderen verglichenen Wörterbüchern, wo der theologische Gebrauch bald markiert (Kirsch, Lünemann, Wüstemann, Kraft), bald nicht beachtet wird (Bauer, für den es als Theologe durch den ständigen Gebrauch wohl nicht wegzudenken ist; Scheller, der darauf hinweist, dass das Wort im antiken Korpus nicht vorhanden ist; s.u. Vergleichstabelle). Die Artikel zu Allmacht und Allmächtig sind eine weitere Demonstration der Ausrichtung Bernholds (1757: 7). Beim Nomen fehlt Omnipotentia auffälliger Weise ganz. die Allmacht: Omnium rerum summa potentia: Infinita pot. Vis, cui resistere nihil potest: vel cui difficile nihil est &c. Allmächtig: Omnipotens brauchen die Lat. Poeten. In Prosa kan man sagen: Cuius summa & infinita est potentia oder vis: Qui potest, quae vult facere omnia &c.

150 | Untersuchung einzelner deutsch-lateinischer Wörterbücher

Tab. 6: Vergleich der Lemmata „Allgegenwärtig“ und „Allgegenwart“ Kirsch 1774: 43

Bauer 1798: 66

Scheller 1805, Lünemann I: 85 1821: 175

Wüstemann 1826, I: 46

Kraft 1843, I: 83–84

Allgegenwärtig, omnipraesens, ein theologisches Wort. Allgegenwart, omnipraesentia.

Allgegenwärtig, vbique praesens. Allgegenwart, omnipraesentia.

Allgegenwart, praesentia omnibus locis, omnipraesentia: (obgleich letzteres Wort vielleicht nicht vorkommt). Allgegenwärtig, ubique praesens; insgemein omnipraesens, das jedoch nicht vorkommen möchte.

Allgegenwärtig, ubique, omnibus locis praesens. Allgegenwart, die, omnipraesentia (nur bei Kirchenschriftst.). – sonst zu umschreiben, z. B. wer wird an der A. Gottes zweifeln? quis tandem est, qui dubitet deum omnibus locis praesentem esse? [s. auch Kap. 5.6.2]

Allgegenwart, die, omnipraesentia, Eccl. A. Gottes, ea dei virtus, ex qua omnia numine suo implet. dieselbe fühlen, praesentis numinis vim et impulsum sentire, Lünem. Allgegenwärtig, Adj. ubique, omnibus locis praesens; od.: qui ubique praesens adest, Cic.

Allgegenwärti, adj., (omnipraesen, Eccl.); omnibus locis praesens, Cic. Allgegenwärtigkeit, die, s. v. a. Allgegenwart. Allgegenwart, die, omnipraesentia, Eccl. Gottes A. fühlen, praesentis numinis vim et impulsum sentire. das Gefühl der A. ergreift die Zuhörer, praesentiae numinis sensus in audientium animos transfunditur, rec. q.

Auffällig ist auch das Fehlen von resurrectio und resurgere beim Lemma Auferstehung bzw. Auferstehen. Dort heißt es ganz klassisch und weit entfernt vom traditionellen christlichen Sprachgebrauch: Auferstehen – vom Tod : Redire in vitam : Reuiuiscere. die Auferstehung: Reditus in vitam. Bernhold 1757: 14

Beim Lemma Brille übernimmt Bernhold (1757: 30) zwar die traditionelle neulateinische Bezeichnung conspicillum. Dass er sich dabei nicht wohl fühlt, zeigt sein Kommentar: Conspicillum. (Dieses Wort wird nur aus Noth genommen, denn eigentlich bedeutet es was anders. S. I. Th.).

Der Purismus bei Johann Georg Samuel Bernhold | 151

Im ersten Teil des Wörterbuchs findet man die richtige Angabe (in den heutigen Editionen würde man das Wort in Vers 91 der Cistellaria finden): Conspicillum, i, n. ein Ort, woher man etwas weit sehen kan. Plaut. Cist. 1, 1, 93. (Man übersetzet es unrichtig, die Brille.) Bernhold 1757: 653 (im lat.-dt. Teil)

Ähnlich bei der Übersetzung des Lemmas die Messe: die Messe, [...] ¶ Ein Gottesdienst der Catholischen Kirche: Missa. (Ist ein Nothwort.) Bernhold 1757: 99

Als gründlich erweist sich Bernhold (1757: 31) auch beim Eintrag zu Büchse: die Büchse, [...] ¶ Womit man schiesset: Sclopetum. (Dieses Wort hat man aus Noth erfunden; weil die Alten von diesen Büchsen nichts wussten.)

Bernholds deutsch-lateinischer Wörterbuchteil ist im Gegensatz zum lateinischdeutschen Teil striktalphabetisch geordnet. Das Aufsuchen eines Wortes im lateinisch-deutschen Teil ist teils recht mühsam und nur mit entsprechenden Vorkenntnissen überhaupt möglich, da die Lemmata alphabetisch-morphologisch angeordnet sind. Einem Hauptlemma (z.B. seco) werden alle verwandten Lemmata (z.B. sector, segmen usw.) untergeordnet, wodurch die alphabetische Anordnung durchbrochen wird. So findet man etwa surgere unter regere. Ein „Register der Wörter, die von andern herkommen, wo man sie suchen müsse“ am Ende des lateinischdeutschen Teiles hilft bei der Zuordnung. Der lateinisch-deutsche Teil, angeordnet in zwei Spalten, nimmt den weit größeren Platz im Hauptteil ein (831 Seiten); die lateinischen Lemmata sind durch Kapitälchen ausgezeichnet, die untergeordneten, mit dem Hauptwort verwandten Lemmata sind kursiv und leicht nach außen hin versetzt gedruckt, sodass immerhin dies die Lesbarkeit erhöht. In drei Spalten folgt das deutsch-lateinische Wörterbuch (auf insgesamt 210 Seiten). Der deutsch-lateinische Teil aber ist durch das striktalphabetische Prinzip sozusagen benutzerfreundlich gestaltet und auf schnelle Auffindbarkeit ausgelegt. Am Anfang des deutsch-lateinischen Teils findet sich folgender didaktische Vermerk: Diejenigen Schüler, welche den zweyten Theil mit Nutzen brauchen wollen, müßen die Lat. Wörter des zweyten Theils auch im ersten Theil aufsuchen, und derselben wahre Bedeutung sich daraus bekannt machen. Ausser diesem wird man niemahlen mit Verstand und gründlich übersetzen lernen.

Diese Regel, die man auch in philologischen Übungen an mancher Universität noch hören kann, soll dazu helfen, ein besseres Bewusstsein für die einzelnen Wörter und ihre Semantik und ihren korrekten Gebrauch zu entwickeln. Zudem lassen sich

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dadurch auch typische Fehler, wie die oben zitierten Homonymfehler, eher ausschließen. Schließlich erfährt man im lateinisch-deutschen Teil auch Einiges über den Gebrauch des jeweiligen Wortes bei den Autoren. Die Sublemmata (gekennzeichnet durch den Strukturanzeiger ¶ und durch einen neuen Absatz) führen weitere Bedeutungen eines polysemen Lemmas oder Kollokationsangaben und Beispiele an. Beispielsweise wird der religiös aufgefasste Ablass dem Hauptlemma Ablaß untergeordnet: Ablaß oder Nachlaß, (wie man eine Seite oder Bogen ablässt.): Remissio. Relaxatio. Ohne Ablaß oder Nachlaß: Sine intermissione. ¶ Die Vergebung der Sünden: Delictorum Oder Peccatorum venia. Bernhold 1757: 2

Bei Bernhold handelt es sich – wie bei vermutlich allen Wörterbüchern dieser Zeit – nicht um ein durch reine Umkehrlexikographie entstandenes. Im lateinischdeutschen Teil würde man beispielsweise die kirchlich verwendete Bedeutung Ablass vergeblich unter venia suchen. Denn dort werden nur klassische Autoren berücksichtigt. Die Lemmata sind also nicht nur im Rückgriff auf den lateinischdeutschen Teil entstanden. Beim Lemma Einbinden folgt zunächst eine Eins-zu-eins-Übetragung, darauf eine Wendung, eine weitere Wendung als Sublemma und schließlich noch eine weiterführende Bedeutung: Einbinden: Illigare. --- in ein Bündelein: Colligare in fasciculum. ¶ das Buch: Compingere, Glutinare librum: Vestire oder Tegere librum membrana, corio &c. ¶ Einschärfen: Inculcare. Bernhold 1757: 43

Wenn das Lemma in einem Sublemma oder einem untergeordneten Abschnitt nicht wiederholt wird, finden sich stattdessen ein Gedankenstrich oder drei kurze Querstriche. Unterschiedliche Übersetzungsäquivalente werden mit Doppelpunkt voneinander getrennt, etwa beim die Equippage oder Abhold. die Equippage, Ausrüstung, Zubehör. --- des Schiffes: Armamenta nauis. --- zur Reise oder sonst: Sarcinae: Apparatus itineris. Equippieren: Instruere: Armare; Parare. Bernhold 1757: 49 Abhold: Maleuolus. – seyn: Inimico aduersus aliquem esse animo: Auerso esse animo. – machen: Deducere aliquem ab aliquo. Bernhold 1757: 2

„Die vergessene Zentralgestalt“ – Immanuel Johann Gerhard Scheller | 153

5.4 „Die vergessene Zentralgestalt“ – Immanuel Johann Gerhard Scheller In eine gänzlich neue Epoche der Lexikographie gelangen wir mit den Wörterbüchern von Bauer (zuerst 1778) und Scheller (das große Wörterbuch zuerst 1784, das kleinere Handlexicon zuerst 1792): Gemeinsam bilden sie (benannt nach dem Ort ihrer Ausbildung) die ‚Leipziger‘ Wörterbuchschule und ein Gespann, das die deutsch-lateinische Lexikographie auf eine neue Stufe gehoben hat. Vor allem was die lateinische Quellenarbeit und die Artikelgliederung angeht, wurde hier ein neuer Standard gesetzt, auf den die späteren Lexikographen – trotz ihrer berechtigten Kritik an den Vorgängern – aufbauen konnten. Diese Entwicklung beruhte keineswegs auf Zufall, sondern geht sicherlich auf die philologische Ausbildung zurück, die beide verband. Sie waren Schüler Johann August Ernestis (1707–1781) an der Thomasschule und an der Universität Leipzig. Ernesti, ungeliebter Kollege Johann Sebastian Bachs, wurde 1734 in der Nachfolge Johann Matthias Gesners, Rektor der Thomasschule und war seit 1742 als Philologe auch an der Universität tätig, bis er 1759 als ordentlicher Professor der Theologie ganz an die Universität wechselte. Bauer (s.u. Kap. 5.5) habilitierte sich 1753 an der Universität Leipzig. Scheller besuchte die Thomasschule seit 1752 und die Universität Leipzig seit 1757. Schellers Wörterbücher gehörten um 1800 zu den Klassikern der Hilfsmittel für Latinisten. Sie „sind“, so heißt es in einem Nekrolog, „in den Händen aller Studirenden, und werden nach Verdienst und Würdigkeit geschätzt. In ihnen hat sich Scheller dauerhafte Denkmale seines Ruhms gesetzt.“57 Zahlreiche außerschulische Zeugnisse aus der Literatur, verdienstvoll zusammengetragen von Richard Wolf, illustrieren die herausgehobene Stellung der Scheller’schen Werke im 19. Jahrhundert.58 1831 zum Beispiel wird dem zwölfjährigen Theodor Fontane (1819–1898) (1955: 313, 18. Kapitel – Das letzte Halbjahr) der Abgang ans Gymnasium in Neuruppin durch Buchgeschenke versüßt, darunter auch eines der Scheller’schen Wörterbücher, vermutlich das Handlexicon für Schulen: Am 30. Dezember war mein Geburtstag. Ich erhielt diesmal nicht blos viele, sondern für unsere kleinen Verhältnisse sogar sehr werthvolle Geschenke: Schellers Lexikon, Stielers Atlas, Beckers Weltgeschichte, sämmtlich noch jetzt in meinem Besitz und sehr von mir gehegt. Mein Dank war groß und aufrichtig; aber das Beste war doch, daß mich die diese Geschenke begleitenden Ansprachen auf meinen Abgang von Hause verwiesen. »Das alles erhältst du wie eine Aussteuer, weil du fort mußt,« so etwa hieß es und statt traurig über diese Veranlassung zu sein, war ich froh darüber.

|| 57 Lenz 1805: 161. 58 „Wörterbücher in der Literatur“ in Wolfs Internetbibliographie.

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Und Adelbert von Chamisso (1781–1838) (1836: 3159) beschreibt in seinem Gedicht Der Knabe (1832), wie dieser in seinem Zimmer einen plötzlich auftauchenden Drachen mit Büchern bekämpft. Dafür eignen sich lateinische und griechische Schulbücher offenbar besonders: Die Schlacht beginnt, wohl aufgepaßt! Wir wollen Gutes hoffen; Er denkt: er hält mich schon gefaßt, Sein weites Maul ist offen, – Der dicke Scheller fliegt hinein, Die andern folgen, groß und klein, Der Bröder und der Buttmann.

An diesen Versen sieht man sehr gut, wie die Namen der Verfasser weitverbreiteter Schulbücher unter Zeitgenossen geradezu Gattungsbegriffe geworden sind. Aus dem Katalog der Staatsbibliothek zu Berlin geht hervor, dass auch ein Ludwig van Beethoven das Handlexicon in der Ausgabe von Wien 1806 in seinem Bücherregal stehen hatte.60 Trotz seiner zeitgenössischen Bedeutung und seiner Wirkungsgeschichte (s. dazu die bibliographischen Angaben in der Literatur am Ende dieses Buchs) ist Scheller inzwischen in den Hintergrund gerückt. Daher nennt ihn Dietfried Krömer treffend „die vergessene Zentralgestalt“61 der neueren zweisprachigen Lexikographie des Lateinischen; mit ihm lässt Krömer (2002) sogar die „Jetztzeit der lateinischen Lexikographie“ beginnen. Seine lexikalischen Werke bilden zweifellos „die Grundlage zu allen späteren Arbeiten dieser Art“62. Die ersten Fundamente für den philologischen Werdegang des Lexikographen Immanuel Johann Gerhard Scheller, geboren am 22. März 1735 in Ihlow (Kursachsen), gestorben am 5. Juli 1803 in Brieg (Schlesien), wurden von Rektor Schneegass in Apolda (Herzogtum Weimar) gelegt, dessen Scheller später überaus dankbar gedachte.

|| 59 Zuerst veröffentlicht im Musen-Almanach für das Jahr 1832. Amadeus Wendt (Hrsg.). Leipzig 1832: 21–23. Christian Gottlieb Broeder (1745–1819), ev. Pfarrer und Lateinlehrer, verfasste verschiedene in seiner Zeit über ganz Deutschland verbreitete und genutzte Schulbücher (vgl. Bursian 1883, Erste Hälfte: 507–508), z.B. Practische Grammatik der lateinischen Sprache. Leipzig: Crusius, 1787; Lateinischdeutsches und deutsch-lateinisches Taschenwörterbuch. Leipzig: Kleefeld, 1801. Philipp Karl Buttmann (1764–1829), Altphilologe, studierte bei Heyne in Göttingen, verfasste eine (selbst in England) verbreitete, häufig aufgelegte griechische Schulgrammatik. 60 Signatur der SBB: Mus.ms.autogr. Beethoven, L. v. 40,8,1,2. 61 Krömer 1991: 3030. Bei Krömer geht es um die lateinisch-deutschen Wörterbücher; die Aussage lässt sich auch auf die deutsch-lateinische Seite übertragen, wie in dieser Arbeit zu zeigen sein wird. 62 Hoche 1890: 769.

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Abb. 17: Der Kupferstich Immanuel Johann Gerhard Schellers (1735–1803) ist die Kopie eines Gemäldes, das Schüler des Gymnasiums von Brieg ca. 1800 auf ihre Kosten haben anfertigen lassen. Digitalisat der SLUB Dresden, aus: Heuser 1803, urn:nbn:de:bsz:14-db-id3708824233.

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Nach einer weniger fruchtbaren Phase am Lyzeum zu Eisenberg (Fürstentum Altenburg) konnte er schließlich an die Thomasschule zu Leipzig wechseln. Hier war er, wie bereits gesagt, Schüler des Rektors Johann August Ernesti. Auch an der Universität in Leipzig, die Scheller seit 1757 besuchte, war Ernesti sein Hauptförderer. Dennoch scheute sich Scheller nicht, in philologischen Fragen seinem Lehrer deutlich zu widersprechen.63 Unter den Entbehrungen des Siebenjährigen Krieges (1756– 1763) leidend, widmete sich Scheller hier der Philologie und Theologie. 1761 wurde er Rektor am Lyceum in Lübben (Niederlausitz, 1761–1771), anschließend kam er auf Betreiben des preußischen Ministers von Zedlitz als Rektor ans königliche Gymnasium illustre in Brieg (Schlesien, 1771–1803). Einem weiten Kreis wurde er in der Lübbener Zeit bekannt mit der Anleitung, die alten lateinischen Schriftsteller philologisch und kritisch zu erklären und den Cicero gehörig nachzuahmen, nebst einem Anhange von einer ähnlichen Lehrart in der griechischen und hebräischen Sprache (11770; 21783).64 Die Hauptleistung Schellers für den Lateinunterricht seiner Zeit lag allerdings eher nicht darin, ein besonders guter Schulrektor gewesen zu sein. Zumindest heißt es im Nekrolog von Lenz über Scheller, er habe sich weder als guter Redner noch als ein schulisches Organisationstalent hervorgetan. Sein größtes Talent lag offenbar im Verfassen von didaktischen Hilfswerken. So verfasste er für den Lateinunterricht einige nützliche Lehrbücher, wie die Praecepta stili bene latini (11779; 21784)65 oder die Ausführliche lateinische Sprachlehre oder sogenannte Grammatik (11779) und die Kurzgefaßte lateinische Sprachlehre (11780)66, daneben zahlreiche Programme zu Schulthemen. Zusammen mit den Wörterbüchern schuf Scheller also eine große Bandbreite an Hilfsmitteln, die – wie er schreibt – „die Erklärung der Alten, das Verstehen der lateinischen Sprache, und das Lateinschreiben“67 erleichtern sollten. Mit diesen

|| 63 Etwa in seinen Animadversiones aliquot in clavem Ernestii Ciceronianam, vgl. Lenz 1805: 157–158. 64 Eckstein (1887: 111) urteilt: „mehr eine Sammelei über Wortbedeutungen, Konstruktionen, Übersetzung u. dgl. als ein systematisches Werk“. Der kurze Anhang zur griechischen und hebräischen Sprache enthält einige didaktischen Hinweise für die sprachliche Auslegung der Lektüre, ist also nicht auf Nachahmung ausgelegt. 65 Ins Deutsche übersetzt von Leopold Chimani, Wien 1810. Über den lateinischen Stil urteilt Lenz (1805: 163) in seinem Nekrolog: „So sehr der Verf. critischer Kenner der lateinischen Sprache, selbst seiner Muttersprache war, über welche er seine Bemerkungen in verschiednen Gelegenheitsschriften vorlegte, so schrieb er doch nicht schön. Sein lateinischer Styl war korrect, aber ohne Reiz und Leben, und sein deutscher Ausdruck hatte noch etwas von dem altväterischen Deutsch der Schule, in der er sich gebildet hatte.“ 66 Eine weitere Ausgabe von 1782 für die Churbaierischen Schulen. Die beiden Sprachlehren erfreuten sich großer Beliebtheit und konkurrierten, so Lenz, nur mit der Sprachlehre von Christian Gottlieb Bröder (es könnte dessen weit verbreitete Practische Grammatik, zuerst 1787, gemeint sein). 67 Anleitung, die alten lateinischen Schriftsteller philologisch und kritisch zu erklären usw., Vorrede zur zweiten Auflage (1783): XXII.

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Werken hätte sich Scheller, so heißt es bei Lenz, einen Ehrenplatz in einem Kanon der Grammatiker verdient, gäbe es denn einen „in der Art, wie ihn Aristophanes von Byzanz und Aristarchus in Alexandria für die classischen Schriftsteller der Griechen festsetzten“.68 Von längerfristiger Bedeutung waren allerdings nur Schellers Wörterbücher: Die philologischen Werke Schellers abseits der Lexikographie seien, so Conrad Bursian im Jahre 1883, „jetzt mit Recht vergessen, während seine lexikalischen Arbeiten, welche durchaus die Grundlage für die neueren Arbeiten auf diesem Gebiete gebildet haben, ihm für alle Zeiten ein ehrenvolles Andenken sichern“.69

5.4.1 Schellers lateinisch-deutsche Lexikographie Mit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts beginnt eine neue Epoche der lateinischen Lexikographie: nicht nur für die in diesem Buch behandelten deutschlateinischen Wörterbücher, sondern auch für die lateinisch-deutschen. Einige wichtige Punkte seien an dieser Stelle dazu eingeschoben. Ein Meilenstein ist hier das große lateinisch-deutsche Wörterbuch von Scheller mit dem Titel Schellers ausführliches und möglichst vollständiges lateinisch-deutsches Lexicon oder Wörterbuch zum Behufe der Erklärung der Alten und Übung in der lateinischen Sprache (1804). Es erschien zuerst 1783 in zwei Bänden, 1788 in drei Bänden und in dritter Auflage 1804 sogar in fünf Bänden. Niederländische und englische Bearbeitungen zeugen von der Bekanntheit dieses Werkes.70 Auffällig ist, dass die zweisprachigen Wörterbücher vor Scheller nicht so sehr als Hilfsmittel zum Verständnis lateinischer Texte dienten, als vielmehr der Förderung der aktiven Sprachbeherrschung.71 Wie schon aus dem Titel von Schellers Lexicon abzulesen ist, tritt daneben nun auch gleichrangig das passive Verstehen: „Wörterbuch zum Behufe der Erklärung der Alten und Übung in der lateinischen Sprache“. Krömer leitet daraus und aus dem empirischen Befund vier die Zielsetzung der lateinisch-deutschen Lexikongestaltung vor Scheller betreffende Punkte ab: (1.) Vor Scheller wird nicht die alphabetische Reihung bevorzugt, sondern nur nichtzusammengesetzte Wörter stehen alphabetisch, abgeleitete Wörter und Komposita werden diesen Hauptwörtern untergeordnet (Faber 1571, Cellarius 1689, Weismann 1725; s. auch die oben erwähnten deutsch-lateinischen Wörterbücher von || 68 Lenz 1805: 151. 69 Bursian 1883, Erste Hälfte: 508–509. 70 Genauere Angaben, s. Literatur. 71 Vgl. Krömer 1991: 3030–3031. S. aber schon Weber 1734: Lexicon encyclion oder kurtzgefaßtes lateinisch-teutsches und teutsch-lateinisches Universal-Wörter-Buch, zu nöthigem Verstande der Lateinischen auctorum und gründlicher Erlernung der lateinischen Sprache.

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Henisch 1616 und Stieler 1691). Dies erschwert das Nachschlagen ungemein. Daher setzen die Wörterbücher von Kirsch 1714 an vornehmlich auf das Alphabet als durchgängiges Ordnungsprinzip. (2.) Sprichwörter, Zitate aus Autoren, proverbia usw. spielen eine große Rolle in den älteren Lexika. (3.) Die Lexika richten sich nach dem klassischen Latein aus, doch das Gegenwartslatein, insbesondere das Wissenschaftslein, wird mehr oder weniger mit einbezogen.72 (4.) Die „Ausrichtung auf die aktive Sprachbeherrschung [hat] bis gegen Ende des 18. Jhs. verhindert, daß das Hauptmanko aller frühen Lexika [...] abgestellt wurde: die mangelnde Gliederung der einzelnen Artikel nach Bedeutungen.“73 Vielmehr wurden ausgehend von der Lateinpraxis Bedeutungen oft nur aneinandergereiht, ohne auf den Zusammenhang mit der Grundbedeutung einzugehen. Diese Prinzipien veränderten sich mit Schellers Wörterbuch von 1804 (11783; 2 1788): „deutsch ist die ‚Verkehrssprache‘ des Lexikons, alphabetisch die Anordnung der Wörter, Sentenzen spielen keine Rolle mehr“.74 Es ist dem Titel nach ein „Wörterbuch zum Behufe der Erklärung der Alten“ und nach wie vor der „Übung in der lateinischen Sprache“. Das Wörterbuch Schellers will das antike Latein bis zum 8. Jahrhundert möglichst „vollständig dokumentieren, und zwar sowohl was den Wortbestand als auch die Bedeutungen und den Gebrauch der einzelnen Wörter betrifft“.75 Daher finden sich auch präzise Stellenangaben als Beleg. Zweites maßgebliches Wörterbuch dieser Zeit ist das vierbändige Totius latinitatis lexicon (1771) von Egidio Forcellini. Die Lemmata sind durchgängig alphabetisch geordnet. Gemeinhin als Forcellinis größte Leistung gilt die sorgfältige Unterteilung der Artikel nach verschiedenen Bedeutungen, die er von der Grundbedeutung her entwickelt. Aufbauend auf Forcellinis Arbeit hat Scheller die Bedeutungsebenen verfeinert und damit „den Typus des modernen Wörterbuchs geschaffen“76. Von Scheller und Forcellini „hängen fast alle späteren [lateinisch-deutschen] Lexika ab“.77 Schellers Handlexicon (1796) wurde von Lünemann (1831) bearbeitet, dieser wiederum von K. E. Georges bis hin zu H. Georges (1918) und dem sogenannten „Neuen Georges“ (2013; s.u.), dem noch heute verbreitetsten Wörterbuch im deutschen Sprachraum. Auch das „Wörterbuch der lateinischen Sprache“ von

|| 72 Puristen: Cellarius 1689, Weismann 1725. Berücksichtigung des unklassischen, modernen Lateins: Kirsch 1714, Bayer 1724, Hederich 1739. Angabe der Quellenautoren: Faber 1571, Kirsch 1714, Frisius 1750. Kennzeichnung des modernen Sprachgebrauchs: Dentzler 1666, Kirsch 1714, Bayer 1724. 73 Krömer 1991: 3031. 74 Krömer 1991: 3032. 75 Ebd. 76 Krömer 1990: 1717. 77 Krömer 1991: 3032.

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Freund (1845) sowie das Wörterbuch von Klotz (1857) sind ohne Schellers Einfluss nicht zu denken. Die Basis für ein neues, umfassendes zweisprachiges Wörterbuch bildet der Thesaurus linguae Latinae, der allerdings noch seiner Fertigstellung harrt. Er umfasst die gesamte lateinische Literatur bis etwa 600 n. Chr. Gliederungsprinzip des einsprachigen Wörterbuchs ist die Dichotomie, die Aufteilung der Grundbedeutung in meist zwei Untergruppen, die sich bedeutungsmäßig ausschließen.78 In kleinerem Maßstab (berücksichtigt wird nur nicht-christliche Literatur bis 200 n. Chr.) ist das Oxford Latin Dictionary konzipiert worden. Im Gegensatz zum Thesaurus werden die Bedeutungen nicht untergeordnet in Gruppen zusammengefasst, sondern in Reihung zusammengestellt.

5.4.2 Sprachreinheit versus Eindeutigkeit – Schellers ‚Großes‘ Wörterbuch Im Folgenden wenden wir uns dem ‚großen‘ deutsch-lateinischen Wörterbuch Schellers zu: Ausführliches und möglichst vollständiges deutsch-lateinisches Lexicon oder Wörterbuch zur Übung in der lateinischen Sprache in zwey Bänden. Leipzig: Fritsch, 31805 [11784, 21789 (einbändig); Nachdruck der 3. Aufl. 1817; 41820].

Die alphabetische Ordnung dieses Wörterbuch wird nur gelegentlich durch einen polylemmatischen Artikel durchbrochen, z.B. Abt oder Allmacht, wo Aebtissin bzw. Allmachtshand in einem Nestlemma untergeordnet werden (s. Beispiellemmata).

Abb. 18: Beispiellemata Abt (Scheller 1805, I: 53) und Allmacht (86). Digitalisat der Bayerischen Staatsbibliothek München, L.lat. 743-6, urn:nbn:de:bvb:12-bsb10625202-4.

In den drei temperamentvollen Vorreden zu diesem Wörterbuch (die sich allesamt in der dritten Auflage abgedruckt finden) gewährt Scheller ausführlichen Einblick in seine Überlegungen zur Lexikographie und zur Situation der lateinischen Didaktik

|| 78 Vgl. Krömer 1990: 1719.

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und Sprache, die er vehement gegen den Zeitgeist zu verteidigen weiß, aber auch zur Entwicklung der deutschen Sprache (s.o. Kap. 4.2). Wie schon Bernhold (s.o.), legt auch Scheller eigenen Angaben zufolge ein besonderes Augenmerk auf die Polysemie im Deutschen. „Die Sache ist leicht“ müsse anders übersetzt werden als „die Last ist leicht“79, nämlich einmal mit facilis und einmal mit leve. Er bedauert in diesem Zusammenhang, dass die Schüler zwar Latein und Französisch lernen müssten, aber keinen richtigen Deutschunterricht genießen würden: Wie kann ich einen deutschen Ausdruck sicher lateinisch machen, wenn ich ihn nicht verstehe? Man sagt dem Lernenden, was das deutsche Wort auf lateinisch heiße, ohne zu sagen, was das deutsche Wort bedeute, da doch manches deutsche Wort viele Bedeutungen hat. Verstände der Lehrling allemal das Deutsche, der Lehrer hätte das tausendste Mal nicht nöthig, ihm zu sagen, was es auf lateinisch heiße. Scheller 31805, Vorrede zur ersten Auflage 1784: VII

In seiner Vorrede vom Oktober 1783 zur ersten Auflage (publiziert 1784) nennt Scheller die zwei Kriterien, die ihn bei seiner lexikographischen Arbeit maßgeblich geleitet hätten: Vollständigkeit und Exaktheit. Mit seinen eigenen Worten: „[Ich habe] die möglichste Vollständigkeit der Wörter anzubringen, und sie so genau als möglich zu übersetzen gesucht.“80 Er ist überzeugt, dass sein Werk als das bisher vollständigste dieser Art gelten könne. Wörtlich sagt er: „Mich dünkt, daß es ziemlich das vollständigste unter den bisherigen seyn werde.“81 Allerdings übertrifft er zumindest quantitativ gesehen das Bauersche Lexikon (mit 2468 Spalten in der ersten Auflage von 1778 und 3076 Spalten in den Auflagen ab 1814) erst mit der zweiten (2840 Spalten) und mit der dritten (3744 Spalten) Auflage von 1789 bzw. 1805. Jedenfalls ist dieser Anspruch im Titel des Wörterbuchs (Ausführliches und möglichst vollständiges deutsch-lateinisches Lexicon) vorgegeben. Neben der Vollständigkeit steht für die Lexikographen im Allgemeinen das Kriterium der adäquaten lateinischen Übersetzung an erster Stelle, also die möglichst genaue Übertragung eines deutschen Begriffs in gutes Latein. Mit der Begrifflichkeit der antiken Rhetorik für die Vorzüge eines guten Redners (virtutes dicendi) kann man hier von Latinitas sprechen. Doch in welchem Umfang dieser immer vorauszusetzende Maßstab angelegt wird, steht allein im Ermessen des jeweiligen Lexikographen. Bernhold etwa ist, wie wir gesehen haben, ein Vertreter einer klassizistischen Korrektheit. In Schellers deutsch-lateinischen Wörterbüchern jedoch begegnen wir einer Auffassung, die im Zweifel einem anderen Kriterium den Vorrang einräumt.

|| 79 Scheller 31805, Vorrede zur ersten Auflage 1784: VII. 80 Scheller 31805, Vorrede zur ersten Auflage 1784, IV. 81 Ebd.

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Dieses lässt sich am besten mit einem rhetorischen Fachbegriff, nämlich der Tugend der perspicuitas (Klarheit, Deutlichkeit) beschreiben. Scheller schwankt in seinen lateinischen Übersetzungen zwischen starkem Purismus und einem realistischen Sprachpragmatismus, zwischen Latinitas und perspicuitas. Meist scheint Scheller dieser Tugend den Vorzug zu geben. Sein Hauptziel nämlich ist, dass die Interpretamente verständlich sind und die entsprechende Sache eindeutig beschreiben. Ein Beispiel für dieses lexikographische Dilemma ist das Lemma Bataillon: Bataillon, ist vielleicht am deutlichsten durch ein neues Wort batalio zu übersetzen; zur Noth auch cohors: ob gleich dieß nicht recht jenem Worte entspricht: oder cohors (oder numerus militum) nomen gerens Bataillon. Scheller 31805, I: 37082

Man spürt hier geradezu, wie sich Scheller nicht für eine der Stilqualitäten entscheiden möchte. Gleiches lässt sich – um im militärischen Jargon zu bleiben – beim Lemma Admiral beobachten, wo sogar das außerdeutsche Europa berücksichtigt wird: Admiral, summus dux classis, praefectus classis summus, oder qui habet summam imperii classis. Doch genauer würde es seyn, wenn das Wort beybehalten würde; oder wenn man dazu setzte, quam vulgo Admiral vocant. Denn in England gibt’s viele Admirale (außer Dienste), die nicht commandieren: hingegen kann eine kleine Flotte, oder Flottille von einem ContreAdmiral etc. commandiert werden. Scheller 31805, I: 73

Neben der polyhistorischen Art lässt sich hier wieder die Vorliebe Schellers für sprachliche Genauigkeit erkennen. Ähnlich heißt es beim Lemma Feldmarschall: Feldmarschall, i. e. Feldherr, summus dux exercitus, summam imperii habens. Da dieß alles aber nur das oberste Commando ausdrückt, und ein Generallieutenant dieses auch zuweilen haben kann, so muß man, wenn man den Titel Feldmarschall eigentlich ausdrücken will, ihn beybehalten, etwa Mareschallus campi. Feldmarschalllieutenant, etwa Promareschallus campi, vicarius Mareschalli campi. Scheller 31805, I: 946

|| 82 Belegt ist batalio sonst nur im Glossarium mediae et infimae Latinitatis regni Hungariae (Bartal 1970): „Batalio, onis, alio loco Batalium, quatuor centuriae, quarta pars Regimenti vel gregis miliarii militum, ab It. battaglione; zászlóalj. Gal. Bataillon. Arch. Rák. [Archívum Rakoczianum. Il. Rákóczi Ferencz levéltára.] VIII. 72. 129.“

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Abb. 19: Titelblatt zu Immanuel Johann Gerhard Scheller: Ausführliches und möglichst vollständiges deutsch-lateinisches Lexicon oder Wörterbuch zur Übung in der lateinischen Sprache in zwey Bänden. Leipzig: Fritsch, 31805. Digitalisat der Bayerischen Staatsbibliothek München, L.lat. 743-6, urn:nbn:de:bvb:12-bsb10625202-4.

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Diese Art der Latinisierung ist durchaus eine Ausnahme. Ein willkürlich gewähltes Wörterbuch aus einer früheren Zeit, nämlich Le dictionaire imperial von Giovanni Veneroni in der Ausgabe von 1714, kommt nicht auf den Gedanken, den Feldmarschall auf eine solche Weise zu übersetzen. Für Veneroni heißt marschalck zu hof auf Latein praetorii, aulæ præfectus, der marschalck im Krieg einfach tribunus militum; Feldmarschall bzw. Feldherr heißt dux.83 Anders sieht es aus beim UniversalLexicon von Zedler, wo das Gebrauchslatein wohl zum Verständnis von Ausländern hinzugefügt ist; dort wird Marschall, Marschalck, Marschalk mit „Marscalcus, Marescalcus, Mariscalcus, Marescallus, ingleichen Comes Stabuli, oder Praefectus Equorum“ wiedergegeben.84 Auch bei Kanone sticht Scheller unter den verglichenen Wörterbüchern dadurch hervor, dass er den Begriff am liebsten beibehalten möchte: Kanone, muß wohl beybehalten werden, etwa tormentum, quod Canone vocatur; soll es aber nur überhaupt grobes Geschütz seyn, so ist bloß tormentum genug [...]. Scheller 31805, I: 1618

Man sieht an diesen Beispielen, wie wichtig es Scheller ist, auch im militärischen Jargon (Beispiele lassen sich aber für jedes Gebiet zahlreich finden) präzise zu bleiben, den deutschen Begriff mit der dahinterstehenden Sache richtig zu übersetzen und so vom Leser richtig verstanden zu werden. Somit stellt er das aptum, also die „kommunikative Orientierung an der Gegenwart und am jeweiligen Publikum“85, über die Autorität der alten Autoren. Der katholische Geistliche Friedrich Teipel (1807–1861), lexikographisch gesehen Klassizist, urteilt über Scheller im Vergleich mit anderen Lexikographen: „Scheller verwischt in der Regel am wenigsten den echten Begriff, hat aber meistens das schlechteste Latein.“86 Gerade bei der Übersetzung moderner Begriffe ist das Hauptkriterium Schellers nach eigener Auskunft die sprachliche Eindeutigkeit. Diesem Kriterium weicht selbst die Forderung, sich besonders an Ciceros Sprache auszurichten. Es geht Scheller also darum, dass man verstanden wird, wenn man sich Lateinisch äußert. Über dieses Kriterium schreibt er auch in seinem Handlexicon: Daß die neuern Namen, als Brigantine, Regiment (als Abtheilung des Heers), Bataillon etc. füglicher beybehalten werden (z. E. navigium nomen gerens B r i g a n t i n e oder B r i g a n t i n a quae vocatur etc.), wenn man nämlich verstanden werden will, habe ich schon mehrmals erinnert, glaube auch, daß Kenner, die die Verständlichkeit als das erste Merkmal eines guten Styls ansehen, mit mir darin einverstanden sind. Ich selbst drücke zwar, wenn ich lateinisch schreibe, so gern als nur Jemand, alles mit Worten eines Cicero oder sonst eines Schriftstellers aus dem

|| 83 Veneroni 1714, III: 108. 84 Zedlers Universal Lexicon 1739, Bd. 19: 1698. 85 Robert 2011: 13. 86 Teipel 1852: 427.

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goldnen Alter aus. Wenn aber diese kein Wort haben, das der neuern Sache genau entspricht, so ists doch eine pure Unmöglichkeit, eins hierzu aus ihnen zu entlehnen, und eine kindische Affectation, Wörter, bey denen sie etwas ganz anderes gedacht, dennoch neuern Dingen anzupassen. Denn es ist ja nicht genug, daß das Wort Ciceronisch oder aus dem goldnen Alter sey; es muß ja auch gerade die Sache bezeichnen. Wer unterdessen sich getraut, alle neuere Benennungen, die die Alten nicht kannten und nicht kennen konnten, dennoch mit Wörtern des Cicero oder des goldnen Alters auszudrücken, dem gönne ich herzlich gern seinen Geschmack, fürchte aber auch, daß außer ihm keiner seiner Leser die bezeichnete Sache verstehen wird. Scheller 1796 (in Scheller/Lünemann 1807), Vorrede zur zweiten Auflage 1796: X

Das Kriterium der Eindeutigkeit war also für Scheller maßgeblich bei der Übersetzung von Begriffen, die die klassische Antike noch nicht gekannt hat. Ähnlich heißt es mit Berufung auf die Antike in seinem großen Wörterbuch: Ich habe manche Benennung neuer Wörter in der Uebersetzung beybehalten und ihnen eine lateinische Endung gegeben. Findet man Bedenken so zu reden, so kann man es nach Belieben ändern, oder, wenn man das neue Wort der Deutlichkeit wegen behalten will, die Formel qui (quae, quod) dicitur oder ut loquuntur cet. zu seiner Verwahrung dazu setzen, wie ich sie denn auch zuweilen dazu gesetzt habe. Neue Dinge überall mit alten Namen belegen wollen, ist eben so wunderbar, als wenn man ein neues Kleid jedem Menschen anpassen wollte. Haben nicht die Römer selbst so viele Kunstwörter aus der griechischen Sprache in ihrer hinüber getragen, z. E. philosophus, philosophia, physica, physicus, dialectica, drachma, talentum cet.? Wer hält sie deswegen für Barbaren? Wer will uns für Barbaren halten, wenn wir feudum87, galera88 cet. setzen? Wer schreibt barbarisch? der deutlich schreibt? oder der undeutlich schreibt? Scheller 31805, Vorrede zur zweiten Auflage 1789: XX.

Beim Blick ins Wörterbuch stellt man allerdings fest, dass die pragmatische Distanzierung vom Cicero-Purismus nicht so weit führt, dass Scheller gänzlich auf reinlateinische Umschreibungen verzichten würde. Beim Begriff Brille etwa ist einerseits die geforderte Eindeutigkeit, andererseits auch die klassische Ausdrucksweise gewahrt, was aber eher eine Ausnahme ist: Brille, i. e. Augenglas, auf die Nase zu setzen, etwa vitrum oculare bipartitum, oder instrumentum vitreum oculare bipartitum, vitrum, per quod oculorum acies adiuvatur [...]. Scheller 31805, I: 595–596

Von Praktikabilität aber kann man zumindest bei den beiden letzteren Wendungen kaum sprechen. Das Lemma wird unten in Kap. 6.3.3.2 mit den anderen Wörterbüchern verglichen.

|| 87 Ein mittellateinischer Begriff für Lehen, vgl. Pfeifer, Etym. Wörterb. 88 Als galērus (auch galērum, eine Mütze aus Fell) u.a. bei Verg. Aen. 7,688 belegt. Offensichtlich war zur Zeit Schellers die Form galera neben der Bedeutung „Galeere“ für eine bestimmte Art von Fellmütze in Gebrauch.

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Auch Scheller weiß um die Problematik der Praktikabilität. So schreibt er in der Vorrede zur dritten Auflage (1805), dass genannte Umschreibungen zu lang seien, man ihrer daher schnell überdrüssig werde und sie eine Sache auch nicht immer genau treffen könnten. In solchen Fällen müsse man die deutschen Namen mit lateinischen Endungen übernehmen, z.B. „Ratte rattus Linn. [Linné] etc., Regiment (ein Theil des Heeres) regimentum etc.“89 Vergleicht man diesen Ansatz mit Georges 1882, finden sich unter Regiment nur die streng klassisch gebildeten Lösungen, „legio (vom Fußvolk)“ und „turma equitum (von Reitern)“.90 Eine andere Lösung sei es nach Scheller, das Wort unverändert beizubehalten und, „um sich nicht den Namen eines Barbaren zuzuziehen“, ein „ut dicunt, quod dicunt, qui (quae, quod) dicitur oder vocatur etc.“ zu setzen, wie es häufig in diesem Wörterbuch geschehen sei, „oder auch nomen vulgo (auch ohne vulgo) gerens, z. E. pars militum (oder exercitus) nomen gerens (vulgo) Regiment“.91 Eine sicherlich praktische, wenn auch nicht die ästhetisch feinste Lösung des Hinübersetzens moderner Begriffe. Das Dilemma, in dem sich der Lexikograph Scheller befindet, zeigt sich gut am Lemma Altarist, womit ein Altardiener, ein Ministrant gemeint ist.92 Altarist, kann man, zumal da dieß Wort an verschiednen Orten verschiedne Bedeutung hat, altarista übersetzen: auch zuweilen qui servit sacrae coenae celebrandae. Doch ist erstes deutlicher: trägt man Bedenken Altarista zu setzen, weil es im goldnen Alter nicht vorkommt, so kann man auch so z. E. sagen, viri (pueri), qui Altaristae (vulgo) vocantur: denn die Altaristen sind theils Männer (wie ich z. E. in Eisenberg im Altenburgischen Fürstenthum gesehen habe) theils Knaben. Scheller 31805, I: 93–94

Der etwas umständlich formulierte Artikel zeigt, welcher inneren Auseinandersetzung Scheller ausgesetzt war: auf der einen Seite dem Anspruch gerecht zu werden, gutes, das heißt klassisches Latein zu bieten, auf der anderen Seite die Genauigkeit beim Hinübersetzen eines neueren Begriffs zu wahren. Letztere zieht er im Zweifel offenbar dem ersteren vor. Dabei denkt Scheller wohl vor allem auch an den außerschulischen Gebrauch des Lateinischen. Zwischen kompliziert umschreibenden Purismus und unscharfer Praktikabilität schwankt auch der Artikel zu Hemd:

|| 89 Scheller 31805, Vorrede zur dritten Auflage 1805: XXXIII. 90 Georges 1882, II: 743. 91 Scheller 31805, Vorrede zur dritten Auflage 1805: XXXIII. 92 Laut Zedlers Universal Lexicon 1732, Bd. 1: 1533 ein im Mittelalter geläufiger Begriff für einen „Vicarius, welcher einen Altar besorgen mußte, und davor die Einnahme, welcher der Presbyter und Curio sonst hat, gen(o?)sse“. Heute im Katholischen ein Messpriester, der nur die Messe zelebriert und keine rechtlich verpflichtenden Seelsorgsdienste wahrnehmen muss (vgl. 3LThK 7, 184–185).

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Hemde, Hemd (das), etwa tunica lintea corpus proxime tangens, oder vielleicht kürzer, indusium: eins habend, indusiatus: das Hemde ist mir näher der Rock, tunica pallio propior [vgl. Plaut. trin. 1154]; indusium toga propius. Scheller 31805, I: 1329

Nicht nur bei modernen Begriffen bleibt der Realist Scheller dieser Linie treu, wo andere Lexikographen weit stärker dem Klassischen verpflichtet sind. Dies ist zum Beispiel bei Auferstehen bzw. Auferstehung zu beobachten. Während bei Bernhold 1757 und Bauer 1798 das Wort resurgere bzw. resurrectio gar nicht zu finden ist, taucht der Gebrauch dieser Wörter seit Scheller wieder auf, nachdem es schon Kirsch 1714/1774 ohne Berührungsängste gebraucht hatte. Der Begriff Auferstehung wird weiter unten (in Kap. 6.3.2.2) genauer untersucht. Ähnliches wie für Schellers Übersetzung von Auferstehen und Auferstehung gilt für das Lemma Advent. Während Bauer 1798, Wüstemann 1826 und Kraft 1843 auf das naheliegende Wort adventus verzichten, ist es für Scheller die erste und einzige Wahl. Anders beim Lemma Allgegenwart, wo ein unklassisches Interpretament neben einer puristischen Formulierung steht. Allgegenwart, praesentia omnibus locis, omnipraesentia: (obgleich letzteres Wort vielleicht nicht vorkommt). Allgegenwärtig, ubique praesens; insgemein omnipraesens, das jedoch nicht vorkommen möchte. Scheller 31805, I: 85

Mit diesen diachronischen Kommentaren Schellers ist gemeint, dass die jeweiligen Interpretamente weder im Klassischen noch im Antiken überhaupt vorkommen (kein Eintrag im ThLL). Omnipraesentia oder in einigen Fällen das dazugehörige Adjektiv omnipraesens steht als unklassisches Wort in jedem der untersuchten Wörterbücher, wo es nach Schellers Zeiten als kirchlich verwendetes Wort gekennzeichnet wird. Diese Wörter sind offenbar fest im allgemeinen Sprachgebrauch verankert. So verhält es sich auch beim theologischen, nicht-antiken Begriff der Allwissenheit und allwissend. Nur Wüstemann 1826 lässt dafür omniscientia bzw. omniscius gar nicht zu (s.u. Kap. 5.6.2). Scheller bietet sowohl ein gut lateinisches als auch eine nicht-antikes Übersetzungsäquivalent, das er wiederum durch einen diachronischen Kommentar markiert: Allwissenheit, scientia omnium rerum: insgemein omniscientia, das jedoch nicht vorkommen möchte. Scheller 31805, I: 86

Auch bei Allmacht verfährt Scheller ähnlich, indem er neben die – in diesem Falle spätantik belegte – omnipotentia auch puristische Wendungen setzt:

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Allmacht, omnipotentia (Macrob.) oder potentia ad omnia omnino pertinens; potentia omnium rerum. Allmachtshand, manus omnipotens, oder manus potens omnium rerum, oder omnipotentia. Allmächtig, omnipotens, potens omnium rerum. Scheller 31805, I: 86

Ebenso wie bei Lünemann und Kraft fällt Schellers Autoritätswahl auf den paganen Autoren Macrobius, der omnipotentia auf das Wirken heidnischer Gottheiten bzw. philosophischer Gottesvorstellungen bezieht.93 Schon rein quantitativ allerdings überwiegt der Gebrauch bei Kirchenschriftstellern, unter anderen Augustinus und Hieronymus. Beim Lemma Secretär gebraucht Scheller (wie oben in Kap. 5.3.2 beim Vergleich mit Bernholds Purismus gesehen) sogar nur die praktische, aber unklassische Übersetzung secretarius.94 Der moderne Begriff der Aufklärung (und verwandte Formen, ausführlich in Kap. 6.3.1 behandelt) findet zum ersten Mal Ende des 18. Jahrhunderts Aufnahme in deutsch-lateinische Wörterbücher. Scheller (31805, I: 220) sticht bei seiner Übersetzung dadurch hervor, dass er als einziger die in diesem Sinne unklassischen Formulierungen illuminatio bzw. illuminare als Übersetzung vorschlägt, während Wüstemann 1826 und Kraft 1843 die unklassische Verwendung zurückweisen (ebenso wie collustrare und illustrare). Der Begriff der Freimaurerei ist im Vergleich sehr unterschiedlich übersetzt worden (s. ausführlich in Kap. 6.3.1). Für Loge greift Scheller auf die aus der Antike bekannten Wörter collegium und sodalitas zurück, Freymäurer übersetzt er nach dem englischen free mason ganz wörtlich: Freymäurer, etwa liber caementarius: der Orden oder die Freymäurerey, Ordo liberorum caementariorum. Loge (Losche), z. E. der Freymäurer, collegium, sodalitas. Logenmeister, magister collegii (oder sodalitatis). Scheller 31805, I: 1009; 1871

Pragmatische Ausrichtung auf die sprachliche Eindeutigkeit zeigt sich im Umgang Schellers auch mit (der klassischen Antike noch unbekannten) Eigennamen und Begriffen. Da er nicht alle Namen von Ämtern, Städten und Flüssen aufnehmen konnte, gibt er in der Vorrede zur ersten Auflage des ausführlicheren Wörterbuchs (1784) eine hilfreiche Anleitung, wie man selbst solche Namen im Lateinischen richtig bilden könne. Daraus seien hier jene Punkte hervorgehoben, die für die Frage des Lateinpurismus relevant sind:

|| 93 Vgl. ThLL 9, 2, 609. 94 Scheller 1805, II: 2562.

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Grundsätzlich fordert Scheller (wie schon bei den Substantiva im Allgemeinen), die Deutlichkeit eines Begriffs über einen zu engen Cicero-Purismus zu stellen, aber auch die Situation zu beachten, in der man schreibt. Hätte man jemanden vor sich, der gern mit seinem Titel angesprochen wird, solle man diesen beibehalten (z.B. secretarius „wo scriba beleidigen möchte“95); schreibe man aber jemandem, der am liebsten nur ciceronianisches Latein hört, dann solle man eine entsprechende Wendung finden (z.B. für Appellationsgericht: iudicium ad quod provocatione certatur statt iudicium adpellatorium, wobei die Endung -orius an sich auch für Cicero vorstellbar sei). Bei der Auswahl der richtigen Formulierung ist für Scheller also letztlich der Adressat entscheidend: Jedoch kommts auch hier oft darauf an, mit wem man zu thun hat. Schreibt man an jemanden, der kein anders als ciceronisches Latein hören und lesen mag, und dessen Gunst man sich also dadurch erwerben kann, so umschreibe man das Wort, so gut man kann, mit ciceronischen Worten. Scheller 1805, Vorrede zur ersten Auflage 1784: IV

Auch bei Städten zieht Scheller die Deutlichkeit der strikten Latinisierung vor: Eisenberg solle lieber Eisenberga und nicht etwa Ferrimontium genannt werden. Wie Scheller zieht auch Bauer 1798 bei geographischen Angaben Genauigkeit dem Korrekten vor: „Es verderbt auch die Latinität nicht, und ist vielleicht verständlicher, Dortmundum für Tremonia zu schreiben.“96 Dies erinnert im Übrigen an Lorenzo Vallas Art, das moderne Florentia an die Stelle von Fluentia oder Ferrara für Forum Arrii zu setzen.97 Entscheidend für Valla wie für Scheller ist der Gedanke des aptum, also der Ausrichtung an der Situation und am Adressaten. Könne allgemeine Bekanntheit des Namens vorausgesetzt werden, solle der latinisierte Name aus Höflichkeit verwendet werden (Lipsia für Leipzig, Berolinum für Berlin usw.), so Scheller. Ansonsten erfolge die Bildung von Städtenamen am leichtesten durch -a und -um (zugehörig zu urbs bzw. oppidum). Einer Analogiebildung zu großen Städten zufolge würden die lateinischen Endungen -berga, -burgum, -inum, -emium, -einium für Städte auf -berg, -burg, -in, -eim, -ein gelten (Heidelberga, Altenburgum, Stettinum, Manhemium, Ravensteinium usw.). Auch bei Flüssen seien Endungen auf -us (manchmal -um wegen flumen) oder -a üblich, außer bei alt tradierten Namen (Albis für Elbe, an sich würde auch Elba oder Elbus gehen).

|| 95 Scheller 1805, Vorrede zur ersten Auflage 1784: IV. Das bei Sueton vorkommende Wort amanuensis kommt beim einschlägigen Artikel Secretär (II: 2562) allerdings ebensowenig vor wie scriba (dies letztere nur unter Schreiber [II: 2515]). 96 Bauer 1798, Vorrede: 3v. 97 Vgl. Robert 2011: 12.

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Auch bei Eigennamen von Menschen möge Deutlichkeit vorherrschen: Früher übliche, vom Namensträger selbst vorgenommene Latinisierungen, wie Pistorius98 für jemanden, der Bäcker heißt, würden den Namen verunkenntlichen. Ebenso möchte Scheller deutsche Vornamen auch im Lateinischen unverändert beibehalten (etwa Gottlieb oder Ehrenfried). Wer einen Barbarismus fürchte, könne einfach ein us anhängen, so Scheller, auch wenn er dann temperamentvoll dagegen anschreibt, Namen in einer Fremdsprache zu verändern. Denn die Römer hätten dies mit fremden, griechischen Eigennamen auch nicht getan. Folglich hätten sie griechische Namen nicht mit lateinischen Endungen versehen, wie Scheller mit Beispielen von Fehlerhaftem veranschaulicht (Xenophonius, Lysiasius, Socratesius, Hannibalius, Hasdrubalius usw.), sondern diese Namen in ihrer ursprünglichen Form beibehalten (also Xenophon, Lysias, Socrates, Hannibal, Hasdrubal).99 Die Beispiele sprechen punktuell für die Stichhaltigkeit der Annahme, dass das Lateinische umso weniger auf die klassische Latinität eingeengt wird, als die Lebendigkeit der Lateintradition einer Gesellschaft wächst. Allerdings ist hinzuzufügen: Schellers praktischer Ansatz und sein realistischer und geradezu moderner Blick für den Adressaten und die Gebrauchssituation hat sicherlich eine Ausnahmestellung unter den deutsch-lateinischen Lexikographen. Nirgendwo sonst findet man so häufig den Hinweis, dass man das den Römern unbekannte Wort auch beim Hinübersetzen beibehalten sollte, wie oben zu sehen war („Bataillon, ist vielleicht am deutlichsten durch ein neues Wort batalio zu übersetzen“ usw.). Dem entspricht, dass Scheller Latein noch als einen durchaus wichtigen und lebendigen Teil gesellschaftlicher Kommunikation darstellen kann, ja dies sogar sein wichtigstes Argument für Lateinschreiben und -sprechen ist (s.o. Kap. 4.2). Da Scheller den aktiven Gebrauch des Lateinischen vor allem unter Gelehrten, aber beispielsweise auch in der Verwaltung als weiterhin nützlich und notwendig erachtet, ist es leicht zu verstehen, warum er bei manchem Purismus (etwa bei Brille, s.o.) derartige Begriffe wie regimentum u.ä. konzediert. Situationen, in denen zu ent|| 98 Pistorius ist nur das Adjektiv zu pistor (Bäcker). Es handelt sich dabei um eine „hyperlateinische Bildung, bei der das Suffix -ius an eine bereits übersetzte Form [pistor] angehängt wurde“, Rita Heuser: Pistorius. In: Digitales Familiennamenwörterbuch Deutschlands. [Unter: ; letzter Zugriff: 24.4.2022]. 99 Das Thema der Eigennamen scheint Scheller ein wichtiges Anliegen gewesen zu sein, greift er es doch in der Vorrede sowohl zur ersten als auch zur zweiten Auflage angriffslustig auf: Es sei inkonsequent, im Deutschen Horaz (statt Horatius) zu sagen, aber Plautus und Livius (statt Plaut und Liv). Um die Vermeidung der lateinischen Endung -us bei lateinischen Eigennamen im Deutschen weiter ad absurdum zu führen, fordert Scheller auch die konsequente Vermeidung weiterer Endungen wie -os, -o, -es und -a usw. Es folgt eine Reihe von Beispielen, z.B. Cicer statt Cicero usw. Abgekürzte Namen würden ja ohnehin nur eine Vertraulichkeit zu den nicht gelesenen Werken des Horaz oder Vergil vortäuschen (wie eben die preußischen Soldaten zum König Fritz gesagt hätten). All dies sei eine reine „Grammatomanie (d. i. Buchstabensucht)“ (Scheller 1805, Vorrede zur zweiten Auflage 1789: XXVI).

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scheiden gilt, jemanden mit secretarius oder mit scriba anzureden, zeigen, welche Bedeutung der Gebrauch des Lateinischen in den Augen Schellers für die zeitgenössische Gesellschaft noch hatte. Wo Latein in gewissem Maße noch aktiv betrieben wird, ist eben am wichtigsten, verstanden zu werden, und das heißt, immer möglichst eindeutig zu schreiben.

5.4.3 ‚Der Scheller‘ – Das Handlexicon Das erfolgreichste Wörterbuch aus Schellers Feder aber war ein Auszug aus seinem ausführlichen Lexikon, nämlich das lateinisch-deutsche und deutsch-lateinische Handlexicon (zuerst 1792). Es war für lange Zeit das an Schulen meistgebrauchte Wörterbuch und wurde später von Georg Heinrich Lünemann und Karl Ernst Georges oft bearbeitet (s.u. auch die Bearbeitungen für österreichische Schulen von Schönberger). Es ist mit den Werken von Georges dergestalt auch heute noch im Gebrauch, auch wenn man das von Scheller gelegte Fundament weder nominell noch substanziell wiedererkennen kann. Das Ausführliche lateinisch-deutsche Handwörterbuch (1913/1918) und das Kleine deutsch-lateinische Handwörterbuch (1910) von Karl Ernst Georges (fortgeführt von Sohn Heinrich Georges) stehen inzwischen nicht nur als Digitalisat, sondern auch als durchsuchbare Elemente, etwa auf der Plattform zeno.org, zur Verfügung. Der unmittelbare oder mittelbare Einfluss Schellers lässt sich bis in die englische, französische, italienische und sogar in die ungarische Lexikographie verfolgen.100 In Italien wird die Übersetzung des Kleinen lateinisch-deutschen Wörterbuchs von Georges durch Ferruccio Calonghi (zuerst 1891) nach wie vor verwendet.101 Hellmann hält fest: „Weder die deutsch-lateinischen Wörterbücher von Georges (letzte Auflage 1882) noch seine Schulwörterbücher in den beiden Richtungen [...] haben sich – ihrem jahrzehntelangen Erfolg unbenommen – in vergleichbarem Maße durchgesetzt.“102 Die oben dargestellte sprachliche Ausrichtung behält Scheller auch im Handlexicon bei. Im Grunde stellt das Handlexicon einen Auszug aus dem ausführlichen Wörterbuch (s.o.) für Schulzwecke dar: Die Artikel entstanden durch Kürzung. Daher sind auch viele unnötig erscheinende Angaben (ut dicitur usw.) gestrichen. Die Angabe von Genitiv und Geschlecht der Substantive ist erst seit der Ausgabe von Lünemann (1817) üblich, etwa „Schreibpapier, charta scriptoria, ae, f.“103

|| 100 Vgl. Krömer 1991; Bakos 1991: 2376. 101 Vgl. Hellmann 2002: 55, der von der Übersetzung des Ausführlichen lateinisch-deutschen Handwörterbuchs auszugehen scheint. 102 Hellmann 2002: 55. 103 Scheller/Lünemann 31817: 687.

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Das Wörterbuch berücksichtigt, so schreibt Scheller in der Vorrede der ersten Auflage von 1792,104 hauptsächlich die Schulen. Da die Themen der Stilübungstexte von Lehrer zu Lehrer variieren würden, habe er auch Wörter berücksichtigt, die nicht ein jeder brauche, z.B. Namen von Pflanzen, Tieren oder Städten. Scheller gibt im folgenden Teil dem Lehrer einige Ratschläge für die Didaktik des Lateinschreibens, die die Erfahrung als Lateinlehrer durchscheinen lassen. Zum Beispiel sollen zunächst wörtliche Übersetzungen (nescio für ich weiß nicht) eingeprägt werden, bevor man auf vermeintlich elegantere Varianten (me fugit usw.) hinweist. Oder man fange mit den Übersetzungen ins Lateinische nicht vor einer gewissen grammatikalischen Kenntnis der Schüler an. Allmählich solle der Schüler ausgehend vom strengen Konstruieren in der festen Reihenfolge Subjekt, Prädikat usw. an das Schreiben ex tempore (also ohne das Diktat des deutschen Textes) herangeführt werden u.ä. In der Vorrede der zweiten Auflage (1796) weist Scheller die Schüler an, die einzelnen lateinischen Entsprechungen im lateinisch-deutschen Wörterbuch nachzuschlagen, um Genaueres über den Kontext und den Gebrauch bei Autoren der Goldenen Zeit zu erfahren. Im deutsch-lateinischen Teil sind nämlich keine Stellen oder Autoren angegeben, ebensowenig wie im ausführlicheren Wörterbuch Schellers. Wie Jonathan West (2001) in seiner linguistischen Pionieruntersuchung des deutschen Wortschatzes bei Scheller festgestellt hat, lässt sich das lexikographische Vorgehen Schellers (Beispiele nach Scheller/Lünemann 31817) in drei Kategorien einteilen. (1.) Das deutsche Lemma wird direkt ins Lateinische übertragen, z.B. „Abenddämmerung, crepusculum“ (2) oder „Abfließen, defluere; demanare“ (3). Hier erscheint Scheller eine weitere Erklärung nicht nötig zu sein. (2.) Das Lemma wird zuerst nach verschiedenen Bedeutungen aufgteilt und erst hiernach übersetzt, z.B. „Abkommen (das), 1) vom Wege, aberratio, onis, f. 2) Vergleich, pactum, i, n; conventum, i, n. treffen mit Jemanden pacisci (oder convenire) cum aliquo“ (6). Hier berücksichtigt der Autor die verschiedenen Bedeutungen des deutschen Wortes – der Polysemie hat Scheller seinen eigenen Angaben zufolge viel Aufmerksamkeit gewidmet. Dann folgen unterschiedliche lateinische Äquivalente. Auch unbekanntere oder unüblichere Wörter könnten auf diese Weise, so West, erläutert werden, z.B. „Kälberzahn, in der Baukunst, denticulus, i, m.“ (439). (3.) Das Lemma wird nicht übersetzt, der Leser auf ein anderes Lemma verwiesen, wo er einen Eintrag in Form von Kategorie (1.) oder (2.) finden kann, z.B. „Rüstbaum, 1) Rüster, Ulmbaum. 2) Baum des Gerüstes, etwa scapus, i, m.“ (650); „Rüster, 1) Ulmbaum, ulmus, i, f. 2) ein Fleck, lacinia, ae, f.“ (ebd.); „Ulme, Ulmbaum, ulmus. i, f.“ (789).

|| 104 Abgedruckt in der ersten von Lünemann bearbeiteten Auflage von 1807.

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Der Grund hierfür liegt für West darin, dass der Autor das Lemma als weniger bekannt einstufen wolle, um so durch das Lemma, auf das verwiesen wird, an das passende lateinische Wort zu kommen. Ein anderer Grund könnte nach Wests Annahme sein, dass der Lexikograph damit sogar eine normative Aussage treffen wolle, nämlich dass das deutsche Lemma, auf das verwiesen wird, die von ihm bevorzugte Form sei.105 Weitere Gründe könnten sein, dass er auf eine andere bekanntere oder von ihm bevorzugte Schreibung verweisen möchte, z.B. „Käule, s. Keule“ (439) oder dass er – so meine Beobachtung – schlicht Platz sparen will, wo doch eine doppelte Behandlung in derselben Spalte nicht notwendig ist. Jedenfalls seien die Lemmata der Kategorie (1.) im Vergleich zu den Lemmata der beiden anderen Kategorien in den Augen Schellers bzw. Lünemanns bevorzugt, weil sie kein weiteres Nachschlagen für den Leser bedeuten, so die plausible These von West. Die Verweisungen in der Kategorie (3.) werden regelmäßig mit den Abkürzungen s. oder i. e. vorgenommen. Beide führen den Leser zur bevorzugten Form. Lemmata mit dem Hinweis s. führen gewöhnlich zu Lemmata, die es noch einmal aufgreifen und dann übersetzen, z.B. „Dattelpalme, s. Dattelbaum“ (165); „Dattelbaum, Dattelpalme, palma, ae, f., od. Phoenix dactylifera, icis, ae, f. Linn.“ (ebd.). Alternativ kann s. auf ein Lemma verweisen, das wiederum durch i. e. erläutert wird, z.B. „Beständner, s. Beständer“ (112); „Beständer, Beständner, i. e. Pachter“ (ebd.) und schließlich: „Pachter, Pächter, redemtor; conductor, oris, m. der öffentlichen Einkünfte, publicanus, i, m.“ (595). Somit stehen „Pachter“ und „Pächter“ in der Hierarchie der Verweisungen ganz oben und sind die bevorzugten Formen der Lexikographen. Wörter, die hinter dem i. e. stehen, sind die in den Augen des Autors bekannteren Formen, weil sie nicht mehr weiter erklärt, sondern nur ins Lateinische übersetzt werden; Wörter hingegen, die vor dem i. e. stehen, sind in den Augen des Autors für den Leser erklärungsbedürftig, z.B. hier das süddeutsche oder österreichische „Beständer“. Artikel werden, so West weiter, nur gesetzt, um zwischen Lexemen oder zwischen Wortarten zu unterscheiden oder um das Geschlecht eines weniger unbekannteren Wortes anzugeben.106 Für weitere wichtige Beobachtungen bezüglich der Orthographie und die Bedeutung der dialektalen Formen und der Aussprache bei Scheller sei auf Wests Aufsatz verwiesen.107 Hier nur einige Details: 1. Scheller be-

|| 105 Vgl. West 2001: 182. 106 Beispiele: „Kiefer (der), i.e. Kinnbacken, maxilla, ae, f.“ und „Kiefer (die), 1) Kienbaum […]“ (beides 448). „Grünen, 1) grün seyn, virere […]“ und „Grünen (das), i. e. Grünseyn, viriditas, atis, f.“ (beides 326). „Regal (das), 1) Menschenstimme in der Orgel, vox humana, cis, ae, f. 2) Repositorium, repositorium, i, n.; loculi, orum, m.“ (634). 107 Selbst unter gebildeten Autoren des beginnenden 19. Jahrhunderts bestand keine Einheit in orthographischen Fragen (vgl. von Polenz 1999: 237–238). Scheller selbst ist sich der Uneinheitlichkeit der deutschen Orthographie um kurz vor 1800 durchaus bewusst, wie er in der Vorrede zur ersten Auflage seines ‚großen‘ Wörterbuchs von 1784 (in Scheller 31805: VII) feststellt. Eine Verein-

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vorzugt sowohl im Handlexicon als auch in seinem ausführlicheren Wörterbuch normalerweise die Endung -iren vor -ieren, also „Regieren, s. Regiren“108. 2. Bei Wörtern auf -ung verweist Scheller häufig auf den substantivierten Infinitiv, z.B. „Rächung s. Rächen“109 oder „Reinigung s. reinigen“110. 3. Die Verkleinerungsform -chen ist gegenüber den südlichen Formen bevorzugt, z.B. „Quartierchen, Quartierl, hemina, s. Quartier“ (622) oder „Rädlein, i.e. Rädchen“ (624). Insgesamt ist das Handlexicon laut West bestimmt „for a northern, perhaps even ECG/ELG [East Central German/East Low German] readership, but that it is open to southern forms“.111 Dies lässt sich plausibel mit Schellers Herkunft und Aufenthaltsorten in Sachsen und schließlich Schlesien in Einklang bringen. Das Urteil der zeitgenössischen Kritiker über den deutsch-lateinischen Teil des Handlexicons ist im Gegensatz zum lateinisch-deutschen Teil ungünstig ausgefallen. So schreibt etwa Kraft im Jahre 1823 (268): Scheller’s Deutsch Lat. Wb. hatte noch weniger Werth als Bauer’s Arbeit, wie allgemein bekannt ist. Es mochte wohl zu eilfertig abgefaßst seyn. Her. Rektor Lünemann in Göttingen suchte zwar bei den neuern Auflagen den Mängeln der ersten Arbeit abzuhelfen; doch konnten die großsen Blößsen nicht alle bedeckt u. die vielfachen Wünsche, die es übrig ließs, noch lange nicht alle erfüllt werden. Auch ist es schon seiner Anlage nach für junge Leute, welche etwas reichere Phraseologie suchen, durchaus nicht befriedigend.

|| heitlichung der Regeln der deutschen Orthographie sieht Scheller, gerade als Lexikograph, als dringliches Bedürfnis seiner Zeit an. „[D]enn eine wahre Orthographie, das ist, richtige Schreibart, die sich auf die Natur der Sprache und überall festgesetzte Regeln gründete, haben wir noch nicht. Itzt schreibt jeder orthographisch, der dem Beyspiele der meisten Schriftsteller folgt [...], folglich ist es nur eine conventionelle Orthographie“ (a.a.O, Fußnote). Auch Adelung halte sich nicht an eine feste Regel, sondern schreibe in seinem Wörterbuch die Wörter einmal nach dem Kriterium der Etymologie, einmal nach dem der Aussprache (z.B. Papst statt dem üblichen Pabst sowie England statt dem etymologisch angeblich korrekteren Aengelland). Er kritisiert außerdem diverse schnelllebige Modewörter (z.B. mit -ent zusammengesetzte Wörter). Viele weitere Details zur Orthographie und deutschen Sprache, die Scheller zum Teil mit großer Vehemenz und Angriffslust vorträgt, folgen. Somit wird deutlich, dass Scheller eine gewisse – wenn auch nicht vertiefte – ‚German agenda‘ verfolgte (vgl. West 2001: 180, der in seinem Aufsatz aus der Sicht des Germanisten anhand der verschiedenartigen Abfassung der Lemmata der Buchstaben Q und R des deutsch-lateinischen Handlexicons – also rein implizit – die linguistische Einstellung Schellers verdienstvoll herausgefiltert hat). 108 Scheller 31805, II: 2320, vgl. Scheller/Lünemann 31817: 635. „Frisiren“ ist in Scheller 21789: 818 (auch in Scheller/Lünemann 31817: 262) noch mit kurzem -i-, in Scheller 31805, I: 1012 mit langem -ie- geschrieben. „Frieren“ (Scheller 31805, I: 1011; mhd. vriesen) ist immer mit -ie- geschrieben. 109 Scheller/Lünemann 31817: 624. 110 Scheller/Lünemann 31817: 638. Dagegen hat „Nutzung“ einen eigenen Eintrag (Scheller/Lünemann 31817: 584). 111 West 2001: 188.

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Selbst Lünemann, der Bearbeiter des Handlexicons, hatte in der Vorrede zur Ausgabe von 1807, also zur ersten von ihm durchgeführten Bearbeitung, über den deutsch-lateinischen Teil Schellers geurteilt: „Jedermann weiß es, von welchen Unvollkommenheiten dieser Theil des Wörterbuches voll ist, und ich brauche daher keinesweges Beweise für diese Behauptung anzuführen.“ Da „die Stimmen der Humanisten gar nicht darüber getheilt sind, daß gerade hier die schwächste Seite des Herrn Verfassers anzutreffen sey“, müsse er auch diesen Teil „einer strengern Revision“ unterwerfen.112 Auch nach den Verbesserungen durch Lünemann ändert Kraft (1843) nichts an seinem obigen Urteil: „Wie duerftig und mager Scheller’s Lexikon in seiner frueheren Gestalt und selbst nach Luenemann’s Bearbeitung war, ist allgemein bekannt.“113 Erst durch die jahrzehntelange Bearbeitung durch Lünemann (s.u. auch Kap. 5.9), Karl Ernst Georges und Heinrich Georges wurden diese Mängel beseitigt, und es entstanden mit Georges 1882 und Georges 1910 schließlich Wörterbücher, die für Generationen von Philologen und Schülern zu Hilfsmitteln erster Wahl wurden.

5.4.4 Franz Xaver Schönbergers ‚Österreichischer Scheller‘ – Ein unvollendetes Werk Ein ebenso aufschlussreicher wie kurioser Sonderfall ist die Bearbeitung des Scheller’schen Handlexicons für ‚österreichische Zwecke‘. Dies nicht nur weil wir damit das bisher wohl einzige deutsch-lateinische Wörterbuch aus Österreich in Händen halten, sondern auch, weil es offenbar gar keine Bearbeitung ist: Dass es eine sei, wird dennoch durch den Titel suggeriert und in den einleitenden Worten der verschiedenen Auflagen (drei erlebte das Werk insgesamt) vorgegeben. Der Titel der ersten beiden Auflagen lautet (Hervorhebung durch J.I.): Imm. Joh. Gerh. Schellers lateinisch-deutsches und deutsch-lateinisches Hand-Lexikon vornehmlich für Schulen, von neuem durchgesehen, verbessert und vermehrt durch G. H. Lünemann, […], zu einem allgemeineren Gebrauche mit beträchtlichen Vermehrungen herausgegeben von Franz Xaver Schönberger […], Dritter Band, oder deutsch-lateinischer Theil. Wien und Triest, Im Verlage der Geistinger’schen Buchhandlung. 1820 bzw. Wien, 1838. Im Verlage bei Rudolf Sammer.

Greift man jedoch den deutsch-lateinischen Wortschatz im dritten Band der Schönbergerschen ‚Bearbeitung‘ heraus und vergleicht ihn mit der Vorlage (Schel-

|| 112 Scheller/Lünemann 1807, Vorrede: III. 113 Kraft 41843, Vorrede zur vierten Auflage: VII.

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ler/Lünemann 31817), findet man erstaunlicherweise nicht die geringste substanzielle Änderung, lediglich formale Unterschiede lassen sich feststellen. Für den Vergleich des deutsch-lateinischen Wortschatzes wurden Schönberger 3 1842 und Scheller/Lünemann 31817 herangezogen. Formale Unterschiede zu Scheller/Lünemann 31817 sind: statt z. E. steht z. B.; Interpunktion oft abweichend (Semikolon statt Punkt, eckige Klammern statt runde Klammern); keine Verkürzungen wie ins oder andre; zusammengesetzte Wörter sind oft mit Bindestrich getrennt (Kirchen-Instrument statt Kircheninstrument, nicht aber bei Kirchenlatein oder Kirchenmusik); manchmal fehlen die Markierungen von kurzen Silben, z.B. bei Waldhornist (cornicen statt cornĭcen). Beim stichprobenartigen Vergleich zwischen der ersten und der dritten Auflage von Schönberger (11820 und 31842) ließen sich außer formalen Unterschieden keine Abweichungen feststellen. Insgesamt sind die Buchstaben in Schönberger 31842 deutlich enger gedruckt als noch in Schönberger 11820 oder Scheller/Lünemann 3 1817. Daher kommt die dritte Auflage mit nur 852 Seiten aus, während die erste noch 1054 hat. Beide Auflagen sind zweispaltig, doch die dritte Auflage trennt die beiden Spalten durch einen Strich. Der lateinisch-deutsche (!) Teil wurde aber tatsächlich entsprechend dem Titel („zu einem allgemeineren Gebrauche mit beträchtlichen Vermehrungen herausgegeben“) bearbeitet. Ein Vergleich des lateinisch-deutschen Teils von Scheller/Lünemann 31817 und Schönberger 11820 zeigt, dass viele Lemmata hinzugekommen sind (Arnica, Cabala, I (als Buchstabe), I (als Imperativ), Ia, Iabora usw.). Außerdem finden sich wie im deutsch-lateinischen Teil formale Unterschiede. Bei ähnlichem Druckbild ist bei Schönberger der Buchstabe E um 14 Seiten erweitert (Scheller/Lünemann: 71 Seiten; Schönberger 85 Seiten). Allein auf den ersten eineinhalb Seiten von E sind folgende Lemmata in Schönberger 1820 neu: Ĕāmpse, Ĕănon, Ĕānus, Ĕāntis, Ĕār, Ēbācchor, Ēbaēpălītis114, Ēbĕātus, Ĕbĕnĕus, Ĕbĕnŏtrĭchon, Ĕbīscus, Ēblāna, Ēbŏdĭa, Ĕbor, Ebōra, Ĕbŏrācēnsis, Ĕbŏrăcum, Ĕbŏrĭcae, Ĕbŏrŏdūnum, Ĕbraēus, Ēbrĭa, Ēbrĭăcus, Ēbrĭcŭlo. Auffällig dabei ist die Abhängigkeit von Kirsch 1774: All diese Lemmata sind von dort oft eins zu eins übernommen (außer die fehlenden Ĕärītes, Ēběo, Ēblāndītus [wohl in Ēblāndĭor als enthalten gesehen]). Ähnlich verhält es sich beim Buchstaben R. Über die lexikographische Vorgehensweise lässt sich also sagen: Nach der Übernahme der Lemmata aus Scheller/Lünemann wurden die meisten der fehlenden Lemmata aus Kirsch 1774 hinzugefügt. Weitere Vergleiche könnten die Abhängigkeiten der Auflage von 1842 klären, in deren Titel Scheller, Kraft, Lünemann und Kirschius genannt werden. Die Tatsache, dass Schönbergers Nachdruck von 1820 zu nicht unerheblichen rechtlichen Auseinandersetzungen zwischen den beiden herausgebenden Verlagen || 114 D.h. Rosmarin, vgl. Kirsch 1774: 975 mit kurzem Anlaut Ĕ-.

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‒ sogar unter Einbindung von diplomatischen Kanälen ‒ geführt hat, zeigt, wie relevant die deutsch-lateinischen Wörterbücher und gerade auch Schellers lexikographisches Opus zumindest für den Schulbüchermarkt waren. Zumindest aber steckt darin ein Stück österreichischer Kulturgeschichte. Von den Streitigkeiten zwischen den Verlagsbuchhandlungen Hahn (Leipzig), Verleger des Handlexicons von Scheller seit der Auflage von 1812, und Sammer (Wien), Verleger der zweiten und dritten Auflage (1838 bzw. 1842) der von Schönberger edierten Fassung, berichtet die kriminologische Fachzeitschrift Annalen der deutschen und ausländischen Criminal-Rechtspflege115. Es geht um die damals virulente Frage, woran zu erkennen sei, ob ein Nachdruck oder lediglich eine Nachbildung eines literarischen Werkes vorliegt. Die Rechtslücken, die zu dieser Zeit bestanden, werden in den Annalen am aktuellen Fall des ‚Österreichischen Scheller‘ illustriert. Das Problem des Umgangs mit Nachdruck war vom Wiener Kongress noch nicht gelöst worden. Erst mit dem Bundesbeschluß des Deutschen Bundes vom 9. November 1837 – „Markstein für die Geschichte des Urheberrechts in Deutschland“116 – entstand eine Grundlage für den Kampf gegen illegalen Nachdruck. Der Fall zeigt jedoch die weiter bestehenden Unsicherheiten: Die Hahn’sche Verlagsbuchhandlung fühlte sich durch die Österreichischen Editionen ins Unrecht gesetzt und initiierte eine über nicht näher beschriebene diplomatische Wege kommunizierte Anfrage an die österreichischen Behörden, um ein Verbot des Nachdrucks zu erlangen: Die Verlagshandlung in Leipzig erreichte es, daß durch ihre Regierung auf diplomatischem Wege eine Verwendung für Veranlassung eines „Verbots und nach Befinden [sc. eines Nachdrucks,] der Confiscation“ des in Rede stehenden Nachdrucks eintrat, wobei auf die Anwendung des Bundesbeschlusses vom 9. Nov. 1837 [sc. gegen den Nachdruck] Bezug genommen wurde. Demme 1840: 432

Bei der beklagten Ausgabe handelt es sich um die zweite Auflage, die nach dem finanziellen Ruin des Geistinger’schen Verlags bei Sammer im Jahre 1838 erschien. Ob Hahn schon gegen die erste Auflage von 1820 gegen Geistinger Beschwerde eingelegt hat, ist mir bisher nicht bekannt. Daraufhin reagierte Wien folgendermaßen (Hervorhebung durch J.I.): Die K. K. Oesterreichische Haus-, Hof- und Staatskanzlei ließ die Sache untersuchen, und fand sich, nachdem dies geschehen, zu der Rückäußerung veranlaßt: „das erschienene Lexikon sei kein wörtlicher Abdruck des Scheller-Lünemann’schen Lexikons, sondern von dem Heraus-

|| 115 Es handelt sich um ein Zitat aus der Allgemeinen Preß-Zeitung (erschienen 1840–1845), hier Nr. 57 und 58 (wahrscheinlich 1840, hg. von Julius Eduard Hitzig) durch Wilhelm Ludwig Demme (1840) in den Annalen der deutschen und ausländischen Criminal-Rechtspflege. 116 Wadle 1989, hier: 189.

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geber etc. Schönberger zu einem allgemeinen Schullexikon für die K. K. Oesterreichischen Staaten umgestaltet worden u. s. w. Es sei daher der betreffenden inländischen Behörde unmöglich gewesen aus Anlaß der ihr keinesweges gegründet [!] erscheinenden Klage der Hahn’schen Buchhandlung rücksichtlich des von dem Wiener Buchhändler Sammer bezielten [!] Wiederabdrucks (!!) des von Schönberger umgearbeiteten ursprünglich Scheller’schen Lexikons eine diesen Abdruck einstellende Verfügung zu erlassen. Dieselbe habe um auch jeden Anlaß zu einer Beschwerde zu beseitigen, sich nur auf die Anordnung beschränken können, daß bei der in Frage stehenden Wiederauflage jede Beziehung auf das Originalwerk vermieden, und ein der selbständigen Bearbeitung entsprechender Titel gewählt werde.“ Demme 1840: 432

Der hervorgehobene Teil des Zitats ist sinngemäß aus Schönbergers Widmung von 1820 entnommen (s.u.).117 Die Annalen der deutschen und ausländischen CriminalRechtspflege werten diese Antwort als Aussetzen einer „Prämie […] auf den Diebstahl, der sich zu verbergen wisse“118 und warnen: Der K. K. Oestr. Staat werde doch ein solches spartanisches [d. h. wohl rauhes, kriegerisches, den kulturellen Gepflogenheiten nicht gewachsenes] Element nicht unter seine Regierungsmaximen aufnehmen wollen.

Eine Strafe für die Verwendung von Schellers Namen wäre doch das Mindeste gewesen: Wenigstens hätte man in Wien so consequent sein sollen, die Nennung von Scheller’s Namen auf dem Titel der jetzt noch im Handel seienden Ausgabe zu bestrafen und wenigstens den Umdruck des Titelbogens anzuordnen.

Zu einem anderen Ergebnis kommt der Rechtsconsulent des Vereins der deutschen Buchhändlerbörse zu Leipzig, Dr. Schellwitz, der der österreichischen Regierung rechtsgemäßes Vorgehen bescheinigt. Die Veranlassung, „jede Beziehung auf das Orignalwerk [!], also auf Scheller und Lünemann, zu vermeiden, und einen der selbständigen Bearbeitung Schönbergers entsprechenden Titel zu wählen“119, genüge vollständig. Schellwitz sieht zwar in Sammlungen, Handbüchern u.ä. meist nur „schamlose Plagiate“, doch würden Wörterbücher einen Sonderfall bilden, was der Rechtsconsulent im Folgenden treffend zusammenfasst: Allein bei lexikographischen Werken, wo unbedingt ein Schriftsteller auf den Schultern des andern steht, und wo ein bedeutender Inhalt mit Nothwendigkeit gleichlautend sein muß, wird der Nachweis des Plagiats unter allen Umständen höchst schwierig bleiben, und ohne die Entscheidung von Sachverständigen niemals ein gültiges Urtheil sich fällen lassen. Demme 1840: 433

|| 117 Schönberger 1820, Widmung, Erster Band. 118 Demme 1840: 432–433. 119 Demme 1840: 433.

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Diese an sich korrekte Einschätzung lexikographischer Tätigkeit rechtfertigt natürlich in keinerlei Weise die unrechtmäßige Aneignung eines ganzen Wörterbuchs. Die einzige Konsequenz für den Wiener Verlag bestand jedenfalls nur in der Auflage durch die österreichischen Behörden, den Titel bei zukünftigen Auflagen abzuändern. Dieser lautete dann in der dritten Auflage von 1842 tatsächlich (Hervorhebung durch J.I.): Neuestes lateinisch-deutsches und deutsch-lateinisches Hand-Lexikon zum Schul- und Geschäftsgebrauche. Nach den besten Quellen der vorzüglichsten Werke von Scheller, Kraft, Lünemann, Kirschius u. m. a., bearbeitet durch Franz Xaver Schönberger, […] Letzte, sorgfältigst durchgesehene und verbesserte Auflage. Mit einem Vorberichte von Em[merich] Th[omas] Hohler. Dritter Band. Deutsch-lateinisch. […] Wien, 1842. Im Verlage bei Rudolf Sammer. In Commission bei A. G. Liebeskind in Leipzig.

Dass es sich aber beim deutsch-lateinischen Teil um einen unveränderten Nachdruck handelt, geht daraus weiterhin nicht hervor. Es stellen sich nun folgende Fragen: Warum hat Schönberger den deutsch-lateinischen Teil nicht bearbeitet? Und wie konnte es zu einer solchen Manipulation des Verlegers kommen? Schönberger, der verantwortliche Herausgeber, hatte keinen Anteil mehr an den rechtlichen Auseinandersetzungen, da er bereits im Jahr der Herausgabe der ersten Auflage (1820) verstarb. Franz Xaver Schönberger (geboren 1754 in Pressburg, verstorben 1820 in Wien) war Mitglied des Schulordens der Piaristen, Direktor des kaiserlich-königlichen Konviktes in Wien – dessen Schüler u.a. auch Franz Schubert (1797‒1828) einige Jahre lang war – und Vizedirektor der Gymnasialschulen in Niederösterreich.120 Lexikographisch hervorgetan hatte sich Schönberger schon vor dem lateinischen Wörterbuch mit der Bearbeitung des Adelungschen Wörterbuchs (1808/1811).121 Die Vorworte zum lateinischen Wörterbuch Schönbergers sind nicht von Scheller übernommen worden. Gerade wegen der erwähnten Umstände lohnt es sich, diese zu lesen,122 geben sie doch auch einen authentischen Einblick in das Lateinverständnis des österreichischen Kaiserreichs, das deutlich länger vom Lateinischen geprägt war als die anderen deutschsprachigen Staaten.123 Zudem lassen die Vorworte Rückschlüsse über das bereits erwähnte konfessionelle Ungleichgewicht zu,

|| 120 Zur wichtigen Rolle der Piaristen im österreichischen Schulwesen s. Paulsen 1921: 113–115. 121 Johann Christoph Adelung: Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart […] Mit D. [Dietrich] W. [Wilhem] Soltau‘s Beyträgen revidiert und berichtigt von Franz Xaver Schönberger. 4 Bände. Wien: Pichler, 1808 und 1811. 122 Im Folgenden werden die Vorworte der ersten und dritten Auflage (1820 bzw. 1842) besprochen. Die zweite Auflage von 1838 war mir nicht zugänglich. 123 Zum Lateinunterricht in Österreich vgl. Eckstein 1887: 128. Eine Abhandlung über dieses interessante Thema ist mir jedoch bislang nicht geläufig. Die bisher spärlichen Hinweise sind weiter unten zusammengetragen.

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handelt es sich beim Herausgeber und Bearbeiter des Lexikons doch um einen der wenigen katholischen Autoren deutsch-lateinischer Wörterbücher, noch dazu um einen der führenden Schulmänner Österreichs der damaligen Zeit. Laut den Angaben von Herausgeber Schönberger zur ersten Auflage im Jahr 1820 (zugleich auch sein Todesjahr) plante Verleger Joseph Geistinger124 zunächst, „Schellers Schul-Lexikon für die Österreichischen Staaten abdrucken zu lassen“125. Doch Schönberger habe ihm geraten, das Werk für die österreichischen Bedürfnisse zu überarbeiten. Schönberger selbst übernahm dies für die erste Auflage, wie er schreibt, zwar nicht eigenhändig, obgleich sich nur sein Name auf dem Titelblatt und unter dem Vorwort findet; er habe aber als Herausgeber den Plan (s.u.) ausgearbeitet. Wer das Werk nach seinem Tod betreut hat, ist genauso unklar wie die Frage, wer in der ersten Auflage seine Mitarbeiter waren. Das Vorwort zur ersten Auflage ist auf den 30. September 1817 datiert, was wohl bedeutet, dass der Druck ursprünglich für 1818 geplant war. Erschienen ist die erste Auflage aber erst 1820. Das Vorwort von 1817 sollte nur ein vorläufiges sein, denn es sollte eine weitere Vorrede dem dritten Band mit dem deutsch-lateinischen Teil vorangestellt sein. Dazu aber kam es nicht mehr. Schönberger verstarb am 20. Januar 1820, ohne – wie vielleicht von ihm erhofft – den deutsch-lateinischen Teil bearbeiten zu können. Dann aber bleibt die Frage ungeklärt, warum nicht die Mitarbeiter von Schönberger diesen Teil substanziell bearbeitet haben oder warum durch den Verleger Geistinger oder später von Sammer kein neuer Bearbeiter gesucht wurde. Aus Sicht Schönbergers lässt sich von einem unvollendeten Werk sprechen. Der kommerziell interessierte Verleger jedoch muss sich ein ‚Plagiat‘ vorwerfen lassen. Sicherlich ohne Schönbergers Einwilligung druckt Geistinger noch 1820 nicht nur den fertig redigierten lateinisch-deutschen Teil, wie oben beschrieben, sondern auch mit krimineller Energie den deutsch-lateinischen, als hätte Schönberger auch ihn bearbeitet.126 Schönbergers Plan jedenfalls wird in der Widmung und im Vorwort zur ersten Auflage kurz erläutert. Um ein „Schul-Lexikon für die Österreichischen Staaten“ zu schaffen, bedurfte es einiger handfester Änderungen in der Anlage des Originalwerks: Diese beträfen die Auswahl der lateinischen Wörter nicht nur aus klassischer, sondern auch aus mittelalterlicher Zeit sowie den erweiterten Adressatenkreis, nämlich neben Schülern und Studenten auch Geschäftstreibende.

|| 124 Rauscher 1942; digitaler Eintrag zu Geistinger. [Unter: ; letzter Zugriff: 25.4.2022]. 125 Schönberger 1820, Vorwort von 1817, Erster Band: VII. Gemeint ist wohl das Handlexicon in der Bearbeitung von Lünemann: Leipzig: Hahn, 31817 (weitere Möglichkeiten: Leipzig: Fritsch, 1807; Wien: Bauer, 1807; Leipzig: Hahn, 21812). 126 Ich danke W. Stroh für die detektivische Hilfe bei der Rekonstruktion dieses Falls.

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Abb. 20: Joseph Eißner (1788–1861), Kupferstich von Franz Xaver Schönberger (1754–1820) (oval, 8°), Porträtsammlung der Österreichischen Nationalbibliothek Wien, PORT_00094176_03. Unter dem Porträt steht zu lesen: Jos. Eisner del. et sculp. [delineavit et sculpsit] || Franciscus Schoenberger | e scholis piis | A. A. L. L. [Artium Liberalium] et Philosophiae Doctor, Facultatis | Philosophicae Decanus emeritus, C. R. [= Caesario-Regii] Convictus | Director, et Studiorum Humaniorum per Austriam | inferiorem Vicedirector, natus Posonii in Hungaria | 25. Novembris 1754 | Obiit Viennae in Austria 20. Januarii 1820.

Zum lateinischen Wortschatz schreibt Schönberger (1820, Erster Band: V–VI) in der Widmung an den ehemaligen Rektor der Wiener Universität, Andreas Joseph Freyherrn von Stifft, Staats- und Conferenz-Rath des Österreichischen Kaisers ähnlich wie im Vorwort: Ich wollte dem Bedürfnisse, das schon lange gefühlt wird, abhelfen, und das Scheller’sche Hand-Lexikon zu einem in den Österreichischen Staaten brauchbaren Schul-Lexikon einrichten. Um aber den Nahmen [!] eines Schul-Lexikons in Österreich zu verdienen, mußte es die gangbarsten Worte der mittleren Latinität aufnehmen; da hier in den Schulen nicht bloß die classische Literatur, sondern auch die so genannten Facultäts-Studien, nämlich die philosophischen, medicinischen, theologischen und großen Theils auch die juridischen Wissenschaf-

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ten in lateinischer Sprache abgehandelt werden; wozu das Latein des mittleren Alters unentbehrlich ist.

Demnach reiche der klassische Wortschatz für den „wissenschaftlichen Gebrauche in den höheren Studien“ in Österreich nicht aus. Ein ordentliches österreichisches Wörterbuch müsse aber auch die Geschäftsleute berücksichtigen: Denn in den Österreichischen Staaten127 werden viele Geschäfte in lateinischer Sprache verhandelt, wozu die Kenntniß der lateinischen Sprache des Mittelalters unumgänglich nothwendig ist. Schönberger 1820, Vorwort von 1817, Erster Band: VIII

Eine weitere Adaption betrifft die Eigennamen von Städten und Flüssen: Auch dadurch glaubte ich der studierenden Jugend einen nützlichen Dienst zu erweisen, daß ich den alten Nahmen [!] der Städte, Flüsse u.s.w. die jetzige Benennung, die man auch in großen Wörterbüchern oft vergebens sucht, nach Möglichkeit beysetzte. Schönberger 1820, Widmung, Erster Band: VI

Gegen mögliche Kritik der Vermischung verschiedener lateinischer Stile ist Schönberger (1820, Vorwort von 1817, Erster Band: VIII) gewappnet: Dem Einwurfe, daß dadurch proletarisches mit classischem Latein vermengt ist, und mit diesem leicht verwechselt werden kann, wird dadurch begegnet, daß bey jedem Worte beygesetzt ist, wer sich desselben bedient habe. Die Schriftsteller der classischen Latinität sind, dem Nahmen [!] nach selbst Knaben zu bekannt, als daß sie über die Echtheit oder Unechtheit eines lateinischen Wortes in Verlegenheit gerathen sollten, wenn sie bey dem Einen Cicero, bey dem Andern Medici lesen. Daß man die jetzt fast täglich neugeschaffenen, und vielleicht noch neu zu schaffende lateinische unlateinische [sic!] Wörter, z. B. oxygatio u. d. m. nicht aufgenommen hat, darüber glaubt man sich nicht entschuldigen zu dürfen.

Die Änderungen bei der Auswahl der Wörter manifestieren sich also angeblich vor allem in der Vermehrung des lateinischen Wortschatzes. Neben den genannten ‚mittellateinischen‘ Wörtern kommen laut der Vorrede auch Wörter „bessern Alters“128 hinzu, die von Scheller und Lünemann allerdings weggelassen worden seien, wie z.B. arnica.129 Auch auf die geographischen Bezeichnungen sei besonders geachtet worden; neben den alten Namen fänden sich auch die zu Schönbergers Zeit gebräuchlichen Bezeichnungen, die in vielen Wörterbüchern übergangen wor-

|| 127 Gemeint sind sicherlich alle Gebiete, die zum Habsburger Reich gehörten, Österreich, Ungarn, Kroatien usw. 128 Schönberger 1820, Vorwort von 1817, Erster Band: VII. 129 Laut Schönberger 11820, I: 174 ist ārnīca (Mutterwurz) bei Plinius belegt. Kein Eintrag im ThLL.

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den seien. Das Beispiel aus dem Vorwort Cabo Trafalgar neben Junonis promontorium ist jedoch weder im Hauptteil noch im Register zu finden.130 Wie gesagt, ist von diesen Vorhaben nichts in den deutsch-lateinischen Teil eingegangen. Gerade dort wäre aber nach dem zitierten Plan die Umsetzung besonders sinnvoll gewesen. Auffällig einerseits ist, dass nur das Latein des Mittelalters hervorgehoben wird, während die vielen Jahrhunderte der Neolatinität ausgeblendet werden. Zum anderen erwähnt Schönberger die starke Stellung des Lateinischen als Wissenschaftssprache in Österreich. Laut Eckstein war die Unterrichtssprache an den österreichischen Schulen noch bis ins 19. Jahrhundert das Lateinische, selbst MathematikLehrbücher waren auf Latein geschrieben.131 Bis zu den Umbrüchen im Jahr 1848 hatte sich das österreichische Gymnasium auch nach der Auflösung des Jesuitenordens in Form und Methode der alten Lateinschule erhalten, „freilich ohne daß das alte Ziel mit gleicher Schärfe und gleichem Erfolge festgehalten worden wäre“.132 Der Lehrplan des Piaristen Gratian Marx (1720‒1810) sieht die vollständige Erlernung des Lateinischen vor, „hierzu [sei] die Uebung im Sprechen als unfehlbares Mittel zu erwählen“133. Unter Joseph II. (1765‒1790), der die Modernisierung des Staates und Reformen unter dem aufklärerischen Leitgedanken der Nützlichkeit einleitete, soll sich der Unterricht „auf praktische Aneignung der lateinischen Sprache ohne unnöthiges Regelwerk“ ausrichten; „[a]lle Scripta sind abzustellen“.134 Auch das Studium der Philosophie wurde der Forderung untergeordnet, man müsse gute Staatsbeamte heranziehen. Deshalb wurde für das bis zu diesem Zeitpunkt unangetastete Latein die deutsche Sprache als Unterrichtssprache in Philosophie eingeführt. Dem Lehrplan von 1805 galt der Lateinunterricht aber weiterhin als das „Haupt-Studium“ im schulischen Fächerkanon.135 Im Lehrplan von 1819 wird der Lateinunterricht zulasten der naturwissenschaftlich-historischen Fächer ausgedehnt.136 Erst mit dem Lehrplan von 1824 wird die Unterrichtssprache an den Schulen (außer in Latein) offiziell auf Deutsch festgelegt.137 || 130 Im Übrigen findet sich das für den zweiten Band angekündigte dt.-lat. Register zu den Geographika sowie der Römische Kalender erst am Ende des dritten Bandes. Ebenda findet sich eine Liste der lat. Verben. Eine für den dritten Band angekündigte Vorrede fehlt dort. 131 Vgl. Eckstein 1887: 128. 132 Cramer 1919: 55–56. 133 Zitiert nach Ficker 1873: 119. 134 Aus einer Instruction für Direktoren, Präfekten und Lehrer mit einer Literar- und DisciplinarOrdnung, zitiert nach Ficker 1873: 121. 135 Zitiert nach Ficker 1873: 126. 136 Vgl. Ficker 1873: 131. „Die mathematischen Lehrstunden bleiben der Zahl nach unverändert, jene der geographisch-historischen wird vermindert. Ein Unterricht in Geometrie, Naturgeschichte und Physik findet nicht mehr Statt [!]; nur sollen die lectiones latinae einen ganz populären naturwissenschaftlichen Lesestoff enthalten“ (zitiert nach Ficker 1873: 132). 137 Vgl. Ficker 1873: 133.

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Auch ist bekannt, dass das Lateinische in den ungarischen Teilen des Habsburgerreiches sogar noch bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts „als politisch neutrale Sprache nicht nur in der Verwaltung verwendet wurde, sondern auch als Sprache der gesellschaftlichen Eliten mit einem gewissen nationalen Selbstbewusstsein gebraucht wurde und noch bis in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg in weit höherem Maße geläufig war als im Rest Europas.“138 Oder literarisch formuliert: In Hungaria Latinae Litterae adeo frequentes, ut vix usquam magis.139 Die Statistik der Buchdrucke ergibt ebenfalls eine Dominanz des Lateinischen (so die Auswertung von Almási/Šubarić 2015: 4–5): Im Durchschnitt ist im 17. und 18. Jahrhundert etwa die Hälfte der Bücher im vielsprachigen Ungarn auf Latein gedruckt; in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts sind es sogar 60 Prozent. Danach folgen das Ungarische, Deutsche und andere Sprachen. Erst ab den 1770er-Jahren verändert sich die Lage zugunsten des Ungarischen. Die kolloquialen Fähigkeiten waren selbst bei Händlern oder bei Fahrpersonal weit verbreitet, das Lateinische ein echtes Kommunikationsmedium im polyglotten Königreich Ungarn.140 Das Lateinische war die Unterrichtssprache an höheren Bildungseinrichtungen im gesamten 18. Jahrhundert. An der Universität von Pest unterrichtete man noch 1844 auf Latein.141 Berichte der Regierung und ähnliche offizielle Dokumente wurden in Ungarn bis ins 19. Jahrhundert hinein auf Latein veröffentlicht.142 Erst 1844 wird Ungarisch zur offiziellen Verwaltungs- und Unterrichtssprache, während die Amtssprache gewisser königlicher Behörden bis 1848 Latein oder Deutsch bleibt.143 Die Germanisierung der ungarischen Reichshälfte war sowohl am ungarischen Sprachpatriotismus als auch daran gescheitert, dass Joseph II. sein Sprachedikt von 1784 auf dem Sterbebett zurückzog, das Deutsch im Habsburgerreich als alleinige Amtssprache anstatt des Lateinischen vorgesehen hatte. Was nun Schönbergers Wörterbuch angeht, so enthält der Vorbericht zur dritten Auflage von 1842 eine genauere Begründung der Aufnahme von lateinischen Wörtern des Mittelalters, als dies in der ersten Auflage des Werks geschieht. Er wurde von Emmerich Thomas Hohler (1781–1846) beigesteuert. Hohler, in Böhmen geboren, war als Erzieher, fürstlicher Rat und Hausbibliothekar beim Fürsten Joseph zu

|| 138 Leonhardt 2009: 221. Eine Zusammenfassung zum Thema Latein in Ungarn gibt Almási/Šubarić 2015: 1–23; s. auch die entsprechenden Aufsätze in diesem Sammelband. 139 Iosephus Desericius (1743): Pro cultu litterarum in Hungaria Vindicatio. Roma: Zempel, 57 (vgl. Margócsy, István: When language became ideology: Hungary in the Eighteenth Century. In: Almási/Šubarić 2015: 27). 140 Vgl. Almási/Šubarić 2015: 5–6. 141 Dies. 7. 142 Vgl. Ijsewijn 1990, I: 217. 143 Raffler 2007: 148.

184 | Untersuchung einzelner deutsch-lateinischer Wörterbücher

Schwarzenberg tätig, gab lateinische Schulausgaben heraus und war zuletzt Zensor.144 Wie auch die erste Auflage enthält auch diese, „[l]etzte, sorgfältigst durchgesehene und verbesserte Auflage“ „außer einer vollständigen Zusammenstellung der classisch-lateinischen Wörter, auch den Zuwachs der nöthigsten neulateinischen Wörter, welche die Latinität im Mittelalter in sich aufgenommen hat“.145 Im Vergleich zur ersten Auflage fällt der Begriff des ‚Neulateinischen‘, doch erscheint er hier in eingeengtem Verständnis: Wie schon bei Schönberger, wird auch von Hohler nur der Zuwachs im Mittelalter hervorgehoben.146 Die Erwähnung des im katholischen Kulturbereich positiv konnotierten Mittelalters soll dem Wörterbuch wohl größere Autorität verleihen und bezieht sich wohl nur auf den lateinisch-deutschen Teil.147 Auch in ästhetischer Hinsicht lesenswert ist die Begründung der Aufnahme neuer Wörter: Aufbauend auf konzise Darstellung der Wirkung und des Gebrauchs der lateinischen Sprache bis in seine Zeit rechtfertigt Hohler die Aufnahme der mittellateinischen Neologismen neben den klassisch-lateinischen Wörtern. Der Bogen geht dabei von der Universalität des imperium Romanum und der römischen Literatur über die lateinische Geschäftssprache im Mittelalter bis zur katholischen Kirchensprache, Gelehrten- und Verkehrssprache und Latein als Mutter der romanischen Sprachen: In der That verdient auch das Studium einer Sprache auf das eifrigste betrieben zu werden, welche, wie die lateinische, von dem mächtigsten weltherrschenden Volke des Althertums gesprochen und mit ihrer reichen und glänzenden Literatur über den größten Theil der alten Welt verbreitet wurde, das ganze Mittelalter hindurch die gelehrte Schrift- und öffentliche Geschäftssprache war, und noch jetzt die römisch-katholische Kirchensprache, das herrschende Idiom der Medicin, so wie die überall gangbare Gelehrtensprache und in vielen Fällen selbst die conventionelle Geschäftssprache ist, außerdem aber auch als Mutter der neuern romanischen Sprachen, wie der italienischen, der spanischen und portugiesischen, der französischen und zum Theil der englischen, höchst einflußreiche Beziehungen auf das gesammte SprachenStudium hat. Schönberger 1842, Vorbericht, Erster Band: I

|| 144 ÖBL 2 (Lfg. 10, 1959): 398. 145 Schönberger 1842, Vorbericht, Erster Band: I. 146 Die neulateinische Literatur wird im Allgemeinen mit der Neuzeit und den Humanisten der Renaissance bzw. ihren vorhumanistischen Vorgängern angesetzt und währt bis auf die Gegenwart, während die große Zeit der neulateinischen Literatur – mit nationalen Unterschieden – etwa zwischen 1400 und 1800 liegt (vgl. Ijsewijn 1990, I: 1; 41; 44). 147 Die Liste der verwendeten Autoren reicht bis zu den Humanisten, unter denen auch Gesner, „Stifter einer gründlichen philologischen Schule in Deutschland“ (Schönberger 1842, Vorbericht, Erster Band: IX), zu finden ist. Für das zivile Recht ist das Corpus iuris civilis, für das Kirchenrecht das Corpus iuris canonici als Hauptquelle angegeben.

„Die vergessene Zentralgestalt“ – Immanuel Johann Gerhard Scheller | 185

Begründet wird die Aufnahme der unklassischen Wörter mit der lebendigen Sprachentwicklung, die schon zur goldenen Zeit der Latinität zu sehen war. Hohler beruft sich dabei auf Cicero148 und Horaz, die die Prägung von Neologismen von der Tradition herkommend rechtfertigen. So schreibt Horaz in der Ars poetica: licuit semperque licebit / signatum praesente nota producere nomen (Hor. ars 58f.). Hohler übersetzt: „Es war und wird immer erlaubt seyn, ein neugeprägtes Wort in Umlauf zu bringen.“ An diese Regel hätten sich, so Hohler, alle späteren Zeiten gehalten, wenn man neu aufkommende Begriffe im Lateinischen ausdrücken wollte: Man wird sich daher nicht verwundern, wenn spätere lateinische Autoren diesen Grundsatz festhielten, und insbesondere die christlichen Theologen, die juridischen, medicinischen und philosophischen Schriftsteller, so wie die Grammatiker, Chronisten und Diplomatiker des Mittelalters, sich neue Wörter und Fügungen bildeten, zur Bezeichnung von eigenthümlichen Vorstellungen und Gefühlsweisen, wofür sie in der classischen Sprache der alten Römer entweder keinen oder doch keinen ganz entsprechenden Ausdruck vorfanden. Schönberger 1842, Vorbericht, Erster Band: III

An dieser Stelle sei ein anderes Wörterbuch katholischer Provenienz erwähnt, das ähnlich argumentiert, das Deutsch-kirchenlateinische Wörterbuch von Albert Sleumer (31962). Bezüglich des kirchenlateinischen Wortschatzes spricht Sleumer in seiner Einleitung die Entwicklung lebender Sprachen an, unter die er auch die lateinische rechnet, „eine Sprache, die jährlich in vielen Zehntausenden von Fällen zur Niederschrift neuer und heutzeitiger Gedanken benutzt wird. Eine lebendige Sprache muß sich aber entwickeln und verändern: das ist ja ihr innerstes Wesen“.149 In dieser Entwicklung sieht Hohler auch das Wörterbuch von Schönberger: Diesen neologischen Zuwachs der Latinität darf ein Hand-Lexicon nicht ausschließen, wenn es den Studierenden zum wissenschaftlichen Gebrauche in den höhern Facultätsstudien überhaupt, so wie den Geschäftsmännern bey Verhandlungen und ämtlichen Ausfertigungen in lateinischer Sprache genügen soll. Schönberger 1842, Vorbericht, Erster Band: III

|| 148 quamquam ea verba, quibus instituto veterum utimur pro Latinis, ut ipsa philosophia, ut rhetorica, dialectica, grammatica, geometria, musica, quamquam Latine ea dici poterant, tamen, quoniam usu percepta sunt, nostra ducamus (fin. 3,5). neque enim esse possunt rebus ignotis nota nomina, sed cum verba aut suavitatis aut inopiae causa transferre soleamus, in omnibus hoc fit artibus ut, cum id appellandum sit quod propter rerum ignorationem ipsarum nullum habuerit ante nomen, necessitas cogat aut novum facere verbum aut a simili mutuari (de orat. 3,211). Novantur autem verba, quae ab eo, qui dicit, ipso gignuntur ac fiunt, vel coniungendis verbis [...] sed saepe vel sine coniunctione verba novantur [...] (de orat. 3,154). 149 Sleumer 1962: 5.

186 | Untersuchung einzelner deutsch-lateinischer Wörterbücher

Unter diesen Amtsgeschäften ist nach Hohler zu verstehen: Z. B. Tauf-, Trau- und Todtenscheine, Zeugnisse und Diplome, ärztliche Befunde, gerichtliche Edicte und Erkenntnisse, öffentliche Inschriften u. s. w. müssen häufig nicht nur in der National-, sondern auch in der lateinischen Sprache ausgefertiget werden, um sowohl im In- als im Auslande überall verständlich zu seyn. Schönberger 1842, Vorbericht, Erster Band: III, Anm. 1

Auch wenn sich von den Plänen Schönbergers nichts im deutsch-lateinischen Band niedergeschlagen hat, zeigen die Vorwörter von Schönberger (1817) und Hohler (1842), immerhin eine deutlich andere Auffassung als die zu dieser Zeit im restlichen deutschsprachigen Gebiet entstandenen deutsch-lateinischen Wörterbücher. Der von Schönberger und Hohler formulierte theoretische, dann aber von den Verlegern im deutsch-lateinischen Teil nicht umgesetzte Ansatz kann sogar als ein Gegenmodell zu den deutsch-lateinischen Wörterbüchern preußisch-protestantischer Autoren begriffen werden. Diese sind überwiegend auf sprachliche Klassizität unter Ausschluss des Mittellateinischen und unter behutsamer Verwendung neulateinischer Autoren ausgerichtet, vor allem was die Übersetzung neuer Begriffe betrifft. Das österreichische Wörterbuch hingegen beharrt zumindest in den Vorworten und dem lateinisch-deutschen Teil auf der lebendigen Sprachtradition (daher die Aufnahme vieler Lemmata aus Kirsch 1774), die im zum katholischen Kulturkreis gehörigen Österreich nach wie vor stark ist: Das Lateinische wird von den beiden Autoren als eine für Schule und „Facultäts-Studien“150 nach wie vor benötigte Sprache und als „die überall gangbare Gelehrtensprache und in vielen Fällen selbst die conventionelle Geschäftssprache“151 angesehen. Schönberger und Hohler scheuen sich in ihren Vorreden nicht, die mittellateinische Wortschatzentwicklung neben die klassische Latinität zu stellen. Allerdings muss das Wörterbuch als lediglich theoretisches Gegenmodell bezeichnet werden. Da der deutsch-lateinische Teil durch das Ableben des Herausgebers Schönberger in den beiden untersuchten Auflagen (1820/1842) ein reiner Abdruck von Scheller/Lünemann mit nur formalen Unterschieden zu sein scheint, lässt sich über die Umsetzung der genannten Ideen nur sagen, dass sie in diesem Teil bedauerlicherweise nicht erfolgt ist. Die Bearbeitung des lateinisch-deutschen Teils besteht – wie oben gesehen – meist in Hinzufügungen von Lemmata und formalen Unterschieden. Die divergierenden Ausrichtungen von protestantischen Schulmännern aus Deutschland auf der einen und dem Piaristen Schönberger auf der anderen Seite

|| 150 Schönberger 1820, Widmung, Erster Band: V–VI. 151 Schönberger 1842, Vorbericht, Erster Band: I.

„Die vergessene Zentralgestalt“ – Immanuel Johann Gerhard Scheller | 187

lassen sich insgesamt auch mit der abwehrenden Haltung des katholisch geprägten Österreich gegenüber allen neuhumanistischen Tendenzen in Einklang bringen (auch wenn diese nicht per se mit der Frage des lateinischen Stils gleichzusetzen sind): „In Österreich [...] gab es bis 1848 keinen weltlichen Gymnasiallehrerstand. Vielmehr war man dort bemüht, den ‚protestantischen‘ Neuhumanismus von den höheren Schulen fernzuhalten.“152 Erst mit der Gymnasialreform von 1849 und dem „Entwurf der Organisation der Gymnasien und Realschulen“ wurden die in Preußen praktizierten Ideen auch in Österreich angewandt. Die Instruktionen versuchen angesichts des Rückgangs des Lateinischen als lebendige Sprache für den Lateinunterricht eine neue Stellung zu finden ‒ zwischen der Position, das Lateinische in seiner früheren Bedeutung zu bewahren, die es in Gesellschaft und Wissenschaft verloren hat, und auf der anderen Seite einer feindlichen Haltung gegenüber dem Lateinunterricht. Dementsprechend betont der Entwurf dessen „bleibenden Werth“ als ein „allgemeine[s] Mittel […] höherer Bildung“153 und lässt eine Apologie des Lateinischen folgen. Sie verweist auf die praktische Verwendbarkeit in der Wissenschaft, wonach Medizin leichter zu erlernen sei, und Theologie und Jura überhaupt erst mit Latein gründlich zu betreiben sei. Außerdem schule Latein durch seine Gesetzmäßigkeit das Sprachbewusstsein. Schließlich könne die Lektüre der Klassiker einen positiven sittlichen Einfluss auf die Schüler haben. Tatsächlich verlor der Unterricht der alten Sprachen dennoch seine Vorrangstellung im Kanon: Latein war fortan nur noch ein Fach unter Fächern.154 Denn die „Ausschliesslichkeit des lateinischen Sprachunterrichtes auf den Gymnasien, als Anstalten al l gem ei n er höherer Bildung […] ist wirklich längst gewichen“.155 Vom Geist, der aus Schönbergers oder Hohlers Vorworten noch im ersten Teil des 19. Jahrhunderts spricht, ist nichts mehr zu merken: Die „Zeit, wo die lateinische Sprache das Organ für jede wissenschaftliche Forschung und Mittheilung bildete, und daher ihre Kenntniss [!] den Zugang zu jeder höheren Bildung fast allein eröffnete“ ist gemäß dem „Entwurf“ vorbei.156 Die Folge ist, dass der lateinische Aufsatz für den Lateinunterricht und für die Maturitätsprüfung von nun an nicht mehr vorgesehen ist. Die Begründung lautet: Die Uebung im Gebrauche der lateinischen Sprache zum Ausdrucke eigener Gedanken hat ihren Werth als allgemeines Bildungsmittel verloren, und kann desshalb nicht Forderung an das Gymnasium oder des Gymnasiums an seine Schüler sein; es ist diess [!] ein Studium der Philologen oder eine Sache besonderen Sprachtalentes, und es versteht sich, dass sich freien Be-

|| 152 Führ 1985: 433. 153 Entwurf der Organisation der Gymnasien und Realschulen 1849: 102. 154 Vgl. Cramer 1919: 55‒58. 155 Entwurf der Organisation der Gymnasien und Realschulen 1849: 101. 156 Entwurf der Organisation der Gymnasien und Realschulen 1849: 101.

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schäftigungen der hiezu geeigneten Schüler der philologische Lehrer der obersten Klassen nicht entzieht. Entwurf der Organisation der Gymnasien und Realschulen 1849: 116

Auch das Lateinsprechen verliert seine Stellung im Lateinunterricht: An die Stelle der Uebungen im Sprechen eines Lateins von zweifelhaftem Werthe und der Spielerei mit Poëtik und Rhetorik tritt möglichst ausgedehnte Lesung classischer Schriftsteller. Entwurf der Organisation der Gymnasien und Realschulen 1849, zitiert nach Ficker 1873: 140

Die in diesem Zuge erfolgte Kürzung der Wochenstunden auf nur 47 Stunden für den Lateinunterricht (im Vergleich zu 86 Stunden in Preußen von 1837‒1882) und die Überforderung der Schüler durch einen überbordenden Lehrplan (erhöhte Stundenzahl in Griechisch auf insgesamt 28, Mathematik und Naturkunde zusammen 45 Stunden) hatte zur Folge, dass in Österreich die Lateinkenntnisse in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mehr und mehr abnahmen.157

5.5 Ein weiterer Klassiker aus der Leipziger Schule – Carl Ludwig Bauer Um die Wende zum 19. Jahrhundert ist das Wörterbuch des Lexikographen Bauer mit Ausnahme Schellers das umfangreichste und am häufigsten benutzte. So erwähnt der Lexikograph Kraft, dass in den Gymnasien seinerzeit vor allem Schellers Handlexicon und Bauer in Gebrauch gewesen seien, in Norddeutschland selten auch noch die älteren Wörterbücher Hederichs, Weismanns, Kirschs u.a.158 Die philologische Ausbildung durch Johann August Ernesti verbindet Scheller und Carl Ludwig Bauer (geboren in Leipzig, am 18. Juli 1730, gestorben in Hirschberg, am 3. September 1799). Als Zwölfjähriger wird er Schüler Ernestis an der Thomasschule159 und seit 1748 an der Universität Leipzig, wo er sich 1753 habilitierte. Bauer „schöpfte, wie er selbst oft äußerte, hier gleich aus reiner Quelle, ohne erst vorher durch die damals in Schulen herrschende Barbarei (Barbaries) verdorben worden zu seyn“.160 Seinem verehrten Lehrer setzte Bauer mit seiner Schrift Formulae ac disciplinae Ernestianae indoles et conditio vera (1782) ein Denkmal. Er verfass-

|| 157 Vgl. Cramer 1919: 57. 158 Vgl. Kraft 1843/1844, Vorrede zur vierten Auflage, datiert vom April 1842: VII. 159 Vgl. Paulsen 1921: 33. 160 Hensel 1802: 11.

Ein weiterer Klassiker aus der Leipziger Schule – Carl Ludwig Bauer | 189

te auch ein lateinisches Gedicht an Ernesti, „wahrscheinlich als [dies]er die Schule verließ, und ganz bei der Akademie angestellt wurde, 1758“.161 Nach einer kurzen Zeit als Dozent in Leipzig und als Hauslehrer eines Professors war Bauer von 1756 bis 1766 Rektor der Laubaner Schule; seit 1767 wirkte er schließlich bis zu seinem Tod 1799 als Rektor der evangelischen Schule zu Hirschberg in Schlesien, an beiden Lehranstalten mit außerordentlichem Erfolg. Binnen weniger Jahre machte er das Lyceum in Hirschberg zur führenden Schule Schlesiens, so eine Lebensbeschreibung.162 Er zog als „der erste Philologe in Schlesien, vielleicht im preußischen Staate“163 zahlreiche Schüler von nah und fern an. Man bezeichnete ihn auch als „pedantische Monstrosität, aber gelehrte Größe erster Art“, dem „statt des Blutes Latein und Griechisch in den Adern floß“164. In Hirschberg führte er 1776 – möglicherweise im Gefolge der Tätigkeit des Rektors Meierotto in Berlin – eine besondere Prüfung für die Hochschulkandidaten ein. Diese Hochschulzugangsprüfung wurde 1788 in Form des Abiturreglement durch Minister von Zedlitz für Preußen per Edikt offiziell eingeführt.165 Da das Abitur als Schulabgangsprüfung nun die Stelle der traditionellen Aufnahmeprüfung der Universität ersetzte, hatten die Schulen mit Abiturrecht fortan herausgehobene Bedeutung. Neben unzähligen schulprogrammatischen und philologischen Schriften (Anleitung zum richtigen und guten Ausdruck der Lateinischen Sprache, 1775; Übungsmagazin zum Lateinisch-Schreiben, 1787) hat er auch philologische Beiträge zur Theologie veröffentlicht, so etwa zur Paulusexegese und zur Patristik (Philologia ThucydideoPaulina, 1773; Logica Paullina [!], 1774; Glossarium Theodoreteum ad usus exegeticos et criticos, 1775). Das lange akademische und literarische Wirken Bauers erfuhr 1792 mit der Aufnahme in die gelehrte Gesellschaft zu Frankfurt an der Oder und 1795 mit der kaiserlichen Dichterkrönung zu Wittenberg auf Betreiben seines Neffen, Professor Aßmann, Dekan der philosophischen Fakultät, öffentliche Anerkennung.166 Anlässlich der Krönung veröffentlichte Bauer ein lateinisches Gedicht über sein Leben und Werk, versehen mit zahlreichen Kommentaren – laut seinem Schüler und Biographen Hensel sein bestes Gedicht. Unter den weiteren Gedichten des poeta laureatus caesareus finden sich (deutsche) Verse auf den Geburtstag Friedrich Wilhelm II. oder

|| 161 Hensel 1802: 117. 162 Schimmelpfennig 1875. 163 Hensel 1802: 15. 164 Krebs 1840: 211. 165 Schimmelpfennig 1875: 145–146. Die Instruktion wurde, so Paulsen 1921, II: 95, „wesentlich nach den Vorschlägen der Autoren Gedike und Meierotto abgefaßt“. 166 Gekrönt 1795 in Wittenberg, s. Eintrag bei Flood 2006: 134–136. „Die letzte kaiserlich privilegierte Dichterkrönung fand 1804 statt“, Eintrag in Wikipedia. [Unter: ; letzter Zugriff: 26.4.2022].

190 | Untersuchung einzelner deutsch-lateinischer Wörterbücher

ein Gedicht zum Tod Carl Philipp Emanuel Bachs. Allerdings habe Bauer, so Hensel, weit besser auf Latein gedichtet als in der Muttersprache. Sein langjähriger Schüler kennzeichnet Bauer als sehr gebildeten, umgänglichen und frommen Lehrer, der möglichst nie eine Katechese oder Predigt versäumte. Bauer wandte sich gegen eine Überbewertung der alljährlich im Sommer aufgeführten Schulkomödien deutscher und ausländischer Autoren und erreichte 1776 schließlich deren Absetzung. Bauer hielt nicht viel von den Komödien, auch wenn er in den Jahren vor der Beendigung noch viel Lob in den Ankündigungen für diese jährlichen – auch finanziell erfolgreichen – Veranstaltungen fand.167 1776 ersetzte er das mehrtägige Theatertreiben durch eine auf wenige Stunden begrenzte deutschsprachige Redeübung.168 „Auch konnte er viele Jahre nach Abschaffung [der Schulkomödien] nicht unterlassen, in seinen Programmen [...] zu erwähnen, ‚daß diese Redeübungen statt der sonst gewöhnlichen, schädlichen, unstatthaften, verderblichen Komödien‘ eingeführt wären“.169 Im Übrigen war er „ein Feind der deutschen Poesie; Klopstock war ihm zu überspannt und hatte nach seiner Meinung in die Messiade zuviel hineingedichtet; Wieland und Göthe aber nannte er – Narren.“170 Das Deutsch-lateinische Lexicon von Bauer (zuerst 1778), „welches“ – so die Einschätzung von Friedrich August Eckstein – „lange Zeit unübertroffen geblieben ist“171, war bei aller Kritik nachfolgender Lexikographen ein vielfach genutztes Werk. Zahlreiche Wörterbücher übernehmen Wendungen von Bauer, manche bauen sogar auf Bauers Lexicon auf, etwa Haas 21808 und Holzmann 1813. Noch 1822 heißt es in einer mehrere Wörterbücher vergleichenden Rezension: Das Bauersche Werk, seit 44 Jahren bekannt und gebraucht, ist bisher den Schellerschen Deutsch-Lateinischen Wörterbüchern, und natürlich auch den frühern, weniger vollständigen und weniger sorgfältig gearbeiteten vorgezogen worden und nicht mit Unrecht. Anon. Rez. Mr. [Kürzel] 1822, Rez. zu Bauer 51820, Kraft 11820 und Lünemann 1821: 386

Im Allgemeinen waren, so zumindest die Meinung des Rezensenten, vier Mängel des Bauerschen Wörterbuchs bekannt: Die Aufnahme unlateinischer Wörter, „die bei keinem Schriftsteller vorkommen“ (scribillare anstatt richtig conscribillare, das heißt bekritzeln, beim Lemma Beschmadern172); das Fehlen vieler deutscher Lemma-

|| 167 Vgl. etwa in der Hirschberger Programmschrift mit dem Titel Das unschuldige Vergnügen der Schulbühne (1768). 168 Vgl. Dietrich 1856: 23ff. 169 Hensel 1802: 76, vgl. auch 72 und Bauers Programmschrift mit dem Titel Die zum wahren Besten unsrer Schuljugend statt der bisherigen nun abgestellten Schul-Theater-Übungen gewünschte teutsche Rede-Übungen (1776). 170 Krebs 1840: 211. 171 Eckstein 1881: 111. 172 Bauer 21798: 479.

Ein weiterer Klassiker aus der Leipziger Schule – Carl Ludwig Bauer | 191

ta (Arglos, Augensprache, Anbelfern usw.); die mangelnde Unterscheidung der Autoritäten, der zeitlichen Zugehörigkeit und Gattung der Autoren (etwa im Lemma Brille173, kein Hinweis auf den unklassischen Gebrauch von conspicillum bzw. auf die neulateinische Herkunft von perspicillum); fehlende Stellenangaben (passim). Das Alles ist längst bekannt, und hat darum doch nicht verhindert, dass das Buch nun schon in der vierten Auflage [der Rezensent bezieht sich auf die Ausgabe von 1820, die die fünfte Auflage ist] erscheint, weil es dennoch auf einem beschränkten Raume und bei grosser Wohlfeilheit viel Gutes leistete und enthielt, und bei vorsichtigem Gebrauche viele billige Forderungen befriedigte. Anon. Rez. Mr. [Kürzel] 1822, Rez. zu Bauer 51820, Kraft 11820 und Lünemann 1821: 386

In dieser Auflage von 1820 wurde noch einiges die Brauchbarkeit des Werks Verbesserndes hinzugefügt. Dann aber liefen die neuen Wörterbücher von Kraft, Wüstemann und Lünemann ihm den Rang ab; weitere Auflagen gab es nicht mehr. Bauer selbst hingegen hebt zusammengefasst vier Punkte hervor, um die er sich in seinem Wörterbuch besonders bemüht hat. Sie betreffen (1.) die Auswahl der Lemmata, (2.) das zugrunde gelegte lateinische Textkorpus, (3.) die gute Latinität und (4.) die Beachtung der deutschen Polysemie. Die Fähigkeit, diese Aspekte berücksichtigen zu können, hat Bauer sich nach eigenem Bekunden durch „bemerkendes Lesen deutscher und lateinischer Bücher, der Ausdrücke im Umgang mit andern“, besonders bei der Korrektur von Übersetzungen und Aufsätzen seiner Schüler angeeignet.174 (1.) Bauer stellt zunächst fest, möglichst alle gebräuchlichen deutschen Wörter aufgenommen zu haben, einschließlich ihrer gewöhnlichen Bedeutungen und „Verbindungen, aus Schriften, aus dem gemeinen Leben, in welchem Schulleute und Philologen, auch in dieser auslegenden Absicht mehr zu Hause seyn sollten“.175 Ebenso habe er „auch die, wenigstens in gewöhnlichen Schriften und Gesprächen, etwa vorkommenden musicalischen, und öconomischen Kunstwörter, (öconomisch nehme ich im weitläuftigsten [!], kameralischen Verstande [d.h. die öffentliche oder kirchliche Buchführung (Kameralistik) betreffend],)“ berücksichtigt. (2.) Über das zugrunde gelegte Korpus schreibt Bauer dann, dass er für die lateinische Seite „lauter mir aus tauglichen Schriftstellern, im Sinne schwebende [...] an sich gute lateinische Worte, Ausdrücke, [...] das Deutsche richtig, völlig, nicht mehr, nicht weniger, ausdruckende [!] Worte und Redensarten“176 gebrauchen würde.

|| 173 Bauer 21798: 596. 174 Bauer 1778, Vorerinnerung: 3r. 175 Bauer 1778, Vorerinnerung: 2v. 176 Bauer 1778, Vorerinnerung: 3r.

192 | Untersuchung einzelner deutsch-lateinischer Wörterbücher

(3.) Er habe drittens darauf Wert gelegt, „keine barbarischen, ungewöhnlichen, griechischen, (wo nehmlich lateinische da waren,) affectirten, auf abgekommene Gebräuche, oder unbekannte Fabel-Anecdoten zielende Worte und Ausdrücke, den kindischen Verderb des Lateinischen, zuzulassen“177. Dies zielt offenbar auf die Reinigung des Wortschatzes von schlechtem Latein, das in gewissen, nicht näher benannten Bräuchen und niederen Textgattungen („Fabel-Anecdoten“) tradiert wurde. (4.) Der vierte Vorzug besteht in genauerer Beachtung der verschiedenartigen Bedeutungen deutscher Begriffe, ein Hinweis übrigens, den jeder der behandelten Autoren in der ein oder anderen Weise anbringt. So schreibt Bauer in der Vorrede recht allgemein, dass er sich vor der „Vermischung der Bedeutungen“ und der „Vernachläßigung des jedesmahligen Zusammenhanges“ gehütet habe.178 Denn diese würden „die gewöhnlichen Lexica unnütz, ja schädlich“ machen. Schädlich seien Artikel, die die Polysemie der deutschen Sprache nicht hinreichend beachten, weil dem Benutzer etwa der Kontext der jeweiligen Wendung nicht klar gemacht wird und er so zu einem falschen Gebrauch der lateinischen Übersetzung verleitet wird. Vielmehr müssen, so Bauer, die Bedeutungen so klar getrennt sein, dass die lateinischen Übersetzungen „auf alle schickliche[n] Wendungen und möglichen Gebrauch eines deutschen Ausdrucks“ angewendet werden können.179 Ein interessantes Charakteristikum betrifft die Entstehungsweise dieses Wörterbuchs. Bauers Schüler zu Hirschberg, der Musiker und Pädagoge Johann Daniel Hensel (1757–1839), berichtet (1802: 24–25) über das immense Gedächtnis Bauers und die Verfertigung des Wörterbuchs: Latein war ihm wie Muttersprache im Schreiben, Lesen und Sprechen. Wären alle Lexica auf einmal verbrannt, so wäre er im Stande gewesen uns aus seinem Kopfe, durch Aufsuchung der Wörter in alphabetischer Ordnung, ein neues zu schreiben, und in Zeit von einigen Jahren, wenn er bei mehrmaliger Durchgehung seiner Arbeit immer verbessert hätte, ein ziemlich vollständiges zu liefern. Auf diese Art lieferte er schon sein teutsch-lateinisches Wörterbuch, dem an Vollständigkeit, und besonders an innerer Fülle, vorzüglich nach der neuesten Ausgabe [1798], wohl kein anderes gleicht. Er legte anfangs dabei, um doch einen Leitfaden zu haben, den teutsch-lateinischen Theil von Kirschens Lexicon zum Grunde, fand aber bald, daß ihn dies nur aufhielt. Er verließ ihn also, und schrieb nun so geschwind, als die Feder lief, ohne vieles Nachdenken oder Innehalten, meistens in Gegenwart der diskurirenden [!] Gesellschafterinnen seiner Frau, ununterbrochen fort; mischte sich auch wohl in dies Gespräch, und schrieb doch dann gleich wieder weiter. So sind auch alle darin angeführte Phrasen nicht etwa nach-

|| 177 Ebd. 178 Ebd. 179 Ebd. In dieser Hinsicht hat ihn allerdings Scheller 1805 in der Vorrede zur dritten Auflage, § 3 seines Ausführlichen und möglichst vollständigen deutsch-lateinisches Lexicon kritisiert, wobei er ihn aber gleichzeitig als „sehr verdienten Rector“ würdigt. Zwar verwende Bauer durchweg ciceronianische Wendungen, doch seien sie nicht immer präzise genug, sondern vielmehr zu allgemein, wie er dann an einigen Beispielen zu zeigen versucht.

Ein weiterer Klassiker aus der Leipziger Schule – Carl Ludwig Bauer | 193

geschlagen, (nicht 50 im ganzen Lexicon sind dies,) sondern blos aus dem Gedächtnisse niedergeschrieben; aber zu jeder derselben, besonders wenn sie etwas Eigenthümliches an sich hatte, wäre er im Stande gewesen, sogleich die Stelle des Autors, in der sie vorkommt, in ihrem Zusammenhange, mit dahin gehörigem Sinne, auch wohl die von andern dabei gemuthmaßten Varianten etc. anzuführen, ohne ein Buch anzusehen.

Abb. 21: „[P]edantische Monstrosität, aber gelehrte Größe erster Art“ – Stich von Carl Ludwig Bauer (1730–1799), von Jacob Adolph Fischer (Zeichner) und Friedrich Wilhelm Nettling (Stecher), verlegt von F.W. Fuchs, & Sohn, Hirschberg um 1800. Porträtsammlung der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, A 1010 Mortzfeld; Inventar-Nr. I 720 [Unter: ; letzter Zugriff: 25.4.2022]. Auf dem Sockel steht zu lesen: M[AGISTER] CARL LUDEWIG BAUER | geb. zu Leipzig 1730. d. 18. Juli | Rector der Evang. Schule vor Hirschberg, Kaiser- | lich. gekrönt. Dichter u. Mitglied d. Königl. Preuss. | Societät der Wissenschaften zu Frankfurt an d. Oder. | gestorb. 1799 d. 3. September.

194 | Untersuchung einzelner deutsch-lateinischer Wörterbücher

Hensel, von Bauer privat in Sprachen und Theologie unterrichtet, schreibt hier gewiss idealisierend gefärbt, doch muss die Gedächtnisleistung Bauers in der Tat außerordentlich gewesen sein. Stilistisch soll er den Livius nachzuahmen versucht haben, „besonders da ihm eine etwas pompöse, gedrängte Schreibart mehr, als die unscheinbare Reinheit und Simplicität zu gefallen schien“.180 Jedenfalls darf man den auf memoria fußenden Arbeitsstil Bauers bei der Betrachtung des Wortschatzes nicht außer Acht lassen. So urteilt etwa Lexikograph Kraft (41843, Vorrede zur vierten Auflage: VII), ohne Beispiele zu nennen: Auch Bauer’s Lexikon, wiewohl in mancher Hinsicht besser und vollständiger als Scheller’s Wörterbuch [Schellers Handlexicon von 1792 oder in einer jüngeren Auflage], konnte den Bedürfnissen der Lateinisch Schreibenden nicht genügen. Denn abgesehen von dem gänzlichen Mangel einer zweckmäßigen Angabe der Bedeutungen der Deutschen Titelwörter [Lemmata], war die Lateinische Uebersetzung der Deutschen Redensarten meist eigene Composition. Auf antikes classisches Latein war bei derselben zu wenig Rücksicht genommen worden.

Ähnlich heißt es auch bei einer Rezension des Lünemann’schen Wörterbuchs (1821) durch Kraft (1823: 267): Bauer, ein für seine Zeit gelehrter Schulrektor, […] gab die Lat. Phraseologie nicht aus den Röm. Klassikern geschöpft, sondern eine aus Reminiscenzen seiner Lektüre komponirte. Die neue Auflage seines Wbs. erschien (1798) zwar sehr vermehrt u. verbessert; allein der Mangel an strengklassischer Phraseologie war derselbe. Im Ganzen läßst sich ja wohl Bauer’s Latinität vertheidigen, großsen Theils auch unbedenklich annehmen; allein warum neu gemachtes Latein borgen, wo man immer aus den reinfließenden Quellen des klassischen Alterthums schöpfen kann?

Zum Teil geht dieser Mangel wohl auf die großartige Gedächtnisleistung Bauers zurück, der dementsprechend weniger auf Vorlagen, wie etwa Wörterbücher oder Klassikerausgaben, zurückgreifen zu müssen glaubte. Die lexikographische Grundausrichtung Bauers ist zweifellos eine klassizistische, doch bei weitem nicht so puristisch wie etwa die Bernholds (s.o.). Bei Bauer finden sich – wie in der obigen Rezension von 1822 angesprochen – deutlich mehr neulateinische bzw. eigene Interpretamente. Trotz Bauers erklärtem Willen, nur „an sich gute lateinische Worte, Ausdrücke“ „aus tauglichen Schriftstellern“181 aufzunehmen, lässt sich bei ihm keine einheitliche Linie feststellen. Dies verdeutlichen folgende Beispiele.

|| 180 Hensel 1802: 25. Vielleicht mit Bezug auf die lactea ubertas, womit Quintilian (inst. orat. 10,1,32) den Stil des Livius beschrieb. 181 Bauer 1778, Vorerinnerung: 3r.

Ein weiterer Klassiker aus der Leipziger Schule – Carl Ludwig Bauer | 195

Es finden sich zahlreiche Lemmata, die Bauer klassizistisch wiedergibt. So beschränkt er sich bei der Übersetzung von Advent, Adventslied, Adventspredigt182 auf klassisch geprägte Umschreibungen, offenbar um den christlich geprägten, prägnanten Begriff adventus zu vermeiden: Advent, m. Adventszeit, f. tempus ante festum Christi nati. Adventslied, Adventspredigt, canticum, concio ante festum Christi natale. Bauer 1798: 58

Ebenso vermeidet er bei Auferstehen und Auferstehung – genau wie schon Bernhold 1757 – resurgere bzw. resurrectio. Diese Begriffe tauchen von Scheller 1805 an wieder auf und wurden zuvor schon von Kirsch und Bayer ohne Berührungsängste aufgenommen. Auferstehen, a morte redire, vitam recipere, reuiuiscere, in vitam reuocari; aus eigner Macht, vitam repetere: der auferstanden ist, rediuiuus, a morte redux, vitae redditus. er ist auferstanden, viuit. Auferstehung, reditus in vitam, reuocatio a morte; noua vita: erste, geistliche, vita noua, sancta; melioris sensus, moris, initium. ich bin die Auferstehung, vitae auctor sum ego, arbiter reuocandorum in vitam hominum; per me vitam recipiunt homines. Auferstehungstag, m. Christi, als vergangen, dies reuocati in vitam Christi; dies, quo reuixit Christus, vitam recepit: unserer, als zukünftig, tempus vitae recipiundae, quo reuiuiscemus, in vitam redibimus. Bauer 1798: 202

Die Übersetzung von Auferstehung wird in Kap. 6.3.2.2 unter den Wörterbüchern verglichen. Bauer weicht andernorts von obiger rein-klassizistischen Tendenz jedoch ab, wenn er neben zwei weiteren klassizistischen Übersetzungen für Apostelgeschichte an erster Stelle den eingebürgerten Begriff183 vorschlägt: Acta Apostolorum, Apostolica historia, res gestae Apostolorum. Bauer 1798: 166

Überhaupt lässt Bauer (1798: 8) theologische Ausdrücke in den Artikel einfließen, zum Beispiel beim Lemma Abendmahl: Abendmahl, coena. Abendmahl des Herrn, sacra coena, eucharistia, coena dominica; bibl. gaudium, a; felicitas coelestis, beneficia Dei; Abendmahl halten, celebrare Eucharistiam, vti Coena S. 2) bibl. initme jungi Deo, frui ejus beneficiis & amore, Abendmahl des Lammes, gaudia Christi, coelestia.

|| 182 Im Übrigen findet sich das Wort Advent noch nicht bei Kirsch 1774 oder bei Bernhold 1757. Hederich 1753: 99 hat: „Advents-Zeit vor Weihnachten, da von der Zukunft Christi geprediget wird, aduentus, us, m. b) tempus, per quod de aduentu Christi conciones sacræ habentur.“ 183 Seit Tert. bapt. 10; anim. 34; adv. Marc. 5, 1. 5, 2; Hier. epist. 98, 13; 107, 12; vir. ill. 2.

196 | Untersuchung einzelner deutsch-lateinischer Wörterbücher

Die hier (von J.I.) unterstrichenen Interpretamente sind von Bauer mit dem diatextuellen Vermerk biblisch gekennzeichnet. Dieser meint wohl den theologischen Gebrauch im Anschluss an die biblische Sprache und ist damit eher als diatechnische Markierung zur Angabe des Fachgebiets zu verstehen. Jedenfalls scheint es sich bei den Übersetzungen nicht um biblische Zitate etwa aus der Vulgata zu handeln. Beispielsweise wird gaudium im Neuen Testament nicht direkt mit der Eucharistie verbunden gebraucht.184 Diese ist jedoch im theologischen Sprachgebrauch konkreter Ausdruck der Vorfreude auf das „himmlische Freudenmahl“, der endgültigen Vereinigung mit dem Herrn.185 Die Verwendung dieser Wendungen ist nur im Kontext verständlich und verlangt daher profunde theologisch-sprachliche Kenntnis seitens des Benutzers. Im Übrigen stellt Bauer bei Begriffen, die der Römer nicht kannte, gut klassische und neulateinische Interpretamente locker nebeneinander, so etwa bei Blitzableiter (von diesem Lemma aus wird auf Ableiter verwiesen): Ableiter, des Blitzes, lamina fulmini auertendo; (anticeraunia;) apagogus. Bauer 1798: 24

Letztlich hat sich keiner dieser Vorschläge durchsetzen können, sondern der Terminus technicus conductor fulminis (so bei Lünemann 1821, Wüstemann 1826 und Kraft 1843), der nichts mehr mit dem antiken Wortverständnis von conductor, nämlich Mieter, zu tun hat (mehr zum Lemma Blitzableiter s. unter Kapitel 6.3.3.2). Das kaum belegte indusium ist wie schon bei Kirsch 1774 und Bernhold 1753 auch bei Bauer 1798 die einzige Übersetzung von Hemd. Erst mit Scheller 1805 (tunica lintea corpus proxime tangens; s.o. Kap. 5.4.2) und vor allem Wüstemann 1826 und Kraft 1843 finden sich Alternativen zu diesem wohl traditionellen Gebrauch.

|| 184 Zumindest ist davon in den Artikeln „Freude“ des 3LThK 4: 131 bzw. gaudium des ThLL 6, 2, 1711–1719 nichts zu lesen. 185 Vgl. Vulg. Matth. 25, 21 intra in gaudium domini tui (εἰς τὴν χαϱάν).

Ein weiterer Klassiker aus der Leipziger Schule – Carl Ludwig Bauer | 197

Tab. 7: Beispiellemma Hemd im Vergleich (Ergänzungen in eckigen Klammern von J.I.) Bauer 1798: 1356–1357

Wüstemann 1826, I: 502

Kraft 1843, I: 1287

Hemde, n. indusium, im Hemde, indusiatus; entspringen, nudum aufugere. das Hemde vom Leibe versetzen, omnibus sese nudare. das Hemd ist mir näher, als der Rock, proximus egomet mihi sum [vgl. Ter. andr. 636], quilibet sibi proximus; pallio tunica propior [vgl. Plaut. trin. 1154], genua suris.

Hemde, das. Statt unseres Hemdes trugen die Römer eine tunica interula, welche bei Männern subucula, bei den Frauen indusium hieß. – sindon (ein bis auf die Kniee aufgeschürztes Hemd der aufwartenden Sklaven). – das Hemd ist mir näher als der Rock, tunica pallio propior (sprüchwörtl. bei Plaut.). – ein Verfertiger von Weiberhemden, indusiarius (Plaut.).

Hemd, Hemde, das, etwa interŭla (sc. tunica), Appul. H. für Frauenzimmer, indusium, Varr. L. L. s. Böttig. Sab. II, p. 113. für Männer auch subucula, Varr. L. L. auch läßt sich Hemde umschreibend geben: Imum corporis velamentum, nach Curt. 5, 1, 38. der ein H. trägt, subuculam, indusium gestans; auch: indusiatus, Appul. subuculatus ist ohne Autorität. das H. vom Leibe verkaufen, verspielen, omnia profundere alea. Sprüchw.: das H. ist mir näher als der Rock, tunica pallio propior, Plaut. Trin. 5, 2, 30 [= v. 1154]. proximus egomet sum mihi, Ter. Andr. 4, 1, 12 [= vgl. v. 636]. auch wohl: meum periculum propius est quam alienum (wenn nämlich von einer Gefahr die Rede ist), Cic. Sest. 18, 40.

Auch scheut Bauer keineswegs poetische Umschreibungen. So stehen neben technischen Ausdrücken unter Luftschiffahrt und Luftschiffer auch dichterisch anmutende, wie Daedaleum iter nach Properz 2,14,8: Luftschiffahrt, f. cursus aёreus, per aёrem, per sublime, Daedaleum iter. Luftschiffer, M. aёronautes, a; Daedalus; unglücklicher, Icarus. Bauer 1798: 1718

Weitere Erläuterungen zum Lemma finden sich in Kap. 6.3.3.2. Die Lemmata sind bei Bauer nestalphabetisch strukturiert, wodurch das Alphabet unterbrochen werden kann. Die Unterüberschriften, die den ersten und zweiten Buchstaben der nachfolgenden Lemmata angeben, sind beim Nachschlagen hilfreich. So finden sich beim Buchstaben F die Unterüberschriften Fa, Fe, Fi, Fl, Fo, Fr, Fu. Gelegentlich fehlerhaft ist die alphabetische Reihung, zum Beispiel wenn Eis erst nach Eisen und den zugehörigen Lemmata folgt. Die zweite sowie die folgenden Zeilen eines Artikels sind eingerückt, was die erste Zeile mit dem Lemma hervorhebt. Innerhalb eines Artikels finden sich nur selten strukturanzeigende Ziffern. Die Gliederung erfolgt nur durch typographische Unterscheidung zwischen den Lemma-

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ta, Sublemmata und Kollokationen in deutscher Schrift auf der einen und lateinischen Äquivalenten auf der anderen Seite. Das Geschlecht des deutschen Nomens wird regelmäßig (allerdings nicht immer) angezeigt (durch m., f., n. oder den entsprechenden Artikel); besteht Verwechslungsgefahr, wird auch die Wortart angegeben, beispielsweise bei Betreten, adj. im Gegensatz zum Verb.

Abb. 22: Beispiel für ein Nestlemma (Ablaß der Sünden) bei Bauer 1798: 23. Die unterschiedlichen Bedeutungen sind, wie hier beim Beispiellemma Vorstehen (Bauer 1798: 2827), nicht durch Ziffern voneinander abgetrennt.

Viele Begriffe hat Bauer als erster aufgenommen, etwa Idealismus, Blitzableiter (unter Ableiter), Atmosphäre (unter Dunstkreis), Blasenpflaster, Oper, Oratorium oder Adagio und Andantino. Auch hatte er offenbar Freude daran, alltägliche Begriffe wie Billard zu berücksichtigen. Der Artikel dazu lautet: Billard, n. die Tafel selbst, abacus, tabula tudicularia; das Haus, der Ort, sphaeristerium; das Spiel, lusus tudicularis; pilarum agitatio, impulsus, pugna, contentio, commissio; spielen, pilas tudiculis mouere, committere, impellere; pilis commissis ludere. Bauer 1798: 550

Man nimmt an diesen Artikeln wie diesem wahr, wie stark alltägliches Latein noch gebraucht wurde; tudicularis bzw. tudicularius ist weder antik noch mittelalterlich belegt. Unlateinisch hingegen ist die Übertragung von Scheller, der wie immer zu stark auf die Genauigkeit des Begriffs achtgibt (s.o.): Billard, 1) ein gewisses Spiel: ist nicht wohl mit Deutlichkeit zu übersetzen, vielleicht sagt man am besten, lusus billardicus, oder durch Umschreibung, lusus nomen gerens Billard. 2) die Tafel dazu, etwa tabula billardica, oder durch Umschreibung, tabula serviens lusui nomen gerenti Billard. Scheller 1805: 542

Georges bleibt in diesem Falle puristisch und spricht lediglich von *tabula lusoria, *lusus globorum eburneorum und *globulos eburneos baculo impellere. Neulateinische Belege liefert Nikitinski (2017: 211) nur für trudicula (Billardstock).

Kürze und Latinität in Ernst Friedrich Wüstemanns Handwörterbuch | 199

5.6 Kürze und Latinität in Ernst Friedrich Wüstemanns Handwörterbuch Ein Wörterbuch, das – wenn auch nicht so extrem wie Bernhold 1753 – zu einem starken Klassizismus tendiert, ist das Deutsch-Lateinische Handwörterbuch (1826/1827) von Ernst Friedrich Wüstemann (1799–1856). Mit ihm treten wir in die Untersuchung der dritten Wörterbuchschule ein, die als Vorstufe zu den Wörterbüchern von Karl Ernst Georges gesehen werden kann. Diese Vorstufe wird aus der Trias Wüstemann, Kraft und Lünemann gebildet, die Georges alle gekannt hat. Wüstemann besuchte das Gymnasium illustre in Gotha, studierte Altertumswissenschaften in Göttingen und kehrte anschließend als Lehrer an seine alte Schule zurück. Er galt als exzellenter Lateinstilist. Der Theologe und Historiker Friedrich Koldewey bezeichnet Wüstemann sogar als „den besten Latinisten seiner Zeit“ nach Eichstädts Tod.186 Nicht weniger überschwänglich urteilte Friedrich Berger (1814– 1875) (1857: 3–4), Klassischer Philologe und Schulmann: Quid vero dicam de arte Latine scribendi, qua adeo excelluit, ut vix quisquam eorum, qui recentiore aetate vixerunt, ei par videatur. [...] Nullus vero me retinet pudor, quin dicam Wuestemannum tanta copia, tanta elegantia, tanta venustate tantaque in dicendo conspicuum fuisse arte, ut ipse Romae natus fuisse et eruditus cumque summo oratore Romanorum, in quo imitando eximium posuit studium, rhetoricas scholas frequentasse videretur. […] Spero et confido futurum esse, ut Wuestemannum summum Latine dicendi nostra aetate fuisse artificem lubenter confiteamini. Neque dubitari potest fore, ut Wuestemannus in numerum eorum referatur, qui inter recentiores scriptores summum in arte Latine scribendi locum obtinent, et dignus habeatur, qui cum Ernestio, Ruhnkenio, Hermanno, Eichstadio de principatu certet.

Und Karl Ernst Georges (1806–1895), selbst Schüler Wüstemanns, schrieb (1857: 10– 11) über den Stil seines Lehrers: Mox Latine scribendi tantus exstitit artifex, ut pauci ex aetatis suae scriptoribus cum eo compararentur, nemo anteponeretur. Lingua Latina caste pureque utebatur: loquebatur probe et eleganter; vigilanter atque attente verba non bona vitabat. Oratio erat accurata, polita, perspicua, festiva: tenebat eos qui audiebant, et non solum delectabat, sed etiam sine satietate delectabat. Documento esse possunt quas typis exscriptas habemus et orationes et laudationes et memoriae; testatur scribendi elegantiam in primis praefatio Promptuario sententiarum praeposita, in qua et utriusque parentis et fratris virtutes summis laudibus persequitur.

Und zur dichterischen Begabung Wüstemanns heißt es bei Georges (1857: 11): Neque defuit Wuestemanno facultas Latina poemata fingendi, quam multis et egregiis exemplis probavit peritissimo cuique; eam autem non innatam esse sibi, sed exercitationum assiduitate

|| 186 Koldewey 1898: 368–369.

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comparatam ipse ingenue profitebatur. At tamen satis bene res ei procedebat, sive elegos sive lyrica carmina sive epigrammata scribebat.

In Gotha gab Wüstemann mit dem späteren Direktor Rost die Anleitung zum Uebersetzen aus dem Deutschen in das Griechische (zuerst 1820) heraus. Zu seinen Schülern gehörten unter anderen die Philologen Johann Friedrich Dübner (Bearbeiter der Bibliotheca Graeca bei Didot), Raphael Kühner und Karl Ernst Georges, der oben zitierte lateinische Würdigung seines Wirkens (Ern. Frid. Wuestemanni Memoria, 1857) verfasst hat.

Abb. 23: Emil Jacobs: Bildnis von Ernst Friedrich Wüstemann (1799–1856) von 1824. Universitätsbibliothek Leipzig, Porträtstichsammlung, Inv.-Nr. 59/17.

Auf einem Portrait von 1824 erscheint Wüstemann, Teilnehmer des ersten Wartburgfestes von 1817, als Jüngling mit lockigen Haaren und modischer Krawatte. Das Bild atmet nicht mehr den Realismus des Barocks und der Aufklärung, wie die Portraits der bisherigen Lexikographen mit Perücken und ernsten Mienen, sondern den jugendlichen Idealismus der Romantik. Im Vergleich zu den älteren Lexikographen ist Wüstemann als schöner, vergeistigter junger Mann mit weichen Gesichtszügen, die von Bildung und Kultiviertheit sprechen, dargestellt. Dazu passt auch die Beschreibung der Totenrede von Berger (1857: 6):

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Quid dicam de Wuestemanni humanitate, comitate, affabilitate? Quae quidem virtutes in eo tantae fuerunt, ut docti indocti, summi infimi pari modo eius consuetudine delectarentur. Aspernabatur enim istam rudem ferociam morumque rusticitatem, qua nonnulli hominum admirationem se consecuturos sperant.

Das Wörterbuch von Wüstemann (1826/1827) zeichnet sich unter den deutschlateinischen Wörterbüchern des 18. und 19. Jahrhunderts im Allgemeinen durch zwei Eigenschaften aus, nämlich gute Latinität mit einem starken Hang zum Klassizismus und lexikographische Knappheit (brevitas). Man muss das Wörterbuch Wüstemanns gleichzeitig in einer besonderen Konkurrenz zu Krafts Deutsch-Lateinischem Lexikon (11820/1821; 21824/1825, 31829/1830; 4 1843/1844) sehen, nicht nur weil die beiden Wörterbücher etwa zur gleichen Zeit erschienen. Im Jahre 1826, in dem auch Wüstemanns Werk erschien, wurde auch die Bearbeitung des Kraft’schen Wörterbuchs durch selbigen und Albert Forbiger herausgegeben: Neues deutsch-lateinisches Handwörterbuch: nach F. K. Kraft‘s größerem Werke besonders für Gymnasien bearbeitet (1826). Die Konkurrenz zwischen Wüstemann und Kraft zeigt sich im Streben, mehr Lemmata als der Konkurrent vorweisen zu können, aber auch in einer in den Vorreden ausgetragenen Auseinandersetzung zwischen den beiden Lexikographen, in der es unter anderem um die richtige Zitationsweise der Autoritäten geht. Wüstemann gibt dort gewissermaßen eine Anleitung, wie überflüssige Angaben von Autoritäten zu vermeiden sind. Daraus lassen sich auch Kriterien für das Verständnis des Begriffs der Klassizität bei den Lexikographen ableiten. Die Teile der Vorrede, die sich auf dieses Thema beziehen, werden unten im Kap. 5.8 zitiert.

5.6.1 Lexikographische Kürze und Vollständigkeit Eine besondere Tugend Wüstemanns ist die selbstauferlegte Kürze bei der Ausführung der Artikel. Sie besteht darin, unnötige Kommentare zu vermeiden, die Bedeutung des Lemmas nur, wo nötig, zu erklären, Autoritäten nur in bestimmten Fällen anzugeben, auf deutsche Übersetzungen lateinischer Wendungen möglichst zu verzichten. Augenscheinlich wird dies beim Lemma Admiral im Vergleich mit den Lösungen von Scheller und Kraft.

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Tab. 8: Beispiellemma Admiral im Vergleich Scheller 1805, I: 73

Wüstemann 1826, I: 36–37

Kraft 1843, I: 74–75

Admiral, summus dux classis, praefectus classis summus, oder qui habet summam imperii classis. Doch genauer würde es seyn, wenn das Wort beybehalten würde; oder wenn man dazu setzte, quem vulgo Admiral vocant. Denn in England gibts viele Admirale (außer Dienste), die nicht commandieren: hingegen kann eine kleine Flotte, oder Flottille von einem Contre-Admiral etc. commandiert werden.

Admiral, der, praefectus classis. – qui classi praeest. – praetor navalis. – zum Ad. machen, classi aliquem praeficere. – praefecturam classis alicui dare. – Adm. sein, classi praeesse, praepositum esse. – imperium classis obtinere. – toti officio maritimo praepositum esse.

Admiral, der, Befehlshaber einer Flotte, dux, praefectus classis, Liv. dux praefectusque classis, Cic. Verr. 5, 34, 89. qui praeest classi ; imperator belli maritimi ; imp. navalis, Caes. classi praepositus, Suet. Tib. 4. Jmd. zum A. machen, praeponere alqm navibus, Cic. praeficere alqm classi, Caes. A. seyn, imperium classis obtinere, Hirt. classi praepositum esse, Suet. classi praeesse, Cic. toti officio maritimo praepositum esse, Caes. B. C. 3, 5.

Derartige enzyklopädische Kommentare, wie sie bei Scheller (s.o. auch Kap. 5.4.2) so zahlreich zu finden sind, sind bei Wüstemann unvorstellbar. Ebenso fehlen ungelenke Hinweise wie: „Auch übersetzen es Einige durch eucharistia“ (Scheller 1805, I: 11 zu Abendmahl) u.ä. Jede Weitschweifigkeit wird vermieden. Dadurch hat Wüstemann Platz für die Übersetzung zweier wichtiger Wendungen (zum Admiral machen und Admiral sein) und ist dennoch kürzer als Scheller. Selten finden sich präzise und wesentliche Kommentare zur Phraseologie oder Syntax, z.B. bei Aas und Abdringen: Aas, das, cadaver. – Oft gebrauchen dafür die Lateiner das Adjektiv morticinus, a, um, in Verbindung mit einem Substant., z. B. Aas von einem Schaafe, ovis morticina. Wüstemann 1826, I: 3 Abdringen, exprimere aliquid alicui od. ex aliquo od. ab aliquo oder die Sache wird durch ein Verbum mit folgendem ut ausgedrückt; z. B. ein Geständniß abdr., exprimere alicui confessionem od. exprimere ut confiteatur. […] Wüstemann 1826, I: 5

Im Unterschied zu Kraft fehlt bei Wüstemann meist die Erklärung der Bedeutung des jeweiligen Lemmas, z.B. beim Lemma Amphibie, wo die Tugend der brevitas eher zu einem Mangel wird. Amphibie, die, bestia anceps. Wüstemann 1826, I: 51

Hier sind Kraft und Georges deutlich genauer und ausführlicher (s. Kap. 6.3.3.3). Auch bei schwierigeren Wörtern kommt es vor, dass Wüstemann auf eine Erklärung

Kürze und Latinität in Ernst Friedrich Wüstemanns Handwörterbuch | 203

verzichtet, wo andere Lexikographen genaue Bedeutungserklärung betreiben. Die Knappheit, an der sich Wüstemann ausrichtet, lässt sich im Vergleich dreier Wörterbücher hinsichtlich der Übersetzung des Wortes Annaten erkennen. Tab. 9: Beispiellemma Annaten im Vergleich Lünemann 1821: 283

Wüstemann 1826, I: 67

Annaten, die, i. e. die Einkünfte Annaten, die, primi anni redides ersten Jahres einer Pfrüntus. de, die an die päpstliche Kammer entrichtet werden müssen, (vulg. annatae); primi anni reditus ex beneficio aliquo; redituum primitiae summo Pontifici dependendae.

Kraft 1843, I: 143 † Annaten, erster Jahresertrag höherer geistlicher Pfründen, welcher der päpstlichen Schatzkammer zufiel, primitiae redituum pontifici Romano pendendae.

Ungewöhnlich sind bei Wüstemann längere, in ganzen Sätzen formulierte Kommentare, wie zum Beispiel beim Lemma Aufklären: Aufklären, [...] 3) überhaupt helle Einsichten beibringen: erudire. excolere. – den Geist aufkl., tenebras animi discutere, dissipare. – Die bei Neuern gebrauchten Wörter illustrare. collustrare. illuminare sind in dieser Beziehung durchaus unklassisch. Wüstemann 1826, I: 95

Der dianormative Hinweis, dass die Verben in der entsprechenden Bedeutung unklassisch seien, war Wüstemann offensichtlich ein wichtiges Anliegen. Ähnliches findet man auch bei Humanistisch: Humanistisch, z. B. humanistische Wissenschaften, humanitatis studia. – Der Ausdruck studia humaniora. litterae humaniores ist unlateinisch. s. Wolf Museum der Alterthumswissensch. I. p. 12. Wüstemann 1826, I: 551187

Außerdem sind, wie schon erwähnt, deutlich weniger Autoritäten angegeben (s. dazu auch Kap. 5.8). Sie finden sich bei Wüstemann nur, wenn es sich um eine besondere Eigenheit eines Autors oder eine nachklassiche Formulierung handelt. Bei Verbindungen, die nur im neueren, nicht aber im klassischen Latein gebräuchlich sind, weist der Autor jedoch darauf hin, zum Beispiel: Erbauungsmittel, das, pietatis adjumentum (Neuere). Wüstemann 1826, I: 316

|| 187 Zum Begriff Humanismus s. Stroh 2008.

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Hinzu kommt, dass Wüstemann im Allgemeinen darauf bedacht ist, keine als unnötig empfundenen Wortverbindungen aufzunehmen. Es sei „Raumverschwendung, alle Beispiele aus Scheller und Gesner aufzuhäufen“, „wenn der lateinische Ausdruck eine wörtliche Uebertragung des deutschen gestattet und also durch Zusammenstellung der einzelnen Wörter von selbst sich ergibt“ (wie etwa bei litterae veteres, antiquae, epistola vetus usw.).188 Sonst werde „ein deutsch-lateinisches Wörterbuch zu einem Vorrathskasten von vorkommenden Phrasen“189 herabgewürdigt. Die Aufnahme von Wortverbindungen, die in beiden Sprachen gleich sind, seien überflüssig und gehören für ihn „höchstens“ in einen Gradus ad Parnassum. Der Gradus ad Parnassum ist ein Hilfsmittel für die Versifikation und enthält Wörter mit der Angabe von Verbindungen und ihrem metrischen Gebrauch. Daher scheint der Vergleich an dieser Stelle nicht ganz zu passen. Jedenfalls ist mit dieser Aussage eine von Wüstemann als abschätzig empfundene Materialsammlung, also eine Art ‚Vorratskasten‘ mit Wortverbindungen gemeint. Vielleicht hatte Wüstemann ältere Wörterbücher im Blick, die – wie z.B. Steinbach 1734 – beispielsweise in den Artikeln zu Brief oder Dach zahlreiche Komposita und Kollokationen der genannten Art anführen. Solche „scheinbare Gelehrsamkeit“ hielte „die jungen Leute vom Nachdenken mehr ab, als daß sie zum Nachdenken und zur Schärfung des Verstandes etwas beitragen sollte, was man doch beim Studium der Sprache bezweckt“190. Hiermit spricht Wüstemann implizit das Hauptziel des Lateinunterrichts seiner Zeit an, die formale Bildung durch Sprache. Aber Wüstemann geht es hier darum, im Wörterbuch stattdessen „vor einer Menge von Verbindungen zu warnen, die zwar im neuern Latein im Umlauf sind, aber von der alten Sprachweise gänzlich abweichen“ (s.o. Aufklären).191 Oft findet sich bei Wüstemann auch keine deutsche Übersetzung der lateinischen Übersetzung. Nur wo es nötig gewesen sei, würden auch deutsche Hinweise zur Synonymik und der unterschiedlichen Anwendung der Wörter gegeben, so Wüstemann. Häufig reiche es hierbei aus, die deutschen Bedeutungen in Klammern dahinterzusetzen. Ankündigen, nuntiare. annuntiare. indicare. significare. notum facere (bekannt machen). – obnuntiare (von unangenehmen Ereignissen). – denuntiare. imperare (als Befehl). – edicere (öffentlich und feierlich). – clamare. clamitare (mit lauter Stimme). – praenuntiare. – pronuntiare. praedicere (von zukünftigen Dingen). – promittere (wenn ein Versprechen damit verbunden ist, wie z. B. ein Buch ank., librum promittere). – der etwas ank., nuntius. – praenuntius (Vorbote). Wüstemann 1826, I: 64

|| 188 Wüstemann 1826/1827, Vorrede: XXII. 189 Ebd. 190 Wüstemann 1826/1827, Vorrede: XXII–XXIII. 191 Wüstemann 1826/1827, Vorrede: XXIII.

Kürze und Latinität in Ernst Friedrich Wüstemanns Handwörterbuch | 205

Für diese mit Fleiß getriebene Arbeit gab es laut Wüstemann nur wenige sichere Hilfsmittel.192 Verschiedene Konstruktionsweisen in den beiden Sprachen würden angemerkt. Wo Angaben dieser Art zu weitläufig geworden wären, werde auf Grammatiken193 oder Kommentare verwiesen. Dennoch steht diese lexikographische Kürze nicht im Widerspruch zu Wüstemanns Streben nach Vollständigkeit der Lemmata. Was den Stoff des Wörterbuchs angeht, so schwebte Wüstemann gemäß der ausführlichen Vorrede am Anfang des ersten Bandes eine relative Vollständigkeit vor. Sein erklärtes Ziel ist es, von den Alten alles, aus der neueren Zeit eine sinnvolle Auswahl darzubieten: Einerseits sei er also bestrebt gewesen, „alle den alten Römern bekannte[n] Wörter und Ausdrücke“194 aufzunehmen. Andererseits habe er auch neuere Wörter berücksichtigt, weil das Wörterbuch auch ein Hilfsmittel sowohl für deutsch-lateinische Übersetzungen in der Schule als auch für den außerschulischen Gebrauch sein sollte. Bezüglich der Schulübungen plädiert Wüstemann nicht nur für antike, sondern auch für moderne Inhalte. Er schreibt: Denn unseres Erachtens, soll man sich selbst bei den Uebungen im Uebersetzen auf Schulen nicht bloß auf das aus Alten Entlehnte, den Alten Bekannte einschränken, sondern auch Gegenstände der jetzigen Kultur und Lebensverhältnisse in diese Uebungen mit hineinziehen. Wüstemann 1826/1827, Vorrede: IV

Über die Gründe dieser Forderung schreibt Wüstemann nichts. Er ist aber einer der wenigen Lexikographen, der für die Übersetzung von Texten mit modernem Inhalt spricht. Der Anspruch des Lexikographen geht aber weit über die Schulgrenzen hinaus. Für den „Gebrauch des spätern Lebens“195 habe er Wörter aus der Wissenschaft (die häufigsten Begriffe aus der neueren philosophischen, theologischen und juristischen, aber auch mathematischen, physikalischen, chemischen und naturgeschichtlichen Terminologie) und dem alltäglichen Leben (aber nur das Wichtigste aus der Ökonomie und der dem Bereich „der geselligen Verhältnisse“196) aufgenommen. Ausdrücklich ausgeschlossen seien die selteneren Fachtermini der Naturwissenschaften, die für den Spezialisten ohnehin bekannt seien. Es entfallen

|| 192 Johan Christian Gottlieb Ernestis Synonymik (Versuch einer allgemeinen lateinischen Synonymik. Aus dem Französischen des Herrn Gardin Dumesnil Synonymes latins [...] bearbeitet von I. C. G. Ernesti. 3 Bd. Leipzig: Baumgärtner, 1799/1801) sei unzuverlässig. Vielmehr habe Wüstemann auf die verstreuten Hinweise diverser Kommentare und auf eigene mühsame Vergleichungen zurückgegriffen. 193 Zumpt, Karl Gottlob (41824): Lateinische Grammatik. Berlin: Dümmler; Bröder, Christian Gottlob / Ramshorn, Johann Gottlob Ludwig (171824): Practische Grammatik der lateinischen Sprache. Leipzig: Vogel. 194 Wüstemann 1826/1827, Vorrede: III. 195 Wüstemann 1826/1827, Vorrede: IV. 196 Ebd.

206 | Untersuchung einzelner deutsch-lateinischer Wörterbücher

auch Sprichwörter, es sei denn man könne sie „ächt lateinisch passend ausdrücken“, Schimpfwörter und substantivierte Infinitive auf -ung im Deutschen, sofern sie im zeittypischen Sprachgebrauch nicht häufig vorkommen. Um die, laut Wüstemann, neuartige Vollständigkeit zu demonstrieren, führt er auf Seite VI der Vorrede alle Wörter der Buchstaben A und B auf, die in Krafts Wörterbuch nicht vorkommen (von Allgemeingültig und Aussenhandel über Backform, Begehrungssünde, Berufstreue bis hin zu Biberfell, Bleistift, Brandrakete und Bürgergarde). Allerdings konnte Kraft 1829/1830 und 1843/1844 je eine neue Auflage seines Wörterbuchs vorlegen, in denen er – sicherlich auch im Abgleich mit Wüstemanns Wörterbuch – bei weitem mehr Lemmata berücksichtigen konnte als dieser. Nur selten also bietet Wüstemann ein Lemma, das bei Kraft nicht vorhanden ist. Ein Beispiel dafür ist Altarhimmel (mit dem klassischen Pluralgebrauch von altaria). Altarhimmel, der, umbella altarium. Wüstemann 1826, I: 50197

Hinsichtlich der Gliederung der einzelnen Artikel beklagt Wüstemann: „Leider waren hier die Vorarbeiten in den lateinischen Wörterbüchern von wenigerem Nutzen, da in den meisten eine logisch richtige Anordnung der Begriffe gänzlich vermißt wird“198. Hierin habe nur Lünemanns Wörterbuch (1821) eine Ausnahme gebildet, das allerdings nur für die ersten vier Buchstaben des Alphabets erschienen ist. Vorbild sei hier auch Rosts Deutsch-griechisches Wörterbuch gewesen.199 Rost, wie dann auch Wüstemann, sei bei der Anordnung der Bedeutungen innerhalb eines Lemmas mehr der Nutzen beim Gebrauch vor Augen gestanden haben „als die strenge Stufenfolge in der Entwickelung der abgeleiteten Bedeutungen von der Grundbedeutung“.200 Die Artikel zu Substantiven sind bei Wüstemann entweder (wo Synonyme vorhanden) durch aneinandergereihte Synonymik mit angeschlossenen Wendungen (Fall 1) oder durch nummerierte Aufteilung nach Bedeutung (Fall 2; hier wörtlich, weiterführend und übertragen) oder nach semantischem Gebrauch (Fall 3) aufgebaut. Innerhalb des Artikels sind die lateinischen Begriffe vom Allgemeinen und Gewöhnlichen zum Besonderen geordnet (Fall 1; Fall 2, 2). (Fall 1:) Genehmigung, die, probatio. approbatio. comprobatio (Billigung). – confirmatio (Bestätigung). – assensus. consensus (Einwilligung). – auctoritas (vom Senate). – mit Jem. Genehmi-

|| 197 Hingegen: „Altarleuchter, der, candelabrum altaris“ (ebd.). 198 Wüstemann 1826/1827, Vorrede: VII. 199 Rost, Valentin Christian Friedrich Rost (21823): Deutsch-Griechisches Wörterbuch. 2 Bde. Reutlingen: Enslin / Göttingen: Vandenhöck & Ruprecht (zahlreiche Auflagen). 200 Wüstemann 1826/1827, Vorrede: VII.

Kürze und Latinität in Ernst Friedrich Wüstemanns Handwörterbuch | 207

gung, alicujus auctoritate. – ohne Jem. Genehmigung, alicujus injussu. – Jem. Genehmigung erhalten, alicui probari. (Fall 2:) Genuß, der, 1) das Geniessen: usus. usura. fructus. – was zu unserm Genuß wächst, quae nobis ad fruendum gignuntur. – 2) angenehme Empfindung durch den Genuß: suavitas. voluptas. – delectatio. oblectatio. – sinnlicher Genuß, corporis voluptas. – geistiger Genuß, animi voluptas, oblectatio. – Genüsse des Lebens, suavitas. vitae jucunditates. – 3) Vortheil, Gewinn: fructus. – commodum lucrum. – Genuß von etwas haben, ex aliqua re fructum od. commodum capere. (Fall 3:) Knospe, die, 1) an Bäumen: gemma. oculus. – Knospen bekommen, gemmascere. gemmare. gemmas agere. – 2) an Blumen: calyx. Wüstemann 1826, I: 426; 427; II: 26

5.6.2 Reine Latinität Wüstemann ist ein Vertreter der reinen Klassizität im lateinischen Sprachgebrauch. Bei der Hinübersetzung geht Wüstemann (1826/1827, Vorrede: VII) seinen Angaben zufolge von dem Grundsatz aus, daß jedem deutschen Worte zunächst derjenige lateinische Ausdruck beigesellt wurde, welcher im Umfang des Begriffs und nach der Anwendung in einzelnen Redensarten demselben am nächsten kömmt, mit strenger Berücksichtigung der verschiedenen Perioden der lateinischen Sprache und mit steter Hervorhebung des Classischen.

Nur wenn ein Interpretament von dieser klassischen Norm abweicht, wird es durch einen entsprechenden Hinweis angezeigt. Im folgenden Beispiel etwa wird nur der kirchliche Gebrauch von eucharistia angemerkt, da die weiteren Wendungen aus dem klassischen Wortmaterial gebildet sind: Abendmahl, das, coena. – das heilige Abendm., mensa od. coena sacra. – zum A. gehen, sacra coena uti. accedere sacro epulo. – celebrare eucharistiam (Kirchenschr.). – das A. halten, coenam sacram administrare. – das A. austheilen, sacerdotis munere fungi in sacra coena administranda. Wüstemann 1826, I: 6

Die klassizistische Ausrichtung führt zur Tilgung von unklassischen Begriffen, so zum Beispiel fehlt indulgentia beim Lemma Ablaß ganz, obwohl es bei den christlichen Autoren im Sinne der Sündenvergebung gut gebräulich ist. Ebenso entfällt der prägnante Begriff adventus für das Lemma Adventzeit (zu den theologischen Begriffen s. Kap. 6.3.2). Bei den Lemmata Allgegenwärtig und Allgegenwart fehlt das in der Antike nicht gebräuchliche Adjektiv omnipraesens (ganzer Artikel zitiert in Kap. 5.3.2). Dagegen wird das dazugehörige, ebenso wenig gebräuchliche, Nomen mit entsprechender Markierung zugelassen. Für nicht-theologische Schriften wird eine klassische Umschreibung empfohlen.

208 | Untersuchung einzelner deutsch-lateinischer Wörterbücher

Bei Allmacht ist die Lage andersherum. Es fehlt das Nomen, das Adjektiv ist die einzige Übersetzung für Allmächtig. Der in paganen Texten belegte (Macrobius) und in christlichen Texten häufig belegte Gebrauch von omnipotentia wird von Wüstemann (1826, I: 46) nicht berücksichtigt. Allmacht, die, omnis, infinita potentia. Allmächtig, omnipotens.

Bei Allwissend fehlt sowohl omniscius als auch omniscientia, da es in der Antike nicht gebräuchlich war (kein Eintrag im ThLL). Allwissend, cuncta animadvertens. – omnes res, quae sunt et fuerunt et futurae sunt, tenens. – Gott ist allw., dei notitiam nulla res fugit. Allwissenheit, die, ea dei facultas, qua cuncta animadvertit. Wüstemann 1826, I: 47

Auch bei den Begriffen Auferstehung, wo „resurrectio (bei Lactant.)“ steht, und Auferstehen, wo resurgere fehlt, spürt man Wüstemanns Ausrichtung (s. auch Kap. 6.3.2.2). Längere Umschreibungen mit puristischer Ausrichtung finden sich bei neueren Wörtern, die den Römern vom Begriff her nicht bekannt waren. Die Umschreibung des Lemma Auto-da-fé ergänzt Wüstemann (1826, I: 140) aber mit einem praktischeren Interpretament (ähnlich bei Realschule, s. Kap. 5.8): Auto-da-fé, das, supplicium, apud Hispanos de iis sumtum [!], qui neglectae religionis accusati sunt. supplicium haereticorum (Neuer.).

Aber in der Regel verzichtet Wüstemann (1826, I: 225) bei modernen Begriffen zugunsten der brevitas auf puristische Umschreibungen, wie etwa bei Brille (s. auch Kap. 6.3.3.2): Brille, die, perspicillum (Neuer.).

Wo sich Wüstemann bewusst ist, dass die lateinischen Übersetzung nicht ganz den deutschen Begriff trifft, fügt er ein „etwa“ ein: Bataillon, das, etwa cohors, agmen. Wüstemann 1826, I: 146

Wüstemann zeichnet sich durch manche genaue sprachliche Beobachtung aus, etwa dass Römer keinen eigenen Ausdruck für den Begriff Empiriker hatten, sondern auf das griechische Fremdwort zurückgriffen:

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Empiriker, der, qui experientiam sequitur ducem. – qui se ἐμπειρικόν ab experientia vocat (bei Cels. [de medicina 1 pr. 27], woraus hervorgeht, daß der eigentliche Ausdruck den Lateinern abging). Wüstemann 1826, I: 302.

Genaues Sprachstudium erfordert sicherlich auch die Erkenntnis, dass Kreditwesen im Anschluss an Cicero (Marc. 23: revocanda fides und Manil. 19: haec fides atque haec ratio pecuniarum) gut lateinisch einfach mit fides zu übersetzen ist: Kreditwesen, das, liegt im einfachen fides; eine neuere Umschreibung ist: rationes pecuniarum debitarum et creditarum. Wüstemann 1827, II: 44

Nur Wüstemann (und im Anschluss an ihn sein Schüler Georges), nicht einmal sein sonst oft überlegener Konkurrent Kraft, hat diese feine Beobachtung gemacht. Wüstemann erhielt in zwei Rezensionen zum ersten Band aus dem Jahr 1826 sehr negative Kritik. Beide sind sich einig, dass Wüstemanns Werk im Vergleich zu den bisher erschienenen Wörterbüchern keinen grundlegenden wissenschaftlichen Fortschritt gebracht habe. Von einem anonymen Verfasser stammt die zeitlich spätere Rezension. Sie stellt folgende Mängel fest, ohne sie jedoch – aus „Rücksicht auf das schwere und mühselige Amt des Lexikographen“201 – näher zu belegen: mangelnde Vollständigkeit der deutschen Lemmata, unklare Anordnung der Artikel (wohl in Bezug auf die Bedeutungen eines deutschen Wortes), mangelnde Berücksichtigung der Synonymik (keine Unterscheidung etwa der Verben innuere, indigitare, d.h. eine Gottheit unter bestimmten Gebeten anrufen, significare, indicare, aperire beim Lemma Andeuten) und zu geringe Beschäftigung mit den Klassikern, insbesondere Cicero, die zeitgenössischen Kommentare und Übersetzungen zu ihnen einbegriffen. Die Rezension wird beschlossen von mehreren Dutzenden zu ergänzenden Wörtern (etwa hypothesenreich, opin[i]osus) und Übersetzungen (es fehlt etwa crumena bei Geldbeutel usw.). In die sonst durchgängig negative Rezension mischen sich immerhin fünf Punkte, die der Rezensent (Anon. Rez. 1826, Sp. 442) als lobenswert hervorhebt: Wir treffen bei ihm ungleich weniger schielende und hinkende Begriffsumschreibungen, als bei Hrn. Kraft, welcher in dieser Hinsicht mehrfach seine Unkenntniß der wahren Latinität verräth; auf Synonymik, die in den bisherigen deutsch-lat. Wörterbüchern so gut wie gar nicht beachtet wurde, ist ein größeres Augenmerk gerichtet; weiter ist’s sehr löblich, daß dem Wuste grundgemeiner und pöbelhafter Schimpfwörter der Eingang versagt wurde; unverkennbar ist der vielfach glückliche Fleiß, dem deutschen Begriffe den entsprechenden lat. Ausdruck beizugesellen; ferner ist die hohe Zweckmäßigkeit in der Weise zu citiren und die engere, mit der Grammatik eingeleitete Verbindung nicht zu übersehen.

|| 201 Anon. Rez. 1826, Rez. zu Wüstemann 1826/1827: Sp. 443.

210 | Untersuchung einzelner deutsch-lateinischer Wörterbücher

Als besonders negativ wird (Sp. 441) aber die angeblich polemische und hochnäsige Art Wüstemanns getadelt: [M]ußte denn Hr. Prof. W., wenn er in sich Kraft und Beruf [das heißt Berufung] fühlte, die deutsch-lat. Lexikographie ihrer Vollendung um ein Bedeutendes näher zu bringen, die von ihm vorgefundenen Arbeiten erst möglichst herabsetzen, um so das Verdienstliche seiner Leistungen in das gehörige und erwünschte Licht zu stellen?

Die zeitlich etwas frühere Rezension von Ernst Friedrich Kärcher (1789–1855), der selbst einige Wörterbücher (s.u.) herausgegeben hat, ist noch verheerender. Sie sei, so schreibt die bereits zitierte anonyme Rezension über Kärchers Rezension, „nicht sine ira et studio“202 geschrieben, fälle aber dennoch ein richtiges Urteil. Auch Kärcher verurteilt die angebliche „unverkennbare Geringschätzung gegen alles Bisherige, also auch gegen den sehr verdienten Kraft“203. Der Ton der ganzen Rezension ist gehässig und spart nicht mit persönlichen Angriffen auf den „junge[n] Professor in Gotha“204: „Doch, Bescheidenheit ist nicht Jedermanns Sache; und wir dachten uns den möglichen Fall, dass man sich stark an ihr versündigen, aber immer noch ein ausgezeichneter Lexicograph seyn könne.“205 Genau dies aber bezweifelt Kärcher im Falle Wüstemanns. Es fehle „dem Verfasser dieses Buches an dem ersten und hauptsächlichsten Erfordernisse eines Lexicographen, an gründlicher Kenntniss sowol der fremden, Lateinischen, als auch der eigenen Muttersprache [...]; einigermassen gute Artikel verschwinden unter der Unzahl solcher, die chaotisch unter einander gewirrt sind, die von Halbheiten und Irrthümern entstellt, zugleich noch den Schein von Originalität und tiefer Gelehrsamkeit an sich tragen sollen“.206 Kärcher kritisiert zudem Wüstemanns Inkonsequenz bei der Umsetzung der in der Vorrede präsentierten Grundsätze, zum Beispiel was die Aufnahme von naturgeschichtlichen oder juristischen Begriffen angeht; diese hätte er weglassen können, falls er mit dem Wörterbuch Schüler addressieren wollte, oder vollständiger aufnehmen müssen, falls auch Akademiker.207 Kärcher tadelt auch das Streben nach Vollständigkeit der deutschen Lemmata, wie er zu Recht anmerkt „ein Lieblingsthema beinahe aller Lexicographen“208. Stichhaltiger als diese übertriebenen Vorwürfe in Kärchers gnadenloser Kritik ist, dass Wüstemann viele Hilfsmittel und Editionen außer Acht gelassen habe. Er führt zum Beispiel zahlreiche Wörter auf, die Wüstemann aus Vitruv oder den Autoren über Ackerbau hätte leicht übernehmen können, etwa Balkonfenster (fenestrarum lumina valvata). Manches habe Wüs|| 202 Anon. Rez. 1826, Rez. zu Wüstemann 1826/1827: Sp. 441. 203 Kärcher 1826: 48. 204 Ebd. 205 Ebd. 206 Ebd. 207 Vgl. Kärcher 1826: 49. 208 Ders. 50.

Ein wahres Zeitbedürfnis – Friedrich Karl Krafts Deutsch-lateinisches Lexikon | 211

temann auch nur unkritisch übernommen, etwa die Behauptung ensis sei „fast nur“ dichterisch, während es doch „bloss“ bei Dichtern vorkomme.209 Darin hat sich Kärcher allerdings geirrt, das Wort findet sich etwa auch bei Livius oder in Seneca des Ältern Suasorien.210 Auf die allgemeinen Vorwürfe folgt eine zwanzigseitige Auflistung der Fehler in den ersten vier Spalten von Wüstemanns Wörterbuch. Kärcher (1826: 78) schließt mit den Worten: [Ich] überlasse es den Lesern, daraus abzunehmen, [...] ob meine [...] Ansicht gegründet sei, dass Herr W. in keiner Hinsicht Herrn Kraft, gegen den er hauptsächlich operiert, übertroffen; dass er häufig, wo Kraft etwas Gutes gab, denselben schlecht benutzt, häufig, wo Kraft Unrichtigkeiten hat, diese ohne Weiteres ihm nachschreibt; dass es ihm theils an gediegenen Kenntnissen im Lateinischen und Deutschen, theils an der für einen Lexicographen unerlässlichen, wenn gleich manchmal ans Pedantische gränzenden, Pünktlichkeit in Benutzung Andrer fehlt; dass er also vorerst zum Lexicographen um so mehr verdorben ist, da ihn über den wahren Stand seiner Kenntnisse eine unverkennbare Süffisance täuscht, die der Tod jeder Wissenschaft ist.

Dass manches Detail in Kärchers Kritik zutreffen mag, ist unbezweifelt, der Ton jedoch ist angesichts der lexikographischen Leistung Wüstemanns (s. auch Kap. 5.8) völlig unangemessen. Aber dies zeigt: Deutsch-lateinische Lexikographie war am Anfang des 19. Jahrhunderts ein Ort zahlreicher, auch emotional geführter Auseinandersetzungen von Philologen. Wüstemanns direkter Konkurrent war Friedrich Karl Kraft.

5.7 Ein wahres Zeitbedürfnis – Friedrich Karl Krafts Deutschlateinisches Lexikon Ein Blick auf die Menge der deutsch-lateinischen Wörterbücher im 18. und 19. Jahrhundert zeigt, wie groß das Bedürfnis nach solchen Wörterbüchern gewesen sein muss. Es herrschte eine regelrechte Konkurrenz zwischen den Lexikographen, die zur stetigen Verbesserung der Wörterbücher beitrug. Auch konnte sich die Philologie nicht dem allgemeinen Zug der Zeit zur Wissenschaftlichkeit entziehen. Zudem war wissenschaftliches Forschen bis zum Ende des 19. Jahrhunderts selbstverständlicher Teil des Lehrerdaseins.211 Dass dieser wissenschaftliche Antrieb auch nicht vor der deutsch-lateinischen Lexikographie, die ihren Schwerpunkt in der Schule hatte, Halt machte, wird besonders am Beispiel von Krafts zweibändigem Deutsch-Lateinischem Lexikon deutlich. Dieses erschien zuerst 1820/1821 und wurde durch den Autor bis zur vierten

|| 209 Ders. 53. 210 Vgl. Art. ēnsis, in: ThLL. 211 S. Baumbach 2002.

212 | Untersuchung einzelner deutsch-lateinischer Wörterbücher

Auflage 1843/1844 über zwanzig Jahre hinweg immer wieder verbessert und erweitert. Der wissenschaftliche Zugewinn in Krafts Wörterbuch im Vergleich zu älteren Wörterbüchern ist beträchtlich. Kraft, der zu Recht „Begründer einer rationellen [d.h. wissenschaftlichen] deutsch-lateinischen Lexikographie“212 (Albert Forbiger) genannt worden ist, besticht vor allem durch die konsequente Angabe von Autoren und bei Zitaten auch der genauen Fundstelle. Zudem erreicht die Wörterbuchbasis, also das Korpus der herangezogenen Quellen und Hilfsmittel sowohl der deutschen Ausgangssprache als auch der lateinischen Zielsprache eine beeindruckende Größe. Es wird in den Vorreden detailliert beschrieben (s.u. Kap. 6.1). Die möglichst vollständige Erfassung der deutschen Gegenwartssprache ist als Ziel klar definiert. Die Artikel sind hinsichtlich der Bedeutungsnuancen eines Lemmas sorgfältig gegliedert, die lateinische Synonymik und Phraseologie in bis dahin ungekannter Weise berücksichtigt. All diese Punkte sind in Bauers und Schellers Wörterbüchern schon angelegt, doch noch nicht derart präzise durchgeführt wie bei Kraft. Zusammen mit Wüstemann und Lünemann ist Kraft der Wegbereiter für das bis jetzt nicht übertroffene Ausführliche deutsch-lateinische Handwörterbuch von Georges (1882). Friedrich Karl Kraft (1786–1866) war Spross einer evangelischer Pfarrersfamilie. Eine lange Reihe an väterlichen Vorfahren bekleidete das Predigeramt in NiederTrebra bei Jena. Mit viel Liebe erinnerte sich Kraft später an seine Schulzeit in Pforta unter Karl David Ilgen (1763–1834) zurück, dessen Famulus er bis 1806 war. Nach dem anschließenden Studium in Leipzig und verschiedenen Stationen als Lehrer wurde er 1820 zum Rektor des Gymnasiums in Nordhausen und später des Johanneum in Hamburg ernannt. In Nordhausen war er Lehrer von Georges, in dem er dessen „schon damals lexikalischen Arbeiten zugewandten Neigungen lebhaft förderte“.213 In Hamburg zweigte er die Gelehrtenschule von der Realschule ab und konnte einen Neubau für die beiden Schulen erwirken. Im Zusammenhang mit Angriffen auf die gymnasiale Bildung hatte Kraft mit teils geringen Schülerzahlen zu kämpfen. Neben den vier Auflagen seines Deutsch-lateinischen Lexikons veröffentlichte er eine griechische und römische Geschichte als Anleitung zum Übersetzen ins Lateinische und viele Schulschriften.214 1830 wurde Kraft von der theologischen Fakultät in Leipzig zum Doktor der Theologie ernannt. Zu seinem silbernen Dienstjubiläum in Hamburg wurde 1852 in der Schulaula Antigone von den Schülern aufgeführt. Krafts Deutsch-lateinisches Lexikon war nicht nur wissenschaftlich das beste bis dahin veröffentlichte Wörterbuch, sondern es gehörte neben Scheller, Lünemann, Georges, Wüstemann, Mühlmann auch zu den erfolgreichsten Wörterbüchern seiner Zeit. Wie erklärt sich das? Rasch waren die Exemplare der ersten zwei Auflagen vergriffen; Kraft spricht in den Vorreden vom Verkauf von insgesamt 9000 Exempla-

|| 212 Widmung in Forbigers Deutsch-Lateinischem Handwörterbuch von 1856. 213 Berbig 1904: 288. 214 Werkverzeichnisse finden sich bei Schröder 1866 und Strack 1866.

Ein wahres Zeitbedürfnis – Friedrich Karl Krafts Deutsch-lateinisches Lexikon | 213

ren (beide Auflagen zusammengerechnet). Nur je vier Jahre lagen zwischen den drei ersten Auflagen. „Es ist diess um so bemerkenswerther, als in neuerer Zeit mehrere Concurrenten sich auf demselben Felde versuchten“, schreibt ein Rezensent zu Recht.215 Verleger Ernst Klein zu Leipzig (bis zur dritten Auflage, die vierte erschien bei Metzler in Stuttgart) tat alles für den Verkauf: Bereits nachdem der erste Band des zweibändigen Wörterbuchs in erster Auflage 1820 erschienen war, wurde es vom „Königl. Preuß. Ministerium der geistlichen, Schul- und MedizinalAngelegenheiten, auf ersuchendes Verwenden des Verlegers“216 öffentlich empfohlen und zur Einführung in den Gymnasien angeordnet.217 Diese Empfehlung wird auch vom bayerischen Kultusministerium wiederholt.218 Eine bessere Werbung kann sich ein Buch und mit ihm der Verleger nicht wünschen. Penibel werden alle Pränumeranten und Subskribenten in den ersten drei Auflagen aufgelistet.219 Es gab Nachlässe: Beim Kauf von drei Exemplaren erhielten Gymnasien noch ein viertes Exemplar gratis.220 Der Verleger habe zudem, so ein kritischer Rezensent, „alle litterärischen Zeitschriften“ mit „ruhmredigen Ankündigungen des Kraft’schen Werks u[nd] wegwerfenden Äußerungen über andere Werke dieser Gattung [...] überschwemmt“.221 Doch der Verleger war offenbar auch gegenüber dem Autor selbst geschäftstüchtig: Lediglich 9 Pfennig für eine Lexikon-Seite habe Kraft als Honorar bekommen, während der Verleger sich durch den Verkauf der Verlagsrechte eine Leibrente einstrich.222 Kraft blieb der Ruhm und 1827 die prestigeträchtige Berufung ans Johanneum in Hamburg.

|| 215 Anon. Rez. 1829, Rez. zu Kraft 31829: Sp. 865. 216 Kraft 1820/1821, Vorrede zur ersten Auflage, Bd. 2 (1821): VII. 217 S. auch die Ankündigung des zweiten Bandes in ALZ 1821/3, Nr. 326: Sp. 880; darin wird über die Empfehlung hinaus eine „angeordnete Einführung“ durch das Ministerium erwähnt. Hier wird auch die 3000 Exemplare starke Auflage genannt (1000 durch Pränumeration und 2000 nach Erscheinen). 218 Im Intelligenzblatt Nr. 8 der ALZ (März 1837): 62 wird die dritte Auflage angekündigt sowie die Einführung durch das bayerische und preußische Ministerium erwähnt. 219 Verleger Klein erwähnt in seinem Vorwort zur ersten Auflage des zweiten Bandes und zur dritten Auflage des ersten Bandes die dank des Kultusministeriums und Staatsrath Nicolovius (Unterrichts-Sektion) „von den Lehrern zu geschehenden Pränumerationssammlungen“. Im ersten Band der dritten Auflage stellt Klein folgende Bilanz auf: Bayerns Schulen haben auf Anweisung des Freiherrn von Schenk (Vorstand des Kirchen- und Schulraths) PränumerationsSammlungen durchgeführt (vgl. Vorwort des Verlegers zur dritten Auflage, Bd. 1). Die meisten Bücher sind in Preußen, Berlin, Sachsen und Württemberg vorbestellt worden. Chur-Hessen und Österreich haben mit 6 bzw. 16 am wenigsten bestellt. Erfreulicher stellt sich dann die Lage im Vorwort des zweiten Bandes dritter Auflage dar, da Österreich deutlich mehr Bücher bestellt hat. 220 Vgl. Anon. Rez. 1820, Rez. zu Kraft 11820. 221 Anon. Rez. δγ [Kürzel] 1829, Rez. zu Kraft 31829: S. 441. 222 Vgl. Strack 1866: 334.

214 | Untersuchung einzelner deutsch-lateinischer Wörterbücher

Der Erfolg des Wörterbuchs verdankt sich aber in erster Linie sicherlich der wissenschaftlichen Exzellenz des Buchs. Er ist auch der günstigen Ausgangslage geschuldet: Die gängigen Wörterbücher genügten – um Krafts Gedanken aufzugreifen – den Bedürfnissen der Zeit nicht mehr. Zu Recht bezeichnet die Lexikographin Claudia Wick (2008: 161, in Bezug auf lateinische und lateinisch-deutsche Wörterbücher) die Abgrenzung der Lexikographen von Vorgängern als Haupt- und Lieblingsthema der Lexikographen [...], die sich seit Jahrhunderten auf immer dieselbe Weise rechtfertigen, daß sie den bereits existierenden Wörterbüchern ein neues hinzufügen müssen: Die Werke sämtlicher Vorgänger sind lückenhaft, strotzen vor Zitierfehlern, enthalten entweder zu viele oder zu wenige Wörter und Belegstellen, die zudem schlecht gegliedert sind, wenn nicht überhaupt das ganze Konzept irgendwie verkehrt ist.

Und so war der Hauptgrund für die Neuerarbeitung eines Lexikons, wie Kraft in der Vorrede zur ersten Auflage (1820) seines Wörterbuchs erklärt, dass frühere Lexika schlichtweg mangelhaft gewesen seien, das heißt wohl so viel wie, den Ansprüchen der modernen Wissenschaftlichkeit nicht mehr standhielten. Kraft gibt an, dass zu dem Zeitpunkt, als er den Plan für das Wörterbuch fasste, in Gymnasien vor allem die ‚Klassiker‘ Scheller und Bauer in Gebrauch gewesen seien, in Norddeutschland selten auch noch die älteren Wörterbücher von Hederich, Weismann, Kirsch u.a.223 Bei allen genannten Wörterbüchern betrafen die Mängel laut Kraft die Vollständigkeit der deutschen Lemmata, deren innere Anordnung sowie die oft unkritische Auswahl der lateinischen Phraseologie. Im Einzelnen hebt Kraft hervor: Hederichs Wörterbuch mit dem Titel Promtuarium latinitatis probatae et exercitae, oder vollständigstes Teutsch-Lateinisches Lexicon (zuerst 1729), das angeblich nur klassische Wörter enthalten soll, basiere unkritisch auf älteren Sammlungen, die mitnichten nur klassische Wörter gebrauchen würden.224 Die deutschen Artikel seien mangelhaft. Hederich habe zwar viel für die Lexikographie geleistet, doch bei der Angabe der Autoritäten sei er nachlässig gewesen. Schellers Handlexicon (zuerst 1792) bezeichnet er als „duerftig und mager“ (s.o. Kap. 5.4.3).225 Bauers Wörterbuch (zuerst 1778, s.o. Kap. 5.5) hingegen sei zwar besser und vollständiger als das Schellers, allerdings fehle gänzlich die Ausführung der Bedeutungen der einzelnen deutschen Lemmata. Klassich-antikes Latein sei bei der Übersetzung deutscher Wendungen zu wenig berücksichtig worden.226

|| 223 Vgl. Kraft 1843/1844, Vorrede zur vierten Auflage, datiert vom April 1842: VII. 224 Vgl. auch Kraft 1823: 267. 225 Kraft 1843/1844, Vorrede zur vierten Auflage, datiert vom April 1842: VII. 226 Vgl. auch Kraft 1823: 267. Dagegen teilt der anonyme Rezensent der ersten Auflage des Kraftschen Wörterbuchs (Anon. Rez. 1821/1822, Rez. zu Kraft 11820/1821: Sp. 730) die Kritik Krafts nicht: Denn „wer solche Bücher ordentlich zu gebrauchen versteht, den lässt Bauer selten im Stich“.

Ein wahres Zeitbedürfnis – Friedrich Karl Krafts Deutsch-lateinisches Lexikon | 215

Daher habe damals, so Kraft in der Vorrede zur ersten Auflage (1820), ein „allgemein gefuehlte[s] Beduerfniß“227 für gute deutsch-lateinische Wörterbücher bestanden. Es sei die einhellige Meinung von erfahrenen Gelehrten seiner Zeit, dass „ein vollstaendigeres und zweckmaeßigeres deutsch-lateinisches Lexikon“228 für die Belange des Schulunterrichts erarbeitet werden müsse. Mit dem neuen Reglement für die Prüfung der zu den Universitäten übergehenden Schüler vom 4. Juni 1834 (s.o. Kap. 4.2), mit dem das Bestehen der Reifeprüfung zur Bedingung für den Übertritt an die Universität wurde, wurden zudem lateinische Wörterbücher bei den schriftlichen Abiturprüfungen zugelassen (§ 18). Eine genaue Definition der zu verwendenden Wörterbücher wird jedoch nicht vorgenommen. Es wird lediglich festgehalten, dass „außer den Wörterbüchern der erlernten Sprachen“ keine weiteren „Hülfsmittel“ zugelassen seien.229 Dennoch ist es unwahrscheinlich, dass damit deutsch-lateinische Wörterbücher gemeint sein könnten. Von diesem Schritt, der den Gebrauch der Wörterbücher beim Abitur in Preußen vereinheitlicht, hört man in unseren Wörterbüchern nicht die geringste Andeutung. Im Edict wegen Prüfung der zu den Universitäten übergehenden Schüler vom 12. Oktober 1812 ist von Wörterbüchern noch überhaupt keine Rede. Dort war nur in der Übersetzung aus und ins Griechische ein griechisches Wörterbuch (vermutlich ein griechisch-deutsches) zugelassen. Interessant ist bei Kraft die überraschende Einschätzung der Lage, die er aus dem Mund erfahrener Lehrer gehört haben will: „Die Bearbeitung eines neuen deutsch-lateinischen Woerterbuches ist wahres Zeitbeduerfniß.“230 Außerdem sei es nicht in Ordnung, „das [!] wir gerade hierin so weit zurueckgeblieben sind“.231 Ausdrücklich spricht Kraft in den Vorreden zu den einzelnen Auflagen die Konkurrenzsituation in der Entstehungszeit der ersten Auflage an: Einen unmittelbaren Konkurrenten fand Kraft dann kurze Zeit nach der Veröffentlichung der zweiten Auflage seines Lexikons (1824/1825) in dem Lexikographen Ernst Friedrich Wüstemann, der sein Deutsch-lateinisches Handwörterbuch in zwei Bänden 1826/1827 veröffentlichte (s.o.). Lünemann legte 1821 den ersten Band seines größeren Lexikons vor (ohne dann die übrigen drei Bände fertigzustellen, s.u.) und Friedrich Wilhelm Döring (1756–1837) war im Begriff, ein deutsch-lateinisches Schulwörterbuch geringeren Umfangs zu erarbeiten (welches dann offensichtlich nicht erschienen ist). Die unter diesen Umständen rasch zu bewältigende Arbeit hatte sich für Kraft trotz bewusst in Kauf genommener Mängel, etwa was fehlende präzise Stellenangaben angeht, gelohnt: 15 Monate nach der Veröffentlichung der ersten Ausgabe

|| 227 Kraft 11820, Vorrede zur ersten Auflage: VI. 228 Kraft 11820, Vorrede zur ersten Auflage: V. 229 Neigebaur 1835: 215. 230 Kraft 11820, Vorrede zur ersten Auflage: VI. 231 Kraft 11820, Vorrede zur ersten Auflage: V. Das ganze Zitat, s.o. Kap. 4.3.2.

216 | Untersuchung einzelner deutsch-lateinischer Wörterbücher

(1820/1821) waren alle Exemplare vergriffen. Das Werk sei auch außerhalb Deutschlands mit großem Beifall aufgenommen worden, so Kraft.232

Abb. 24: Friedrich Adolph Hornemann: Lithographie Friedrich Karl Krafts (1786–1866) aus dem Jahr 1852. Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg, Signatur: P 22 : K 107, http://resolver.sub.unihamburg.de/goobi/PPN663943965 (CC BY-SA 4.0, https://creativecommons.org/licences/bysa/4.0/deed.de)

|| 232 Vgl. Kraft 21824, Vorrede zur zweiten Auflage: X; Kraft 31829, Vorrede zur dritten Auflage: X.

Ein wahres Zeitbedürfnis – Friedrich Karl Krafts Deutsch-lateinisches Lexikon | 217

Fünf Rezensionen finden sich in den zeitgenössischen Organen, davon drei zur ersten, eine zur zweiten Auflage und zwei zur dritten Auflage. Die überwiegende Mehrheit der Rezensionen habe ein positives Urteil gefällt, so Krafts eigene Einschätzung in der Vorrede zur zweiten Auflage. Eine der beiden Rezensionen zur ersten Auflage rühmt das Werk tatsächlich. Der Verleger von Krafts Wörterbuch zitiert in seiner Buchankündigung einen Auszug daraus.233 Darin nennt der Rezensent fünf Vorzüge im Vergleich zu den bisherigen Wörterbüchern: Größere Vollständigkeit deutscher Lemmata, reichere Phraseologie, „Treue, Bestimmtheit, Klassicität und Fülle der gebrauchten lateinischen Ausdrücke“, Beachtung der deutschen Polysemie und Angabe der „alten (und bisweilen auch der neuern) Schriftsteller“, von denen eine Übersetzung stammt. Die zweite Rezension zur ersten Auflage sagt genau das Gegenteil:234 Kraft habe durchaus kein besseres Werk vorgelegt als seine Vorgänger (so ja der Anspruch Krafts). Konkret tadelt die anonyme Rezension die Aufnahme einer „Masse neumodischer Terminologieen und oft wunderlicher Wortzusammensetzungen“235. Gemeint sind damit deutsche Lemmata. Besser wäre es gewesen, so die Rezension, Kraft hätte vor dem alphabetischen Teil des Wörterbuchs eine allgemeine Einführung zur Bildung von Übersetzungen deutscher Wörter gegeben, anstatt Wörter wie Abraspeln, Buschholz, egoistisch, Ekstase, Golddurst, Hümeur, Jagdjunker, hirntoll aufzunehmen.236 Auch eine andere Rezension tadelt die Aufnahme von Wörtern wie Ätzwasser, Backgelb, Bademutter, Bagno, Bärenheuter, Bartwachs, Carbonari und anderes mehr.237 Zu den lateinischen Übersetzungen bemerkt der kritische Rezensent (Anon. Rez. 1821/1822, Sp. 730) zur ersten Auflage, ohne Beispiele zu nennen: Dazu kommt, dass die meisten Uebersetzungen, oder vielmehr Umschreibungen solcher und ähnlicher Ausdrücke, besonders von Titeln und Aemtern, gewöhnlich missrathen, oft bis ins Lächerliche, wenigstens für den wirklichen Gebrauch in zusammenhängender Rede.

Damit spricht der Rezensent das Problem von klassisch gebildeten Umschreibung moderner Terminologie an, nämlich die mangelnde Praktikabilität. Vermutlich sind Umschreibungen folgender Art gemeint: Janitscharenmusik, die, concentus strepentium instrumentorum musicorum, qualia esse solent apud Turcicos praetorianos. Kraft 11820, I: 1032

|| 233 Anon. Rez. 1820: Rez. zu Kraft 11820. 234 Anon. Rez. 1821/1822, Rez. zu Kraft 11820/1821. 235 Ebd. 730. 236 Vgl. auch Anon. Rez. 1829, Rez. zu Kraft 31829: Sp. 865–867. 237 Anon. Rez. δγ [Kürzel] 1829, Rez. zu Kraft 31829: S. 441.

218 | Untersuchung einzelner deutsch-lateinischer Wörterbücher

Ein anderes Beispiel: ein Chinesisches C[abinet], thesaurus, quo continentur opera arte Sinensi confecta et elaborata, Eichst. Kraft 31829, I: 567

Kraft arbeitete stetig an der Verbesserung seines Wörterbuchs. Letztere Übersetzung beispielsweise ergänzt eine Rezension zur dritten Auflage durch eine kürzere Variante, copia Sinensis artis operum; dieser Vorschlag wird von Kraft schließlich in der vierten Auflage berücksichtigt. Ebenso eine Übersetzung von Culturgeschichte durch „historia cultus humani civilisque, nach Cic. de Or. 1, 8, 33“238. Andere Vorschläge dieser Rezension werden von Kraft teils aufgenommen (etwa Halbwahr, das unter anderem mit incertus wiedergegeben wird), teils ignoriert (zum Beispiel „Halbdeutscher, Semigermanus, Liv. 21,38“239). Als positiv konstatiert diese sonst kritische Rezension (Anon. Rez. 1821/1822, Rez. zu Kraft 11820/1821) zur ersten Auflage „rühmlichen Fleiss, gute Kenntniss und Bekanntschaft mit den Quellen und Hülfsmitteln“240. Eine genaue Stellenangabe, anstatt der allgemeinen Autorenangabe (Cic., Caes. usw.) wäre freilich besser gewesen. Am ausgewogensten berichtet die dritte Rezension zur ersten Auflage von Kraft.241 Diese wird im Vergleich zu Bauer und Lünemann beurteilt. Hervorzuheben ist bei Kraft demzufolge das Streben nach Vollständigkeit und Reinheit des Lateinischen Ausdruckes (s. dazu mehr in Kap. 6). Insgesamt fasst der zeitgenössische Rezensent zusammen: „Das Werk entspricht seinem Zwecke sehr, und verlässt den Suchenden eben so selten, als es ihn irre führt.“242 Die Rezension zur zweiten Auflage fällt ebenfalls ein günstiges Urteil, auch wenn es – wie obige Rezension – genaue Stellenangaben (bei Terenz, Sallust, Livius und Tacitus) und zudem die Benutzung der 1819 neuentdeckten Schrift Cicero de re publica vermisst.243 Krafts „Buch wird in den Augen aller unparteyischen Beurtheiler gewiss vor allen gleichzeitigen und früheren Unternehmungen der Art den Vorzug verdienen“.244 Der Rezensent fasst neben einer Auflistung von Änderungsmöglichkeiten ein paar allgemeine Gedanken zur deutsch-lateinischen Lexikographie zusammen: Neben Cicero und Zeitgenossen müssen auch weitere Autoren – der Kaiserzeit, „wo der Ideenkreis der Römer durch den ungeheueren Weltverkehr

|| 238 Kraft 41843, I: 620. 239 Anon. Rez. 1829, Rez. zu Kraft 31829: Sp. 866. 240 Anon. Rez. 1821/1822, Rez. zu Kraft 11820/1821: 730. 241 Anon. Rez. Mr. [Kürzel] 1822, Rez. zu Bauer 51820, Kraft 11820 und Lünemann 1821. 242 A.a.O. 388. 243 Anon. Rez. B.A. [Kürzel] 1826, Rez. zu Kraft 21824/1825. 244 A.a.O. 226.

Ein wahres Zeitbedürfnis – Friedrich Karl Krafts Deutsch-lateinisches Lexikon | 219

bedeutend erweitert wurde“, und für moderne Begriffe aus der Neuzeit, berücksichtigt werden. Wie auch Bauer schreibt sich Kraft (Kraft 41843/1844, Vorrede zur vierten Auflage: XIV) aufgrund seines Schuldienstes die Fähigkeit zu, eigene lateinische Übersetzung von deutschen Begriffen neuerer Zeit anzufertigen. Denn [w]er länger als drei Decennien Schulmann gewesen ist und vielfache Veranlassung zum Lateinschreiben gehabt hat, darf es wohl wagen, namentlich über Gegenstände der modernen Zeit, eigene Compositionen für jüngere Leute aufzustellen.

Allerdings wurde von Kritikern auch dieses Unterfangen mit Tadel bedacht. Die Bereicherung der Phraseologie in der dritten Auflage sei zwar sehr lobenswert, so ein anonymer Rezensent. „Nur scheint [Kraft] darin zu weit gegangen zu seyn, daß er da, wo klassische Ausdrücke schon hinreichten, nur zu oft die neueren Stilisten oder selbstgebildete hinzufügte.“245 Außerdem seien zu viele Ausdrücke von Dichtern aufgenommen worden. Wieder eine andere Rezension hebt das „löbliche Bestreben“ Krafts hervor, „den synonymischen Unterschied sowohl der Lateinischen als der Deutschen Ausdrücke bestimmter und ausführlicher anzugeben, als es bis jetzt in irgend einem Lexikon geschehen war“.246 Nicht nur bei Kraft, sondern vor allem auch bei Georges, dem Schüler, findet die Synonymik besondere Berücksichtigung (Beispiele in Kap. 6.3). Manches wurde auch aus älteren Wörterbüchern übernommen. Das Beispiellemma Halt! bei Bauer, Scheller und Kraft wirft ein Licht auf die lexikographische Arbeitsweise. Tab. 10: Beispiellemma Halt! im Vergleich Bauer 21798: 1303

Scheller 31805, I: 1258

Kraft 41843, I: 1238

Halt! siste gradum! mane! (nicht gut deutsch ist es, für, glaube ich, puto.)

Halt! 1) i. e. steh still, consiste, subsiste, oder siste gradum, oder stehet still, consistite, subsistite, oder sistite gradum. 2) i. e. still! st! oder schweig, tace! schweiget, tacete! 3) als ein Ermunterungswort, wohlan! age (zu mehrern, agite). 4) i. e. glaube ich, wofür Andre auch halter sagen, ut opinor, de mea sententia, ut puto, cet., oder bloß puto, opinor.

Halt! 1) stehe still! steht still! consiste! consistite! mane! manete! siste, sistite gradum! 2) schweig! schweigt! tace! tacete! 3) glaube ich (provinziell); z. B. mein Freund ist h. nicht zu Hause, meus amicus, opinor, domi non est. 4) wohlan! age! agite! Ter.

|| 245 Anon. Rez. δγ [Kürzel] 1829, Rez. zu Kraft 31829: S. 442. 246 Anon. Rez. 1829, Rez. zu Kraft 31829: Sp. 868.

220 | Untersuchung einzelner deutsch-lateinischer Wörterbücher

Im Vergleich erscheint der Artikel von Bauer als unfertig, während Scheller und Kraft sich auffällig ähnlichsehen. Kraft hat den Artikel offensichtlich von Scheller übernommen, aber etwas knapper angelegt und dafür mit Angaben zum (deutschen) Stil („provinziell“) und zur (lateinischen) Quelle des Gebrauchs („Ter.“) versehen. Die Bedeutungen 3) und 4) sind inzwischen veraltet und ungebräuchlich.247 Überhaupt scheint sich Kraft häufig an Schellers Werk anzulehnen, wie ihm eine Rezension bescheinigt: „Überhaupt hat Hr. Kraft dadurch, daß Scheller in zu großer Autorität bei ihm stand, viele Irrthümer in sein Lexikon gebracht.“248 Diese Rezension zur dritten Auflage (1829) geht überhaupt sehr hart mit Krafts Wörterbuch ins Gericht und hat nicht selten einen polemischen Unterton. Er stellt diesem das Wörterbuch von Wüstemann entgegen, das er dem Kraftschen Wörterbuch auch anhand einiger exemplarischer Lemmata als überlegen zu erweisen sucht. Kraft habe, so der Rezensent, Wüstemanns Wörterbuch von 1826/27 für seine dritte Auflage von 1829/30 zu wenig benutzt.249 Positiv wird – neben Druck und Papier – hervorgehoben, dass Kraft vor „unlateinischen, aber bei neuern selbst guten Stilisten sich vorfindenden Ausdrücken u. Redensarten warnt“.250 Auf die polemischen Teile reagierte Kraft (1829) mit einer kurzen, sachlichen Stellungnahme im selben Blatt. Darin bittet er die Leser, sich durch einen Vergleich mit Wüstemann ihr eigenes Bild von seinem mit den besten Hilfsmitteln erarbeiteten Wörterbuch zu machen. „Ich überlasse es jedem Urtheilsfähigen, selbst zu entscheiden, welches von beiden Werken den Bedürfnissen der Lateinschreibenden mehr entspricht.“ Das Wörterbuch Krafts werde, so Mr., ein anonymer zeitgenössischer Rezensent, neben dem Wörterbuch von Lünemann „mit Ehre bestehen können und wegen des wohlfeilen Preises ein ausgebreitetes Publicum finden, das es so sehr verdient“.251

5.8 Die Frage der Klassizität bei Wüstemann und Kraft Insgesamt lässt sich feststellen, dass die deutsch-lateinischen Wörterbücher mit der Zeit zunehmend zum Klassizismus tendieren: Einen recht klaren Sprung erkennt man diesbezüglich von der Generation Bauer und Scheller zu der eines Wüstemann, Kraft, Lünemann und schließlich Georges. Vergleicht man diese Wörterbücher untereinander gilt allerdings folgende Einschränkung: Eine Aussage über eine Tendenz zum Klassizismus lässt sich nur für einzelne Artikel, nicht das ganze Wörterbuch treffen. Der Vergleich einzelner Artikel zeigt, dass sie von den Lexikographen || 247 S. auch „Halt, adv.“ In: DWB 10, 272. 248 Anon. Rez. δγ [Kürzel] 1829, Rez. zu Kraft 31829: S. 444. 249 A.a.O. 441. 250 A.a.O. 442. 251 Anon. Rez. Mr. [Kürzel] 1822, Rez. zu Bauer 51820, Kraft 11820 und Lünemann 1821: 389.

Die Frage der Klassizität bei Wüstemann und Kraft | 221

bei häufiger Ähnlichkeit unterschiedlich strikt klassizistisch übersetzt werden. Beispiele und Gegenbeispiele werden in den Wortschatzanalysen unten (in Kap. 6.3) ausführlich dargestellt. Vorab soll ein Beispiel dieses Thema illustrieren. Was die Übersetzung von Realschule angeht – zuerst wurde 1707 die Schule Christoph Semlers so bezeichnet –, ähneln sich darin die neueren Wörterbücher. Tab. 11: Beispiellemma Realschule im Vergleich Bauer 21798: 2037

Wüstemann 1827, Kraft 41844, II: II: 267 488

Georges 71882, II: Heinichen 21872: 718 552

Realschule, f. schola popularis.

Realschule, die, schola realis (Neuere). – schola in qua pueri res ad vitae usum spectantes docentur (Neuere).

Realschule, *schola, in qua artes, quae ad vitae usum pertinent, traduntur.

Realschule, die, schola, in qua potissimum doctrinae, artes ad vitae usum spectantes traduntur.

Realschule, *schola, in qua potissimum rerum quae ad vitae usum pertinent, doctrinae traduntur; der Kürze wegen u. als t. t., *schola realis (quae vocatur).

Während außer Bauer alle Lexikographen ähnliche Umschreibungen verwenden, bietet Wüstemann als erste Übersetzung eine Lehn- bzw. Rückübersetzung des Wortes Realschule ins Lateinische, schola realis. Die Bedeutung des Praktischen im Gegensatz zum Idealen nimmt das Wort realis offenbar erst im Neulateinischen an.252 Dieses Zugeständnis an das Alltagslatein fehlt hingegen bei Kraft und Georges ganz. Bauer, der das Lemma zuerst aufweist, hatte zuvor nur die klassische Formulierung schola popularis. Dieser Begriff lässt sich aber leicht mit der deutschen Volksschule (ein Begriff des 18. Jahrhunderts) im Sinne einer Grundschule verwechseln.253 So wird etwa die ungarische Elementarschule im Glossarium mediae et infimae Latinitatis regni Hungariae tatsächlich als „Schola normalis, sch. popularis vel nationalis“ bezeichnet. Die Umschreibung Krafts stammt – auch wenn er dies in diesem Falle nicht kennzeichnet – offenbar nicht von ihm selbst, sondern ist bereits früher in diesem

|| 252 In mittellateinischen Wörterbüchern (etwa Blaise 1975) ist mtlat. realis überwiegend philosophisch-theologisch konnotiert. Die grundlegende Bedeutung „wirklich, real“ ist bei christlichen Autoren seit dem 3./4. Jahrhundert nachweisbar (vgl. Art. reālis, in: ThLL). 253 Vgl. Pfeifer, Etym. Wörterb.

222 | Untersuchung einzelner deutsch-lateinischer Wörterbücher

Wortlaut bezeugt. So heißt es etwa im Glossarium mediae et infimae Latinitatis regni Hungariae, das Kraft aber wohl nicht gelesen hat: Schola realis, s., in qua potissimum doctrinae, artes ad vitae usum spectantes traduntur; reáliskola. Wallaszky Praef.254

Am gelungensten scheint der Artikel eines späteren Wörterbuchs, nämlich dem deutsch-lateinischen Heinichen zu sein, der – ähnlich Wüstemann – Sprachpragmatismus und Latinität genug Raum lässt. Alle Wendungen verwenden die Verbindung ad vitae usum; bei Cicero findet sich dreimal nur die Verbindung ad usum vitae. Die Autoren der Wörterbücher mussten sich bei vielen Artikeln mit dem hier exemplarisch dargestellten Dilemma beschäftigen. Sie konnten entweder durch umschreibende Interpretamente (auf Kosten des Praktischen) der guten Latinität den Vorzug geben oder sich zugunsten der alltäglichen Verständlichkeit gegen eine klassische Formulierung entscheiden. Je nach lexikographischer Ausrichtung werden beide Alternativen auch nebeneinandergestellt. Noch unerwähnt geblieben ist, was die Lexikographen unter dem Begriff der Klassizität, die allgemein als Garant für gute Latinität gilt, verstanden. Dies lässt sich am besten an der Art der Stellen- und Autorenangaben darstellen. Diese sind in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts Thema einer Auseinandersetzung zwischen Kraft (Kap. 5.7) und Wüstemann (Kap. 5.6). Während Kraft die konsequente Angabe von Autoren hinter Übersetzungsäquivalenten verteidigt, möchte Wüstemann diese auf bestimmte Fälle beschränken. Was er exakt unter ‚klassisch‘ versteht, führt Wüstemann (1826/1827) in seiner Vorrede im Zusammenhang zum Zitationswesen aus. Ausführlich nimmt er dort Stellung zur Frage, in welchem Maße man die Schriftsteller-Autoritäten angeben sollte. Dieser Abschnitt ist erkennbar gegen Kraft gerichtet, der vertritt, dass die Autoren möglichst häufig angegeben werden sollten, die genauen Textstellen aber nur in gewissen Fällen: erstens bei Hapaxlegomena und für einen Schriftsteller typische Wendungen, zweitens bei ausführlicheren Redensarten, drittens bei Sprichwörtern.255 Wüstemann hingegen meint, dass durchgehende Autorennennung unnötig sei, ja diese sogar missverstanden werden könnte. Aus dem „Zitatenwesen“ sei in deutsch-lateinischen Wörterbüchern seiner Zeit „ein wahres Zitatenu n w e s e n“256

|| 254 Wallaszky Praef. = Conspectus Reipublicae Litterariae in Hungaria ab initiis Regni ad nostra usque tempora delineatus a Paullo Wallaszky. Ed. altera. Budae 1808; Posonii/Lipsiae 11785. Bei Wallaszky konnte ich allerdings weder schola realis noch die längere Wendung finden, hingegen: Schola militaris, Schola Oeconomico-practico-Rustica, Schola Sylvanalis, Schola practico-oeconomicoIndustrialis, Schola Forestalis, Schola Metallurgica. 255 Vgl. die Reaktion Krafts (1843: XVIII) in seiner Vorrede zur vierten Auflage seines Lexikons. 256 Wüstemann 1826, Vorrede: VIII.

Die Frage der Klassizität bei Wüstemann und Kraft | 223

geworden. Daher habe er in seinem Wörterbuch nichts mit Autorenangabe versehen, „was allgemeingültig und im goldenen Zeitalter der römischen Litteratur üblich war“.257 Unter allgemeinen oder allgemeingültigen Wörtern sind solche zu verstehen, die bei allen Schriftstellern und zu allen Zeiten im Gebrauch waren. Octo, totus, brachium bedürften dementsprechend keiner Autorität. Auch falsche oder missverständliche Autoritätsangaben habe er, Wüstemann, beseitigt, beispielsweise „Geier, der, vultur (Plin.). vulturius (Liv.)“. Vultur sei sowohl von Livius (1,7; 41,21 (?)) als auch von anderen gebraucht worden, weswegen die Angabe „Plinius“ irreführend sei. Ähnliches gilt für die unnötige Angabe „tantus Cic.“, obwohl ja alle Schriftsteller davon Gebrauch gemacht haben. Zu seiner Zeit habe man viele solcher Fehler nur durch „genaue Kenntnis des Auktors, oder mühsames Nachschlagen und Durchlesen ganzer Werke“ erkennen können. Heute lassen sich derartige Fragen mit dem Thesaurus Linguae Latinae und entsprechenden Hilfsmitteln leichter klären. Kurz, Wüstemann (1826, Vorrede: X) möchte eine neue Zeit einläuten, was die Zitation angeht, und schreibt: Der gewöhnliche Zitatenkram, wie er bis jetzt getrieben worden ist, taugt nichts, und soll die Angabe der Auktoritäten Zweck und Nutzen haben, so muß sie nach vernünftigen Gründen geregelt und auf bestimmte Fälle, die wir näher bezeichnen werden, beschränkt sein.

Für seine Zitationsweise stellt Wüstemann (ebd.) folgende Kriterien auf: Ich glaube aber als unbestrittenen Grundsatz aufstellen zu können, daß es unnütz sei, ein Zitat [d.h. die Angabe einer Auktorität] beizufügen: erstens, wenn ein Wort in allgemeinem Gebrauch war; zweitens, wenn es wenigstens bei classischen Schriftstellern vorkömmt; drittens, wenn es als ein Kunstausdruck bei einem guten Schriftsteller sich findet.

Zum ersten Kriterium: Der allgemeine Gebrauch ließe sich nach Wüstemann bei den freilich unvollständigen Wörterbüchern Gesners, Schellers, Forcellinis feststellen. Manche Lexeme würden allerdings bei gewissen Autoren trotz allgemeinen Gebrauchs nicht vorkommen können, da sie in einer speziellen Gattung geschrieben haben. Eine Hilfe, dies zu entscheiden, biete die Analogie, z.B. kommt senticetum für Dornbusch nur bei Plautus und Apuleius vor, ist aber sicherlich immer gebraucht worden (die Bildung entspricht den ähnlichen Begriffen spinetum, vepretum, dumetum usw.). Es gibt aber auch Lexeme, die zwar von unklassischen (vor- oder nachklassischen), nicht aber von klassischen Autoren gebraucht werden, sondern von letzteren anders ausgedrückt werden (z.B. indesinenter nur bei Kirchenvätern, während bei den Klassikern continue, continenter, sine intermissione zu finden sei). Man kön-

|| 257 Ebd.

224 | Untersuchung einzelner deutsch-lateinischer Wörterbücher

ne also davon ausgehen, dass derartige Lexeme aus dem Klassischen ausgeschlossen sind. Häufig bei vor- und nachklassischen Autoren verwendete Bedeutungen, die in der klassischen Zeit anders ausgedrückt wurden, müsse man als archaistischen Gebrauch der späteren Autoren ansehen. Das zweite Kriterium wird in den nächsten Absätzen gesondert behandelt. Zum dritten erläutert Wüstemann: Kunstwörter (Termini technici) von Celsus, Vitruv, von Schriftstellern über den Landbau, von Plinius dem Älteren und Quintilian sind Wüstemann zufolge aufzunehmen, ohne eine „Auktorität“ angeben zu müssen. Vorsichtiger sei er bei den spätantiken Pandekten vorgegangen (mit Pandect. gekennzeichnet), da sie im Osten des Römischen Reiches gesammelt wurden, wo Lateinisch nur Gelehrten-, nicht aber Muttersprache war. Aus den vielen Einzelnregeln für das Zitationswesen, die Wüstemann aufgestellt hat, seien hier nur einige genannt. Abweichend von obigem Plan seien diatechnische, diastratische, diachronische o.ä. Angaben in folgenden Fällen unerlässlich: Wenn ein Wort nur bei einem Autor oder nur in einer Gattung vorkommt (z.B. Dichter, Komiker); wenn ein Wort nur einer bestimmten Zeit zugehören, insbesondere der „spätern“ (Angabe: „S p ät er e“ ); wenn ein Wort nur an einer einzigen Stelle eines Autors oder als zweifelhafte Lesart vorkommt. Auch neuere Wörter müssten markiert werden (Angabe: „N eu e r e“): In der Regel wurde dem neugebildeten Worte, wo es sich thun ließ, auch eine kurze Umschreibung im alten Latein hinzugefügt, der eigentliche Ausdruck jedoch vorausgestellt, in der Ueberzeugung, daß die meisten Umschreibungen an und für sich unbestimmt und oft im Zusammenhang gar nicht anwendbar sind. Wüstemann 1826, Vorrede: XV–XVI

Ein Beispiel: Falkenbeize; Falkenjagd, die, venatio per falcones (Neuere). – venatio. venatus. Wüstemann 1826, I: 349

Die Angabe „Oh n e a l te A u c to r i t ä t“ hingegen steht bei mutmaßlich antiken Begriffen, für die Wüstemann aber noch keine Belegstelle gefunden hat. Wichtiger hingegen – da sonst nirgends so explizit behandelt – sind seine Aussagen zum Verständnis von ‚Klassizität‘. Wenn ein Wort bei den klassischen Schriftstellern vorkommt, muss es laut Wüstemann nicht mit einer Autorität gekennzeichnet werden (s. obiges Zitat: zweites Kriterium). Was aber versteht man unter ‚klassischen Autoren‘?258 Wüstemann (1826, Vorrede: XII) zählt auf:

|| 258 S. hierzu als Ausgangspunkt Kuhlmann 1999.

Die Frage der Klassizität bei Wüstemann und Kraft | 225

Unter diese rechnet man zuerst die Schriftsteller des sogenannten goldenen Zeitalters, namentlich Cicero, Caesar und Livius, denen man auch noch Cornelius Nepos und Sallustius beizählen darf, wiewohl in Rücksicht beider eine besondere Vorsicht anzuwenden ist.

Mit Hinweis auf die Veränderungen und Entwicklungen seiner Zeit widerspricht er der Behauptung David Ruhnkens (1723–1798), der Wortschatz, den man aus den genannten Autoren ziehen könne, reiche aus, jeden Text jeder beliebigen Disziplin zu verfassen.259 Außerdem könne man dem silbernen Zeitalter auch nicht die „Bildungsfähigkeit der Sprache absprechen“.260 Im Gegenteil, dessen Autoren hätten viel für die „weitere Ausbildung der Sprache“ getan, weil sich die wissenschaftlichen Kenntnisse erweitert hätten. Die Sprache der goldenen Zeit ziehe man freilich aufgrund ihres schönen Stils und Periodenbaus und der gediegenen Darstellungsart vor. Aber das dürfe nicht zu einer lexikographischen Einseitigkeit führen. Wüstemann (1826, Vorrede: XIII) schreibt: Aus welchem haltbaren Grunde dem Spätern die Fähigkeit seine Sprache weiter zu bilden absprechen und dem Frühern das Monopol dazu geben? Die Sprache wird fortgebildet so lange sie lebt, so lange geistige Regung in der Nazion sich zeigt, so lange neue Ideen gefunden, neue Ausdrücke dafür geschaffen werden.

Ähnliches wurde bereits in den Vorreden des ‚Österreichischen Schellers‘ (s.o. Kap. 5.4.4) formuliert. Daher kann Wüstemann auch die von Tacitus geschaffenen Substantiva auf -or „zur absoluten Bezeichnung des Vollbringens einer Handlung“ und die auf -io „zur Bezeichnung des Begriffes der Handlung“261 ohne besondere Kennzeichnung (das ist ja sein Ausgangspunkt für den Exkurs zur Klassizität) aufnehmen. Wüstemann stellt die Autoren der goldenen und silbernen Latinität lexikographisch sogar auf eine Stufe, wenn er schreibt: Wie schlecht stände es um den Lexikographen, wenn er, um dem lächerlichen Wahn einiger Wenigen nachzugeben, welche sich einbilden, nach Cicero sei nichts Gutes mehr in der lateinischen Sprache gefördert worden, alle diese glücklichen Wortbildungen aufgeben wollte? Nach unserm Dafürhalten also ist den Schriftstellern des silbernen Zeitalters in lexikalischer Hinsicht dasselbe Recht wie denen des goldenen Zeitalters einzuräumen, und die Wörter, die bei ihnen vorkommen, sind unbedingt aufzunehmen, vorausgesetzt, daß sie nicht gegen die allgemeine Sprachbildung verstossen, oder zu den Eigenthümlichkeiten eines besondern Schriftstellers gehören. Wüstemann 1826, Vorrede: XIV

|| 259 S. Wyttenbach, Daniel (1799): Vita Davidis Ruhnkenii. Lugduni Batavorum et Amstelodami: Honkoop/Den Hengst, 230 nach einer Aussage in der Vorrede zu seiner Muret-Ausgabe (1789): M. Anton. Mureti Opera omnia. Lugduni Batavorum: Luchtmans, IV. 260 Wüstemann 1826, Vorrede: XIII. 261 A.a.O. XIV.

226 | Untersuchung einzelner deutsch-lateinischer Wörterbücher

Gegen diese ‚Vermischung‘ von goldener und silberner Latinität beim Zitieren hatte sich Kraft in seiner Vorrede (s.o.) gewendet, auch wenn er selbst Wörter von Autoren der letzteren (allerdings mit Nennung der Autorität) aufgenommen hat. Dort weist er auch den nachfolgenden Vorwurf des „leeren Prunk[s]“262 zurück, den ihm Wüstemann macht. Dieser schrieb in seiner Vorrede: Aber unsere Absicht war zu nützen, nicht zu glänzen, und so entfernten wir den leeren Prunk mit Zitaten als ein unnützes und des Gelehrten unwürdiges Spielwerk, und gewannen dadurch Raum für weit wichtigere Dinge, die in andern Wörterbüchern gar nicht, oder doch sehr unzureichend behandelt waren. Wüstemann 1826, Vorrede: XVI

Kraft verteidigt dagegen die häufige Angabe von Autoritäten und versucht Wüstemanns Argument zu entkräften, die Angabe von Autoritäten könne für den Schüler missverständlich sein. Dieser hatte – wie bereits erwähnt – darauf hingewiesen, dass Angaben wie „tantus Cic.“ zu falschen Schlüssen der Schüler führen könnten, da ja alle Schriftsteller davon Gebrauch gemacht haben. Kraft erklärt, die tatsächlich möglichen Missverständnisse seien durch Belehrung der Unkundigen auszuräumen. Außerdem sei es nicht egal, ob ein Wort bei einem Autor der goldenen oder einer späteren Zeit stehe, wie es bei Wüstemann scheinen könnte. Das Zitieren von Autoritäten sei bei Lexikographen von jeher üblich. Außerdem betont Kraft, dass Stil und Gattung der Autoren zu berücksichtigen seien. Er schreibt: Man wird also rednerische und rhetorische Ausdrücke am Besten aus Cicero und Quintilian, philosophische aus Cicero und Seneca, Kriegsausdrücke aus Cäsar, Livius, Nepos, Tacitus, naturhistorische und archäologische aus Plinius, architektonische aus Vitruvius, Frontinus und den beiden Plinius, ökonomische aus Columella, Varro, Cato, Palladius und Plinius, dichterische aus Horaz, Virgil, Ovid, Tibull, Properz, Catull, Ausdrücke der Umgangssprache aus Plautus und Terenz zu entlehnen haben. Wo aber die antiken Autoritäten zur Bezeichnung vieler Ausdrücke aus den neuern Künsten und Wissenschaften nicht ausreichen, da muß die Autorität neuerer Schriftsteller, welche über diese Gegenstände Lateinisch geschrieben haben, dem Deutschen Ausdruck beigesetzt werden. Oft habe ich selbst solche Ausdrücke in’s Lateinische zu übertragen versucht. Kraft 41843, Vorrede: XVIII–XIX

Er nennt in der Regel lediglich den Autor. Die genaue Zitation einer Autorenstelle, das heißt mit der Angabe von Autor und Vers bzw. Kapitel, erfolgt in seinem Lexikon nach drei Kriterien: Erstens bei Hapaxlegomena und für einen Schriftsteller typischen Wendungen („Parteisucht, die, partium studia, Sall. Iug. 42, 5. auch bloß studium, Cic. Verr. 1, 13, 35. studia, Tac. Ann. 14, 42. factio, Sall. Cat. 54, 6. Nep. Att. 8, 4“), zweitens bei ausführlicheren Redensarten (malleolos facesque ad inflamman-

|| 262 Ähnlich auch die Anon. Rez. 1829, Rez. zu Kraft 31829: Sp. 869.

Die Frage der Klassizität bei Wüstemann und Kraft | 227

dam urbem comparare, Cic. Cat. 1, 13, 32 für Pechkränze zu Anzündung einer Stadt bereit machen), drittens bei Sprichwörtern (für das Hemd ist mir näher als der Rock: „tunica pallio propior, Plaut. Trin. 5, 2, 30 [= cf. v. 1154], proximus egomet sum mihi, Ter. Andr. 4, 1, 12 [= cf. v. 636]. auch wohl: meum periculum propius est quam alienum (wenn nämlich von einer Gefahr die Rede ist), Cic. Sest. 18, 40 [= cf. 40]“). Am Lexem Nähen erkennt man, dass das sonst exzellente Wörterbuch von Georges in gewisser Hinsicht bei einigen Lemmata auch einen Rückschritt im Vergleich zu Krafts Wörterbuch darstellt: Während Georges (71882, II: 479) für das Substantiv Nähen lediglich anführt „suendi ars (die Kunst zu nähen). – Uebrig. durch Umschr. [Übriges durch Umschreibung] mit suere“, heißt es bei Kraft (41844, II: 329) ausführlicher: „suendi opera, ars; auch bloß acus; z. B. sich vom Nähen erhalten, acu victum quaeritare. das N. lernen, suendi artem discere. Uebr. durch’s Verbum“. Die beiden letzten Wendungen sind zwar auch bei Georges unter dem Verb nähen angeführt, doch fehlt beim Substantiv-Lemma die Erwähnung Krafts, dass man die Tätigkeit des Nähens im Lateinischen mitunter auch nur mit der Metonymie acus (Nadel für die Tätigkeit des Nähens) ausdrücken könnte. Aber auch beim Verb nähen lässt sich die ausführlichere Arbeit Krafts gegenüber Georges beobachten. Bei Kraft finden sich präzise Autoren- und teilweise sogar Stellenangaben. Anzumerken ist im letzteren Falle, dass die Wendung insuere alqm in cul(l)eum auch in einer Cicerorede (S. Rosc. 30 im Partizip Perfekt Passiv und 70 als Infinitiv Präsens Passiv) vorkommt und nicht nur – wie Kraft suggeriert – in der Briefliteratur. Die Angabe des Autors Celsus bei suere ist insofern ergänzungsbedürftig, als dass dieses Wort im eigentlichen Sinne (noch dazu im Infinitiv Präsens Passiv) tatsächlich nur bei Celsus vorkommt263 und sonst normalerweise nur als Partizip Perfekt Passiv oder in Verbindung damit gebraucht wird.264 Tab. 12: Beispiellemma Nähen im Vergleich Kraft 41844, II: 329

Georges 71882, II: 479

Nähen, v. tr. u. v. intr. suere, Cels. acu texere, nähen, suere (auch v. Chirurgen). – in etwas n., conserere alqd. n. lernen, acum tractare discere; insuere in alqd: an etwas n., assuere alci rei. – für suendi artem discere. für Geld n., acu victum die Leute n., *acu victum quaeritare. quaeritare. Jmd. in einen ledernen Sack n.

|| 263 Cels. 7, 4, 3b: foramen […] quod nisi magna ui, utique ab interiore parte, sui non potest. Im übertragenen Sinne auch bei Ter. Phorm. 491 (ne quid suo suat capiti, dass er [der Zuhälter] sich etwas Schlimmes einbrockt, üs. nach Peter Rau). 264 Vgl. Forcellini, Lexicon totius latinitatis IV (1940): 595. Z.B. tegumenta corporum vel texta vel suta (Cic. nat. deor. 2, 150); seu corticibus tibi suta cauatis / seu lento fuerint aluaria uimine texta (Verg. georg. 4, 33). Eine Ausnahme bildet Varro bei Gellius 17,3,4: sed hi plerasque naues loris suebant.

228 | Untersuchung einzelner deutsch-lateinischer Wörterbücher

Kraft 41844, II: 329

Georges 71882, II: 479

lassen, insuere alqm in culeum, Cic. Q. Fr. 1, 2, 2 [jetzt ad Qu. fr. 1,2,5; s. auch S. Rosc. 30 (insutus in culleum) und 70 (Insui voluerunt in culleum vivos atque ita in flumen deici)].

Dies zeigt, dass die Angabe der genauen Textstellen an sich zwar sehr sinnvoll und benutzerfreundlich ist, doch den Leser auch in die Irre leiten kann. Darauf hat Wüstemann in seiner Vorrede zu Recht hingewiesen und ein eigenes System für Stellenzitate vorgeschlagen. Trotzdem scheint der fast gänzliche Verzicht auf Belegstellen bei Georges doch ein lexikographischer Rückschritt zu sein. Auf jeden Fall sollte bei einem neu zu verfassenden deutsch-lateinischen Wörterbuch auch Krafts und Wüstemanns Wörterbuch berücksichtigt und die Genauigkeit der Angaben bei Kraft basierend auf den Thesaurus Linguae Latinae verfeinert werden. Andere Lemmata (s.u. Kap. 6.3) wiederum zeigen, dass Georges, vielleicht abgesehen von der Zitationsart, seine Vorgänger in vielem übertroffen hat.

5.9 Georg Heinrich Lünemanns unvollendetes Werk Zusammen mit Wüstemann und Kraft ist Lünemann der dritte Wegbereiter für Karl Ernst Georges und dessen Wörterbücher. Er war nicht, wie die beiden anderen, Lehrer von Georges; vielmehr trat dieser 1828 als Mitarbeiter unter Lünemann in die Redaktion des Scheller’schen Handlexicons ein (s.u.). Lateinische Lexikographie war die Lebensaufgabe von Georg Heinrich Lünemann. Seinem eigenen Deutsch-Lateinischen Wörterbuch (1821) hat Lünemann dieses plinianische Motto vorangestellt: Hoc, quidquid est temporis futilis et caduci, si non datur factis, certe studiis proferamus: et quatenus nobis denegatur diu vivere, relinquamus aliquid, quo nos vixisse testemur.265 Bleibende Bekanntheit war Lünemann allerdings nicht vergönnt. Zu seiner Zeit bekannt geworden ist er seit 1807 zwar hauptsächlich für die Bearbeitung des Scheller’schen Handlexicons (s.o. Kap. 5.4.3), das später unter dem Namen seines Nachfolgers Georges zum bekanntesten und besten deutsch-lateinischen Wörterbuch wurde. Doch hat er selbst auch ein eigenes deutsch-lateinisches Wörterbuch vorgelegt, dessen größter Mangel ist, dass es unvollendet geblieben ist. Lediglich der erste Band mit den Buchstaben A bis D erschien 1821. Sein vollständiger Titel lautet:

|| 265 Aus Plin. ep. 3,7,14.

Georg Heinrich Lünemanns unvollendetes Werk | 229

Deutsch-Lateinisches Wörterbuch nach den klassischen Schriftstellern der Römer und den besten neuern Latinisten kritisch bearbeitet. Gewidmet ist das Werk dem Kurator der Georg-August-Universität in Göttingen und Minister im Königreich Hannover, Freiherrn Karl Friedrich Alexander von Arnswaldt (1768–1845). Georg Heinrich Lünemann (1780–1830) war zur Zeit der Veröffentlichung dieses Wörterbuchs Doktor der Philosophie und Rektor des Göttinger Gymnasiums. In Göttingen als Sohn eines Schmiedegesellen geboren, hatte er dort Gymnasium und Universität besucht. Die Aufstiegschancen für Begabte in Göttingen waren offenbar sehr gut. Auch einer von Lünemanns Brüdern erwarb den Doktortitel an der Göttinger Universität.266 Zweidrittel der Immatrikulationsgebühr wurden Lünemann bei seiner Einschreibung in die Theologische Fakultät erlassen. Er „war vermutlich Mitglied des Seminarium philologicum [...]. Hier entwickelte der als Theologe eingeschriebene Student unter Heynes Anleitung seinen altphilologischen Interessenschwerpunkt.“267 Die Promotion erregte die Gemüter an der Universität. Lünemanns Bitte nach einer kostenlosen Graduierung zum „Magister“ ohne Examen und ohne Inauguraldisputation wurde nur entsprochen, weil wenige Monate zuvor einem Lehrerkollegen dasselbe „Geschenk“ zuteil geworden war.268 Beides geschah unter positiver Begutachtung durch Heyne. Der Titel seiner Dissertation lautet: Primae lineae theoriam lexicographiae Latinae sistentes (1806), also Erster Entwurf einer Theorie der lateinischen Lexikographie. Mit dieser Themenwahl war seine Lebensaufgabe gesetzt. Wiederum auf Vorschlag seines Mentors Heyne wurde Lünemann von Verleger Fritsch zum Bearbeiter des Scheller’schen Handlexicons (s.o. Kap. 5.4.3) erwählt. Dieses erschien zum ersten Mal 1807 in Lünemanns Bearbeitung und stellt mit seinen Worten lediglich eine „kurze Revision“ des Originalwerks dar, da Lünemann nach dem Willen des Verlegers Hahn nur vier Monate Zeit zur Bearbeitung hatte.269 Das Werk sollte nämlich bis zur Ostermesse 1807 erscheinen. Dennoch habe er viele Druckfehler verbessern können und durch die Tilgung unnötiger Lemmata sogar weitere 200 bis 300 deutsche Wörter aufnehmen können, ohne den Umfang des Wörterbuchs ändern zu müssen. Kontinuierlich wuchs im Laufe der Auflagen die Seiten- bzw. Spaltenzahl an. 1807 begann Lünemann mit 940 Seiten, 1820 waren 1052 Seiten und 1822 in der fünften Auflage 2286 Spalten. In der ersten Auflage unter seinem eigenen Namen (1826) betrug der Umfang sogar 2378 Spalten. Nach seinem Tod erschien das Werk 1831 und 1833 in Georges’ Betreuung sogar in zwei Bänden mit 1692 und 1968 Spalten.

|| 266 Vgl. Tütken 2005: 676–677. 267 A.a.O. 677. 268 Vgl. a.a.O.: 680. 269 Scheller/Lünemann 1807, Vorrede: IV.

230 | Untersuchung einzelner deutsch-lateinischer Wörterbücher

1811 kam die Bearbeitung von Schellers kleinem lateinischen Wörterbuch in vierter Auflage hinzu (zuerst Scheller 1779), worin eine Laudatio auf Scheller enthalten ist. Dieses Wörterbuch für Anfänger ist mit der ursprünglichen Intention entstanden, den – in Augen Schellers – lexikographisch überholten Latinitatis probatae et exercitatae liber memorialis von Cellarius (viele Auflagen seit 1689) an den Schulen abzulösen. Zu Schellers kleinem lateinischen Wörterbuch erschien von Ernst Zimmermann (1814) eine deutsch-lateinischer Teil. Später folgten Bearbeitungen von Heinrich Ludwig Julius Billerbeck (61826) und Karl Ernst Georges (71841). Während Scheller 1807 noch als Verfasser des Handlexicons fungierte, erschien endlich 1826 das zweiteilige Wörterbuch in sechster Auflage unter Lünemanns eigenem Namen. Doch bereits fünf Jahre (1821) zuvor hatte er den ersten Band seines eigenen Wörterbuchs veröffentlicht. Trotz der Tatsache, dass es unvollendet geblieben ist, kann es als sein bestes Werk gelten. Unklar ist, warum er in den verbleibenden Jahren bis zu seinem Tod 1830 nicht an den weiteren Bänden gearbeitet hat und sich allein dem Handlexicon widmete. Sicherlich hat es auch damit zu tun, dass ihm wegen einer Krankheit die Arbeit sogar an diesem allmählich entglitt und er sie seinem Nachfolger in der Bearbeitung, Georges (seit 1828 Mitarbeiter der Wörterbuchredaktion), überlassen musste. Er schien aber sehr an diesem Werk gehangen zu haben. Die Übergabe jedenfalls verlief nicht reibungslos, wie wir aus Georges’ Bemerkungen entnehmen können. In der Vorrede zur achten Auflage (1837/1838) schrieb er: Dabei hielt der selig Lünemann so streng auf sein Eigenthum (wie er es nannte), dass selbst die zugestandenen Verbesserungen des Mitarbeiters nur in Klammern eingeschlossen hinzugesetzt werden durften. Scheller/Lünemann/Georges 81837, Vorrede, Bd. 1: V

Die naheliegende Vermutung, dass Handlexicon (seit 1826 Handwörterbuch) und das Deutsch-Lateinische Wörterbuch (1821) voneinander abhängig seien oder letzteres das Handwörterbuch befruchtet hätte, kann der Vergleich zwischen Lünemann 1821 und Scheller/Lünemann 1826 nicht bestätigen. Dabei wurden diejenigen Lemmata (hier von A bis D) verglichen, die auch zum thematischen Vergleich unter den Wörterbüchern genutzt wurden (s. Kap. 6.3). Überraschenderweise hat Lünemann – zumindest in diesem Vergleich – keines der zahlreichen zusätzlichen Wörter aus seinem großen Wörterbuch von 1821 in das kleinere Wörterbuch aufgenommen. Auch hat er kaum etwas in die Artikel des Handwörterbuchs einfließen lassen. Beim Vergleich fiel nur eine einzige übernommene Änderung auf: In Scheller/Lünemann 1826 wurde als zweite Bedeutung von Chor canticum ab omnibus simul cantandum („Chor [...] ein von allen Sängern zugleich anzustimmendes Lied“) aufgenommen. Aber cantus omnium vocum (1821) wurde nicht übernommen. Noch 1817 fehlte diese Bedeutung. Stattdessen stand dort: „2) jeder Haufen Personen, chorus“. Aus diesem Ergebnis lässt sich schließen, dass das Wörterbuch von 1821 fast ganz getrennt von den Auflagen des Schel-

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ler’schen Wörterbuchs erarbeitet wurden. Dass zusätzliche Lemmata nicht aufgenommen wurden, um den Umfang der Auflage nicht zu vergrößern, würde als Erklärung noch einleuchten. Doch warum Lünemann sein eigenes, sehr sorgfältig erarbeitetes Wörterbuch bei der Arbeit mit dem Handwörterbuch überhaupt nicht berücksichtigt zu haben scheint, ist kaum zu glauben. Wollte er jenes als gänzlich eigenständiges Werk und als Gegensatz zum Handlexicon, das ja noch bis 1822 nur unter dem Namen Schellers, wenn auch mit der Angabe des Bearbeiters herausgegeben wurde (Schellers deutsch-lateinisches Handlexicon [...] von neuem durchgesehen, verbessert und vermehrt durch G. H. Lünemann), erscheinen lassen? Die folgenden Absätze sind dem Deutsch-Lateinischen Wörterbuch (1821) gewidmet. Lünemanns Absicht war es, ein „kritisch bearbeitetes“ Werk (so der Titel) zu schaffen. „Denn so groß auch die Zahl der Bücher ist“, schreibt er in der Vorrede, „die seit dem Wiederaufleben der Wissenschaften unter diesem Titel erschienen sind, so sind sie doch größtentheils so fehlerhaft und mangelhaft, daß sie den beabsichtigten Nutzen nur in einem geringen Grade stifteten, ja sogar oft mehr schadeten als nützten.“270 Damit gebraucht Lünemann schon anfangs den Topos des besten Wörterbuchs, das alle vorangegangenen übertrifft. Was versteht Lünemann unter einem wahrhaft kritisch bearbeiteten Wörterbuch? Die lexikographischen Grundsätze, von denen er sich leiten ließ, hat Lünemann in fünf Punkten zusammengefasst: (1.) Erfassung des gesamten deutschen Wortschatzes „der gebildeten Schriftsprache“271; (2.) Übersetzung durch ein passendes lateinisches Äquivalent und bei mehreren Übersetzungen Angabe des semantischen Unterschieds unter Bevorzugung von Cicero und der Schriftsteller „des sogenannten goldnen Zeitalters“272 sowie Berücksichtigung gattungsspezifischer Autoren (zum Beispiel Caesar, Livius usw. für das Kriegswesen); (3.) zudem nicht nur Autorenangaben, sondern nach Möglichkeit auch genaue Stellenbelege; (4.) Benutzung der besten Klassiker-Editionen; schließlich (5.) Übersetzung neuerer Begriffe, die die klassischen Autoren noch nicht gekannt haben, durch Ausdrücke, die „analogisch und im Geiste der Römer ausgedrückt“273 sind und dafür der Gebrauch der besten Lateinwerke der neueren Zeit.274 Der erste Band, der nur die Buchstaben A bis D enthielt, umfasste im Quartformat 1520 Spalten (zum Vergleich: das Handlexicon von 1822 enthielt für das gesamte Alphabet nur 2286 Spalten in einem Oktavformatband). Markantes Beispiel für die Erfassung des gesamten deutschen Wortschatzes ist das Lemma Bügeleisen:

|| 270 Lünemann 1821, Vorrede: V. 271 Ebd. 272 Ders. VII. 273 Ders. VI. 274 Die wichtigsten neueren Autoren sind in der Vorrede (IX), aufgelistet.

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Bügeleisen, das, 1) ein Plätteisen, ferramentum vestibus laevigandis. 2) eine Art Panzerfische [!], in Indien, Ostracion triqueter, Linn. Lünemann 1821: 1160

Die Schreibung laevigandis (statt lev-) war damals vorherrschend (vgl. aber levigando bei Kraft 1843, I: 587). Die zweite Bedeutung bleibt Sondergut von Lünemanns Wörterbuch und wurde von anderen, soweit ich es sehen kann, nicht mehr erfasst. Die genannte, originale Benennung durch Linné ist nicht anerkannt, stattdessen verwendet man korrekt Lactophrys triqueter (Linnaeus, 1758).275 Neben Wüstemann 1826 (nur penicillus, I:32) hat nur Lünemann (1821: 122) das Lemma Abwischer (mit Autoritäten) aufgenommen und ausführlich kommentiert: Abwischer, der, i. e. ein Büschel Stroh, ein Schwamm oder Lappen, womit man etwas abwischt, penicillus, Plin.; peniculus, Terent.276

Weitere kommentierte Beispiele finden sich unten (in Kap. 6.3) im Vergleich mit den anderen Wörterbüchern. Dem deutschen Wortschatz hat Lünemann Joachim Heinrich Campes (1746– 1818) Wörterbuch der deutschen Sprache (1807–1811) zugrunde gelegt, dessen puristische Einseitigkeit ihn eingeschränkt hat. Dieser Tatsache ist sich Lünemann bewusst und hat daher auch die wichtigsten Fremdwörter, wie etwa Apotheker (statt dem ungebräuchlichen Arzneibereiter) oder Astronomisch aufgenommen. Kraft (letzte Auflage 1843/1844) hingegen hat neben Adelung in weiteren Auflagen auch Campe und Heinsius berücksichtigt. So entstand bei ihm ein ausgewogener Wortschatz. Lünemann hat zwar deutlich mehr deutsche Begriffe aufgenommen, Kraft hingegen mehr Fremdwörter, was zu einer besseren Mischung führte. Bei Kraft fehlen wahrscheinlich nicht häufig gesuchte Begriffe wie Adlerbeere, Anaasen, Anackern, Anblatten, Angellocke usw. Dafür hat Kraft wichtige Begriffe wie Amphibie, Anagramm, Anapäst, Anatomiker, Bannbulle, Bildungsstufe usw. aufgenommen.277 Außerdem verschmäht Kraft, wie er in der Rezension von Lünemanns Werk betont, „gemeine u. niedrige“ Ausdrücke, „welche die edlere Sprache verschmäht“, beispielsweise Allermannshure, bescheißen, Bettseicher oder Bierlümmel.278 Für dialektale und technische Begriffe gebe es zudem eigene Nachschlagewerke.

|| 275 Vgl. Froese, R. / Pauly, D. (Hrsg.) (2022): FishBase. Ostracion triqueter Linnaeus, 1758. In: World Register of Marine Species. [Unter: ; letzter Zugriff: 28.4.2022]. 276 Bei Kraft (41843, I: 63) findet sich lediglich: „Abwischlappen, der, pannus pulveri tollendo, sordibus detergendis“. 277 Anon. Rez. Mr. [Kürzel] 1822, Rez. zu Bauer 51820, Kraft 11820 und Lünemann 1821: 392; Kraft 1823: 271. 278 Kraft 1823: 270.

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Die Diphthonge sind bei Lünemann als doppelte Laute behandelt (ä als ae), sodass verwandte Wörter wie etwa Bauer und Bäuerisch weit auseinanderstehen.279 Autorenbelege mit starker Berücksichtigung der ‚goldenen‘ Zeit finden sich bei Lünemann sehr häufig. Ein zeitgenössischer Rezensent bestätigt die Selbstaussage Lünemanns, er habe jede einzelne angegebene Stelle nachgeschaut und geprüft. Was die lateinische Phraseologie angeht, so führt Kraft in seiner Rezension zu Lünemanns Wörterbuch über mehrere Seiten auf, welche Lemmata er für unrichtig oder falsch hält. Dies erfolgt nach diesem Schema: „Aërolith, aёrolithus, warum dieses unlat. Wort? Liv. sagt: lapides, qui coelo deciderunt“.280 Ein anderes Beispiel: „Bierglas, vitrum, e quo cerevisio bibitur; sehr unglücklich! vitrum heißst ja das Glas als bloßse Materie, nicht das gläserne Gefäßs selbst. Eher könnte man sagen: vitreum poculum“ usw. Kraft urteilt im Allgemeinen, dass das Wörterbuch „vor den bisher bekannten Deutsch-Lat. Wörterbüchern sich nicht nur durch eine ungleich größsere Vollständigkeit der Deutschen Artikel u. eine genaue Bestimmung u. Sonderung der verschiedenen Bedeutungen der Wörter vortheilhaft auszeichne, sondern auch durch eine weit reichhaltigere, größsten Theils aus den Röm. Klassikern oder auch aus guten neuern Latinisten gezogene Phraseologie“.281 Das teilweise Fehlen von Angaben der genauen Textstelle und von Autoritäten neuerer Zeit stehe allerdings den in der Vorrede angekündigten Grundsätzen entgegen, so Kraft. Ein anderer anonymer Rezensent (1822) urteilt im Vergleich dreier Wörterbücher (Bauer 1820, Kraft 1820, Lünemann 1821): „Das [bis dahin] vollständigste und ausführlichste, aber natürlich auch das kostbarste dieser Werke ist das Lünemann’sche.“282 Damals war es noch nicht absehbar, dass die weiteren Bände nie erscheinen würden. Das Werk kann zusammen mit den Wörterbüchern von Georges gewissermaßen als Gipfel der Verwissenschaftlichung der deutsch-lateinischen Lexikographie gesehen werden. So sieht die genannte Rezension von 1823 das Wörterbuch eher an Wissenschaftler als an Schüler gerichtet und prophezeit: Es ist nicht zu verkennen, dass dieses Werk, wenn es vollendet seyn wird, nicht etwa für Schüler, sondern für Gelehrte, welche in irgend einer Wissenschaft sich der Lateinischen Sprache bedienen wollen oder müssen, einem bisher niemals in diesem Umfange und mit solcher Gründlichkeit behandelten Bedürfnisse abhelfen wird [...]. Anon. Rez. Mr. [Kürzel] 1822, Rez. zu Bauer 51820, Kraft 11820 und Lünemann 1821: 389

|| 279 Ebd. 272. 280 Ebd. 280–281; vgl. cecidere caelo lapides (Liv. 1,31,2), ardentes lapides caelo cecidisse (22,1,9), lapidem de caelo cecidisse (41,9,5). 281 Kraft 1823: 268–269. 282 Anon. Rez. Mr. [Kürzel] 1822, Rez. zu Bauer 51820, Kraft 11820 und Lünemann 1821: 388.

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Für Schüler war dieses Werk aufgrund des geplanten Umfangs und des Preises wohl kaum geeignet, wie auch Kraft in seiner Rezension (1823) zu Lünemanns Wörterbuch feststellt.283 Lünemann hat sich aber, wie schon gesagt, ohne das Werk zu vollenden, im Weiteren auf die Herausgabe des für die Schule relevanteren Hanlexicons konzentriert, das er zuletzt 1826 veröffentlichte und das nach seinem Tod von Karl Ernst Georges fortgeführt wurde.

5.10 Sonstige Wörterbücher In diesem Kapitel werden einzelne deutsch-lateinische Wörterbücher von kleinerem Umfang oder geringerer Bedeutung für die deutsch-lateinische Lexikographiegeschichte angeführt und summarisch beschrieben.

5.10.1 Europa Latina von Johann Christoph Bremer Der Verleger dieses 1785 erschienenen topographischen Wörterbuchs, Friedrich Joseph Ernst in Quedlinburg, verschweigt im kurzen Vorbericht zwar den Namen des bereits verstorbenen Verfassers, da dieser sich selbst nicht genannt habe: „Er war aber ein beliebter Schriftsteller und sehr fleißiger Mann“. Das Deutsche Anonymen-Lexikon (1903) jedoch nennt als Autor Johann Christoph Bremer (1754–?).284 Über ihn ist nur bekannt, dass er als Lehrer in Berlin und Kollaborator in Magdeburg, später als Prorektor und Rektor am Fürstlichen Gymnasium zu Quedlinburg gewirkt hat und in dieser Funktion auch ein Lateinisches Wörterbuch für Anfänger (1786) verfasst hat.285 Ernst spricht von einer „hinterlassenen Vorrede“ des Autors, die er allerdings nicht wiedergibt. Immerhin teilt er mit, Bremer habe sein Werk „als das Erste in seiner Art angesehen“, ohne diese Aussage zu erläutern. Europa Latina habe jedenfalls, so der Verleger, einen doppelten Nutzen: Sie sei gleichzeitig als geographisches Nachschlagewerk (s.u. das Beispiel Ungarn) und als lateinisches Wörterbuch für geographische Eigennamen zu gebrauchen. Letzteres gelte aber nicht nur für den Lateinschreibenden, sondern auch für den Lateinlesenden, der mithilfe eines lateinisch-deutschen Registers den entsprechenden Eigennamen leicht im deutschlateinischen Hauptteil finden könne. || 283 Kraft 1823: 282. 284 Holzmann/Bohatta 1903: S. 75, Nr. 2490. Allerdings wird hier der Druckort mit Leipzig angegeben. 285 Leipzig: Schwickert, mit deutschem Register. Vgl. Wolf, Internetbibliographie und den DNBEintrag [unter: ; letzter Zugriff: 28.4.2022].

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Vier Beispiele seien herausgegriffen: Augsburg, Reichsstadt in Schwaben, Augusta Vindelicorum [ursprünglicher ist die Bezeichnung Augusta Vindelicum, Anm. J.I.] s. Rhaetorum, Vindelica. Frysingen, Stadt und Bisthum im Baierischen Kreise, Frisinga, Fruxinum, Fraxinium, Fraxinia, Episcopatus Frisingensis. Hungarn, Ungarn, ein Königreich, Hungaria, Pannonia inferior. Nieder-Hungarn, Hungaria inferior; Ober-Hungarn, Hungaria superior. Jenes bestehet aus 2 Kreisen: 1) Circulus CisDanubianus, der über der Donau liegende, 2) Circulus Trans-Danubianus, der unter der Donau liegende; dieses aus 2 Kreisen: 1) disseits der Theis, Circulus Cis-Tibiscanus, 2) jenseits der Theis, Circulus Trans-Tibiscanus. München, Stadt in Baiern, Monacum, Monachium, Campodunum, Isinisca. Schweinfurt, Reichsstadt im Fränkischen Kreise, Schweinfurtum, Schwinfurtum, Trajectum Suevorum, Swenofurtum [vgl. die Zusätze bei Graesse 1909: Devona, Suevofortum, Swinnvirti (Swinvurtensis)]. Bremer 1785: 15, 76, 96, 137 und 189

Es ist unklar, wie Bremer auf die Bezeichnungen Campodunum und Isinisca für München kommt. Campodunum bzw. Cambodunum steht schon in der Antike für Kempten.286 Isinisca ist nach Graesse (1909) der Name für Isen, einen Nebenfluss des Inn. Auch der bekannte Orbis Latinus (zuerst 1861 von Johann Georg Theodor Graesse) enthielt ein deutsch-lateinisches Register. Doch in der zweiten Auflage, bearbeitet von Friedrich Benedict (1909), wurde dieses getilgt. Der Herausgeber schreibt im Vorwort dazu: Der zweite, deutsch-lateinische Teil des Buches ist bei der neuen Bearbeitung weggeblieben. Das Lateinischschreiben hat in der Neuzeit selbst in den philologischen Kreisen so nachgelassen, daß es ziemlich auf dem Aussterben steht, und somit erübrigt sich jenes zweite Verzeichnis.

Etwa hundertzwanzig Jahre nach Europa Latina war also in den Augen Benedicts die Grundlage für den Nutzen eines deutsch-lateinischen Teils, das Lateinschreiben, entfallen. Auch wenn seither die prophezeite Situation hinsichtlich des Lateinschreibens größtenteils eingetroffen ist, enthält doch die vierte Auflage von 1971 (herausgegeben von Helmut Plechl) wieder einen deutsch-lateinischen Teil, der ja nicht nur für Philologen von Interesse sein kann.

|| 286 Vgl. ThLL, Onomasticon, 2,115,31–38.

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5.10.2 Zwei preiswerte Wörterbücher für arme Schüler (Schmerler und Haas) Ärmere Familien konnten es sich nicht immer leisten, teure Schulbücher für ihre Kinder anzuschaffen. Niemand wusste das besser als der Bäckerssohn Johann Adam Schmerler (1765–1794). Er durfte, nachdem man auf seine Begabung aufmerksam geworden war, mit 15 Jahren an verschiedenen Nürnberger Schulen Lateinisch, Griechisch, Hebräisch und Französisch lernen. Von 1784 bis 1787 studierte er an der Universität in Altdorf Philosophie, Theologie und Orientalistik. Anschließend war er für kurze Zeit Hauslehrer und wurde 1790 Rektor der Gemeindeschule in Fürth. Im Lexikon verstorbener Baierischer Schriftsteller wird er als äußerst liebenswürdiger Gelehrter und ‚Büchernarr‘ charakterisiert, der angeblich aufgrund anhaltender Arbeit und mangels Bewegung schon mit dreißig Jahren verstarb. Schmerler, sensibilisiert für die Bedürfnisse armer Schulkinder, beklagt in seiner Vorrede zum Lateinisch-deutschen und deutsch-lateinischen Wörterbuch (1794; überarbeitet von Kaspar J. Besenbeck, 21809) den Mangel an für Schüler geeigneten und preiswerten Wörterbüchern. Einige würden der Wörter entbehren, die die Schüler für die lateinischen Lesebücher brauchen, andere wiederum seien viel zu teuer. Kaum einer der Schüler könne sich die Wörterbücher von Scheller leisten. Und wenn doch, so würde er doch nach dem Kleinen Wörterbuch von Scheller287 (vier Gulden) gleich dessen Größeres kaufen wollen, sofern er Latein gründlich erlernen wolle. Aber für einen Schüler, der nur „gewisse Ausdrücke im gesellschaftlichen und bürgerlichen Leben zu verstehen“ brauche, „welche aus der lateinischen Sprache herstammen, oder einen leichten lateinischen Schriftsteller zu lesen“, finde sich kaum ein günstiges Wörterbuch. Mit seinem Wörterbuch habe Schmerler Lehrern, die die gleiche Erfahrung gemacht haben, einen großen Dienst erwiesen, so seine Hoffnung. Deutsch-lateinische Übersetzungen sind hier nicht im Blick des Autors. Mit dieser Ausrichtung wird auch durch Verleger Palm bereits zwischen Titelseite und Vorrede für die Verbreitung des Schmerlerschen Wörterbuchs geworben: Für die Bestellung von zehn Exemplaren gewährt der Verleger dem Käufer einen Rabatt (ein Buch kostet dann einen Gulden) und schenkt dem Käufer zusätzlich noch ein elftes Exemplar für einen armen Schüler. Davon abgesehen verfolgt Schmerler mit dem lateinisch-deutschen Teil des Wörterbuchs zwei Ziele: Es soll zunächst als eine Art Wörterverzeichnis für die in den Schulen üblicherweise verwendeten Lesebücher dienen. Denn die Indices dieser Lesebücher seien häufig sehr unvollständig. Aber auch für die Lektüre der lateinischen Schulautoren sei das zugegebenermaßen unvollständige Wörterbuch ge-

|| 287 Mit dem Kleinen Wörterbuch von Scheller ist wohl dessen Handlexicon gemeint, mit dem Großen das Ausführliche und möglichst vollständige deutsch-lateinisches Lexicon. Offenbar kannte der Autor nicht Schellers Kleines lateinisches Wörterbuch, 31790 (später von Lünemann, Billerbeck und Georges bearbeitet), das bereits für zwölf Groschen zu erhalten war, wie eine Rezension anmerkt.

Sonstige Wörterbücher | 237

macht, sofern der Schüler aus Not kein größeres Lexikon anschaffen kann. Zum deutsch-lateinischen Teil bemerkt Schmerler lediglich, dass aus Zeitnot „die Bearbeitung des deutsch-lateinischen Theiles dem Herrn Popp, Collaborator am Gymnasium zu Erlangen, übertragen“ worden sei. Vorzug gegenüber dem alphabetisch-morphologisch sortierten Kleinen lateinischen Wörterbuch (31790) Schellers ist die strikt-alphabetische Reihung sowie die Hinzufügung des deutsch-lateinischen Teils. Dieser sei bei Schellers „Größerem Lexikon“ nämlich, so ein Rezensent von Schmerler, „zum Lateinschreiben höchst dürftig“, fast „unbrauchbar“, ohne diese Behauptungen weiter zu belegen.288 Auch ein weiterer Lexikograph hat es sich zum Ziel gemacht, eine günstige Ausgabe für die studierende Jugend zu verfassen: Johann Gottfried Haas (1737–1815) hatte schon zahlreiche lexikographische Werke verfasst, als er 1804 und in zweiter Auflage 1808 sein Vollständiges lateinisch-deutsches und deutsch-lateinisches Handwörterbuch in zwei Bänden vorlegte. Unter seinen Werken finden sich zahlreiche Wörterbücher, Grammatiken und Sprachlehren sowohl alter als auch moderner Sprachen für den Schulunterricht, unter anderem eine Anweisung zum Übersetzen des Deutschen ins Lateinische (1804).289 Weit verbreitet war Haasens Griechischer Speccius oder kleine Übersetzungen aus dem Teutschen ins Griechische (zuerst 1801).290 Berühmt sollte Haas aber unter dem – allerdings wohl erst nach seinem Tod gebrauchten – Pseudonym M. A. Thibaut werden: Seine unter diesem Namen verbreiteten französischen Wörterbücher wurden später oft bearbeitet und erweitert. Haas wurde 1737 in Gelenau im Erzgebirge als Sohn eines Maurermeisters geboren, besuchte die Stadtschule zu Chemnitz, absolvierte während des Siebenjährigen Krieges das philologisch-theologische Studium in Leipzig und war als Lehrer und später als Konrektor in Marienberg und Schneeberg im Erzgebirge tätig, wo er am 17. April 1815 verstarb.291 Der lateinisch-deutsche Teil des Handwörterbuchs ist laut Haas292 vor allem nach Schellers Wörterbuch (vermutlich Lateinisch-teutsches Lexicon, 21788, oder Lateinisch-deutsches Handlexicon, 21796) aufgebaut, ergänzt durch Wörter aus dem drei-

|| 288 Anon. Rez. Rg. [Kürzel] (1796): 86. 289 Überblick über die Werke in: Heinsius, Wilhelm (1812): Allgemeines Bücher-Lexikon oder vollständiges Alphabetisches Verzeichnis der von 1700 bis zu Ende 1810 erschienenen Bücher. Leipzig: Brockhaus/Gleditsch, Bd. 2, 223. 290 3. Aufl. von J. H. Ph. Seidensticker 1811; 41821. Der Name dieser Art von Lehrbuch geht auf den nürnbergischen Schulmann Christoph Speccius (1585–1639) zurück, der als deutscher Auszug aus Melanchthons lateinischer Grammatik eine Praxis declinationum, consistens in exemplari illustratione regularum cardinalium syntaxeos (Nürnberg 1633) verfasste. 291 Vgl. Fränkel 1904. 292 Die Vorreden zur ersten und zur zweiten Auflage finden sich im ersten Band der zweiten Auflage von 1808.

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bändigen Allgemeinen Polyglotten-Lexicon der Naturgeschichte (1793–95) von Philipp Andreas Nemnich und anderen, nicht explizit genannten Wörterbüchern. Der deutsch-lateinische Teil baut laut Haas auf Bauers Wörterbuch (s.o. Kap. 5.5) auf; hinzukämen Fachtermini des Bergbaus und etwa 20 000 Wörter aus dem genannten Lexikon von Nemnich. Nur in einem Nebensatz der Vorrede wird der genaue Zweck des Wörterbuchs erwähnt: „wobey noch immer auf den Gebrauch des Buches zum Uebersetzen ins Latein fleißig gesehen worden ist“293. Auch hier ist – wie schon bei anderen Wörterbüchern, etwa bei Nieremberger 1753 oder Bauer 1798, festzustellen ist – nur von Übersetzungen die Rede, nicht aber explizit von der aktiven Verwendung des Lateinischen. Rasch war die erste Auflage vergriffen, sicherlich auch dank des angekündigten „wohlfeilen Preise[s]“.294 Bei der Bearbeitung der neuen Auflage hat Haas eigenen Angaben zufolge für beide Teile u.a. Nemnichs Waaren-Lexicon in zwölf Sprachen (1797–1802) ausgewertet. Wichtig war für Haas die Vollständigkeit des Wörterbuchs (s. Titel). Vom Anfänger bis zum fortgeschrittenen Lateiner solle jeder das Wort finden können, das er suche: „[F]olglich müssen darin zu finden seyn alle Wörter der Schrift-, Kunst- und Pöbelsprache, die vorzüglichsten Provinzial-Ausdrücke, die Nahmen der Länder, Oerter, Völker, Flüsse.“295 Allerdings konnten laut Haas nur die wichtigsten Geographica aufgenommen werden. Er geht auch auf die Schwierigkeiten ein, die ihm die Bildung neuer lateinischer Begriffe für moderne deutsche Wörter bereitet hatte, da man sie nicht bei den antiken Schriftstellern finden kann: Diesen Ausdruck nun, wenn er den deutschen genau treffen, und nicht weniger, auch nicht mehr sagen soll, zu finden, das ist nicht so was leichtes; auch war er nicht immer, wenn ich ihn in den Lexicis fand, so gleich ohne Prüfung nach zu schreiben. Haas 21808, Vorrede zur zweiten Auflage: VI

Im terminologischen Bereich habe er die feststehenden Wörter nicht verändert. Natürlich konnte er nicht alle Begriffe „der Künste und Handwerker“ aufnehmen, weil sie schwer aufzufinden seien und im Lateinischen meist auch keine Entsprechung hätten, da sie in der Antike noch unbekannt waren. Die klassischen Wörter werden nicht gesondert gekennzeichnet. Seit der zweiten Auflage wird aber, „wo es nöthig ist“, auf die Herkunft einzelner neuer Wörter hingewiesen.

|| 293 Haas 21808, Vorrede zur ersten Auflage: III–IV. 294 Haas 21808, Vorrede zur zweiten Auflage: V–VIII. 295 Haas 21808, Vorrede zur zweiten Auflage: VI.

Sonstige Wörterbücher | 239

5.10.3 Kleines deutsch-lateinisches Wörterbuch für Anfänger in der lateinischen Sprache Das in Augsburg beim katholischen Buchhändler Johann Nepomuk Styx296 1795 erschienene und für 12 Kreuzer erhältliche Werk mit dem Titel Kleines deutschlateinisches Wörterbuch für Anfänger in der lateinischen Sprache297 ist als Begleitbuch und Hilfsmittel für den grammatikalischen Anfangsunterricht anzusehen und weniger als deutsch-lateinisches Wörterbuch im eigentlichen Sinne. Das übergeordnete Kriterium bei der Anordnung der Wörter ist nicht wie sonst das Alphabet. Vielmehr ist es nach grammatikalischen Gesichtspunkten der Laut- und Formenlehre gegliedert. Zu jedem Gliederungspunkt sind Einzelwörter in deutsch-lateinischer Reihung zugeordnet. Das Büchlein beginnt mit dem Kleinen Alphabet, den Doppellauten und dem Großen Alphabet (3), worauf die „Zusammensetzung der Buchstaben in einzelnen Sylben“ folgt (4–5): ba be bi ... pha phe phi ... sto stu sty.298 Daran schließen sich die Nomina der ersten Deklination an, an erster Stelle die Feminina in Form von Einzelwörtern (mit getrennten Silben): „Der Flügel A la“, „der Altar A ra“ usw. Diese Wörter sind teilweise alphabetisch angeordnet (allerdings nach den lateinischen Wörtern), teilweise wird das Alphabet gänzlich durchbrochen, ohne dass man ein System dahinter entdecken könnte. Es folgen die übrigen Deklinationen und hierauf die Numeralia, Adjektive, Pronomina, Konjugationen, Adverbien, Präpositionen, Konjunktionen und schließlich Interjektionen jeweils mit Beispielwörtern. Bis zum Abschnitt der Pronomina sind die Silben der Wörter durch eine Lücke voneinander abgesetzt. Neben diesen Wörtern, die man vereinfachend mit ‚Grundwortschatz‘ zusammenfassen könnte, findet man zum Beispiel bei den Maskulina auf -ir auch Wörter wie „der Herr Stadtpfleger“ duumvir und „der geheime Herr“ septemvir (16). Das Büchlein wird beschlossen durch das Pater noster (mit der Schlussformel Quia tuum est regnum et potentia et gloria, in saecula saeculorum) und das Friedensgebet Da pacem, Domine, in diebus nostris (78).

|| 296 Vgl. Gier/Janota 1997: 511. Demgemäß gab es 1788 sechs katholische und vier protestantische Buchhandlungen in Augsburg. Augsburg galt zu dieser Zeit als „führende katholische Buchstadt“ (512) und wichtigster Druckort für jesuitische Werke auch nach der Auflösung des Jesuitenordens, die in Augsburg erst im Jahre 1776 vollzogen wurde. Am Augsburger Kolleg waren 1798 noch 20 Exjesuiten tätig. 297 Nicht zu verwechseln mit Wörterbüchern ähnlichen Titels, etwa Ernst Friedrich Kärchers Kleinem deutsch-lateinisches Wörterbuch für Anfänger (11824; s.u.) oder Felix Sebastian Feldbauschs Kleinem deutsch-lateinischen Wörterbuch mit Angabe der lateinischen Wortformen für die ersten Anfänger (31848). 298 Diese Silbenlehre beruht auf mittelalterlicher Tradition, s. Leonhardt 1989.

240 | Untersuchung einzelner deutsch-lateinischer Wörterbücher

5.10.4 Ernst Friedrich Kärchers Wörterbücher Der Lehrer, Rektor und Lexikograph Ernst Friedrich Kärcher (1789–1855) bestand nach Studium der Theologie und der Philologie im Jahr 1810 die Prüfung der Zulassung zum evangelischen Predigeramt.299 Nach einer Zeit als Hauslehrer wurde er Direktor des Lyceums in Karlsruhe. Besonders in den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts widmete sich Kärcher intensiv der Erarbeitung mehrerer Wörterbücher. An erster Stelle steht der deutsch-lateinische Teil (1822) des Wörterbuchs mit Titel Lateinisch-deutsches und deutsch-lateinisches Schul-Wörterbuch. In der zweiten verbesserten und vermehrten Auflage (1840) heißt dieser Teil Deutsch-lateinisches Wörterbuch für Gymnasien. Den lateinisch-deutschen Teil hatte Friedrich Ernst Ruhkopf begonnen, er war aber 1821 verstorben. Kärcher vollendete diesen Teil und übernahm auch die vollständige Ausarbeitung des deutsch-lateinischen Teils. Eine vollständige neue Bearbeitung des lateinisch-deutschen Teils durch Kärcher erschien 1826. Das Werk wurde positiv rezensiert.300 Im Vorwort erwähnt Kärcher die Zeitnot bei der Abfassung und (er arbeitete in Karlsruhe) die weite Entfernung zum Druckort Leipzig, wohin die Manuskripte in kleineren Abteilungen geschickt wurden. Diese Faktoren hätten es nicht ermöglicht, ein abgerundetes Werk vorzulegen. Das Lexikon sei für Schüler (für Anfänger wie auch Fortgeschrittene) bestimmt, weshalb „alles Vage“ ausgespart worden sei und nur klassische oder aus klassischem Latein gebildete Wendungen gebraucht worden seien. Abweichungen diesbezüglich seien angemerkt. 1824 (und in zweiter, verbesserter Auflage 1826) erschien Kärchers erfolgreiches Schulwörterbuch der lateinischen Sprache in etymologischer Ordnung. Die dritte Auflage von 1843 trägt den Titel Lateinisch-deutsches Schulwörterbuch in etymologischer Ordnung. Zwischen zweiter und dritter Auflage erschien eine verkürzte Fassung für Anfänger: Kleineres Wörterbuch der lateinischen Sprache in etymologischer Ordnung (1831). Dieses Wörterbuch stellte „durch Bündigkeit, Klarheit, Vollständigkeit und richtige Ableitung die seit mehr als 30 Jahren vielverbreiteten Wörterbücher von Scheller in Schatten“, so eine Biographie.301 Die Theorie zu diesem Wörterbuch legte Kärcher nicht nur in den Vorreden des Wörterbuchs, sondern gesondert auch in seiner Schrift De optima lexici latini condendi ratione von 1826 nieder. Wie der vorherige Titel erschien auch ein weiteres Wörterbuch Kärchers, das Kleine deutsch-lateinische Wörterbuch für Anfänger, zuerst im Jahre 1824. In der zweiten, erweiterten Auflage 1836 trägt es den Titel Kleines deutsch-lateinisches Schulwörterbuch. Offenbar hatte Kärcher mit seinen Wörterbüchern großen Erfolg.

|| 299 Vgl. Löhlein 1875b; von Weech 1882. 300 In: Jahn, Joh. Christ. (Hrsg.) (1826): Jahrbücher für Philologie und Paedagogik, 1. Jg., Bd. 1, Litterarischer Anzeiger Nr. 1, S. 2. 301 Löhlein 1875b.

Sonstige Wörterbücher | 241

Aus der Vorrede erfahren wir, dass die „liberale [d.h. großzügige], und für Unterricht so thätige, würtembergische Regierung den Landesschulen“ sein etymologisches Wörterbuch zur Benutzung empfohlen hat. Auf vielfachen Wunsch vor allem württembergischer Lehrer stellte er nun dieses Wörterbuch als einen „kleine[n] Leitfaden zum Uebersetzen aus dem Deutschen ins Lateinische“ an dessen Seite. Es ist den Grundsätzen des etwas größeren, für geübtere Schüler verfasste Deutschlateinische Schul-Wörterbuch (1822, s.o.) verpflichtet, das seit Erscheinung „von mehreren competenten Stimmen gebilligt wurde“. Überraschend ist auf den ersten Blick die Aussage, dass dem Autor kein Hilfsbuch dieser Art für Anfänger bekannt sei, gibt es doch etwa das recht kleine Wörterbuch von Schmerler (1794). Aber ein derart knapp gehaltenes Lexikon (insgesamt nur 97 Seiten), das in Anbetracht der Adressaten nur die allerwichtigsten Bedeutungen – sowohl auf der deutschen als auch lateinischen Seite – anführt, ist trotz der Menge an deutsch-lateinischen Wörterbüchern tatsächlich einmalig. Zu guter Letzt erschien 1842 das Handwörterbuch der lateinischen Sprache besonders für Gymnasien und Lyceen. Zu diesem Handwörterbuch gehört das von Albert Forbiger erstellte Deutsch-Lateinische Handwörterbuch in der Ausgabe von 1856. Kärcher wird mit Dank erwähnt in der Vorrede zur zweiten Auflage von Kraft 1824, der auch mit Forbiger zusammenarbeitete. In der Auseinandersetzung mit Wüstemann stellte sich Kärcher auf die Seite Krafts und zerriss geradezu in einer Rezension (1826) Wüstemanns Wörterbuch (s.o. Kap. 5.6).

5.10.5 Albin Heinrichs Ergänzungsband zu Schellers etymologischem Wörterbuch Einer der wenigen katholischen Lexikographen war Albin Heinrich (1785–1864). Ein dezidierter konfessioneller Einfluss auf seine Wörterbücher lässt sich an ihnen jedoch nicht ablesen. Er war österreichischer Mineraloge, Mitglied verschiedener wissenschaftlicher Gesellschaften und Lehrer für Geographie und Geschichte am katholischen Gymnasium zu Teschen, das zu dem kleinen Teil gehörte, der nach den Schlesischen Kriegen bei Österreich verblieb. Seit 1831 war Heinrich Professor am akademischen Gymnasium in Brünn. Sein Deutsch-lateinisches Wörterbuch von 1826 ist der Ergänzungsband zu dem von ihm im selben Jahre herausgegebenen Wörterbuch mit dem Titel Imm. Joh. Gerh. Schellers lateinisches Wörterbuch in etymologischer Ordnung. Heinrich hat dafür Schellers Kleines lateinisches Wörterbuch (zuerst 1779)302 mit 6000 Zusätzen vornehmlich in Hinblick „auf die in den k. k. Gymnasien vorgeschriebenen lat. Schul-

|| 302 Wahrscheinlich ist dieses Wörterbuch gemeint, wenn Heinrich 1826, lat. Bd.: III in seiner Vorrede von „Imm. Joh. G. Schellers etymologische[m] Handwörterbuch“ spricht.

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bücher und Chrestomathien“ neu herausgegeben.303 Wie schon bei Schönberger (1820; s. Kap. 5.4.4) gesehen, versuchte wohl auch Heinrich ein auf österreichische Schulbedingungen ausgerichtetes Wörterbuch zu erstellen. Dennoch bleibt ungeklärt, warum Heinrich diese Bearbeitung des Scheller’schen Wörterbuchs vornimmt und welche Ausgabe er als Grundlage dafür benutzt hat, da doch bereits 1811 und gerade 1826 neue von Lünemann bearbeitete Auflagen davon erschienen sind (s.o. Kap. 5.9). Dem etymologisch geordneten Hauptband ist ein lateinisches Register vorangestellt, das die Suche nach Wörtern erleichtern soll. Die Auswahl beschränkt sich auf Wörter, die bei den Autoren des goldenen Zeitalters verwendet werden. Plinius, Seneca, Phaedrus etc. sowie poetische Wendungen sind daher ebenso gesondert gekennzeichnet wie unklassische Wörter. In diesem Teil sind die Wörter etymologisch angeordnet und deutsch übersetzt. Beispielsweise findet man die Komposita und andere verwandte Formen von haereo unter dem Lemma haereo in Kleindruck: haeresco, haesito, adhaereo, adhaesio, cohaereo, inhaereo. Dadurch wird das Alphabet durchbrochen, weshalb das lateinische Register am Anfang des Bandes unerlässlich ist. Statt des deutschen Registers von Scheller aber habe er, schreibt Heinrich in der Vorrede zum deutsch-lateinischen Ergänzungsband (ebenfalls 1826 erschienen), „das vorliegende deutsch-lateinische Wörterbuch als […] Ergänzungstheil dem etymologischen Wörterbuche“304 beigefügt, weil dieses aufgrund der Anordnung für Schüler unbrauchbar sei. Die Artikel sind auf das Wesentliche reduziert, kommen ohne Autoritätsangaben aus, aber enthalten die notwendigsten Angaben (Genitiv, Geschlecht u.ä.) und Phrasen, z.B.: Termin, dies, ei, m. und f.; einen T. bestimmen, diem constituere; einen T. abwarten, diem obire. Heinrich 1826, Deutsch-lateinisches Wörterbuch: 365

Es solle als kleiner „Leitfaden zum Uebersetzen aus dem Deutschen ins Lateinische bey [den] Schulaufgaben“ dienen. Hinsichtlich der Auswahl der lateinischen Wörter und Wendungen bemerkt Heinrich: Durch die beygefügten kurzen Erklärungen suchte ich die Anfänger, so viel möglich, vor Mißgriffen in der Wahl der Wörter zu schützen. Sie bekommen zwar kein vollständiges, doch ein aus b l o ß c l a s s i s c h e n Ausdrücken bestehendes Wörterverzeichniß in die Hände. Heinrich 1826, Deutsch-lateinisches Wörterbuch, Vorrede: IV

|| 303 Heinrich 1826, Schellers lateinisches Wörterbuch in etymologischer Ordnung, Vorrede: III. 304 Heinrich 1826, Deutsch-lateinisches Wörterbuch, Vorrede: III.

Sonstige Wörterbücher | 243

5.10.6 Felix Sebastian Feldbauschs Kleines deutsch-lateinisches Wörterbuch Der Mannheimer Felix Sebastian Feldbausch (1795–1868) studierte in Heidelberg Philologie und wurde 1844 Direktor des Lyceums. Im Direktoratsposten wechselte er sich mit einem evangelischen Director ab. Schließlich wurde er als Mitglied eines Schulbeamtengremiums, dem Oberschulrat, nach Karlsruhe berufen.305 Feldbauschs eben dort zuerst 1833 erschienenes Kleines deutsch-lateinisches Wörterbuch ist für Anfänger konzipiert. Es soll vor allem den „drei ersten Jahreskurse[n]“306 dienen, so der Autor in der Vorrede. Diese Ausrichtung schließt allerlei Vereinfachungen ein, zum Beispiel genauere Angaben der Formen über die Grundform hinaus, Quantitätszeichen bei unbekannten Wörtern (allerdings nur für die vorletzten Silben, um die richtige Betonung sicherzustellen) und möglichst nur eine lateinische Entsprechung je deutsches Lemma. Darüber hinaus fallen im deutschen Wortschatz „alle an das Obscöne anstreifenden“ Begriffe weg, ebenso alle modernen Begriffsverbindungen, die die Römer nicht kannten („Andacht, Abendgebeth, Abgötterei, Brandschatzung, Handschuh, Eckhaus u. s. w.“). Denn diese Wörter sollten der Meinung Feldbauschs zufolge in den Übersetzungsübungen des Anfängers nicht vorkommen, da dieser zuerst „in den eigentlich-römischen Wortvorrath muß eingeführt werden, um sich nicht in eine sprachliche Anschauung zu verlieren, die er für römisch hält, die aber dem Römer fremd war.“307 „Doch gibt es aber“, fährt Feldbausch fort, andere moderne Begriffsverbindungen, die als Wortform in dem Gedankenzusammenhange neu sind, aber dem Begriff nach im römischen Leben schon einheimisch waren. Diese mußten schon deßwegen aufgenommen werden, weil sie (z. B. amtlich, Abhängigkeit) uns oft begegnen, wenn wir das Alterthum in seinen Einrichtungen betrachten oder besprechen. Feldbausch 21844, Vorrede von 1832: V

Allgemeine Begriffsumschreibungen fand er als lateinische Übersetzungen nicht zweckmäßig; vielmehr hat er „nur die Wort- und Satzverbindung“ ausgewählt, „in der das Wort am gewöhnlichsten vorkommt“.308 Um die eigentliche Bedeutung von gewissen lateinischen Wendungen anzuzeigen, wird der lateinische Ausdruck aber nochmals wörtlich ins Deutsche übersetzt, z.B.: abarbeiten, sich abarbeiten, d.i. durch Arbeit entkräftet werden: labōre confĭcior, fectus sum, 3; oder durch Arbeit ermüdet werden: labōre fatīgor, 1. Feldbausch 21844: 1

|| 305 Löhlein 1875a. 306 Feldbausch 21844, Vorrede von 1832: III. 307 Feldbausch 21844, Vorrede von 1832: V. 308 A.a.O. VI.

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Veraltete Wörter (ausmergeln, Eisenfresser, Lügenmaul, Lästermaul usw.) und substantivierte Verben auf -ung wurden weggelassen. Für die Ausarbeitung seines Wörterbuchs hat Feldbausch eigenen Angaben zufolge die Wörterbücher von Kärcher, Kraft und Wüstemann (s.o.) verwendet. Ein anderes Werk von Feldbausch steht im Mittelpunkt einer Anekdote des oben bereits zitierten badischen Heimatschriftstellers Heinrich Hansjakob (1837–1916; s. Kap. 5.1). Dieser berichtet, wie er, Sohn eines Bäckermeisters, von diesem die Zusage bekommt, beim Kaplan Lateinunterricht nehmen zu dürfen: Da rief er [sc. der Vater] mich zu sich, langte aus seiner Westentasche ein Stückchen Papier und sprach: „Am Möntig sollsch zuem Kaplan kumme und dia Bücher mitbringe, wo uf dem Zädel stenn!“ Ein Bettler, dem ein reicher Mann einen Tausendmarkschein schenkt, kann denselben unmöglich mit seligern Gefühlen empfangen als ich den Zettel aus des Vaters Hand. Er erschien mir als die volle Quittung, daß mein Studium geraten werde und alle weiteren Hindernisse beseitigt seien. Und was stand auf dem Papier? – „Feldbausch, Lateinische Grammatik nebst Übungsbuch [Lateinische Schulgrammatik für Gymnasien und höhere Bürgerschulen, Heidelberg 5 1855].“ Freudig las ich dem Peter diese Worte vor, warf meine Axt aufs Holz, rief: „So, Päter, jez isch‘s us mit‘m Beck wäre!“ und eilte davon, hinauf zur Großmutter und zur „Lenebas“, meinen Zettel hoch in der Hand schwingend wie eine Siegesfahne. Gefunden in Wolfs Internetbibliographie, hier zitiert nach: Hansjakob 1920: 20

6 Untersuchungen zum lateinischen Wortschatz Die Übersetzung deutscher Wörter durch die Wörterbücher ins Lateinische ist Mittelpunkt dieses Kapitels. Zunächst untersucht werden die lateinischen und deutschen Quellen der deutsch-lateinischen Wörterbücher, insoweit sie aus den Vorreden der Lexikographen ersichtlich sind (Kap. 6.1 und 6.2). Es folgt die Untersuchung moderner Begrifflichkeiten aus vier exemplarischen Fachbereichen (Kap. 6.3): (1.) Geistesgeschichte, (2.) Theologie, (3.) Technik und Erfindungen und (4.) Musik. Aus der Spannung zwischen moderner Bedeutung und antiker Sprachgestalt lässt sich einiges über die puristischen Tendenzen der Lexikographen und die Güte ihrer Übersetzungen herauslesen.

6.1 Die lateinischen Quellen der Lexikographen Im Vergleich zu lateinisch-deutschen oder rein lateinischen Wörterbüchern ist die deutsch-lateinische Lexikographie die kreativere Tätigkeit, zu der eine mindestens gleich gute Sprachkenntnis gehört. Denn nicht die Abbildung der Sprachwirklichkeit einer bestimmten Epoche an sich ist das vorrangige Ziel, sondern das Fruchtbarmachen dieser zum Zwecke des Sprechens und Schreibens in der lateinischen Sprache. An erster Stelle steht in den Vorreden der deutsch-lateinischen Wörterbücher daher meist die Frage, welche Latinität den Interpretamenten zugrundeliegt. Die Wörterbuchbasis der lateinischen Übersetzungen setzt sich bei den deutschlateinischen Wörterbüchern verkürzt gesprochen aus drei Einheiten zusammen: (1.) Einem Korpus von lateinischen Autoren, in der Regel der sogenannten klassischen lateinischen Autoren, (2.) lateinischen Texten und lexikographischen Werken neuerer Zeit (das heißt Neulatein, selten auch Mittellatein), (3.) Eigenkreationen des Lexikographen. Den Kern des Korpus römischer Autoren bildet der Wortschatz der Autoren des ‚goldenen‘ Zeitalters; die Autoren des ‚silbernen‘ Zeitalters, der Spätantike und der christlichen Zeit werden je nach den Vorstellungen eines Lexikographen berücksichtigt (s.o. Kap. 5.8). In dieser Zeit hat „das alte [auf die Humanisten zurückgehende] Schema der aetates, wonach die [antiken] lateinischen Autoren klassifiziert werden, in Lexikographenkreisen als normative Richtschnur noch nicht ganz ausgedient“.1 Im Gegensatz zur lateinischen und lateinisch-deutschen Lexikographie, die Sprachwirklichkeit darstellen wollen, war es dem Lateinschreibenden neben der Grundausrichtung auf das Klassische von je her möglich, eigene Stilvorstellungen || 1 Wick 2008: 166. Vor allem Erasmus (Praefatio der Seneca-Ausgabe, 21529) und Scaliger (Poetik, 1561) entwickelten eine Weltalterlehre; vgl. Tateo u.a. 1994: 238; Klein 1967; Kuhlmann 1999. https://doi.org/10.1515/9783110771770-006

246 | Untersuchungen zum lateinischen Wortschatz

zu berücksichtigen. Unterschiedliche Ergebnisse bei der Übersetzung deutscher Begriffe durch verschiedene Lexikographen zeigen (s.u. Kap. 6.3), dass die Freiheit des deutsch-lateinischen Lexikographen recht groß ist. Sonderfall ist die oben (in Kap. 5.4.4) beschriebene österreichische Bearbeitung von Schellers Handlexikon durch Schönberger, das erklärtermaßen auch den mittellateinischen Wortschatz einbeziehen möchte, dies aber nur im lateinisch-deutschen Teil tatsächlich tut. Der größte Teil der Interpretamente kann mit dem antiken Korpus abgedeckt werden. Doch da die ausgangssprachlichen Lemmata auch eine nicht geringe Anzahl Begriffe enthalten, die der modernen Zeit entstammen, bedarf es geeignete Übersetzungsäquivalente. Diese findet der Lexikograph in neulateinischen Texten zuverlässiger Autoren und in Wörterbüchern, Stilübungsbüchern und ähnlichen Hilfsmitteln. Wird er auch hier nicht fündig oder ist er mit dem Gefundenen nicht einverstanden, kann er zur hohen Kunst eigener Übersetzungen schreiten. Nieremberger schreibt (1753: 2v) über seine Suche nach Äquivalenten für nichtantike Begriffe: Bei Dingen, deren Gebrauch und Benennung den Alten verborgen gewesen, habe ich theils diejenigen Wörter ausgesucht, welche von Neuern, die der Sprache genugsam kundig sind, gebraucht worden, theils solche Redensarten erwaehlet, welche hoffentlich der Aehnlichkeit der Sprache nicht entgegen seyn werden.

Allerdings fiel das Urteil von Kraft (11821, Vorrede zum zweiten Band des Deutschlateinischen Lexikons (1821), Anm. auf S. V) über dieses Wörterbuch nicht günstig aus: Dieses deutsch-lateinische Woerterbuch ist eine der auffallendsten Compilationen. Obgleich der Verfasser Hederich’s Vorarbeit und dessen Benutzung mit keinem Worte erwähnt [dies tut Nieremberger nur im Zusammenhang mit der Orthographie], so hat er doch sein Lexikon ganz aus Hederich abgeschrieben und nur hie und da in Hinsicht der Anordnung einiges verändert. Er ist weit unzuverlässiger als sein Vorgänger. Ich wundere mich daher, wie man noch jetzt diesem Buche einen großen Werth hat beilegen können.

Wüstemann führt seine Vorgehensweise bei der Hinübersetzung deutscher Begriffe genauer aus. Seine Übersetzungen erfolgen „mit strenger Berücksichtigung der verschiedenen Perioden der lateinischen Sprache und mit steter Hervorhebung des Classischen“ sowie unter Berücksichtigung gleichwertiger Übersetzungsäquivalente.2 Hinsichtlich der außerschulischen, wissenschaftlichen Fachbegriffe, die auch ihren Platz in einem solchen Wörterbuch haben müssten, habe er bewusst neue Wege gesucht, die seinen Vorstellungen von gutem Latein besser entsprechen wür-

|| 2 Wüstemann 1826, Vorrede: VII. Das ganze Zitat in Kap. 5.6.2.

Die lateinischen Quellen der Lexikographen | 247

den. Denn „[d]ie neuere wissenschaftliche Terminologie hatten die Verfasser der frühern Wörterbücher zum Theil übergangen, zum Theil durch falsche und barbarische Ausdrücke übersetzt.“3 Wüstemann gibt an, für die Übertragung der deutschen Wörter ins Lateinische alle brauchbaren Hilfsmittel herangezogen zu haben. Beispielsweise habe er für die Fachterminologie „der neuern Philosophie“, das heißt der Philosophie, wie sie vor und zur Zeit Wüstemanns gepflegt wurde, auf Cicero selbst zurückgegriffen.4 Bei der Begrenzung des Textkorpus sind die Lexikographen unterschiedlich genau. So gewährt Scheller gar keinen Einblick in sein Vorgehen. Immerhin erschloss Jonathan West (2001) in einer Untersuchung des deutschen (!) Wortschatzes des Handlexicons in Ansätzen drei mögliche Quellen. Er vermutet aufgrund des Gebrauchs einiger Worte, dass es auch eine biblische Quelle geben müsse, zum Beispiel: „Richthaus (in der deutschen Bibel), i. e. des Landvogts Haus, praetorium, i, n.“5. Zwei weitere Quellen könnten Jacobssons Technologisches Wörterbuch (1781– 1795) sowie Möllers Teutsch-Schwedisches Wörterbuch (1782–1785) sein.6 Bauer (zuerst 1778) spricht – wie oben in Kap. 5.5 beschrieben – lediglich davon, dass er für die lateinische Seite „lauter mir aus tauglichen Schriftstellern, im Sinne schwebende [...] an sich gute lateinische Worte, Ausdrücke“7 gebrauchen würde. Auch Bernhold (1757, s.o. Kap. 5.3) sagt für sein Wörterbuch, dass die lateinischen Äquivalente in seinem Wörterbuch ausschließlich von den besten Autoren stammen würden. Am ausführlichsten und genauesten spricht Kraft über die von ihm verwendete Quellen. Aus einer gewissen Sorge vor Plagiatsvorwürfen legt er am Ende seiner Vorrede zur vierten Auflage (1843) alle von ihm benutzten Hilfsmittel offen.8 Für die lateinische Seite gibt Kraft an, Schellers „größeres Lateinisches Lexikon“ (wohl Scheller 31804)9 durchgearbeitet zu haben, um anschließend aus der sichereren

|| 3 Wüstemann 1826, Vorrede: XVI. 4 Ebd. Sein Hilfsmittel war hierbei: Johann Andreas Wendel (1824): Proben Ciceronianischer Terminologie, die Theorie des Vorstellungsvermögens und die akademische Skepsis betreffend, Coburg: Ahl. Für die bisher auch in lateinisch-deutschen Lexika vernachlässigten juristischen Begriffe habe Wüstemann verwendet: Brissonius de verborum, quae ad jus civile pertinent, significatione. Opera studioque Gottl. Heineccii. Halae 1748. Für die Naturgeschichte habe er Linné gebraucht, mit Beifügung der antiken Begriffe, falls vorhanden. Von Billerbeck, Julius (1824): Flora classica. Leipzig: Hinrichs (und anderen, die auch schon die früheren Lexikographen benutzt haben) habe er die Bezeichnungen für Pflanzen übernommen. 5 Scheller/Lünemann 31817: 643; vgl. West 2001: 188. 6 Vgl. West 2001: 190. 7 Bauer 1778, Vorerinnerung: 3r. 8 Für Details s. Kraft 41843, Vorrede zur vierten Auflage: XIX–XXI. 9 Kraft 41843, Vorrede zur vierten Auflage: VIII.

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Quelle der klassischen Autoren selbst zu schöpfen. Der größte Teil der lateinischen Phraseologie stamme aus seinen eigenen „Collectaneen“. Neben verschiedensten lateinisch-deutschen Wörterbüchern, Kommentaren und deutschen Übersetzungen zu klassischen Werken, Grammatiken und Stilübungsbüchern hat Kraft nach eigenen Angaben auch die deutsch-lateinischen Werke (ohne Angabe der Edition) von Hederich, Bauer, Lünemann, Wüstemann und Georges kritisch benutzt. Besonders das Wörterbuch seines Schülers Georges habe ihm viel geholfen. Nicht zu übersehen ist dabei seine emotionale Verletztheit. Sie besteht seinen Worten zufolge darin, dass auch er von seinem Schüler erwartet hätte, dass seine (Krafts) Vorarbeiten in dessen Vorreden erwähnt werden würden. Was nun das Korpus der Autoren für die lateinische Phraseologie angeht, gibt Kraft Cicero als Hauptquelle an. Allerdings müsse in dieser Hinsicht eine „pedantische [...] Einseitigkeit“10 vermieden werden. Daher habe er auch berücksichtigt: Cäsar, Nepos, Livius, Sallust, Tacitus, Sueton, Curtius Rufus, Plinius d. J., Plinius d. Ä., Columella, Varro, Cato, Palladius, Quintilian, Seneca und in Auswahl Celsus, Vitruv, Frontinus. Auch spätere Autoren seien wegen mancher Begriffe berücksichtigt worden, die die Klassiker noch nicht gekannt hätten. Auch einige der besten Dichter seien verwendet worden, wenn auch grundsätzlich prosaischen Versionen der Vorzug gegeben worden sei. Für schwer zu übersetzende deutsche Begriffe, besonders für solche, die die Römer nicht kannten, habe Kraft auf die „Autorität neuerer Stilisten, die als Muster guter Latinität anerkannt sind“11, vertraut, hauptsächlich auf Schriften des Muretus12, Ruhnken13, Ernesti14, Wyttenbach15, Wolf16, Eichstädt17, Hermann18. Hinsichtlich dieser neueren Autoren ist gemäß Kraft seine neue, vierte Auflage noch weit reicher ausgestattet. Bei der allgemeinen Übersetzungsarbeit seien noch in der ersten Auflage vor allem die deutsch-lateinischen Wörterbücher von Bauer, Scheller und Jahn (1730/1753) nützlich gewesen, andere hingegen weniger, wie Weismann, Frisch, das Catholicon19. Fehlende Begriffe hat Kraft selber übersetzt.

|| 10 Kraft 41843, Vorrede zur vierten Auflage: XIV. 11 Kraft 41843, Vorrede zur vierten Auflage: XIII. 12 Marc Antoine Muret (1526–1585), französischer Humanist. 13 David Ruhnken (1723–1768), Bibliothekar der Universitätsbibliothek Leiden. 14 Johann August Ernesti (1707–1781), Professor in Leipzig. 15 Daniel Wyttenbach (1746–1820), Professor in Amsterdam und Leiden. 16 Friedrich August Wolf (1759–1824), Professor in Halle. 17 Heinrich Karl Abraham Eichstädt (1772–1848), Professor in Jena. 18 Gottfried Hermann (1772–1848), Professor in Leipzig. 19 Karl Gottlieb Anton: Lexicon catholicon latinae linguae, 3. Band: Allgemeines deutsch-lateinisches Wörterbuch. Leipzig: Schwickert, 1796.

Vollständigkeit im deutschen Wortschatz | 249

Vor Germanismen und Barbarismen wird der „angehende Lateinschreiber“ gewarnt, so Kraft.20 Die lateinische Synonymik sei von ihm sorgfältig erarbeitet worden, die frühere Lexikographen „so gut als gar nicht“ berücksichtigt hätten (selbst Lünemann 1821 nicht, besser bei Wüstemann 1826/1827 und vor allem Georges 1 1831–1833 oder 21839).21 Aus den Beispielen in den nachfolgenden Untersuchungen ist ersichtlich, dass die lateinische Phraseologie und Synonymik bei Kraft und vor allem bei seinem Schüler Georges am sorgfältigsten berücksichtigt wurden.

6.2 Vollständigkeit im deutschen Wortschatz Woher aber stammt der deutsche Wortschatz? Zunächst ist festzustellen, dass die deutsch-lateinischen Wörterbücher gewöhnlich nicht nach thematischem Prinzip (wie etwa beim berühmten lateinisch-deutschen Orbis sensualium pictus von Comenius, zuerst 1658), sondern meist alphabetisch gegliedert sind. Unterschiedlich wird der Aufbau einzelner Artikel gehandhabt: Oft wird nach Bedeutungsgruppen untergliedert, sodass die Polysemie der deutschen Wörter und die Synonymik des Lateinischen hier mehr, dort weniger genau zum Vorschein kommt (s. Beispiele in 6.3). Manchmal folgt dem deutschen Lemma aber auch nur eine kaum oder gar nicht gegliederte Aneinanderreihung lateinischer Begriffe oder eine einzelne Entsprechung. Lateinische Sprichwörter, wie in älteren lateinischen Lexika üblich,22 spielen kaum noch eine Rolle, bildliche Veranschaulichungen des Lemmas kommen überhaupt nicht vor. Im Zuge der fortschreitenden Verwissenschaftlichung der deutsch-lateinischen Lexikographie wird die Rechenschaftsablage über den Wörterbuchgegenstand und die deutsche Wörterbuchbasis fester Bestandteil der Vorreden. Dabei sind die Korpora manchmal scharf umrissen, manchmal wird nur eine nicht näher definierte Vollständigkeit beschworen. Insgesamt zeigt sich das Bemühen, möglichst viele deutsche Wörter in die Wörterbücher aufzunehmen. Was die Vollständigkeit und Vielfalt der Bedeutungen angeht, lässt sich ein klarer Zuwachs von den Wörterbüchern am Anfang des 18. Jahrhunderts bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts feststellen, was auch mit der Vereinheitlichung des deutschen Wortschatzes bei Frisch, Adelung, Campe u.a. zusammenhängt, auf die die nachfolgenden Wörterbücher, auch

|| 20 Kraft 41843, Vorrede zur vierten Auflage: XIV. Dafür hat Kraft (a.a.O.: XV) nach eigenen Angaben zahlreiche Quellen benutzt von Valla bis Krebs. 21 Auch hier nennt Kraft 41843, Vorrede zur vierten Auflage, XVI–XVIII ausführlich seine Quellen, Klassikerausgaben, Stilübungsbücher und Synonymikhandbücher. Hinsichtlich der deutschen Synonymik wurde benutzt: Eberhard, J. A. / Maaß, J. G. E. / J. G. Gruber: Versuch einer allgemeinen teutschen Synonymik. 6 Bände. Halle, 3. Aufl., 1826–1830; in 4. Auflage von Carl Hermann Meyer in 2 Bänden bearbeitet. Leipzig 1852/53 [Nachdruck 1971]. 22 Vgl. Krömer 1991: 3031.

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die deutsch-lateinischen zurückgreifen konnten. Diese Tendenz gilt vor allem für die umfangreichen Wörterbücher seit Ende des 19. Jahrhunderts, also die Wörterbücher von Bauer 1798, Scheller 1805, Lünemann 1821, Kraft 1820/1821, Wüstemann 1826/1827. Eine Gegentendenz ist bei den kleineren Wörterbüchern wahrnehmbar, die bewusst Lemmata kürzen. Deren Autoren sind bemüht – wie in den entsprechenden Vorreden betont wird –, die Zahl der Bögen gering und damit das Wörterbuch auch für ärmere Schüler erschwingbar zu halten. So betont Bernhold, dessen 1757 erschienenes Wörterbuch mit 831 Seiten für den lateinisch-deutschen Teil und 210 Seiten für den deutsch-lateinischen Teil ein mittelgroßes Werk darstellt, dass die Wörterbücher von Weismann (zuerst 1673; zweiteilig seit 1685) und Faber/Cellarius/Gesner (1735) zwar gut seien. Ersterer sei jedoch zu klein, letzterer zu groß und daher zu teuer für Schüler. In diese Lücke möchte er mit seinem Buch vorstoßen.23 Alle anderen Lexika (Lexica antibarbara, critica, grammatica, mythologica etc.) seien erstens wegen des Preises nicht anschaffbar und zweitens nicht gut genug, um Latein gründlich und vernünftig zu erlernen. Wie oben in Kap. 5.3 beschrieben, lässt Bernhold daher alle ihm für die Schule unnötig erscheinenden Wörter weg. Alle größeren Wörterbücher bemühen sich jedoch um Vollständigkeit des deutschen Wortschatzes. Bauer gibt an (s. ausführlich in Kap. 5.5), möglichst alle gebräuchlichen deutschen Wörter aufgenommen zu haben, einschließlich ihrer gewöhnlichen Bedeutungen und „Verbindungen, aus Schriften, aus dem gemeinen Leben“.24 Ebenso habe er auch gängige Fachausdrücke aufgenommen, die in der Musik und im finanziellen Bereich vorkämen. Zur Menge der Wörter erläutert Bauer (1778, Vorerinnerung: 2v): [A]lle [Wörter] werden wohl kaum da seyn: ich bin nicht allwissend; kann, und soll, und mag nicht alle deutsche Schriften lesen; und vielleicht ist unsre Sprache um etliche hundert neue und erneuerte, oder neubedeutende Wörter und Redensarten reicher, ehe mein Buch abgedruckt ist.

Wie schon erwähnt, ist die Vollständigkeit deutscher Lemmata neben der adäquaten Übersetzung das Hauptkriterium des großen deutsch-lateinischen Wörterbuchs von Scheller (s. ausführlich in Kap. 5.4.2). Überhaupt sei es wohl das „vollständigste unter den bisherigen“.25 Zwar möchte Scheller dem Titel seines Werkes „möglichst vollständiges deutsch-lateinisches Lexicon“ gerecht werden, ist sich aber auch bewusst, dass es unmöglich ist, alle Wörter aufzunehmen. „[P]öbelhafte und schmut-

|| 23 Der Preis für das Bernholdsche Wörterbuch betrug übrigens 4 Reichsthaler, wie man aus einem anderen Buch aus dem Verlag Posch entnehmen kann (Lieder mit Melodien. Anspach: Posch, 1758). 24 Bauer 1778, Vorerinnerung: 2v. 25 Scheller 1805, Vorrede zur ersten Auflage 1784: IV.

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zige“26 Ausdrücke etwa habe er möglichst vermieden, ebenso Fachtermini aus Militär, Medizin, Jura, Baukunst usw., die er nicht übersetzen könne, weil er sie von der Bedeutung her schlichtweg nicht verstehe. Damals gängige Fremdwörter (z.B. Compliment, canonisch, totaliter usw.) habe er aufgenommen, auch wenn er das zahlreiche Vorkommen der Fremdwörter in der deutschen Sprache mit charakteristisch polemischem Unterton tadelt: Es ist immer zu verwundern, daß man unsre deutsche Sprache, statt sie von den bisherigen ausländischen Wörtern zu säubern, täglich damit mehr zu bereichern sich bemüht. – Ist dieß Ambition? oder Unwissenheit oder ein Kennzeichen einer tiefern Gelehrsamkeit? Scheller 1805, Vorrede zur zweiten Auflage 1789: XX

Mit der Kritik an Fremdwörtern liegt Scheller im lexikographischen Trend der Zeit. So ist Joachim Heinrich Campe (1746–1818) mit seinen lexikographischen Arbeiten um die Jahrhundertwende bemüht, die deutsche Sprache von Fremdwörtern zu reinigen und diese durch Verdeutschungen zu ersetzen.27 Dass aber der genannten ‚Vollständigkeit‘ tatsächlich ein sehr weiter Rahmen gesetzt wird, zeigen mehrere von Scheller selbst gewählte Beispiele für einen deutschen Textausschnitt, der ins Lateinische zu übersetzen ist. Scheller will mit den Beispielen zeigen, dass „ein lateinischer Stylist“28 in seiner Wort- und Stilwahl deutlich gebundener ist, wenn er beim Schreiben auf Latein eine deutsche Vorlage vor sich hat, als wenn er einen lateinischen Text ohne Vorlage verfasst. Die Beispieltexte von Scheller (1805, Vorrede zur zweiten Auflage 1789: XVI) lauten: [D]ie Frau geheime Räthinn saß, eben in einer atlassenen Levite, neben der Frau Generalmajorinn und trank mit ihr Chocolade aus Tassen, von dem schönsten Berliner Porcellan, als die Frau Kammerherrinn mit ihrem Cicisbeo dem Jagdrathe in das Zimmer trat, und ihren Freundinnen bekannt machte, daß zu Anfang des Carnevals Opera buffa seyn würde etc.: oder, der linke Flügel machte eine Viertelschwenkung etc.: oder, der Feldmarschalllieutenant befahl, daß 20 Kanonen und 6 Haubitzen aufgeführt werden sollten etc.: oder, der Ritter und Leibarzt von Zimmermann schlug dem Könige den Gebrauch des Löwenzahns vor etc.

Auch wenn die Beispiele sehr plakativ gewählt sind, um die unterschiedlichen Textgattungen und deren Stil zu illustrieren, zeigen sie doch, dass zu Schellers Zeit der Anspruch bestand, alles – also auch Texte aus Alltag, Militär oder Medizin – auf Latein ausdrücken zu können. Außerdem wird klar, dass Scheller mit seinem Wörterbuch ein Hilfsmittel für die Übersetzung eines jeden, noch so ausgefallenen modernen Textes schaffen wollte.

|| 26 Scheller 1805, Vorrede zur zweiten Auflage 1789: XXI. 27 Vgl. Schiewe 1988; Orgeldinger 1999: 232–379. 28 Scheller 1805, Vorrede zur zweiten Auflage 1789: XVI.

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Deutlich präzisere Angaben zum deutschen Korpus als etwa Bauer macht Kraft (zuerst 1820/1821; s. auch Kap. 5.7): Für die deutschen Begriffe hätten ihm Adelung 2 1793–1801, in späteren Auflagen auch Campe 1807–1811 und Heinsius 1828–1830 als Grundlage gedient. In der vierten Auflage seien bei der inneren Anordnung der Artikel laut Kraft auch das Handwörterbuch der Deutschen Sprache von Johann Christian August Heyse und Karl Wilhelm Ludwig Heyse (1833–42, bis zur damaligen letzten Lieferung: Spalten – Strauß) benutzt worden.29 Auch Kraft nennt Vollständigkeit als wichtiges Kriterium, das er bei seiner lexikographischen Tätigkeit zu realisieren versucht hat. Wie oben erwähnt, möchte er mit seinem Wörterbuch nicht nur die Schüler höherer Klassen erreichen, sondern auch für akademische Texte ein nützliches Hilfsmittel bieten. Von einer Rezension wird Krafts Wörterbuch als „Hülfsbuch für Lateinische Stylübungen“ eingeordnet.30 Allerdings handelt es sich für Kraft bei der Erfassung des Wortschatzes um eine relative Vollständigkeit; es konnte nicht der gesamte Wortschatz der „höhern, wissenschaftlichen Gebiete“ berücksichtigt werden. Er habe sich auf den Wortschatz beschränken müssen, der in der Schule und in den „gewöhnlichen Wissenschaften“ vorkomme.31 Besonders solche Gegenstände seien aufgenommen worden, welche dem ganzen classischen Alterthume angehören, wie Antiquitäten, Geschichte, Geographie, Philosophie, Grammatik, Rhetorik, Architektonik, Mathematik und Naturwissenschaften, soweit diese letzteren Gegenstände in ein solches Lexikon zu gehören schienen. Kraft 41843, Vorrede zur vierten Auflage: X

Die Hauptautoritäten für naturgeschichtliche Begriffe sind Plinius und Linné. Auch „die gewöhnlichen Artikel [d.h. Lemmata] aus der Theologie, Jurisprudenz, Medizin, Chemie und Technologie“ seien berücksichtigt worden.32 Sprichwörter hätten nur dann Aufnahme gefunden, wenn sich bei klassischen Autoren Entsprechungen finden, „oder die von guten neuern Stilisten im alterthuemlichen Gewande nachgebildet wurden“.33 In der Regel finden sich folgende Arten für Sprichwörter:

|| 29 Verschiedenes zur Orthographie und Verweisungsart s. Kraft 41843, Vorrede zur vierten Auflage: XII–XIII und Kraft 21824, Vorrede zur ersten Auflage 1820/1821: VIII–IX. Die alphabetische Anordnung hat nach der ersten Auflage eine wichtige Änderung erfahren: Die Umlaute (ae, oe usw.) werden nicht als gesonderter Buchstabe betrachtet, sondern mit dem Vokal identisch (also a und ä, o und ö usw.), vgl. hierzu Kraft 21824, Vorrede zur zweiten Auflage: XV). 30 Anon. Rez. Mr. [Kürzel] 1822, Rez. zu Bauer 51820, Kraft 11820 und Lünemann 1821: 387. 31 Kraft 41843, Vorrede zur vierten Auflage: XI. 32 Kraft 41843, Vorrede zur vierten Auflage: X. 33 Kraft 41843, Vorrede zur vierten Auflage: XI.

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er ist nur H[aut] u[nd] Knochen, ossa atque pellis totus est, Plaut. Aul. 3, 6, 28 [vgl. v. 564; Capt. 135]. Sprüchw.: es ist nicht Alles G[old], was glänzt, species saepe fallit; od.: aurea ne credas, quaecunque nitescere cernis, Prov. aller guten D[inge] sind drei, numero deus impare gaudet, Virg. Ecl. 18, 75. omne trinum perfectum, Prov. Sprüchw.: gut D[ing] will Weile haben, sat clereriter fit, quicquid satis bene fit, August. ap. Suet. Oct. 25. Kraft 1843, I: 1272; 1190; 680

In Auswahl wurden die gängigsten Fremdwörter im Deutschen aufgenommen (jeweils gekennzeichnet durch ein †). Die Bemerkung Krafts, dass unflätige Wörter ganz weggelassen worden seien, begleitet eine Spitze gegen seinen ehemaligen Schüler in Nordhausen, Georges: Dieser habe in seinem deutsch-lateinischen Wörterbuch zwar angekündigt, diese zu entfernen, habe aber dennoch viele davon aufgenommen (z.B. „Anfarzen, Jemanden“ oder „Bagage“, „Bengel“, „Dickwanst“ usw.) ebenso wie auch unnötige Wörter (wie „Antichambriren“, „Austerbart“, „Dämmerungsgeflüster“ usw.). Auf den ersten 30 Seiten von A würden sich außerdem bei ihm, Kraft, 130 wichtige Wörter mehr finden (z.B. „Aasfliege“, „Abiturienten-Examen“, „Abonnement“ usw.). Derlei Aussagen belegen den Konkurrenzdruck, der auf den deutsch-lateinischen Lexikographen lastete. Die Wörterbücher wurden auch anhand der Zahl der Lemmata gemessen beurteilt und untereinander verglichen.34 Was den Stoff angeht, so schwebte auch Wüstemann 1826/1827 – wie oben in Kap. 5.6 gesehen – gemäß ausführlicher Vorrede am Anfang des ersten Bandes eine relative Vollständigkeit vor. Er bezeichnet sie sogar als neuartige Vollständigkeit und tritt bewusst in Konkurrenz mit Kraft. Sein Anspruch geht weit über die Schulgrenzen hinaus. Ausdrücklich ausgeschlossen seien jedoch die selteneren Fachtermini der Naturwissenschaften, die für den Spezialisten ohnehin bekannt seien. Weitere Details zum Stoff sind laut der Vorrede Wüstemanns: Sprichwörter wurden nur aufgenommen, wenn man sie „ächt lateinisch passend ausdrücken“ kann, das heißt ihnen ein ähnliches Sprichwort in der lateinischen Sprache entspricht. Damit ist Wüstemanns Verständnis (1826, Vorrede: V) etwas enger als die oben von Kraft zitierte. Gemeine Schimpfwörter und pöbelhafte Redensarten gehören nicht in ein Wörterbuch der deutschen Sprache, welches für den gebildeten Theil der Nazion bestimmt ist, aber noch viel weniger in ein deutsch-lateinisches. Wem könnte es wohl einfallen, die lateinische Sprache zu solchem Mißbrauch herabzuwürdigen, und wer käme überhaupt in den Fall, solcherlei Reden lateinisch auszudrücken?

|| 34 Beispielsweise bei Anon. Rez. Mr. [Kürzel] 1822, Rez. zu Bauer 51820, Kraft 11820 und Lünemann 1821: 392, nach der Lünemann im Vergleich zu Bauer und Krafts erster Auflage deutlich mehr Wörter aufgenommen habe.

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Substantivierte Infinitive auf -ung im Deutschen werden – sofern sie im zeittypischen Sprachgebrauch nicht häufig vorkommen – weggelassen. Denn dadurch konnte sich Wüstemann viel Platz und bei jedem dieser Wörter auch den Hinweis sparen: „i s t b e s s er d u r c h ei n V er b u m z u u m s c h r ei b en “.35

6.3 Exemplarische Untersuchung einzelner Fachbereiche Aus dem Vergleich von Artikeln mit moderner Begrifflichkeit in verschiedenen deutsch-lateinischen Wörterbüchern lassen sich unter anderem Rückschlüsse zur Frage ziehen, inwiefern sich der zeitgeistbedingte Lateinpurismus auch in den Wörterbüchern durchgesetzt hat.36 Der Konflikt, der sich an der Kombination von antikem Wortmaterial und moderner Sachbedeutung entzündet, soll bei der folgenden Untersuchung einzelner Begriffe den wichtigsten Aspekt bilden. Für den Vergleich wurden zwölf Wörterbücher und vier thematische Bereiche herangezogen, Geistesgeschichte, Theologie, Technik und Erfindungen und schließlich Musik. Dabei wurden in großformatigen Konkordanzen rund 1300 Lemmata verglichen.

6.3.1 Geistesgeschichtliche Modewörter Aufklären, [...] den Geist aufkl[ären], tenebras animi discutere, dissipare. – Die bei Neuern gebrauchten Wörter illustrare. collustrare. illuminare sind in dieser Beziehung durchaus unklassisch. Ernst Friedrich Wüstemann 1826

Die in dieser Studie untersuchten Wörterbücher wurden in einer von gewaltigen geschichtlichen Einschnitten und geistesgeschichtlichen Umwälzungen, wie der Französischen Revolution, der Aufklärung und der industriellen Revolution, geprägten Zeit verfasst. Neue Modewörter, wie Fortschritt, Humanismus, Empfindsamkeit, Weltbürgertum, Bürokratie und viele andere kamen auf. Deren Übertragung ins Lateinische forderte lateinische Stilisten und natürlich auch Lexikographen heraus, passende moderne Entsprechungen in der alten Sprache des Lateinischen zu finden. Uns beschäftigt hier, wie die Lexikographen mit solchen in ihrer Zeit neuaufkommenden Begriffen umgegangen sind. Als vielversprechende Vorgehensweise || 35 Wüstemann 1826, Vorrede: V. 36 Zur Methodologie und Auswahl der Wörterbücher s. Kap. 1.2.

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erschien die Zusammenstellung damals gebräuchlicher Grundbegriffe, Mode- und Schlagwörter sowie theologischer Terminologie (s. Kap. 6.3.2) und ihr Abgleich in zeitgenössischen Wörterbüchern. Auf Grundlage dieser Konkordanz, die rund 330 geistesgeschichtliche und theologische Stichwörter aus zwölf Wörterbüchern vergleicht, werden im Folgenden Auswahl und Übersetzung geistesgeschichtlicher Modewörter des 18. und 19. Jahrhunderts untersucht. 6.3.1.1 Untersuchung einzelner Begriffe Die untersuchten Werke zeigen beispielsweise, dass der emphatische Gebrauch des Wortes Fortschritt – etwa in der Formulierung „ein Fortschritt für die Menschheit“ – zu dieser Zeit noch nicht bis in die deutsch-lateinischen Wörterbücher vorgedrungen ist; unter diesem Wort verstehen die Lexikographen vielmehr das Fortschreiten im Wortsinn oder metaphorisch die Verbesserung in einer bestimmten Sache (z.B. im Lernen). Der Gedanke des Fortschritts im weiteren, absoluten Sinne entstammt dem aufklärerischen Denken. So wurde das Wort von Kant 1789 mit Blick auf den politischen Fortschritt durch die Französische Revolution gebraucht.37 Doch erst seit den 1830er Jahren wurde Fortschritt „unter Einfluß von frz. progrès zum Schlagwort der Politik und Philosophie im Hinblick auf die Weiterentwicklung der Menschheit“.38 Selbst Kraft und Georges, die nach diesem terminus post quem schreiben, verzichten auf den Fortschritt in diesem exklusiven Sinne. Dazu passt, dass der Terminus trotz breiter Verwendung in den meisten Lexika und Enzyklopädien des 19. Jahrhunderts ebenfalls nicht erfasst ist.39 Es versteht sich also von selbst, dass es im klassischen Latein dafür nicht schon ein Wort derartig weitgespannter Bedeutung geben konnte: progressio, progressus und processus, die sich in unseren Wörterbüchern für Fortschritt finden, beziehen sich auf Verbesserungen in konkreten Angelegenheiten und nicht auf die umfassende Bedeutung des modernen Modeworts.40 So lässt sich zeigen, dass Aufklärung oder aufgeklärte Zeiten zu Schellers Zeiten (genauer in den 1780er Jahren und somit recht am Ende der als Aufklärung bezeichneten Epoche)41 im geistesgeschichtlichen Sinne auch in deutsch-lateinische Wörterbücher vordringen. Zuerst berücksichtigt hat den Begriff in dieser übertragenen Bedeutung Scheller 21789, Aufklärer steht erst in Scheller 31805.42 Bauer hat

|| 37 Vgl. Stroh 2016: 116. 38 Art. Fortschritt. In: Pfeifer, Etym. Wörterb.; vgl. Art. Fortschritt. In: GGB 2, 408; zur Entwicklung des deutschen Terminus s. insbesondere 384–390. 39 Vgl. Art. Fortschritt. In: GGB 2, 407. Demnach ist „nur ‘Progressionʼ fachspezifisch erläutert oder ‘Progreßʼ gelegentlich […] mit ‘Fortschritt, Wachstumʼ übersetzt“. 40 Vgl. Stroh 2016: 120–121; ‘Fortschrittʼ in der Antike. In: Art. Fortschritt. In: GGB 2, 353–363. 41 Vgl. Schneiders 1995: 17. 42 Scheller 21789: 177. Bisher war mir keine Einsicht in die erste Auflage von 1784 möglich.

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diese Bedeutungen erst in der zweiten Auflage seines Wörterbuchs (1798) aufgenommen, in Bauer 11778 fehlen sie noch.43 Keine Rolle spielen sie noch bei Kirsch 1 1714 (21774), Spieser/Hemminger 21716, Bayer 41740, Frisch 1741, Nieremberger 1753. Damit greift Scheller noch vor Bauer, der sonst Vieles als erster berücksichtigt hat, erstmals ein Mode- und Schlagwort des 18. Jahrhunderts auf: das deutsche Verbalsubstantiv Aufklärung. Es ist seit dem Ende des 17. Jahrhunderts belegt, bildet sich etwa seit der Mitte des 18. allmählich als umstrittener geistesgeschichtlicher Sammelbegriff der Phänomene dieser Epoche heraus.44 Scheller schlägt als Übersetzung von Aufklärung als einziger der verglichenen Autoren die Wörter illuminatio bzw. illuminare vor, während die jüngeren Wüstemann und Kraft solch unklassische Verwendung dieser Wörter ausdrücklich ablehnen (ebenso wie die der von Scheller akzeptierten Verben collustrare und illustrare).45 Bei Scheller (31805, I: 220) heißt es: Aufklären, […] 3) i. e. mit Einsicht schmücken, intelligentia instruere (ornare), auch wohl illuminare, collustrare, bey welchen beyden Verbis auch Ablat. Intelligentia (sapientia) noch stehen kann: daher aufgeklärt, z. E. ein aufgeklärter Verstand, mens illuminata, collustrata (sapientia und ohne sapientia): ein aufgeklärter Mensch, homo utens (oder instructus, praeditus etc.) mente illuminata, oder homo illuminatus sapientia: aufgeklärte Zeiten, tempora illuminata sapientia, aetas illuminata sapientia. Aufklärer, z. E. der Menschen, illuminator (Tertull. und Lactant.) oder illustrator (Lactant.), oder illuminans (illustrans) z. E. homines cet.

|| 43 Bauer 21798: 212. 44 Zur Begriffsgeschichte s. GGB 1 (1972), 243–342; Schneiders 1995: 47–48; HWPh 1 (1971), 620– 635; zur Etymologie s. Pfeifer, Etym. Wörterb. Der transitive Gebrauch von aufklären in der übertragenen Bedeutung „eine Sache oder den Verstand aufklären, erhellen“ geht auf das 17. Jh. zurück. Das davon abgeleitete Wort Aufklärung ist zuerst bei Stieler 1691, I: 969 (für lat. serenitas) belegt. Zuerst (und bis heute) meint das Lexem den meteorologischen Vorgang des Heiter-Werdens (s. auch Adelung 1793, 1: Sp. 503) und nimmt seit etwa der Mitte des 18. Jahrhunderts (beim Verb schon spätestens seit 1720) die Bedeutung „Erhellen eines Sachverhalts“ und dann „des Verstandes“ an. Ein möglicher Grund für diese Bedeutungserweiterung könnte mit GGB 1 (1972), 247–248 darin liegen, dass man das von Leibniz häufig benutzte éclairer und das englische enlighten korrekt übersetzen wollte. Aufklären und dessen Derivate standen lange in Konkurrenz zu ähnlichen Begriffen wie erklären, erleuchten, erhellen oder „Ausbesserung des Verstandes (emendatio intellectus)“ (Schneiders, a.a.O.). Häufig sind im 18. Jh. (dann auch in den untersuchten deutsch-lateinischen Wörterbüchern) die Verbindungen aufgeklärte Zeiten, aufgeklärter Geist, Verstand (s. auch Adelung 1793, 1: Sp. 503 und unten Kraft 41843, I: 228) im Sinne von „vorurteilsfrei, nach Bildung strebend, durch die Vernunft erleuchtet“ zu finden. Die heute als klassisch geltende Aufklärungs-Definition von Kant findet sich in seinem Aufsatz Was ist Aufklärung? von 1784. 45 „Die bei Neuern gebrauchten Wörter illustrare. collustrare. illuminare sind in dieser Beziehung durchaus unklassisch“ (Wüstemann 1826, I: 95). „NB. Nicht Lat. ist in dieser Bed. illustrare, collustrare, illuminare, was sich nicht selten bei Neulateinern findet“ (Kraft 41843, I: 228).

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Aufklärung, oder das Aufklären, […] 2) […] des Verstandes, des Menschen, so auch der Zeiten, (durch Weisheit) illuminatio oder durch ein Verbum, z. E. durch Aufklärung des Verstandes, illuminanda (collustranda) mente: der Menschen, hominum mente illuminanda cet.46

Durch den Gebrauch von illuminatio wird erneut Schellers realistische, nichtpuristische Ausrichtung deutlich. Im Gegensatz zum Zeitgenossen Bauer trägt er damit sowohl der Lichtmetapher als auch der Verbreitung der romanischen Ableitungen (französisch les lumières, englisch enlightenment, italienisch illuminismo) Rechnung.47 In der Zeit Schellers war der Begriff auch durch Auftreten und Verbot des Ordens der Illuminati (1776–1785) bekannt.48 Der metaphorische Gebrauch von illuminare bzw. illuminatio geht auf die Verwendung von illuminare in der frühchristlichen Literatur zurück, wo es so viel wie „jemanden mit dem heiligen Geist erleuchten, heiligen, reinigen (auch von Getauften)“ heißt. Die Verwendung der Lichtmetapher in der aufklärerischen Philosophie und Theologie „überdeckte“ allmählich diese alte Tradition.49 Bei Zeitgenosse Bauer (21798: 212) hingegen fehlt die Lichtmetapher, wenn er auf die Aufklärung zu sprechen kommt: Aufklären […] aufgeklärte Zeiten, cultior aetas, liberalior, sapientior; bey so aufgeklärten Zeiten, in hoc temporum cultu, hac hominum cultura, intelligentia; vbi sic acutum videre credamur [vielleicht zu verstehen: eine Zeit, in der die Menschen („wir“) aus der Perspektive des Schreibers (Konjunktiv!) in gewisser Hinsicht als besonders scharfsichtig erachtet werden]. […]

|| 46 Scheller 31805, I, 220. 47 N.B.: „Das Verbalsubstantiv Aufklärung, das dem Zeitalter der Aufklärung seinen Namen gegeben hat, scheint eine spezifisch deutsche Wortprägung zu sein.“ (Schneiders 1995: 47–48) „In Frankreich heißt das 18. Jh. heute siècle des lumières, die Aufklärung daher auch kurz les lumières.“ Vom siècle éclairé spricht man schon im 17. Jh. In der Einleitung zu Nicolas-Antoine Boulangers Recherche sur l’origine du despotisme oriental (1761) spricht Voltaire von les lumières d'un siècle éclairé. Für die „Aufklärung als Bewegung oder programmatische Aktion“ an sich gibt es im Französischen auffälliger Weise keinen eigenen Begriff. Und erst im 19. Jh. wird analog zur deutschen Aufklärung das englische enlightenment gebildet. 48 S. Wilson, W. Daniel: Art. Illuminaten. In: Schneiders 1995: 184–186. 49 S. Art. illumino, B.3. In: ThLL. Die von Georges (71882, I: 320–321) angeführte Stelle, Lact. 4, 26, 4 (CSEL 19, 378), wird dort allerdings nicht genannt. Während das Verb illuminare in den Bedeutungen „etwas mit (natürlichem) Licht erleuchten, mit (Augen-)Licht versehen, anzünden“, übertragen „eine Sache bekannt, groß machen; erläutern, ins rechte Licht setzen, daher aufklären“, als rhetorischer t.t. „(einer Rede) Glanz verleihen“ auch oder vor allem in der paganen Literatur zu finden ist, wurde das Substantiv illuminatio (s. ThLL) – sei es in eigentlicher, sei es in übertragener Bedeutung – nur von christlichen Autoren und den Bibelübersetzungen (z.B. Vulg. Ps 26,1 dominus illuminatio mea et salus mea) verwendet. Im Mittelalter kann illuminare auch die Bedeutung der kunstvollen Ausmalung einer Handschrift annehmen, woraus im Deutschen illuminieren mit gleicher Bedeutung entlehnt wurde. Im Frankreich des 17. Jhs. hatte sich dann ein „profaner, philosophischer Wortgebrauch herausgebildet, der sich auf das ‚natürliche Licht‘ oder das ‚Licht der Vernunft‘ (lumen naturale, lumen rationale) bezog und im 18. Jh. den religiösen überdeckte“ (Schneiders 1995: 47–48).

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Aufklärung, Erklärung, explicatio, illustratio: des Geistes, institutio, doctrina, cultura, praecepta; der Zeiten, Menschen, cultura, melior sensus, intelligentia, sanitas, liberalitas, liberalior sensus. […]

Durch die Komparative cultior, liberalior, sapientior wird die eigene, als besonders aufgeklärt empfundene Epoche von früheren abgegrenzt. Ähnlich sprechen auch Wüstemann und Lünemann in Anlehnung an Curtius Rufus von cultiora tempora.50 Erst bei Georges (hier 71882, I: 320–321) wird ein Gebrauch des Begriffs Aufklärung aufgegriffen, der den Gegensatz zwischen einer naiven und einer rationalistischen Religiosität betont: aufgeklärt, […] minime superstitiosus (gar nicht abergläubisch, aufgeklärt in relig. Beziehung). e. höchst au. Zeitalter, *saeculum ad summam perductum eruditionem: au. Frömmigkeit, *pietas magis a ratione quam a sensu [also wohl aus einer Gefühlsfrömmigkeit] profecta. Aufklärung, […] superstitio nulla (kein Aberglaube, Au. in relig. Beziehung). – im üblen Sinne, doctrina deos od. religiones spernens (die die Religion verschmähende Lehre). […] in relig. Hinsicht, insipientium pectora illuminare luce sapientiae et ad veritatem contemplandam oculos cordis aperire (Lact. 4, 26, 4) [...].

In dieser übertragenen, rein religiös konnotierten Bedeutung taucht nun auch illuminare wieder auf, was von Wüstemann und Kraft in der Bedeutung „helle“ bzw. „bessere Einsichten beibringen“ verworfen wurde, weil sie das Verb als unklassisch bzw. nicht-lateinisch einstufen (s.o.). In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts findet man gelegentlich auch Artikel, die eine falsch verstandene Aufklärung bzw. ihre Übertreibung in den Blick nehmen, wie etwa die zu Aufklärerei, Aufklärling, Aufklärungssucht bei Lünemann (1821: 445): Aufklärerei, die, i. e. falsche Aufklärung, doctrina, s. ingenii cultura prava et perversa.51 Aufklärling, der, i. e. unächter [!] Aufklärer, perversae sapientiae, s. vanae et incompositae doctrinae ostentator. […] Aufklärungssucht, die, effrenata cupiditas tenebras animorum discutiendi. er hat die A., furit edocere omnes; flagrat cupiditate lucis inferendae mentibus.

Letzteres findet sich auch bei Kraft (41843, I: 228): Aufklärungssucht, die, nimium, praeposterum studium ignorantiae tenebras discutiendi, mentes hominum meliore intelligentia imbuendi.

|| 50 Wüstemann 1826, I: 93 (ohne Angabe) und Lünemann 1821: 431 (mit dem Verweis auf Curtius Rufus, wo es in 7,8,11 heißt: Sic, quae [sc. Scythos] locutos esse apud regem memoriae proditum est, abhorrent forsitan moribusque nostris et tempora et ingenia cultiora sortitis). 51 S. auch Art. Aufklärerei. In: Grimm, DWB I: 674.

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Dies entspricht einem wachsenden kritischen Bewusstsein gegenüber der Aufklärung zur Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert.52 Die beiden jüngsten Lexikographen schließlich, Kraft und Georges, betonen vor allem die Weisheit und Bildung, die der Mensch durch die Aufklärung erfährt. So heißt es bei Kraft (41843, I: 228): Aufklären […] 3) viele deutliche Begriffe, vielfache Kenntnisse, bessere Einsicht beibringen, ignorantiae tenebras discutere, Ruhnk. [David Ruhnken (1723–1768), Bibliothekar der Universitätsbibliothek Leiden] ex ignorantiae et superstitionis tenebris ad lucem perducere, Mosh. Hist. Chr.53 auch: erudire; excolere; fingere; conformare, Cic. NB. Nicht Lat. ist in dieser Bed. illustrare, collustrare, illuminare, was sich nicht selten bei Neulateinern findet. ein aufgeklärter Mann, vir sapiens, prudens, multis in rebus intelligens, supra vulgus sapiens; qui plus quam vulgus sapit, nach Cic. In weiterer Bed., homo doctus, eruditus, Cic. aufgeklärter Verstand, mens exculta, meliore, veriore cognitione imbuta. aufgeklärte Zeiten, tempora erudita; aetas exculta; saeculum eruditum, id. de rep. 2, 10. sapientior aetas; temporum cultus; saeculum eruditius, Mosh. ein gesittetes und aufgeklärtes Volk, gens humana atque docta, Cic. Div. 1, 1, 2. Aufklären, das, -ung, die, [...] 3) richtigere, deutlichere Einsicht, melior intelligentia, Doer. auch: doctrina; sapientia; lumen, Cic. scientiae et doctrinae melioris lux, Mosh. discussae ignorantiae tenebrae, Ruhnk. die immer weiter verbreitete A. durch Religion u. Wissenschaft, lux religionis atque omnis doctrinae latius diffusa, Wolf. der Staat gewann durch fremde Bildung an A., civitas insitiva disciplina doctior facta est, Cic. de rep. 2, 19.

Und bei Georges (71882, I: 320–321, unter Auslassung der oben zitierten Passagen): aufklären, I) = aufheitern, w. s. – II) deutlich machen […] b) prägn., einer Pers. hellere Einsicht beibringen: erudire (aus der Roheit ziehen). – excolere (cultivieren, civilisieren). – Jmd. in od. über etw. au. (Aufklärung geben), erudire alqm in alqa re (zB. in iure civili); alqm alqd docere, edocere (in etw. unterweisen); alci alcjs rei fontem aperire, auch bl. aperire alqd (Jmdm. gleichs. die Quelle, aus der er Belehrung schöpfen kann, öffnen, zB. es wird zu seiner Zeit dieses Verbrechen vollständig aufgeklärt werden, vollständige Aufklärung über dieses Verbrechen gegeben werden, suo tempore totius hujus sceleris fons [d.h. wohl der Ursprung des Vergehens und seine Erklärung daraus] aperietur: du hast uns über die Zeitrechnung aufgeklärt, descriptiones temporum aperuisti). – das Zeitalter, die Welt au[fklären], *saeculum od. homines ad summam

|| 52 Vgl. Schneiders 1995: 18–23. Niethammer (1808: 15–18) beispielsweise erkennt zwar in vollem Maße die einschneidenden Reformen Friedrichs II. an („der große Impulsator seiner Zeit“), doch lehnt er das damit einhergehende Nützlichkeitsdenken ab und verbindet mit dem ausdrücklich genannten Begriff der Aufklärung nicht die Fortschritte in Bildung und Vernunftgebrauch, sondern sieht darin den Inbegriff „einer wahren Entgleisung der Nation“. Diese bestünde in der Herabziehung des Idealen und Wahren in Philosophie und Theologie ins rein Irdische („Erdgeist“), sodass „die Religion zu gemeinem Moralismus, das Christenthum zum Eudämonismus, die Theologie zum Naturalismus, die Philosophie zum Synkretismus und Materialismus, die Weltweisheit zur Erdweisheit, die Wissenschaft zur Plusmacherei erniedrigt“ werde. 53 Johann Lorenz von Mosheim (1693–1755), lutherischer Kirchengeschichtsschreiber, „Begründer der sog. pragmatischen Kirchengeschichtsschreibung“ und „bedeutendster Prediger seiner Zeit“ (NDB 18 [1997]: 210–211), publizierte zahlreiche lateinische (auch deutsche) kirchengeschichtliche Werke, darunter Moshemii Dissertationum ad Historiam Ecclesiasticam pertinentium, 2 Bde. (1743) oder Moshemii Institutionum historiae ecclesiasticae antiquae et recentioris libri quatuor [!] (1755).

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perducere eruditionem. – aufgeklärt, eruditus (gleichs. entroht, durch Erziehung u. Unterricht gebildet). – doctus (durch Unterricht gebildet). – cultus. excultus (cultiviert, civilisiert; s. „gebildet“ das Weitere über alle diese Adjj.). – humanus (menschlich, gesittet); verb. humanus atque doctus (zB. gens, Ggstz. gens immanis et barbara). […] Aufklärung, I) Aufhellung einer Sache: explanatio.– II) hellere Einsicht etc.: intellegentia (hellere Einsicht). – eruditio. doctrina (Bildung, u. zwar erud. die durch Erziehung, durch die Schule des Lebens u. durch Unterricht erworbene; doctr. bl. die durch Unterricht gewonnene; alle drei subjectiv, insofern sie der Mensch besitzt). – *doctrinae lux. *discussae ignorantiae tenebrae (objectiv, insofern sie auf den Menschen wirkt). […] – bei vorgerückter Au., *quum longius progressa erit eruditio: Au. verbreiten, *eruditionem latius propagare; *ignorantiae tenebras discutere […].

Wie so häufig übertrifft Georges frühere Lexikographen durch genaue Erarbeitung der Semantik: Während Kraft eine Reihe von Wörtern ohne nähere Bestimmung nebeneinander stellt (erudire; excolere; fingere; conformare, Cic.), unterscheidet Georges deutlich zwischen einzelnen Bedeutungen: „erudire (aus der Roheit ziehen). – excolere (cultivieren, civilisieren)“ usw. Für den Benutzer sind aber die Verbindungen, die Kraft dann im Zusammenhang mit aufgeklärt anführt, oft hilfreicher als die einfachen Adjektive bei Georges. So bietet Kraft für die nicht unwichtige deutsche Kollokation aufgeklärte Zeiten gleich sechs lateinische Verbindungen teils mit Autoren- bzw. Stellenangabe (tempora erudita; aetas exculta; saeculum eruditum, id. de rep. 2, 10. sapientior aetas; temporum cultus; saeculum eruditius, Mosh.), während Georges zu aufgeklärt nur die Adjektive (eruditus, doctus, cultus, excultus, humanus) mit genauer semantischer Unterscheidung anführt und so dem Benutzer die weitere Übersetzungsarbeit überlässt. Scheller ist es, der auch das Wort klassisch, das sich in der gleichnamigen Zeit vom Epochenbegriff zum Ausdruck von Mustergültigkeit wandelt,54 zum ersten Mal auf. Exemplarisch lässt sich daran die quantitative als auch qualitative Entwicklung der deutsch-lateinischen Wörterbücher von Scheller bis Georges nachvollziehen: Scheller 21789 und von ihm abhängige Lexikographen belassen es noch bei dem einfachen, nur ein einziges Mal in der gesuchten, übertragenen Bedeutung („herausragend und daher mustergültig“) bei Aulus Gellius (2. Jh.) belegten Adjektiv classicus.55 Bei den jüngeren ist das Lemma sorgfältiger ausgearbeitet. Bei Wüstemann (21827, II: 19) heißt es in charakteristischer lexikographischer Verknappung für klassisch: Klassisch, classicus (spät. Grammat.). – eximius. praestantissimus.

|| 54 Vgl. Rosenfeld 1980: 657. 55 Scheller 21789: 516; 31805: 636 (die erste Auflage konnte ich bisher noch nicht einsehen) und Scheller/Lünemann 31817: 154; Schönberger 21842: 128. Ihm folgt auch die Bearbeitung des Paedagogus Latinus durch Mayer (Bayer/Mayer 121819: 238). Zu Gell. 19, 8, 15 s. das Kraft-Zitat unten zu „Classiker“.

Exemplarische Untersuchung einzelner Fachbereiche | 261

Bei Kraft (41843, I: 607–608): † Classisch, I) Adj. vorzüglich, musterhaft, eximius; praestantissimus; praecipuus, Cic. das classische Alterthum, antiquitas docta, erudita, Ruhnk. [David Ruhnken (1723–1768), Bibliothekar der Universitätsbibliothek Leiden] in Hinsicht der schönen Künste: ant. elegans, Ern. [Johann August Ernesti (1707–1781), Professor in Leipzig] classische Schriftsteller, s. Classiker. die sogenannten class. Schriftsteller, classici, qui dicuntur, auctores, Wyttenb. [Daniel Wyttenbach (1746–1820), Professor in Amsterdam und Leiden] lange dürfen nur classische Schriftsteller gelesen werden, diu non nisi optimus quisque legendus est, Quint. classisches Ansehen erlangen, optimi, politissimi scriptoris auctoritatem consequi, nach Cic. II) Adv. z. B. cl. schreiben, optimorum, politissimorum auctorum exemplo, more scribere.

Noch in den ersten Auflagen des Kraftschen Lexicons von 1820/1821 (I: 433) findet sich neben eximius und praestantissimus das Adjektiv classicus zusammen mit Angabe der Quelle Gellius. Wohl erst durch den Einfluss des in der Zwischenzeit erschienenen Wörterbuchs seines Schülers Georges (1831/1833) korrigiert Kraft dies und lässt in seiner vierten Auflage von 1843/1844 nur classici, qui dicuntur, auctores zu. Möglicherweise übernimmt er auch den Hinweis „classische Schriftsteller, s. Classiker“ von Georges. Bei diesem heißt es noch in der ersten Auflage des von ihm bearbeiteten Handwörterbuchs von Scheller/Lünemann (11831, I: 647): Classisch, optimus; praecipuus; eximius (niemals classicus, welches bei keinem Alten sich finden wird).

Seit der fünften Auflage (1861) erwähnt er classicus für Classisch wohl aus klassizistischen Bedenken sonderbarerweise gar nicht mehr. In der Auflage von 1882 (I: 786) schließlich findet sich ein deutlich verbesserter Artikel, zwar wie gewohnt die Semantik genauer differenzierend als Kraft, aber ohne Angabe der Autoritäten: classisch, optimus (einer der besten). – praecipuus. eximius (vorzüglich). – vetustus. (alt u. gut, altclassisch). – probus (gut, mustergültig, zB. verbum). – cl. Schriftsteller, s. Classiker: sich einen Wortvorrath durch cl. Lektüre erwerben, copiam verborum parare optima legendo: das cl. Alterthum, *antiquitas docta od. erudita (in H. auf Gelehrsamkeit); antiquitas elegans (in H. auf Kunst). – Adv. probe ac vetuste (mustergültig und wie die guten Alten, zB. loqui).

Bei Kraft, Wüstemann und Georges finden sich noch zwei weitere Lemmata, nämlich Klassizität und Klassiker. Diese sind unterschiedlich ausgearbeitet: Klassizität heißt bei Wüstemann und Georges praestantia, Kraft verweist auf sein Lemma Musterhaftigkeit: „Musterhaftigkeit, die, […] der Rede, des Stils, purum et candidum dicendi genus, [Cic.] Or. 16, 53.“56 Bei Klassiker begnügt sich Wüstemann (21827, II: 19) mit zwei Verbindungen:

|| 56 Kraft 41844, II: 298.

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Klassiker, der, classicus scriptor (spät. Grammat.). – die alten Klassiker, praestantissimi veterum scriptores.

Bei Kraft (41843, I: 60757) sind es schon neun Formulierungsmöglichkeiten samt Angabe der Autoritäten: † Classiker, der, Musterschriftsteller, optimus, praestantissimus quisque scriptor; bes. im Plur., die Classiker, scriptores classici (jedoch nur in Beziehung auf die Röm. Bürgereintheilung, nach Gell. 19, 8, 15[)].58 auctores classici, Ruhnk. besser: scriptores optimi, Quint. 10, 1, 24 [summi auctores, Winterbotto; magni auctores, Spalding; vgl. auch 1,6,42]. scriptores principes, Wyttenb. suo in genere praestantissimi, excellentissimi antiquitatis doctae scriptores. in engerer Beziehung von den Griech. u. Röm. Schriftstellern: Graeci et Latini scriptores.

Georges’ Artikel (71882, I: 786) schließlich weist eine stark verfeinerte semantische Gliederung auf: Classiker, scriptor optimus od. praecipuus od. praestantissimus (in Bezug auf seine Vortrefflichkeit). – scriptor subtilis atque elegans (in Hinsicht auf Feinheit und Schönheit des Stils). – bonus Latinitatis oder Graecitatis auctor (in Bezug auf die Latinität od. Gräcität, nach Cic. ad Att. 7, 3, 10 [malus enim auctor Latinitatis est]). – die Classiker, scriptores optimi od. maximi od. praecipui od. praestantissimi (in Bezug auf ihre Vortrefflichkeit übh.); summi auctores (in Bezug auf Wahl des Ausdrucks, wie Quint. 1, 6, [42]); scriptores subtiles atque elegantes (in Bezug auf Feinheit u. Schönheit des Stils). – die alten Classiker, scriptores veteres (in Bezug auf ihr Alter); scriptores veteres et praecipui. scriptores vetustissimi atque politissimi (in Bezug ihre Vortrefflichkeit übh.);59 optimi Latinitatis od. Graecitatis auctores (in Hinsicht der Latinität od. Gräcität, [nach] Cic. ad Att. 7, 3, 10): die sogenannten Classiker, *scriptores classici qui vocantur (vgl. Gell. 19, 8, 15): lange dürfen nur Classiker (classische Schriftsteller) gelesen werden, diu nonnisi optimus quisque legendus est.

Das Sublemma die sogenannten Classiker hat Georges dabei vermutlich aus Krafts Artikel zu Classisch (s.o.) übernommen. Eine gegenseitige Befruchtung der Wörterbücher, publiziert innerhalb von nur wenigen Jahrzehnten, ist naheliegend, was auch durch Äußerungen Krafts (s.o. Kap. 5.7) bestätigt wird.

|| 57 Antiquitas findet sich überall für Altertum. Die Kürzel der modernen Autoren sind im obigen Kraft-Zitat von „Classisch“ aufgelöst. 58 Ite ergo nunc et, quando forte erit otium, quaerite, an „quadrigam“ et „harenas“ dixerit e cohorte illa dumtaxat antiquiore uel oratorum aliquis uel poetarum, id est classicus adsiduusque aliquis scriptor, non proletarius. Einzig in dieser Belegstelle wird classicus in der übertragenen Bedeutung gebraucht (vgl. Art. classicus III, A, 1. In: ThLL). Bei Gellius steht classicus adsiduusque [eigtl. „Bürger der oberen Schicht“] aliquis scriptor im Gegensatz zu proletarius [eigtl. „Bürger der niederen Schicht“] sc. scriptor, was aber bildlich als „hochstehend, vom ersten Range, mustergültig“ versus „gemein, niedrig, nachgeordnet“ zu verstehen ist. 59 Im Kleinen Georges (1910) heißt es hier wohl genauer: „in Bezug auf ihr Alter u. ihre Vortrefflichkeit“.

Exemplarische Untersuchung einzelner Fachbereiche | 263

Zu gänzlich verschiedenen Übersetzungen kommen die Lexikographen bei dem Begriff Freimaurer (bei Bauer Freymaurer, bei Scheller Freymäurer geschrieben). Der Begriff wurde im 18. Jahrhundert aus dem englischen freemason ins Deutsche übertragen, was etymologisch mit dem deutschen Metz verwandt ist.60 Freemason bezeichnete ursprünglich im Mittelalter Steinmetze, „die nach der Gesellenprüfung in die Geheimzeichen der Bauhütten ([neuenglisch] lodge; Loge) eingeweiht waren und zur Arbeitssuche frei durchs Land ziehen konnten“.61 Während Bauer den Freimaurer umständlich mit arcani collegii pars wiedergibt,62 übersetzen die übrigen Lexikographen wörtlich: Scheller wählt die Formulierung „etwa liber caementarius“.63 Wüstemann bietet mit dem Verweis auf „Neuere“ Autoren liber murorum structor an.64 Bei Kraft findet sich unter anderem liber murarius, caementarius.65 Bei Georges schließlich setzt sich nur ein Begriff durch, den auch Kraft anführt, nämlich latomus („Steinmetz“).66 Bei beiden ist er als terminus technicus gekennzeichnet. In Wörterbüchern vor Bauer (zuerst 1778) fehlt das Lemma noch. Eine Übersetzung mit francomurarius67 oder die Bezeichnung der Freimaurerei als massonum secta oder secta massonica (zu mtlat. massonus oder maso, Steinmetz)68 beispielsweise durch den katholischen Codex Iuris Canonici von 1917 spielen bei den verglichenen Wörterbüchern keine Rolle. Humanistisch wird erst ab dem zweiten Viertel des 19. Jahrhunderts (von Wüstemann, Kraft und Georges) behandelt, Humanismus – eine hybride Bildung aus dem lateinischen Stamm und der griechischen Endung – fehlt noch ganz.69 Friedrich Immanuel Niethammer, der 1808 ein Buch mit dem begriffsgeschichtlich einflussreichen Titel „Der Streit des Philanthropinismus und Humanismus in der Theorie des Erziehungs-Unterrichts unsrer Zeit“ veröffentlichte, prägte diesen Begriff. Doch noch bei Georges am Ende des 19. Jahrhunderts fehlt er aber. Ähnlich wie

|| 60 Vgl. Art. Steinmetz. In: Pfeifer, Etym. Wörterb. 61 Vgl. Art. Freimaurer. In: Kluge 252012. 62 Bauer 21798: 1062. 63 Scheller 31805, I: 1009; s. auch Kap. 5.4.2. Caementarius findet sich hauptsächlich in der Vulgata, wo es „Maurer, Baumeister“ heißt (vgl. Art. caementārius. In: ThLL). 64 Wüstemann 1826, I: 380. 65 Kraft 41843, I: 994. 66 Georges 71882, I: 1348. Dieses aus dem Griechischen entlehnte Wort (λατόμος) findet sich nur in biblischem und christlichem Kontext und heißt übersetzt „Steinmetz“; vgl. Art. lātomus. In: ThLL. 67 Egger 1986: 54. 68 Vgl. Art. Massonus. In: Du Cange 1883–1887; Art. machio (macio, mattio, marcio, maso). In: Blaise 1975. 69 Zum Begriff Humanismus s. Stroh 2008; Menze, Clemens: Art. Humanismus, Humanität I. In: HWPh 3: 1231ff.; Kristeller, Paul Oskar (1974): Humanismus und Renaissance, Bd. 1: Die antiken und mittelalterlichen Quellen. München: Fink; in GGB kein Eintrag.

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schon beim Lemma Aufklären (s.o.) verknüpft Wüstemann (1826, I: 551) die Behandlung des Wortes Humanistisch mit einem normativen Hinweis:70 Humanistisch, z. B. humanistische Wissenschaften, humanitatis studia. – Der Ausdruck studia humaniora. litterae humaniores ist unlateinisch. s. Wolf Museum der Alterthumswissensch. I. p. 12.

Die Formulierung studia humaniora, die Wüstemann mit Verweis auf Wolf als unlateinisch ablehnt, ist laut diesem mittelalterlichen Ursprungs. Sie war seit der Renaissance gebräuchlich für die altsprachlichen Fächer und wurde als Fremdwort im 17. Jahrhundert in der Kurzform Humaniora ins Deutsche übernommen.71 Georges erwähnt im Artikel lediglich, dass das Adjektiv humanistisch „durch den Genitiv humanitatis“ zu übersetzen sei.72 Unter dem 1808 geschaffenen Begriff Humanismus verstand Niethammer über die genannten Humaniora hinausgehend „die ganze ältere Pädagogik überhaupt“, die die „Humanität“ (s.u.) im Schüler erwecken wollte – im Gegensatz zum polemisch abgewerteten Philanthropinismus der Basedow’schen Schule.73 Kraft (41843, I: 1386) gliedert das deutsche Lemma Humaniora – das nur er allein berücksichtigt hat – entsprechend beiden Bedeutungen:

|| 70 Ähnlich auch Kraft (1843, I: 1386), der noch Gewährsmänner für diese Formulierungen anführt: „† Humanistisch, Adj. z. B. humanistische Studien, studia humanitatis; literae humanissimae, Ruhnk. literae humaniores, Ruhnk. Ern. Letzteres ist aber weniger richtig; s. Wolf’s Mus. d. Alterthmsw. I, p. 12.“ Bei dem zitierten Werk handelt es sich um: Wolf, Friedrich August / Buttmann, Philipp (Hrsg.) (1807): Museum der Alterthums-Wissenschaft. Bd. 1. Berlin, Realschulbuchhandlung, 12– 13: „Doch bemerkenswerth ist es, daßs die Ausdrücke humaniora studia, humaniores litterae sich bei keinem alten lateinischen Schriftsteller finden und schwerlich im Gebrauch seyn konnten, weil der Comparativ einen Wink auf eine Relation enthält, die den Alten, wenn sie studia humanitatis sagten, gewißs nicht einfiel. Gleichwohl ist jene Benennung so üblich geworden, daßs man mehrere Abhandlungen und Deklamationen de litteris humanioribus hat […]. Allein in keiner solcher Schriften findet sich, wenn mir recht ist, ein Belag [!] für das Alter und die Echtheit der Bedeutung; jeder braucht das Wort als angenommen und wohl hergebracht, ohne einen Scrupel, wie ihn sonst wohl lateinische Humanisten hatten. Der Gebrauch scheint sich aus dem Mittelalter herzuschreiben; doch es blieb mir immer ungewißs, ob er früher in Italien aufgekommen ist, oder in Schottland, wo er seit vielen Jahrhunderten gewöhnlich war.“ Die angesprochene Relation betrifft wohl die anderen Fächer. 71 Niethammer (1808: 8) spricht von den „sogenannten Humanioren in den Gelehrten-Schulen“; zum Begriff vgl. Klemenz, Dieter: Art. Humaniora. In: HWPh 3: Sp. 1216–1217. Mit seinem Buchtitel „Menschliches, Allzumenschliches“ (1878) spielt Nietzsche ironisch auf Humaniora an (mündlicher Hinweis von Wilfried Stroh). 72 Georges 71882, I: 1970. 73 Niethammer 1808: 8; vgl. Stroh 2018.

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† Humaniora, die, a) im weitern Sinne [also wohl die über die klassische Philologie hinausreichende humanistische Forschung oder Bildung]: studia humanitatis; politior humanitas, Cic. b) im engern Sinne: literae antiquae; grammatica, orum [!]; philologia, Ruhnk[en].

Der Humanist wird durchgehend klassisch korrekt mit grammaticus übersetzt – mit Hinweis, dass die Römer ihre Philologen so zu bezeichnen pflegten.74 Der in der Renaissance gebräuchliche t.t. humanista für die Vertreter der artes liberales wird nicht angeführt. Das von Herder aufgebrachte Modewort des ausgehenden 18. Jahrhunderts und Schlagwort des Neuhumanismus Humanität wird stets mit humanitas wiedergegeben.75 Georges (71882, I: 1970) nimmt sogar zwei weitere damit zusammenhängende Lemmata auf: Humanitätsprincip, das jetzige, haec suavitas humanitatis, quā prope jam delectantur homines. – dem H. gern huldigen, in hac suavitate humanitatis, quā prope jam delectantur homines, versari perjucunde solere. Humanitätsstudium, studium liberalium doctrinarum.

Überhaupt sind hybride Wortbildungen mit der Endung -ismus in den hier untersuchten Wörterbüchern unbeliebt. Betrachtet man nur die in der Konkordanz verglichenen Wörtern, finden sich lediglich Pietismus, Idealismus (seit dem 18. Jahrhundert gebräuchlich, von Bauer zuerst behandelt)76 und Skeptizismus (spätestens seit Herder und Kant gebräuchlich, in deutsch-lateinischen Wörterbüchern jedoch erst von Kraft und Wüstemann aufgenommen)77. Pietismus wird seit Bauer und Scheller berücksichtigt. Scheller möchte der Eindeutigkeit halber Pietist und Pietismus trotz hybrider Bildung auch im Lateinischen (als pietista bzw. pietismus) beibehalten, „weil es oft zum Schimpfnamen dient“78, nämlich gegenüber Mitgliedern der gleichnamigen protestantischen Bewegung. Diese richtete sich gegen die rationale Religion der Aufklärung und wurde daher von Gegnern als Frömmlertum verspottet. Die Begriffe Pietist und Pietismus sind Schlagworte des späten 17. Jahrhunderts; zunächst dienten sie der Verspottung der

|| 74 Wüstemann 1826, I: 551: „bei den Alten grammaticus“; Kraft 41843, I: 1386: „Sprach-, Schulgelehrter, im Röm. Sinne: grammaticus (s. Cic. Ecl. [Ciceronis Eclogae, ed. 3., cur. Joa. Jacob. Ochsnerus, Turici 1828] p. 150), Cic. s. auch Philolog.“; Georges 71882, I: 1970: „grammaticus (bei den Alten).“ Georges unterscheidet davon den zeitgenössischen Humanisten: „*qui humanitatis studia profitetur (bei uns). – ganz H. sein, *totum esse in humanitatis disciplinis“. 75 Zum Begriff humanitas s. Stroh 2008; zu Humanität s. Menze, Clemens: Art. Humanität. In: Schneiders 1995: 183–184. 76 Vgl. Pfeifer, Etym. Wörterb. 77 Vgl. die verstreuten Belege im Art. Skepsis; Skeptizismus. In: HWPh 9: Sp. 938–974 und die Korpussuche nach Scepticism im Deutschen Textarchiv des DWDS; vermutlich schon vor Kant verwendet. 78 Scheller 31805, II: 2227; vgl. Pfeifer, Etym. Wörterb. Die Endung -ista ist abwertend zu verstehen.

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Bewegung, die diese dann als Selbstbezeichnungen übernahm.79 In ersterer Tradition steht noch Bauer (21798: 1959): Pietist, m. Heuchler, pietatis jactator, ostentator, histrio; specie pius; nimius in vrgenda pietatis specie; der mehr auf die Werke, als auf die Lehre, siehet, doctrinae, formulae diligentioris contemtor; iniquior theologiae subtiliori; vitae, quam cognitionis, commendator enixior.

Unter dem Begriff „Werke“ – wohinter sich auf den ersten Blick Kritik am Katholizismus vermuten ließe – sind hier wohl die in der pietistischen Bewegung betonte Ausübung der Frömmigkeit und die daraus im Leben erfolgenden Taten gemeint, was die Übersetzung mit vitae nahelegen könnte. Auch Wüstemann (1827) und Georges (1882) heben lediglich negative Seiten des Pietismus hervor: Der eine spricht von „pietas assimulata (nach Cic., der virtus assimulata hat)“ und „simulatum pietatis studium (ohne alte Aukt[oren])“, lässt aber auch „pietismus (Neuere)“ zu.80 Der andere übersetzt mit „*pietistarum lex (eig.). – nimia et superstitiosa religio (Frömmelei)“.81 Nur Kraft (41843, II: 437) kennt eine positive Konnotation des Begriffs: Pietist, der, s. Frömmler. im bessern Sinne: qui multum tribuit religionibus [den frommen religiösen Gefühlen; bei Liv. (z.B. 1,18,1) allerdings in diesem Sinne im Sg.82]. auch kurz pietista.

Vier Lexikographen behandeln Idealismus (seit dem 18. Jahrhundert im Deutschen gebräuchlich).83 Davon lassen zwei, nämlich Wüstemann 1826 und sogar Georges 1882, idealismus als lateinische Neubildung zu. Im Weiteren folgen sie jedoch den Vorarbeiten Krafts 1843, der das nützliche, wenn auch unlateinische idealismus nicht anführt. Anstatt dessen zitiert er drei Definitionen aus einem nicht näher bezeichneten Werk des namhaften Rektors von Pforta, Karl David Ilgen (1763–1834). Sie lauten: eorum philosophorum ratio, quibus placuit, in visis nihil extrinsecus menti obiici, sed, quae obiecta putantur visa, ea sola cogitatione contineri; praeter notiones rerum mente informatas nihil quidquam esse; nihil esse in rebus verum praeter formas, quae animo tenentur, Ilgen. Kraft 41843, I: 139384

Wüstemann und Georges übernehmen sie. Doch ersetzen sie die Autorenangabe (Ilgen) durch den Hinweis „ohne alte Aukt[oren]“ (bei Wüstemann) bzw. dem Stern (bei Georges), sodass sich die Herkunft für den Benutzer nicht mehr genau nach-

|| 79 Vgl. Rosenfeld 1980: 657. 80 Wüstemann 1827, II: 236. 81 Georges 71882, II: 640. 82 Vgl. Art. religio. In: Georges 81913–1918, Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch. 83 S. Art. Idealismus. In: HWPh. 84 Vgl. Wüstemann 1826, I: 554 und Georges 71882, I: 1981.

Exemplarische Untersuchung einzelner Fachbereiche | 267

vollziehen lässt. Während sich diese Umschreibungen am kritischen Idealismus Kants orientieren, geht Bauer (21798: 1500) noch von einer weiteren philosophischen Bedeutung aus: Idealismus, m. error, morbus nihil esse putantium; Pyrrhonismus; 2) opinio negantium, adjuncta [d.h. Universalien] per se esse; Roscellinismus.

Bauer bezeichnet mit Idealismus abweichend von der heute üblichen Verwendung erstens eine Variante des Skeptizismus und zweitens eine des Nominalismus. Im ersteren Sinn wird es polemisch und abwertend gebraucht, wobei mit Pyrrhonismus die nach Pyrrhon von Elis (ca. 365–275 v. Chr.) benannte skeptische Philosophie gemeint ist.85 Der sogenannte Roscellinismus hingegen lässt sich auf den Nominalisten und Lehrer Abaelards Roscelin (lat. Roscellinus) von Compiègne (gestorben um 1120) zurückführen.86 Mit den beiden Übersetzungen korrespondieren auch die von Idealist: „a) scepticus, qui nil extra nos esse credit; b) scholasticus, qui, rebus adjuncta [d.h. Universalien] per se esse, negat.“ Allerdings wird mit der ersten Definition nicht der Pyrrhonismus, sondern der Solipsismus beschrieben, eine philosophische These, die jegliche Existenz außer dem eigenen Ich negiert (nil extra nos esse).87 Damit greift Bauer hier eine erkenntnisskeptische Extremposition des Idealismus auf. Gänzlich fehlt der marxistische Gegensatz von Materialismus und Idealismus, also dem Anerkennen nicht materiellen Seins. Einige andere Begriffe der Endung -ismus, hervorgebracht freilich erst im 19. Jahrhundert und im heutigen Sprachgebrauch fest verankert, finden sich erstmals bei Georges 1882, dem jüngsten der hier verglichenen Wörterbücher. Dazu gehören etwa Kommunismus und Kommunist: Communismus, aequatio bonorum od. patrimoniorum; aequata bona od. patrimonia (n. pl.). – C. einführen, fundos aequabiliter inter omnes dividere et aequato patrimonio neminem potentiorem altero reddere [vgl. Thomas Vallaurius (1805–1897): Epitome historiae Graecae, cap. De Spartae atque Athenarum institutis]: es herrschte C. bei ihnen, omnia communia et indivisa omnibus erant [vgl. Vulg. Apg 2,44: Omnes autem, qui crediderant, erant pariter et habebant omnia communia], velut unum cunctis patrimonium esset. Communist, *qui aequatis bonis od. patrimoniis uti vult. Georges 71882, I: 79188

Das klassisch marxistische Verständnis der Verstaatlichung der Produktionsmittel fehlt hier. Im Lemma Socialdemokrat wird bei Georges (71882, II: 1053) auf Communist, bei Socialdemokratie auf Communismus verwiesen. Abgesehen vom zwischen-

|| 85 S. Hossenfelder, Malte / Schröder, Winfried: Art. Pyrrhonismus. In: HWPh 7: Sp. 1719–1723. 86 S. Hoffmann, Fritz / Schneider, Hans Julius: Art. Nominalismus. In: HWPh 6: Sp. 874–888. 87 S. Gabriel, Gottfried: Art. Solipsismus. In: HWPh 9: 1018–1022. 88 Zuerst in Georges 41853, I: 679.

268 | Untersuchungen zum lateinischen Wortschatz

zeitlichen Aufkommen der Pluralform communistae im theologischen Latein des 16. und 17. Jahrhunderts als Bezeichnung für die Hutterische Täufergemeinde in Mähren wurde das deutsche Wort Kommunismus Anfang der 1840er Jahre aus dem Französischen übernommen, wo communisme Ende des 18. Jhs. aufkam.89 Auch konservativ und Konservatismus, den Gegenbegriff zur fortschrittsgläubigen Aufklärung, erwähnt Georges (hier 1882, I: 798) als erster:90 [*] Conservatismus, studium conservandae salutis communis atque otii (Neigung, das allgemeine Wohl u. die Ruhe im Staate aufrecht zu erhalten). – ehrenhafter C., otiosa dignitas [bekannt ist Ciceros Prägung otium cum dignitate in de or. 1,1]: dem C. huldigen, *servire conservandae saluti communi atque otio. [*] conservativ, vetustati propitius (den alten Zuständen im Staate geneigt). – seditiosis adversarius (ein Gegner der Aufrührerischen). – c. Richtung, s. Conservatismus: die c. Richtung haben, *servire conservandae saluti communi atque otio. – die Conservativen, boni.91

Die boni (cives) stehen bei Cicero im Gegensatz zu den seditiosi cives. Mit jenen meinte er die in Rom aristokratisch, in Athen demokratisch gesinnten patriotischen und loyalen Bürger, wie Georges in seinem Ausführlichen lateinisch-deutschen Handwörterbuch treffend unterscheidet. Dies Beispiel zeigt, mit welchem Sachverstand und welchem Sprachgefühl der Lexikograph, von der klassischen Antike aus denkend, sich an die Übersetzung moderner Begrifflichkeiten, wie Kommunismus und Konservativismus gemacht hat. Mit der Sprache Ciceros wird offenbar auch dessen Gedankenwelt übernommen und die antiken Verhältnisse, etwa die Krise der römischen Republik zu Ciceros Zeiten, in dessen Färbung („die Conservativen, boni“) für die eigene Zeit mit den sozialpolitischen Auseinandersetzungen im Deutschen Reich vereinnahmt. In diesem Sinne bleibt auch zu fragen, warum einige andere wichtige Begriffe aus der Politik nicht aufgenommen wurden. Es fehlt etwa der zur gleichen Zeit entstandene Liberalismus.92 Ebenso kommen Begriffe des 18. Jahrhunderts wie Intuition93 oder des 19. Jahrhunderts wie Föderalismus94, Gewaltenteilung95, Arbeiter-

|| 89 Vgl. Art. communista. In: Lexicon mediae et infimae latinititatis Polonorum 2: 699; Art. Kommunismus. In: HWPh 4: Sp. 899–907; GGB 3 (1982): 455–529; Pfeifer, Etym. Wörterb. 90 Konservativ und Konservati(vi)smus wurden in den 30er Jahren des 19. Jhs. aus engl. conservative (von mlat. conservatīvus) übernommen (vgl. Pfeifer, Etym. Wörterb.; Kluge 2012). Vgl. Art. Konservativ, Konservatismus. In: HWPh 4: Sp. 980–984; GGB 3 (1982): 531–565; Müller, Johann Baptist: Art. Konservativismus. In: Schneiders 1995: 219–220. 91 Georges 71882, I: 798. Man erwartet auch optimi und optimates. 92 Der Begriff entstand etwa „um 1820, etwa gleichzeitig mit frz. libéralisme, engl. liberalism“ (Pfeifer, Etym. Wörterb.). Georges (71882, II: 244) hat nur die älteren Bedeutungen „liberal, s. freigebig, freisinnig. // Liberalität, s. Freigebigkeit, -sinnigkeit.“ 93 Bei Kraft (41843, I: 1407) findet sich in der ursprünglichen Bedeutung: „Intuitiv, s. Anschaulich“. 94 Im 19. Jh. gebildet nach dem frz. fédéralisme (1789), vgl. Pfeifer, Etym. Wörterb. Von Immanuel Kant: Zum ewigen Frieden – Ein philosophischer Entwurf (1795), Zweiter Abschnitt, Zweiter Definiti-

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bewegung96, Sozialismus97, Propaganda98 und – im außerpolitischen Kontext – Weltschmerz99 noch nicht vor. Es überrascht, dass diese Begriffe fehlen, wo doch Konservatismus und Kommunismus bei Georges aufgenommen werden. Nicht unwahrscheinlich ist die Vermutung, dass die konservativen Lexikographen bewusst auf Lemmata wie Arbeiterbewegung verzichtet haben. In Zeiten, wo es keine stets aktualisierten Datenbanken zu Erfassung der zeitgenössischen Sprache gab (wie das sich derzeit im Aufbau befindliche Zentrum für digitale Lexikographie der deutschen Sprache – ZDL), ist aber sicherlich auch mit einer gewissen Phasenverschiebung zu rechnen, bis Neuerungen im Wortschatz – insbesondere geistesgeschichtlicher Art – auch in Lexika berücksichtigt werden. 6.3.1.2 Fazit Die Individualität der einzelnen Lexikographen bei der Übersetzung moderner geistesgeschichtlicher Begriffe ist erstaunlich groß. Doch treten größere Divergenzen, wie zum Beispiel beim Lemma Freimaurer, nur sehr selten auf. Diese Übersetzungen gehen stark auseinander: arcani collegii pars (Bauer 1798), liber caementarius (Scheller 1805), liber murorum structor (Wüstemann 1826), liber latomus, murarius, caementarius (Kraft 1843), latomus (Kraft 1843, Georges 1882). Andere Bezeichnungen wie francomurarius oder maso fehlen ganz. Beim Vergleich der Lemmata lassen sich nur wenige gemeinsame Linien feststellen. Immerhin zeigen sich die Autoren bei den geistesgeschichtlichen Begriffen wissenschaftlich stets auf der Höhe ihrer Zeit: Beispielsweise wird in verschiedenen deutschen Lexika und Enzyklopädien des 19. Jahrhunderts der Begriff Fortschritt entgegen dem inzwischen verbreiteten Gebrauch im Deutschen noch nicht als poli-

|| vartikel zum ewigen Frieden als foedus pacificum („Friedensbund“) verstanden, der in einen „Völkerstaat“ führen soll (civitas gentium). 95 Der politische Leitbegriff scheint erst im 19. Jh. gebräuchlich zu werden (vgl. Fenske, Hans: Art. Gewaltenteilung. In: GGB 2 (1975), 923–958), z.B. in Mohl, Robert von (1859): Encyklopädie der Staatswissenschaften, Tübingen: Laupp, 342; noch getrennt als Trennung der Gewalten z.B. bei Bluntschli, Johann Caspar (1852): Allgemeines Staatsrecht. München: Literarisch-Artistische Anst., 260 oder als Teilung der Gewalt z.B. bei Jellinek, Georg (41922): Allgemeine Staatslehre. Berlin: Springer, 501. Keine Einträge in DWB und Adelung. 96 „Mit direktem Bezug auf englische Verhältnisse wird in den 40er Jahren des 19. Jhs. Arbeiterbewegung f. gebildet, nach dem Vorbild von engl. workingmen’s movement; engl. movement im Sinne einer ‘politischen Massenbewegung’ lehnt sich an frz. parti du mouvement an.“ (Pfeifer, Etym. Wörterb.; s. auch Eintrag in DWB 1: Sp. 543). 97 1839 aus dem Frz. (socialisme) übernommen, vgl. Pfeifer, Etym. Wörterb. 98 Zur Etymologie s. Pfeifer, Etym. Wörterb. 99 Von Jean Paul (1763–1825) geprägt, vgl. DWB 28: Sp. 1685–1688.

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tisches und philosophisches Schlagwort mit erweiterter Bedeutung aufgeführt, auch nicht in deutsch-lateinischen Wörterbüchern. Damaligen Gepflogenheiten folgt man auch beim Schlagwort Aufklärung: Während Ende des 18. Jahrhunderts Aufklärung noch durchweg positiv bewertet wird, finden in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts dem kritischen Zeitgeist entsprechend auch Lemmata negativer Konnotation Aufnahme in die Wörterbücher (etwa Aufklärungssucht). Bei Aufklärung zeigt sich beispielhaft die ausgeprägte Individualität der Lexikographen: Scheller (1805), einem Kompromiss mit dem Latein seiner Zeit nie abgeneigt, erlaubt durchweg illuminatio, was von den Nachfolgern Kraft (1843) und Wüstemann (1826) explizit als unlateinisch und unklassisch abgelehnt wird. Erst Georges (1882) lässt das Verb illuminare mit Berufung auf Laktanz für die Übersetzung von Aufklärung – in speziell religiöser Hinsicht – wieder gelten. An der Komposition verschiedener Lemmata (z.B. Aufklären, Aufklärung, klassisch) lässt sich anhand der Wörterbuchschulen (angefangen insbesondere mit der ‚Leipziger Schule‘ von Bauer und Scheller und der Vorläuferschule von Georges mit Lünemann, Kraft und Wüstemann bis hin zu Georges selbst) eine klare Entwicklung zu immer genauerer Differenzierung der Semantik feststellen; diese geht mit einer quantitativen Erweiterung des Artikels und einer Tendenz zum Klassizismus einher. Georges (1882) übertrifft hierin alle seine Vorgänger, wenn er auch im Vergleich zu seinem Lehrer Kraft (1843/1844) an der Angabe der Autoritäten spart. Punktuell finden sich auch Abhängigkeiten einzelner Wörterbücher voneinander (etwa bei den Lemmata classisch und Classiker zwischen Kraft und Georges oder bei Idealismus, wo Wüstemann und Georges von Kraft abhängen). Hybride Wortbildungen mit Endung -ismus sind selten anzutreffen. Humanismus etwa, schon um 1800 aufkommend, fehlt in sämtlichen Wörterbüchern einschließlich der letzten Auflage von Georges (1882). Nur das schon im 18. Jahrhundert gebräuchliche Adjektiv Humanistisch wird behandelt. Dabei lehnen Kraft (1843) und Wüstemann (1826) die Formulierung studia humaniora, eine im Neulateinischen übliche Bezeichnung der altsprachlichen Fächer, mit Bezug auf Wolfs Museum der Alterthums-Wissenschaft als „unlateinisch“ (Wüstemann) ab. Eine Ausnahme bildet die Aufnahme des Wortes Idealismus, das im Deutschen schon seit dem 18. Jahrhundert gebräuchlich war. Gegen den puristischen Trend behalten Wüstemann (1826) und Georges (1882) idealismus als lateinische Neubildung bei und übernehmen – da abhängig von Kraft (1843), bei dem idealismus fehlt – zusätzlich Umschreibungen Karl David Ilgens in klassischem Stil. Das frühe Wörterbuch von Bauer (1798) legt der Übersetzung noch vorkantianische Bedeutungen zugrunde.

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6.3.2 Kirchlich-theologische Begriffe Auferstehung, reditus in vitam: oder mit den Kirchenvätern resurrectio, z. E. Christi, mortuorum. Immanuel Johann Gerhard Scheller 1805

Wie schon in Kap. 4.4 gesehen, treiben hauptsächlich protestantische Autoren die Entwicklung deutsch-lateinischer Wörterbücher im 18. und 19. Jahrhundert voran. Ob und in welcher Form die konfessionelle Prägung in den Wörterbüchern selbst fassbar wird, soll nun in diesem Kapitel untersucht werden. Zweifellos war der konfessionelle Einfluss wesentlich geringer als in den beiden von starker konfessioneller Auseinandersetzung geprägten Jahrhunderten zuvor.100 Schon im Paedagogus Latinus (zuerst 1724) des Jesuiten Jakob Bayer „fehlt jeder Hinweis auf eine katholische Prägung dieses Schulwörterbuchs, das Zeitalter der Konfessionalisierung war vorüber.“101 Polemische Kommentare oder lexikalische Einträge mit einer Spitze gegen die je andere Konfession sucht man zumeist vergeblich. Durchaus aber wurde die konfessionelle Diskussion weitergeführt, nun auf sachlicher Ebene. Dies zeigt der Aufsatz „Theologische, insbesondere katholischtheologische Beiträge zu einem deutsch-lateinischem Wörterbuche“ Friedrich Teipels (1807–1861), eines katholischen Priesters und Lehrers des Königlich Katholischen Gymnasiums in Coesfeld. Darin schlägt er anhand einiger Dutzend Lemmata aus dem kirchlichen Bereich Korrekturen vor.102 Ihm geht es vorrangig um eine sachlich korrekte Übersetzung theologischer Begriffe aus katholischer Sicht. Er weist dabei zahlreiche begriffliche Missverständnisse und Ungenauigkeiten in zeitgenössischen deutsch-lateinischen Wörterbüchern nach. Einerseits soll dies zu einem vertieften Verständnis der Sache, andererseits auch dazu beitragen, „eine in solche Bücher sicherlich nicht gehörende Polemik, welche gereizter Stimmung ehemals entsprungen sein mag, zu beendigen“.103 Eine solche latente Polemik stellt Teipel (1852: 410) in zeitgenössischen Wörterbüchern fest und klagt: Wir sprechen von der Verehrung des Apollo bei den Griechen, setzen aber, wenn wir blos diesen Begriff bezeichnen wollen, nicht hinzu, dass wir überzeugt sind, dieser Kultus sei ein falscher.

Und weiter:

|| 100 Vgl. Müller 2018. 101 Müller 2018: 256. 102 Die vorliegende Untersuchung ist in vielen Fällen unabhängig von Teipels Anmerkungen auf dieselben Ergebnisse gekommen. 103 Teipel 1852: 410.

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Warum soll denn in einem Lexikon, das für katholische, wie nicht katholische Lateiner bestimmt ist, dem lateinischen Ausdrucke eingemengt werden, dass die Nichtkatholiken irgend eine religiöse Handlung der Katholiken für nicht berechtigt halten?

Die im Folgenden untersuchten Lemmata zeigen allerdings eine insgesamt recht sachliche Ausrichtung. Aber dennoch gibt es Beispiele, die Teipels Ansinnen berechtigt erscheinen lassen. Als Beispiel führt er die Übersetzung Krafts von Lutherisch an: Teipel hält es nicht für gerechtfertigt mit Kraft von sacris a Luthero emendatis addictus zu sprechen.104 Katholiken könnten ja dann auch von sacris a Luthero depravatis addictus sprechen. Objektiver sei: sacris a Luthero institutis oder constitutis addictus.105 Teipel geht es um korrekte theologische Ausdrucksweise. So stellt er die Übersetzung von Gottmensch mit Deus (Christus) humana specie indutus durch Georges in Frage und schreibt: „Aber ist specie nicht verfänglich? Begünstigt es nicht den Irrthum der Doketen?“106 Die Anhänger des Doketismus glaubten, dass Christus immer Gott geblieben sei und nur dem Schein nach (specie) einen menschlichen Leib angenommen hätte. Tatsächlich weist Georges (71882, I: 1668) später einen korrigierten Artikel vor: Gottmensch, homo deo mixtus (Tert. apol. 21). – homo miscens in semetipso hominem et deum (Tert. adv. Marc. 2, 27). – Jmd. als einen G. anstaunen, *intueor alqm ita, ut divinum hominem de caelo delapsum esse putem.

Da Teipel katholischer Theologe ist und als solcher die Dinge exakt ausdrücken will, überraschen diese Anmerkungen nicht. Interessanter ist die unverhohlene puristische Ausrichtung Teipels: Er teilt mit den protestantischen Lexikographen durchweg das klassizistische Sprachideal, achtet bei den eigenen Übersetzungsvorschlägen auffallend auf den klassischen Sprachgebrauch, ohne dabei kirchliche Autoren ganz zu vernachlässigen. Ein Beispiel von vielen: „In dem Ausdrucke cura animae ist das letzte Wort zu verwerfen und durch animi zu ersetzen, wiewol anima in der Kirchensprache in diesem Sinne durchaus hergebracht ist.“107 Anima und animus wurden im Klassischen beide als Gegensatz zu corpus verwendet, doch letzteres in diesem Sinne viel häufiger gebraucht.108 Dabei drückt anima vor allem „die Seele als

|| 104 sacra a Luthero emendata et instituta suscipere (Kraft 41844: 208). 105 So Teipel 1852: 417. Ähnliches gilt für die Übersetzung von Reformation durch Luther, wo Kraft 4 1844, 502 schreibt: inchoata a Luthero veritatis obscuratae renovatio, Mosheim. sacrae res Christianorum per Lutherum emendatae, restitutae. Reformation an sich im kirchlichen Sinne heißt bei Kraft: „sacrorum emendatio; sacra emendata, sacrorum instauratio; gew., obgleich nicht classisch: reformatio sacrorum; od. im Zshge. bloß reformatio.“ 106 Teipel 1852: 426. 107 Teipel 1852: 411. 108 Vgl. Krebs/Schmalz 1905: 164–165.

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Prinzip des Lebens, Lebenshauch“ aus, während animus „die Seele als das empfindende, begehrende und denkende Prinzip“ meint.109 Spricht Cicero von der „Unsterblichkeit der Seele“, so wird dies stets durch immortales animi, immortalitas animorum ausgedrückt. In der theologischen Auseinandersetzung verliefen zwischen katholischer und protestantischer Theologie bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil klare konfessionelle Grenzen, was sich auch auf Nachschlagewerke ausgewirkt hat. Dies betrifft in unserem Falle die Auswahl der Lemmata, vor allem aber deren Übersetzung ins Lateinische. So ist etwa für diese zu erwarten, dass ein katholisches Wörterbuch ein der eigenen Konfession unliebsames Lemma wie Ablasskrämer eher nicht aufnehmen wird. Tatsächlich fehlt es im jesuitischen Paedagogus Latinus.110 Dieser polemische Begriff stammt ebenso wie Ablasskram111 (d.h. Ablasshandel) und Ablassprediger aus der Zeit der Kritik Luthers am katholischen Ablasswesen in den Jahren um 1520. Beim evangelischen Georges wird Ablaßkrämer und -prediger in eins gesetzt und ohne Unterscheidung mit *indulgentiae nundinator übersetzt.112 Noch bei seinem Lehrer Kraft und bei Lünemann werden beide zur Schaffung eines differenzierteren Bildes getrennt übersetzt, auch wenn die negative Konnotation durchaus beibehalten wird. So heißt es bei Kraft (41843, I: 29): Ablaßkrämer, der, indulgentiarum, quas vocant, a pontifice Romano promulgatarum nundinator et caupo, Eichst. [Heinrich Karl Abraham Eichstädt (1772–1848), Klassischer Philologe, Professor in Jena, galt als führender lateinischer Stilist seiner Zeit]. Ablaßprediger, der, indulgentiarum promissor; indulgentias venditans.

Während hier durch venditans eindeutig abwertend der ökonomische Sinn betont wird, kann promissor („einer, der verspricht“) sowohl negativ als auch positiv verstanden werden.113 Ähnlich wird auch bei Lünemann (1821: 59–60) unterschieden: Ablaßkrämer, der, nundinator veniarum; quaestor sacer, rec. […] Ablaßprediger, der, indulgentiarum praedicator, rec.

|| 109 Ebd. 110 S. unten mehr zur Übersetzung von Ablass. Bei Bayer 41740, 8 (Bayer/Mayer 121819, 13) findet sich noch das nicht unbedingt negativ konnotierte Lemma „Ablaß-Pfenning. Numisma piaculare, atis, is. n.“ Damit ist eine vom Papst geweihte Münze gemeint, die die Gläubigen für den Ablass und zur persönlichen Andacht erwerben konnten (vgl. Schmieder, Karl Christoph (1811): Handwörterbuch der gesammten Münzkunde. Halle und Berlin: Hallisches Waisenhaus, 4). 111 Vgl. Pfeifer, Etym. Wörterb.; um 1520 aufgekommen, oft bei Luther seit 1530. 112 Georges 71882, I: 40. Die Ablassprediger traten als Almosensammler ihrer Klöster auf. Wegen der offensichtlichen Missstände der Ablasspredigt hob das Konzil von Trient (am 16.7.1562) die Institution der Ablassprediger auf, die spätestens seit dem 12. Jh. Bestand hatte (vgl. LThK 1: 59). 113 Vgl. Art. prōmissor. In: ThLL.

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Genauer als beim Substantiv unterscheidet hingegen Georges im Lemma Ablaß die Kollokationen Ablaß verkündigen und predigen: „indulgentiam promulgare od. (insofern er verkauft wird) nundinari.“ Ein anderes Beispiel ist der Begriff Firmung. Dieses Wort wird in der katholischen Kirche für das entsprechende Initiationssakrament gebraucht. Das evangelische Pendant hingegen ist eine nicht-sakramentale Handlung, in der die Kandidaten ‚eingesegnet‘, das heißt in die Gemeinde eingegliedert werden. Im protestantischen Sprachgebrauch spricht man seit 1540 von Konfirmation, wenn auch anfangs beiden Bezeichnungen parallel gebraucht wurden.114 Wenig überraschend, dass Firmung bei protestantischen Lexikographen teils fehlt (Wüstemann 1826 und Kraft 1844 behandeln nur Konfirmation), teils unter dem variierten Lemma Firmelung mit confirmatio (Bauer, Scheller, Scheller/Lünemann) wiedergegeben wird.115 Ebenso naheliegend ist, dass Bayer unter dem Stichwort „Firmung, das Sacrament der Firmung“ neben confirmatio auch sacramentum confirmationis aufnimmt. Mayer, der Bearbeiter des Paedagogus Latinus von 1819, schärft das katholische Profil noch: „Firmung, das heil. Sacrament der Firmung. Confirmationis Sacramentum, i. n. Sacra confirmatio, ae, onis. f.”116 So gesehen ein Fortschritt lexikographischer Art, wenn Georges auch die katholische Sachbedeutung aufnimmt: „Firmelung, Firmung“ übersetzt er mit „sacramentum chrismatis (Eccl.)“.117 Offenbar hat er Teipels Anregung aufgenommen, der wiederum auch sacramentum confirmationis (wie Bayer und Mayer) und, sofern im Kontext nicht vieldeutig, confirmatio, vorschlägt.118 Die Konfirmation wird neben confirmatio (bei Wüstemann und Georges) mit einer Reihe Varianten übersetzt: Bauer spricht von „publica spectatio [wohl im Sinne einer öffentlichen Prüfung vor der Aufnahme in die Gemeinde]; exploratio, lustratio eucharistica; initiatio“. Andere Autoren umschreiben in klassizistischer Manier mit ausladenden Wendungen, etwa Kraft unter Verzicht auf confirmatio: „Weihung der erwachsenen Jugend zum Christenthume, sollemnis ritus, quo iuventus Christiana in coetum Christianum recipitur.“ Wüstemann übersetzt mit „initiatio sacrorum christianorum (Neuere)“, Georges hingegen deutlich länger: „*sollemnis ritus, quo adulescentes utriusque sexus doctrinam Christianam, quā a pueritia imbuti sunt, coram omnibus profitentur.“119

|| 114 Vgl. Pfeifer, Etym. Wörterb. 115 Bauer 21798: 1009; Scheller 31805, I: 964; Scheller/Lünemann 31817: 248. „Firmeln“ und „Firmelung“ bei Adelung 1793; „Firmeln“ bei Grimm, DWB. 116 Bayer 41740: 233; Bayer/Mayer 121819: 354. 117 Georges 71882, I: 1289. Noch deutlicher kommt die katholische Sichtweise beim Verb „firmeln, firmen“ zum Zuge. 118 Teipel 1852: 414; s. dort auch eine Auflistung von Ausdrücken für „Firmen“ bei den Kirchvätern. 119 Bauer 21798: 654; Kraft 41843, I: 614; Wüstemann 1827, II: 33; Georges 71882, I: 797.

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Derartige konfessionsspezifische Eigenheiten samt ihren Konsequenzen für die lexikographische Tätigkeit sollen später im Kapitel anhand weiterer kirchlicher und theologischer Begriffe behandelt werden. 6.3.2.1 Exkurs: Theologischer Ciceronianismus Bei der Frage der guten Latinität von christlichen Begriffen, aber auch der richtigen Latinität überhaupt, ist zu beachten, dass diese schon seit der Renaissance gestellt und diskutiert wird. Ein kurzer Blick auf dieses interessante Thema, vor allem in lexikographischer Hinsicht, reicht an dieser Stelle zum Zwecke der Veranschaulichung, da diese Dinge schon oft behandelt wurden.120 Die enge Anlehnung an Ciceros stilistisches Vorbild bezeichnet man mit dem modernen Schlagwort Ciceronianismus, der „[u]nter dem Gesichtspunkt der Sprache und des Stils […] eng mit dem Klassizismus verbunden und in den meisten Fällen mit ihm gleichzusetzen“ ist.121 Schon in der Antike, etwa bei Quintilian, wurde die Frage aufgeworfen, in welchem Maße man sich an Cicero orientieren müsse. Die christliche Stellung zu Cicero war schon anfangs ambivalent:122 Der Kirchenvater Hieronymus berichtet zwar in seinem berühmten und wirkmächtigen Brief an Eustochium (epist. 22, 30) von seiner – durch einen Traum erzwungenen – Abkehr von den paganen Schriften und sieht einen weltanschaulichen Gegensatz zwischen Christentum und paganem Ciceronianismus (Ciceronianus es, non Christianus). Doch war Cicero die Eleganz der Sprache betreffend auch den frühchristlichen Autoren selbstverständliches „verbindliches Stilideal“, in den Worten von Laktanz eloquentiae ipsius unicum exemplar.123 Was die Rhetorik angeht, überträgt Augustinus die ciceronianische Stillehre sogar auf die christliche Homiletik. Im engeren Sinne steht Ciceronianismus für eine Strömung der Renaissance, die den Stil Ciceros zum „exklusiven Ideal der lateinischen Sprache (perfecta eloquentia) und damit zum normativen Modell des eigenen Schreibens“ (imitatio) erheben wollte.124 Die Humanisten störten sich am Abweichen von der klassischen Normsprache in der vorangehenden, von ihnen als „mittleres“ Zeitalter empfundenen und bewerteten Epoche. Die „scholastische Sprache des Spätmittelalters wich […] von der ciceronianischen Form“125 und Grammatik ab, ein stilistischer Ciceronianismus war unüblich126. Beim Wortschatz lässt sich an aus der Praxis entstandene

|| 120 Zum Ciceronianismus s. Tateo u.a. 1994: Sp. 225–247 (dort weitere Literatur); Robert 2011; Sabbadini 1885; Norden 1915, v.a. II: 773ff.; Zielinski 1908. 121 Tateo u.a. 1994: 226. 122 Vgl. Robert 2011: 3–7; s. auch Fuhrmann 2003; Zielinski 1908, 106ff. 123 Robert 2011: 5; Laktanz, De opificio dei 20 (CSEL 27/1, 64,3). 124 Robert 2011: 1. 125 Art. Ciceronianismus. In: HWRh 2: 230. 126 Vgl. Robert 2011: 6.

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mittellateinische Wörter wie redemptor (Erlöser statt klassisch Unternehmer), bannus, landgravius, aus der Philosophie ens und essentia denken. Jedenfalls wurde Cicero – begünstigt durch die Auffindung bis dahin verschollener rhetorischer Werke und das Studium seiner Reden – rasch „zu dem sprachlich-stilistischen Vorbild der frühen Neuzeit schlechthin“.127 Weitere nachzuahmende Quellen der reinen Latinität fand man in Cicero zeitlich nahestehenden Autoren, die man heute als klassisch bezeichnet. Beim sogenannten Ciceronianismusstreit ging es in nuce darum, ob Cicero allein als Vorbild für Prosa gelten durfte oder auch andere mit ihm.128 Ersteres vertrat in Reinform der italienische Humanist Kardinal Pietro Bembo (1470–1547) in seiner Epistola de Imitatione.129 Er trieb den klassizistischen Purismus auf die Spitze: Wenn er das Kardinalskollegium meint, spricht er vom Senatus Cardinalium, anstelle zu Gott fleht er zu den Dii immortales, Jesus bezeichnet er als heros, für Maria gebraucht er das Wort Dea, christlicher Glaube (üblicherweise fides) wird zu persuasio und Gebet zu supplicatio ad aras deorum, die Exkommunikation aqua et igni interdictio bzw. verbal interdicere.130 Man hat dieses Phänomen als „Paganisierung des christlichen Lateins“ bezeichnet.131 Diese puristische Liebe zu Ciceros Stil konnte sich an der römischen Kurie durchsetzen, wo Bembo und schon früher Paolo Cortesi (1465–1510) und andere Ciceronianer in den höchsten Ämtern tätig waren. Die Anticiceronianer verwiesen darauf, wie absurd manche klassizistischen Wörter im christlichen Zusammenhang seien oder auch wie ungenau klassizistische Umschreibungen die eigentliche Sache ausdrücken würden.132 Schon Lorenzo Valla (gest. 1457) hatte die Meinung vertreten, dass christliche Begriffe wie monasterium oder sanctimoniales (anstatt virgines divo Dominico dicatae) durchaus legitim seien, „sofern sie bei christlichen Autoren belegt sind oder als Neologismen korrekt gebildet werden. Umschreibungen oder Identifizierungen mit klassischen Begriffen verunklaren die Aussage und führen zu hermeneutischen Unschärfen“.133 Valla ging es um die Eindeutigkeit des Gesagten und die „Akkommodation des Lateinischen an || 127 Korenjak 2016: 35. 128 Zweisprachige Quellentexte zur inneritalienischen Kontroverse bieten: Dellaneva, Joann (Hrsg.) / Duvick, Brian (Üs.) (2007): Ciceronian Controversies. Cambridge (Mass.): Harvard Univ. Press. 129 Vgl. Robert 2011: 22–23, der allerdings auch auf Bembos Schwanken zwischen Ciceronianismus und Eklektizismus hinweist. 130 Bsp. nach Gmelin 1932: 199 und Sabbadini 1885: 52. 131 Zielinski 21909: 227, vgl. Gmelin 1932: 199, der fälschlich von der „Paganisierung des klassischen Lateins“ spricht. 132 Vgl. etwa die Kritik, der Justus Lipsius in einem Brief an Janus Dousa die Rerum Venetarum historiae des Pietro Bembo unterzieht; Beispiele zitiert in Norden 1915, II: 775. 133 Robert 2011: 13; zu monasterium und sanctimoniales s. Laurentii Valle Antidotum in Facium 2,3,32ff. Hrsg. von Mariangela Regoliosi. Padova: Antenore, 1981, 145–148.

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die modernen Bedürfnisse“:134 Zur Veranschaulichung führt er die Begriffspaare summus pontifex und papa, dux genuensis und dictator, filius primigenius regis Gallorum und delphinus an.135 Er bemühte sich auch um angemessene Übersetzung moderner Begriffe wie Uhr (im Allgemeinen horologium), Baumwolle (bombyx oder cotto? von ital. cottone), Zucker (zuccara) oder Fußball (pila lusoria, follis).136 Einer der Hauptvertreter des Ciceronianismustadels war Erasmus von Rotterdam (gest. 1536), der mit seinem überaus erfolgreichen Dialog Ciceronianus sive de optimo genere dicendi (1528) den strengen Ciceronianismus als rein „formale Nachahmung“ (frigidum imitationis nostrae simulacrum) verwarf.137 Er sprach sich für eine gemäßigte imitatio aus, die auch die eigene Persönlichkeit und deren zeitlichen Hintergrund zum Ausdruck bringen konnte. Erasmus betont in seinem Ciceronianus den „Gegensatz von paganer Form und christlichem Inhalt“138: Huc discuntur disciplinae, huc philosophia, huc eloquentia, ut Christum intelligamus, ut Christi gloriam celebremus. Hic est totius eruditionis et eloquentiae scopus.139 Der im Vergleich zur Antike veränderten Situation muss sich auch der lateinische Wortschatz anpassen. So stimmt der spanische Humanist Juan Luis Vives (1493–1540) diesem Argument von Erasmus zu: Res omnes, sicut praeclare Erasmus colligit, sunt mutatae, ut apte loqui de rebus praesentibus nequeat, qui a Cicerone latum unguem [d.h. ein Haarbreit] deflectere non audet.140 Denn nicht der Wortschatz, sondern der Geist Ciceros solle nachgeahmt werden, so Erasmus: Admonendi sumus et illud, ut quod in Cicerone praecipuum est imitemur. Id non in verbis aut orationis superficie, sed in rebus ac sententiis, in ingenio consilioque situm est.141 In seinem Dialog karikiert Erasmus den Gebrauch klassischer Formulierungen für christliche Begriffe, um sie ad absurdum zu führen. Zunächst führt er eine Liste rein christlich geprägter Wörter an, die ein Ciceronianer gar nicht verwenden könnte, wie trinitas, ecclesia, fides, spes, caritas, trium personarum eadem essentia usw.142 Nun folgen Gegenbeispiele, um die von teils bei Bembo tatsächlich gebrauchten klassischen Formulierungen zu karikieren:

|| 134 Robert 2011: 13. 135 Laurentii Valle Antidotum in Facium. Hrsg. von Mariangela Regoliosi. Padova: Antenore, 1981, 95. 136 Ausschnitte in: Laurentii Valle Gesta Ferdinandi Regis Aragonum. Hrsg. von Ottavio Besomi. Padova: Antenore, 1973, 194–204. 137 Art. Ciceronianismus. In: HWRh 2: 234. 138 Robert 2011: 27. 139 Erasmus, Ciceronianus: 352–354. 140 Joannis Ludovici Vivis Valentini Opera Omnia. 1782 (London 1964), VI: 176, zitiert nach Pigman 1979: 168. 141 Erasmus, Ciceronianus: 354. 142 Ders. 150–153 und 160–164.

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Quid faciet, quo se vertet hic ille superstitiose Ciceronianus? An pro patre Christi dicet 'Jupiter O. M.', […] pro haeresi factionem, pro schismate seditionem, pro fide Christiana Christianam persuasionem, pro excommunicatione proscriptionem, etc. Erasmus, Ciceronianus: 152–155

Schließlich wird ein Glaubenssatz über die zweite göttliche Person aus kirchlichem in ciceronianisches Latein übersetzt, um die Absurdität des Unterfangens zu demonstrieren. Zunächst der Glaubenssatz in der Kirchensprache (Einfügungen im lateinischen Text vom Herausgeber): Iesus Christus, verbum et filius aeterni patris, , iuxta prophetias venit in mundum ac factus homo sponte se in mortem tradidit ac redemit ecclesiam suam.

Dazu die klassizistische Übertragung: Optimi Maximique Iovis interpres ac filius, servator, rex, iuxta vatum responsa ex Olympo devolavit in terras et hominis assumpta figura sese pro salute rei publicae sponte devovit. Erasmus, Ciceronianus: 154–155

Christliche Begriffe sind für Erasmus schon allein durch die lange Tradition gerechtfertigt: Num igitur tanti nobis erit dici Ciceronianum, ut de rebus, de quibus solis erat loquendum, prorsus sileamus aut verbis vel ab apostolis traditis vel a maioribus repertis et in hunc usque diem tot saeculorum consensu receptis abstinebimus, alia quaedam in illorum locum pro suo quisque arbitrio comminiscentes? Erasmus, Ciceronianus: 162–163

Diese an sich rhetorische Frage im Dialog des Erasmus wird von den Lexikographen der vorliegenden Untersuchung allerdings unterschiedlich beantwortet (s. Abschnitt 6.3.2.2). Gewissermaßen ins Horn des Erasmus stößt Philipp Melanchthon (1497–1560). Er schreibt in seinen Elementa Rhetorices libri duo von 1519: Fugienda est in sermone peregrinitas, et illam licentiam gignendi novum sermonem nullo modo permittamus nobis, qua in scholis immodice utuntur. Tametsi alicubi peregrinis vocabulis utendum est. Alia forma nunc est imperii, Religio alia est, quam Ciceronis temporibus. Quare propter rerum novitatem interdum verbis novis uti convenit, quae tamen usus mollivit, quem penes arbitrium est et vis et norma loquendi [„Darin ist Urteil, Gesetz und Norm fürs Sprechen“ (Hor. ars 72–73)].143 Philipp Melanchthon (1531): Elementorum Rhetorices Libri Duo, Wittenberg, sig. a v und verso; zitiert nach Pigman 1979: 167

|| 143 Philipp Melanchthon (1531): Elementorum Rhetorices Libri Duo, Wittenberg, sig. a v und verso; zitiert nach Pigman 1979: 167.

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Und über die Freiheit, außerciceronianischen Wortschatz zu verwenden, schreibt er im selben Werk: Ac ne verba quidem repudiabit imitator, quamvis ignota Ciceroni, quae causa postulat ut in controversiis Theologicis utendum est appellationibus Christi, Ecclesiae fidei pro fiducia, et aliis similibus.144 Ebenso wie Erasmus lehnt Melanchthon klassische Umschreibungen, wie coelestis philosophia für evangelium oder persuasio für fides ab, da sie den Sinn verdunkeln können.145 Im jesuitischen Schulwesen dominierte seit Ende des 16. Jahrhunderts die ciceronianische imitatio, was sich vor allem in der Lektüre der Klassikerautoren und im lateinischen Schulaufsatz ausdrückte.146 So heißt es in der Ratio studiorum der Jesuiten: Stylus (quamquam probatissimi etiam historici et poetae delibantur) ex uno fere Cicerone sumendus est; et omnes quidem eius libri ad stylum aptissimi, orationes tamen solae praelegendae, ut artis praecepta in orationibus expressa cernantur.147 Die Nachahmung Ciceros erfolgt bei den Jesuiten unter anderem durch aktualisierende Umschreibung von Cicero-Reden oder Verfassen von Invektiven gegen Luther und andere Nicht-Katholiken.148 Eine nicht näher zu fassende Auseinandersetzung über die Latinität christlicher Begriffe scheint ein Jesuit des 17. Jahrhunderts zu bezeugen. Jakob Balde (1604– 1668) spricht in seiner Philomela davon, bei den Überschriften zu seinen Versen „die ehrwürdigen Begriffe Creatio, Incarnatio und Passio“ beibehalten zu wollen (was tatsächlich nur in diesen Prosa-Überschriften geschieht), „weil es überflüssig schien, bei den vorzüglichen Hauptstücken unserer Religion durch pedantische und abgeschmackte Umschreibungen auf allzu lateinische Weise sinnlosen Schnickschnack zu treiben [latiniùs nugari].“149 Balde findet es erwähnenswert, dass er bei || 144 Philipp Melanchthon (1531): Elementorum Rhetorices Libri Duo, Wittenberg, sig. g iiii verso, zitiert nach Pigman 1979: 167. 145 Vgl. ebd. 146 Vgl. Art. Ciceronianismus. In: HWRh 2, 237–238; Robert 2011: 45–47. Norden (1915, II: 778–779) erwähnt nicht ohne stolzem Unterton die Rolle des deutschen Protestantismus bei der Vertiefung des Verständnisses der lateinischen Sprache: „Etwa seit dem letzten Drittel des XVII. Jh. hat dieser Streit [um den Ciceronianismus] aufgehört. Endlich begann man, wesentlich gestützt auf das Griechische, dessen Kenntnis sich erweiterte, das einseitig rhetorisch-stilistische Moment des Humanismus zurücktreten zu lassen und in den wahren und unvergänglichen Geist der Antike einzudringen. Diese Vertiefung ist wesentlich ein Verdienst des entwickelten deutschen Protestantismus gewesen, während der jesuitische Unterricht nach wie vor ängstlich bemüht war, die Autoren nur als Mittel zur Bildung des Stils zu lesen.“ 147 Ratio studiorum (1599). Regulae Professoris Rhetoricae. In: Ratio atque institutio studiorum societatis Iesu (1586, 1591, 1599), hrsg. von Ladislaus Lukacs, Roma 1986 (Monumenta paedagogica Societatis Iesu, 5), 424. Zur jesuitischen Rhetorik s. Barbara Mahlmann-Bauer, Jesuitische „ars rhetorica“ im Zeitalter der Glaubenskämpfe, München 1986. 148 So Robert 2011: 47. 149 Üs. nach Claudia Wiener (Neulateinisches Forschungskolloquium, LMU München, WS 2018/19). Jakob Balde (1645): Paraphrasis lyrica in Philomelam D. Bonaventurae doctoris ecclesiae, München, Widmung an Stephanus Firmio: Alicubi, Creationis, Incarnationis, Passionis veneranda

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den Prosa-Teilen seines Werks auf die Umschreibung der christlichen Begriffe verzichtet. Sicherlich muss man auch die jeweilige Gattung der Werke in Betracht ziehen, in der Dichtung kann Balde ja nicht incarnatio usw. schreiben. Es versteht sich auch von selbst, dass beispielsweise der Parvus Catechismus Catholicorum von Petrus Canisius S. J. (1521–1597) sich nicht scheut, den üblichen Wortschatz der Kirchensprache zu verwenden und selbstverständlich vom mysterium incarnationis oder von der secunda in Deitate persona zu sprechen.150 In den von der Ratio studiorum empfohlenen jesuitischen Einleitungswerken zur Grammatik und Rhetorik von Manuel Álvares (1526–1582), De institutione grammatica (1572), bzw. Cypriano de Soarez (1524–1593), De arte rhetorica (1568), ist ein derartiger Gebrauch ja allein schon durch die Thematik ausgeklammert.151 Insgesamt setzte sich im Deutschland beider Konfessionen aber „ein gemäßigter Ciceronianismus durch: Cicero blieb das wichtigste, aber nicht das einzige stilistische Vorbild, und es galt als zulässig, seinen Wortschatz und seine Idiomatik bei Bedarf aus anderen Quellen zu ergänzen“.152 Dass diese Frage nicht letztgültig geklärt worden ist, zeigen die Ausführungen noch von Wüstemann zur Mustergültigkeit auch von Autoren aus der sogenannten Silbernen Zeit (s.o. Kapitel 5.8). Voraussetzung der Diskussion um den richtigen Wortschatz ist, dass Latein noch aktiv gebraucht wurde. Je mehr das Lateinische noch in der gelehrten Diskussion präsent war, desto drängender war auch die Beantwortung dieser Frage. Nur so lässt sich die Auseinandersetzung zwischen Puristen und gemäßigten Ciceronianern zu Beginn der Neuzeit erklären. 6.3.2.2 Untersuchung theologischer Begriffe Wie nun die einzelnen Lexikographen dieser Zeit mit dem christlichen Spracherbe konkret umgegangen sind, zeigt die folgende Untersuchung ausdrücklich christlicher Begriffe.

|| nomina, praefixi metris Tituli seruârunt, quia superuacaneum videbatur, in praecipuis Religionis nostrae Capitibus per morosas ineptásque Periphrases latiniùs nugari. Die Übersetzung von Menschwerdung in den einzelnen deutsch-lateinischen Wörterbüchern wird unten verglichen. 150 Jedin, Hubert: „Petrus Canisius“. In: NDB 3 (1957), 122–123 spricht davon, dass „der sogenannte Mittlere Katechismus [laut Jedin zuerst 1558] mit 122 Fragen, der für den Gebrauch in Lateinschulen bestimmt war“ als der beste von den drei Katechismen des Petrus Canisius gilt (neben Summa doctrinae christianae, 1554, und Catechismus minimus, 1556). 151 Am Ende der Vorrede von Soarez’ Werk (hier in der Ausgabe Frankfurt 1589, 5) wird die Beschäftigung mit möglicherweise umstrittenen Inhalten der paganen Literatur thematisiert und verteidigt. Soarez schließt mit dem Appell: Illud etiam tibi persuadeas velim, nos nihil magis cupere, quàm vt virtute, & literis maximè sis ornatus, vt Christo Iesu, qui est parens & salus vitae nostrae, gratus sis & iucundus. 152 Korenjak 2016: 37.

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Die unter dem von Leibniz geprägten Begriff Theodizee153 bekannte philosophisch-theologische Rechtfertigung Gottes wird, wie viele Wörter, erst von Georges berücksichtigt. Allerdings vermeidet dieser die schlichte Übersetzung mit theodicaea, wie es in der von Leibniz autorisierten lateinischen Übersetzung seines Werks heißt (nicht theodicia).154 Georges übersetzt vielmehr: „Theodicée, *δικαίωσις quaedam dei.“155 Anstatt auf die rein lateinische iustificatio auszuweichen, die biblisch und bei Kirchenschriftstellern belegt ist,156 rekurriert Georges lieber auf ein griechisches Fremdwort – dies jedoch ohne eine Autorität anzugeben. Der Grund liegt vielleicht darin, dass der theologische Terminus iustificatio ausschließlich die „Rechtfertigung“ des Menschen vor Gott bezeichnet.157 Aber auch δικαίωσις – worin der französische Begriff nachklingt – meint in spezieller Bedeutung diese Art von Rechtfertigung.158 Daher erklärt sich wohl der Zusatz quaedam. Wie in der Einleitung zu diesem Kapitel erwähnt, kann durch Aufnahme bzw. Auslassen eines Lemmas die Konfession eines Lexikographen hervortreten. Dass die Protestanten nicht zögerten, Ablasskrämer und Ähnliches aufzunehmen, leuchtet ebenso ein wie das Zurückschrecken des Jesuiten Bayer vor diesem Lemma. Nicht immer richtig erscheint in den deutsch-lateinischen Wörterbüchern allerdings die Übersetzung des Begriffs Ablass selbst.159 Der folgende etwas längere Kommentar dient dem besseren Verständnis der Sache und deren korrekter Übersetzung. Mit dem Begriff wird in der katholischen Kirche der „Nachlass der zeitli-

|| 153 Essais de Théodicée sur la Bonté de Dieu, la Liberté de l'Homme et l'Origine du Mal (von Leibniz üs.: Versuch einer Theodicaea oder Gottrechts-Lehre von der Güthigkeit Gottes, Freyheit des Menschen und Ursprung des Bösen). Amsterdam: Troyel, 1710. Der Begriff Theodizee lehnt sich vermutlich an Röm 3,5 an; s. LThK 9: 1396–1398 und HWPh 10: 1066–1073. 154 Die Theodizee wurde, autorisiert durch Leibniz, vom Kölner Jesuiten Bartholomäus des Bosses ins Lateinische übersetzt: Godefridi Guilielmi Leibnitii Tentamina Theodicaeae de Bonitate Dei, libertate hominis et origine mali Latine versa, Frankfurt: Bencard, 1719. 155 Georges 71882, II: 1257. 156 Vgl. Art. iustificatio. In: ThLL; hier werden zwei Grundbedeutungen unterschieden (die gesetzliche Vorschrift, gr. διϰαίωμα und die actio iustificandi/διϰαίωσις). Letztere ist belegt in: Röm 4,25 (gr. διϰαίωσις); 5,16.18 (gr. διϰαίωμα); Röm 8,10 (ed. Weber/Gryson 52007; gr. διϰαιοσύνην), dann bei Hil., Filastr., Ambr., Hier., Aug. und Greg. d. Gr. Auch das Verb iustificare entstammt der biblischen und frühchristlichen Literatur (s. Art. iūstifico). 157 Vgl. Art. iustificatio 2. In: ThLL. 158 δικαίωσις meint in der paganen griechischen Literatur das „Gerechtmachen“ (Pape 1914; vgl. Oxford Greek Dictionary) sowohl im Sinne eines Rechtsverfahrens mit Verurteilung (vgl. Thuk. 8,66,2) als auch der Verteidigung vor Gericht (Lys. bei Harpocration, Lexicon in decem oratores Δ: 66), dann auch einer rechtlichen Forderung oder eines Anspruchs (Thuk. 1,141) und überhaupt die Ansicht vom Recht (Dion. Hal. 3,10,3). Häufiger ist das Wort in der patristischen Literatur anzutreffen, vor allem für das Gerechtmachen, für die Rechtfertigung des Menschen durch Gott (vgl. Lampe 1961, 371–372). 159 S.o. Ablaßkrämer u.ä.; vgl. Teipel 1852: 412–414.

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chen Sündenstrafen“160 (remissio poenae temporalis) im Gegensatz zum Nachlass der eigentlichen Schuld (culpa) einer begangenen Sünde (remissio peccatorum) bezeichnet.161 In der lateinischsprachigen Definition der apostolischen Konstitution Indulgentiarum doctrina, mit der Paul VI. im Jahre 1967 das Ablasswesen neu ordnete, wird der semantische Unterschied deutlich: Indulgentia est remissio coram Deo poenae temporalis pro peccatis, ad culpam quod attinet, iam deletis.162 Des Weiteren wird zwischen indulgentia partialis und indulgentia plenaria (Teil- und vollkommener Ablass) unterschieden. In der Bulle Unigenitus Dei Filius (1343) von Papst Clemens VI. heißt es etwas abgewandelt, aber in der Sache gleich: [...] nunc pro totali, nunc pro partiali remissione poenae temporalis pro peccatis debitae [...]. Seit dem 13. Jahrhundert wird in der katholischen Kirche für Ablass allgemein das Substantiv indulgentia verwendet, wenn auch die Bedeutung schon im frühen Mittelalter belegt ist.163 Noch im frühchristlichen Latein bedeutete indulgentia neben den schon früher üblichen Bedeutungen (Nachsicht usw.) die Sündenvergebung an sich.164 Im Übergang von der altkirchlichen Bußpraxis zur sakramentalen Beichte entwickelte sich im frühen Mittelalter aufbauend auf Vorstufen der Ablass als Ergänzung des Beichtsakraments, der eine genaue Unterscheidung zwischen Sündenerlass und Nachlass der Sündenstrafen nach sich zog. Der Ablass wird in der Regel auch im (durch seine Schüler ergänzten) Supplement des dritten Teils der Summa theologica des Thomas von Aquin im Singular wie Plural mit indulgentia bezeichnet.165 Des Weiteren finden sich Verbindungen wie remissio poenae per indulgentias, dimissio poenae temporalis oder plenior remissio poenae est in indulgentiis.166 Das Wort remissio oder dimissio (Nachlass) ist allgemeiner als indulgentia; so kann Thomas das Wort auch in der Verbindung remissio peccatorum, neben remissio poenae, gebrauchen.167 Die Bedeutung ist jedenfalls durch den Kontext eindeutig. Venia hingegen scheint bei Thomas kaum gebräuchlich zu sein.

|| 160 Indulgentiarum doctrina 12, N. 1. 161 Für Todsünde möchte Teipel 1852: 417–418 übersetzen: peccatum mortiferum oder peccatum quod amicitia divina nos privat; letale oder letiferum sind poetisch und unklassisch. 162 Indulgentiarum doctrina 12, N. 1: „Erlaß einer zeitlichen Strafe vor Gott für Sünden, die hinsichtlich der Schuld schon getilgt sind“. 163 Vgl. LThK 1: 53; Art. indulgentia. In: Blaise 1954. Im 11. Jahrhundert wurde laut LThK 1: 53 von südfranzösischen und nordspanischen Bischöfen Ablässe unter den Begriffen absolutio, relaxatio, condonatio, remissio und venia gewährt. Davon finden sich neben indulgentia auch relaxatio und remissio bei Sleumer 31962. 164 Vgl. Art. indulgentia II. D. a. In: ThLL. 165 St III, Suppl. q. 25–27. 166 St III, Suppl. q. 27, a. 4, ad 1; q. 25, a. 2, ad 2; q. 26, a. 2, obi. 2. 167 St III, Suppl. q. 25, a. 3.

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Martin Luther spricht in seiner Disputatio pro declaratione virtutis indulgentiarum168 (besser bekannt in der deutschen Übersetzung als „95 Thesen“) von veniae oder indulgentiae – beides immer im Plural; remissio (plenaria) scheint im spezifischen (Ablass) und allgemeinen (Vergebung) Sinne gebraucht zu sein. Auch hier ist die Bedeutung durch den Kontext stets eindeutig. Viermal ist bei Luther auch das Wort participatio (gemeint ist dreimal die Teilhabe, einmal das Teilhabenlassen am Ablass) – fast immer in der Verbindung remissio et participatio – gebraucht. Außerdem finden sich Verbindungen wie indulgentiarum praedicatores (also Ablassprediger) und per literas veniarum (also Ablassbriefe). Bei der Übersetzung von Ablass lassen sich hingegen sowohl hinsichtlich der Erklärung des deutschen Wortes als auch der lateinischen Übersetzung Unschärfen feststellen. Häufig fehlt bei der Übersetzung der Ausdruck indulgentia, bei Bauer 1798, Scheller 1805, Scheller/Lünemann 1817 und Wüstemann 1826 ganz, bei Bernhold (1757: 2–3) werden zusätzlich gewisse Ausformungen ausdrücklich abgelehnt: Ablaß oder Nachlaß, […] ¶ Die Vergebung der Sünden: Delictorum Oder Peccatorum venia. der Ablaßbrief (dergleichen man in der Römischen Kirche austheilet.): Litterae peccatorum veniae nuntiae; oder quibus veniam pontifex pollicetur peccatoribus. (Nicht: Litterae indulgentiales oder Indulgentiae).

Das Fehlen von indulgentia(e) lässt sich vielleicht dadurch erklären, dass die Autoren nicht zuerst den Lehrbücher verfassenden Theologen im Blick hatten, sondern Schüler und darüber hinaus die gebildete Allgemeinheit. Dennoch bleibt die Übersetzung mit delictorum oder peccatorum venia theologisch unrichtig.169 Da es sich um einen Begriff handelt, der im Rahmen der Reformation auch die Profangeschichte stark betrifft, ist diese Ungenauigkeit doch erstaunlich. Auch im Deutschen wird die Sache ungenau erfasst: Es findet sich bis hin zu Scheller/Lünemann 1817 allein die bei Bernhold 1757 genannte Grundbedeutung des deutschen Wortes Ablass, nämlich Vergebung der Sünden;170 anders formuliert, der theologische Begriff wird nicht genauer differenziert. Ähnlich wie Bernhold beziehen sich Scheller 1805, Scheller/Lünemann 1817 und Bauer 1798 nur auf die Grundbedeutung Vergebung der Sünden und übersetzen mit venia. Im ‚Großen Scheller‘ (31805, I: 29) heißt es: Ablaß, […] 2) i. e. Vergebung der Sünden, venia peccati (peccatorum) und bloß venia: Ablaß geben, veniam (peccati, peccatorum) dare.

Im Handlexicon wird davon eine gekürzte Version geboten:

|| 168 So der Titel im Druck bei Adam Petri, Basel 1517. 169 Vgl. Teipel 1852: 412. 170 Vgl. Pfeifer, Etym. Wörterb.

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Vergebung (der Sünden), venia (peccati, peccatorum). Scheller/Lünemann 31817: 6

Noch schlichter heißt es bei Bauer (21798: 23): Ablaß der Sünden, venia.

Die Aufnahme, erst recht eine theologisch korrekte Deutung des katholischen Ablasses als „Nachlass der zeitlichen Sündenstrafen“ fehlt hier noch. Dennoch nimmt Bernhold Ablaßbrief, Bauer darüber hinaus sogar Ablaßkram, -krämer auf. Selbst das katholische Wörterbuch Bayers differenziert nicht exakt, nimmt aber neben der Grundbedeutung auch das Lemma Vollkommener Ablaß auf und ermöglicht so eine begriffliche Unterscheidung. Ablaß, Nachlaß der Sünden etc. Venia. Indulgentia, ae. f. Remissio, onis. f. *Vollkommener Ablaß. Indulgentiae plenariae, arum, arum. f. pl. Bayer 41740: 8

Eine weitere Ungenauigkeit taucht in jüngeren Wörterbüchern protestantischer Lexikographen auf: Dort wird Ablass als „Erlaß der Kirchenstrafen“ (Lünemann, Wüstemann) bzw. als „Erlassung der kirchlichen Strafe wegen begangener Sünden“ (Kraft) gedeutet.171 Kirchenstrafen sind aber nicht identisch mit Sündenstrafen. Jene sind von der Kirche ausgesprochene disziplinarische Strafen gegenüber Laien und Klerikern, die bestimmte Straftaten im Rahmen des kirchlichen Rechts begangen haben. Einen recht ausgewogenen Artikel scheint dennoch Lünemann (1821: 59) verfasst zu haben: Ablaß, der, […] 3) Erlaß der Kirchenstrafen, Vergebung der Sünden, (vulg. indulgentia); venia; venia papalis; venia Romani pontificis. vollkommener A., plena noxarum poenarumque remissio, rec. q. A. verkündigen, peccatorum veniam promulgare. A. ertheilen, veniam alicui et impunitatem dare, Cic. Phil. 8. 11 [ = 8, 32]. Sprichw. Ablaß nach Rom tragen, noctuas ferre Athenas.

Durch die Doppelerklärung „Erlaß der Kirchenstrafen, Vergebung der Sünden“ wird die Bedeutung allerdings wieder verunklart. Wie bemüht Lünemann um präzise lexikographische Erschließung einzelner Wörter war, zeigt die Aufnahme einer damals offenbar selbstverständlich gebrauchten Variante des Sprichworts „Eulen nach Athen tragen“, nämlich „Ablaß nach Rom tragen“. Die in der katholischen Kirche übliche Formulierung indulgentiae plenariae für vollkommener Ablass ersetzt er durch eine klassische Wendung (plena noxarum poenarumque remissio), die im Gegensatz zu Bayer eine gewisse Distanz zum kirchlichen Sprachgebrauch zu offen|| 171 Lünemann 1821: 59; Wüstemann 1826, I: 14; Kraft 41843, I: 29.

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baren scheint. Dies erklärt sich durch unterschiedliche Konfessionszugehörigkeit. Überraschend ist auch die Fülle an Lemmata, die Lünemann im Zusammenhang mit Ablass anführt, nämlich von Ablaßgeld bis Ablaßwoche insgesamt neun. Im Vergleich zu seiner Bearbeitung von Schellers Handlexicon zeigt sich ein großer lexikographischer Fortschritt. Hinter diesen fallen die beinahe gleichzeitig wirkenden Lexikographen Wüstemann und Kraft nicht zurück. Ersterer folgt Lünemann in weiten Teilen, nicht ohne nach eigener Art deutlich zu kürzen. Kraft hingegen scheut sich nicht, neben ähnlichen Formulierungen, wie sie Lünemann und Wüstemann haben, als einziger unter den protestantischen Wörterbüchern auch die unklassische Verbindung „indulgentiae plenariae, Eccl.“ zu berücksichtigen. Erlassung der kirchlichen Strafe wegen begangener Sünden, indulgentia; venia, remissio peccatorum a pontifice Romano promissa, promulgata. ein vollkommener A., indulgentiae plenariae, Eccl. A. verkündigen, promulgare veniam delictorum, peccatorum. A. predigen, indulgentias praedicare; ad delicta argento expianda invitare, Mosheim. Kraft 41843, I: 29

Allerdings zeigt sich bei Kraft durch die Aufnahme bestimmter Formulierungen auch eine Spitze gegen das Ablasswesen, zum Beispiel wenn er den lutherischen Kirchengeschichtsschreiber Johann Lorenz von Mosheim (1693–1755) zitierend für Ablass predigen schreibt: ad delicta argento expianda invitare.172 Teipels Kommentar (1852: 413): Zur gerechten Entrüstung aber muss es den Katholiken bringen, wenn Kraft unter Mosheimischer Firma ‚Ablass predigen‘ also überträgt: ‚ad delicta argento expianda invitare.‘ Also Sündenverzeihung durch Geld erwerben!! Wol können Werke der christlichen Barmherzigkeit, kann Eifer für eine heilige und gute Sache, die man durch Geld unterstützt, nebst Anderm dazu beitragen, Nachlass zeitlicher Sündenstrafen zu erlangen, aber Sünden durch die man Gottes Gnade verloren hat, kann nach katholischen Glauben alles Gold der Erde nicht sühnen.

Fehlt ein eindeutiger Terminus wie indulgentia, kommt es leicht zu Missverständnissen oder Ungereimtheiten. So könnte bei Wüstemann Ablass mit der sakramentalen Absolution leicht verwechselt werden, da man nach Wüstemanns Wörterbuch für beides venia peccatorum o.ä. verwenden könnte. Gegebenenfalls muss hier der Benutzer selbst durch den Kontext Eindeutigkeit herstellen. Bei Wüstemann (1826, I: 14; 25) heißt es: Ablaß, der, […] 3) Erlaß der Kirchenstrafen: venia Romani pontificis. venia od. remissio peccati od. peccatorum a pontifice Romano promissa. – Abl. verkündigen, promulgare veniam peccatorum. – Abl. ertheil., veniam alicui et impunitatem dare.

|| 172 S.o. auch Ablaßkrämer.

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Absolution, die, solemnis peccatorum per sacerdotem liberatio. – venia alicujus peccatis data. // Absolviren, 1) vollbringen, perficere. absolvere. – 2) frei sprechen, absolvere (vor Gericht). – peccatorum veniam et impunitatem promittere dei nomine (vom Priester). – absolvirt werden, peccatorum veniam, poenae remissionem impetrare. – der Priester absolvirt ihn, sacerdos alicujus peccatis veniam a deo petit. Absolvirung, die, 1) absolutio. perfectio. – 2) promissa poenae meritae remissio. promissa u. data alicujus peccatis per sacerdotem venia.

Das Problem entsteht daraus, dass die Erläuterung des Lemmas Ablaß („Erlaß der Kirchenstrafen“) durch die Wendungen mit peccatum ungenau wiedergegeben wird. Hinzukommt, dass Wüstemann in der Übersetzung von Absolviren und Absolvirung von der Befreiung von den Strafen spricht (impunitas, poenae remissio, promissa poenae meritae remissio), was aber eher für Ablaß passen würde. Wenn es um Ablass in der Bedeutung „Nachlass der Sündenstrafen“ geht, ist letztlich einer Wendung wie veniam alicui et impunitatem dare daher der Vorzug zu gewähren, wenn man denn schon auf den prägnanten tradierten Begriff indulgentia verzichten möchte. Die Erklärung für die Unklarheiten liegt also im ungenauen Gebrauch des deutschen Wortes Ablass. Adelung (1793, I: Sp. 63) schreibt in seinem Wörterbuch: Der Ablaß, […]. 3) In der Römischen Kirche eigentlich die Erlassung oder Milderung der kirchlichen Strafe der Sünde, Indulgenz; ob es gleich auch sehr häufig von der Vergebung der Sünde selbst gebraucht worden, und zum Theil noch jetzt gebraucht wird.

Adelung konstatiert also für Ablass zwei Bedeutungen: die spezielle Bedeutung Nachlass der kirchlichen Strafen, die eine Sünde nach sich zieht, zum anderen die Vergebung der Sünden selbst. Offenbar ist hier (wie auch bei Lünemann, Wüstemann und Kraft) mit kirchlicher Strafe bzw. Kirchenstrafe die zeitliche Sündenstrafe gemeint, die der Ablass mildert oder aufhebt. Wie oben gesehen, wird auch häufig im deutschen Begriff die spezielle Bedeutung vorausgesetzt, aber dennoch eine zu allgemeine Übersetzung im Lateinischen gewählt, wie remissio oder venia. Georges (71882, I: 40) beschreitet hier einen anderen Weg. Der Abschnitt lautet bei ihm: Ablaß, I) tr.: […] 2) das Nachlassen, Erlassen der Sünden: poenitentiae venia; gratia alcjs rei; indulgentia (Eccl.). – um A. bitten, indulgentiam petere: A. ertheilen, indulgentiam dare; poenitentiae veniam dare; gratiam alci facere alcjs rei: A. erlangen, *indulgentiam impetrare: A. verkündigen, predigen, *indulgentiam promulgare od. (insofern er verkauft wird) nundinari.

Sofort fallen die Übersetzungen mit gratia ins Auge, da das Wort bei anderen Autoren noch nicht vorkam. Die Wendung gratiam alci facere alcjs rei ist in dieser Form und Bedeutung („jemandem etwas erlassen, in einer Sache Nachsicht gewähren“)

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seit Sallust und später u.a. bei Livius und Sueton belegt.173 Aber auch Georges unterschlägt in seinem semantischen Kommentar zum Lemmaa die genaue Bedeutung des kirchlichen Ablasses und schlägt – wie die älteren Wörterbücher bis Scheller – nur die alte Grundbedeutung des Wortes („Nachlassen, Erlassen der Sünden“) vor. Auch fehlt jeglicher Bezug auf das Privileg, das die Päpste aufgrund ihrer Schlüsselgewalt für die Gewährung von Ablässen beanspruchen.174 Die bei allen Lexikographen fast durchgängig übliche Übersetzung von Abendgebet und Abendandacht lautet preces vespertinae.175 Drei Wörterbücher jedoch verwenden darüber hinaus christlich tradierte Formulierungen, so bei oratio vespertina (Kirsch) und meditatio vespertina bzw. meditatio de rebus divinis tempore vespertino (Bauer und Kraft).176 Oratio wird seit der Vetus Latina und Tertullian mit der Bedeutung Gebet verwendet,177 und meditatio nennt man in der christlichen Literatur die kontemplative Betrachtung, vor allem der heiligen Schrift, des göttlichen Gesetzes und der göttlichen Taten.178 So steht dieses Wort bei Bauer und Kraft durchaus passend bei Abendandacht.179 Georges schließlich konkretisiert den Zeitpunkt des Gebets und verzichtet auffälligerweise auf die sonst üblichen preces vespertinae: „*precatio ante somnum facta (das Beten). – supplicatio vespertina (das Gebet [Eccl.])“.180

|| 173 Vgl. Art. grātia. In: ThLL 6, 2, 2217,64–2218,12. 174 Vgl. LThK 1: 56. Teipel (1852: 412–413) tadelt allerdings die Formulierung venia pontificis Romani in anderen Wörterbüchern, „denn das wäre etwa eine Verzeihung, die einem der Papst gebe, wenn man ihn persönlich beleidigt habe“. 175 Prex ist sowohl bei heidnischen als auch christlichen Autoren das Gebet und das Beten im allgemeinen Sinne, im privaten und öffentlichen Bereich (s. Art. prex, II. In: ThLL). Vor allem bei ersteren heißt das Wort auch Verwünschung und magische Gebetsformel. Bei Christen wird damit oft das Fürbittgebet und das Gebet in der Liturgie bezeichnet, speziell auch der Kanon der Messe. 176 Kirsch 1714: 4 (in Kirsch 21774: 6 durch preces vespertinae ergänzt); Bauer 21798: 7; Kraft 41843, I: 10. 177 Z.B. Tert. orat. 1 (CSEL 20,181,16), speziell ist mit oratio auch das Pater noster (z.B. ebd. 181,18), das Gebet in der Messe (z.B. Tert. apol. 39,18) oder eine andere Gebetsform gemeint; s. ōrātio, Caput alterum. In: ThLL. 178 Seit dem 4. Jh. (u.a. Hil., Rufin., Hier., Ambr.); s. Art. meditātio, I. A. 2. In: ThLL. Im Klassischen meint es das Nachdenken in Vorbereitung auf eine Tat oder die geistige Vorbereitung überhaupt (vgl. ebd. Art. meditātio I. und III.). 179 Kraft ergänzt seine Übersetzung mit dem Hinweis: „= Abendgebet: preces vespertinae“. 180 Georges 71882, I: 10; zu supplicatio vgl. u.a. Cassian. (4./5. Jh.), Inst. 2, 7, 2 (CSEL 17,23,15, stantes in supplicatione); Faustus von Riez (5. Jh.), Grat. 1,3 (CSEL 21,16,29, beneficia supplicationis); Sacram. Leon. (ed. Charles Lett Feltoe 1896) p. 2,15 (pia supplicatio); p. 2,28 (supplicationibus nostris). In der paganen Literatur meint supplicatio einen offiziellen Gebetsakt oder -tag zum Dank oder zur Bitte der Götter. Precatio wird sowohl in der heidnischen als auch christlichen Literatur ähnlich wie prex für Gebet und Beten gebraucht (s. Art. precatio, 1. a. In: ThLL). Bei den Christen ist es ein Synonym für die häufiger anzutreffenden oratio.

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Bei Auferstehung lassen sich auf den ersten Blick zwei Gruppen unterscheiden – diejenigen, die resurgere und resurrectio (oder nur letzteres) aufnehmen und jene, die das nicht tun. Prominent kommt es im lateinischen Credo vor: Et resurrexit tertia die... Während bei Bernhold 1757 und Bauer 1798 (zitiert in Kap. 5.5) das Wort resurgere bzw. resurrectio gewiss aus sprachpuristischen Gründen nicht zu finden ist, wurde dieses christliche Interpretament noch von Kirsch 1714 und von dem Jesuiten Bayer 41740 (dieser bereits mit der diastratischen Markierung, vulgo!) ohne größere Berührungsängste verwendet.181 Scheller bleibt auch bei diesem Beispiel seiner pragmatischen Linie treu. Da man hier seine Arbeitsweise gut beobachten kann, sei der ganze Artikel zitiert: Auferstehen, [...] i. e. von den Todten auferstehen, wird von denen, die die Worte des goldnen Alters lieben, übersetzt in vitam redire cet., welches aber eigentlich heißt wieder lebendig werden. Wenn einer wieder lebendig würde, aber liegen bliebe, so zweifle ich, ob wir von ihm sagen würden, er sey von den Todten auferstanden. Unterdessen ist in vitam redire nicht zu verachten; auch lässt sich sagen ab inferis redire. Die Kirchenväter sagen resurgere, welches die Sache besser ausdrückt, z. E. mortui resurgent: eben so resurrectio. Auferstehung, reditus in vitam: oder mit den Kirchenvätern resurrectio, z. E. Christi, mortuorum. Scheller 31805, I: 209

Scheller schiebt hier die einfachste Lösung (resurgere) ganz an das Ende des Artikels. Für Klassizisten, „die die Worte des goldnen Alters lieben“, stellt er die Wendung in vitam redire an den Anfang. Diese Übersetzung stuft er dann mit spitzfindiger Begründung als unadäquat, wenn auch nicht als eine zu tilgende ein, und schlägt mit den Kirchenvätern als genaueste Übersetzung resurgere bzw. resurrectio vor. Wüstemann (1826, I: 91) hat sich für einen Mittelweg entschieden: Auferstehen, reviviscere. in od. ad vitam redire. ab inferis exsistere, reducem fieri. Auferstanden, ab inferis revocatus, redux factus. Auferstehung, die, reditus in vitam. – resurrectio (bei Lactant.). Auferstehungstag, der, 1) von Christus: dies Christo ad vitam redeunti sacer (Neuer[e].). – 2) der Menschen, tempus, quo mortui in vitam redibunt (Neuer[e].).

Das vor allem in der Vulgata gebräuchliche, aber auch seit Tertullian und Laktanz benutzte resurgere fehlt bei ihm als Übersetzung des Verbums Auferstehen.182 Das im

|| 181 Kirsch 1714: 31 (wo die Alternative reditus in vitam noch fehlt!); 21774: 84; Bayer 41740: 48; Bayer/Mayer 121819: 98–99. 182 Im OLD, das die christliche Literatur nicht berücksichtigt, ist resurrectio als Lemma gar nicht verzeichnet, resurgere wird in der eigentlichen Bedeutung (denuo surgere, d.h. wieder aufstehen, sich wieder erheben) behandelt. Das poetische Wort findet sich vor allem bei augusteischen und kaiserzeitlichen Dichtern, seltener Prosaikern (bei Livius 24,45,3 – res Romana […] uelut resurgere ab stirpibus uideatur – daher mit dem Zusatz uelut, vgl. Krebs/Schmalz 71905: 513) und dann in der

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christlichen Bereich häufiger als das Verb gebrauchte Substantiv resurrectio (gr. ἀνάστασις) für Auferstehung wird mit entsprechender Markierung aufgenommen.183 Die häufigste Alternative zu resurgere und resurrectio in den verglichenen Werken sind die klassisch gebildeten Pendants redire bzw. reditus in (oder ad) vitam184 und reviviscere185. Als extremer Klassizist bringt Bernhold 1757 nur diese beiden Interpretamente.186 Vor allem bei den jüngeren Wörterbüchern und besonders zahlreich bei Bauer und Georges finden sich darüber hinaus gut klassische Alternativen.187

|| christlichen Literatur: Vulg. Kol 2,12 (durch die Taufe), über Christus in Vulg. 2 Tim 2,8, Mt 17,9 (a mortuis), in Mt 16,21 (tertio die), Mk 8,31 (post tres dies), Lk 7,22, bei Lact. inst. 4,10,3; 4,18,4; 4,19,6 (tertio die), Tert., Claud., Aug., Hier.; vgl. Forcellini 1940; Blaise 1954. 183 Resurrectio bleibt im Gegensatz zum dazugehörigen Verb auf den christlichen Bereich beschränkt und wird häufig in Verbindung mit einem anderen Wort expliziert. Mit De resurrectione carnis (auch: mortuorum) ist ein Werk Tertullians überschrieben (s. auch Vulg. Mt 22,31, 1 Kor 15,12– 13.21.42 u.a.; Aug. de civ. 22,28 et passim). Andere Verbindungen finden sich bei Lact. 4,19,9 und 20,4 (eius, i.e. domini), Sulp. Sev. chron. 2,33,5 (dominica), Vulg. Lk 20,35 (ex mortuis), Iren. 1,10,1 (r. a mortuis, gr. ἔγερσις ἐκ νεκρῶν), Vulg. 2 Makk 7,14 (ad vitam), Offb 20,5 (prima). Absolut findet man resurrectio in Vulg. Mt 22,23, Joh 11,25 und öfter. Wüstemann und Lünemann (1821: 419) berufen sich nur auf Laktanz. 184 Diese Übersetzung findet sich in allen Wörterbüchern; vgl. Krebs/Schmalz 71905: 513. Bei Marius Victorinus (3./4. Jh.) wird mit reditus speziell die Rückkehr Christi zum Vater (Ephes. 4,10) oder der Seele zu Gott (hymn. 2) bezeichnet (nach Blaise 1954, wo keine Belegstelle mit der Bedeutung Auferstehung zu finden ist). 185 Diese Übersetzung findet sich überall außer bei Kirsch, Bayer 41740 und Scheller. Reviviscere hat im klassischen Latein die Bedeutung wieder lebendig werden (z.B. Cic. Mil. 79, de fin. 4,61), wieder erstarken (z.B. Cic. Sest. 83, Phil. 13,38). In dieser Bedeutung findet es sich auch in Vulg. Gen 45,27 und Röm 7,9. Im christlichen Latein wird reviviscere aber seltener gebraucht als resurgere, in den biblischen Büchern: Vulg. 1 Kön 17,22; 2 Kön 13,21; Röm 14,9; Lk 15,24.32; bei Blaise 1954 sind drei Stellen zitiert: Tert. res. 12 (über die Wiedergeburt des Tages); Aug. solil. 1,3,3 (Deus, a quo exire, emori; in quem redire, r. (sc. est)); Arnobius Iunior, Commentarii in Psalmos 105 (CCSL 25, 164,69–70, […] qui […] mortui sunt in peccatis suis, ut nostris precibus reuiuiscant […]). 186 Bernhold 1757: 14; zitiert in Kap. 5.3.2. 187 Krebs/Schmalz (71905: 513) schlagen über redire in vitam und reviviscere hinaus vor: vitae reddi (wie auch bei Bauer 21798: 202), ab inferis exsistere (wie auch bei Kirsch 1714: 31 und Kirsch 21774: 84; Lünemann 1821: 419; Wüstemann 1826, I: 91; Kraft 41843, I: 215; Georges 71882, I: 304). Weitere Möglichkeiten für auferstehen: „a morte redire, vitam recipere, reuiuiscere, in vitam reuocari; aus eigner Macht, vitam repetere“ (Bauer 21798: 202); „ab Orco reducem in lucem fieri (aus der Unterwelt, aus dem Orcus in die Oberwelt zurückkehren). – ab inferis excitari od. suscitari od. revocari (von den Todten auferweckt werden). – de sepulcro insurgere (sich aus dem Grabe erheben, aus dem Grabe auferstehen). – ex sepulcro exire (aus dem Grabe hervorgehen). – der Leib wird auferstehen, post putrescentium membrorum tabem corpus ex se rursus renascetur (nach Mela 3, 8, 10)“ (Georges 71882, I: 304). Weiterführende Alternativen für Auferstehung sind: „reuocatio a morte; noua vita: erste, geistliche, vita noua, sancta; melioris sensus, moris, initium [vielleicht ist diese zweitere Bedeitung zu verstehen als: Beginn einer besseren Gesinnung (sensus) oder eines christlichen Lebenswandels (moris, ge-

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Georges kann stilistisch im Gegensatz zum extremistischen Bernhold weder als zu puristisch noch als zu lax gelten. Manchmal weicht Georges auf diesem Mittelweg von der Linie der anderen Lexikographen ab: „resurrectio (Eccl.)“ lässt er als Möglichkeit neben „*reditus in vitam“ für Auferstehung noch gelten,188 nicht aber den spätestens seit dem 4. Jahrhundert im christlichen Latein eingebürgerten Begriff incarnatio189 für Menschwerdung. Stattdessen schlägt er vor: susceptio hominis (Augustin. serm. 67, 7); Christus humani habitus humilitatem suscipiens (nach Tert. adv. Marc. 2,16). Georges 71882, II: 355

Mit dieser sogar incarnatio ausschließenden klassizistischen Tendenz steht Georges fast allein: Nur Scheller und mit ihm Lünemann haben incarnatio auch weggelassen. Alle anderen Lexikographen haben incarnatio aufgenommen mit Verweis auf den kirchenschriftstellerischen Gebrauch.190 Daneben bieten sie Alternativübersetzungen, so etwa humana natura Christo adscita bei Bauer, das dann von Scheller/Lünemann und Wüstemann übernommen wird.191 Auch Christus homo natus steht zuerst bei Bauer und wird von Wüstemann übernommen.192 Kirsch spricht von der humanae naturae assumtio [!]. Diese Verbindung taucht bei Scheller, Scheller/Lünemann (adsumtio corporis), Wüstemann (corporis assumtio) und Kraft (assumptio corporis humani) in variierten Formen wieder auf.193 Daneben findet sich noch etliches Sondergut einzelner Lexikographen.194 Das einzige sich allein auf die

|| wöhnlich für diese Bedeutung aber Plural)]” (Bauer 21798: 202). Bei Georges 71882, I: 304 findet sich ein ausführlicher Eintrag zum Auferstehungstag. 188 Georges 71882, I: 304. 189 Vgl. Art. incarnatio. In: ThLL; Blaise 1954; Souter 1949. Zuerst bei Hilarius, trin. 2,33 (CCSL 62,69,15; vgl. Blaise 1954, nicht im ThLL) oder in der lat. Üs. von Irenäus von Lyon 3,19,1 (und öfter) für gr. σάρκωσις; dann bei den beiden Bischöfen von Brescia am Ende des 4. Jhs. Filastrius 107,11 (CCSL 9,271,56) und Gaudentius, serm. 13,6 (CSEL 68,116,42); 19,33 (CSEL 68,173,265; als Synonym für incorporatio); in diversen Buchtiteln (z.B. Ambr., De incarnationis dominicae sacramento oder im 5. Jh. [?] Cento de verbi incarnatione versibus Vergilianis compositus) und bei Cassian., Rufin., Hier., Aug., u.a. als Übersetzung von gr. ἐνανθρώπησις in Cyrilli Scholia de incarnatione unigeniti (ACO I 5, p. 197, 7) und epist. Leonis ad Flavianum (ACO II 2, 1 p. 25, 8). 190 Kirsch 21774: 553 („incarnatio. Theol.”); Bauer 21798: 1766 („(incarnatio,)“); Wüstemann 1827, II: 125 („incarnatio […] (Kirchenschr.).“); Kraft 41844, II: 252 („incarnatio, Eccl.“). 191 Bauer 21798: 1766; Scheller/Lünemann 31817: 535; Wüstemann 1827, II: 125. 192 Bauer 21798: 1766; Wüstemann 1827, II: 125. 193 Kirsch 21774: 553; Scheller 31805, II: 1959; Scheller/Lünemann 31817: 535; Wüstemann 1827, II: 125; Kraft 41844, II: 252. 194 Divinae ac humanae naturae in Christo consociatio, onis. f. Pomey. (Bayer/Mayer 121819: 616); adventus corporalis in mundum (Scheller 31805, II: 1959; von Scheller/L. 31817 nicht übernommen); Christus humanam naturam induens (Kraft 41844, II: 252) und die oben zitierten Übersetzungen von Georges 71882, II: 355.

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kirchliche Tradition verlassende Wörterbuch ist der jesuitische Paedagogus Latinus (zuerst 1724; hier: 41740: 439195), wo es heißt: Menschwerdung Christi. Incarnatio (onis. f.) D. N. J. C.

Klassische Alternativen fehlen. Teipel schließt sich an: „[… die Aufnahme von incarnatio,] was wir billigen, denn für neue Ideen darf die Sprache analoge Worte schaffen“.196 An wichtiger Stelle im lateinischen Credo wird die verbale Fassung verwendet: et incarnatus est de Spiritu Sancto. Als erstes hat Bayers Wörterbuch Advent aufgenommen.197 Übersetzt wird es naheliegend mit adventus, was in Mayers Bearbeitung (1819) wie folgt ergänzt wird: „Advent, Adventszeit. Adventus, us, m. Dies (erum m. pl.), quibus Christi in terras adventus in Ecclesia celebratur.”198 Die Erwähnung der Kirche ist Eigenheit des Paedagogus Latinus von 1819. Die Betonung der Kirche, auch durch die Großschreibung von Ecclesia manifestiert, scheint eine rein katholische Gepflogenheit zu sein. Georges hingegen verzichtet überraschenderweise ganz auf das Lemma.199 In der frühchristlichen Literatur wird hier zwischen der ersten und zweiten Ankunft Christi, also zwischen Menschwerdung und Wiederkunft, unterschieden.200 Früheste Spuren einer liturgischen Adventszeit gehen auf die Spätantike zurück; in dieser Zeit wurde die Feier der ersten Ankunft Christi mit adventus Domini bezeichnet.201 || 195 Zuerst 11724: 439. In Bayer/Mayer (121819: 616) wird es mit einer weiteren Formulierung ergänzt. Mit der Angabe Pomey ist eine Ausgabe des Wörterbuchs des französischen Jesuiten FrançoisAntoine Pomey (1618–1673) mit dem Titel Le Dictionnaire Royal des langues françoise et latine (zuerst Lyon 1664) gemeint, vielleicht in einer der deutsch-französisch-lateinischen Ausgaben Le Dictionnaire Royal – Dictionarium regium – Königliches Dictionarium. Frankfurt am Main 1681 (s. Jones 2000: Nr. 924); zumindest das deutsche Lemma Menschwerdung ist nicht enthalten in der ersten Auflage von Le Grand Dictionnaire Royal – Magnum dictionarium regium – Das grosse königliche Wörter-Buch. Frankfurt am Main 1690 (zahlreiche Auflagen, s. Jones 2000: Nr. 925, 927). Vgl. oben die von Jakob Balde S.J. bezeugte Auseinandersetzung über christliche Begriffe. 196 Teipel (1852: 430) verweist u.a. auf Aug. de civ. 10,29 (incarnationem incommutabilis filii dei, s. ebd. auch incarnationem, qua hominis animam corpusque suscepit); weitere Stellen s. Art. incarnatio. In: ThLL. 197 Advent findet sich noch nicht bei Kirsch 1714 und 21774 oder bei Bernhold 1757, aber bei Hederich 1753: 99 (Advents-Zeit). 198 Bayer 41740: 20; Bayer/Mayer 121819: 39. 199 Auch im Grimm’schen Wörterbuch fehlt das Lemma. Adelung hingegen bezeichnet es als „ein Kirchenwort“ (Adelung 1793, I: Sp. 172). Das lateinische Wort adventus wurde im 13. Jh. ins Mittelhochdeutsche und Mittelniederdeutsche (advente) entlehnt (vgl. Kluge 2012). 200 S. Art. aduentus, I. 6. In: ThLL. 201 Frühe Spuren einer liturgisch geprägten Adventszeit weisen in das 4.–6. Jahrhundert (vgl. LThK 1: 171–172). Dem entspricht der sprachliche Befund: „Das lateinische Wort [adventus] hat seit dem 5./6. Jh. in der christlichen Kirche die technische Bedeutung ‛Vorbereitungszeit für die [Feier der] Ankunft Christi’“ (Kluge 2012; die folgenden Belegstellen nach Blaise). Dies ergibt sich u.a. aus

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Auch für Scheller202 und Lünemann203 ist adventus erste und einzige Wahl, während Bauer und Kraft darauf verzichten. Bauer (21798: 58) beschränkt sich bei Advent, Adventslied, Adventspredigt teils auf klassisch geprägte Umschreibungen, offenbar um den christlich geprägten, prägnanten Begriff adventus zu vermeiden: Advent, m. Adventszeit, f. tempus ante festum Christi nati. Adventslied, Adventspredigt, canticum, concio ante festum Christi natale.

Elaborierter heißt es dann bei Kraft (41843, I: 75):204 † Advent, der, Adventszeit, die, tempus ante sollemnia Christi nati; hebdomades, quae anniversariam Christi nati memoriam antecedunt. Adventsonntag, der, dies solis adventui Christi sospitatoris sacer.

Auf gleiche Weise verfährt Wüstemann. Auch er verzichtet auf adventus für Adventzeit, wofür er eine elegante klassische Wendung setzt. Bei Adventsonntag sieht er sich aber wie Kraft in der Lage, adventus zu verwenden. Adventsonntag, der, dies sacer, quo Christi adventum celebramus.

|| den spätantiken liturgischen Gebetssammlungen: So wird im Sacramentarium Gallicanum (PL 72, 457) mit adventus Domini die liturgische Adventszeit bezeichnet. Diese Zeit wird auch bei Ps.-Ambr. Serm. 1,1 (PL 17, 604) (hoc tempus […] non immerito Domini aduentus uocatur) und bei Ps.Eutychianus-Papa (PL 5, 166C) (ab aduentu Domini usque ad transactas octauas Epiphaniae) so genannt. In wörtlicherem Sinne heißt es im Sacramentarium Gelasianum 2,83 (zugeschrieben Papst Gelasius, 492–496) über das Weihnachtsfest: aduentum Vnigeniti tui cum summa uigilantia expectare. Im ThLL finden sich keine Belege mit der adventlichen Bedeutung. 202 Bei Scheller (31805, I: 73) wird zum ersten Mal zwischen Advent als Sonntag und Advent als Zeitraum des Kirchenjahres unterschieden: „Advent, adventus. Der erste (zweyte etc.) Adventssonntag, wofür Viele der erste (zweyte etc.) Advent sagen (wie der erste, zweyte etc. Trinitatis statt der erste, zweyte, Sonntag nach dem Trinitatisfeste), primus dies sacer (oder festus) Adventus Iesu: oder insgemein primus dies dominicus adventus Iesu. Adventszeit, tempus adventus Iesu: oder tempus, quo dies dominici adventus Iesu celebrantur. So auch der erste Adventssonntag, s. Advent.“ Im ‚Kleinen Scheller‘ ist die Aufteilung wieder zu Ungunsten des Benutzers zurückgenommen: „Advent oder Adventssonntag, insgemein, dies dominicus adventus Jesu, ei, i, m.“ (Scheller/Lünemann 31817: 16; Schönberger 21842: 13). 203 Lünemann 1821: 146 folgt in der Einteilung des Artikels dem Beispiel des ‚Großen Schellers‘: „Advent, der, i. e. Ankunft, adventus. der erste, zweite A., i. e. der erste, zweite Sonntag der Zukunft [!] Christi, primus, secundus dies sacer, quo Christi adventus celebratur. // Adventzeit, die, tempus, quo exspectati divini partus memoria celebratur; hebdomades quae anniversariam nascentis Christi memoriam praecurrunt, rec. in der A., per tempus adventus Christi, rec. q.“ Hervorzuheben ist v.a. die erste Übersetzung von Adventzeit, die zu Gunsten einer klassischen Verbindung auf die christliche Konnotation verzichtet. 204 Sospitator ist ein seltenes, nachklassisches Wort (Apul. met. 9, 3; apol. 64; mund. 24; über Christus, geschickt aus dem Himmel: Arnob. 2, 74), gleichbedeutend mit salvator.

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Adventzeit, die, tempus, per quod exspectati partus Christi memoria celebratur. Wüstemann 1826, I: 37

Nicht immer wird die Bedeutung des in der katholischen Kirche gebeteten Rosenkranzes genau erfasst: Bei Bauer heißt „Rosenkranz beten“ precibus solitis fungi; precandi orbem absoluere, percurrere.205 Damit könnte auch eine Litanei gemeint sein, wie Teipel zu Recht anmerkt. Neben der Wendung precandi orbem absoluere von Bauer übernimmt Kraft von Mosheim das pejorativ klingende sacra quaedam verba ad certum globulorum numerum murmurare.206 Georges entschärft dies durch preces ad certum globulorum numerum fundere, was freilich nichts daran ändert, dass dies nur im Zusammenhang verständlich ist. Deshalb führt Georges noch die als t.t. gekennzeichnete Übersetzung rosarium an.207 Auch Wüstemann (1827, II: 295) übersetzt sachlicher und korrekter: Rosenkranz, der, […] uneigentlich, Paternoster: rosarium. sphaerulae precatoriae. globuli quibus apud Catholicos numerantur preces (Neuere).

Dabei ist rosarium der übliche kirchliche Ausdruck, wie ihn auch Bayer hat.208 Das im Kommentar angeführte „Paternoster“ wurde – so bezeugt auch Adelung – metonymisch für den ganzen Rosenkranz gebraucht.209 Zur zweiten Wendung bemerkt Teipel: „Das Wort sphaerula hat meines Wissens ebensowenig, als precatorius klassische Gewähr.“210 Sphaerula ist nur in christlicher Literatur (Vulgata, Augustinus) belegt, precatorius findet sich daneben auch im Donatkommentar zum Phormio.211 Teipel erwähnt zudem, dass laut einem Gebet am Rosenkranzfest „Rosenkranz beten“ vitae, mortis et resurrectionis Christi mysteria sanctissimo beatae Mariae virginis rosario recolere heiße. 6.3.2.3 Fazit Was schon im Fazit zu geistesgeschichtlichen Modewörtern festgestellt wurde, gilt noch stärker für die theologischen Begriffe. Hier bestätigt sich der Eindruck der Individualität der Lexikographen. Auch lässt sich die lexikographische Entwicklung vom Anfang des 18. bis zum Ende des 19. Jahrhunderts anhand der immer genaueren Differenzierung der Semantik gut zeigen.

|| 205 Bauer 21798: 2100. 206 Kraft 41844, II: 543. 207 Georges 71882, II: 792. 208 Bayer 41740: 506. 209 Adelung 1793, III: 670. 210 Teipel 1852: 415. 211 Vgl. Art. precātōrius. In: ThLL.

294 | Untersuchungen zum lateinischen Wortschatz

Konfessionelle Prägungen oder gar Polemiken finden sich in den deutschlateinischen Wörterbüchern des 18. und 19. Jahrhunderts nur punktuell. Bei einigen Lemmata lässt sich eine konfessionelle Färbung durchaus feststellen, zum Beispiel bei der Aufnahme von Ablasskram oder bei Firmung, wo konfessionell bedingt unterschiedliche Bedeutungen zugrunde gelegt werden. Überraschend ist die größtenteils puristische Haltung des katholischen Priesters Friedrich Teipel (1852) bei gleichzeitiger Berücksichtigung der kirchlichen Literatur. Er kommentierte ausgewählte theologische Begriffe in zeitgenössischen Wörterbüchern aus Sicht des katholischen Sprachgebrauchs. Seine Hinweise und Korrekturen dienen der Versachlichung einiger polemischer Nuancen und wurden in Teilen etwa bei Georges aufgegriffen. Aber schon von Anfang an und verstärkt in der sogenannten Ciceronianismusdebatte der frühen Neuzeit wurde die Frage diskutiert, wie weit sich das Christentum der klassischen Sprachnorm unterwerfen solle. Sie erreicht ihren Höhepunkt im Ciceronianus des Erasmus. Anhand des Lemmas Auferstehung u.a. veranschaulichten wir den lexikographischen Gegensatz zwischen strengen Cicero-Puristen und liberaleren Philologen, die paganen Klassizismus ablehnten und den Wortschatz des christlichen Lateins billigten. Es bilden sich grob zwei Lager: Die einen nehmen auch den christlichen Gebrauch, hier mit resurgere und resurrectio, auf, andere wie Bernhold (1757) und Bauer (1798) streichen ihn aus Gründen des Sprachpurismus. Für Kirsch (1714) und Jesuit Bauer (1724) war der christliche Sprachgebrauch noch selbstverständlich. Nach Bernhold und Bauer taucht er seit Scheller (1805) wieder auf. Wüstemann (1826) lässt zwar resurrectio (gr. ἀνάστασις) für Auferstehung mit Hinweis auf Laktanz zu. Das vor allem in der Vulgata gebräuchliche und auch seit Tertullian und Laktanz resurgere fehlt aber bei Wüstemann. Die häufigste Alternative sind die klassischen Pendants redire bzw. reditus in (oder ad) vitam und reviviscere. Bernhold hat als extremer Klassizist nur diese beiden Interpretamente. In keinem der Wörterbücher wird der seit Luther theologisch umstrittene Begriff Ablass korrekt dargestellt: Weder geht es um eine Vergebung der Sünden noch um den Erlass der Kirchenstrafen, sondern um den Nachlass der zeitlichen Sündenstrafen. Auch Rosenkranz wird von einigen protestantischen Lexikographen nicht genau erfasst.

Exemplarische Untersuchung einzelner Fachbereiche | 295

6.3.3 Technik und Erfindungen „Deutschland ist mit einem Eisenbahnnetz überzogen“ – Germania multis contexta est viis ferratis Georges 1882

„Dampfschifffahrt und Eisenbahnen sind Geschwister“, heißt es aphoristisch in der Allgemeinen Zeitung für das Jahr 1843.212 Die Dampfmaschine als die bahnbrechende technische Neuerung des 18. Jahrhunderts ist, wenn man so will, die Mutter dieses Geschwisterpaares. 1769 gelang James Watt eine deutliche Verbesserung der bis dahin gängigen Maschinen. 1775 von Georg Christoph Lichtenberg (1742–1799) als „mit Wasserdampf betriebene Kraftmaschine“ beschrieben, ist das Wort selbst im Deutschen seit der Mitte des 18. Jahrhunderts belegt, übersetzt aus dem englischen steam-engine.213 Im Übrigen war Lichtenberg selbst Wissenschaftler, der auf Latein publizierte.214 Lateinische Übersetzungen finden sich in den Wörterbüchern erst seit Lünemanns erster Bearbeitung (1807: 152) von Schellers Handlexicon. Hier und ebenso bei Wüstemann (1826, I: 236) wird das Wort mit machina vaporaria wiedergegeben. Tab. 13: Beispiellemmata Dampfmaschine, Dampfschiff u.ä.

Scheller / Lünemann 31817: 159

Lünemann 1821: 1279

Kraft 41843, I: 629–630

Dampfmaschine, machina vaporaria, ae, f.

Dampfbarke, die, ein kleines Schiff, welches durch eine Dampfmaschine in Bewegung gesetzt wird, navicula vaporaria; − aquae ferventis vaporibus acta.

Dampfboot, Dampfschiff, das, Dampfschiff, das, navis vaporaria navis conclusis (Neuere). ferventium aquarum vaporibus agitata; kürzer: n. vaporaria; lembus vaporarius. [...]

Dampfboot, das, ein Boot, das durch Dämpfe fortbewegt wird,

Dampfmaschine, die, eine Maschine, die durch erhitzte Wasserdämpfe in Bewegung gesetzt wird,

Wüstemann 1826, Georges 71882, I: I: 236 821 Dampfmaschine, *machina vi vaporis (od. bl. vapore) movenda od. (ist sie in Bewegung) mota.

Dampfschiff, *navis, quae vaporibus, non velis ventoque movetur od. fertur. Dampfwagen, *currus vaporibus

|| 212 9. Juli 1843, Nr. 190. 213 Pfeifer, Etym. Wörterb. 214 Vgl. Korenjak 2016: 99; Lichtenberg, Georg Christoph / Hasse, Dag Nikolaus (Hrsg.) (1997): Observationes. Die lateinischen Schriften. Göttingen: Wallstein.

296 | Untersuchungen zum lateinischen Wortschatz

Scheller / Lünemann 31817: 159

Lünemann 1821: 1279

Kraft 41843, I: 629–630

lembus vaporarius; − inclusis vaporibus ipse se movens.

machina, quae inclusis vaporibus ferventium aquarum movetur, agitatur.

Dampfschiff, das, navis vaporaria.

Wüstemann 1826, Georges 71882, I: I: 236 821 movendus od. (ist er in Bewegung) motus. – *currus, qui vaporibus sine ulla jumentorum ope movetur od. fertur.

Analog übersetzt werden auch Dampfschiff, Dampfboot oder Dampfbarke (allesamt Bildungen des 19. Jahrhunderts):215 navis vaporaria (Wüstemann, Kraft), navicula vaporaria und lembus vaporarius (Lünemann, Kraft).216 Das Adjektiv vaporarius ist allerdings eine neulateinische Bildung; antik belegt ist nur vaporarium (etwa Dampfleitung oder Dampfheizung).217 Klassischer ist daher die ausführliche Formulierung von Georges. Analog wird von ihm auch Dampfschiff und Dampfwagen behandelt, wo eine ausführlichere und ansprechendere Übersetzung hinzutritt. Auch bei Lünemann und Kraft zeigt sich das Bestreben, den modernen Begriff sowohl sprachlich korrekt als auch pragmatisch-kurz auszudrücken. Hier findet sich sowohl die Kurzform lembus vaporarius oder navis vaporaria als auch längere Wendungen wie [lembus] inclusis vaporibus ipse se movens oder navis conclusis ferventium aquarum vaporibus agitata. Bei Kraft wird Dampfschiff zweimal angeführt – einmal als eigenes Lemma und einmal als Erklärung neben Dampfboot –, jedoch in unterschiedlicher Weise kommentiert, nämlich im ersteren Fall nur mit der kürzeren Wendung. Die Eisenbahn, das zweite Kind der Dampfmaschine, wird in deutschlateinischen Wörterbüchern auffälligerweise fast nicht beachtet: Der einzige bescheidene Eintrag, der sich bei Kraft (41843, I: 795) findet, ist lediglich: Eisenbahn, die, via, orbita ferrea.

Davor schweigen die Wörterbücher aus unerfindlichen Gründen. War das Wort zu diesem Zeitpunkt noch nicht im Bewusstsein der Lexikographen (s.u.) oder handelt es sich um ein bewusstes Ausklammern der womöglich als ‚zu modern‘ angesehenen technischen Innovationen?

|| 215 Kluge 252011: 180. 216 Lünemann 1821: 1279; Kraft 41843, I: 629–630. 217 S. Art. vaporarium. In: Forcellini 1940.

Exemplarische Untersuchung einzelner Fachbereiche | 297

Jedenfalls wird erst Georges Mitte des 19. Jahrhunderts das Lemma Eisenbahnnetz aufnehmen und das eingangs zitierte Eisenbahnnetz anführen. Wie sehr sich der Gebrauch der Eisenbahn letztlich durchgesetzt hat, zeigen auch die weiteren Lemmata, die Georges dann im Jahr 1882 berücksichtigt hat: Bahnhof, *aula ferratae viae apposita. Bahnhofgebäude, *aedes in aula viae ferratae aedificatae. Bahnhofinspector, *praefectus aulae, quae viae ferratae apposita est. Bahnwärter, *custos viae ferratae. – Bahnzug, *agmen curruum vaporibus motorum. Georges 71882, I: 477 Eisenbahn, *via ferrata. – eine Ei. anlegen, *viam ferratam facere. Eisenbahnnetz: zB. Deutschland ist mit einem Ei. überzogen, ein Ei. zieht sich über Deutschland hin, *Germania multis contexta est viis ferratis. Eisenbahnschiene, *lamina viae ferratae. Eisenbahnwärter, *custos viae ferratae. Georges 71882, I: 1052

Interessant ist die Entwicklung dieser Lemmata samt ihrer Übersetzung: In der ersten Auflage von 1831/33 fehlen sie noch vollständig, in der dritten Auflage von 1845 findet sich nur Eisenbahn, abweichend zu Kraft übersetzt mit: „*via ferro od. ferreis orbitis strata“.218 In der folgenden Auflage von 1853 schreibt Georges das Lemma ergänzend: „*via ferro strata. – eine Ei. anlegen, *viam ferro sternere.“219 Seit der fünften Auflagen (1861) halten dann auch die anderen Lemmata Einzug, und die Übersetzungen sind nun dieselben wie 1882: Eisenbahn heißt nun schließlich via ferrata. Das Wort Eisenbahn trägt in diesen Übersetzungen Georges’ und auch Krafts noch die eigentliche Bedeutung: es bezeichnet die Eisenbahnschienen, die es schon im 18. Jahrhundert als Schienen im Bergbau gegeben hat.220 Die Übertragung auf die Verkehrseinrichtung an sich, die im Deutschen schon bald nach dem Eröffnungsjahr der legendären Stockton and Darlington Railway 1825 in England einsetzt und sich dann im Gebrauch verbreitet, ist hier noch nicht vollzogen.221 Ohne besonderen Bezug auf Eisenbahnzüge findet man bei Georges „*agmen vehiculorum od. curruum“ für Wagenzug, ein Wort, das im Deutschen neben Zug seit etwa den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts für Eisenbahnzüge zu finden und seit den dreißiger Jahren geläufig ist.222 Im jüngsten lateinischen Sprachgebrauch

|| 218 Georges 31845, I: 897. 219 Georges 41853, I: 895. 220 Vgl. Kluge 252011: 237; Pfeifer, Etym. Wörterb.; s. ausführlich Krüger 1979: v.a. 201–215. 221 Vgl. Pfeifer, Etym. Wörterb.; für vereinzelte Belege für Eisenbahn als Verkehrseinrichtung schon vorher, s. Krüger 1979: 212ff. Erst später wird demnach Eisenbahn auch in der Bedeutung Eisenbahnzug gebräuchlich. 222 S. Wagenzug und Zug. In: Krüger 1979: 477–478.

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hat man dafür unter anderem häufig das unklassische oder gar unlateinische tramen (ferriviarium)223 und seltener hamaxostichus224 verwendet. Diese und die weiteren Beispiellemmata dieses Kapitels sind moderne technische Fachbegriffe, die die Antike nicht oder nicht in dieser Bedeutung gekannt hat. Auch wenn der Schwerpunkt hier auf technischen Erfindungen liegt, die in der Zeit der Entstehung der analysierten Wörterbücher neu aufgekommen sind, enthält dies Kapitel doch manchen Begriff aus der Zeit davor. Ebenso wird im Folgenden auch keine scharfe Trennung zwischen einzelnen Fachgebieten vorgenommen: Neben Alltäglichem wie Nähmaschine oder Brille wurden die wichtigsten Termini aus einer Reihe anderer Disziplinen in die Vergleichsliste einbezogen und ausgewertet: aus Naturwissenschaften (Chemie, Physik usw.), Infrastruktur (Schiff-, Luftfahrt, Tiefund Bergbau) oder Militärtechnik. Die Untersuchung basiert auf einer Konkordanz, die etwa 270 Lemmata aus den zwölf wichtigsten Wörterbüchern von Kirsch 1714 bis Georges 1882 enthält. 6.3.3.1 Fehlende Lemmata Im Gegensatz zur Dampfmaschine und den mit ihr verwandten Begriffen finden eine Reihe von wichtigen Erfindungen zwischen 1750 und 1850 naturwissenschaftlicher, militärischer oder alltäglicher Art gar keinen Eingang in die untersuchten Wörterbücher. Von den in Steins „Kulturfahrplan“ genannten wichtigeren Erfindungen dieser Zeit scheinen nur wenige, vor allem nur für den Alltag allernotwendigste Begriffe aufgenommen worden zu sein, wie Straßen(gas)beleuchtung und Telegraph. Betrachten wir aber zunächst Begriffe, die fehlen: Aus unterschiedlichen Bereichen der Technik und Naturwissenschaften gewählt, ist ihnen gemeinsam, dass sie wohl in der deutschen Allgemeinsprache noch nicht hinreichend gängig waren, um deutsch-lateinische Lexikographen zur Aufnahme zu bewegen. Oder hat es mit einem gewissen Widerstand gegen Innovationen zu tun? Was die chemischen Elemente angeht, gab es im 18. und 19. Jahrhundert kaum ein Jahr, in dem nicht ein neues Element entdeckt worden ist. 1869 hat Dmitri Mendelejew das Periodensystem entwickelt. Nur wenige, meist früh entdeckte chemische Elemente aber haben auch Aufnahme in den deutsch-lateinischen Wörterbüchern gefunden: Kobalt (entdeckt 1735, lat. cobaltum, wenn es das Metall, und

|| 223 Eichenseer 1981 / 21984: Nr. 24/8 und Nr. 29 (ohne Quellenangabe); Helfer 31991: 639 (der tramen auf Charisius gramm., p. 44,1 zurückführt, wo mit tramen / ῥοδάνη allerdings der „gedrehte Faden, Einschlag“ bezeichnet wird!); Albert 1998: 134–139; Maier 2010: 208; s. auch Tramen. In: Vicipaedia (letzter Zugriff: 8.5.2022), wo tramen richtig von trahere abgeleitet wird (vgl. Forcellini 1940). 224 Bacci 41963: 319 (nach ihm Helfer 21985: 466; die Angabe von Bacci nicht mehr in Helfer 31991: 639); Egger 1998: 431 (ohne tramen, weitere Üs.: curruum agmen ferriviarium).

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cadmia, wenn es den Galmei, ein Zinkerz, bezeichnen soll),225 Platin (1746, lat. platina),226 Zink (1746, lat. nach Linné zincum),227 Sauerstoff (1774, lat. oxygenium),228 Stickstoff (1772, lat. principium azoticum),229 Wasserstoff (1776, lat. principium hydrogenium)230. Das chemische Element heißt im Lateinischen principium oder elementum, wobei hier wohl als Terminus technicus immer principium verwendet wird. Signifikant sind bei Wasserstoff zwei Abweichungen: Zunächst die zusätzliche Angabe von Kraft: „principium hydrogenium, T. t. Gas hydr., T. t.“231. Derartige Zusammensetzungen beginnend mit Gas finden sich in der zeitgenössischen Fachliteratur, etwa in der Tabellarischen Uebersicht der chemischen einfachen und zusammengesetzten Stoffe von 1806.232 Überraschender jedoch ist die Übersetzung von Wasserstoff mit futurae aquae materia durch Georges unter vollständigem Verzicht auf den Terminus technicus.233 Dies überrascht, weil Georges bisher alle neulateinischen Formulierungen gewissermaßen anstandslos übernommen hat und sonst auch nur in seltenen Fällen von überlieferten Termini technici abweicht. Zum ersten Mal blitzt hier sozusagen das klassizistische Selbstverständnis von Georges auch im technischen Bereich auf. Ein weiteres Beispiel dafür folgt weiter unten. Sonst bleibt es bei der in der Wissenschaftssprache eingebürgerten Begrifflichkeit. Auch die Stoffe Knallgold (entdeckt 16. Jahrhundert) und Knallsilber (entdeckt 1802) etwa werden stets gleichlautend mit aurum fulminans bzw. argentum fulminans übersetzt.234 Die meisten chemischen Elemente jedoch fehlen ganz: Nickel (entdeckt 1751), Magnesium (1755),235 Chlor (1774), Uran (1789), Chrom (1797), Cer (1803), Kalium

|| 225 Beides haben: Bayer/Mayer 121819: 553; Scheller 31805, I: 1683; Scheller/Lünemann 31817: 461; Georges 71782, I: 67. 226 Zuerst bei Scheller 21789: 1739 und 31805, II: 2232. Die erste Auflage war mir bisher nicht zugänglich. 227 Nur Bauer 21798: 3010 weicht davon ab: „Zink, m. Bergart, Marcasita aurea, aes mixtum.“ S. zu Marcasita aurea Zedlers Universal-Lexicon 1739, Bd. 19: 1184. 228 Bei Scheller/Lünemann 11807: 618 bzw. 31817: 659, wo das Wort zuerst auftaucht, auch principium oxygenium. 229 Zuerst bei Scheller/Lünemann 31817: 738. 230 Zuerst bei Scheller/Lünemann 31817: 909. 231 Kraft 41844, II: 1271. 232 Mit Rücksicht auf die Synonymie nach den neuesten Entdeckungen entworfen von Friedrich Stromeyer. Göttingen: Dieterich, Tafel XXV. 233 Georges 71882, II: 1750. 234 Knallgold zuerst bei Scheller 21789: 1328. Die erste Auflage war mir bisher nicht zugänglich. Knallsilber zuerst bei Wüstemann 1827, II: 24. 235 Scheller 31805, II: 1900 hat als einziger Magnesia mit der gleichlautenden Übersetzung. Damit werden heute verschiedene chemische Verbindungen bezeichnet, darunter Magnesiumcarbonat.

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(1807), Natrium (1807),236 Barium (1808), Bor (1808),237 Jod (1811), Lithium (1817), Brom (1826), Erbium (1842), Cäsium (1860) und andere. Auch der seit 1812 verwendete Begriff Aluminium taucht bis zur letzten Auflage von Georges (1882) nirgends auf. Der britische Chemiker Sir Humphry Davy (1778– 1829) hatte dieses Metall zuerst alumium (1808) und dann aluminum (1812) benannt. Während sich sonst die Form Aluminium durchsetzte, die eine Rezension von 1812 zu Davys Veröffentlichung vorgeschlagen hat, ist aluminum in den USA nach wie vor der geläufige Begriff.238 Schon früh und in allen Wörterbüchern hingegen ist Alaun (übersetzt mit alumen), ein Kalium-Aluminium-Sulfat, gebräuchlich.239 Auffällig ist, dass diese Auswahl der zu übersetzenden bzw. auszulassenden Lemmata bei den chemischen Elementen über hundert Jahre der deutschlateinischen Lexikographiegeschichte nahezu unverändert bleibt. Hinzu kommt die Übernahme des jeweiligen Terminus technicus aus dem Fachbereich – abgesehen von den beiden bemerkenswerten Abweichungen bei Wasserstoff. Aus dem Bereich naturwissenschaftlicher Erfindungen fehlt gänzlich die des Seismographen (auch Seismometer) oder Erdbebenmessers. Zwar sollen derartige Geräte unter anderem bereits 1783, als Sizilien von einem starken Erdbeben erschüttert wurde, vom Neapolitaner Domenico Salfano zumindest erdacht und 1785 von August Gottlieb Preuschen in Karlsruhe vorgestellt worden sein.240 Die griechische Benennung Seismograph scheint sich im Deutschen jedoch erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts durchzusetzen.241 Hingegen findet sich das Lemma „Erdebebenmesser, Sismometer“ [!] bereits 1807 im Handbuch der Erfindungen von Gabriel Christoph Benjamin Busch (Bd. 4/1) und 1796 im Physikalischen Wörterbuch (Bd. 6:

|| 236 Bei Georges 71882, II: 494 und Kraft 41843, II: 339 findet sich Natrum (Kraft übersetzt: „ein animalisches Salz, nitrum, Plin. 31, 10, 46“ [entspricht 31, 106]). Natrum kann im Deutschen veraltet auch Natrium bedeuten, in der Plinius-Stelle wird nitrum aber als Natron verstanden (s. Üs. Roderich König, München 1994). 237 Bei Kraft 41843, I: 559: Borax (gleichlautend übersetzt), das ist ein borsaures Natrium. 238 Vgl. Pfeifer, Etym. Wörterb.; Figurowski, N. A. (1981): Die Entdeckung der chemischen Elemente und der Ursprung ihrer Namen. Moskau: Aulis-Verl. Deubner, 64; Greenwood, Norman N. / Earnshaw, Alan (21997): Chemistry of the Elements. Oxford: Butterworth–Heinemann, 217. Keine Einträge bei Grimm und Adelung. 239 U.a. Kirsch 21774: 41; Bauer 21798: 63; Bayer/Mayer 121819: 44; Kraft 41843, I: 80. 240 So Gabriel Christoph Benjamin Busch (41807) im Handbuch der Erfindungen. Eisenach: Wittekindt, Bd. 4/1, 230–231; Steins Kulturfahrplan verortet Salsanos Seismometer im Jahre 1785; vgl. Gehler 1827, III: 824–825. Eine neuere, knappe und informative Zusammenfassung der Entwicklungsgeschichte der Seismographie bietet Udías, Agustín / Buforn, Elisa (2017): Principles of Seismology. Cambridge: University Press, 32–35; s. auch Dewey, James / Byerly, Perry (1969): The Early History of Seismometry (to 1900). In: Bulletin of the Seismological Society of America 59 (1), 183–227. 241 So zumindest Pfeifer, Etym. Wörterb.

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Registerband, S. 156) von Johann Samuel Traugott Gehler242 – allerdings nicht in den deutsch-lateinischen Wörterbüchern um 1800. In neuerer Zeit schlug Helfer sīsmógraphum vor.243 Auch die in der ersten Hälfte erfundene und Mitte des 19. Jahrhunderts in Übersetzung aus dem Englischen (sewing-machine) entlehnte Nähmaschine findet sich in keinem der Wörterbücher, auch nicht bei Georges.244 Wörterbücher der jüngsten Zeit übersetzen māchina sūtōria.245 Aus dem militärischen Bereich fehlt – selbst bei Georges noch – der Revolver, ein Wort, das in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts aus dem amerikanischen Englisch für rein-deutsch Drehpistole übernommen wird.246 Auch dieses fehlt aber in den hier untersuchten deutsch-lateinischen Wörterbüchern. Im jüngsten Neulatein findet sich sclopētulum revolvēns.247 Lässt man mögliche Versehen oder einen bewussten Widerstand gegen Neuerungen außer Acht, kann man das Fehlen dieser Wörter nur dadurch erklären, dass sie vom lateinischen Lexikographen als noch nicht hinreichend relevant für eine Aufnahme in das deutsch-lateinische Wörterbuch angesehen wurden, da sie in der deutschen Allgemeinsprache nicht verbreitet waren und teilweise in den einschlägigen deutschen Wörterbüchern noch nicht vorkamen; diese aber dienten den Latinisten als Grundlage für deutsch-lateinische Wörterbücher. 6.3.3.2 Wichtige technische Erfindungen und ihre lateinische Terminologie Ergiebiger erscheint der Befund bei den Wörtern, die von den Lexikographen tatsächlich behandelt worden sind. Der folgende Kommentar folgt einer nicht strickt durchgehaltenen Chronologie der Erfindungen. Diese ist vor allem dort sinnvoll, wo es sich um eindeutig datierbare Erfindungen handelt. Vergrößerungsgläser wurden bereits seit dem Mittelalter verwendet. So übersetzen auch alle untersuchten Lexikographen (zumindest seit Kirsch 1714: 316 und Bayer 1724: 627) Vergrößerungsglas fast ohne Ausnahme mit microscopium, sogar

|| 242 In der Neubearbeitung des Physikalischen Wörterbuchs von 1827 fehlt beim Lemma Erdbebenmesser (Bd. 3, 824–825) jeglicher griechische Begriff. Im Artikel Vulcane wird ein Sismograph beschrieben, der von einem gewissen Cacciatore erfunden wurde. 243 Helfer 31991: 499; das Wort wird von ihm als neulateinisch (d.h. zwischen dem 15. und 20. Jh. entstanden) gekennzeichnet, allerdings wird keine Quelle angegeben. 244 Vgl. Pfeifer, Etym. Wörterb.; Stein, Kulturfahrplan (1830, 1846, 1851); s. auch 1DWB Bd. 7 (1889): Sp. 301 mit einem Zitat aus Karmarsch, Karl / Heeren, Friedrich: Technisches Wörterbuch oder Handbuch der Gewerbkunde in alphabetischer Ordnung. 3 Bände. Prag 11843–1844; Prag 21854–1857. 245 Helfer 31991: 389 nach Lurz, Georg (1952): Beiträge zu einem neulateinischen Wörterbuche. In: Societas Latina, 15; Albert 1998: 84; Maier 2010: 276. 246 Vgl. Pfeifer, Etym. Wörterb. Bei Grimm gibt es nur den Eintrag zur Drehpistole mit der einzigen Erläuterung „revolver“ (1DWB Bd. 2 (1860): Sp. 1368). Bei Adelung fehlt beides. 247 Helfer 31991: 458 nach Sleumer 31962: 143 (sclopetŭlum repětens).

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der sonst betont puristische Bernhold.248 Wie mehrere zeitgenössische Dissertationen zeigen, war dieses Wort im wissenschaftlichen Gebrauchslatein unumstößlich eingebürgert.249 Im englischen Sprachraum ist es zuerst 1662 belegt.250 Nur Georges hat, mit der langen Tradition brechend, erstaunlicherweise die Variante microscopum.251 Wie üblich weisen die jüngsten Wörterbücher (Wüstemann 1827, Kraft 1844 und Georges 1882) je darauf hin, dass es sich bei microscopium bzw. microscopum um kein klassisches Wort handelt. Gelegentlich finden sich Alternativen zu microscopium, so z.B. bei Kirsch macroscopium oder anderswo megaloscopium.252 Interessant sind schließlich die Ergänzungen zu den beiden Begriffen microscopium bzw. microscopum: Bei Bauer findet sich die Wendung oculo armato contueri für „dadurch [d.h. durch das oder mit dem Vergrößerungsglas] betrachten“ – und dies auch im übertragenen Sinne singulär unter den Lexikographen: „met. omnia in majus augere, majora vero habere, facere“.253 Ähnlich übernimmt Kraft für den eigentlichen Sinn dieser Wendung armatis oculis spectare alqd. von Ruhnken.254 Derartige Wendungen finden sich im Übrigen auch bei der Übersetzung von Brille (s. unten). Der reinen Latinität und einer ‚lebensnahen‘ Übersetzung kommt jedoch Georges am nächsten, wenn er das Stichwort Vergrößerungsglas wie folgt wiedergibt: „*microscopum [!]. – Im Zshg. auch wohl bl. vitrum, zB. etwas durch das V. besehen, *alqd aspicere per vitrum.“255 Der Hinweis auf den Zusammenhang ist nötig, weil in der genannten Wendung der Begriff der Vergrößerung nicht enthalten ist (s.u. auch die ähnliche Formulierung für Brille!). Das deutsche Lemma Lupe spielte in unseren Wörterbüchern hingegen noch kaum eine Rolle, auch wenn es bereits um 1800 aus dem Französischen loupe ins Deutsche entlehnt wurde.256 Erst bei Georges (1882) findet sich ein Eintrag mit einem || 248 S. auch Chauvin, Étienne: Lexicon philosophicum. Leeuwardiae: Halma, 1713. 249 Einige Beispiele: Schrader, F. (1681): Dissertatio epistolica De microscopiorum usu in naturali scientia et anatome; Herzog, G. L. (1733): Dissertatio mathematica De microscopiis simplicibus; Dissertatio inauguralis De microscopio solari (1755); Driesen, Georg Moritz (1842): Disseratio medicina De microscopio, summo medici auxilio; s. auch: Maire/Boscovich 1755: 39: Erat autem hic Romæ itidem, qui et adhuc est, Augustinus Rufus Veronensis sacerdos, vir in opticis operibus, perspicillis, telescopiis, microscopiis, elaborandis egregius […]. Vgl. Helfer 21985: 281; Licoppe/Deraedt 2004: 302. 250 Latham, Ronald Edward: Revised medieval Latin wordlist from British and Irish sources. Oxford: University Press, 1965, 298. 251 Georges 71882, II: 1539. 252 Lupe. In: Helfer 31991: 356: macroscopium nach Kirsch 11714, I (lat.-dt.): 737 (in 11714, II: 316 und Kirsch 21774, II: 770 allerdings microscopium!), megaloscopium bei Helfer ohne Angabe der Quelle. microscopium wird von Helfer nicht erwähnt. 253 Bauer 21798: 2560. 254 Kraft 41844, II: 1101. Zusätzlich findet sich bei Kraft auch das Lemma Vergrößerungsspiegel, hier in Gänze rein-lateinisch übersetzt: „Vergrößerungsspiegel, der, speculum, in quo imagines, quae redduntur, rebus sunt maiores. in Hinsicht der Form: speculum cavum, nach Appul.“ 255 Georges 71882, II: 1539. 256 Vgl. Pfeifer, Etym. Wörterb.; 1DWB Bd. 12 (1885): Sp. 1310. Noch kein Eintrag bei Adelung.

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Hinweis auf Vergrößerungsglas. Nikitinskis neulateinisches Wörterbuch (2017) empfiehlt für Lupe nach Niccolò Partenio Giannettasio S.J. (1648–1715) vitrum speculare, was aber ebenso nur im Kontext verständlich ist.257 Von der ebenfalls im Mittelalter aufgekommenen Brille war bereits bei den einzelnen Wörterbüchern die Rede. Hier seien die dort verstreut zu findenden Ergebnisse zusammen genannt. Mit Schellers Eintrag (1805, I: 595–596) die interessanteste Ausnahme zuerst: Brille, i. e. Augenglas, auf die Nase zu setzen, etwa vitrum oculare bipartitum, oder instrumentum vitreum oculare bipartitum, vitrum, per quod oculorum acies adiuvatur [...].

Wie schon in Kap. 5.4.2 erwähnt, ist hier zugunsten der klassischen Ausdrucksweise auf die nichtklassischen Begriffe conspicillum und perspicillum verzichtet worden. Dafür nahm Scheller ausnahmsweise in Kauf, dass die Praktikabilität, das heißt die Brauchbarkeit für den Alltag, darunter leidet. Andere Lexikographen dieser Zeit verfahren nicht so zimperlich und erlauben Ausdrücke wie conspicillum (Frisch 1741; Nieremberger 1753; Bernhold 1757; Bauer 1798), das klassisch eine andere Bedeutung hat – worauf Bernhold zumindest hinweist („Dieses Wort wird nur aus Noth genommen, denn eigentlich bedeutet es was anders“) –, oder das sich schließlich durchsetzende perspicillum (Bauer 1798; Lünemann 1821; Wüstemann 1826; Kraft 1843; Mühlmann 1854; Georges 1882), wobei Lünemann, Wüstemann, Kraft und Georges auf die neulateinische Entstehung hinweisen.258 Während Wüstemann auf puristische Umschreibungen verzichtet, reflektiert Georges in seinem Kommentar gewissermaßen die Schwierigkeit, dass die Antike keine Brille und somit kein Wort dafür kannte. Er schreibt: Brille, *perspicillum. – man trug noch keine Brillen, *nondum oculi arte adjuti erant: durch die B. betrachten, per vitrum aspicere (durch das Glas betr.). Georges 71882, I: 738

Auf von seinen Vorgängern tradierte Wendungen verzichtet er. Bei Bauer etwa findet sich „mit der Brille, durch die Brille, oculo armato, adjuto, firmato“, bei Lünemann „etwas mit der B. ansehen, oculo armato adspicere, s. contemplari“ und bei Kraft „mit der B., durch die Brille etwas ansehen, oculo armato alqd. spectare, contemplari“.259 Auch die sonst fast immer aufgegriffene bildliche Verwendung „jemandem die Brille aufsetzen“, das heißt so viel wie jemanden betrügen, fehlt bei Geor-

|| 257 Nikitinski 2017: 220. 258 Perspicillum auch in Maire/Boscovich 1755: 39 (s.o. Zitat bei Vergrößerungsglas). 259 Bauer 21798: 596; Lünemann 1821: 1122; Kraft 41843, I: 575.

304 | Untersuchungen zum lateinischen Wortschatz

ges – vielleicht weil die Redensart zu seiner Zeit schon nicht mehr gebräuchlich war. Am ausführlichsten wird sie übersetzt von Lünemann (1821: 1122): die B. gebrauchen, aufsetzen, uti perspicillo. etwas mit der B. ansehen, oculo armato adspicere, s. contemplari. Uneig., einem eine B. aufsetzen, oder einem Brillen verkaufen, i. e. ihn hintergehen, alicui imponere, Cic.; aliquem fallere, id.; − decipere, id.; − eludere, id. [bei Kraft 1843, I: 575 neben imponere alcui auch circumvenire alqm., Cic.]

Neben den bereits genannten Errungenschaften rund um die Dampfmaschine brachte das 18. und 19. Jahrhundert allerlei interessante und nützliche Erfindungen hervor. Schon in früheren Wörterbüchern findet sich das Thermometer, im Deutschen seit dem Anfang des 18. Jahrhunderts aus dem Französischen eingebürgert, nachdem Daniel Gabriel Fahrenheit 1714 das Quecksilberthermometer erfunden und Anders Celsius 1742 seine Skala vorgelegt hatte. Das Lehnwort setzte sich gegen die von Adelung aufgebrachte Verdeutschung Wärm(e)messer durch.260 Scheller und die von ihm abhängigen Wörterbücher, außerdem Wüstemann, Kraft und Georges belassen es in ihren Artikeln beim griechischen Fremdwort thermometrum. Wie immer weisen die drei letzteren auf die moderne Herkunft von thermometrum hin; Georges fügt noch das griechische θερμόμετρον hinzu. Bei der lateinischen Version handelt es sich um den in den neulateinischen Wissenschaftstexten üblichen Ausdruck.261 Schönberger hat in seiner ansonsten unveränderten sogenannten Bearbeitung (s.o. Kap. 5.4.4) als Zusatz zu seiner Vorlage des Scheller’schen Wörterbuchs eine Kürze auf dem -e- von -metrum eingefügt: thermomĕtrum – eine Hilfe für den Benutzer, der vielleicht vom deutschen Wort Thermometer verleitet, das Wort falsch betonen könnte.262 Als einziger derer die thermometrum anführen, wagt sich Bauer daran, ein lateinisches Wort dafür zu finden: caloris mensura, exagium. Letzteres Wort meint eigentlich den Vorgang des Wägens oder das Gewicht, während mēnsūra – allerdings im nachklassischen Latein – neben dem Vorgang des Messens auch das Instrument dazu selbst darstellen kann.263 In der modernen naturwissenschaftlichen Forschung war zunächst auch der Begriff thermoscopium („Wärmezeiger“ in der

|| 260 Vgl. Pfeifer, Etym. Wörterb.; 1DWB 1922, Bd. 27: Sp. 2060; 2Adelung 1801, Bd. 4: Sp. 1388; Campe 1811, Bd. 5: 574. 261 Im Folgenden einige Titel wissenschaftlicher Arbeiten nach Helfer (31991: 552), dessen Wörterbuch zahlreiche akademische Abhandlungen vor allem der Medizin, Biologie und Rechtswissenschaft vom 16. bis zum 19. Jahrhundert bzw. deren Titel berücksichtigt und daher in dieser Hinsicht sehr ergiebig ist: Schmid, Johann Andreas (praes.) / Winckelmann, Johannes Dietrich (resp.) (1684): Dissertatio de thermometris; Haubold, Georg Gottlieb (praes.) / Gehler, Johann Samuel Traugott (resp.) (1771): De thermometro Reaumuriano. S. auch Maire/Boscovich 1755: 59 (in: Licoppe/Deraedt 2004: 209). 262 Schönberger 21842: 626. 263 Vgl. exagium und mēnsūra (II, 1, b). In: ThLL.

Exemplarische Untersuchung einzelner Fachbereiche | 305

Übersetzung Campes) gebräuchlich, der sich aber weder im Sprachgebrauch noch in den Wörterbüchern durchsetzen konnte.264 Nachdem Benjamin Franklin 1752 mit dem Blitzschutz experimentiert hatte, wurde in Deutschland zuerst von Johann Heinrich Winkler (1703–1770) in einer lateinischen Dissertation mit dem Titel De avertendi fulminis artificio (Leipzig 1753) vorgeschlagen, Häuser durch gewisse Vorrichtungen vor Blitzschlag zu schützen.265 Der übliche terminus technicus für Blitzableiter – nicht selten auch Wetterableiter – lautet conductor fulminis (so bei Lünemann 1821, Wüstemann 1826 und Kraft 1843), übernommen aus der wissenschaftlichen Fachliteratur: So findet sich conductor fulminis (nach frz. conducteur de la foudre) auch in Fischers Physikalischem Wörterbuch von 1798.266 Conductor hat dabei natürlich nichts mehr mit dem antiken Wortverständnis Mieter zu tun. Doch finden sich auch abweichende Vorschläge, diese bieten vor allem Bauer, Scheller und Mayer (s.u. Beispiellemma im Vergleich). Auffällig divergieren Übersetzung und Aufbau, vergleicht man die beiden Lemmata Blitzableiter und Wetterableiter von Bauer und Scheller: Bei ersterem kann man nach seiner Lebensbeschreibung (s.o. Kap. 5.5) davon ausgehen, dass er die einzelnen Lemmata aus dem Kopf niedergeschrieben hat und daher keinen Vergleich zwischen den beiden Artikeln anstellte. Bei Scheller kommen zwei Wendungen neu hinzu (derivator und detractor fulminis, wobei er ersteres zu Recht als nicht antik kennzeichnet), sodass man den Artikel zu Wetterableiter im zweiten Band als Ergänzung zu dem im ersten Band befindlichen Lemma Blitzableiter verstehen kann. Tab. 14: Beispiellemma Blitzableiter im Vergleich

Bauer 21798, 24; 2914

Scheller 31805, I: 559; II: 3454 Bayer/Mayer 121819: 14

Ableiter, des Blitzes, lamina fulmini auertendo; (anticeraunia;) apagogus. [vgl. 11778: 20: noch ohne apagogus]

Blitzableiter, etwa deductor Ableiter, Blitzableiter. Ferrum, (i, n.) quo fulminis vis innocue fulminis, oder res deducens fulmen oder materiam fulminis, deducitur. oder res deducendo fulmini (oder deducendae materiae fulminis) serviens.

Wetterableiter, m. radius apagocicus, fulmini deriuando; lamina anticeraunia.

Wetterableiter oder Blitzableiter, deductor fulminis, derivator (welches Wort bey den Alten

|| 264 S. Gehler 1839, Bd. 9/2: 825ff.; Campe 1811, Bd. 5: 574. 265 S. auch Hemmer, Johann Jakob (1782): Enarratio conductorum fulminis superior quinquennio a se positurum; Reimkasten, Ch. Friedrich (1797): De jure conductorum fulminis. Diss. phys.-iur. (beide bei Helfer 31991: 130). 266 Fischer 1798, Bd. 1: 405.

306 | Untersuchungen zum lateinischen Wortschatz

Bauer 21798, 24; 2914

Scheller 31805, I: 559; II: 3454 Bayer/Mayer 121819: 14 nicht vorkommen möchte) fulminis, oder detractor fulminis, oder machina (instrumentum) serviens deducendo (oder derivando) fulmini; oder statt ein Blitz ableitendes Ding, res serviens deducendo (derivando) fulmini. Wetterableitung (die), das Wetterableiten, derivatio (oder deductio) fulminis.

Lünemann wiederholt neben conductor fulminis, das er als Terminus technicus aus der Physik kennzeichnet, Bauers Vorschlag der lamina fulmini auertendo; als einzige Übersetzung verwenden Scheller/Lünemann diese Formulierung.267 Kraft wählt dann neben dem Fachbegriff conductor fulminis eine eigene Umschreibung: laminae ferreae vim fulminis avertentes, arcentes.268 Ohne Nachwirkung scheint die Übersetzung von Mayer geblieben zu sein. Bei Georges ist unerklärlicher Weise weder Blitzableiter noch Wetterableiter als Lemma vertreten. Eine weitere Abweichung von dem üblichen conductor fulminis findet sich in Gehlers ebenfalls mit Physikalischem Wörterbuch betitelten Fachwerk; dort heißt es: Pertica fulmine [!] avertendo (nach frz. Conducteur pour préserver les édifices de la foudre).269 Diese Variante kommt dem antiken Verständnis (Stange) deutlich näher, als bei conductor möglich. Dies Beispiel zeigt, dass auch im naturwissenschaftlichen Bereich am Ende des 18. Jahrhunderts die Suche nach guten lateinischen Begriffen keineswegs aufgehört hat. Wie auch bei den anderen Disziplinen zu beobachten ist, dauert es eine Weile, bis neu aufgekommene Begriffe auch Eingang in Wörterbücher, noch dazu in deutsch-lateinische, finden: Der um die Mitte des 18. Jahrhunderts vom englischen Theologen und Erfinder Stephen Hales (1677–1761) so benannte Ventilator – wovon er dann ins Deutsche entlehnt wurde – findet sich in nur drei Wörterbüchern um die Wende zum 19. Jahrhundert, nämlich bei Scheller, Wüstemann und Kraft.270 Bei Georges fehlt der Begriff wieder, sei es aus Versehen oder als der Aufnahme unnötig befunden. || 267 Scheller/Lünemann 31817: 131. Mit der Variante lamina derivando fulmini für Wetterableiter in Scheller/Lünemann 31817: 929. 268 Kraft 41843, I: 549. 269 Gehler 1787, Bd. 1: 386. 270 A Description of Ventilators (1743); vgl. Pfeifer, Etym. Wörterb.; Adelung 1801, Bd. 4: Sp. 980; kein Eintrag bei Grimm.

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Scheller greift zu seiner bereits hinlänglich bekannten Methode, das Problem der Übertragung von deutschen Begriffen zu umgehen. Er schreibt: Ventilator, wird füglich beybehalten, ventilator, oder instrumentum, quod ventilatoris nomen gerit; instrumentum gerens nomen ventilatoris; instrumentum, quod ventilator adpellatur. Scheller 31805, II: 3106

Der sonst häufig zum Klassizismus neigende Kraft (41844, II: 1064) übernimmt den einfachen Terminus ins Lateinische ohne Ergänzung und schreibt: † Ventilator, der, eine Vorrichtung, um die verdorbene Luft zu reinigen u. zu erneuern, ventilator, T. t. [Terminus technicus].

Krafts deutsche Beschreibung des Geräts findet sich wiederum auf Lateinisch bei Wüstemann (1827, II: 559) wieder: Ventilator, der, instrumentum vento purgando inserviens (Neuere. […]).

Diese Übersetzung hat Kraft zugunsten des terminus technicus nicht übernommen. Indem hingegen Wüstemann auf die neo-lateinische Verwendung von ventilator (eigentlich Worfler) verzichtet, bekennt er sich als Klassizist.271 Will man aber sowohl den neulateinischen Terminus technicus als auch komplizierte klassizistische Umschreibungen umgehen, ließe sich mit Bacci etwa auf ein rein lateinisches Wort wie flabellum (vielleicht mit dem Zusatz automatum) zurückgreifen.272 Im antiken Wortschatz meint es ursprünglich den Fächer; doch die Herkunft von flabrum bzw. flare würde je nach Kontext und Wunsch nach Eindeutigkeit auch eine Übertragung auf das moderne Gerät rechtfertigen. Die moderne Entwicklungsgeschichte des Fallschirms beginnt 1783 mit dem Sprung von Louis-Sébastien Lenormand (1757–1837) von einem Observatoriumsturm. Doch nur zwei Wörterbücher überhaupt berücksichtigen Fallschirm, die von Bauer und Kraft. Bei Georges fehlt das Wort auffälligerweise.

|| 271 Wohl aus dem Grund, dass die Endung -tor im Lateinischen die tätige Person ausdrückt, verweist Helfer (31991: 581) auch auf das antike ventilabrum (eigentlich Wurfschaufel) und das mittellateinische ventilatorium (mit Bezug auf Du Cange, wo aber natürlich auch nicht von Ventilator in unserem Sinne die Rede ist) und das Lexicon Minus Latinitatis Modernae (1988) auf das moderne ventilatrum. 272 Bacci 41963: 823 (flabellum electricum); Maier 2010: 60. Denkbar wäre auch uenticapium (Gloss. ad Ter. Eun. 595) oder das griechisches Fremdwort ῥιπιστήϱιον (s. flabellum. In: ThLL und Goetz, Corpus Glossariorum Latinorum VI: 454).

308 | Untersuchungen zum lateinischen Wortschatz

Tab. 15: Beispiellemma Fallschirm im Vergleich

Bauer 21798: 963

Kraft 41843, I: 915

Fallschirm, m. petaurus, um; sustentaculum; munimen delabenti, ruenti, is; velum antiptoticum.

Fallschirm, der, adiumentum cadentes sublevans.

Die nicht exakte und etwas umständliche Formulierung adiumentum cadentes sublevans hat später Grimm in seinem Wörterbuch wörtlich übernommen – vermutlich direkt von Kraft, was die Bedeutung dessen deutsch-lateinischen Wörterbuchs unterstreicht.273 Bei Campe ist Fallschirm die Übersetzung für das französische Parachūte.274 Aber außer dass es am Ende des 18. Jahrhunderts gebräuchlich war, ist über die Entstehung des deutschen Wortes wenig bekannt. In den naturwissenschaftlichen Lehrbüchern wird es seit kurz vor 1800 verwendet.275 Zu Bauers Artikel gilt anzumerken: Die maskuline Form petaurus ist in der Literatur nicht belegt. Mit petaurum ist in der Antike eine nicht genau bestimmbare Vorrichtung gemeint, die den Zirkusakrobaten oder Sportler gewissermaßen als Sprungbrett in die Höhe katapultiert haben soll.276 Auch sustentaculum scheint weder aus Sicht klassischer Latinität (in der Regel ist damit eine Stütze im bildlichen Sinne gemeint, seit Augustin vor allem die Nahrung) noch überhaupt ein adäquates Wort für Fallschirm zu sein. Gänzlich Bauers Neubildung ist wohl das originelle velum antiptoticum, also ein Segel, das das Fallen bremst (von gr. ἀντιπίπτω, „entgegenfallen“, etwa ein widriger Wind).277 Wie sehr die Vokabeln für Verkehrsmittel in den deutsch-lateinischen Wörterbüchern an den Gymnasien gebraucht wurden, zeigt der folgende originelle Text aus einem Stilübungsbuch für „mittlere Classen“, worin Bauers Übersetzungen übernommen werden. In eckigen Klammern sind hier diejenigen Angaben gesetzt, die dem Schüler die Übersetzung erleichtern sollen: Eine der merkwürdigsten Erfindungen des achtzehnten Jahrhunderts ist die Erfindung der Luftbälle [Übersetzungshilfe: machina aërobatica; navicula aëria] oder Luftschiffe, mittelst deren sich der Mensch in die Luft erhebt, und darin wie auf dem Wasser, wiewohl nicht völlig

|| 273 1DWB 1862, Bd. 3: Sp. 1290. 274 Campe 21813: 457; Campe 1808, Bd. 2: 14. 275 S. etwa Blumenbach, Johann Friedrich (1752–1840) (41791): Handbuch der Naturgeschichte. Göttingen: Dieterich, 69; Gehler 1798, Bd. 1: 78 (für Parachûte); s. auch 2DWB 2006, Bd. 9: Sp. 100, wo Vieth, Gerhard Ulrich Anton (1795): Versuch einer Encyklopädie der Leibesübungen, Berlin, II: 234 zitiert wird. 276 Vgl. Art. petaurum. In: ThLL; Kroll, W. / Mehle, Erwin. In: RE XIX/37: 1124, 40ff.; Slater, William J. (1976): High Flying in Paestum. In: American Journal of Archaeology 80/4, 423–425. 277 Später neben petaurus übernommen etwa von Haas 1804: 185.

Exemplarische Untersuchung einzelner Fachbereiche | 309

nach Willkür, herumschifft. […] Zur Sicherung der Luftfahrer vor dem Herabstürzen ist ein Fallschirm [Übersetzungshilfe: sustentaculum; velum (antiptoticum)] angebracht, mit dessen Hülfe sich der Ballon nur allmählig und sanft herabsenkt. […] So gefahrvoll eine solche Reise ist, so gibt es doch immer Wagehälse, die ihr Leben in den höchsten Regionen des Dunstkreises einem schwachen Seidenzeuge und einem zerbrechlichen Schiffchen anvertrauen. Holzer, G. L. (1852): Übungsstücke zum Uebersetzen aus dem Deutschen ins Lateinische für die mittleren Classen der Gelehrten-Schulen. Stuttgart, 4. Auflage, 128–129.

Selbstredend finden auch andere ‚luftige‘ Erfindungen, wie zum Beispiel Luftschiff oder Luftschifffahrt und Luftschiffer in den deutsch-lateinischen Wörterbüchern Berücksichtigung. Auch diese Wortbildungen mit Luft werden zuerst – häufig recht originell – von Bauer aufgegriffen. Dabei scheut er sich nicht, neben technischen Übersetzungen auch poetische Ausdrücke zu gebrauchen. So heißt es unter Luftschiffahrt und Luftschiffer: Luftschiffahrt, f. cursus aёreus, per aёrem, per sublime, Daedaleum iter. Luftschiffer, M. aёronautes, a; Daedalus; unglücklicher, Icarus. Bauer 1798: 1718

Die Wendungen cursus aёreus bzw. aёrius (met. 6,709)278 oder viae aёriae (ars 2,44) stammen von Ovid; Daedaleum bzw. Daedalium iter von Properz 2,14,8, womit allerdings das kretische Labyrinth bezeichnet wird, das Daedalus für Minos anlegte und in dem Theseus vor dem Verirren nur durch den Faden der Ariadne bewahrt wurde (Daedalium lino cum duce rexit iter). Geistreich verwendet es Bauer in der Bedeutung der Erfindung, für die man Daedalus bis heute zu kennen pflegt. Daedalus bzw. Icarus für Luftschiffer ist nur im Kontext verständlich und für wissenschaftliche Texte nicht geeignet. Aёronautes – alle anderen Lexikographen übernehmen es einheitlich – ist eine neulateinische Bildung.279 Sogar schon vor der Erbauung der ersten Montgolfière (diese wie Lenormands Fallschirmsprung im Jahre 1783) schuf der Jesuit Bernardo Zamagna (1735–1820) ein großes Lehrgedicht über die Luftschifffahrt (Navis aeria, 1768).280 Bei Kraft sieht man neben dem als Terminus technicus markierten aёronautes auch Bemühung um reine Latinität: „Luftschiffer, der, aёronautes, T. t. qui vehitur navicula aёria.“281 Damit ist er in diesem Artikel sogar mehr vom Sprachpurismus geprägt als ein Georges, der es nur bei aёronautes mit der Angabe terminus technicus belässt. || 278 Später übernommen von Wüstemann, Kraft und Georges, neben iter per aëra oder per auras susceptum u.ä. 279 Vgl. von Polenz 1999: 397–398. 280 S. Stroh 1999. 281 Kraft 1844, II: 204.

310 | Untersuchungen zum lateinischen Wortschatz

Die Übersetzung von Luftschiff hat im Vergleich der Wörterbücher nur wenige Abweichungen: Die häufigste Übersetzung lautet navis aetheria/aёria und navis/navigium per aёrem vehens. Nur Bauer (21798: 1718) – noch an keinen lexikographischen Vorgänger gebunden – lässt seiner Kreativität freien Lauf:282 Luftschiff, n. navicula, rates, scapha, machina aёrea, aёrobatica, coelum tentatura, aёri se commissura, aёri fisa, apta.

Der Telegraph ist (wie telegraphisch und Telegraphie) ein französisches Lehnwort vom Ende des 18. Jahrhunderts, das Campe 1801 mit Fernschreiber eingedeutscht hat.283 Mitte des 19. Jahrhunderts kommt noch das Verb telegraphieren hinzu; dementsprechend kommt das Wort auch nur in den letzten drei verglichenen Wörterbüchern, nämlich Wüstemann 1827, Kraft 1844 und Georges 1882, vor. Alle verweisen von Fernschreiber auf Telegraph, darüber hinaus nimmt Kraft sogar die Fernschreibekunst auf und übersetzt sie „telegraphĭa, T. t. [Terminus technicus]“. Alle nehmen zudem das im Lateinischen nachgebildete telegraphum auf und erwähnen einstimmig, dass es nicht klassischem Latein entspringt. Während es Georges (71882, II, 1242) auffälliger Weise dabei belässt, bieten seine Lehrer Wüstemann und Kraft zwei klassizistische Umschreibungen an. Tab. 16: Beispiellemma Telegraph im Vergleich

Wüstemann 1827, II: 454

Kraft 41844, II: 853

Telegraf [!], der, telegraphum (Neu.). – einen † Telegraph, der, Fernschreiber, machina rem Telegraf haben, per homines, certis locis dispo- gestam per signa lignea nuntians, indicans; gew. sitos, in singula diei tempora quae alicubi agun- telegrăphum, T. t. tur cognoscere et quid fieri volumus imperare (nach Caes. bell. Gall. VII. 16 [ibi per certos exploratores in singula diei tempora quae ad Avaricum gererentur cognoscebat et quid fieri vellet imperabat]).

Die Patentierung des Kaleidoskops erfolgte 1817 durch den schottischen Wissenschaftler David Brewster (1781–1868), doch schon vor ihm war dieses optische Gerät bekannt. Es wurde etwa von den Ärzten Giambattista della Porta (1535–1615) und Johann Jacob Wecker (1528–1586) bereits im 16. Jahrhundert als speculum multivi-

|| 282 S. auch die zahlreichen Varianten bei Bacci 41963: 32–33, wie zum Beispiel das neulateinische velivolum, das meines Erachtens nicht eindeutig ein „Luftschiff“ bezeichnen muss, oder das moderne aëroplanum (von griech. ἀήρ und πλανάω), was etwa auch Maier (2010: 210) übernimmt. 283 Vgl. Pfeifer, Etym. Wörterb.

Exemplarische Untersuchung einzelner Fachbereiche | 311

dum bezeichnet.284 Kraft übernimmt diesen Terminus.285 Wüstemann scheint er nicht geläufig zu sein; er nennt es einfach calidoscopium, samt Hinweis, dass der Begriff von „Neueren“ stamme.286 Darüber hinaus wird dieses Lemma weder von Georges noch einem anderen Lexikographen aufgenommen. Explizit findet sich das Wort Straßenbeleuchtung287 nur bei Kraft und Georges, wobei letzterer von den Lemmata Straßenbeleuchtung und Illumination jeweils auf das Lemma Erleuchtung verweist. In diesem Fall unterscheiden sich die Übersetzungen gänzlich: Kraft scheint auf eine eigene Übersetzung oder eine eigene Tradition zurückzugreifen; zumindest gibt er seine Quelle, wie sonst üblich, nicht an. Bei ihm heißt es: „Straßenbeleuchtung, die, platearum collustratio. gute St., plateae luculenter illustratae.”288 Die Übersetzung dieses Wortes mit einem Substantiv wie collustratio erscheint nicht als die beste Lösung, wenn man die klassische Latinität zugrunde legt: Denn collustratio ist hier nicht belegt, während andere Substantive, die man zugrunde legen könnte (wie etwa illustratio oder illuminatio) den christlichen Schriften entstammen.289 Auch in mittellateinischen Wörterbüchern ist collustratio nur selten zu finden. Überraschenderweise ist der Artikel collustratio im Glossarium mediae et infimae Latinitatis regni Hungariae wie bei Kraft mit der Beleuchtung der Straßen verbunden und beruht auf einem lateinisch-ungarischen Wörterbuch der Forensik aus selber Zeit. Dort heißt es: „Collustratio urbium, luminibus festis sub noctem accensis urbes illustrare; városok éjjeli világítása [nächtliche Beleuchtung von Städten]. Törvt. Msz.290“ In dieser Tradition steht auch Kraft, auch wenn er dieses Wörterbuch sicherlich nicht unmittelbar studiert hat. Georges (71882, I: 1159) hingegen schreibt ausführlicher als Kraft: Erleuchtung, einer Stadt, pernoctantia urbis lumina (gewöhnliche Straßenbeleuchtung, Amm. 14, 1, 9 [... in urbe ubi pernoctantium luminum claritudo dierum solet imitari fulgorem]); lumina festa (festliche Illumination, nach Plin. ep. 2, 17, 24 [wir lesen heute: festi clamores; stattdessen: Cat. 66,90 (placabis festis luminibus Venerem)]). – die E. des Marsfeldes durch Fackeln, collucentes per campum Martis faces (Tac. ann. 3, 4): eine E. (Illumination) anstellen, s. erleuchten (eine Stadt): mit od. unter Erleuchtung der ganzen Stadt, accensis totā urbe luminibus [Suet. Cal. 18,2]; quum omnia luminibus colluceant (collucerent). – Bildl., die E. des Verstandes, intelligentia (als Zustand, Einsicht).

|| 284 Giambattista della Porta (1558): Magiae naturalis sive de miraculis rerum naturalium; Wecker, Johann Jacob (1592): De secretis libri XVII, hier: Basel 1662, 411. 285 Kraft 41844, II: 5. 286 Wüstemann 1827, II: 3. 287 S. Stein, Kulturfahrplan: 1807, 1814 (London), 1815 (Paris), 1826 (Berlin); Wortverlaufskurve DWDS: Erwähnungen seit 1790. 288 Kraft 41844, II: 815. 289 S. ThLL. 290 Törvénytudományi Műszótár [Rechtswissenschaftliches Fachwörterbuch]. Hrsg. von der Ungarischen Akademie der Wissenschaften. Pest 1843–1847.

312 | Untersuchungen zum lateinischen Wortschatz

Die Übertragung von Straßenbeleuchtung illustriert Georges’ Meisterschaft, deutsche Begriffe in genuines Latein zu bringen: Im Gegensatz zur einfachen substantivischen Übertragung des Begriffes durch das Abstraktum (Beleuchtung) – wie bei Kraft – verwendet Georges Konkreta (faces, lumina), die verbunden mit Partizipien (collucentes oder pernoctantia) idiomatische lateinische Wendungen ergeben. Abgesehen von den letzten beiden Wendungen, die Georges wohl als dem Cicero-Stil nicht entgegenstehend einschätzt (accensis totā urbe luminibus steht bei Sueton) sind Stellenangaben hinzugefügt, was die Arbeit des Benutzers erleichtert. 6.3.3.3 Verschiedenes aus den Naturwissenschaften Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen den Lehrern Wüstemann und Kraft einerseits und ihrem Schüler Georges andererseits verdeutlicht ein Beispiel aus der Biologie. Während Wüstemann das Lemma Amphibie kurz mit bestia anceps abhandelt, bieten Georges und Kraft ausführlichere Zitate aus der lateinischen Literatur der Antike. Tab. 17: Beispiellemma Amphibie im Vergleich

Wüstemann 1826, I: 51

Kraft 1843, I: 96

Georges 1882, I: 144

Amphibie, die, bestia anceps.

† Amphibie, die, ein doppellebiges Geschöpf, bestia anceps, in utraque sede vivens Cic. N. D. 1, 37, 103. animal, cui aquam terramque incolendi gemina natura est, Flor. 1, 3, 6. animal, cuius et in terra et in humore vita, Plin. 8, 31, 48.

Amphibie, bestia quasi anceps, in utraque sede vivens. – animal, cui aquam terramque incolendi gemina natura est. – animal, cujus et in terra et in humore vita. – bestia, quae humi et in humore vivit, unde ἀμφίβιος nominatur.

Dieses Lemma ist zuerst bei Kraft und Wüstemann zu finden, obwohl die Entlehnung aus dem Lateinischen amphibion schon in der ersten Hälfte des 18. Jahrunderts erfolgte.291 In dem für die Botanik bis heute grundlegenden Werk des Systema Naturae (1735) von Carl von Linné ist der Plural amphibia für die Klassifizierung von sowohl auf dem Land als auch im Wasser lebenden Tieren (als classis III. des animale regnum) gebraucht.292 Schon bei Ammian, Ambrosius und Isidor ist diese Bedeu|| 291 Linnè 1748 gebraucht den lateinischen Plural Amphibia für seine Klassifizierung von sowohl auf dem Land als auch im Wasser lebenden Tieren; vgl. Pfeifer, Etym. Wörterb. Bei Kluge (252011: 40) bereits Verwendung im 16. Jahrhundert. 292 Caroli Linnæi Systema Naturæ sive regna tria naturæ (11735); Caroli Linnæi Systema Naturæ per regna tria naturæ, 61748: 33; 101758, tom. I: 194. Amphibia nicht erst seit der sechsten Auflage von 1748, wie Pfeifer, Etym. Wörterb. annimmt.

Exemplarische Untersuchung einzelner Fachbereiche | 313

tung an je einer Stelle greifbar.293 Varro und Columella beziehen dieses Wort noch auf Vögel, deren Lebensraum nicht nur am Land, sondern auch im Wasser ist.294 Kraft und Georges zitieren hier dieselben Stellen. Dabei gibt Kraft dankenswerter Weise die genauen Textstellen an. Georges hingegen zitiert genauer (bestia quasi anceps) und bietet zustätzlich eine definitionsartige Übersetzung mit Rückgriff auf das Griechische nach Ammian (22,15,14). An der Übersetzung von Atmosphäre lässt sich eine deutliche Entwicklung der einzelnen Artikel nachweisen. Das Wort, eine gelehrte Bildung der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, taucht zum ersten Mal bei Bauer (1778: 159) auf. Es wird in der deutschen Sprache noch bis ins 18. Jahrhundert hinein in der neulateinischen Form atmosphaera gebraucht.295 Daneben gibt es mit Dunstkreis (bei Bauer auch noch wörtlich Dunstkugel) eine deutsche Übersetzung aus dem 17. Jahrhundert.296 In den Wörterbüchern finden sich daher häufig gegenseitige Verweise von Atmosphäre zu Dunstkreis oder andersherum. Das gängige neulateinische Wissenschaftswort ist atmosphaera;297 es fehlt dementsprechend auch fast nie in den Wörterbüchern. Anfangs wird Atmosphäre/Dunstkreis relativ schlicht wiedergegeben: Man findet neben dem üblichen atmosphaera vor allem aer circumiectus.298 Circumiectus spürt man noch in der Übersetzung des modernen Wortes Umwelt, etwa bei Helfer (31991: 571) mit circumjecta im Neutrum Plural. Allerdings meint die dort angegebene Stelle bei Tac. Ann. 1,21 (circumiecta populabantur) eher die Umgebung eines Ortes als unser viel umfassenderes Wort Umwelt. Bei Egger (1998: 378) findet sich circumiacentia im Neutrum Plural.

|| 293 S. amphibius -um, ἀμφίβιος. In: ThLL. 294 S. ebd. Im übertragenen Sinne bei Strada, Famiano S.J. (1572–1649) (1649): De bello Belgico decas prima. Antverpiae: Cnobbarus, 1v (nach Niktinski 2017: 12). 295 Vgl. Atmosphäre. In: Pfeifer, Etym. Wörterb. 296 Vgl. Dunstkreis. In: Pfeifer, Etym. Wörterb. 297 Der früheste mir bekannte Eintrag in einem Wörterbuch ist in: Micraelius, Johannes: Lexicon philosophicum terminorum philosophis usitatorum (1661). S. weiter chronologisch geordnet z.B. Penning, William (1679): Atmosphæra causa est crepusculi. Origo servitutis non est à naturâ; Vallerius, Harald (praes.) / Vallinus, Nicolaus O. (resp.) (1699): Disputatio physica De atmosphaera terrae; Müller, Johann Heinrich (praes.) / Stoer, Christian Melchior (resp.) (1710): Quaestio curiosa physicoastronomica an luna cingatur atmosphaera; Boscovich, Roger Joseph S.J. (1753): De lunae atmosphaera dissertatio; Newton, Isaac (1763): De atmosphaera tellurem ambiente; Henschel, Elias (1786): Dissertatio inauguralis physico-medica de atmosphaera eiusque in corpus humanum efficacia; Jaeger, Hermann Joseph (1816): Tractatus physico-medicus de atmosphaera et aere atmosphaerico: nec non de variis gazis, vaporibus, effluviisque in eis contentis, respectu eorum in corpus humanum effectuum; Schneider, Matthias (1845): Dissertatio inauguralis De restitutione oxygenii in atmosphaera. 298 S. Atmosphäre. In: Scheller 31805, I: 196; Scheller/Lünemann 31817: 45; Bayer/Mayer 121819: 94. Dunstkreis. In: Bauer 21798: 752; Scheller 31805, I: 727; Scheller/Lünemann 31817: 179.

314 | Untersuchungen zum lateinischen Wortschatz

Interessant ist die Umkehrung der Übersetzung bei der Bearbeitung des Paedagogus Latinus durch Mayer (1819): Dunstkreis übersetzt dieser mit Atmosphaera, Atmosphäre hingegen mit Aer circumjectus. Alleinstehend sind bei Bauer (1798) die zusätzlichen Alternativen aëris circumjecti ambitus und spiritus circumfusus, bei Wüstemann (1826) zusätzlich aer telluri circumfusus und aer nobis circumfusus. Bei ihm beginnend setzt in den jüngeren Wörterbüchern ein Wandel in den Übersetzungen ein, neue Überlegungen halten Einzug in die deutsch-lateinischen Wörterbücher. Neu sind einige Übersetzungen von Lexikographen, die mit dem simplen, aber fachlich adäquaten neulateinischen Gebrauchswort atmosphaera nicht mehr unumschränkt zufrieden waren. Aer circumiectus – bis dahin die Standardübersetzung – entfällt. Diese Übersetzung findet sich erst später wieder in neueren Wörterbüchern, wie dem Lexicon recentis Latinitatis (Egger 1998: 36). Tab. 18: Beispiellemma Atmosphäre und Dunstkreis im Vergleich der Wörterbücher seit Wüstemann 1826

Wüstemann 1826, I: 87; 262

Kraft 41843, I: 204; 702

Georges 71882, I: 288–289; 909

Atmosphäre, die, aer. – aer telluri circumfusus. – atmosphaera (Neuer.).

† Atmosphäre, die, coelum, in quo nubes, imbres ventique coguntur, Cic. Tusc. 1, 19, 43. s. auch Dunstkreis.

Atmosphäre, aër, qui terrae est proximus, im Zshg. bl. aër (die untere atmosphärische Luft, das Reich der Meteore, Ggstz. aether, die obere reine Luft). – caelum (wie unser „Himmel“ für die um die Erde ausgebreitete Luftregion, die Luft, Temperatur etc.) – aura (der Dunstkreis um einen Ort, zB. fluminis). – dicke A., aër crassus: dünne, aër tenuis; caelum tenue: reine, aër purus: gesunde, aër salubris; caelum salubre; caelum bonum: ungesunde, aër pestilens: drückende, caeli gravitas: die ganze A., omne caelum: in derselben A. leben, eodem frui caelo.

Dunstkreis, der, aer. – aer nobis circumfusus. – atmosphaera (Neuer.).

Dunstkreis, der, atmosphaera, Phys. aёr, qui est terrae proximus, Cic. Tusc. 1, 18, 42. im Zshge. auch bloß aёr, id.

Dunstkreis, s. Atmosphäre.

Interessant diesbezüglich ist ein zeitgenössischer Beitrag zur Frage des Gebrauchs neulateinischer Wörter: Noch im Jahre 1800 schreibt der protestantische Pfarrers-

Exemplarische Untersuchung einzelner Fachbereiche | 315

sohn und Direktor des Gymnasiums zu Gera Theodor Johann Abraham Schütze (1744–1830), dass man gemäß Horaz (ars 48–53) griechische Fremdwörter in angemessener Weise (pudenter) verwenden dürfe, so auch atmosphaera: [Denn w]ie lästig wäre es für den Lehrer, und wie weitschweifig für die Zuhörer, immer aëris circumiecti ambitus [die Bauersche Wendung!]; oder auch nur aër circumiectus zu brauchen? Schütze 1800

Dies liest sich wie eine Rechtfertigung des Gebrauchs nicht-klassischen Alltagslateins vor dem klassizistischen Bewusstsein des neuhumanistischen Zeitgeistes. Noch interessanter ist, dass Georges selbst atmosphaera in seiner ersten Bearbeitung des Wörterbuchs von Scheller/Lünemann von 1831/1833 noch gelten lässt, schon ab der dritten Auflage (1845) jedoch nicht mehr.299 Hat diese sprachliche Reinigung mit dem Rückgang des aktiven Gebrauchs des Lateinischen zu tun, der wissenschaftliches Alltaglatein ja erst nötig gemacht hatte? Wird dieses nicht mehr gebraucht, kann sich auch der Lexikograph auf klassizistische Interpretamente zurückziehen. Atmosphaera wird von Wüstemann und Kraft mit entsprechendem Hinweis noch gebraucht, fällt aber, wie gesagt, bei Georges schließlich weg. Bei allen fällt zudem die prägnante Verwendung von aër für das Lemma Atmosphäre bzw. Dunstkreis auf. Kraft und Georges haben weitere neuen Übersetzungen. So finden sich bei Kraft zwei mögliche Übersetzungen aus Ciceros Tusculanen zitiert. Auch Georges verwendet als Ausgangspunkt seines Artikels eine dieser Formulierungen. Dann aber folgt ein typischer Georges-Artikel, der sich – wie schon mehrmals gesehen – durch genaue semantische Differenzierung auszeichnet. Wichtig ist die Unterscheidung zwischen einer ersten, wörtlichen Übersetzung und einer freien Wiedergabe durch ein einzelnes Konkretum wie aër oder caelum. Wissenschaftliche Disziplinen selbst werden in der Regel mit den im Wissenschaftslatein üblichen Begriffen bezeichnet, so etwa auch die Experimentalphysik – ein Wort, das sich ohnehin aus dem lateinischen physica experimentalis ableitet.300 Georges erweitert den Artikel sorgsam noch um die Vorlesung: *physica acroasis instrumentorum auxilio illustrata.301 Nur Bauer (21798: 949) weicht von der üblichen Linie ab:

|| 299 Georges 11831: 753 (Dunstkreis); Georges 31845: 220 (Atmosphäre). 300 S. z.B. Musschenbroek, Petrus van (1729/1754): Dissertatio Physica Experimentalis De Magnete; Osterrieder, Hermann (1765): Physica Experimentalis et Rationalis, ad gustum moderni saeculi, pro Jucunditate Utilitateque discentium, Methodo Clara et Systematica adornata. 301 Georges 71882, I: 1214.

316 | Untersuchungen zum lateinischen Wortschatz

Experimentalphysik, physica, (orum) historica; quoad experimentis constant; vsu cognita.

Heute vielleicht ungewohnt ist ein Lemma wie Verdauungswerkzeuge, das sich bei Kraft und Georges findet – ein im 18. und 19. Jahrhundert beliebtes Fachwort der Medizin.302 Beide übersetzen es ähnlich durch Umschreibung. Ähnlich verhält es sich mit dem Wort Verdauungsmittel, bei geringer Varianz der Übersetzung. Tab. 19: Beispiellemma Verdauungswerkzeuge im Vergleich

Kraft 41844, II: 1080

Georges 71882, II: 1514

Verdauungswerkzeuge, die, eae corporis partes, Verdauungswerkzeuge, *eae corporis partes, per quae aptae factaeque sunt ad concoquendum, quas conqoquimus. per quas cibi conficiuntur.

Tab. 20: Beispiellemma Verdauungsmittel im Vergleich

Wüstemann 1827, II: 564

Kraft 41844, II: 1080

Verdauungsmittel, das, quod Verdauungsmittel, das, quod adiuvat concoctionem. quod u- adiuvat concoctionem. tile est concoctioni (im Allgem.). – medicamentum digestorium (wenn es eine Arznei ist).

Georges 71882, II: 1514 Verdauungsmittel, quod adjuvat concoctionem; quod utile est concoctioni.

6.3.3.4 Fazit Auch im technischen Bereich bestätigt sich der bisher gewonnene Eindruck: Charakteristisch ist die Varianz der Übersetzungen in einzelnen Artikeln. Es gibt keine rigide klassizistische Konsequenz; die Wörterbücher von Lünemann (1821), Wüstemann (1826/1827), Kraft (41843/1844) und besonders Georges (1882) sind aber insgesamt als deutlich klassizistischer anzusehen als die der ‚Leipziger Schule‘ mit Scheller (31805) und Bauer (21798) oder der Wörterbuchgeneration von Kirsch (1714) und Bayer (1724). Scheller und Bauer sind hervorzuheben, weil sie mit ihren monumentalen deutsch-lateinischen Wörterbüchern eine neue lexikographische Periode begründet haben. Bauer hat zudem viele moderne Begriffe erstmals aufgegriffen, z.B. Ableiter des Blitzes, Atmosphäre oder Blasenpflaster.

|| 302 Vgl. die Korpusbelege des digitalen „Deutschen Textarchivs (1473–1927)“ im DWDS; 1DWB Lfg. 2 (1888), Bd. XII,I (1956): Sp. 202.

Exemplarische Untersuchung einzelner Fachbereiche | 317

Viele traditionelle Termini technici der Wissenschaftswelt werden von allen Wörterbüchern ohne großen philologischen Ehrgeiz tradiert, zum Beispiel physica experimentalis (Experimentalphysik). Obwohl sich viele, besonders auch ältere technische Errungenschaften zum Teil mit Hilfe des Griechischen leicht latinisieren lassen – wie etwa bei microscop(i)um, thermometrum oder telegraphum – werden erstaunlich viele zeitgenössische Begriffe wie im Widerstand gegen die moderne Welt nicht berücksichtigt; als Beispiel seien Aluminium und sonstige chemische Elemente, Nähmaschine, Seismograph oder Revolver genannt. Vermutlich hatten sich aber derartige Begriffe in der deutschen Allgemeinsprache noch nicht hinreichend durchgesetzt, um dem Lexikographen als übersetzungswürdig zu erscheinen. Georges besticht einerseits durch sehr umsichtig erarbeitete Artikel, die der besten Latinität den Vorrang geben und die Semantik auf das genaueste berücksichtigen, zum Beispiel bei Straßenbeleuchtung bzw. Erleuchtung oder Atmosphäre. Er geht dabei so weit, dass er auf teilweise traditionelle Wissenschaftsbegriffe ganz verzichtet, etwa atmosphaera. Es gibt aber zum anderen auch Fälle, in denen er sich im Gegensatz zu seinen Lehrern Wüstemann und Kraft durchaus den Gepflogenheiten des Alltaglateins im 19. Jahrhundert beugt. So versuchen Wüstemann und Kraft beispielsweise Telegraph mit für den Alltagsgebrauch ungelenken klassizistischen Umschreibungen dem klassischen Latein gerecht zu werden und nennen gleichzeitig den modernen neulateinischen Begriff telegraphum. Überraschenderweise beschränkt sich Georges hier nur auf letzteres. Ähnliches sehen wir bei Luftschiffer, wo Kraft neben dem neulateinischen Terminus technicus (aёronautes) eine rein lateinische Wendung anbietet und Georges es nur bei ersterem belässt. Man kann also nicht pauschal behaupten, der Klassizismus schreite in den Wörterbüchern kontinuierlich voran und erreiche in Georges seinen Gipfelpunkt: Diese Aussage stimmt nur mit der Einschränkung, dass es durchaus – und nicht selten – Lemmata gibt, die von gegenteiliger Tendenz geprägt sind.

6.3.4 Musik In diesem Kapitel soll an exemplarischen Fachbegriffen der Musik gezeigt werden, wie die lateinische Lexikographie das Problem anging, moderne Begriffe aus dem Bereich der Musik in das Gewand antiker Wörter zu kleiden. Die Aufgabe der Lexikographen bestand darin, die von den Fachwörtern benannten, in der lateinischen Antike noch nicht oder nur in anderer Form bekannten Dinge, wie etwa Oper, Allegro, Flöte oder Posaune, in einer adäquaten lateinischen Übertragung auszudrücken. Die Untersuchung beschränkt sich auf einige charakteristische Gebiete der musikalischen Welt: Stichprobenartig sollen musiktheoretische sowie Gattungs- und Instrumentenbezeichnungen untersucht werden. Während viele Termini über die

318 | Untersuchungen zum lateinischen Wortschatz

gesamte untersuchte Zeit hinweg immer in derselben Weise wiedergegeben werden, sind einige wenige Übersetzungen Sondergut einzelner Lexikographen. Jene Einheitlichkeit beruht darauf, dass die Wörterbücher in der Regel auf lateinische Übersetzungen zurückgegriffen haben, die sich im Neulateinischen als relativ feststehende Fachtermini etabliert hatten. Eine streng klassische – möglicherweise umschreibende und verdunkelnde – Übertragung wird hier für gewöhnlich nicht angestrebt. Wie eine eigens erstellte Konkordanz zur musikalischen Terminologie mit über 700 deutschen Lemmata aus zwölf Wörterbüchern gezeigt hat, wird im Allgemeinen eine große Bandbreite an Begriffen behandelt, die sowohl in der Antike als auch in der Moderne gebraucht werden können (Melodie, Intervall, Wasserorgel usw.). Für die deutsch-lateinischen Wörterbücher, die für den deutschen Wortschatz möglichst große Vollständigkeit anstreben, überrascht dies nicht. Auffällig hingegen ist, dass die Autoren die Begriffe nicht immer systematisch behandelt und in der erwartbaren Vollständigkeit berücksichtigt haben. So werden beispielsweise einzelne Intervalle (Sexte, Septime) oder Tempobezeichnungen (Largo, Presto) und andere nicht aufgenommen, weil diese Lemmata subjektiv offenbar als für den Benutzer nicht notwendig erachtet wurden. Für Fachautoren, die lateinisch publizieren wollen, ist dieser Teil des Wortschatzes also nicht ausreichend erschlossen. Umfassender hingegen sind die Musikinstrumente vertreten. Ein möglicher Grund dafür ist, dass sie manchmal in den deutsch-lateinischen Stilübungen, Rückübersetzungen und freien Aufsätzen gebraucht wurden. 6.3.4.1 Musikalische Gattungen Bei den lateinischen Bezeichnungen für neuzeitliche musikalische Gattungen, hier vor allem den dramatischen, wird deutlich, wie umfangreich sich die Lexikographen auf traditionelle im Neulateinischen teils fest verwurzelte Bezeichnungen stützen konnten. So ist die übliche neulateinische Bezeichnung für Oper303 die Verbindung drama musicum oder drama melicum, also „musikalisches Schauspiel“. Die Herkunft

|| 303 Oper ist die verdeutschte Form des italienischen Lehnworts opera („musikalisches Werk“, Entlehnung des als Singular gebrauchten Neutrum Plurals von lat. opus), das im 17. Jahrhundert ins Deutsche entlehnt wird und das sich neben der deutschen Form (seit 1732) bis zum Ende des 18. Jahrhunderts hält. Die verdeutschte Form zuerst bei J. Chr. Gottsched (Sterbender Cato, 31741, Vorrede zur ersten Ausg. 1732, S. 4–5; vgl. Pfeifer, Etym. Wörterb.; Kluge 252011). Im Deutschen wurde opera mit Singspiel und Singschauspiel wiedergegeben, vgl. DWB 1885, 13: 1289–1290). Zur Begriffsgeschichte s. Fischer, Erik / Leopold, Silke: Art. Oper (Überblick). In: MGG Online 2016 (Version 1997); Leopold, Silke / Schmidt, Dörte: Art. Oper (Hauptartikel), I.1. In: MGG Online 2016 (Version 2008); Ehrmann-Herfort, Sabine: Art. Opera / Oper. In: Eggebrecht 4.

Exemplarische Untersuchung einzelner Fachbereiche | 319

von drama melicum bleibt unklar; das drama musicum lässt sich auf seine Quellen zurückführen: Die Verbindung entspringt nicht antikem Latein (wie es ja auch die Gattung in der Antike nicht gegeben hat), sondern ist seit dem 17. Jahrhundert traditionelle Bezeichnung der mit Arien und Chören versehenen, vor allem jesuitischen ‚Schuloper‘. Zahlreiche Titel bezeugen den Gebrauch von drama musicum u.ä.304 Beeinflusst wird der lateinische Begriff vermutlich wie bei den jesuitischen Schulopern und Oratorien durch den italienischen Begriff dramma per musica (mit den Varianten dramma musicale, melodramma, opera u.a.). Er hat sich seit der Mitte des 17. Jahrhunderts von Venedig ausgehend als unscharfer Gattungsbegriff für eine „Vielfalt von thematischen, dramaturgischen und organisatorischen Varianten und Typen“305 der Oper und jedweden Dramas mit Musik etabliert. Es ist also naheliegend, dass die Lexikographen drama musicum aufnehmen, obwohl das griechische Lehnwort drama (δϱᾶμα) im klassischen Latein nicht gebräuchlich war. Das ins Lateinische entlehnte drama gebrauchten erst spätantike Philologen,306 davor nannten die Römer Schauspiele fabulae.307 Dies berücksichtigte Bauer (1798), der auch das Wort Oper als erster deutschlateinischer Lexikograph aufgenommen hat. Bei Kirsch (11714: 240) findet sich auffälliger Weise nur „opern-Hauß/Amphitheatrum. Odeum“. Bauer übersetzt Oper mit fabula modulata und fabula melica, was sich aber nicht durchsetzte.308 Wüstemann (1827) lässt neben drama musicum bzw. melicum sogar opera mit der Markierung „Neuere“ gelten. Schließlich hat Georges noch vor drama musicum bzw. melicum eine spätantike umschreibende Formulierung, nämlich „theatrales

|| 304 Die frühesten mir bekannten Belege sind Maria Sine Macula Concepta Generis Humani Gaudium (Amberg 1674) und die Stücke von Paul Aler S.J. (Regina gratiae, Maria, 1696; Regina pacis, Maria, 1697; Julius Maximus, 1697; Urania, Köln 1700); zu Alers zweisprachigen Dramen s. Stroh 2014: 131– 132 und Rädle 1994; s. auch Stroh 2019. Beispiele aus dem 18. Jh.: Tobias et Sara sive nuptiae angelo paranympho auspicatae, drama musicum (München 1747); Musae accusatae et defensae, drama musicum (Salzburg 1748); Moyses sponsus et pastor, drama musicum (Konstanz 1751); Princeps pastor, drama muscium (München 1764). Daneben ist auch melos musicum zu finden, z.B. von Giovanni Giorlando S.J. (*1703) Aloysius triumphans, melos musicum (Palermo 1733). Zu den Freisinger Dramen der Benediktiner mit ähnlichen Titelzusätzen s. Stroh 2017/2018. Auch ein Stück, eine Art geistliche Oper, des Kaisers Ferdinand III. von Habsburg (1637–1657) aus dem Jahr 1649 ist mit Drama musicum betitelt. 305 Strohm, Reinhard: Art. Dramma per musica, B.I. In: MGG Online 2016 (Version 1995). 306 Die Belegstellen beschränken sich auf eine Handvoll Autoren des dritten bis siebten Jahrhunderts mit philologischem Hintergrund (Horaz-Scholien, Porphyrius, Evanthius, Ausonius, Beda). Häufig ist es zu finden in Rufins Übersetzung von Origenes’ Hoheliedkommentar. 307 dramata […] latine fabulae appellantur (Diom. gramm. I, 490, 21), vgl. Art. drama. In: ThLL. 308 Bauer 21798: 1914, zuerst 11778: 1548. Das adjektivische modulatus ist erst seit der Kaiserzeit gebräuchlich und melicus (μελικός) ein griechisches Lehnwort in der Bedeutung zum lyrischem Gesang gehörig, das in der engeren Bedeutung musikalisch selten zu finden ist (Lucr. 5, 334; öfter bei Mart. Cap.).

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moduli et cantica (Hier. in ep. Paul. ad Ephes. 5, 19)”. 309 Wie üblich sticht Scheller (31805, II: 2164) mit seiner etwas kuriosen Art der Übersetzung hervor: Oper, etwa drama musicum: fürchtet man sich, daß etwa eine Operette etc. verstanden werden möchte, so setze man dazu, quod Opera vocatur.

Aus Schellers Kommentar erkennt man die Sorge, dass drama musicum – der Sammelbegriff für alle opernhaften Musikgattungen – den Leser auf eine falsche Spur locken könnte (vgl. aber dazu unten Operette). Nirgends wird hingegen das Lemma Oratorium mit diesem lateinischen Wort selbst übersetzt.310 Vielmehr heißt das geistliche Pendant zur weltlichen Oper (s.o.) bei Wüstemann und Kraft „ein geistliches Singstück, drama melicum sacrum“ bzw. bei Georges drama musicum sacrum.311 Ältere Wörterbücher berücksichtigen einen anderen Aspekt dieser Gattung: Bauer, der Oratorium als erster Lexikograph überhaupt berücksichtigt, bietet mehrere Lösungen: drama sacrum, dialogus modulatus, concentus dialogisticus, drama ad concentum sacrum.312 Ähnlich heißt es bei Scheller: „(eine Art Singestücke), etwa dialogus modulatus, oder drama sacrum modulatum“.313 Die Übersetzungen in Verbindung mit dialogus bzw. dialogisticus stehen wohl mit einer alten Bezeichnung des Oratoriums, nämlich Dialogo, in Verbindung.314 Dieser geht auf die behandelten Themen zurück, nämlich dialogisch aufgebaute alt- und neutestamentliche Geschichten wie die Opferung Isaaks oder Maria unter dem Kreuz und allegorische Dialoge zwischen Christus und der Seele.315 Bei Cantate316 finden sich allgemeine und weitläufige Übersetzungen, die ein klares Genus kaum erkennen lassen, was dem unscharfen Gebrauch des Begriffs aber durchaus entspricht: carmen varium (Georges), carmen variis modulationibus

|| 309 Georges 71882, II: 583. 310 Das Substantiv ōrātōrium (vom Adj. ōrātōrius, zum Redner gehörig) nahm bei den Christen (zuerst Vulg., Aug.) die Bedeutung Stätte des Betens an. Später entwickelten sich die gleichnamigen Musikstücke aus dem musikalischen Gebetsleben der Kongregation des Oratoriums (Institutum Oratorii Sancti Philippi Nerii), gegründet von Philipp Neri (1515–1595), vgl. Massenkeil, Günther: Art. Oratorium, I. In: MGG Online 2016 (Version 18.6.2016). 311 Wüstemann 1827, II: 212 und Kraft 41844, II: 403; Georges 71882, II: 587. 312 Bauer 21798: 1916 bzw. 11778: 1550. 313 Scheller 31805, II: 2167; vgl. Scheller/Lünemann 31817: 592. 314 Z.B. die vom Komponisten auch als Oratorien bezeichneten Stücke Dialogo per la festa della Santissima Purificatione (it., Rom 1640) und Dialogo d’Esther (lat., Rom 1640) von Pietro della Valle (1586–1652), s. Massenkeil, Günther: Art. Oratorium, I. In: MGG Online 2016 (Version 18.6.2016). 315 Vgl. ebd. 316 Entlehnung aus dem Italienischen ins Deutsche um 1700 (vgl. Kluge 252011 und Pfeifer, Etym. Wörterb.). Zwar ist die Schreibweise Kantate schon seit um die Mitte des 18. Jh. belegt, doch in unseren Wörterbüchern hält sich die Schreibweise Cantate. Zur Begriffsgeschichte s. Emans, Reinmar u.a.: Art. Kantate. In: MGG Online 2016 (Version 1996).

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aptum (Scheller/Lünemann), cantici genus variis modis et numeris modulatum (Lünemann), carmen musicum variis modis et numeris compositum (Kraft).317 Diese auffällige Betonung der Verschiedenartigkeit der Musik lässt sich nur auf die Mischform der Kantate aus Chören, Rezitativen und Arien beziehen, auch wenn diese Elemente nicht ausdrücklich genannt sind.318 Um Cantate zu erklären, greift das Grimm’sche Wörterbuch offenbar auf deutsch-lateinische Wörterbücher zurück. Der Eintrag (ohne deutschen Kommentar) lautet: „carmen musicum variis numeris compositum“.319 Auch bei diesem Wort herrscht große lexikographische Einheitlichkeit, wenngleich diese Tradition erst mit Scheller beginnt.320 Die Unterscheidung in weltliche und geistliche Kantate fehlt in den Wörterbüchern. Nur Lünemann kommentiert mit dem Hinweis „eine Art Singstück zum Kirchengebrauche“. In seiner oben genannten Übersetzung jedoch spiegelt sich das geistliche Element nicht wider. Die rückläufige Übernahme von Cantate ins Lateinische gestatten nur der ‚Große Scheller‘ („ein gewisses Gedicht, muß beybehalten werden, entweder Cantata, oder carmen nomen gerens Cantate, oder quod vocatur Cantate“) und Lünemann (cantata, recc.).321 Wie gesehen, ist die Verbindung drama musicum neben wenigen Varianten die allgemein anerkannte neulateinische Übersetzung für Oper. Musikgeschichtliche Fragen, etwa die Unterscheidung von in sich geschlossenen Gattungen, wie musikalisches Drama, Oper oder Singspiel, spielen in unseren Wörterbüchern keine Rolle. Doch dies entspricht der diesbezüglich großen Varianz der deutschen Sprache des ausgehenden 18. Jahrhunderts, die eine genaue Unterscheidung solcher Begriffe nur bedingt zulässt.322 So werden Singspiel und Oper in unseren Wörterbüchern auch kaum voneinander abgegrenzt. Offensichtlich wird Singspiel weiterhin in dem seit dem 17. Jahrhundert aufgekommenen Gebrauch als Synonym für Oper, also als durchgängig gesungenes Schauspiel, verstanden. Es wird dementsprechend wie Oper mit drama melicum (Bauer und Georges), drama musicum; drama melicum (Schel-

|| 317 Georges 71882, I: 766; Scheller/Lünemann 31817: 150; Lünemann 1821: 1188; Kraft 41843, I: 597. 318 Vgl. Zedlers Universal-Lexicon 1733, Bd. 5: 584: „Die Composition aber bestehet aus verschiedenen Tact-Arten […]“. Mit „Tact-Arten“ sind vielleicht Stücke mit unterschiedlichen Tempi gemeint. 319 DWB 1860, 2: Sp. 604; vgl. Adelung 1793, 1: Sp. 1300: „Die Cantāte, plur. die -n, in der Musik und Poesie, ein Gedicht, welches aus Arien und Recitativen bestehet, und dazu bestimmt ist, daß es gesungen werden soll. Im mittlern Lateine bedeutet Cantata einen jeden Kirchengesang.“ Zu letzterem s. cantate bei Blaise 1975 und Du Cange; kein Eintrag im LmL. 320 Scheller 21789: 508 (die erste Auflage von 1784 war mir bislang nicht zugänglich). 321 Scheller 31805, I: 625; Lünemann 1821: 1188. 322 Vgl. hierzu die Studie von Bauman 1985: 9–14. Zusammenfassende Darstellung der „schillernden Bedeutungsvielfalt“ bei Reiber, Joachim: Art. Singspiel. In: MGG Online 2016 (Version 1998).

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ler/Lünemann), drama musicum, melicum (Kraft) übersetzt.323 Außerhalb dieser Reihe finden sich wörtlichere Übersetzungen beim ‚Großen Scheller‘324: „drama musicum cantatorium (welches Wort bey den Alten nicht vorkommen möchte)325, oder drama musicum serviens cantando, auch bloß drama musicum“, und bei Bayer/Mayer326: Drama cantatorium, was wohl nach Scheller gebildet worden ist. Deutlicher variieren die Übersetzungen von Operette: In Abgrenzung zur Oper betonen die Autoren seit Scheller die eigentliche Bedeutung, nämlich die kleinere Form der Operette.327 So haben Scheller/Lünemann: „dramation musicum“, Wüstemann: „kleines Singspiel, dramation musicum (Neuere)“, Kraft: „kleines Singschauspiel, drama melicum minoris modi“, Georges: „*drama melicum brevius“.328 Bauer bietet experimentierfreudig mehrere Möglichkeiten an, auch um ein anderes Charakteristikum der Operette zur Geltung zu bringen, nämlich das Komische: „drama musicum leuius, minus; ludicrum, melopaegnium; dramatium argutius, joculare.“329 Wie schon die Bezeichnung drama musicum scheint auch dramation bzw. latinisiertes dramatium auf das Jesuitentheater des 17. und 18. Jahrhunderts zurückzugehen.330

|| 323 Bauer 21798: 2283; Georges 71882, II: 1036; Scheller/Lünemann 31817: 710; Kraft 41844, II: 718. 324 Scheller 31805, II: 2605–2606. 325 Scheller merkt zu Recht an, dass es sich bei cantatorius um kein hochstehendes lateinisches Wort handelt: Es gibt keinen Eintrag im ThLL oder LmL. Cantatorium als Antiphonale mit den kirchlichen Gesängen, s. Du Cange; Blaise 1975. 326 Bayer/Mayer 121819: 766. 327 S. Haslmayr, Harald: Art. Operette, I. In: MGG Online 2016 (1997). Ähnlich wie Oper wird it. operetta Ende 17. Jh., Anfang 18. Jh. entlehnt und dann als Fachterminus für kleine Oper eingedeutscht (vgl. Kluge 252011 und Pfeifer, Etym. Wörterb.). 328 Scheller/Lünemann 31817: 591; Wüstemann 1827, II: 211; Kraft 41844, II: 400; Georges 71882, II: 584; Scheller 31805, II: 2164: „etwa dramation musicum: wo man der Deutlichkeit wegen, wenigstens zuweilen, hinzu setzen könnte, quod Operette vocatur“. 329 Bauer 21798: 1914. melopaegnium (μελοπαίγνιον, aus μέλος und παίγνιον) ist möglicherweise analog zu melopoeia (bei Fulg., Mart. Cap.) gebildet. 330 dramation (δραμάτιον) ist der griechische Deminutiv zu drama. In der antiken lat. Literatur ist es nicht belegt. Titelzusatz von jesuitischen Theaterstücken: Mundus inversus sive perversi mores hujus temporis ad Saeculum antiquum. Breve Dramation (Hall in Tirol, 1666), Hermannus Jesuli deliciae, Jesulus Hermanni divitiae – Dramation publice datum […] (Eger in Böhmen, 1732), Alexis – Dramation Pastoritium und Salomon, Hungariae rex – Dramation (beide veröffentlicht in: Andreae Friz e Societatis Jesu Tragoediae duae et totidem dramatia, Wien 1757). Zwei Stücke von Heinrich Scherer S.J. heißen explizit Dramation musicum, nämlich: Dramation musicum. In quo exhibentur humanae Vitae discrimina, et erga eandem Divinae providentiae argumenta und Dramation musicum. In quo exhibetur periculosa animae Christianae pugna et gloriosus ope Divinae gratiae reportatus triumphus (für die Marianische Kongregation, München 1672 bzw. 1677; s. Haider, Johann (1973): Die Geschichte des Theaterwesens im Benediktinerstift Seitenstetten in Barock und Aufklärung (= Theatergeschichte Österreichs 4,1 – Niederösterreich). Wien: Österreichische Akad. d. Wiss., 55–56.

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6.3.4.2 Instrumente Auch die Übersetzungen einzelner Musikinstrumente zeigen oft eine große Treue zur neulateinischen Tradition. Diese wird von den Lexikographen ohne großen puristischen Ehrgeiz akzeptiert. Besonders deutlich wird dies bei Oboe (lituus Gallicus), Dudelsack (tibia utricularis), Posaune (tuba ductilis) und Orgel (organum pneumaticum), die mit ihren traditionellen neulateinischen Namen versehen sind. Im Gegensatz zu Posaune und Orgel, wird manches Mal nicht die Art der Klangerzeugung oder die Bauweise als Hauptkriterium für die Übersetzung herangezogen, sondern andere Merkmale (zum Beispiel die Herkunft bei der Oboe oder die Verwendung bei der Schalmei durch Hirten). Wenn man die Klangerzeugung als entscheidendes Kriterium für die Klassifikation heranziehen möchte, ist das Verständnis von tibia (gr. αὐλός) als Flöte im modernen Sinne problematisch. Die tibia331, „bei weitem das bedeutendste Blasinstrument der westlichen Antike“332 und römisches Kult- und Theaterinstrument, entspricht nämlich nicht unserer Flöte als Blasinstrument mit (z.B. Blockflöte) oder ohne Kernspalte (z.B. Querflöte)333, sondern einem Instrument mit einfachem (z.B. Klarinette) oder meist doppeltem Rohrblatt (z.B. Oboe, Schalmei), das meist als Doppelinstrument gespielt wurde. Wüstemann (1826, I: 370) und Georges (71882, I: 1305) weisen darauf hin, dass man in der Antike gewöhnlich den Plural tibiae gebrauchte, was einer „Doppelflöte“ entspreche.334 Die rückläufige Übersetzung von Flöte mit tibia in fast allen Wörterbüchern ist daher zwar über die Jahrhunderte überliefert, aber anachronistisch. Fistula335 als treffendere Übersetzung findet sich auffälliger Weise nur in älteren Wörterbüchern bis Bauer 1798 und verschwindet danach.336 In musikterminologischen Werken || 331 S. dazu Barker, Andrew: Art. music, 3.2. In: OCD online; McKinnon, James W. / Anderson, Robert: Art. tibia. In: Grove Music Online; Becker, Heinz (1966): Zur Entwicklungsgeschichte der antiken und mittelalterlichen Rohrblattinstrumente. Hamburg: Sikorski, 51ff.; Fleischhauer, Günter: Art. Rom (Reich), III. In: MGG Online 2016 (Version 4.10.2018); Zanoncelli, Luisa (2000): Art. Musikinstrumente, VI. In: DNP 8: 552; Vetter, Walther (1936): Art. Tibia. In: RE, 2. Reihe, Bd. 6/11: Sp. 808– 812. Abb. s. Fleischhauer 1964: Abb. 23–29. 332 Baines 2010: 11. 333 Vgl. Baines 2010: 94. 334 Tibiae geminae bei Ioh. Tinct. De inventione et usu musicae (um 1487), nach Plin. nat. hist. 7,204. Im Gegensatz zum ebenfalls schalmeienartigen monaulus (μόναυλος) mit Doppelrohrblatt, der aus einem Rohr bestand. 335 Fistula (wie auch avena, calamus, cicuta, harundo, stipula, s. Wille 1967: 112) meint zwar die Syrinx-Panflöte des Hirten, also im Gegensatz zur Blockflöte eine Flöte ohne Kernspalt (vgl. Abert (1932), Art. Syrinx, 4. In: RE, Zweite Reihe, IV/8: Sp. 1779; Barker, a.a.O. unterscheidet σῦριγξ πολυκάλαμος und σῦριγξ μονοκάλαμος); fistula als sog. Schneideninstrument (d.h. Flöte) entspricht aber eher den modernen Flöten-Instrumenten, wenn man das Kriterium der Bauweise bzw. Klangerzeugnis ansetzt. 336 Kirsch 21774: 313 (fistula, tibia); Bayer 41740: 237 (Fistula) und Bayer/Mayer 121819: 359 (Fistula. Tibia); Bauer 21798: 1022 („Flöte, f. große, tibia; kleine, fistula“).

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wurde die Blockflöte als (tibia) vulgaris bezeichnet.337 Auch die antike Literatur unterschied zwischen fistula und tibia.338 Für die Querflöte gilt entsprechendes. Bauer 1778 hat das Lemma als erster berücksichtigt, während Flöte seit Kirsch 1714 und schon früher zum Grundwortschatz der Wörterbücher gehörte. Gleichzeitig ist Bauer der einzige, der die Querflöte als fistula transuersaria bezeichnet.339 Die anderen Autoren haben tibia transversa,340 womit die Bezeichnungen der modernen Sprachen aufgegriffen werden (flûte traversière, flauto traverso, Traversflöte), die sich seit der Mitte des 18. Jahrhunderts in Abgrenzung zu anderen Flötenarten verfestigen.341 Neue Wege geht später Georges mit „tibia vasca (griech. πλαγίαυλος)“, wobei er sich auf die damals neuesten Erkenntnisse aus der Realienforschung stützt.342 Allerdings darf man bei aller äußerlichen Ähnlichkeit nicht vergessen, dass es sich beim Plagiaulos wohl um eine quer gehaltene Doppelrohrblattflöte (tibia) mit Grifflöchern und einem seitlichen Mundstück handelt und nicht um eine moderne Querflöte.343 Der Dudelsack (Sackpfeife) als Rohrblattinstrument wird durchgängig mit tibia utricularis oder einfach utriculus (Deminutiv von uter, Schlauch) wiedergegeben.344

|| 337 So in Walther 1732: 607 (als Orgelpfeife); Reissmann, August (Hrsg.): Musikalisches Conversations-Lexikon – Eine Encyklopädie der gesammten musikalischen Wissenschaften. Berlin: Heimann, 1879, Bd. 11, 230; Sachs 1913: 386b. 338 delectabere tibia mixtis carminibus non sine fistula (Hor. carm. 4,1,23f.); tibiarum ac fistulae cantu (Plin. nat. 5, 7); hic (auleticos calamus) tibiis utilior, fistulis ille (sc. syringias) (Plin. nat. 16, 164); fistulae tibiaeque modulis (Apul. met. 9, 9); tibia questu delectabilior et fistula susurru iucundior (Apul. flor. 17 p. 80); Silvanum fistula sibilatrix, rurestris Faunum tibia decuerunt (Mart. Cap. 9, 906). Mittelalterliche Belegstellen für fistula s. Art. fistula, IV. 1. In: LmL. 339 Bauer 21798: 2014. 340 Scheller 31805, II: 2277; Scheller/Lünemann 31817: 622; Wüstemann 1827, II: 259; Kraft 41844, II: 472. So auch in Sachs 1913: 386b. 341 Vgl. Kreyszig, Walter: Art. Querflöte. In: MGG Online 2016 (Version 5.8.2015). 342 Georges, Ausführliches lat.-dt. Handwörterbuch (81913): 3373 beruft sich im Art. vascus auf Otto Jahn in den Berichten der Sächs. Gesellschaft der Wiss. 1851, 169–170, wo man auch die Bezeichnungen tibia obliqua (Plin. nat. hist. 7, 204) und obliquus calamus ad aurem porrectum dexteram (nach Apul. met. 11,9) lesen kann. tibia vasca (vascus, gr. πλάγιος, quer) findet sich bei Serv. Verg. Aen. 11, 737. Wohl fälschlich überträgt Gabriel Liebheit O.S.B., Vorrede zu Peccati Furiae (1748) (zitiert nach Stroh 2017/2018) die zeitgenössische Traversflöte auf die antike Musik: „Musicam quod attinet, ad aliquot tibias, etiam transversas, clamore inficeto personuere. Was die Musik angeht, so pflegten sie [sc. die antiken Dramatiker] zur Begleitung von ein paar Flöten, sogar Traversflöten, ein albernes Getöse von sich zu geben.“ 343 S. Fleischhauer 1964: Abb. 43; Baines 2010: 12. Dagegen heißt es noch bei Bernert, E. (1950): Art. Plagiaulos. In: RE XX/40, Sp. 1997: „Sie [die antike Querflöte] entspricht in der Form und der Anwendung unserer heutigen Querflöte.“ 344 Ausnahmen sind Lünemann 1821: 1463 mit tibia utricularia [!] und Scheller, der genau zwischen Dudelsack und Sackpfeife unterscheidet: „Dudelsack, etwa utriculus, wozu noch, wo es nöthig, gesetzt werden könnte, sonans oder musicus […]“ (Scheller 31805, I: 723); „Sackpfeife, etwa

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Mittelalterliche Bezeichnungen wie musa345 oder der als eine Art Dudelsack gedeutete chorus346, finden keinen Eingang in unsere neueren Wörterbücher. Tibia utricularis scheint die neulateinisch eingebürgerte Verbindung für Dudelsack zu sein; sie findet sich schon im Orbis sensualium pictus von Comenius und im Nomenclator des Hadrianus Junius.347 Sie setzt sich lexikographisch durch und wird von den musikterminologischen Lexika bis heute übernommen.348 Antik belegt sind diese neulateinischen Übersetzungen für das Instrument aber nicht; sie lassen sich nur durch die Bezeichnung für den Spieler des Dudelsacks, nämlich ascaules349 und utricularius350, erschließen. Das griechische Lehnwort ascaules/ἀσκαύλης wird von den Wörterbüchern mit Ausnahme der älteren Wörterbücher (Bayer 1740 und Bauer 1778) aber nicht berücksichtigt, utricularius (bei Sueton) fehlt nur bei Georges; der Spieler des Instrumentes ist hier nicht berücksichtigt. Auch die Übersetzungen von Klarinette (Clarinet bis Bauer, später Clarinette geschrieben) und Oboe (Hautbois, Hoboe) sind neulateinischer Tradition. Oboe wird allgemein mit lituus Gallicus wiedergegeben, was man schon in Hederichs Promtuarium (21736: 1230) lesen kann. Dies gibt den ursprünglichen deutschen Namen aus dem 17. Jahrhundert französische Schalmei wieder.351 Der antike lituus352 ist ein ehernes, der römischen tuba nahestehendes Blasinstrument mit langem, am Ende hakenförmig gekrümmtem Rohr. Von den Etruskern

|| fistula utricularis (welches Wort nicht bey den Alten vorkommen möchte), oder fistula utricularia.“ (Scheller 31805, II: 2392). Das Neutrum utriculum (so das Lemma im LmL) bei Franchinus Gafurius (1451–1522) (1496): Practica musice. Milano (Repr. 1972), 3,15. 345 S. Art. musa 2.c. In: LmL; vgl. Buhle 1903: 47. Von musa kommt it. cornamusa und frz. cornemuse sowie frz. musette, eine französische Sonderform der Sackpfeife am französischen Hof. 346 Art. chorus II. In: LmL; Buhle 1903: 47. 347 Comenius 21664: 205; Hadrianus Junius (1567): Nomenclator omnium rerum propria nomina variis linguis explicata indicans. Antwerpiae: Plantinus, 367. 348 Koch, Heinrich Christoph: Musikalisches Lexikon. Frankfurt a.M. 1802, 1283; Heidelberg 21865, 739; schließlich gegen Georges und Kraft (beide utriculus) noch in Hugo Riemanns Musik-Lexikon (111929), 1232 (zuerst 1882, 226–227), im Grimm’schen Wörterbuch 1893, Bd. 14: Sp. 1625 und Sachs 1913: 386b; heute im MGG-Artikel von John Henry zu Sackpfeifen. 349 Von *ἄσκαυλος aus ἀσκός und αὐλός. αὐλεῖν ἀσκόν findet sich allerdings nur bei Dion Chrysostomos, Orationes 71,9.  Martial, epigr. 10,3,8 (Canus ascaules). Ob bei einer pompejanischen Kritzelei (CIL 4, 636) ein Personenname oder die Berufsgattung gemeint ist, ist unklar (vgl. Wille 1967: 312. 322; Art. ascaules. In: ThLL). Bei Bauer 21798: 749 fälschlich ascaulus für den Spieler. 350 Ein prominenter Dudelsackspieler ist nach seinen eigenen Vorstellungen Nero (bei Suet. Nero 54; Literatur bei Wille 1967: 349, Anm. 472). 351 Vgl. Pfeifer, Etym. Wörterb. Übernahme des frz. hautbois (haut, hoch und bois, Holz) ins Deutsche um 1700. Die heutige Schreibweise Oboe (vgl. it. oboe) geht auf die im Laufe des 18. Jhs. üblich gewordene Hoboe zurück. Bei Bauer, Scheller, Scheller/Lünemann und Wüstemann allerdings noch Hautbois; bei Kraft und Georges Hautbois und Hoboe. 352 S. McKinnon, James W.: Art. Lituus. In: Grove Music Online; Abert (1926): Art. Lituus. In: RE XIII/25, Sp. 804–805; Wille 1967: 79–83. 90–92; Meucci 1989 (dort weitere Literatur); Baines 2010:

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übernommen, verwendeten es dann die römischen Soldaten.353 Die Begriffe lituus und tuba (Trompete) wurden antik teilweise unterschiedslos gebraucht.354 Insbesondere im 18. Jahrhundert wird der Begriff des lituus uneinheitlich für allerlei Blasinstrumente (meist Krummhorn, Zink oder Schalmei) verwendet.355 Daher rührt die entsprechende Übersetzung für Oboe. Sich gleichende Abweichungen haben Bauer (fistula lignea, leni stridore) und treffender Wüstemann (tibia lignea).356 Die naheliegende Annahme, dass auch Schalmei357 mit lituus übersetzt würde, wird aber nicht bestätigt: Meist ist dieses Instrument, wie die Oboe ein Doppelrohrblattinstrument, nur als fistula bezeichnet. Hier hat man wohl an den Vorgänger der modernen Schalmei, an ein typisches Hirteninstrument gleichen Namens, gedacht, was auch die Übersetzungen fistula pastoricia und fälschlich syrinx bei Wüstemann und Kraft nahelegen.358 Neben dem lituus kamen im römischen Heer drei weitere Blasinstrumente, nämlich tuba, bucina und cornu, zum Einsatz.359 Von diesen Begriffen scheint nur der Begriff cornu (gewundenes Bronzehorn mit Querstange)360 als Übersetzung für Horn nicht problematisch zu sein. Neben cornu findet sich dafür in den Wörterbüchern aber auch die dem Horn nah verwandte buc(c)ina.361 Diese lässt sich aufgrund feh-

|| 192; Fleischhauer 1964: Abb. 25 (bei einer Leichenprozession), Abb. 18 (etruskischer lituus); s. auch verstreute Erwähnungen in den MGG-Artikel zu Etrurien, Rom (Reich), Hörner, Militärmusik. 353 Die militärische Funktion ist literarisch (z.B. Cic. div. 1,30; Sil. 14,10; Claud. carm. 5,218; 8,152– 153; Sen. Oed. 733–734), nicht aber in Darstellungen belegt. 354 So Gell. 5,8,8.11; s. Wille 1967: 91–92 und Meucci 1989: 88; unterschieden wird bei Hor. carm. 1, 1,23–24; Sil. 9, 553ff.; Stat. Theb. 11, 325.529. In späterer Zeit (nach dem 1. Jh.) wird lituus auch synonym für ein einfaches Naturhorn der Reiterei verwendet, das man auch bucina nannte (so Meucci). 355 Sachs 1913: 244a; vgl. die beiden litui in Bachs Kantate BWV 118 (O Jesu Christ, mein’s Leben Licht), deren Besetzung immer wieder diskutiert wird. Bei Comenius (21664: 205) bezeichnet lituus den Zink, ebenso in verschiedenen Musik-Lexika, etwa bei Walther 1732: 367: „Lituus [lat.] ein Zincke. Ehemals hat es auch eine Schallmey; it. tubam curvam, ein Heer-Horn bedeutet.“ 356 Bauer 21798: 1339; Wüstemann 1826, I: 493. 357 Im Mhd. (schalmīe) entlehnt aus afrz. chalemie (vgl. frz. chalumeau), vom spätlat. calamellus, Deminutiv zu lat. calamus (vgl. Pfeifer Etym. Wörterb., Kluge 252011). 358 Wüstemann 1827, II: 316; Kraft 41844, II: 582. Scheller 31805: 2425 wie immer umschreibend: „Schalmeye, etwa fistula, wo jedoch der Deutlichkeit wegen, wenigstens zuweilen, dazu wird gesetzt werden müssen, nomen gerens Schalmeye, oder quae Schalmeye vocatur.“ Bei Scheller/Lünemann 31817: 663 und Bauer 21798: 2140 wird die cicuta, ein weiterer Begriff für die Rohrpfeife des Hirten, erwähnt. 359 Zusammenfassend und mit Zeichnungen Zanoncelli, Luisa: Art. Musikinstrumente, VI. In: DNP 2000, 8, 551. 360 S. Baines 2010: 41–42. 361 Die Schreibweise bucina findet sich in den besseren Handschriften und meist in Inschriften (vgl. būcina. In: Thll,). Die Wörterbücher des 19. Jhs. bevorzugen buccina. Kraft 41844, II: 447 führt beide Schreibungen an.

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lender Darstellungen und literarischer Zeugnisse nicht eindeutig definieren, und wurde so häufig mit dem cornu verwechselt oder in eins gesetzt.362 Die Unterscheidung von Posaune und Trompete ist in unseren Wörterbüchern kaum durchgeführt. So heißt Trompete bei so gut wie allen Lexikographen unterschiedslos tuba und bu(c)cina. Lediglich die prinzipiell puristischen Bernhold und Georges nehmen nur tuba auf; Kraft zitiert die Unterscheidung der beiden Instrumente bei Vegetius.363 Die bis zum Anfang des 20. Jahrhundert gängige Erklärung der bucina als Zugposaune hat sich nicht durchgesetzt.364 Diese alte Annahme beruhte auf Missdeutung einer Vulgataübersetzung alttestamentlicher Instrumente als tubae ductiles.365 Dies suggerierte eine Zugvorrichtung wie beim modernen Instrument. Doch ist mit ductilis eine aus Metall gezogene tuba gemeint.366 Dennoch war tuba ductilis seit dem 16. Jahrhundert die feste lateinische Bezeichnung für Posaune.367 In den deutsch-lateinischen Wörterbüchern findet man hauptsächlich zwei Übersetzungen, nämlich buc(c)ina und tuba ductilis, daneben auch tuba ohne Adjektiv. Wirkmächtig war die Vertonung des Tuba mirum spargens sonum im Dies irae

|| 362 Bucina und cornu wurden bis in die erste Hälfte des 20. Jhs. auch in musikterminologischen Lexika immer wieder miteinander verwechselt oder als ein Instrument bezeichnet, z.B. Sachs 1913: 60b–61a; vgl. Baines 2010: 42; Fleischhauer 1960; Meucci 1989, der zeigen will, dass die Verwechslung von bucina und cornu bei Vegetius 3,5 auf einer Vertauschung beim Abschreiben beruht. Ursprünglich ein einfaches gebogenes Naturhorn im Gebrauch von Hirten, wurde es später aus Metall hergestellt und diente dem Heer für Signale bei der Wachablösung, fürs Wecken und in der Reiterei, vgl. Fleischhauer 1960; McKinnon, James W.: Art. Buccina [Bucina] (Gk. bukanē). In: Grove Music Online; Wille 1967: 80–84. In der römischen Literatur bezeichnet bucina des Weiteren auch das Muschelhorn der Meeresgottheit Triton, prominent bei Ov. met. 1, 335–337. 363 Veget. 3,5; vgl. dazu Wille 1967: 80 und Meucci 1989: 85–86, der die Attribute von cornu und bucina dem jeweils anderen Instrument zuschreiben möchte). Die tuba war ein langröhriges Blasinstrument aus Metall mit einem kleinen Schalltrichter am Ende und das wichtigste Militärinstrument der Römer; es wurde u.a. für Angriffs- und Rückzugssignale benutzt, vgl. Wille 1967: 78–83; McKinnon, James W.: Art. tuba. In: Grove Music Online; Fleischhauer 1964: Abb. 30 (Opfer), 31 (Trajanssäule, zusammen mit cornicines), 36 (Triumph). 364 S. Literatur bei Wille 1967: 82, Anm. 89–91 und Buhle 1903: 15, Anm. 2. Der Begriff Posaune (seit Luther in dieser Form im Deutschen) leitet sich zwar von bucina, über afrz. buisine und mhd. busūne/busīne ab (vgl. Pfeifer, Etym. Wörterb.). Die Spielweise mit Zugmechanik ist aber eine Erfindung erst des 15. Jhs., s. Besseler, Heinrich (1950): Die Entstehung der Posaune. In: Acta musicologica 22, 8–35. Wohl nicht auf die Bauart, sondern die äußere Form geht Höfele, Bernhard: Art. Militärmusik, II. In: MGG Online 2016 (Version 21.8.2015): „Name und Form der bucina erinnern an die Posaune.“ 365 Ps 97,6 (Vulg.) und Cassiod. exp. in psalm. 97, conclusio Psalmi. Die Bedeutung hin und her ziehbar, verschiebbar für ductilis findet sich in der Spätantike. 366 Richtig z.B. bei Hadrianus Junius (1567): Nomenclator omnium rerum propria nomina variis linguis explicata indicans. Antwerpiae: Plantinus, 366. 367 Z.B. bei Michael Praetorius: Syntagma musici II, De organographia. Wolfenbüttel 1619, 31; s. Herbert, Trevor: Art. Trombone – History to c1750. In: Grove Music Online.

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(Requiem) etwa von Mozart mit einer Posaune. Die Lösungen variieren von Lexikograph zu Lexikograph, ohne feststellbares zeitliches Schema: Kirsch, Bernhold und Kraft haben nur buc(c)ina.368 Neben buccina bringen tuba ductilis Bayer und Bayer/Mayer, Bauer, Scheller, tuba ohne Adjektiv Bayer und Bayer/Mayer, Bauer, Scheller und Wüstemann.369 Nur tuba ductilis nehmen Scheller/Lünemann und noch Georges auf.370 Auch bei Orgel wird die musikterminologisch übliche (und bis heute verwendete) Bezeichnung im Neulateinischen organum pneumaticum übernommen.371 Diese Verbindung wurde vermutlich zur Abgrenzung der Orgel von jedem anderen beliebigen Instrument (organum, gr. ὄργανον) im Allgemeinen und der Wasserorgel (organum hydraulicum, aquaticum)372 im Besonderen gebildet.373 Die Unterscheidung von Orgeln pneumatischer, mechanischer oder elektrischer Traktur wurden noch nicht getroffen. Die von Ktesibos von Alexandria (3. Jh. v. Chr.) erfundene, in Rom sehr beliebte und zur Unterhaltung bei Tisch und zur Begleitung von Gladiatorenkämpfen im Amphitheater eingesetzte Wasserorgel, wird etwa um das 2. Jahrhundert nach Christus durch die mit Blasebalg betriebene Orgel abgelöst.374 Bernhold 1757 kennzeichnet organum pneumaticum als „Nothwort“, da in dieser Verbindung nicht klassisch. Wohl aus demselben Grund belässt es Georges bei organum, was auch in der Antike schon Orgel heißen kann.375 Ein weiterer Versuch findet sich bei Scheller, der neben organum und organum pneumaticum auch eine rein lateinische Übersetzung des spezifizierenden Adjektivs (pneumaticum) bringt: „organum, oder in Rücksicht dessen, daß sie durch Wind in Bewegung gesetzt wird, organum spiritale (pnevmaticum [!])“.376 Mit organum musicum gibt es eine weitere

|| 368 Kirsch 21774: 605; Kirsch 1714 hat noch Tuba; Buccina; Salpinx. Salpix. Posaunenschall wird übersetzt mit Tarantara und Bombus! Bernhold 1757: 112; Kraft 41844, II: 447. 369 Bayer 41740: 485 und Bayer/Mayer 121819: 675; Bauer 21798: 1912; Scheller 31805, II: 2242; Wüstemann 1827, II: 242. 370 Scheller/Lünemann 31817: 611 und Georges 71882, II: 655. 371 Z.B. Sachs 1913: 281b; Jakob, Friedrich: Art. Orgel, III. In: MGG Online 2016 (Version 21.6.2016). 372 Suet. Ner. 41,2: organa hydraulica. S. Fleischhauer 1964: Abb. 72. 373 Wie Augustinus in psalm. 56,16 (CSEL 94,1, 252,20–253,10) und 150,7 (CSEL 95,5, 302,5–13) berichtet, musste in der Antike diese Abgrenzung durch den Kontext erfolgen. Von hier Isid. orig. 3,21,2. 374 Vgl. Sachs 1913: 281b; Wille 1967: 205–210. 375 Allerdings meist im Plural. Der spätantik-christliche Gebrauch des Singulars für das Musikinstrument Orgel z.B. bei Tert. anim. 14,4; Aug. in psalm. 150,7; Cassiod. psalm. 150,4 (vgl. Wille 1967: 209). Im allgemeinen Sinne für ein Musikinstrument wird das Wort aber schon bei Vitr. 1,1,15 oder Sen. epist. 87,12 gebraucht. 376 Scheller 31805, II: 2170, gebildet wahrscheinlich nach Vitr. 10,1,1, wo man heute liest: alterum spirabile, quod apud eos πνευματικον appellatur.

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Tradition im jesuitischen Wörterbuch von Bayer und Bayer/Mayer.377 Drehorgel wird einzig von Kraft aufgenommen. Seine Übersetzung lautet orgănon versatile.378 Bei den übergeordneten Instrumentengruppen (Blas-, Schlag-, Saiteninstrumente) sehen wir, sofern sie berücksichtigt sind, eine Vorliebe für Übersetzungen durch konkrete Instrumente. Das Lemma Blasinstrumente haben nur die neueren Wörterbücher (Wüstemann, Kraft, Georges). Doch findet man hier vor allem Konkreta wie tibia, cornu, buc(c)ina oder deren musikalische Ausführung („die Bl. ertönen, cornua ac tubae (cornua tubaeque) concinunt“, Georges) sowie das Spiel von Blas- und Saiteninstrumenten, ganz nach ciceronischem Vorbild: tibiarum et nervorum cantus (Kraft, Georges).379 In eigentlicher Weise wird das Lemma nicht übersetzt, außer bei Kraft: organon pneumaticum.380 Damit aber wird in der Regel die Orgel (s. o.) bezeichnet. Es fehlt die aus Cassiodor zu erschließende Verbindung instrumenta flatilia, wo man auch die Schlag- und Saiteninstrumente auf Lateinisch ausgedrückt findet (instrumenta percussionalia bzw. tensibilia).381 Als Lemma fehlen Schlag- und Streichinstrument ganz, da diese Wörter im Deutschen erst im 19. Jahrhundert aufkamen.382 Bei den Schlaginstrumenten muss man auf die Konkreta verweisen, etwa Pauke oder Trommel (tympanum, auch mit Adjektiven in neulateinischer Tradition wie militare oder symphoniacum). Streichinstrumente gab es in der Antike nicht. Auch wenn die Problematik in gewisser Weise bekannt ist (s.u. Zitat von Wüstemann), scheint es keine klare Unterscheidung zwischen antiken Saiten- und modernen Streichinstrumenten gegeben zu haben. Saiteninstrument wird in der Regel mit der klassischen Metonymie fides (Plural) wiedergegeben. Versuche wörtlicher Übersetzung finden sich lediglich bei Bayer/Mayer (Instrumentum fidibus canens) und Scheller (instrumentum fidibus (oder chordis) intentum)383. Beim Lemma Geige kennen die alten Wörterbücher noch Formulierungen aus dem Gebrauchslatein, die später getilgt werden, z.B. heißt Geige bei Kirsch (1774: 356) pandura und barbitos, eine viersaitige Geige wird mit tetrachordum wiederge-

|| 377 Organum musicum findet sich neben organum pneumaticum auch in Zedlers Universal-Lexicon 1740, Bd. 25: 1869. 378 Kraft 41843, I: 691; vielleicht analog zu machinae versatiles (Vitr. 5,6,8) gebildet. 379 Kraft 41843, I: 541; Georges 71882, I: 695–696; vgl. Cic. S. Rosc. 134. 380 Kraft 41843, I: 541; vgl. oben organum pneumaticum für Orgel. 381 Cassiod. in psalm. 80,3 (PL 70, 587): Secunda partitio ejus [musicae disciplinae] est in percussionalia, in tensibilia, in flatilia. 382 Nach der Wortverlaufskurve des DWDS erst seit der ersten Hälfte des 19. Jhs. gebräuchlich. Streichinstrument zuerst bei Sanders, Daniel: Wörterbuch der Deutschen Sprache, 1860, 1, 820b; vgl. 1 DWB 19: 1232. 383 Bayer/Mayer 121819: 710; Scheller 31805, II: 2397.

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geben. Georges (1882, II: 1491) hingegen übersetzt: „*violina, etwa mit dem Z[usatze] quae dicitiur“. Deutlicher schreibt Wüstemann (1826, I: 417): Geige, die, etwa fides, welches freilich zu allgemein ist. Ueberhaupt kannten die Alten dieses Instrument nicht und darum kann man der Deutlichkeit wegen violina gebrauchen, welches jedoch ein n e u e r e s Wort ist.

6.3.4.3 Musiktheorie Aus dem weiten Feld musiktheoretischer Terminologie greifen wir hier die Tempobezeichnungen und die Intervalle heraus. An ersteren lässt sich zeigen, dass die Benutzung der Wörterbücher nicht immer für das Verfassen von Fachtexten ausreicht, an letzteren wiederum, wie mittellateinische Bezeichnungen in der Zeit nach Bauer nicht mehr zur Geltung kommen. Moderne Tempobezeichnungen sind in den behandelten Wörterbüchern auffällig selten zu finden. Lediglich vier davon, nämlich Adagio, Allegro, Andante/Andantino gibt es hier, weitere (etwa Presto, das mit Adagio, Allegro und Andante zu den vier „Hauptbewegungen“384 gehört) wurden von niemandem aufgenommen. Seit Beethoven (1770–1827) wurden die Haupttempi stark ausdifferenziert, wovon in den Wörterbüchern aber nichts zu spüren ist. Die ersten drei der genannten Tempi kann man als die allgemein bekanntesten dieser Art moderner Kennzeichnung eines Musikstücks betrachten. Sie entsprechen dabei genau den drei Tempogruppen langsam, mittel, schnell: Adagio und Allegro sind den langsamen bzw. schnellen Tempi zugeordnet, Andante/Andantino den mittleren.385 Laut den Übersetzungen handelt es sich also hier nicht um absolute Tempobezeichnungen, womöglich mit durch Metronom bestimmter Genauigkeit, wie sie seit der Romantik üblich geworden sind. Vielmehr geben sie den allgemeinen Ausdruck eines Musikstücks wieder. Insofern überrascht nicht, dass sich bei der Hinübersetzung kein großer Konflikt mit antikem Wortmaterial ergeben kann: Langsame und schnelle Stücke gab es selbstverständlich schon in der Antike. Probleme für den Benutzer entstehen nur, wenn er als Verfasser eines musikalischen Fachtextes die Begriffe Adagio und Andante genau auseinanderhalten muss oder sie als absolute Tempobestimmungen verwenden will. Hierfür reichen die deutsch-lateinischen Wörterbücher aber nicht aus. Festzuhalten ist hier auch, dass mittelalterliche Fachterminologie keine Berücksichtigung findet. Adagio findet sich in deutsch-lateinischen Wörterbüchern erstmals bei Bauer 1 ( 1778, 46). Alle Artikel zu Adagio teilen sich in die genannten zwei Wortarten (Sub-

|| 384 Frobenius, Wolf: Art. Tempo, A.II.3. In: MGG Online 2016 (Version 1998). 385 Während sich Adagio fast überall findet, ist Andante nur in vier (Bauer, Wüstemann, Kraft und Georges 1882), Allegro sogar nur bei den drei zuletzt Genannten aufgenommen.

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stantiv, Adverb) auf. Für das Substantiv Adagio als Bezeichnung für ein langsames Tempo ist die bei allen Wörterbüchern übliche Übersetzung cantus placidus (außer Georges) und cantus lentus (außer Bayer/Mayer 121819 und Georges 71882) bzw. cantus placide incedens (bei Bauer 1798) und cantus lente incedens (bei Kraft). Georges lässt cantus placidus/lentus wohl wegen fehlender Belege nicht gelten. Diese Verbindung ist mutmaßlich aber deshalb so beliebt, weil es die Grundbedeutung von Adagio (ein ruhiges, sanftes, daher langsames Stück) am besten zum Ausdruck bringt. Zusätzliche klassische Wendungen haben mit den bei Cicero zu findenden Verbindungen modi pressi (Tusc. 1, 106) sowie tardiores modi, cantus remissiores (facere) und laxare modos (de orat. 1, 254)386 nur Kraft und Georges (die beiden letzten Wendungen nur bei diesem). Wüstemann (1826, I: 36) bietet als einziger zusätzlich zu der Grundübersetzung mit cantus lentus, lente incedens, placidus die nicht belegte Wendung modus sedatior (also etwa so viel wie Musikstück mit etwas ruhigem, gehemmten Takt; vgl. Andante). Eine bereits bekannte Ausnahme bildet die wörtliche Übertragungsart moderner Begriffe durch Scheller (31805, I: 71): „cantus lentus oder placidus, oder deutlicher cantus qui adagio vocatur“. Doch ist die Scheller’sche Übersetzung für Texte mit hohem stilistischen Anspruch – sofern man etwas in einem Fachtext nicht ganz genau ausdrücken muss – nicht gerade attraktiv. Adagio und Andante werden von den Lexikographen nicht präzise unterschieden. Die Übersetzung von Andante bei Georges und Kraft (der immerhin auf Adagio verweist), nämlich cantus sedatior, könnte ebenso gut für Adagio stehen.387 So wird dieses bei Wüstemann ebenfalls mit modus sedatior übertragen. Dessen weitere Übersetzungen von Andante und Adagio gleichen sich derart, dass man die beiden nicht auseinanderhalten kann. Hier überrascht Bauer (21798: 88) mit einem (im Vergleich zu seinen sonstigen Kommentaren) langen Eintrag zu Andante und nimmt als einziger sogar Andantino als eigenständiges Lemma auf: Andante, in der Musik, lentior modus, medius, non nimis incitatus incessus, compositus, sedatus, ambulanti similis; so spielen, medium tenere, non festinare nimis; nec tardius, nec celerius canere. ein Andante, cantus non festinans, sedatior, ambulantium incessum imitans, referens; medii incessûs. Andantino, in modum cantus sedatioris.

Nicht nur diese Lemmata, sondern auch die traditionelle Übersetzung cantus sedatior für Andante, die wir später noch bei Kraft und Georges bzw. Wüstemann (bei

|| 386 Zur Charakterisierung von remissus und tardus s. Wille 1967: 479 und Schulz, Verena (2013): Die Stimme in der antiken Rhetorik. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, v.a. 252–254. 387 Georges 71882, I: 156 und Kraft 41843/44, I: 104.

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Adagio: modus sedatior) lesen, finden sich bei Bauer erstmalig. Der auf die Musik übertragene Gebrauch von incessus ist laut Thesaurus Linguae Latinae nicht belegt, wie es auch die anderen Interpretamente nicht sind. Jedoch gibt das Wort – ebenso wie ambulanti similis (sc. modus) und cantus […] ambulantium incessum imitans – die Etymologie des Wortes Andante („gehend“, von ital. andare) und die dahinter stehende Verknüpfung von Tempo und Bewegung treffend wieder. Ebenso gut ist die Vorgabe eines gemäßigt schnell zu spielenden Tempos erfasst: medius, non nimis incitatus incessus (hier ist gleichzeitig beides ausgedrückt) und cantus […] medii incessûs bzw. medium tenere, non festinare nimis; nec tardius, nec celerius canere. Andantino ist bei Bauer nicht als Deminutiv, also als Bezeichnung für „etwas schneller“ bzw. (im 18./19. Jahrhundert auch) „etwas langsamer als andante“388 übersetzt. Denn cantus sedatior heißt ja bei Bauer schon Andante. Vielmehr versteht er es fälschlich als ein Adverb zu Andante. Insgesamt agiert Bauer bei der Auswahl der Lemmata und ihrer Übersetzung deutlich freier als die späteren Wörterbücher. So erlaubt er sich, nachrangige Wörter wie Andantino aufzunehmen und klassisch nicht belegte, aber dennoch nicht unlateinische Formulierungen. Allegro ist nicht wie Adagio und Andante mit dem Schreiten, sondern mit einer Gemütsbewegung des Menschen konnotiert. Die Charakterisierung eines heiteren Musikstücks mit Allegro verschob sich allmählich zur Bezeichnung des ihr zugeordneten schnellen Tempos.389 Es wird von Georges und Wüstemann gleichlautend mit „cantus od. modus incitatior“390 (von incitare, also ein ziemlich schnelles, lebhaftes, aufgeregtes Musikstück) übersetzt. Kraft unterscheidet sich hier durch dreierlei von den genannten Lexikographen: Zunächst erklärt er das Lemma als „ein munteres Musikstück“, um es dann mit cantus alacrior und dem bereits bekannten modus incitatior zu übersetzen. Außerdem hat er ein zusätzliches Lemma für das adverbial gebrauchte Allegro: Allegro, Adv. munter, lebhaft, bes. in der Musik, alacriter; paullo [!] incitatius; z. B. singen, al. cantare, Reich. Kraft 41843, I: 81

Auffälligerweise zieht Kraft einen Neulateiner (ohne Nennung des Werks) als Autorität für letztgenannte Wendung heran, den Schulmann, Philologen und Komponisten Heinrich Gottfried Reichard, einen Schüler von Johann August Ernesti.391 Mit || 388 Fallows, David: Art. Andantino. In: Grove Music Online. 389 Beispiele bei Bengen, Irmgard: Art. Tempo, A.II.2. In: MGG Online 2016 (1998). 390 Georges 71882, I: 116 und Wüstemann 1826, I: 44. 391 Heinrich Gottfried Reichard (1742–1801, zu unterscheiden vom Musiker Johann Friedrich Reichardt, 1752–1814), Komponist u.a. von über 40 kirchlichen Kantaten, Kantor und Konrektor der Fürstenschule in Grimma, Übersetzer der deutschen „Geschichte des siebenjährigen Krieges in Deutschland“ von Johann Wilhelm von Archenholz ins Lateinische (Historia belli septennis in germania ab a. 1756-a. 1763 gesti, Bayreuth 1792). Er übersetzte das NT in klassisches Latein (Novi Tes-

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cantus alacrior bzw. alacriter hebt Kraft nicht nur die ursprüngliche Hauptbedeutung von Allegro, nämlich „munter, lebhaft“, hervor, sondern rekurriert so auch auf die Herkunft des italienischen Wortes über verschiedene Stufen von lat. alacer.392 In der Praxis wird man auch bei der Musik für lateinische Libretti wohl immer auf die gängigen italienischen Tempobezeichnungen ausgewichen sein, da sie eine genauere Vorstellung vom gewünschten Tempo vermitteln als die allgemein gehaltenen lateinischen Übersetzungen, wie wir sie in den Wörterbüchern lesen.393 Diese verfehlen also für den Musikpraktiker, aber vor allem auch -theoretiker, der auf Latein schreiben will, wünschenswerte und notwendige Genauigkeit. Für guten lateinischen Stil jedoch bieten sie probates Anschauungsmaterial. Ebenso wie Musikstücke unterschiedlicher Tempi gab es schon in der Antike Ausdrücke für den Begriff des Intervalls und die einzelnen Intervalle. Dennoch verzichten die Wörterbücher ganz auf den griechischen Fachterminus διάστημα oder das in der Spätantike ins Lateinische übernommene Lehnwort diastēma und schlagen nur rein lateinischen Übersetzungen vor.394 Hierin offenbart sich wiederum eine puristische Tendenz der Wörterbücher, gepaart mit klassizistischer Ambitioniertheit: Denn auch Begriffe, die seit der Spätantike, dem Mittelalter oder dem Humanismus für Intervall gebraucht wurden, wie distantia oder differentia, fehlen.395

|| tamenti libri omnes, veteri Latinitate donati, 1799). Zwar richtete er 1778 eine Schrift gegen Basedow (s. Kap. 4.3.2) (Φιλάνθρωπος sive de institutione puerili dialogus), verfasste aber eine lateinische Übersetzung von Christian Heinrich Wolkes, eines Mitarbeiters von Basedow, Erläuterungen zum Elementarwerk, dem Lehrwerk des Philanthropinums. Vgl. Eintrag in ADB und Steude, Wolfram: Art. Grimma, II. In: MGG Online 2016 (Version 17.10.2017) und Ermel, Gottlob Siegismund (1792): Altes und Neues von der Churfürstlichen Sächsischen Stadt Grimma. Leisnig: Baumann, 122–126. 392 Allegro wurde als Adv. im 17. Jh. und als Substantiv im 18. Jh. aus dem Italienischen ins Deutsche übernommen. Der italienische Begriff kommt von „vlat. *alecrus oder (als Entlehnung von afrz. haliegre, (h)alegre, mfrz. allegre bzw. aprov. alegre?) aus vlat. *alicer, Genitiv *alecris, beides Umbildungen von lat. alacer, über mittelfrz. allegre“ (Pfeifer, Etym. Wörterb.). 393 Andante lautet die Tempobezeichnung der Arie Bella Dea cytharea, spes unica mea aus dem Chorus I von Hymenaei de Marte Triumphus (allegorische Nebenhandlung komponiert von Ferdinand Tobias Richter zur Hochzeit von Joseph I. und Amalia Wilhelmina von BraunschweigLüneburg, Wien 1699, Mus. Hs. 16040 MUS der Nationalbibliothek Wien; Notenbeispiel nach Wittwer 1934, Anhang). Zu Richter s. Wittwer 1934: 88–89. Largo ist bezeichnet die Arie von Omphala Iam quieti iam sopori Hercules se captum dat aus dem Prologus von Nundinae Deorum labore omnia vendentium, komponiert von Johann Jakob Stupan von Ehrenstein, gewidmet Joseph I. und Amalia, Wien 1711, Mus. Hs. 16903 MUS der Nationalbibliothek Wien. Auch alle anderen musikalischen Bezeichnungen sind hier italienisch: Aria, da capo, Violino usw. Ebenso hat die Comedia Frisingana (1739, s. Stroh 2017/2018) die üblichen Bezeichnungen (Allegro, Andante, Intrada, da capo). 394 Ausführliche Entwicklungsgeschichte in Beiche, Michael: Art. Diastema. In: Eggebrecht, Bd. 2. 395 S. Beiche, Michael: Art. Intervallum/Intervall. In: Eggebrecht, Bd. 3.

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Zum ersten Mal findet sich das Wort bei Scheller, doch ist hier mit intervallum wohl nicht der musikalische Fachausdruck für den Abstand zwischen zwei Tönen, sondern Zwischenraum oder Zwischenzeit zu verstehen.396 Diese Bedeutung kann Intervall seit dem 18. Jahrhundert im Deutschen annehmen.397 Seit Scheller/Lünemann (31817: 429) zeigt sich eine Differenzierung des Lemmas Intervall in die allgemeine und die musikalische Bedeutung. Seitdem wird es mit discrimina vocum übersetzt, was von sämtlichen jüngeren Wörterbüchern übernommen wird.398 Dieser Ausdruck stützt sich auf eine nicht leicht wiederzugebende Stelle in der Aeneis (6, 646).399 Dort ist von den septem discrimina uocum die Rede, die der thrakische Priester Orpheus zum Erklingen bringt (obloquitur numeris septem discrimina uocum). Die deutschen Übersetzer („die siebensaitge Leier“, J. Götte; „auf siebenstimmiger Leier“, W. Plankl) wie auch der Thesaurus Linguae Latinae (fere i. q. septem diversas voces) und die einschlägigen Kommentare verstehen darunter die sieben Saiten oder Stimmen eines Instrumentes. Bauer (21798: 1905) aber gebraucht dieses Zitat (septem vocum discrimina) als Übersetzung für Oktave (s.u.), womit wohl der Zwischenraum zwischen den beiden Tönen beschrieben werden soll. Später übersetzt Censorinus das griechische Pendant διάστημα, das im Griechischen seit dem vierten vorchristlichen Jahrhundert als Fachausdruck für Intervall dient, mit discrimen. Weit präziser ist das lateinische Wort intervallum selbst, das im musikalischen Sinne zuerst in der Mitte des ersten Jahrhunderts vor Christus an zwei Stellen bei Cicero (allerdings im Plural) belegt ist.400 Von hier übernimmt Kraft, überraschend als einziger, die nicht zu beanstandenden intervalla sonorum in sein Wörterbuch und nennt die genaue Textstelle. Ebenso singulär bezieht er sich mit dem Ausdruck soni intervallis distincti („Töne, die durch Intervalle unterschieden sind“) auf die andere Cicero-Stelle. Im Singular finden wir das Wort – zusammen mit einem weiteren brauchbaren umschreibenden Ausdruck für die gesuchte Sache – erst spät in der Definition bei Boethius (um 500) wieder: intervallum vero est soni acuti gravisque distantia.401

|| 396 Scheller 31805, I: 1590; 21789: 1264. Die erste Auflage von 1784 war mir bislang nicht zugänglich. S. auch Wüstemann 1826, I: 562; Kraft 41844, I: 1406. Georges 71882, I: 2001 übersetzt es zusätzlich zu intervallum mit spatium. 397 Vgl. Pfeifer, Etym. Wörterb., Kluge 252011. 398 Als eindeutig musikalische Bezeichnung wurde Intervalle (also im Plural) bereits im 17. Jahrhundert aus dem Lateinischen ins Deutsche entlehnt; der Gebrauch des Singulars ist gemäß Beiche zuerst im 18. Jahrhundert belegt. Zur Etymologie s. Pfeifer, Etym. Wörterb.; Kluge 252011. 399 Ausdrücklich beruft sich allerdings nur Kraft auf Vergil. 400 De rep. 6,18 (distinctos intervallis sonos); Tusc. 1,41 (harmoniam ex intervallis sonorum nosse possumus). 401 Boeth. De inst. musica, I, 8.

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Betrachtet man nun die einzelnen Intervalle, fällt im Vergleich zunächst die Unausgewogenheit ihrer Behandlung in den Wörterbüchern auf: Die Prime, also der Zusammenklang zweier Töne, wird in musikalischer Hinsicht gar nicht behandelt; offenbar war der Begriff in dieser Bedeutung noch nicht allgemein üblich.402 Die Sekunde wird zwar von Bauer bis Georges aufgenommen, aber nur bei Bauer in einer musikalischen Bedeutung behandelt (mlat. secunda).403 Die Sexte und Septime werden überraschender Weise nur von Bauer mit der mittellateinischen Terminologie sexta und septima aufgenommen.404 Die Terz405 hingegen findet ihre Behandlung bei allen Lexikographen von Bauer bis Georges, die Quarte von allen seit Bayer (1724), die Quinte und Oktave schließlich sogar von allen seit Kirsch (1714) – ausgenommen Bernhold (1753), der in seinem vergleichsweise kleinen Wörterbuch ohnehin keines der Intervalle aufnimmt. Der uneinheitliche Befund hängt mutmaßlich mit der selteneren bzw. häufigeren Benutzung der Wörter zusammen. Im Gegensatz zur Übersetzung des Überbegriffs greifen die Lexikographen bei den einzelnen Intervallen auf überlieferte griechische Lehnworte zurück: diatessaron für die Quarte406, diapente für die Quinte407 und diapason für die Oktave408.

|| 402 Bei Scheller 31805, II: 2254 und Georges 71882, II: 669 nur zur Fechtkunst. Im DWB 13: Sp. 2128 finden wir folgende Erklärung: „musikalisch der grundton, der erste ton (prima clavis) einer octave, die erste stimme, die erste geige u. s. w.“ 403 Bauer 21798: 2251. Bei den anderen Lexikographen dominieren andere Bedeutungen (Klasse, Fechthieb und Zeiteinheit [bei Bauer fälschlich sex millesima tercentesima pars horae, richtig bei Scheller 31805, II: 2562 pars horae ter millesima sexcentesima.]). 404 Analog zu secunda wird Septime von Bauer 21798, 2269 mit mlat. septima übersetzt. Bei der Differenzierung zwischen großer und kleiner Septime greift er auf das dem Griechischen entlehnte diapente zurück: diapente cum ditono für die große und diapente cum hemiditono für die kleine Septime. ditonus und hemiditonus bezeichnen den kleinen bzw. großen Terzschritt. In gleicher Weise heißt es bei Bauer 21798: 2274 zur Sexte: „Sexte, f. in der Musik, sexta; große, diatessaron cum ditono; kleine, diatessaron cum hemiditono.“ 405 Ditonus und hemiditonus finden sich bei Bauer 21798: 2419 für große und kleine Terz (vgl. Sexte und Septime). Das Intervall selbst gibt Bauer mit tertium interuallum wieder – und nicht mit mlat. tertia, wie er es analog zu seiner Übersetzung anderer Intervalle hätte tun können. Bauers Übersetzung folgen dann Scheller, Wüstemann und Kraft. Bei Georges und Wüstemann finden wir nun zusätzlich die tertia. 406 So übersetzt in allen Wörterbüchern. Bei Georges und Kraft mit Angabe der Vitruv-Stelle (5,4). Zusätzlich dazu hat Bauer mlat. quarta (wie bei Sekunde, Sexte und Septime) und hyperdiatessaron für die „erhöhte“, unreine Quarte. 407 Quinte ist schon seit der ersten Ausgabe von Kirsch 1714 als Lemma aufgenommen und wird von allen Wörterbüchern mit diapente wiedergegeben. Zusätzlich finden wir bei Bauer und Kraft intervallum quinarium, bei Bauer auch „Quinten machen, geminare quinaria interualla“ (2014–2015) sowie für „erniedrigte“ und „überflüssige“ [!] Quinte hypodiapente bzw. hyerdiapente. 408 Auch bei Oktave finden wir durchgehend das griechische Lehnwort diapason. Zusätzlich wird auch intervallum septem vocum seit Scheller üblich – Bauer hat septem vocum discrimina (s.o. Intervall) –, was den Zwischenraum einer Oktav beschreibt. Im lateinischen Mittelalter findet man

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Diapente (διὰ πέντε) ist ebenso wie diatessaron (διὰ τεσσάρων) und diapason (διὰ πασῶν) aus dem Griechischen ins Lateinische entlehnt (zuerst bei Vitruv, dann bei Plinius d. Ä., Mart. Cap., Boethius) und haben sich fest in die europäische Fachterminologie eingebürgert.409 Sie finden sich in allen Wörterbüchern und entsprechen den mittellateinischen Bezeichnungen Quinte, Quarte und Oktave, die im Deutschen seit dem Mittelalter als Lehnwort übernommen wurden. Hier sieht man eine große Treue zu den Begriffen, die über mehr als zweitausend Jahre Überlieferungsgeschichte in sich tragen. Während Bauer einige Bezeichnungen aus dem Mittellateinischen bringt (secunda, quarta, sexta, septima), beschränken sich die anderen Lexikographen auf die antiken griechischen Bezeichnungen. Sie berücksichtigen dabei von vornherein nur einige ausgesuchte Intervalle. 6.3.4.4 Fazit Im Bereich der Musik ist die Kluft zwischen modernem Begriff und alter Sprache nicht so groß, wie in den anderen Bereichen, vor allem der Technik. Während für Luftschiffe und Telegraphen neue, teils untereinander konkurrierende Übersetzungen gefunden werden mussten, besteht bei der Übersetzung der musikalischen Begriffe eine gewisse Einheitlichkeit unter den Wörterbüchern. Diese beruht darauf, dass die Lexikographen durchaus auf gängige neulateinische Verbindungen und Fachtermini aus einer Zeit zurückgriffen, als Latein noch fest im Alltagsgebrauch verankert war. Dies ist an vom neulateinischen Schultheaterbetrieb übernommenen Bezeichnungen für Oper, Singspiel (drama musicum) und Operette (dramation musicum u.ä.) ablesbar. In den Wörterbüchern ist hier keine puristische Tendenz zu erkennen. Vielmehr scheint für die lateinischen Zusätze der Titel jesuitischer Schuldramen das Einwirken zeitgenössischer Musikpraxis und -terminologie eine Rolle zu spielen. Die daraus erwachsenen und so tradierten Bezeichnungen blieben bis ins 19. Jahrhundert unangetastet, selbst der klassizistische Georges lässt die neulateinischen Übersetzungen gelten. Dasselbe gilt für die Musikinstrumente. Neulateinische Bezeichnungen, wie Oboe (lituus Gallicus), Dudelsack (tibia utricularis), Posaune (tuba ductilis) oder Orgel (organum pneumaticum), sind bis ins 19. Jahrhundert und in manchen Fällen bis heute in musikterminologischen Fachlexika erhalten geblieben. Die Übernahme von ins Deutsche entlehnten lateinischen Wörtern zurück ins Lateinische geschieht selten und ist nur als lexikographisches Sondergut einzelner Wörterbücher zu betrachten (opera bei Wüstemann oder cantata bei Lünemann). Manches, was die

|| diapason neben octava, diocto hingegen findet sich gelegentlich nur seit dem Humanismus, vgl. Reckow, Fritz: Art. Diapason, diocto, octava. In: Eggebrecht, Bd. 2. 409 Vgl. Reckow a.a.O.

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lexikographische Tradition überliefert hat, hat die Musikwissenschaft des 20. Jahrhunderts, wie gezeigt, inzwischen als falsch oder anachronistisch erwiesen, etwa die Bezeichnung der Flöte als tibia oder der Posaune als tuba ductilis und die Verwechslung bzw. Identifikation von bucina/cornu und bucina/tuba. Wurden die Gattungen und Instrumente meist sehr präzise übersetzt, sind die Tempobezeichnungen eher allgemein behandelt (cantus placidus für Adagio). Die Verwendung der Wörterbücher für etwaige lateinische Fachtexte wird auch durch die Reduzierung der Lemmata auf nur drei Grundtempi (Adagio, Andante und Allegro) erschwert. Derartige Lemmaselektion lässt sich auch an den schon in der Antike verwendeten Intervallen erkennen; vor allem Quarte, Quinte und Oktave wurden berücksichtigt. Auch hier gilt, dass es sich bei den Wörterbüchern nicht um Fachlexika, sondern vorrangig um Hilfsmittel für den lateinischen Stilunterricht handelte. Mittellateinische Fachtermini fehlen bei den Intervallen und auch bei den anderen Fachgebieten fast vollständig. Eine Ausnahme bilden die noch bei Bauer zu findenden lateinischen Bezeichnungen für manches andere Intervall, die aber danach fast ganz verschwinden.

7 Resümee Die Blütezeit der deutsch-lateinischen Lexikographie stand im Mittelpunkt unserer Untersuchungen. Sie währte von ungefähr 1750 bis 1850. Dieser bildlich hundert Jahre andauernde üppige Frühling könnte überraschen, war doch der Gebrauch des Lateinischen in Alltag und Wissenschaft damals schon zunehmend im Schwinden begriffen; doch korreliert der behandelte Zeitraum mit den Anstrengungen neuhumanistischer Philologen, die Pflege der lateinischen Sprache, konkret den Lateinunterricht, im Zeichen des Klassizismus zu verbessern. In dieser Zeit war die schriftliche, seltener auch mündliche Beherrschung des Lateinischen dank Stilübungen und lateinischen Schulaufsätzen stark präsent, letztere in Preußen gar bis 1892 obligatorisch. Zwar berücksichtigen umfangreichere Wörterbücher explizit auch den akademischen Bereich, doch vorrangig sind sie für die Schule geschrieben. Dem entspricht die Verfasserschaft durch Schulleute von exzellentem wissenschaftlichem Ruf. Ernst Friedrich Wüstemann etwa, Lehrer in Gotha, galt, glaubt man den Nachrufen, in seiner Zeit als einer der besten Latinisten überhaupt. In ihren lesenswerten Vorreden verteidigen die Lexikographen die lateinischen Stilübungen am Gymnasium, ohne jedoch auf die im 19. Jahrhundert umstrittenen lateinischen Aufsätze einzugehen. Die Vorreden lassen aber nicht nur ihre didaktische Sorge erkennen. Vielmehr können wir durch ihre apologetische Ausrichtung ex negativo auch auf den spürbaren Rückgang des aktiven Lateins in der Gesellschaft vor allem in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts schließen. Noch um 1800 aber kann der temperamentvolle Immanuel Johann Gerhard Scheller das Reden und Schreiben auf Latein mit Beispielen aus der zeitgenössischen Verwaltung und der Gelehrtenwelt als überaus nützlich darstellen. Für alle Lexikographen war die Notwendigkeit, Latein aktiv zu pflegen, eine unverhandelbare Selbstverständlichkeit. Überraschend war die Dominanz protestantischer Lexikographen. Dies gilt bereits für das 16. Jahrhundert, ist dann aber im 18. und 19. Jahrhundert besonders auffällig. Die jesuitische Lexikographie, Anfang des 18. Jahrhunderts in Blüte stehend (Wagner, Bayer, Aler, Kropf), fand hingegen 1773 durch das Ordensverbot ihr jähes Ende. Für Katholiken war die deutsch-lateinische Lexikographie wegen ihrer traditions- und praxisbedingten Nähe zum Lateinischen als Kirchensprache offenbar weniger anziehend als für Protestanten mit ihrer traditionellen Offenheit für die Nationalsprache und ihrer Fixierung auf das klassische Latein. Zudem korreliert diese Dominanz mit der damaligen Entwicklung der Altphilologie schlechthin: Die deutsch-lateinischen Lexikographen waren genauso wie die führenden klassischen Philologen häufig Pfarrerssöhne und entstammten protestantischem Bildungsbürgermilieu. Konfessionelle Profilierung und Polemiken sind in den deutsch-lateinischen Wörterbüchern dieser Zeit passé. Ausnahmen, wie etwa die unkritische Aufnahme von anti-katholischen Übersetzungen des lutherischen

https://doi.org/10.1515/10.1515_9783110771770-007

Resümee | 339

Kirchengeschichtsschreibers Mosheim bei Kraft (in Artikeln wie Ablasspredigt, Reformation, Rosenkranz beten), bestätigen eher die Regel. Dass ein Lemma wie Ablass sachlich nicht korrekt wiedergegeben wird, ist katholischen wie protestantischen Lexikographen gemeinsam. Deutsche und deutsch-lateinische Wörterbücher inspirierten einander: Während diese teils den deutschen Wortschatz der einsprachigen Wörterbücher als Ausgangspunkt oder Grundlage haben, griffen jene noch bis Grimm auf die deutschlateinische Form zurück. Dieser Austausch war angelegt: Als Maaler, Henisch, Stieler, Steinbach oder Frisch ihre Werke zur Standardisierung der deutschen Sprache schufen, bedienten sie sich wie selbstverständlich der überlieferten Form des deutsch-lateinischen Wörterbuchs. Diese Praxis hält sich in reduzierter Form bis zum Grimm’schen Wörterbuch, das häufig noch lateinische Äquivalente aufnimmt; aber um 1800 verzichten dann Adelung und Campe darauf und werden zur Wörterbuchbasis in deutsch-lateinischen Wörterbüchern (etwa bei Kraft und Lünemann). Auffällig ist auch das zunehmende Übergewicht des Deutschen als Publikationssprache: Titel und Vorreden der zwischen 1750 und 1850 erschienenen deutschlateinischen Wörterbücher sind einsprachig deutsch; anders war es zur ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, wo lateinische Titel und Vorreden noch häufiger anzutreffen sind als deutsche oder gemischtsprachige. Bei den Vorreden vollzieht sich dieser Wechsel zwischen 1730 und 1750, während lateinische Titel mit Bauer und Scheller seit den 1770er-Jahren unüblich werden. Zeittypische Symbolbilder auf der Frontispizseite (wie noch bei Kirsch, Bayer und Hederich) verschwinden mit dem Ende des Barockzeitalters fast ganz. Als Zeichen von Wissenschaftlichkeit galt eine weitläufige Erfassung des gereinigten deutschen Wortschatzes in deutsch-lateinischen Wörterbüchern. Ziel war möglichst Vollständigkeit, eine angemessene Gliederung nach Bedeutungen sowie die korrekte Übersetzung ins Lateinische. Dass es sich dabei stets um relative Vollständigkeit handeln musste, ist selbstverständlich. Teils polemisch wurde der Nachweis geführt, mehr Lemmata aufgenommen zu haben als die Konkurrenten. Besonders die 1820er-Jahre waren von einem regelrechten Wettstreit zwischen den Lexikographen Wüstemann, Kraft, Lünemann und später auch Georges gekennzeichnet. Drei ‚Wörterbuchschulen‘ konnten wir unterscheiden: (1.) Die vom Alltagslatein geprägte Zeit vor 1750, exemplifiziert durch Kirsch und Bayer; (2.) die ‚Leipziger Schule‘ von Bauer und Scheller, den Ernesti-Schülern, an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert; und schließlich (3.) die Zeit mit Wüstemann, Kraft und Lünemann, den Lehrern bzw. Vorläufern von Karl Ernst Georges, in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Dessen Wörterbücher mit dem Titel Ausführliches deutsch-lateinisches Handwörterbuch (zuletzt 1882) und Kleines Deutsch-Lateinisches Handwörterbuch (zuletzt 1910 von Heinrich Georges) sind die führenden deutsch-lateinischen Wörterbücher

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und wurden durch die Bearbeitung im sogenannten Neuen Georges nicht substanziell verbessert. Zahlreiche kleinere Wörterbücher, häufig abhängig von den genannten Lexikographen der drei Schulen, zeugen vom Einfluss der einzelnen Wörterbücher. Für sich steht das extrem puristische Wörterbuch Bernholds (1757), dessen lexikographische Arbeit in neuerer Zeit hier zum ersten Mal ans Licht gehoben und gewürdigt wurde. Er verzichtet ganz auf Wörter des unklassischen Lateins und weist – muss er „aus Noth“ ein solches Wort doch aufnehmen – auf die fehlende klassische Autorität des Wortes hin. Unsere Ausgangsfrage lautete: Welchen Niederschlag zeitigt der Wandel des Lateinischen von der Wissenschaftssprache zu einer der gymnasialen Formalbildung dienenden, klassizistisch geprägten Sprache in den Wörterbüchern? Anhand der drei Phasen ließ sich eine allgemeine Entwicklung der Wörterbücher vom Gebrauch des Alltagslateins hin zu klassizistischer Ausrichtung herausarbeiten. Zunehmende wissenschaftliche Genauigkeit und eine deutliche Erweiterung der Artikel sowie genauere Differenzierung der Semantik und des Wortgebrauchs einzelner Autoren oder Gattungen begleiteten diese Entwicklung. Georges (1882) übertrifft in der Semantik alle seine Vorgänger, wenngleich er im Vergleich zu seinem Lehrer Kraft (zuletzt 1843/1844) an der Angabe der Autoritäten spart. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Phasen sind augenfällig. In der ‚Leipziger Schule‘ war der alltägliche Gebrauch des Lateinischen noch deutlich greifbar, in Form unlateinischer Wort für Wort-Übersetzungen (mareschallus campi) oder Übertragungen (tormentum, quod Canone vocatur) bei Scheller (zuletzt 1805), bei Bauer (zuerst 1778) in Gestalt zahlreicher Neubildungen (lamina anticeraunia für Blitzableiter, velum antiptoticum für Fallschirm). Solch unklassische Begriffe werden in den jüngeren Wörterbüchern meist nicht tradiert, dennoch etablierte Neubildungen etwa technischer Terminologie (wie conductor fulminis für Blitzableiter bei Lünemann 1821, Wüstemann 1826/1827 und Kraft 1843/1844) berücksichtigt. So stehen der grundsätzlichen klassizistischen Entwicklung zahlreiche charakteristische Einzelzüge der Wörterbücher gegenüber. Jeder Lexikograph verfolgt in seinem Werk einen je eigenen Ansatz. Das Schlagwort Klassizismus allein reicht hier zur Erfassung nicht aus. Einzelne Artikel insbesondere zu nachantiken Begriffen zeigen die Individualität der einzelnen Lexikographen unabhängig von ihrer Zeitstellung und ein weites Spektrum der Übersetzungsmöglichkeiten. Moderne geistesgeschichtliche Begriffe sowie theologische Termini werden variantenreich übersetzt. Am Lemma Aufklärung zeigte sich im Vergleich die große Individualität der Wörterbücher: Scheller – wie immer einem Kompromiss mit dem Latein seiner Zeit nicht abgeneigt – erlaubt durchweg illuminatio, was von den klassizistischer geprägten Nachfolgern Kraft und Wüstemann explizit als unlateinisch bzw. unklassisch abgelehnt wird. Georges hingegen lässt das Verb illuminare mit

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Berufung auf Laktanz für die Übersetzung von Aufklärung in speziell religiöser Hinsicht wieder gelten. In diesem Zusammenhang ließen sich auch das häufige Mit- und Gegeneinander von klassizistischen oder puristischen Ansätzen auf der einen und eher pragmatischen auf der anderen Seite sowie deren kreative Kombination herausarbeiten. Sehr deutlich gehen die Wörterbücher etwa bei der Übersetzung von Auferstehung auseinander: Manche tilgen resurgere bzw. resurrectio aus Gründen des Sprachpurismus, andere führen daneben klassische Varianten an, etwa reditus in vitam. Auch im technischen Bereich bestätigt sich dieser Eindruck: Charakteristisch ist die Varianz der Übersetzungen in den einzelnen Artikeln. Man findet selten einen konsequenten rigiden Klassizismus, auch wenn die neueren Wörterbücher deutlicher zu diesem tendieren. Viele traditionelle Termini technici der Wissenschaftswelt werden tradiert und ohne Scheu auch von jüngeren Lexikographen gebraucht, so zum Beispiel thermometrum oder telegraphum. Teilweise lassen sich sogar gegenläufige Tendenzen zum allgemeinen klassizistischen Fortschreiten ausmachen: So beschränkt sich Georges etwa bei der Übersetzung von Telegraph auf neulateinisch telegraphum, während die Vorläufer Wüstemann und Kraft auch ungelenke klassizistische Umschreibungen bieten. Erstaunlich ist die Nichtaufnahme mancher zeitgenössischer Erfindungen, wie Aluminium, Revolver oder Seismograph. Auch bei musikalischen Begriffen verzichten die Wörterbücher nicht auf tradierte neulateinische Übersetzungen, zum Beispiel drama musicum für Oper oder dramation musicum für Operette. Neulateinische Namen für Musikinstrumente, wie lituus Gallicus (Oboe), tibia utricularis (Dudelsack), tuba ductilis (Posaune) oder organum pneumaticum (Orgel), haben sich bis ins 19. Jahrhundert hinein, in manchen Fällen bis heute gehalten. Die Übernahme von ins Deutsche entlehnten lateinischen Wörtern zurück ins Lateinische ist hingegen sehr selten und nur als lexikographisches Sondergut einzelner Wörterbücher zu betrachten (opera bei Wüstemann oder cantata bei Lünemann). Fehlende Begriffe (etwa einiger Intervalle) und umschreibende Übersetzungen zeigen auch hier, dass es sich bei den Wörterbüchern nicht um Fachlexika, sondern vorrangig um Hilfsmittel für den lateinischen Stilunterricht handelt. Ähnliche Ergebnisse sind auch für fremdsprachig-lateinische Wörterbücher zu erwarten: Die Lexikographen waren in ganz Europa mit demselben Problem der Übersetzung moderner Begrifflichkeit konfrontiert; auch lässt sich der Klassizismus nicht auf Deutschland beschränken. Der europaweite Umgang mit dieser Frage und beispielsweise Wörtern wie Fortschritt (engl. progress, frz. progrès, it. progresso, sp. progreso usw.) könnte Thema einer eigenen Forschungsarbeit sein. Somit bleibt festzuhalten: Grundzug aller Wörterbücher ist die zumindest nominelle Orientierung an den ‚besten‘ Autoren. Die zunehmende Ausrichtung an den Klassikern scheint nicht nur einem grundsätzlichen Interesse des 18. und 19. Jahrhunderts neuhumanistischer Prägung zu entspringen. Vielmehr verdankt sie sich

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der wissenschaftlichen Arbeit zahlreicher Philologen, Editoren, Kommentatoren und Schulbuchautoren, deren Bücher als lexikographische Hilfsmittel herangezogen wurden. Ihre Erkenntnisse schlagen sich dann in der gereinigten Phraseologie und differenzierten Synonymik der Wörterbücher nieder. Der Unterschied zwischen älteren und jüngeren Wörterbüchern besteht also in der Tendenz zur Tilgung von Gebrauchslatein, die aber wie gesehen nicht strikt durchgeführt wurde, in der Hauptsache aber in der immer genauer werdenden sprachlichen Erfassung der klassischen Sprache. Die Benutzung und Didaktik deutsch-lateinischer Wörterbücher am Gymnasium war allerdings nicht unumstritten. Große Philologen und neuhumanistische Vordenker wie Johann August Ernesti oder Friedrich Gedike rieten vom (exzessiven) Gebrauch deutsch-lateinischer Wörterbücher ab. Jeder Philologe aber hätte dem zugestimmt, was ein unbekannter Rezensent (Mr. 1822: 393) der Wörterbücher von Bauer, Kraft und Lünemann als Appell formuliert: Dass nur aber Keiner wähne, im Besitze auch des besten Deutsch-Lateinischen Wörterbuches sich die Lectüre und das fleissige Studium der lateinischen Schriftsteller selbst, und das Eindringen in ihre Art zu denken und darzustellen ersparen zu können! Der Geist würde aus den schönsten Redensarten entfliehen; und wer aus der Auswahl der Ausdrücke auch lauter Ciceronianische herausfischte, könnte es höchstens oder kaum dahin bringen, das Schicksal des Longolius [Christophe de Longueil, ca. 1488–1522] zu haben, den seine Zeitgenossen den Affen des Cicero [bei Erasmus, dem Longolius als Vorbild für die Figur des Nosoponus im Ciceronianus gedient haben soll] nannten.

Ebenso gilt die Einschätzung Wüstemanns (1848: 19): Quodsi vero aliquando inventi sunt, qui unum alterumve vocabulum, tanquam non recte ab eo [i.e. Friderico Jacobsio] usurpatum, aut novo modo dictum notandum censuerint, ii secum reputent velim, non singula verba facere artificem scribendi, sed verborum compositionem, orationis sententiis congruae habitum coloremque Romanum.

In diesem Sinne kann ein deutsch-lateinisches Wörterbuch immer nur als wertvolles Hilfsmittel angesehen werden und nicht als Ersatz für die hohe Kunst des Lateinschreibens. Desiderat bleibt jedenfalls ein deutsch-lateinisches Wörterbuch mit dem heute tatsächlich gebrauchten deutschen Wortschatz und Übersetzungen, die vom Klassischen und klassisch Geprägten ausgehend die einzelnen Phasen der lateinischen Sprachentwicklung angemessen berücksichtigen. Doch dichtete schon Joseph Justus Scaliger (1540–1609) über die große Herausforderung, ein Wörterbuch zusammenzustellen: Si quem dura manet sententia judicis olim damnatum ærumnis suppliciisque caput: hunc nec fabrili lassent ergastula massa, nec rigidas vexent fossa metalla manus.

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Lexica contexat: Nam, cætera quid moror? omnes poenarum facies hic labor unus habet.

In der Übersetzung von Kaspar Stieler: Wen strengen Richters Spruch zur langen Qual verteilt/ sein Leben kümmerlich mit Ach und Weh zurädern: Dem darf kein Zuchthaus nicht der Kräfte Mark entädern; nicht Schürfen/ Steinschnitt nicht/ und/ wenn er Eisen feilt. Man laß’ ein Wörterbuch nur den Verdamten schreiben. Dies’ Angst wird wol der Kern von allen Martern bleiben.

Warum lohnt es sich dennoch, seine Arbeitskraft der Beschäftigung mit Wörterbüchern zu verschreiben, noch dazu mit einer speziellen Gattung wie jener der deutsch-lateinischen? Sie lehren uns nicht nur, dass noch vor 100 bis 200 Jahren Schulleute in der Lage waren, neben dem Schuldienst Werke solcher Qualität zu schaffen. Inzwischen ist für Latinisten mit dem Anspruch, selbst Latein zu gebrauchen, eine grundlegende Beschäftigung mit dem Thema auch deshalb notwendig, da sich der deutsche Wortschatz seit dieser Zeit weiterentwickelt hat und zahlreiche neue Begriffe entstanden sind, ohne dabei an eine lückenlose Erfassung aller modernen technischen Innovationen denken zu wollen. Die Wörterbücher zeigen uns aber vor allem auch, wie man Moderne und Antike durch Sprache gewissermaßen in einen Dialog miteinander zusammenführt. Wenn Lexikographen Billardtisch und Fallschirm ins Lateinische übersetzten, ist das nicht (nur) eine Spielerei, sondern eine Würdigung der Gegenwart durch die Sprache, die sie für die universelle Gelehrtensprache hielten und die uns in so vielseitiger Weise reich beschenkt (hat). Damit bleibt zu wünschen und zu hoffen, dass sich in der Zukunft noch einmal jemand finden werde, der sich diesem so schmerzlichen, aber auch verdienstreichen labor unterziehen wird.

Literatur Das Literaturverzeichnis gliedert sich in vier Abschnitte. Auf die Auflösung der Abkürzungen folgt das kommentierte Korpus der deutsch-lateinischen Wörterbücher von 1750–1850. Die außerhalb dieses Zeitraums entstandenen Wörterbücher werden im Verzeichnis mit dem Titel Weitere verwendete Wörterbücher erfasst. Schließlich folgt unter Sonstige Literatur jegliche weitere Primär- und Sekundärliteratur. Hier findet man die Auflösungen der in den anderen Verzeichnissen gekürzt wiedergegebenen Literatur.

Abkürzungen ACO = Schwartz, Eduard (ed.): Acta Conciliorum Oecumenicorum ADB = Allgemeine Deutsche Biographie ALA = Allgemeiner Litterarischer Anzeiger ALZ = Allgemeine Literatur-Zeitung (1785–1849) AU = Der altsprachliche Unterricht BBAW = Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften BLKÖ = Biographisches Lexikon des Kaisertums Österreich BSB = Bayerische Staatsbibliothek München DBA = Deutsches Biographisches Archiv DLD = Database of Latin Dictionaries (online) DNP = Cancik, Hubert / Schneider, Helmuth (Hrsg.): Der Neue Pauly – Enzyklopädie der Antike. Bd. 1 (1996) – 16 (2003). DWB = Grimm, Jakob / Grimm, Wilhelm: Deutsches Wörterbuch. 6 Bände in 32 Teilbänden. Leipzig: Hirzel, 1854–1961 (Quellenverzeichnis Leipzig 1971). DWDS = Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache (https://www.dwds.de/) FC = Forum Classicum – Zeitschrift für die Fächer Latein und Griechisch an Schulen und Universitäten GGB = Brunner, Otto / Conze, Werner / Koselleck, Reinhart (Hrsg.): Geschichtliche Grundbegriffe – Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland. Bd. I – VII + 2 Registerbände. Stuttgart 1972–1997. GV = Gesamtverzeichnis des deutschsprachigen Schrifttums (GV) 1700–1910. Bearbeitet unter der Leitung von Hilmar Schmuck und Willi Gorzny. 161 Bände. München u.a. 1979–1987. HWPh = Ritter, Joachim / Gründer, Karlfried / Gabriel, Gottfried: Historisches Wörterbuch der Philosophie. 12 Bände und 1 Registerband. Darmstadt 1971–2007. HWRh = Ueding, Gert: Historisches Wörterbuch der Rhetorik. 12 Bände, 1 Register-, 1 Bibliographieband. Tübingen 1992–2005. LmL = Lexicon musicum Latinum medii aevi. Digitalisierte Fassung im Wörterbuchnetz des Trier Center for Digital Humanities, Version 01/21. LThK = Lexikon für Theologie und Kirche MGG Online = Musik in Geschichte und Gegenwart (Online 2016) NDB = Neue Deutsche Biographie ÖBL = Österreichische Biographische Lexikon (1815–1950) OCD online = Oxford Classical Dictionary OLD = Oxford Latin Dictionary ÖNB = Österreichische Nationalbibliothek PL = Patrologia Latina

https://doi.org/10.1515/9783110771770-008

346 | Literatur

RE = Pauly, August Friedrich / Wissowa, Georg u.a. (Hrsg.): Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft. 1893–1980. SB = Staatsbibliothek Bamberg SBB = Staatsbibliothek zu Berlin SLUB = Sächsische Landesbibliothek, Staats- und Universitätsbibliothek Dresden SUB = Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek, Göttingen SWB = Südwestdeutscher Bibliotheksverbund ThLL = Thesaurus Linguae Latinae ULB = Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt (Halle, Saale): VD 16 = Bezzel, Irmgard (Hrsg.): Verzeichnis der im deutschen Sprachbereich erschienenen Drucke des XVI. Jahrhunderts: VD 16. Stuttgart 21971–2000. VD 17 = Das Verzeichnis der im deutschen Sprachraum erschienenen Drucke des 17. Jahrhunderts: VD 17. Datenbank: http://www.vd17.de/. WBG = Wissenschaftliche Buchgesellschaft

Korpus der deutsch-lateinischen Wörterbücher von 1750–1850 Dieses Korpus enthält in alphabetischer Reihung die Titel der deutsch-lateinischen Wörterbücher der genannten Zeit, bei den größeren Wörterbüchern einschließlich aller bekannten Auflagen und wichtiger unmittelbarer Vor- und Nachfolger, auch außerhalb dieses Zeitraums. Abgekürzte Sekundärliteratur wird im entsprechenden Abschnitt des Literaturverzeichnisses („Sonstige Literatur“) aufgelöst.

Álvares 1751 = Anonym S.J. / Álvares, Manuel S.J. (1751): Anweisung zur Lateinischen Sprach aus Emmanuelis Alvari S. J. Institutionibus Grammaticis von einem Priester bemeldter Gesellschaft kurz zusammen gezogen [...] [Index]. München/Ingolstadt/Augsburg: Crätz/Summer [1753, 1754, 1756, 1765, 1770]. Anton 1796 = Anton, Karl Gottlieb (1796): Lexicon catholicon latinae linguae, 3. Band: Allgemeines deutsch-lateinisches Wörterbuch. Leipzig: Schwickert 1796 [der lat.-dt. Teil 1794 in zwei Bänden]. Anton 1774/1775/1778 = Anton, Conrad Gottlob: s. Kirsch 1714. Bauer 1778–1820 = Bauer, Karl Ludwig (1778–1820): Deutsch-lateinisches Lexicon. Breslau: Korn. M. [= Magister] Carl Ludwig Bauers, || Rectors der Evangel. Gnadenschule vor Hirschberg, || Deutsch-Lateinisches || LEXICON, || worinnen || fast alle bekannte, gewöhnliche, in Schriften und || im gemeinen Leben vorkommende, || deutsche Wörter und Ausdrücke, || nach Möglichkeit, || in allen ihren Bedeutungen, Wendungen || und Verbindungen, || mit || tauglichen, ungezwungnen, angemeßnen, || lateinischen Wörtern und Redensarten || übersetzt werden. || [Verzierung] || Breslau, || im Verlage Wilhelm Gottlieb Korns, || 1778. 1. Aufl. 1778 : Paginierung:

[3] Bl., 2468 Sp., 72 Sp.

Format:



Normnummer:

VD18 12870935

Signatur der UB Heidelberg:

D 9942 RES

URN:

urn:nbn:de:bsz:16-diglit-313450

Literatur | 347

Ergänzung des Titels in der zweiten Auflage 1798: [...] Bauers, || Rectors der Evangel. Gnadenschule vor Hirschberg, Kaiserl. gekr. || Dichters, und der Königl. Preuß. Societ. d. Wissensch. zu || Frkf. a. d. Oder Mitgliedes, || [...] Zwote, sehr vermehrte, Ausgabe 1798: Paginierung:

[3] Bl., 3076 Sp.

Format:



Normnummer:

VD18 11374845

Signatur SLUB Dresden:

Ling.Lat.655

URN:

urn:nbn:de:bsz:14-db-id3657218241

In der „Vorrede zur zwoten Ausgabe“ (1798) beschreibt Bauer, wie er ursprünglich nur ein paar Nachtragsbögen zur ersten Ausgabe zu veröffentlichen im Sinn gehabt hatte. Doch seine Arbeiten hätten sich so lange verzögert und die Menge der neuen Wörter sei so stark angewachsen, dass der Verleger ihm eine neue Ausgabe nahegelegt habe. Ein Prozess, den er mit dem langsamen Barbier bei Martial (Epigramm 7,83) vergleicht: Eutrapelus tonsor dum circuit ora Luperci, / Euellitque pilos [statt Expingitque genas (ed. Heraeus/Borovskij)], altera barba subit. Mit einem weiteren Zitat (Hor. ep. 1,6,67–68), mit dem er sich beim Leser für weitere Hinweise bedankt, erklärt Bauer sein Verständnis von nützlicher Kritik: Viue, vale; si quid nouisti rectius (plenius) hisce [istis (ed. Klingner)], Candidus imperti; si non: his vtere mecum. Schließlich deutet Bauer die Erarbeitung eines neuen lateinisch-deutsches Lexikons an, woran ihn aber sein Tod 1799 gehindert hat. 3. unveränd. Aufl. 1806: Die Auflage von 1806 wurde vom Verleger nicht durch neue Lemmata erweitert, wie er es ursprünglich geplant hatte, weil er eine Verteuerung durch erhöhte Bogenzahl vermeiden wollte, so schreibt er im Vorbericht (abgedruckt in der Ausgabe von 1814, zu welche sich kein gesonderter Vorbericht findet). Auch Kraft (1823: 267) schreibt, dass „die letzten Auflagen nach des Vfs. Tode […] unverändert abgedruckt“ wurden, „gleichsam als sey dieses Lexikon das non plus ultra eines guten Deutsch-Lat. Würterbuches.“ Kleinere Vermehrungen hat es aber in der Auflage von 1820 gegeben, wie die entsprechende Rezension bezeugt. Neue, genau durchgesehene Auflage 1814: Paginierung:

[3] Bl., 3076 Sp.

Scan:

S. Google Books

Neue, sorgfältig berichtigte Auflage 1820: Format:



Rezension:

Anon. Rez. Mr. [Kürzel] 1822, Rez. zu Bauer 5 1820, Kraft 11820 und Lünemann 1821.

Literatur zu Leben und Werk: Flood 2006, Bd. 1: 134–136; Hensel 1801 und 1802; Kössler 1991, Bd. 5: 10–12; Lexikon der vom Jahr 1750 bis 1800 verstorbenen teutschen Schriftsteller, Bd. 1: 218–223; Moritz 1779; Otto, Bd. 1: 42–50 und Bd. 3: 608–610; Schimmelpfennig, Adolf (1875): „Bauer, Karl Ludwig“. In: ADB 2, 145–146; Eintrag auf Wikipedia: Karl Ludwig Bauer. [Unter: ; letzter Zugriff: 23.01.2022]; Wolf, Richard: Bauer, Carl Ludwig (1730-1799). [Unter: ; letzter Zugriff: 23.01.2022].

348 | Literatur

Eine Auswahl seiner Werke und Gedichte: Bauer, Karl Ludwig (1758): Lateinisches Gedicht an Ernesti, „wahrscheinlich als er die Schule verließ, und ganz bei der Akademie angestellt wurde“ (Hensel 1802: 117). Bauer, Carl Ludwig (1768): Das unschuldige Vergnügen der Schulbühne. Lauban. Progr. Hirschberg Gymn. Bauer, Carl Ludwig (1773): Philologia Thucydideo-Paulina vel notatio figurarum dictionis Paullinae, cum Thucydidea comparatae, in usum exegeseos sacrae Vulgata. Halle. Bauer, Carl Ludwig (1774): Logica Paullina [!], vel notatio rationis, qua utatur Paullus apostolus in verbis adhibendis, interpretando, definiendo, enuntiando, argumentando, et methodo universa: in usum exegeseos et doctrinae sacrae. Bauer, Carl Ludwig (1775a): Glossarium Theodoreteum ad usus exegeticos et criticos. Bauer, Karl Ludwig (1775b): Anleitung zum richtigen und guten Ausdruck der Lateinischen Sprache. Breslau: Korn. Bauer, Carl Ludwig (1776): Die zum wahren Besten unsrer Schuljugend statt der bisherigen nun abgestellten Schul-Theater-Übungen gewünschte teutsche Rede-Übungen. Hirschberg. Progr. Hirschberg Gymn. 1776. Bauer, Karl Ludwig (1778): Eine lateinische Elegie auf D. Thalemann’s Tod. Hirschberg. Bauer, Karl Ludwig (1787): Übungsmagazin zum Lateinisch-Schreiben in Verbindung nützlicher Sach-Kenntnisse mit richtigem Ausdrucke für öffentliche und Privat-Lehrer, auch eigenen Fleiß. Breslau: Korn. Bauer, Karl Ludwig (1782): Formulae ac disciplinae Ernestianae indoles et conditio vera. Leipzig [ein Denkmal für seinen verehrten Lehrer Ernesti]. Bauer, Karl Ludwig (1790a): Versuch einiger Verse auf seiner Königl. Maj. von Preußen Friedrich Wilhelm II. glücklich erneuten Geburtstag, und auf die höchst denkwürdig erfreuliche Negotiation in Reichenbach. In: Lausitzisches Magazin oder Sammlung verschiedener Abhandlungen und Nachrichten 23. Jg., Bd. 23, 386ff. Bauer, Karl Ludwig (1790b): Ein lateinisches Gedicht auf den D. Heinr. Gottfr. Bauer in Leipzig [Vgl. Lausitzisches Magazin oder Sammlung verschiedener Abhandlungen und Nachrichten 23. Jg., Bd. 23, 386ff.] Bauer, Karl Ludwig (1793): Gedicht zum Tod von Carl Philipp Emanuel Bach (1714–1788) veröffentlicht 1793 in den Hamburger Zeitungen [bislang nicht zugänglich]. Bauer, Karl Ludwig (1795): Lateinisches Gedicht über sein Leben und Werk anlässlich der Krönung zum poeta laureatus caesareus, in der Ankündigung der Univeristät: De Indefesso Mutuae Benevolentiae Studio Homini Ab Omni Rerum Natura Varia Ratione Commendato. Oratio In Ipsis Utriusque Laureae Conferendae Solemnibus Die XXX. Aprilis MDCCXCV Recitata Et Vitis Virorum Excellentissimi Plurimum Reuerendi Clarissimorum Atque Doctissimorum Quibus Summi Philosophiae Et Poetices Honores Tributi Sunt Praemissa A Christiano Godofredo Assmann Disciplinar. Cameral. Professore. Wittenberg, 23ff.

Bayer 11724–101786 = Bayer S. J., Jakob (11724–101786): Paedagogus Latinus Germanae Juventutis sive Lexicon Germanico-Latinum et Latino-Germanicum. Mainz: Mayer/Häffner/Alef. Bayer/Mayer 111805–121819 = Mayer, Carl Philipp (111805–121819): Jacobi Bayer Paedagogus Latinus Germanae Juventutis sive Lexicon Germanico-Latinum et Latino-Germanicum. DeutschLateinisches und Lateinisch-Deutsches Wörterbuch. Würzburg: Stahel. Das Werk erlebte zahlreiche Auflagen und Bearbeitungen und wurde in vier Verlagshäusern verlegt. Bis zur zehnten Auflage 1786 wurde das Lexikon in Mainz (bei Mayer, Häffner und Alef), ab der 11. Auflage 1805 bei Stahel in Würzburg gedruckt. Die drei Mainzer Verleger gehören zu einem einzigen

Literatur | 349

Verlagshaus mit wechselnder Führung: Johann Georg Häffner (gest. 1729) war seit 1719 Faktor (Werkmeister) in der Mainzer Filiale von Johann Mayer (1693–1746) und ab 1724 deren Pächter; nach seinem Tod folgten ihm darin auch seine Söhne Johann Heinrich Häffner (gest. 1745) und Johann Häffner (gest. 1748).1 Dessen Erbe trat schließlich Johann Josef Alef (gest. 1798) an.2

Bayer 11724–101786 = Bayer S.J., Jakob (11724–101786): Paedagogus Latinus Germanae Juventutis sive Lexicon Germanico-Latinum et Latino-Germanicum. Mainz: Mayer/Häffner/Alef. PÆDAGOGUS LATINUS || GERMANAE JUVENTUTIS || SIVE || LEXICON || GERMANICO-LATINUM || ET || LATINO-GERMANICUM, || UTRIUSQUE LINGUÆ || VOCABULA, IDIOTISMOS, PHRASES, || ADAGIA, ALIASQUE ELEGANTIAS || EXHIBENS, || CUM DUPLICI || NOMENCLATURA, || ALTERA || CELEBRIORUM HOMINUM || EX SACRA SCRIPTURA, HISTORIIS, || ET VETERUM POETARUM FABULIS. || ALTERA || NOBILIORUM REGIONUM, INSULARUM, || POPULORUM, URBIUM, MARIUM, || FLUVIORUM, &C. || OPUS || NOVA APUD GERMANOS METHODO || DIGESTUM, || Et ad Latinas Tyronum Exercitationes faciliùs, celeriùs, || emendatiùsque absolvendas, studiosè accomodatum || à R. P. JACOBO BAYER, || SOCIETATIS JESU. || Cum privilegio Sacræ Cӕsareæ Majestatis Speciali, et Permissu Superiorum. || [Trennlinie mit Muster] || MOGUNTIÆ, || EX OFFICINA TYPOGRAPHICA MAYERIANA, || Per JOANNEM GEORGIUM HÄFFNER. Anno 1724. Bayer 1724 = 1. Auflage 1724: Paginierung:

[8] Bl., 778 S., 439 S.

Format:



Normnummer:

VD18 14393069-001

BSB-Signatur:

L.lat. 86

URN:

urn:nbn:de:bvb:12-bsb10585694-2

2. Auflage 1727: Editio Secunda || Ab Auctore reddita limatior & uberior […] [VD18 14393034-008] 3. Auflage 1733: […] EDITIO TERTIA || Denuo ab Auctore reddita limatior & uberior […] Normnummer:

VD18 1263509X

Sign. UB Heidelberg:

D 9925 RES

URN:

urn:nbn:de:bsz:16-diglit-313414

4. Auflage 1740 [VD18 12640271-001; Scan: Google Books] 5. Auflage 1747: Paginierung:

[8] Bl., 766, 440 S.

Format:



Sign. Diözesanbibl. Würzburg:

0006/A 00039

6. Auflage 1753: [...] EDITIO SEXTA, || Emendatior & uberior reddita ab Auctore. p[ost] m[ortem] [...] Paginierung:

ungez., 5, ungez., 766, 440 S.

Format:



|| 1 Vgl. Paisey 1988: 166. 2 Ders. 89.

350 | Literatur

Normnummer:

VD18 12363340-001

BSB-Signatur:

037/Spw 103-1

URN:

urn:nbn:de:bvb:12-bsb11280078-2

9. Auflage 1777: [...] Neunte Auflage. || Nach der neuesten deutschen Schreibart ganz || umgegossen, stark vermehrt und verbessert [...] Paginierung:

[7] Bl., 766, 440 S.

Format:



Normnummer:

VD18 12689157-001

Sign. ÖNB:

73.H.1 ALT PRUNK

Link:

http://data.onb.ac.at/rec/AC09688566

10. Auflage 1786: Paginierung:

[4], 824, 440 S.

Format:



Normnummer:

VD18 10691499

Sign. SUB Göttingen:

DD93 A 33670

Link:

http://resolver.sub.unigoettingen.de/purl?PPN678789037

Bayer/Mayer 111805–121819 = Mayer, Carl Philipp (111805–121819): Jacobi Bayer Paedagogus Latinus Germanae Juventutis sive Lexicon Germanico-Latinum et Latino-Germanicum. DeutschLateinisches und Lateinisch-Deutsches Wörterbuch. Würzburg: Stahel. Jacobi Bayer || Paedagogus Latinus || Germanae Juventutis || Sive || Lexicon || Germanico-Latinum || Et || Latino-Germanicum. || [Trennlinie] || Deutsch-Lateinisches || und || Lateinisch-Deutsches || Woͤ rterbuch. || [Trennlinie] || Eilfte [sic!] Auflage || durchaus von neuem umgearbeitet, vermehrt und verbessert || von || C. Ph. Mayer, || Professor der Grammatik am Gymnasium zu Würzburg. || [Trennlinie] || Würzburg, || im Verlage bei Joseph Stahel. || 1805. Preis [auf der Rückseite des Titelblattes]: 4 fl. 30 kr. oder 2 Rthlr. 12 gr. sächsisch. Enthält nur eine kurze Vorrede von Mayer, datiert vom April 1803. 11. Auflage 1805: Paginierung:

ungez., 948, XIV S. (Namensverzeichnis)

Format:



Sign. UB München:

0001/8 Don. 8-11771 (nur Band 1; kein Digitalisat)

Fälschlicherweise findet sich im Katalog der Library of Congress in Washington D.C. eine angebliche Ausgabe von 1810: Signatur: PA2365.G5 B3 1810. [Unter: ; letzter Zugriff: 16.5.2022]. Ein Digitalisat findet sich an zwei Stellen, wo ebenfalls die falsche Jahreszahl übernommen wurde [unter: und ; letzter Zugriff: 16.5.2022]. In Wirklichkeit handelt es sich um eine Verwechslung der letzten, unleserlichen Ziffer und bei dem Buch um die

Literatur | 351

hier nachfolgende zwölfte Auflage von 1819: [...] Zwölfte Auflage || abermals umgearbeitet, vermehrt und verbessert || von || C. Ph. Mayer, || zweytem Universitaͤ tsbibliothekar zu Wuͤ rzburg [...]. Paginierung:

ungez., 1040, 603 S.

BSB-Signatur:

L.lat. 1012 z

URN:

urn:nbn:de:bvb:12-bsb10586773-1

Ein weiteres Werk Bayers: Bayer S.J., Jakob (11709–41741): Paedagogus graecus latinae juventutis sive Lexicon latino-graecum novissimum, locupletissimum, expeditissimum [...]. Mainz: Mayer. Bayer S.J., Jakob / Goldhagen S.J., Hermann (Hrsg.) (ed. novissima 1751 und 51762): Paedagogus Graecus Latinae Juventutis sive Lexicon Latino-Graecum et Graeco-Latinum [...]. Mainz: Haeffner. Zu Leben und Werk von Bayer und Mayer: Ruland 1875 (zu Bayer). Indexeintrag: „Mayer, Carl Philipp“. In: Deutsche Biographie. [Unter: ; letzter Zugriff: 16.5.2022]. Eintrag in Würzburgwiki: Karl Philipp Mayer. [Unter: ; letzter Zugriff: 16.5.2022]. Totenzettel: Mayer, Karl Philipp. [Unter: ; letzter Zugriff: 16.5.2022]. Eine Bearbeitung des Paedagogus Latinus, s. Uihlein 1811.

Bernhold 1757 = Bernhold, Johann Georg Samuel (1757): Zu gründlicher und vernünftiger Erlernung der Lateinischen Sprache eingerichtetes Wörterbuch. Onolzbach: Posch. Ein lateinisch-deutsches und deutsch lateinisches Wörterbuch mit extrem puristischer Ausrichtung, das – abgesehen von einem Corrigenda-Band (1759) – offensichtlich keine weiteren Auflagen erlebte. Der Haupttitel lautet: Zu gründlicher und vernünftiger || Erlernung || der Lateinischen Sprache || eingerichtetes || Wörterbuch, || Worin der Grund || der meisten Grammatikregeln || aus der innersten Natur der Lateinische Sprache || angezeigt; || das / was man sonst aus vielen Büchern von der Fabellehre / Alterthümern / der || Quantität der Sylben, Auslegungen der schwerern Stellen, Anzeige der guten und || schlechtern Lat. Wörter [et]c. erlernen musste, hinlänglich erklärt; || kurz, || was man zu nützlicher Lesung der besten || alten Lateinischen Schriftsteller || verlangen kan / || an die Hand gegeben wird: || (Wovon die Vorrede umständlichern Bericht giebt) || zum Dienst Lehrender und Lernender || geschrieben || von || M. Johann Georg Samuel Bernhold, || Rectorn des Gymnasii zu Heilbronn in Schwaben, und Aufsehern || der dasigen Stadtbibliothek. || [Trennlinie] || Onolzbach, || In Verlag Jacob Christoph Poschens, privil. Hofbuchhändlers. 1757. [Titelblatt s. Kap. 5.3.1]. Der Nebentitel zum deutsch-lateinischen Teil lautet (im Digitalisat der BSB vor dem Titelblatt eingebunden, vgl. das Exemplar der ÖNB): Teutsch-Lateinisches || Wörterbuch, || Welches || zu richtiger und leichter Ubersetzung [!] || aus dem Teutschen ins Lateinische || Anweisung giebt. || (Von dessen Gebrauch und Einrichtung muß man sich aus der Vorrede || unterrichten.)

352 | Literatur

Paginierung:

[24] Bl., 831 S., [1] Bl., 210 S.

Format:



Normnummer:

VD18 14935570-001

BSB-Signatur:

4 L.lat. 60-1

URN:

urn:nbn:de:bvb:12-bsb10523550-0

ÖNB-Signatur:

73.E.8 ALT PRUNK

Link:

http://data.onb.ac.at/rep/10319DC3

Bernhold 1759 = Bernhold, Johann Georg Samuel (1759): Zusätze und Verbesserungen zu dem Bernholdischen Lateinischen Wörterbuche. Onolzbach: Posch. Paginierung:

[3] Bl., 250 S.

Format:



Normnummer:

VD18 15250466-001

BSB-Signatur:

4 L.lat. 60-2

URN:

urn:nbn:de:bvb:12-bsb10523551-5

In der Vorerinnerung zu diesem Zusatzband erklärt Bernhold die Notwendigkeit der Verbesserungen und Zusätze. Gleichzeitig versichert er, dass es keine neuen Auflagen geben werde, sodass man den Hauptteil nicht erneut kaufen müsse. Schülern empfiehlt er, die Ergänzungen in den Hauptteil zu übertragen. Bereits im Jahre 1754 hatte Bernhold sein Wörterbuch angekündigt: Bernhold, Johann Georg Samuel (1754): Nachricht von einem herauszugebenden Lateinischen Lexico. Heilbronn [Digitalisat der BSB: urn:nbn:de:bvb:12-bsb10601501-4] Zu Leben und Werk: Indexeintrag: „Bernhold, Johann Georg Samuel“. In: Deutsche Biographie. [Unter: ; letzter Zugriff: 16.5.2022]; Eintrag: „Bernhold“ oder „Bernhold, Johann Georg Samuel“. In: Zedlers Universal-Lexicon aller Wissenschaften und Künste, Suppl. 3 (1752), 887–888; DBA, I, 91, 9–17; III, 71, 373; Eckstein 1871: 43; Fikenscher 1806: Dritte Abtheilung, 156–160; Schmuck 1999: 76; 240; Walther 1751/1986: 38– 40; Wittern-Sterzel/Wachter 2009: 14.

Born 1790: s. Kirsch 1714.

Bremer 1785 = Bremer, Johann Christoph: Europa Latina oder Alphabetisches Verzeichniß der vornehmsten Landschaften, Staedte, Meere, Seen, Berge, und Flüsse in Europa, nebst ihren lateinischen Benennungen und einem Register derselben. Quedlinburg/Blankenburg: Ernst, 1785 [Quedlinburg 1786]. Paginierung:

[2] Bl., 364 S.

Format:



Normnummer:

VD18 11058889

ULB-Signatur:

AB 168019

Literatur | 353

URN:

urn:nbn:de:gbv:3:1-649685

Bröder 1801 = Bröder, Christian Gottlob (1801): Lateinisch-deutsches und deutsch-lateinisches Taschenwörterbuch, nach Schellers und Bauers größern Werken in gedrängter Kürze und mit nöthiger Auswahl abgefaßt, auch hin und wieder mit Zusätzen und mehr als 600 neuen Wörtern vermehrt, vornehmlich zum Gebrauch in Schulen [...]. Leipzig: Kleefeld, 1801; Leipzig: Andrä, 51820 [Bd. 1 lat.-dt., Bd. 2 dt.-lat.]. Buchner 1839 = Buchner, Friedrich (1839): Droguen und Chemicalien Wörterbuch. Magdeburg [21849; 41890 von Georg Buchner]. Cellarius 1777 = Cellarius, Christoph (1777): Deutsch-lateinisches Wörterbuch. Salzburg: Waisenhausbuchh. [laut Richard Wolf möglicherweise ein Anhang zur Salzburger Ausgabe des Latinitatis probatae et exercitae liber memorialis von Cellarius, zuerst 1689; vgl. Paulsen 1919: 605; Jones 2000: Nr. 292–294]. Drümel 1753 = Drümel, Johann Heinrich (1753): Lexicon manuale latino-germanicum et germanicolatinum. Regensburg: Seiffart [2 Bände: A-J, K-Z; 3 Bde. Regensburg 1775 und Regensburg/Leipzig: Kraus, 1781; der dt.-lat. Teil, s. Nieremberger].

Feldbausch 21844 = Feldbausch, Felix Sebastian: Kleines deutsch-lateinisches Wörterbuch mit Angabe der lateinischen Wortformen für die ersten Anfänger. Karlsruhe: Müller, 2. Aufl. 1844. Auflagen:

1

Paginierung:

VII, 332 S.

Format:



BSB-Signatur:

Bibl.Haup. 680

URN:

urn:nbn:de:bvb:12-bsb11000594-4

Literatur:

Löhlein 1875a.

1833; 3. durchaus verb. u. verm. Aufl. 1848

Forbiger 21856 = Forbiger, Albert (1856): Deutsch-Lateinisches Handwörterbuch. Zweite, völlig umgearb. Aufl. des Deutsch-Lateinischen Handwörterbuchs von F. K. Kraft und A. Forbiger. Stuttgart: Metzler [Rez. Klotz (1856); s.u. Kraft/Forbiger]. Zu Leben und Werk von Forbiger: Lothholz 1904; Eintrag auf Wikisource: Albert Forbiger. [Unter: ; letzter Zugriff: 16.5.2022]. Frege 1808 = Frege, Christian August: Versuch eines allgemeinen botanischen Handwörterbuchs. Zeitz 1808. Georges 71882 = Georges, Karl Ernst (1882): Ausführliches deutsch-lateinisches Handwörterbuch aus den Quellen zusammengetragen und mit besonderer Bezugnahme auf Synonymik und Antiquitäten unter Berücksichtigung der besten Hülfsmittel, 2 Bände. Leipzig: Hahn [aus Scheller 1792 und Scheller/Lünemann 1807 und folgenden Auflagen hervorgewachsen, s. weitere Wörterbücher von Georges unter Scheller]. Zum Leben und Werk von Georges: Baader (1964); Berbig (1904); Wölfflin (1896). Haas 11804/21808 = Haas, Johann Gottfried (11804/21808): Vollständiges lateinisch-deutsches und deutsch-lateinisches Handwörterbuch, nach den besten größern Werken, besonders nach Scheller, Bauer und Nemnich, ausgearbeitet und mit vielen tausend Wörtern vermehrt [...], Bd. 2. Ronneburg und Leipzig: Schumann. Heinrich 1826 = Heinrich, Albin (1826): Deutsch-lateinisches Wörterbuch als Ergänzungstheil zu Imm. Joh. Gerh. Schellers lateinischen Wörterbuche in etymologischer Ordnung vermehrt her-

354 | Literatur

ausgegeben [...]. Teschen: Prochaska [IV, 524 Sp.; Digitalisat von Google Books; s. „Heinrich, Albin“. In: BLKÖ 8 (1862), 224–226]. Holzmann 1813 = Holzmann, Adolf (1813): Neues und möglichst vollständiges Lateinisch-deutsches und Deutsch-lateinisches Taschenwörterbuch nach den besten bis jetzt erschienenen grösseren Wörterbüchern, besonders nach Scheller, Adelung, Bauer, Nemnich und Haas bearbeitet [...], Zweyter Theil: Deutsch-Lateinisch. Augsburg/Leipzig: Stage. Kärcher 11822 = Kärcher, Ernst Friedrich (1822): Lateinisch-deutsches und deutsch-lateinisches Schul-Wörterbuch, Deutsch-lateinischer Theil. Leipzig: Hahn [lat.-dt. Teil von Friedrich Ernst Ruhkopf (gest. 1821) begonnen, 1826 neu von Kärcher bearbeitet; Rez. in: Jahn, Joh. Christ. (Hrsg.) (1826): Jahrbücher für Philologie und Paedagogik, 1. Jg., Bd. 1, Litterarischer Anzeiger Nr. 1, S. 2]. Kärcher 21840 = Kärcher, Ernst Friedrich (1840): Deutsch-lateinisches Wörterbuch für Gymnasien. Leipzig: Hahn, 2. verb. u. verm. Aufl. Kärcher 11824 = Kärcher, Ernst Friedrich (1824): Kleines deutsch-lateinisches Wörterbuch für Anfänger. Karlsruhe. Kärcher 21836 = Kärcher, Ernst Friedrich (1836): Kleines deutsch-lateinisches Schulwörterbuch. Stuttgart: Metzler, 2. bedeutend verm. Aufl. Kärcher 1842 = Kärcher, Ernst Friedrich (1842): Handwörterbuch der lateinischen Sprache. Stuttgart: Metzler [s. dazu der dt.-lat. Teil von Forbiger 1856].

Kirsch 1714 = Kirsch, Adam Friedrich (1714): Abundans Cornucopiae linguae Latinae et Germanicae [...]. Nürnberg: Buggel [das Vorwort datiert auf 1713; Langtitel zitiert in Kap. 5.1]. Der Titel des deutsch-lateinischen Teils: Adami Friderici Kirschi Cornu Copiae linguae Romanae GermanicoLatinum. Paginierung:

[14] Bl., 1298 [lat.-dt.], 387 [dt.-lat.], ungez. S.

Normnummer:

VD18 14564661-001

BSB-Signatur:

Hbh/Ar 40

URN:

urn:nbn:de:bvb:12-bsb10799209-1

Seit 1718 (nach dem Tod von Kirsch im Jahre 1716) mit dem Titel: Adami Friderici Kirschii Abundantissimum Cornucopiae Linguae Latinae et Germanicae selectum [...] [zitiert in Kap. 5.1]. Kirsch 1774 = Kirsch, Adam Friedrich (1774): Abundantissimum Cornu Copiae Linguae Latinae Et Germanicae [...], Editio Novissima, A mendis non paucis studiose repurgata, Parte utraque aucta, in ordinem redacta. Leipzig: Schwickert. [(19) Bl., 3028 Sp. (= Pars Latino-Germanica); (1) Bl., 1068 Sp. (= Pars Germanico-Latina); Langtitel zitiert in s. Kap. 5.1]. Diese Ausgabe ist digital aufbereitet bei CAMENA Mannheim. [Unter: ; letzter Zugriff: 16.5.2022]. Eine Auflistung der Ausgaben bei Wolf, Internetbibliographie [Unter: ; letzter Zugriff: 21.4.2022]. Noch ungeklärt ist, ob die Bearbeitung mit dem Titel Thesaurus linguae latinae usibus germanorum mit der Ausgabe des Cornucopiae (Kirsch 1774) zu identifizieren ist, die ebenfalls 1774 – allerdings mit dem alten Titel – in Leipzig erschienen ist, oder warum es zwei voneinander abweichende Titel gibt:

Literatur | 355

Anton 1774/1775/1778 = Anton, Conrad Gottlob (1774/1775/1778): Thesaurus linguae latinae usibus germanorum, Duabus Partibus Latino-Germanica Et Germanico-Latina. Leipzig: Schwickert. Born 1790 = Born, Friedrich Gottlob (1790): Lexicon Latinum et Theodiscum, ad formam Kirschiani Cornu copiae paratum post varias variorum curas denuo retractavit, emendavit [...] Deutschlateinisches vollständiges Wörterbuch nach dem Plane des Kirschischen Wörterbuchs aufs neue bearb., verb. und verm. Leipzig: Schwickert. Kirsch 1796 (ND 1970) = Abundantissimum cornu copiae linguae Latinae et Germanicae [...]. Augsburg: Wolff, ed. novissima, 1796 [Nachdruck Graz: Akad. Druck- und Verlagsanstalt, 1970]. Zu Leben und Werk von Kirsch: Will/Nopitsch 1805; Rotermund 1810.

Koch 1835 = Koch, Aenotheus (1835): Deutsch-lateinisches Wörterbuch der alten, mittleren und neueren Geographie. Leipzig: Hahn. Koch 1897 = Koch, Aenotheus (1897): Deutsch-lateinisches Taschenwörterbuch, nebst einem Anhange der geographischen Eigennamen. Berlin: Friedberg/Mode, 10. Aufl. [2. Aufl. 1883; einzeln oder zus. mit der 8. Auflage des lt.-dt. Teils].

Kraft 41843/1844 = Kraft, Friedrich Karl (41843/1844): Deutsch-lateinisches Lexikon. Stuttgart: Metzler. 1. Auflage 1820/1821: Deutsch-lateinisches || Lexikon, || aus den roemischen Classikern zusammengetragen und nach den besten || neuern Huelfsmitteln bearbeitet || von || Friedrich Carl Kraft, || drittem Lehrer an der Domschule in Naumburg und der Großherzogl. S. Weim. || latein. Gesellschaft in Jena Ehrenmitglied. || [Trennlinie] || Erster Theil. || A – Jod. || [Trennlinie] || Leipzig und Merseburg 1820, || in Ernst Kleins literarischem, geographischem Kunst- und Commissions-||Comptoir || und in Wien || bei Carl Schaumburg und Compagnie. [...] Zweither Theil. || K – Z. || Nebst dem geographischen Anhang. || [Trennlinie] || Leipzig und Merseburg 1821, || in Ernst Kleins literarischem, geographischem, Kunst- und Commissions||Comptoir || und in Wien || bei J. B. Wallishausser. Paginierung:

Band 1: XVIII, 1044 S.; Band 2: XXII, 1096 S.

Format:



Scan:

Google Books

Rezension:

Anon. Rez. 1821/1822; Anon. Rez. 1820; Anon. Rez. Mr. [Kürzel] 1822, Rez. zu Bauer 51820, Kraft 1 1820 und Lünemann 1821. Zwei weitere Rezensionen ließen sich unter der angegebenen Nummerierung nicht auffinden: ALZ-Ergänzungsblätter 1820, Nr. 67 und 68; ALZ 1822, Nr. 53 und 54.

2. Auflage 1824/1825: Gewidmet ist die zweite Auflage dem Vater des Autors, dem Prediger zu Niedertrebra und Darnstedt, Georg Gottlob Kraft. Paginierung:

XXII, 1238 S. [Band 1]; XIV, 1253, ungez. S. [Band 2]

Format:



BSB-Signatur:

L.lat. 452 ha-1 [Band 1]; L.lat. 452 ha-2 [Band 2]

356 | Literatur

Scan:

urn:nbn:de:bvb:12-bsb10586124-9 [Band 1]; urn:nbn:de:bvb:12-bsb10586125-5 [Band 2]

Rezension:

Anon. Rez. B.A. [Kürzel] 1826. Eine Rezension zum ersten Band ließ sich unter der angegebenen Nummerierung nicht auffinden: ALZ 1825, Nr. 230.

3. Auflage 1829/1830: Paginierung:

XXII, 1312 S. [Band 1]; VI, 1376 S. [Band 2]

Format:



BSB-Signatur:

L.lat. 452 h-1 [Band 1]; L.lat. 452 h-2 [Band 2]

URN:

urn:nbn:de:bvb:12-bsb10586122-9 [Band 1]; urn:nbn:de:bvb:12-bsb10586123-4 [Band 2]

Rezension:

Anon. Rez. 1829, Rez. zu Kraft 31829; Anon. Rez. δγ [Kürzel] 1829, Rez. zu Kraft 31829. Dazu die Stellungnahme von Kraft 1829.

4. Auflage 1843/1844: Deutsch-lateinisches || Lexikon || aus den || Roemischen Classikern zusammengetragen || und nach den || besten neuern Hülfsmitteln bearbeitet || von || Friedrich Karl Kraft, || Dr. der Theologie und Philosophie, || Professor und Director des Johanneums in Hamburg, der historischtheologischen Gesellschaft in || Leipzig ordentlichem Mitgliede und der Großherzogl. S. Weim. Latein. Gesellschaft in Jena || Ehrenmitgliede. || Dies diem docet. || Erster Band. || A – Jod. || [Trennlinie] || Vierte umgearbeitete und vermehrte Auflage. || [Trennlinie] || Stuttgart. || Verlag der J. B. Metzler’schen Buchhandlung. || [kurze Trennlinie] || 1843. Kraft’s || Deutsch-Lateinisches Lexikon. || Zweiter Band. || [Trennlinie] || Vierte umgearbeitete und vermehrte Auflage. Gewidmet ist die vierte Auflage „Dem Hochedlen, Hochweisen Senate der freien Hansestadt Hamburg“. Paginierung:

XXVI, 1430 S. [Band 1]; XXIV, 1516 S. [Band 2]

Format:



BSB-Signatur:

L.lat. 452 hb-1 [Band 1]; L.lat. 452 hb-2 [Band 2]

URN:

urn:nbn:de:bvb:12-bsb10586126-0 [Band 1]; urn:nbn:de:bvb:12-bsb10586127-5 [Band 2]

Kraft/Forbiger 1826 = Friedrich Karl, Kraft und Forbiger, Albert (1826): Neues deutsch-lateinisches Handwörterbuch: nach F. K. Kraft‘s größerem Werke besonders für Gymnasien bearbeitet. Leipzig: Klein, 1826 [s. auch Forbiger 1856]. Literatur zu Leben und Werk von Kraft: Hoche 1883; Schröder 1866; Strack 1866; Eintrag auf Wikipedia: Friedrich Karl Kraft. [Unter: ; letzter Zugriff: 16.5.2022]; Wolf, Richard: Kraft, Friedrich Karl (1786-1866). [Unter: ; letzter Zugriff: 26.10.2021].

Literatur | 357

Aus den Schriften Krafts: Kraft, Friedrich Karl (1823): Rez. zu Lünemann 1821. In: Neue kritische Bibliothek für das Schul- und Unterrichtswesen 5. Jg., 1. Band, 266–282. Kraft, Friedrich Karl (1829): Stellungnahme zu den Rezensionen 1829. In: Kritische Bibliothek für das Schul- und Unterrichtswesen. Neue Folge. Zweiter Jahrgang. Zweiter Band. November 1829, Nr. 137, S. 548. Kraft, Friedrich Karl (1832): Anleitung zum Uebersetzen aus dem Deutschen in’s Lateinische. Mit lateinischer Phraseologie, mit grammatischen und sprachlichen Anmerkungen zum Gebrauche für die mittleren Klassen der Gelehrten-Schulen versehen, 2 Bände. Leipzig. Kraft, Friedrich Karl (1849): Zu den feierl. Redeübungen [...] in der Aula des Hamburgischen Johanneums. Hamburg. Kraft, Friedrich Karl (1860/1861): Chronik des Hamburgischen Johanneums vom Ende des Jahres 1827 bis auf die Gegenwart (Programm mit Schulnachrichten), 2 Bände. Hamburg: Meissner, 1860 und 1861.

Kreußler/Volbeding 1841 = Kreußler, Otto / Volbeding, Johann Ernst (1841): Kurzgefaßtes lateinisch-deutsches und deutsch-lateinisches Handwörterbuch, mit einem Verzeichnisse lateinischer Abbreviaturen und geographischer Namen. Leipzig: Holtze [Volbeding ist der Bearbeiter des dt.-lat. Teils; zahlreiche Ausgaben bis 1904]. Layritz 1760 = Layritz, Paul Eugen (1760): Lexikon Manuale Lexicon Manvale oder LateinischTeutsches und Teutsch-Lateinisches Wörter- und Phrases-Buch zum Gebrauch der Anfänger; nebst einem Vorberichte von der vortheilhaftesten Erlernung der lateinischen Wörter. Halle: Waisenhaus.

Lünemann 1821 = Lünemann, Georg Heinrich (1821): Deutsch-Lateinisches Wörterbuch nach den klassischen Schriftstellern der Römer und den besten neuern Latinisten kritisch bearbeitet. Erster Theil (A–D). Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1821. Deutsch-Lateinisches || Woerterbuch || nach den klassischen Schriftstellern || der Roemer und den besten neuern Latinisten || kritisch bearbeitet || von || G. H. Luenemann || Doktor der Philosophie und Rektor der Schule || zu Goettingen. || [Trennlinie] || Erster Theil || (A — D). || [Trennlinie] || Hoc, quidquid est temporis futilis et caduci, si non datur factis, certe studiis proferamus: et quatenus nobis denegatur diu vivere, relinquamus aliquid, quo nos vixisse testemur. PLIN. EPP. || [Trennlinie] || Goettingen, || bei Vandenhoeck und Ruprecht || 1821. Paginierung und Format:

XIV S., 1520 Sp.; 4°

Signatur der UB München:

0001/4 Philol. 723(1

Rezension:

Kraft 1823; Anon. Rez. Mr. [Kürzel] 1822, Rez. zu Bauer 51820, Kraft 11820 und Lünemann 1821.

Lünemann, Georg Heinrich (1806): Primae lineae theoriam lexicographiae Latinae sistentes, Dissertatio Philosophica quam Illustris Philosophorum Ordinis consensu et auctoritate in Academia Georgia Augusta Die XXVIII. Aug. MDCCCVI Pro Facultate Legendi publice defendet Georgius Henricus Lünemann, Philosophiae Doctor. Diss. Göttingen: Dietrich [VI S., 6 Thesen, 39 S.; Heyne, Christian Gottlob (1806): Rez. In: Göttingische gelehrte Anzeigen Bd. 3, 1681–1682]. Literatur zu Leben und Werk: Hamberger/Meusel 1810, Bd. 14: 467–468; Hamberger/Meusel 1821, Bd. 18: 594; B. [Kürzel] 1884: „Lünemann“. In: ADB 19, 638–639; Schmidt 1832, 2. Teil: 915–916; Tütken 2005: 674–687; Eintrag auf Wikipedia: Georg Heinrich Lünemann. [Unter:

358 | Literatur

; letzter Zugriff: 16.5.2022]; Wolf, Richard: Lünemann, Georg Heinrich (1780-1830). [Unter: ; letzter Zugriff: 16.5.2022].

Meiner 1820 = Meiner, J. S. (1820): Lexicon über deutsche Idiotismen, Provincialismen, Volksausdrücke in entsprechendes Latein übertragen. Leipzig [eine Bearbeitung von: Georg Thomas Serz: Deutsche Idiotismen, Provincialismen, Volksausdrücke, sprüchwörtliche und andere Redensarten. Nürnberg 1797]. Mühlmann 1845 = Mühlmann, Gustav Eduard (1845): Handwörterbuch der Lateinischen Sprache, mit besonderer Rücksicht auf Lateinische Schulen, Gymnasien und Lyzeen. Zweiter Theil: DeutschLateinisch. Würzburg: Stahel, 1845 [ND 1854]. Nieremberger 1753 = Nieremberger, Benedikt Friedrich (1753): Deutschlateinisches Wörterbuch. Regensburg: Seiffart [646 Bl.; dt.-lat. Teil zu Drümel 1753].

Scheller, Immanuel Johann Gerhard: Detaillierte Übersichten zu Schellers Werken finden sich in Brekle 2001, Bd. 7: 300–309 und Wolf, Richard: Internetbibliographie. [Unter: ; letzter Zugriff: 16.5.2022].

Scheller 1779 = Kleines lateinisches Wörterbuch. Leipzig: Fritsch, 11779. Seit 41811 bearbeitet von Georg Heinrich Lünemann; dazu ein dt.-lat. Teil von Ernst Zimmermann, Darmstadt 1814; 61826 von Heinrich Ludwig Julius Billerbeck und 71841 von Georges bearbeitet; s.o. auch Heinrich 1826. Schellers Wörterbuch für Anfänger ist mit der Intention entstanden, den – in Augen Schellers – lexikographisch überholten Latinitatis probatae et exercitatae liber memorialis von Cellarius (viele Auflagen seit 1689) an den Schulen abzulösen. In der vierten Auflage von 1811 findet sich eine Laudatio Lünemanns auf Scheller.

Scheller 31804 = Ausführliches und möglichst vollständiges lateinisch-deutsches Lexicon oder Wörterbuch zum Behufe der Erklärung der Alten und Übung in der lateinischen Sprache. 5 Bände. Leipzig: Fritsch, 31804 [XXXX S., 12 562 Sp.]. 1. Aufl. 1783: 2 Bände, unter dem Titel: Lateinisch-teutsches Lexicon oder Wörterbuch, zum Behufe der Erklärung der Alten und Uebung in der lateinischen Sprache; 2. Aufl. 1788: 3 Bände. Von David Ruhnken wurde eine freie niederländische Übersetzung der zweiten Auflage angefertigt (Lexicon latino-belgicum auctorum classicum, Leiden 1799), die Scheller bei der Erarbeitung der dritten Auflage als nicht gewinnbringend einstufte. Zwei englische Bearbeitungen von Joseph Esmond Riddle, Oxford 1835 (Lexicon totius latinitatis. A dictionary of the Latin language) und Frederick Percival Leverett, Boston 1837 (A new and copious lexicon of the Latin language).

Scheller 31805 = Imman. Joh. Gerhard Schellers ausführliches und möglichst vollständiges deutschlateinisches Lexicon oder Wörterbuch zur Übung in der lateinischen Sprache. Leipzig: Fritsch. Dritte von neuem verbesserte und sehr vermehrte Auflage. 1805 [Preis: Vier Thaler]. Paginierung:

XXXIIII S., Sp. 1–1888 [Band I: A–L]; Sp. 1895–3744 [Band II: M–Z]

Format:



BSB-Signatur:

L.lat. 743-6 [Band I]; L.lat. 743-7 [Band II]

Literatur | 359

URN:

urn:nbn:de:bvb:12-bsb10625202-4 [Band I]; urn:nbn:de:bvb:12-bsb10625203-9 [Band II]

Weitere Auflagen:

1

1784 [ein Band; 8 Bl., 1984 Sp., 2 Bl.]; 2., sehr vermehrte und verbesserte Aufl. 1789 unter dem Titel: Deutsch-lateinisches Lexicon oder Wörterbuch, zum Behufe der Erklärung der Alten und Uebung in der lateinischen Sprache [ein Band; XL, 2840 Sp.]; Nachdruck der 3. Aufl. 1817; 41820.

Das erfolgreichste Wörterbuch aber war ein Auszug aus den beiden vorangehenden ausführlichen Lexika Schellers, das Handlexicon. Es war für lange Zeit das an Schulen meistgebrauchte Wörterbuch. Es wurde von Georg Heinrich Lünemann und Karl Ernst Georges immer wieder neu bearbeitet (s.u. auch die Bearbeitungen für österreichische Schulen von Schönberger) und ist mit dem Wörterbuch von Georges gewissermaßen auch heute noch im Gebrauch, auch wenn man das von Scheller gelegte Fundament weder nominell noch substanziell wiedererkennen kann. Scheller 1792 = Lateinisch-deutsches und deutsch-lateinisches Handlexicon vornehmlich für Schulen. Leipzig: Fritsch, 1792 [21796] [2 Bände; laut Brekle 2001, Bd. 7: 308 fälschlich (?) 3 Bände]. – Seit der 3. Auflage 1806 (lat.-dt.) bzw. 1807 (dt.-lat.) herausgegeben von Georg Heinrich Lüne- 1 mann (Lünemann 1807), ab 1807 dreibändig und in neu beginnender Zählung der Auflagen; seit 1812 von Hahn (Leipzig) verlegt, – seit der 6. Auflage 1826 ganz unter Lünemanns Namen und mit dem Titel Georg Heinr. Lünemann’s Lateinisch-deutsches und deutsch-lateinisches Handwörterbuch, – seit der 7. Auflage von Georges bearbeitet und als „Lateinisch-Deutsches“ (1831) bzw. „DeutschLateinisches Handwörterbuch“ (Georges 1831/1833) mit jeweils zwei Bänden herausgebracht. – Zum lat.-dt. Teil: Seit der 8. Auflage 1837/1838 mit einer neu beginnenden Zählung der Auflagen, und zwar rückwirkend seit der 3. Auflage 1848, seit der 6. Auflage 1869 mit dem Titel Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch; die 8. Auflage 1913–18 besorgte Heinrich Georges, davon zahlreiche Nachdrucke; 2013 (16. Aufl.) bearbeitet von Tobias Dänzer, hrsg. von Thomas Baier und mit dem Titel „Der neue Georges“ versehen. Die Rezensionen legen nahe, dass die Neuerungen nicht die Substanz betreffen [Lindermann 2013; Weitz 2013a und Weitz 2013b; Schweickard 2013]. – Zum dt.-lat. Teil (s.u. detailliert): Seit der 7. Auflage 1831/1833 mit einer neu beginnenden Zählung der Auflagen; in der neuen Zählung seit der 6. Auflage 1870 mit dem Titel „Ausführliches deutsch-lateinisches Handwörterbuch“; zuletzt 7. Auflage = Georges 1882. – Bearbeitung durch Schönberger 1820/21838/31842: s. Schönberger, Franz Xaver (Kap. 5.4.4). – Daneben entstand von Georges für Schulzwecke: Kleines lateinisch-deutsches und deutschlateinisches Handwörterbuch. 2 Bände. Leipzig: Hahn, 1864–1865 [lat.-dt.: bis 6. Auflage 1890, seit 7. Auflage 1897 von Heinrich Georges bis 9. Auflage 1909; dt.-lat.: bis 5. Auflage 1888, seit 6. Auflage 1898 von Heinrich Georges bearbeitet bis 7. Auflage 1910; Nachdrucke bis 2015; unter dem Titel „Der Neue Georges, Kleines Deutsch-Lateinisches Handwörterbuch von Karl-Ernst Georges, auf der Grundlage der 7. verbesserten und vermehrten Auflage von Heinrich Georges, Hannover und Leipzig: Hahn, 1910, völlig neu bearbeitete Ausgabe 2017“, hrsg. und mit einem Vorwort versehen von Thomas Baier, bearbeitet von Jochen Schultheiß, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 82017. Wie beim lateinisch-deutschen „Neuen Georges“ (2013) scheinen die Neuerungen nicht die Substanz zu betreffen [Weitz 2018b und 2018c]. – Ebenso von Georges: Lateinisch-deutsches Schulwörterbuch. Leipzig: Hahn, 1876 [seit 10. Auflage 1907 bearbeitet von Heinrich Georges; 15. Aufl. 1935]; Deutsch-lateinisches Schulwörter-

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buch. Leipzig: Hahn, 1877 [11. Aufl. 1929]. – Digitale Ausgabe zweier Wörterbücher: Lateinisch – Deutsch / Deutsch – Lateinisch, Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch, Kleines deutsch-lateinisches Handwörterbuch von Karl Ernst Georges. Digitale Ausgabe der Digitalen Bibliothek Bd. 69. Faksimile und Volltext. Zweite, erweiterte Ausgabe. Berlin: Directmedia Publishing, 2004. [Diese digitale Ausgabe enthält den Text der 8. Auflage des Ausführlichen lateinisch-deutsches Handwörterbuchs (erschienen 1913–1918) sowie die 7. Auflage des Kleinen deutsch-lateinischen Handwörterbuchs (erschienen 1911).]

Sämtliche Ausgaben des deutsch-lateinischen (!) Handlexicons: 1 Schellers Ausgaben: Imm. Joh. Gerh. Schellers lateinisch-deutsches und deutsch-lateinisches Handlexicon. Zweyter oder Deutsch-lateinischer Theil. – Leipzig: Fritsch, 1. Aufl. 1792 [VIII S., 1832 Sp.; 8°] – Leipzig: Fritsch, 2., von neuem genau durchges. u. verb., auch hier u. da verm. Aufl. 1796 [1832 Sp.] Nach dem Tod Schellers 1803 übernahm Lünemann mit der Auflage von 1806/07 die Bearbeitung des Wörterbuchs. Lünemanns Ausgaben (mit neubeginnender Zählung): Imm. Joh. Gerh. Schellers lateinisch-deutsches und deutsch-lateinisches Handlexicon vornehmlich für Schulen von neuem durchgesehen, verbessert und vermehrt durch G. H. Lünemann, Doctor der Philosophie, und Lehrer der griechischen und lateinischen Sprache am Gymnasio zu Göttingen. Zweyter oder deutsch-lateinischer Theil. – Scheller/Lünemann 1807 = Leipzig: Fritsch, 1807 [XII, 940 S.; Anon. Rez. 1810]; Wien: Bey B. Ph. Bauer, auf der Freyung im Schottenhofe, und Anton Strauß, am Stephansplatze im v. Baldtauf’schen Hause, 1807 [XII, 940 S.]. – Leipzig: Hahn, 2. Aufl. 1812 [XII, 940 S.] – Scheller/Lünemann 31817 = Leipzig: Hahn, Dritte vermehrte und verbesserte Aufl. 1817 [XII, 1032 S.] – Leipzig: Hahn, 4. verb. und verm. Aufl. 1820 [1052 S.] – Leipzig: Hahn, 5. verb. und verm. Aufl. 1822 [2286 Sp., 16 Bl.] – In der folgenden Auflage erscheint nun der Name Lünemanns im neuen Titel: Georg Heinr. Lünemann’s lateinisch-deutsches und deutsch-lateinisches Handwörterbuch nach Imm. Joh. Gerh. Schellers Anlage neu bearbeitet. Leipzig: Hahn, Sechste verbesserte und vermehrte Aufl. 1826 [2378 Sp., III S.] Nach dem Tod Lünemanns 1830 übernahm Karl Ernst Georges (1806–1895), bereits seit 1828 dessen Mitarbeiter, die Herausgabe und Bearbeitung. Georges’ Ausgaben (mit neubeginnender Zählung): – Georges 1831/1833 = Georg Heinr. Lünemann’s weil. Doktors der Philosophie und Rektors am Gymnasium zu Göttingen lateinisch-deutsches und deutsch-lateinisches Handwörterbuch nach Imm. Joh. Gerh. Scheller’s Anlage neu bearbeitet. […] Deutsch-lateinisches Handwörterbuch aus den Quellen zusammengetragen und mit besonderer Bezugnahme auf Synonymik und Antiquitäten und Berücksichtigung der besten Hülfsmittel ausgearbeitet von Karl Ernst Georges. Mit einem Vorworte von Dr. G. F. Grotefend. Erster Band. A‒I. Zweiter Band. K‒Z. Leipzig: Hahn, 1831/1833 [nach alter Zählung siebte Auflage. Bd. 1 (1831): A-J, XVIII S., 1692 Sp.; Bd. 2 (1833): K-Z, 1968 Sp.].

Literatur | 361

– Leipzig: Hahn, 2. vielfach verb. und verm. Aufl. 1839, 2 Bde., Bd. 1 (A-K): XX S., 1958 Sp., Bd. 2 (L-Z): [2] Bl., 1878 Sp. [Scheller/Lünemann/Georges 81837 = Lat.-dt. Teil, 2 Bde.] – Lateinisch-Deutsches und Deutsch-Lateinisches Handwörterbuch nach Imm. Joh. Gerh. Scheller und Georg Heinr. Lünemann neu bearbeitet von Dr. Karl Ernst Georges. Deutsch-Lateinischer Theil. […] Erster Band. A‒K. // Zweiter Band. L‒Z. Leipzig: Hahn, Dritte, vielfach verbesserte und vermehrte Ausgabe (Neunte Ausgabe des Scheller-Lünemannischen lat. Handwörterbuches) 1845 [Bd. 1 (A-K): XI S., 1894 Sp.; Bd. 2 (L-Z): 1744 Sp.]. – Leipzig: Hahn, Zehnte oder der neuen Bearbeitung vierte vielfach verbesserte und vermehrte Ausgabe 1853 [Bd. 1 (A-K): XII S., 1858 Sp.; Bd. 2 (L-Z): 1686 Sp.; gewidmet Dr. Karl Wilhelm Nauck, Director des Friedrich-Wilhelms-Gymnasiums zu Königsberg in der Neumark]. – Leipzig: Hahn, Elfte oder der neuen Bearbeitung fünfte, dem heutigen Standpunkte der Lateinischen Stilistik gemäß umgestaltete Ausgabe 1861 [Bd. 1 (A-J): VIII S., 2074 Sp.; Bd. 2 (K-Z): 2106 Sp.; gewidmet Dr. Reinhold Klotz, Professor ordin. an der Universität Leipzig]. Mit der 6. Auflage – einer „fast ganz neuen Bearbeitung“ (Vorrede zur 7. Aufl.) – änderte sich der Titel des Handwörterbuchs, das nun M. Hertz gewidmet war und in einer stattlichen Auflage von 15.000 Exemplaren erschien. – Ausführliches deutsch-lateinisches Handwörterbuch aus den Quellen zusammengetragen und mit besonderer Bezugnahme auf Synonymik und Antiquitäten unter Berücksichtigung der besten Hülfsmittel ausgearbeitet […]. Leipzig: Hahn, 6. verb. und verm. Aufl. 1870, 2 Bde. [Bd. 1 (A-J): XII S., 2024 Sp., Bd. 2 (K-Z): 2030 Sp.]. – Leipzig: Hahn, Siebente, sehr verbesserte und vermehrte Auflage 1882 [Bd. 1 (A-J): VII S., 2032 Sp.; Bd. 2 (K-Z): 2052 Sp.; gewidmet Eduard Wölfflin (München); vgl. Stroh 1994 (zum Stil)].

Literatur zu Leben und Werk von Scheller: Brekle, Herbert E. / Höller, Hans-Jürgen / Weiß, Helmut (2001): „Scheller, Immanuel Johann Gerhard“. In: Brekle 2001, Bd. 7: 300–309; Bursian 1883: 508f.; Hamberger/Meusel 1798, Bd. 7: 95–98 (Werkeverzeichnis); Hamberger/Meusel 1805, Bd. 11: 662; Hamberger/Meusel 1825, Bd. 20: 80–81; Heuser 1803; Hoche 1890; Lenz 1805; Leonhardt, Jürgen (2012): „Scheller, Immanuel Johann Gerhard“. In: Kuhlmann/Schneider 2012; Stroh 1994 [zum Stil]; West 2001; Eintrag auf Wikipedia: Immanuel Johann Gerhard Scheller. [Unter: ; letzter Zugriff: 16.5.2022]; Wolf, Internetbibliographie. [Unter: ; letzter Zugriff: 16.5.2022]. Schriften Schellers: Scheller, Immanuel Johann Gerhard (1773): Animadversiones aliquot in clavem Ernestii Ciceronianam. Brieg: Tramp. Scheller, Immanuel Johann Gerhard (11770/21783): Anleitung, die alten lateinischen Schriftsteller philologisch und kritisch zu erklären und den Cicero gehörig nachzuahmen, nebst einem Anhange von einer ähnlichen Lehrart in der griechischen und hebräischen Sprache. Halle: Curs Witwe [s. Kap. 5.4]. Scheller, Immanuel Johann Gerhard (11779/21784): Praecepta stili bene latini, Leipzig: Fritsch, 1. Aufl.; Halle, 2. Aufl. Ins Deutsche übersetzt von Leopold Chimani (1810), Wien [s. Kap. 5.4]. Scheller, Immanuel Johann Gerhard (1779): Ausführliche lateinische Sprachlehre oder sogenannte Grammatik. Leipzig: Fritsch. Scheller, Immanuel Johann Gerhard (1780/1782): Kurzgefaßte lateinische Sprachlehre. Leipzig: Fritsch, 1780. München: Fritz, 1782 [Ausgabe für die Churbaierischen Schulen]. Die beiden Sprachlehren erfreuten sich großer Beliebtheit und konkurrierten, so Lenz, nur noch mit der Sprachlehre von Christian Gottlieb Bröder (es könnte damit seine weit verbreitete Practische Grammatik, zuerst 1787, gemeint sein).

362 | Literatur

Daneben zahlreiche Programme zu Schulthemen, z.B. Eine kurze Abhandlung von den Vorzügen der öffentlichen Unterweisung in Schulen und Gymnasien vor dem Unterrichte der Privatinformatoren. Brieg 1772; Von der langsamen und geschwinden Erlernung der lateinischen Sprache. Brieg 1773; Rede, worin gezeigt wird, daß es für den Staat sehr vortheilhaft sey, wenn der Schulstand ansehnliche Einkünfte und Ehre geniesse. Breslau 1780.

Schmerler 1794 = Schmerler, Johann Adam (1794): Lateinisch-deutsches und deutsch-lateinisches Wörterbuch zum Gebrauch für Schüler bestimmt und ausgearbeitet. Erlangen: Palm. Paginierung:

VIII, 504, 161 S.

Format:



Normnummer:

VD18 12321222-001

Signatur der Staats- und Stadtbibl. Augsburg:

Spw 2049

URN:

urn:nbn:de:bvb:12-bsb11281133-5

Rezension:

Anon. Rez. Rg. [Kürzel] 1796

Schmerler, Johann Adam / Besenbeck, Kaspar Jakob (Bearb.) (1809): Lateinisch-deutsches und deutsch-lateinisches Wörterbuch für Schulen. Erlangen. 2. durchaus verm. und verb. Aufl. [XII, 532, 121 S.]. Literatur zu Leben und Werk von Schmerler: Eintrag: „Johann Adam Schmerler“. In: Baader 1824, 1/2: 199–201; Kiefhaber 1795; Schlez 1795.

Schönberger 31842 = Schönberger, Franz Xaver: Neuestes lateinisch-deutsches und deutschlateinisches Hand-Lexikon zum Schul- und Geschäftsgebrauche. Nach den besten Quellen der vorzüglichsten Werke von Scheller, Kraft, Lünemann, Kirschius u. m. a., bearbeitet […]. Mit einem Vorberichte von Em[merich] Th[omas] Hohler. Wien: Sammer, letzte, sorgfältigst durchgesehene und verbesserte Auflage 1842. Dritter Band. Deutsch-lateinisch [...]. [852 S.; Digitalisat der ÖNB (Sign.: 216953-B.3 ALT MAG): http://data.onb.ac.at/rep/10B0028D] Schönberger 11820 = Schönberger, Franz Xaver (1820): Schellers lateinisch-deutsches und deutschlateinisches Hand-Lexikon vornehmlich für Schulen, von neuem durchgesehen, verbessert und vermehrt durch G. H. Lünemann, Doctor der Philosophie, und Lehrer der griechischen und lateinischen Sprache am Gymnasio zu Göttingen, zu einem allgemeineren Gebrauche mit beträchtlichen Vermehrungen herausgegeben, Dritter Band, oder deutsch-lateinischer Theil. Wien und Triest: Geistinger [1054 S.; Scan: Google Books]. Schönberger 21838 = Schönberger, Franz Xaver (1838): Schellers lateinisch-deutsches und deutschlateinisches Hand-Lexikon vornehmlich für Schulen [...] mit beträchtlichen Vermehrungen herausgegeben. Wien: Sammer [diese Auflage war mir bislang nicht zugänglich]. Literatur zu Leben und Werk: „Schönberger, Franz Xaver”. In: BLKÖ 31 (1876), 127–128. Das gesamte Wörterbuch besteht aus drei Bänden, die beiden ersten Bände enthalten den lateinisch-deutschen Teil (aufgeteilt in A-L, 968 S. und M-Z, 960 S. bzw. in dritter Auflage 754 S. und 756 S.), der dritte Band enthält den deutsch-lateinischen Teil. Die zweite und dritte Auflage erschien bei Rudolf Sammer, weil der vormalige Verleger Josef Geistinger 1828 aus finanziellen Gründen zum Verkauf seiner Buchhandlung gezwungen war.3 Die Titeländerung der dritten Auflage geht auf die Plagiatsvorwürfe durch den Leipziger Verlag Hahn zurück, der sich durch die Österreichische Aus-

|| 3 Vgl. https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Joseph_Geistinger (letzter Zugriff: 16.5.2022).

Literatur | 363

gabe ‚seines Schellers‘ plagiiert sah (Details s. Kap. 5.4.4). Vokale und Umlaute (a und ae), ss und ß, u und v sind je als eigenständige Buchstaben behandelt.

Soppe 1751 = Soppe, Philipp Reinhard (1751): Deutsch-lateinisches Lexicon phraseologicum. Frankfurt am Main: Varrentrapp [VD18 13036726; [3] Bl., 482 S.; 4°]. Uihlein 1811 = Uihlein, Joseph (1811): Deutsch-Lateinisches und Lateinisch-Deutsches Wörterbuch nach den neuesten und besten Werken bearbeitet [...]. Bd. 1. Frankfurt am Main: Andreä [VI, 411 S.; eine Bearbeitung von Bayer (zuerst 1724); s. auch Uihlein 1797 in „Sonstige Literatur“]. Weingart 1819 = Weingart, Johann Friedrich (1819): Lateinisch-Deutsches und Deutsch-Lateinisches Schul-Lexicon, für Anfänger und Geübtere. Sondershausen: Voigt.

Wüstemann 1826/1827 = Wüstemann, Ernst Friedrich (1826–1827): Deutsch-lateinisches Handwörterbuch. 2 Bde. Gotha: Henning [Subscriptionspreis für beide Bände 2 Thaler, Ladenpreis 3 Thaler]. Paginierung:

XXIV, 570 S. [Bd. I: A-I]; 767 S. [Bd. II: K-Z]

Format:



Scan:

Google Books

Rezension:

Kärcher 1826 (Rez. datiert vom Nov. 1825, also vor Erscheinung des Werks!); Anon. Rez. 1826

Werke: Wüstemann, Ernst Friedrich / Rost Valentin Christian Friedrich (zuerst 1820): Anleitung zum Übersetzen aus dem Deutschen ins Griechische. Göttingen. Wüstemann, Ernst Friedrich (1844): Anleitung zum Übersetzen aus dem Deutschen in das Lateinische, Leipzig. Wüstemann, Ernst Friedrich (1839): Oratio in Doeringi memoriam habita. Wüstemann, Ernst Friedrich (1840): Oratio in quartis inventae artis Gutenbergianae solemnibus saecularibus quae eadem secunda fuerunt officinae typographicae in urbe Gotha conditae sacra saecularia in Gymnasio Gothano habita. Wüstemann, Ernst Friedrich (1844): Oratio memoriae serenissimi principis Ernesti primi Ducis Saxoniae principis Coburgensium et Gothanorum dicata. Hennings, 1844. Wüstemann, Ernst Friedrich (1846): Über die Kunstgärtnerei bei den alten Römern. Wüstemann, Ernst Friedrich (1848): Friderici Jacobsii Laudatio. Gotha: Stollberg. Wüstemann, Ernst Friedrich (1854): Unterhaltungen aus der alten Welt für Garten- und Blumenfreunde. Gotha. Literatur zu Leben und Werk: Berger 1857; Georges 1857; Koldewey 1898 [dort weitere Literatur].

Zimmermann, Ernst, s. Scheller 1779.

364 | Literatur

Weitere verwendete Wörterbücher Dieses Verzeichnis enthält in alphabetischer Reihung alle weiteren verwendeten lateinischen, deutschen und sonstigen Wörterbücher vor und nach dem Zeitraum 1750–1850. Hervorgehoben und mit genaueren Angaben versehen sind Frisch 1741, Henisch 1616, Stieler 1691, Steinbach 1725/1734, die in Kap. 3.2 Erwähnung finden.

Adelung, Johann Christoph (1793–1801): Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart mit beständiger Vergleichung der übrigen Mundarten, besonders aber der oberdeutschen. Zweyte, vermehrte und verbesserte Ausgabe, 4 Bde., Leipzig 1793–1801 [ND, mit einer Einführung und Bibliographie von Helmut Henne, Hildesheim/New York 1970]. Albert, Sigrid (1998): Imaginum vocabularium Latinum. Saarbrücken: Societas Latina [mit deutschem Index]. Aler S. J., Paul (1727): Dictionarium Germanico-Latinum: In Quo Germanica Vocabula, Idiotismi, Proverbia &c. Variis Synonymis, Phrasibus, Locutionibus Tropicis, & Adagiis Latinis, pro habendâ verborum copiâ, ità redduntur, Ut quodvis Scholasticum Pensum Germanicum facilè, & emendatè in Latinum verti, ac sæpius eleganter variari possit ... ; Opus In Hoc Genere Absolutum, Novum, pulcro ordine dispositum, atque unum pro transferendis in Latinum penis Germanicis instar omnium, Latinæ Linguæ Studiosis Omnibus, Atque in primis Suprema, Media, & Infimæ Grammatices Discipulis dedicatum. Köln: Noethen [zwei Bände: A-J, K-Z; weitere Auflagen nach Wolfs Internetbibliographie: 1728; 1732]. Apin, Siegmund Jacob (1727), Grammaticalisches Lexicon In welchem Alle vorkommende Constructiones und Regulae Syntacticae derer Partium orationis, die meisten Differentiae Verborum, die Idiotismi Linguae latinae, und darwider streitende Barbarismi, Soloecismi, Archaismi, Graecismi, die meisten Wörter, welche eine controuerse Orthographie haben, Wie nicht weniger Die Figurae Grammaticae & Rhetoricae der Römische Calender, die Prosodie, die besten Epitheta, der rechte Gebrauch einiger vieldeutiger deutschen Redens-Arten, die Nahmen, der Länder, Städte, Berge und Flüsse, was sie auf Lateinisch heissen, auf das deutlichste erkläret, und zu allgemeinem Nutzen zusammen getragen worden. Nebst einem Send-Schreiben S. T. Herrn M. Jo. Matth. Gesners, De Vi Consuetudinis Ac Saeculi In Studiis Literarum. Nürnberg: Endter/Engelbrecht. Apin, Siegmund Jacob (1728): Glossarium novum ad aevi huius statum adornatum in quo rerum novarum nomina vel nostra vel aliunde adscita, ut sunt officinarum, vestiaria, militaria, proverbia item et alia ex variis linguis et artibus in sermone quotidiano aut relationibus publicis occurentia vocabula Latine reddita inveniuntur. Nürnberg: Lochner. Bacci, Antonius (1963): Lexicon vocabulorum quae difficilius Latine redduntur. Rom: Studium, 4. Aufl. Bartal, Antonius (1901, ND 1970): Latinitas Hungariae, Glossarium mediae et infimae Latinitatis regni Hungariae. Hildesheim/New York: Olms, 1970 [Budapest: Franklin, 1901]. Bayer S.J., Jakob und Bayer/Mayer: s.o. Korpus der deutsch-lateinischen Wörterbücher von 1750– 1850. Blaise, Albert (1954): Dictionnaire latin-français des auteurs chrétiens. Turnhout: Brepols. Blaise, Albert (1975): Lexicon latinitatis medii aeui. Turnhout: Brepols. Blume, Friedrich (Hrsg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart: allgemeine Enzyklopädie der Musik. Bd. 1–17. München: Bärenreiter 1989 [MGG online 2016]. Born 1790, s. Kirsch 1714. Campe, Joachim Heinrich (1807–1811): Wörterbuch der deutschen Sprache. 5 Bände. Braunschweig: Schulbuchhandlung.

Literatur | 365

Campe, Joachim Heinrich (21813): Wörterbuch zur Erklärung und Verdeutschung der unserer Sprache aufgedrungenen fremden Wörter. Braunschweig: Schulbuchhandlung. Cellarius, Christophorus (1686): Basilii Fabri Sorani Thesaurus eruditionis scholasticae […]. Leipzig, [Index Germanico-Latinus; weitere Auflagen: 1692 und 1696; s. auch Faber 1571 und Gesner 1735]. Dasypodius, Petrus (1535): Dictionarium voces propemodvm uniuersas in autoribus Latinae linguae probatis, ac uulgò receptis occurrentes Germanicè explicans […]. Straßburg [nur lat.-dt.]. Dasypodius, Petrus (1536): Dictionarium Latinogermanicum voces propemodvm uniuersas in autoribus Latinae linguae probatis, ac uulgò receptis occurrentes Germanicè explicans […]. Straßburg 2. Aufl. [mit dt.-lat. Teil; ab 1537 mit dem Titel Dictionarium Latinogermanicum et vice versa Germanicolatinum; Drucke von 1535–ca. 1630; außerdem Dasypodius Catholicus sive Dictionarium Latino Germanicum Et Germanico-Latinum mit Drucken von 1633/34–1709; vgl. Müller 2001: 62–73; 203–209; 394–395; Müller 2018; Jones 2000: Nr. 463–485: Ausgaben des 17. Jhs.; Gilbert A. R. de Smet (Hrsg.). Hildesheim/New York ND 1974 der Ausgabe von 1536]. Du Cange, et al. (1883–1887): Glossarium mediae et infimae latinitatis. Paris: Niort. Eggebrecht, Hans Heinrich (1972–2006): Handwörterbuch der musikalischen Terminologie. Stuttgart: Steiner. Egger, Karl (1986): Sermo latinus hodiernus. Romae: Latinitas. Egger, Karl (1998): Neues Latein-Lexikon – Lexicon recentis latinitatis. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft [ital. Original: Vatikan 1992]. Eichenseer, Caelestis (1981): Latinitas Viva – Pars lexicalis. Saarbrücken: Societas Latina. Eichenseer, Caelestis (1984): Latinitas Viva – Tabulae imagineae numero nonaginta. Saarbrücken: Societas Latina. Faber, Basilius (1571): Thesaurus eruditionis scholasticae […]. Leipzig: Rambau/Vögelin 1571 [zahlreiche Bearbeitungen; s. auch Cellarius 1686 und Gesner 1735; Jones 2000: Nr. 583–600]. Fischer, Johann Carl (1798–1827): Physikalisches Wörterbuch oder Erklärung der vornehmsten zur Physik gehörigen Begriffe und Kunstwörter: so wohl nach atomistischer als auch nach dynamischer Lehrart betrachtet mit kurzen beygefügten Nachrichten von der Geschichte der Erfindungen und Beschreibungen der Werkzeuge in alphabetischer Ordnung. 10 Bände. Göttingen: Dieterich. Forbiger 1856, s.o. Korpus der deutsch-lateinischen Wörterbücher von 1750–1850. Forcellini 1940 = Forcellini, Egidio u.a. (1940): Lexicon totius Latinitatis. Padua: Seminar 1940 [4 Bände, 2 Bände Onomastica]. Freund, Wilhelm (1855): Deutsch-lateinisch-griechisches Schulwörterbuch. Berlin: Reimer [= Lateinisch-deutsches und deutsch-lateinisch-griechisches Schulwörterbuch, 2. Theil; 1. Theil 1848].

Frisch 1741 = Frisch, Johann Leonhard: Teutsch-Lateinisches Wörter-Buch. Berlin: Nicolai, 1741 [Langtitel zitiert in Kap. 3.2]. Paginierung:

[7] Bl., 680 S. [Band I: A–M]; 489, 116 S. [Band II: N–Z]

Format:



Normnummer:

VD18 12166529-001

BSB-Signatur:

4 L.lat. 197-1 [Band I]; 4 L.lat. 197-2 [Band II]

URN:

urn:nbn:de:bvb:12-bsb10523583-1 [Band I]; urn:nbn:de:bvb:12-bsb10523584-7 [Band II]

366 | Literatur

Den zweiten Band beschließen zwei Register zu den Autoren und zu den lateinischen Wörtern. Literatur: Frisch 1739; Frisch, Johann Leonhard: Teutsch-lateinisches Wörterbuch. Berlin: Nicolai, 1741, ND Hildesheim/New York: Olms, 1977, Einf. v. Gerhardt Powitz (zweibändig); Powitz 1959; Powitz 2001; Winter 1961.

Frisius (Fries), Johannes / Petrus Cholinus (1541): Dictionarium Latinogermanicum […]. Zürich: Froschauer. Frisius (Fries), Johannes (1556): Dictionarium Latino-Germanicum et Dictionarium GermanicoLatinum oder Teutsch- und Lateinisches Wörterbuch. Zürich: Froschauer, [= Der Große Fries 1556; zahlreiche Auflagen, zuerst 1541 zusammen mit Petrus Cholinus hrsg.]. Frisius (Fries), Johannes (1556): Novum Dictionariolum puerorum Latinogermanicum et e diverso Germanicolatinum [...]. Zürich: Froschauer [= Der Kleine Fries 1556; mit dt.-lat. Teil von Johannes Christophorus von Rotberg: Dictionariolum puerorum Germanicolatinum, in gratiam studiosæ juventutis congestum; ND in zwei Bänden herausgegeben und eingeleitet von Peter O. Müller, Hildesheim 2018]. Frisius (Fries), Johannes (1750): Dictionarium Latino-Germanicum et Dictionarium GermanicoLatinum oder Teutsch- und Lateinisches Wörterbuch, Editio nova [...]. Köln 1750 [= Fries 1750; ursprüngl. 1556 Dictionarium Latino-Germanicum (der Große Fries) und 1556 Novum Dictionariolum puerorum (der Kleine Fries mit dt.-lat. Anhange), oft gedruckt bzw. bearbeitet; vgl. Jones 2000, Nr. 628–648]. Gailer, Jacob Eberhard (1835): Neuer Orbis pictus für die Jugend oder Schauplatz der Natur, der Kunst und des Menschenlebens [...]. Reutlingen: Mäcken, 3. Aufl., [ND mit einem Nachwort von Hubert Göbels, Dortmund: Harenberg, 1979]. Gehler, Johann Samuel Traugott (1787–1796): Physikalisches Wörterbuch oder Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. 6 Bände. Leipzig [spätere Bearbeitungen]. Georges, s.o. Korpus der deutsch-lateinischen Wörterbücher von 1750–1850. Gesner, Johann Matthias (1735): Basilii Fabri Sorani Thesaurus eruditionis scholasticæ […] [Index Germanico-Latinus]. Leipzig: Schniebes [von Gesner zuerst hrsg. 1726; ein dt.-lat. Index erschien zuerst 1686 als Anhang an die Bearbeitung von Cellarius; Erstausgabe von Faber 1571]. Graesse, Johann Georg Theodor / Benedict, Friedrich (Hrsg.) (1909). Orbis Latinus. Berlin: Schmidt, 2. Aufl. Grimm, Jakob / Grimm, Wilhelm (1854–1961): Deutsches Wörterbuch (DWB). 6 Bände in 32 Teilbänden. Leipzig: Hirzel (Quellenverzeichnis Leipzig 1971). Hederich, Benjamin (11729): Promtuarium latinitatis probatae et exercitae, oder vollständigstes Teutsch-Lateinisches Lexicon, Worinne Ein so hinlänglicher Vorrath an Wörtern, Phrasibus, Synonymis, Epithetis, Adiunctis u. d. g. aus tüchtigen, so wohl alten, als neuen Auctoribus, insonderheit aber aus dem Cicerone enthalten, Als sonderlich die Jugend auf Schulen zu Verfertigung ihrer Lateinischen Ubungen in Prosa bey nahe nur erfordern kann, Benebst Nöthigen, hin und wieder mit eingestreueten, auch zu Ende besonders mit angehängten Obseruationibus, ingleichen einem kurtzen Begriffe der gemeinsten Lateinischen Titul verfasset [...]. Leipzig: Gleditsch [4. verm. und verb. Aufl. 1753; verb. und verm. Aufl. 1777; s. auch Hausmann 1988]. Helfer, Christian (1991): Lexicon auxiliare – Ein deutsch-lateinisches Wörterbuch. Saarbrücken: Societas Latina, 3. Aufl. 1991; 2. Aufl. 1985 [vgl. Stroh 1994].

Henisch 1616 (ND 1973) = Henisch, Georg (1616, ND 1973): Teütsche Sprach und Weißheit. Augsburg: Francus [nur Band 1 (A–G) erschienen; ND Hildesheim 1973; vgl. Jones 2000: Nr. 706; s. Kap. 3.2].

Literatur | 367

Teütsche Sprach und Weißheit. || Thesaurus || Linguae et || Sapientiae || Germanicae. || In quo vocabula omnia Germanica, || tam rara, qvàm [!] communia, cum suis Syno-||nymis, derivatis, phrasibus, compositis, epi-||thetis, proverbiis, antithetis, continentur, & || Latinè ex optimis qvibusque autoribus red-||duntur, ita, ut hac nova & perfecta methodo || quilibet cùm ad plenam utriusq; lingvæ || cognitionem, tum rerum pruden-||tiam facile & citò per-||venire possit. || Adjectæ sunt quoque dictionibus plerisque Anglicæ, || Bohemicæ, Gallicæ, Græcæ, Hebraicæ, Hispa-||nicæ, Hungaricæ, Italicæ, || Polonicæ. || Pars Prima. || studio || Georgii Henischii B. Medicinæ Doctoris, || et Mathematici Augustani. || [Trennlinie] || Augustæ Vindelicorum, Typis || Davidis Franci. || [Kürzere Trennlinie] || M. D. C. XVI. Paginierung:

[6] Bl., 1875 [i.e. 1876] Sp.; Paginierfehler bei Sp. 1360, 1718, 1802.

Format:



Normnummer:

VD17 12:131438A

BSB-Signatur:

Res/2 L.germ. 3-1

URN:

urn:nbn:de:bvb:12-bsb10495873-1

Literatur:

Kämper 2001

Jacobsson, Johann Karl Gottfried (1781–1795): [...] Jacobssons technologisches Wörterbuch oder alphabetische Erklärung aller nützlichen mechanischen Künste, Manufakturen, Fabriken und Handwerker, wie auch aller dabey vorkommenden Arbeiten, Instrumente, Werkzeuge und Kunstwörter, nach ihrer Beschaffenheit und wahrem Gebrauche. 8 Bände, Berlin/Stettin: Nicolai. Janus 1730 = Janus (Jahn), Daniel Friedrich (1730): Philologisches Lexicon der reinen und zierlichen Latinität, darinnen nicht nur die Barbarismi, Soloecismi, Archaismi, Graecismi, Gallicismi, Italismi, Germanismi, und viele andere fremde und nicht lateinische Wörter und Redens-Arten, sondern auch und fürnemlich die in Disciplinen, civil und militair-Sachen heut zu Tage vorkommende Worte nach alphabetischer Ordnung bemercket [...] nebst [...] vollständigem teutschen Register [...]. Leipzig: Martini, 1. Aufl. Janus 21753 = Janus (Jahn), Daniel Friedrich (1753): Philologisch-kritisches Schul-Lexicon der reinen und zierlichen Latinität, nebst nuetzlichen Anmerckungen, auch vollstaendigem teutschen Register. Halle: Verlag des Waisenhauses, 2. verb. und stark verm. Aufl. Kirsch 1714/1774: s.o. Korpus der deutsch-lateinischen Wörterbücher von 1750–1850. Kluge, Friedrich / Seebold, Elmar (Bearb.) (252011): Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Berlin: De Gruyter. Kropf S.J., Franz Xaver (1735): Amalthea Germanica et Latina. Dillingen: Schwertlen. Lampe, Geoffrey William Hugo (1961): A Patristic Greek Lexicon. Oxford: Clarendon Press. 1 LThK = Buchberger, Michael u.a. (Hrsg.) (1930–1938): Lexikon für Theologie und Kirche. Bd. 1–10. Freiburg: Herder, 1. Aufl. 2 LThK = Buchberger, Michael / Höfer, Josef / Rahner, Karl (1957–1968) (Hrsg.): Lexikon für Theologie und Kirche. Bd. 1–14. Freiburg: Herder, 2. Aufl. 3 LThK = Kasper, Walter u.a. (1993–2001): Lexikon für Theologie und Kirche. Bd. 1–11. Freiburg: Herder, 3. Aufl. LmL = Lexicon musicum Latinum medii aevi. Digitalisierte Fassung im Wörterbuchnetz des Trier Center for Digital Humanities, Version 01/21. Licoppe, Guy (Gaius) (1988): Melissae Lexicon minus Latinitatis modernae Latino-Theodiscum – Melissa: Modernes lateinisches Kleinhandwörterbuch: Deutsch-Lateinisch. Brüssel: Melissa. Licoppe, Guy / Deraedt, Françoise (2004): Vocabulaire Latin d’aujourd’hui. Brüssel: Melissa.

368 | Literatur

Maaler 1561 = Maaler, Josua (1561) / Smet, Gilbert de (1971) (Hrsg.): Die Teütsch spraach. [...] Dictionarium germanicolatinum novum. [...]. Zürich: Froschoverus, 1561 [ND Hildesheim: Olms, 1971]. Maier, Robert (2010): Latein-Deutsch – Visuelles Wörterbuch. London u.a.: Coventgarden [deutscher Index]. Matthiae, Georg (1748): Novum locupletissimum manuale lexicon latino-germanicum et germanicolatinum. Halle (Saale): Bierwirth [21749, 31761, 41775]. Nikitinski, Oleg (2017): Lateinische Musterprosa und Sprachpflege der Neuzeit (17.–Anfang des 19. Jhs.) – Ein Wörterbuch. Leiden/Boston: Brill. OCD = Hornblower, Simon und Spawforth, Antony (2012): The Oxford Classical Dictionary. Oxford: University Press. 4. Auflage [Whitmarsh, Tim (Hrsg.): OCD online, 5. Aufl.]. OLD = Glare, Peter G. W. (2012): Oxford Latin dictionary. 2. Bände. Oxford: University Press, 2. Aufl. Pape, Wilhelm (1914): Handwörterbuch der griechischen Sprache, Griechisch-deutsches Handwörterbuch. Braunschweig: Vieweg/Sohn, 3. Auflage 1880, ND 1914. Pfeifer, Wolfgang: Etymologisches Wörterbuch, digital über: https://www.dwds.de/. Praetorius, Michael (1619): Syntagma musicum, 3. Band: Termini musici. Wolfenbüttel 1619. Gurlitt, Wilibald (Hrsg.). Kassel: Bärenreiter, ND 1958. Ramminger, Johann: Neulateinische Wortliste – Ein Wörterbuch des Lateinischen von Petrarca bis 1700. Online: http://www.neulatein.de/ oder http://nlw.renaessancestudier.org/. von Rotberg, s. Fries/Frisius. Sachs, Curt (1913): Real-Lexikon der Musikinstrumente. Berlin: Bard. Schneiders, Werner (Hrsg.) (1995): Lexikon der Aufklärung. München: Beck. Schönsleder, Wolfgang (1618): Promptuarium germanico-latinum. Augsburg: Aperger/Henrich [später mehrfach gedruckt, vgl. Jones 2000: Nr. 995–1007]. Sleumer, Albert (31962): Deutsch-Kirchenlateinisches Wörterbuch. Bonn: Dümmler. Sommerhoff, Johannes Christophorus (11701, 21713): Lexicon pharmaceutico-chymicum latinogermanicum et germanico-latinum. Nürnberg: Zieger/Lehmann [Rüdiger, 21713; später mehrfach gedruckt]. Souter, Alexander (1949): A Glossary of Later Latin to 600 A.D. Oxford: Clarendon Press. Spieser 1700 = Spieser, Theodor (1700): Novum lexicon universale latino-germanicum et germanico-latinum. Basel: Bertsche 1700. Spieser/Hemminger 21716 = Spieser, Theodor / Hemminger, Zacharias (21716). Novum lexicon universale latino-germanicum et germanico-latinum. Basel: Officina episcopiana 21716

Stieler 1691 = Stieler, Kaspar (1691): Der Teutschen Sprache Stammbaum und Fortwachs, oder Teutscher Sprachschatz. Nürnberg: Hofmann; Altdorf: Meyer [Nachdruck München: Kösel; Hildesheim: Olms, 1968, in drei Bänden; vgl. Jones 2000: Nr. 1070; s. Kap. 3.2] Der || Teutschen Sprache || Stammbaum und Fortwachs/ || oder || Teutscher || Sprachschatz/ || Worinnen || alle und iede teutsche Wurzeln oder Stammwörter/ || so viel deren annoch bekannt und ietzo im Gebrauch seyn / || nebst ihrer Ankunft/ abgeleiteten/ duppelungen/ und vornemsten || Redarten/ mit guter lateinischen Tolmetschung und || kunstgegründeten Anmerkungen befindlich. || Samt einer || Hochteutschen Letterkunst/ Nachschuß || und teutschem Register. || So Lehrenden als Lernenden/ zu beider Sprachen || Kundigkeit / nötig und nützlich/ || durch unermüdeten Fleiß in vielen Jahren gesamlet || von dem Spaten. || [Trennlinie] || Nürnberg/ || in Verlegung Johann Hofmanns/ Buch- und Kunsthändlers daselbst. || Gedruckt zu Altdorf/ von Heinrich Meyern/ der löbl. Univ. Buchdruckern. || [kurze Trennlinie] || Im Jahr des HErrn 1691.

Literatur | 369

Teutonicæ Linguæ || Semina et Germina, || sive || Lexicon || Germanicum, || in quo || Vocabula omnia Teutonica, tam antiqva qvàm [!] || nova, eorum radices & origines, cum suis derivatis & com||positis, item phrasibus elegantioribus, & perpetua interpretatione || Latina ex classicis Autoribus, ac observationibus philologicis || comprehenduntur. || Unà cum || Grammatica Linguæ Theo-||tiscæ seu imperialis Germanicæ, || supplemento atqve [!] indice || Teutonico. || Opus || Omnibus, cùm docentibus tum discentibus, || utile & penè necessarium, || accurante || Serotino. || [Trennlinie] || Noribergæ, || Impensis Joannis Hofmanni, Bibliopolæ. || AltdorfI, || Typis Henrici Meyeri, Univ. Typographi. || [kürzere Trennlinie] || Anno Salutis M DC XCI. Paginierung (nach dem ND 1968):

[16] Bl.; Sp. 1–1190 [Band I: A-L]; 1191–2672 [Band II: M-Z]; 243 S. (Hochteutsche Sprachkunst), 40 S. (Nachträge), 436 ungez. S. (Register), 19 S. (Nachwort von Stefan Sonderegger) [Band III]

Format des Originals:



Normnummer:

VD17 12:130745W

BSB-Signatur:

Augsburg, Staats- und Stadtbibliothek -- 4 Spw 424

URN:

urn:nbn:de:bvb:12-bsb11223968-6

Literatur:

Ising, Gerhard (1968): Einführung und Bibliographie. In: ND Stieler 1968 und in: Henne 2001, 75–93.

Steinbach 1725/1734 (ND 1973) = Christoph Ernst Steinbachs Vollständiges deutsches Wörterbuch Vel Lexicon Germanico-Latinum. Breslau: Korn, 1734; ursprünglicher Titel: Deutsches Wörterbuch vel Lexicon Germanico-Latinum [...], Breslau: Hubert, 1725 [s. Kap. 3.2]. Steinbach, Christoph Ernst / Schröter, Walther (Hrsg.) (1734, ND 1973): Vollständiges Deutsches Wörter-Buch. Hildesheim: Olms, ND 1973. Paginierung:

[19] Bl., 1086 S. [Band I: A-L]; [1] Bl., 1134 S., [1] Bl. [Band II: M-Z]

Format:



Normnummer:

VD18 90553721 [Band I]; VD18 10734252; VD18 90509579 [Band II]

BSB-Signatur:

L.lat. 820-1 [Band I]; L.lat. 820-2 [Band II]

URN:

urn:nbn:de:bvb:12-bsb10625253-5 [Band I]; urn:nbn:de:bvb:12-bsb10625254-1 [Band II]

Literatur:

Schröter, Walther: Einführung. In: ND 1973.

Teutsch-lateinisches und russisches Lexicon (1731). St. Petersburg: Kayserl. Akademie der Wiss. Veneroni, Giovanni (1700): Le dictionaire imperial [...] Das käyserliche Sprach- und Wörter-Buch [Teil 3]. Frankfurt am Main: Zunner [Zunner/Jung, 21714 und weitere Ausgaben]. Wachter, Johann Georg (1737): Glossarium Germanicum continens origines et antiqvitates totius linguae linguae Germanicae hodiernae, et omnium pene vocabulorum, vigentium et desitorum […]. Leipzig: Gleditsch [zuerst 1727 mit abweichendem Titel]. Wagner, Franz (1718): Universae Phraseologiae Latinae Corpus. Augsburg: Schlüter/Happach.

370 | Literatur Wagner, Franz (21751): Phraseologia Germanico-Latina. Mainz/Frankfurt a.M. [und öfter]. Walther, Johann Gottfried (1732): Musicalisches Lexicon. Leipzig: Deer. Weber, Johann Adam (11734): Lexicon encyclion oder kurtzgefaßtes lateinisch-teutsches und teutschlateinisches Universal-Wörter-Buch, zu nöthigem Verstande der Lateinischen auctorum und gründlicher Erlernung der lateinischen Sprache. Chemnitz: Stößel [21745; 41807]. Weingart, Johann Friedrich (1819): Lateinisch-Deutsches und Deutsch-Lateinisches Schul-Lexicon, für Anfänger und Geübtere. Sondershausen: Voigt. Weismann 1725 = Weismann, Ehrenreich (Ericus): Lexicon bipartitum, Latino-Germanicum, et Germanico-Latinum [...]. Stuttgart 81725 [zuerst 1673 (nur lat.-dt.); zweiteilig seit 1685; Frankfurt/Leipzig 121775 cum praefatione Io. Aug. Ernesti; M. [unbekannter Rezensent] (1778): Rez. In: Allgemeine deutsche Bibliothek 34, Berlin und Stettin, 271–273; vgl. Jones (2000): Nr. 1107– 1110]. Wussin, Caspar Zacharias (1700): Dictionarium germanico-latino-bohemicum [...] Dictionarium von dreyen Sprachen. Prag: Hampel [21722/1729; 31742–49; vgl. Jones 2000: Nr. 1121].

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384 | Literatur

matkunde Seulberg. Friedrichsdorf: Verein für Geschichte und Heimatkunde Friedrichsdorf, Bd. 15, 47–53.

Register Register der Lexikographen und Altphilologen Adelung, Johann Christoph 15, 37f., 173, 178, 232, 249, 252, 256, 269, 274, 286, 291, 293, 300–302, 304, 306, 321, 339 Agricola, Georg 22 Albert, Sigrid 29, 298, 301 Alberus, Erasmus 17, 23 Aler S. J., Paul 26, 55f., 60f., 110, 113, 127, 139, 319, 338 Álvares, Manuel 26, 99f., 127, 280 Anton, Conrad Gottlob 26, 99, 103, 125 Anton, Karl Gottlieb 27, 99, 103, 248 Apin, Siegmund Jacob 26, 49, 56–58, 97f., 111, 144 Bacci, Antonius 2, 298, 307, 310 Bachmann, Andreas 24 Bauer, Johann Paul 29, 59 Bauer, Carl Ludwig 12, 14, 27, 36, 59, 64, 66, 73, 76, 79, 88, 99, 101, 103, 112, 115, 125, 129, 136, 142, 149f., 153, 160, 166, 168, 173, 179, 188–198, 212, 214, 218– 221, 232f., 238, 247f., 250, 252f., 256f., 263, 265–267, 269f., 274, 283f., 287– 290, 292–294, 299f., 302–310, 313, 315f., 319–326, 328, 330–332, 334– 337, 339f., 342 Bayer S.J., Jakob 12, 14, 26f., 31, 56, 59f., 97, 99f., 110, 112f., 115, 126–141, 158, 195, 256, 260, 271, 273f., 281, 284, 288– 293, 299–301, 305f., 313, 316, 322f., 325, 328f., 331, 335, 338f. Berger, Karl 29 Bernhold, Johann Georg Samuel VII, 12, 14, 26, 49, 59, 99, 102, 115, 136, 142–152, 160, 166f., 194–196, 199, 247, 250, 283f., 288–291, 294, 302f., 327f., 335, 340 Besenbeck, Kaspar Jakob 236 Blaise, Albert 221, 263, 282, 289–291, 321f. Bohrmann, Sigrid 29 Born, Friedrich Gottlob 7, 27, 99, 106f., 125 Bremer, Johann Christoph 27, 99, 105, 234f.

https://doi.org/10.1515/9783110771770-009

Bröder, Christian Gottlob 27, 99, 103, 154, 156, 205 Bursian, Conrad 109, 157 Calagius, Andreas 24 Campe, Joachim Heinrich 15, 38, 232, 249, 251f., 304f., 308, 310, 339 Cellarius, Christophorus 21, 25–27, 35, 57, 98, 157f., 230, 250 Cholinus, Petrus 34, 41f. Cingularius (Wildenberg), Hieronymus 17, 23 Closener, Fritsche 23, 31, 38 Comenius, Johann Amos 24f., 37, 117, 249, 325f. Dahms, Rudolf 29 Dasypodius, Petrus 17, 23, 30, 32–34, 35– 38, 40, 111f., 126, 128, 135 Decimator, Heinrich 17, 23f. Den(t)zler, Johann Jakob 25, 158 Diels, Hermann 109 Dobracki, Maciej (Matthias Gutth(a)eter) 25 Dögen, Matthias 24 Drümel, Johann Heinrich 26, 100, 102 Du Cange 37, 118, 263, 307, 321f. Duez, Nathanael 24f. Eckstein, Friedrich August 70, 83, 85–87, 156, 182, 190 Egger, Karl 2, 15, 29, 59, 263, 298, 313f. Eichenseer, Caelestis 14, 298 Emmel, Helfricus 17, 23f., 30, 34, 36f. Engelhus, Dietrich 23 Erasmus von Rotterdam 137, 245, 277–279, 294, 342 Ernesti, Johann August 7, 66, 87–89, 96, 103, 108, 113, 115, 153, 156, 188f., 199, 248, 261, 332, 339, 342 Faber, Basilius 21, 25f., 35f., 57, 98, 110, 157f., 250 Feldbausch, Felix Sebastian 28, 99–101, 239, 243f.

386 | Register

Fischer, Johann Carl 305 Forbiger, Albert 27f., 99, 106, 201, 212, 241, Forcellini, Egidio 158, 223, 227, 289, 296, 298 Franck[e] von Fran[c]kenau, Georg Friedrich 25 Freund, Wilhelm 28, 159 Frisch, Johann Leonhard 1, 17, 26, 37f., 48– 52, 57f., 97f., 110, 144, 248f., 256, 303, 339 Frisius (Fries), Johannes 17, 23, 30, 34–36, 38–42, 112, 128, 158

Hellinx, Severinus 24 Helvigius, Andreas 24 Hemminger, Zacharias 26, 56, 97f., 256 Henisch, Georg 24, 38–42, 48, 158, 339 Hermann, Gottfried 109, 199, 248 Heyne, Christian Gottlob 101, 105, 108, 154, 229, Holzmann, Adolf 27, 99, 107, 190 Hulsius, Levin 24 Humboldt, Wilhelm von 63, 65, 108

Gedike, Friedrich 71f., 81, 89–94, 96, 113, 135, 189, 342 Gehler, Johann Samuel Traugott 300, 304– 306, 308 Georges, Heinrich 3, 28, 158, 174 Georges, Karl Ernst 3, 11, 13f., 19, 21, 27f., 99, 105f., 115, 125, 136, 158, 165, 170, 174, 198–200, 202, 209, 212, 219–221, 227–230, 233f., 236, 248f., 253, 255, 257–270, 272–274, 281, 286f., 289– 291, 293–304, 306f., 309–317, 319– 325, 327–332, 334–336, 339–341 Gesner, Johann Matthias 7, 21, 25f., 35f., 56f., 97f., 101, 108, 110, 144, 153, 184, 204, 223, 250 Gessner, Conrad 23, 39f. Göseken, Heinrich 24 Gottschalk, Walter 28 Grimm, Jakob und Wilhelm 30, 33, 37f., 43f., 258, 274, 291, 300f., 306, 308, 321, 325, 339 Gürtler, Nikolaus 25 Güthling, Otto 28

Jahn, Otto 109, 324 Janus (Jahn), Daniel Friedrich 26, 57f., 97f., 248

Haas, Johann Gottfried 27, 76, 99, 104, 190, 236–238, 308 Habrecht, Isaac 24 Haemmerle, Albert 28 Harghe, Johannes 23 Hederich, Benjamin 17, 26, 36, 49, 57f., 60, 97f., 143f., 158, 188, 195, 214, 246, 248, 291, 325, 339 Heinichen, Friedrich Adolph 19, 28, 221f. Heinrich, Albin 28, 99f., 241f. Helfer, Christian 14f., 29, 59, 298, 301f., 304f., 307, 313

Ingerslev, Christian Frederik 28

Kärcher, Ernst Friedrich 28, 76, 99, 104, 210f., 239, 240f., 244 Kirsch, Adam Friedrich 8, 12, 14, 26, 36, 56, 60, 72, 94f., 97f., 103, 107, 115, 116– 126, 127, 129, 131, 149f., 158, 166, 175, 178, 186, 188, 192, 195f., 214, 256, 287–291, 294, 298, 300–302, 316, 319, 323f., 328f., 335, 339 Köbler, Gerhard 29 Koch, Georg Aenotheus 28, 99, 105 Kraft, Friedrich Karl 8, 13f., 27f., 36, 59, 66, 73, 75–79, 81f., 87, 96, 99, 101, 104– 106, 110, 113, 115, 128, 142, 149f., 166f., 173–175, 178, 188, 191, 194, 196f., 199, 201–203, 206, 209f., 211–228, 232– 234, 241, 244, 246–250, 252f., 255f., 258–266, 268–270, 272–274, 284– 287, 289f., 292f., 295–297, 299f., 302– 317, 320–322, 324–335, 339–343 Krebs, Johann Philipp 18, 109, 249 Kreußler, Otto 28, 106f. Kropf S. J., Franz Xaver 26, 37, 56f., 97, 118, 127, 338 Kühner, Raphael 109, 200 Kuun, Géza 28 Lachmann, Karl 5, 109 Layritz, Paul Eugen 26, 99, 103 Lenke, Friedrich Rudolph 27, 99, 107, 141 Lichtenberger, Peter 29 Loderecker, Peter 24 Losek, Fritz 29

Register | 387

Lünemann, Georg Heinrich 11, 13f., 21, 27f., 56, 81f., 99, 104–106, 110, 115, 149f., 158, 167, 170–174, 175–179, 181, 186, 191, 194, 196, 199, 203, 206, 212, 215, 218, 220, 228–234, 236, 242, 247–250, 252f., 258, 260f., 270, 273f., 283–286, 289f., 292, 295f., 299, 303–306, 313, 315f., 320–322, 324–326, 328, 334, 336, 339–342 Maaler (Pictorius), Josua 17, 23, 30, 34, 37– 40, 42, 339 Maier, Robert 2, 14, 29, 37, 298, 301, 307, 310 Manutius, Aldus 24 Mariucci, Tommaso 29 Matthiae, Georg 26, 56f., 99, 106 Mayer, Carl Philipp 12, 56, 99–101, 128f., 139f., 141, 260, 273f., 288, 290f., 299f., 305f., 313, 322f., 328f., 331 Megiser, Hieronymus 17, 23 Meier, Hans 29 Meier, Jacob 25 Meierotto, Johann Heinrich Ludwig 189 Meiner, J. S. 27, 99, 107 Menge, Hermann August 28f., 109 Moll, Otto Ernst 29 Mommsen, Theodor Mühlmann, Gustav Eduard 16, 28, 60, 95f., 99, 104, 110, 128, 134, 212, 303 Nägelsbach, Karl Friedrich von 85, 108f. Nieremberger, Benedikt Friedrich 26, 76f., 99f., 102, 238, 246, 256, 303 Nietzsche, Friedrich 109, 264 Nikitinski, Oleg 14, 29, 198, 303 Nyland[t], Peter 25 Oellinger, Georg Erasmus 24 Overheide, Gebhard 24 Pacitti, Guerino 29 Pictorius, s. Maaler Pinth, Jean Baptiste 28 Pomey, François 25, 117, 290f. Popp, Johann 22 Portus, Aemilius (Emilio Porto) 24 Prasch, Johann Ludwig 25, 45

Redinger, Jakob 24f. Reyher, Andreas 25, 116 Rost, Valentin Christian Friedrich 105, 200, 206 Ruhkopf, Friedrich Ernst 240 Ruland, Martin 17, 23, 97 Scheller, Immanuel Johann Gerhard 2f., 8, 13, 16, 21, 27f., 36, 59f., 64–73, 76f., 88, 99, 103, 105, 113, 115, 125, 128f., 141f., 145, 148–150, 153–188, 192, 195f., 198, 201f., 204, 212, 214, 219f., 229f., 236, 240, 242, 247f., 250f., 255– 257, 260f., 263, 265, 269–271, 274, 283f., 287–290, 292, 294–296, 299, 303–307, 313, 315f., 320–322, 324– 326, 328f., 331, 334f., 338–340 Schelling, David 23, 34, 36 Schmalfeld, Johann Friedrich 28, 99, 106 Schmerler, Johann Adam 27, 99, 103, 141, 236f., 241 Schönberger O.Sch.P., Franz Xaver 13, 27, 99f., 140, 148, 170, 174–188, 242, 246, 260, 292, 304 Schöne, Wilhelm 29 Schönsleder, Wolfgang 24, 111, 126 Schottelius, Justus Georg 24f., 45 Schueren, Gerard van der 17, 23, 31 Serranus, Johannes 17, 23 Seybold, Johann Georg 25 Sleumer, Albert 29, 185, 282, 301 Sommerhoff, Johannes Christophorus 26, 57f., 97f. Soppe, Philipp Reinhard 26, 99, 101f. Spieser, Theodor 26, 56, 97f., 111, 256 Stadler, August 28 Steinbach, Christoph Ernst 1, 26, 38, 48, 57f., 97f., 204, 339 Stieler, Kaspar 25, 38f., 42–48, 158, 256, 339, 343 Sturm, Johannes 33, 35, 144 Thiersch, Friedrich 108f. Tondini, Amleto 29 Uihlein, Joseph 27, 99–101, 128, 140f. Ulner, Hermann 17, 23 Urban, Albert J. 29 Ursin[us], Georg Heinrich 25

388 | Register

Valerius, Cornelius 23 Veneroni, Giovanni (Jean) 25, 58, 97f., 163 Volbeding, Johann Ernst 28, 99, 106f. Volckmar, Nicolaus 24 Wachter, Johann Georg 26, 56, 97f. Wagner S.J., Franz 26, 56, 97, 99, 126, 338 Walpert, H. 28 Weber, Johann Adam 26, 57f., 97f., 157 Weinert, Hans 28 Weingart, Johann Friedrich 27, 99, 104, 141 Weismann, Ehrenreich (Ericus) 25, 36, 58, 157f., 188, 214, 248, 250 Werner, Johann 24 Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von 109 Wildenberg, Hieronymus, s. Cingularius

Wilhelmi, Johann Gerlach 25 Wolf, Friedrich August 5, 72, 101, 105, 108, 203, 248, 259, 264 Wussin, Caspar Zacharias 26, 58, 97f. Wüstemann, Ernst Friedrich 13f., 28, 53, 59f., 62, 99, 105f., 110, 115, 134, 136, 149f., 166f., 191, 196f., 199–211, 212, 215, 220–228, 232, 241, 244, 246–250, 253f., 256, 258, 260f., 263–266, 269f., 274, 280, 283–286, 288–290, 292– 296, 299, 302–307, 309–312, 314–317, 319f., 322–326, 328–332, 334–336, 338–342 Zimmermann, Ernst 27, 99, 104, 230 Zimmermann, Herbert 28

Register der Lemmata aus deutsch-lateinischen Wörterbüchern Aasfliege 253 Abenddämmerung 171 Abendandacht s. Abendgebet Abendgebet 243, 287 Abendmahl 111, 195, 202, 207 Abfließen 171 Abgötterei 243 Abiturienten-Examen 253 Abkommen 171 Ablass- 12, 147, 152, 273, 281–287, 294, 339 Ableiter, des Blitzes s. Blitzableiter Abonnement 253 Absolution 285f. Abt 159 Äbtissin 148, 159 Adagio 12, 198, 330–332, 337 Admiral 124, 161, 201f. Advent- 166, 195, 207, 290–293 Alaun 300 Algebra 124 Allegro 317, 330, 332f., 337 Allgegenwart 149f., 166, 207 Allgegenwärtig s. Allgegenwart Allgemeingültig 206 Allmacht- 149, 159, 166f., 208 Allmächtig s. Allmacht Allwissend s. Allwissenheit Allwissenheit 149, 166, 208

Alt 135 Altardiener 165 Altarhimmel 206 Altarist 165 Altist 135 Aluminium 300, 317, 341 Amphibie 202, 232, 312 Andacht 243 Andante 330–333 Andantino 198, 330–332 Anfarzen 253 Ankündigen 204 Annaten 203 Antichambrieren 253 Antiphonale 322 Apostelgeschichte 195 Arbeiterbewegung 269 Armbrust 124 Atheismus 123 Atheisterei s. Atheismus Atmosphäre 198, 313–317 Auferstanden s. Auferstehung Auferstehen s. Auferstehung Auferstehung- 12, 150, 166, 195, 208, 271, 288–290, 294, 341 Aufgeklärt s. Aufklärung Aufklären s. Aufklärung Aufklärer s. Aufklärung

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Aufklärung- 11f., 72, 167, 203f., 254–260, 264, 268, 270, 340f. Augenglas 164, 303 Außenhandel 206 Austerbart 253 Auto-da-fé 208 Autokorso 2 Backform 206 Bagage 253 Bahn- s. EisenbahnBahnhof 297 Barium 300 Bass, Bassist 135 Bataillon 161, 163, 169, 208 Baumwolle 277 Begehrungssünde 206 Beleuchtung s. Straßenbeleuchtung Bengel 253 Bergart 299 Berufstreue 206 Biberfell 206 Billard- 198, 343 Blasenpflaster 198, 316 Blasenschwimmer 42 Blasinstrument 323, 325–327, 329 Bleistift 206 Blitzableiter 16, 196, 198, 305f., 316, 340 Blockflöte 323f. Bor 300 Brainstorming 2 Brandrakete 206 Brandschatzung 243 Brief 204 Brigantine 163 Brille- 124, 150f., 164, 169, 191, 208, 298, 302–304 Brom 300 Büchse 151 Bügeleisen 124, 231f. Bürgergarde 206 Bürokratie 254 C. siehe auch K Canone- s. KanoneCäsium 300 Cer 299 Chlor 299 Chorrock 124

Chrom 299 Clarinet s. Klarinette Crowdfunding 16 Dach 204 Dämmerungsgeflüster 253 Dampfbarke s. Dampfmaschine Dampfboot s. Dampfmaschine Dampfmaschine 8, 12, 295f., 298, 304 Dampfschiff s. Dampfmaschine Dampfwagen s. Dampfmaschine Dickwanst 253 Direktor 124 Drehorgel 329 Drehpistole 301 Dudelsack 323–325, 336, 341 Dunstkreis 198, 309, 313–315 Dunstkugel 313 Eckhaus 243 Eisenbahn- 8, 12, 295–297 Empfindsamkeit 254 Empiriker 208 Equipage 152 Erbauungsmittel 203 Erbium 300 Erdbebenmesser 300f. Erlass s. Ablass Erleuchten s. Erleuchtung Erleuchtung 256f., 311 Experimentalphysik 315–317 Fagott 124 Fallschirm 307–309, 340, 343 Fasten (your seatbelt) 2 Feldmarschall 124, 161, 163, 251 Fernschreiber 310 Firm(el)ung 12, 274, 294 Flöte 317, 323f., 337 Föderalismus 268 Fortschritt 12, 254f., 269, 341 Freimaurer- 16, 167, 263, 269 Fußball- 2, 277 Galmei 299 Gewaltenteilung 268f. Handschuh 243 Hautbois, Hautboy, Hoboe s. Oboe

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Hemd 165f., 196f., 227 Horn 326f. Humaniora s. Humanismus Humanismus 203, 254, 263–265, 270 Humanist s. Humanismus Humanistisch s. Humanismus Humanität- s. Humanismus Idealismus 12, 198, 265–267, 270 Illumination s. Erleuchtung und Straßenbeleuchtung Industrie 70 Intervall 318, 330, 333–337, 341 Intuition 268 Jod 300 Kälberzahn 171 Kaleidoskop 310f. Kalium 299f. Kanone- 91, 124, 163, 251, 340 Kircheninstrument 175 Kirchenlatein 175 Kirchenmusik 175 Klarinette 323, 325 Klassiker s. Klassisch Klassisch 9f., 109f., 114, 220–228, 260–262, passim Klassizistisch s. Klassisch Klassizität s. Klassisch Knallgold 299 Knallsilber 299 Kobalt 298 Kommunismus 267–269 Kommunist s. Kommunismus Konfirmation 274 Konservatismus 268f. Konservativ s. Konservatismus Kreditwesen 209 Largo 318, 333 Liberalismus 268 Lithium 300 Luftball 308 Luftschiff- 197, 308–310, 317, 336 Lupe 302f. Luxus 70 Magnesium 299

Manipulieren 70 Medienschelte 16 Melodie 318 Menschwerdung 123, 280, 290f. Messe 151 Militärmusik 326f. Musterhaftigkeit 8, 261 Nachhaltigkeit 2 Nachlass s. Ablass Nähmaschine 298, 301, 317 Natrium 300 Nickel 299 Oboe 12, 124, 323, 325f., 336, 341 Oktave 334–337 Oper 12, 124, 198, 317–322, 336, 341 Operette 320, 322, 336, 341 Oratorium 198320 Orgel 318, 323f., 328f., 336, 341 Orgelpfeife s. Orgel Pietismus 16, 265f. Pietist s. Pietismus Platin 299 Posaune 317, 323, 327f., 336f., 341 Postmoderne 2 Presto 318, 330 Prime 335 Propaganda 269 Quarte 335–337 Querflöte 323f. Quinte 335–337 Ratte 165 Realschule 221 Rechtfertigung 281 Reformation 339 Regiment 161, 163, 165, 169 Revolver 301, 317, 341 Rosenkranz- 111, 135, 293f., 339 Rüstbaum 171 Rüster 171 Saiteninstrument 329 Sauerstoff 299 Schalmei 323, 325f. Schlaginstrument 329 Schwemme 42

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Schwimmen 42 Schwimmer, Schwimmerin 42 Seismograph 300f., 317, 341 S(e)ismometer s. Seismograph Sekunde 335 Septime 318, 335f. Sexte 318, 335f. Singspiel 318, 321f., 336 Skeptizismus 265, 267 Smartphone 16 Somnambulismus 70 Sozialismus 269 Steinmetz 263 Stickstoff 299 Straßenbeleuchtung 298, 311f., 317 Streichinstrument 329 Sündenerlass s. Ablass Sündenstrafe s. Ablass Telegraph 298, 310, 317, 336, 341 Telegraphieren s. Telegraph Terz 335 Theodizée 281 Thermometer 304, 317, 341 Tonintervalle s. Intervall Trompete 326f. Uhr 277

Ulmbaum 171 Uran 299 Ventilator 306f. Verdauungsmittel 316 Verdauungswerkzeuge 316 Vergrößerungsglas 124, 301–303 Vergrößerungsspiegel 302 Wägen 304 Wagenzug 297 Währungsgemeinschaft 2 Währungsreform 2 Waldhornist 175 Wärmezeiger 304 Wasserorgel 318, 328 Wasserstoff 299 Weltbürgertum 254 Weltschmerz 269 Wertepluralismus 2 Wetterableiter s. Blitzableiter Worfler 307 Wutbürger 2 Zink 299, 326 Zinkerz 299 Zucker 277