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German Pages 264 [265] Year 1981
Bürgerliche und kleinbürgerliche ökonomische Theorien über den Sozialismus nach dem zweiten Weltkrieg
A K A D E M I E D E R W I S S E N S C H A F T E N D E R DDR Schriften des Zentralinstituts für Wirtschaftswissenschaften Nr. 17
Bürgerliche und kleinbürgerliche ökonomische Theorien über den Sozialismus nach dem zweiten Weltkrieg
Herausgegeben in deutscher Sprache von Werner Krause
AKADEMIE-VERLAG-BERLIN 1981
Titel der russischen Originalausgabe: Byp» Ebenda, «l Ebenda.
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und Territorialstruktur der Wirtschaft zu lösen, wendet sich die Planung in zunehmendem Maße langfristigen Komplexprogrammen zu, die sowohl innerhalb des F ü n f j a h r p l a n s als auch f ü r die längerfristige Planperspektive miteinander verflochten sind. Im zehnten P l a n j a h r f ü n f t wird die Bildung leistungsfähiger Wirtschaftsvereinigungen und der Übergang zu einem neuen zwei- und dreistufigen Zweigleitungssystem abgeschlossen. D a s alles gestattet, die Vorzüge der sozialistischen Großproduktion noch besser zu nutzen und den Bedürfnissen der Gesellschaft unterzuordnen. Mit der wirtschaftlichen Konzentration werden zugleich Maßnahmen getroffen, die sozialistische Produktionsdemokratie weiterzuentwickeln und die Werktätigen noch mehr in die Leitung der Produktion einzubeziehen. D a s d r ü c k t sich aus in der stärkeren Wahrnehmung der Rechte, die den Partei-, Gewerkschafts- u n d anderen Organisationen der Werktätigen hinsichtlich der Kontrolle über die T ä t i g k e i t der Betriebsverwaltungen und der Zentralbehörden zustehen, in der E n t f a l t u n g des sozialistischen Wettbewerbs, in der Aufstellung von Gegenplänen sowie in der stärkeren Einflußnahme der Ortssowjets auf alle Seiten der Wirtschaftstätigkeit, besonders im Dienstleistungsbereich. Die Tatsachen widerlegen die Behauptungen verschiedener „ S o w j e t o l o g e n " , die Beschlüsse des X X I V . und des X X V . Parteitages der K P d S U bedeuteten eine Schwächung der Rolle der ökonomischen Hebel, speziell des Gewinns und der materiellen Stimulierung, zugunsten der „ a d m i n i s t r a t i v e n " Hebel. 4 2 I m neunten P l a n j a h r f ü n f t wurden etwa 500 Mrd. Rubel Gewinn erwirtschaftet. D a s waren 50 Prozent mehr als im achten P l a n j a h r f ü n f t . Über 100 Mrd. Rubel wurden d a v o n für F o n d s zur materiellen Stimulierung bereitgestellt. I m zehnten P l a n j a h r f ü n f t werden diese F o n d s weiter anwachsen. Die neue Organisationsstruktur, deren Grundlage die großen Wirtschaftsvereinigungen bilden, wird es ermöglichen, die ökonomischen Hebel noch besser auszunutzen, u m den wirtschaftlichen und wissenschaftlich-technischen Fortschritt zu beschleunigen. Diesem Zweck wird auch d a s neue S y s t e m stabiler, langfristiger Direktbeziehungen zwischen den Vereinigungen dienen, mit dem die Interessen der Anwender und Verbraucher der E r zeugnisse besser gewahrt werden. In dieser Richtung wird auch die Arbeit der Finanz- und Preisbildungsorgane vervollkommnet. L . I. Breshnew stellte auf dem X X V . Parteitag der K P d S U f e s t : „ B e s s e r als alle unsere Kritiker kennen wir unsere eigenen Mängel und sehen die Schwierigkeiten. U n d wir überwinden sie erfolgreich. Wir sehen und kennen die Wege, die zur weiteren Entwicklung und Vervollkommnung unserer Gesellschaft führen."43 tä Vgl. X X V . Parteitag der KPdSU. Die Hauptrichtungen der Entwicklung der Volkswirtschaft der U d S S R von 1976 bis 1980. Berichterstatter: A: N. Kossygin, a. a. O., S. 32. 43 X X V . Parteitag der K P d S U . Rechenschaftsbericht des Zentralkomitees der K P d S U und die nächsten Aufgaben der Partei in der Innen- und Außenpolitik. Berichterstatter: L. I. Breshnew, a. a. O., S. 107. 3*
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Viel Raum wird in den bürgerlichen Sozialismustheorien von heute den internationalen Wirtschaftsbeziehungen im sozialistischen Weltsystem gewidmet. Die Entwicklung der bürgerlichen Auffassungen zu den internationalen Problemen des Sozialismus verlief nach dem zweiten Weltkrieg auf dem gleichen Weg wie die der bürgerlichen Konzeptionen von der sozialistischen Wirtschaft. Als in den kapitalistischen Ländern die Truman-Dulles-Doktrin vom „Zurückdrängen des Kommunismus", von der „Befreiung" der Länder des Sozialismus und dgl. herrschten, wurde das sozialistische Weltsystem als monolithe, zentralisierte Vereinigung „kommunistischer Führungseliten" dargestellt, die im Gegensatz zu den Volksmassen stünden. Diese absurde Darstellung der sozialpolitischen Struktur des sozialistischen Weltsystems wurde durch eine ebenso absurde Konzeption von den Wirtschaftsbeziehungen ergänzt. Die Hauptelemente dieser Konzeption waren die Thesen: a) vom „totalitären", „befehlsgebundenen" Charakter der internationalen Wirtschaftsbeziehungen im sozialistischen Weltsystem; b) von der „Ausbeutung" der sozialistischen Länder durch die Sowjetunion; c) von der autarken und uneffektiven Wirtschaftsstruktur jedes dieser Länder. Unschwer läßt sich hier die „sowjetologische" Konzeption von der „Befehlswirtschaft" wiedererkennen. Aus dieser sozialökonomischen Konzeption ergaben sich dann auch die politischen Rezepte: a) Der Westen müsse zu allen sozialistischen Ländern eine geschlossene Haltung einnehmen; b) die Politik müsse in jeder Weise darauf orientiert sein, den „Konflikt" zwischen den Volksmassen der sozialistischen Länder und den „Regimes", besonders dem „Sowjetregime", zu schüren; c) auf das „kommunistische Regime" müsse maximaler Druck von außen (atomare Erpressung, lokale Kriege, Wirtschaftsblockade) ausgeübt werden, um seine „inneren Schwierigkeiten" zu vergrößern. Der Bankrott dieser Zielsetzungen, der Ende der fünfziger, Anfang der sechziger Jahre offen zutage trat, sowie bestimmte Prozesse im sozialistischen Weltsystem positiver Art, aber auch negative Vorgänge (spalterische Aktivitäten kleinbürgerlich-chauvinistischer Gruppen) führten zu einer Neuorientierung und zu einer neuen strategischen Doktrin der herrschenden Kreise des Monopolkapitals (sie wurde zunächst als Doktrin des „differenzierten Vorgehens" formuliert und ist später als Johnson-Doktrin des „Brückenschlags" bekannt geworden). Diese Doktrinen setzten nach wie vor auf die Unterminierung des sozialistischen Weltsystems, orientierten aber gleichzeitig auf zentrifugale, nationalistische Tendenzen in einzelnen Ländern. Die theoretische Argumentation dieser Doktrinen drückte sich darin aus, daß die These vom „monolithen System der Führungseliten" durch die These von „Konflikten innerhalb der Führungselite" und zwischen den nationalen Gruppen
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verdrängt wurde, die mit Konflikten zwischen den Volksmassen und der „Elite" einhergehen. Das Wirtschaftssystem der meisten sozialistischen Länder in den sechziger Jahren wurde in der bürgerlichen und revisionistischen Literatur als in verschiedenen Stufen des Ubergangs von der „Befehlswirtschaft" zum „Marktsozialismus" befindlich dargestellt. Diese Veränderung in der Wirtschaft würde in der Politik zu einer Schwächung der Führungsrolle von Partei und Staat in der Gesellschaft, zu Dezentralisierung und „Liberalisierung" führen. Hieraus leitete man dann ab, daß der Westen gegenüber den Ländern des Ostens eine differenzierte Politik betreiben müsse, die von militärischen Konflikten bis zu Hilfeleistungen reichen sollte. Dabei sollte den Ländern Hilfe gewährt werden, die „Liberalisierungen" garantierten. Nach dem Bankrott der „Brückenschlag"-Doktrin an der Wende von den sechziger zu den siebziger Jahren kam es in den herrschenden Kreisen der Bourgeoisie zu einer Spaltung. Wenn sich bis dahin der relativ gemäßigte Flügel der Bourgeoisie von den herrschenden Kreisen im wesentlichen distanziert hatte, so erfaßte die Spaltung in zwei Flügel diesmal die herrschenden Kreise selbst. Dabei mußten die Vertreter aller Richtungen der bürgerlichen Politik und Ideologie dem Entspannungsprozeß Rechnung tragen. Doch sind die Doktrinen und Konzeptionen des aggressiven Flügels der Bourgeoisie objektiv gegen die Entspannung gerichtet. Deshalb ist der Entspannungsprozeß von der Konfrontation der beiden strategischen Hauptdoktrinen (und demgemäß der beiden Grundrichtungen in der bürgerlichen Interpretation des sozialistischen Weltsystems) begleitet. Die für die Fortsetzung des aggressiven Kurses eintretenden Kreise glauben, unter den neuen Gegebenheiten „alte Ware in neuer Verpackung" verkaufen zu können. Ihr Grundsatz ist: „Ohne Veränderung keine Entspannung". Die „Liberalisierung", die der Imperialismus den sozialistischen Ländern gewaltsam aufzudrängen nicht vermocht hatte, soll jetzt im Austausch gegen die Entspannung „gewonnen" werden. Die „Hauptveränderung", die man als „Gegenleistung für die Entspannung" verlangt, ist „der Verzicht auf die sowjetische Vorherrschaft in Osteuropa", mit anderen Worten, die Isolierung der UdSSR von den anderen Ländern der sozialistischen Gemeinschaft. Das theoretische Fundament dieser Position bildet die absurde Lehre vom „Sowjetimperialismus", die außer von den Theoretikern des Militär-Industrie-Komplexes auch von einigen ultralinken Gruppen verfochten wird. Zugleich erkennen immer größere Kreise der bürgerlichen Administration die Perspektivlosigkeit der aggressiven Strategie. Sie geben zu, daß die Entspannung notwendig ist, wollen sie jedoch dazu ausnutzen, mit friedlichen Mitteln die „Erosion" des sozialistischen Weltsystems zu erreichen. Diese Tendenz fand ihren Ausdruck in der Formel „den status quo anerkennen, um ihn zu verändern". Die Doktrin der Entspannung durch Anerkennung des status quo weist zwei Varianten in der theoretischen Begründung auf. Die erste beruht auf der Theorie 37
von der Konvergenz der beiden Weltsysteme. Nach dieser Variante würden die internationale Entspannung und die allseitige Zusammenarbeit jedes sozialistischen Landes mit den westlichen Ländern von selbst, ohne „ D r u c k " dazu führen, daß sich die inneren Verhältnisse und die internationalen Beziehungen der Länder des Sozialismus immer mehr den kapitalistischen Verhältnissen annähern, so daß es schließlich zu einer Integration der beiden gegensätzlichen Systeme komme. Die andere Variante fußt auf der These von einem „zunehmenden Pluralism u s " in der sozialökonomischen Entwicklung der einzelnen sozialistischen Länder. Nach dieser These ist eine Konvergenz von Kapitalismus und Sozialismus nicht zu erwarten, doch werde die Entspannung dazu beitragen, daß die sozialökonomische Differenzierung zwischen den Ländern des sozialistischen Weltsystems zunimmt, womit die Unterschiede zwischen diesen Ländern ebenso groß werden, wie zwischen ihnen und den westlichen Ländern. Im Bereich der internationalen Beziehungen würden die sozialen Faktoren schwächer werden und nationale Faktoren in den Vordergrund treten. Diese Auffassung vom sozialistischen Weltsystem vertritt vor allem die Theorie vom „ N a tionalkommunismus". Die Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, die am 1. August 1975 in Helsinki zu Ende ging, hat die erste Entspannungsetappe stabilisiert und zugleich den Weg für eine neue E t a p p e geebnet. Die Konferenz war Ausdruck des Sieges der progressiven, friedliebenden Kräfte und offenbarte zugleich, daß die herrschende Bourgeoisie einer Reihe von Ländern den Doktrinen des relativ gemäßigten Flügels den Vorrang einräumt. Was die theoretischen Konzeptionen betrifft, so hatte die Konferenz zur Folge, daß im Westen die Konzeptionen von der „schleichenden", „inneren Erosion" des sozialistischen Weltsystems, die angeblich die Entspannungsprozesse vorantreiben können, die stärkste Entwicklung und Verbreitung erfahren. Andererseits zeugt die in den U S A offiziell propagierte Doktrin von den „Menschenrechten" von den Bemühungen, zu dem bankrotten Kurs des „differenzierten Drucks" zurückzukehren und überholte theoretische Anschauungen wiederzubeleben. Eine marxistische Kritik der bürgerlichen Konzeptionen vom sozialistischen Weltsystem muß beachten, daß die internationale Entspannung die Richtungen in den entsprechenden bürgerlichen Auffassungen stärker voneinander abgegrenzt hat. Diese Abgrenzung ist von der gegenwärtigen Krise der bürgerlichen Ideologie im allgemeinen und von der speziellen gegenwärtigen E t a p p e der Vertiefung der Krise der bürgerlichen Politökonomie nicht zu trennen. Die Abgrenzung der Positionen in den bürgerlichen Auffassungen vom sozialistischen Weltsystem hat sich in den letzten Jahren derart ausgeprägt, daß sie Gegenstand von Untersuchungen in der bürgerlichen Literatur geworden ist. Ein Beispiel hierfür liefert eine von S. A. Garret, Mitarbeiter des Instituts für Außenpolitische Forschungen in Monterey (Kalifornien, USA), im September 1973 ver-
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öffentlichte Abhandlung. 4 4 Garret unterscheidet in der H a l t u n g des Westens zu d e n sozialistischen Ländern drei „ L e h r m e i n u n g e n " : 1. die „nicht differenzierenden Antikommunisten", die behaupten, daß „alle kommunistischen Regimes in ihrer unversöhnlichen Feindschaft zum Westen und in ihren Verpflichtungen eines ständigen P r o g r a m m s der direkten oder verschleierten Durchdringung der nichtkommunistischen Gesellschaften einander gleichen"; 2. die Verfechter der „demokratischen E i n m i s c h u n g " verhalten sich zu den „ R e g i m e s " der sozialistischen Länder „ebenso feindselig, wie die nicht differenzierenden Antikommunisten", doch glauben sie im Unterschied zu diesen, daß die westlichen Länder als Gegenleistung für die Wirtschaftshilfe, die sie den „ N a tionalkommunisten" in ihrem K a m p f u m „ U n a b h ä n g i g k e i t von der U d S S R " gewähren, „mehr politische und bürgerliche Freiheiten" verlangen k ö n n t e n ; 3. die „Anhänger der allseitigen Z u s a m m e n a r b e i t " glauben, daß F e i n d s c h a f t oder Druck des Westens „ S y s t e m e des Ostens" nur festige, während H a n d e l , T o u r i s m u s und K u l t u r a u s t a u s c h die Massen beeinflussen und ihren „ D r u c k auf die Herrschenden" zugunsten einer Liberalisierung der Politik verstärken. Garret stellt noch eine vierte Position heraus, die er f ü r weitaus realistischer hält: 4. Die Verfechter des „strategischen P r a g m a t i s m u s " stellen zum Unterschied von den drei anderen Gruppen nicht die Veränderung des „inneren R e g i m e s " in d e n Vordergrund. Diese A u f g a b e halten sie f ü r unrealistisch. Sie wollen den „ u n abhängigen K u r s " j e d e s einzelnen L a n d e s fördern, d. h. den K u r s auf die S p a l t u n g des sozialistischen S y s t e m s . Die „strategischen P r a g m a t i k e r " vertreten die T h e s e , daß f ü r die sozialistischen L ä n d e r heute die nationalen Interessen und die nationalen Besonderheiten d a s Bestimmende seien. 4 5 Garrets Einteilung erfaßt einige reale Unterschiede in den Positionen der bürgerlichen und reformistischen Theoretiker, gibt sie jedoch oberflächlich und in einigen Aspekten entstellt wieder. Vor allem aber übergeht er die objektiven Wurzeln der Meinungsverschiedenheiten zwischen diesen Gruppen. Die o b j e k t i v e Grundlage für d a s Entstehen eigenständiger Richtungen in den antimarxistischen Theorien vom sozialistischen Weltsystem bilden die widersprüchlichen ökonomischen und politischen Interessen der verschiedenen bürgerlichen und kleinbürgerlichen Schichten. Die Verbindung von gemeinsamen und widersprüchlichen Interessen zwischen den verschiedenen Gruppierungen der Bourgeoisie erklärt auch die Gemeinsamkeiten und Abweichungen zwischen den konzeptionellen Richtungen. Die wichtigste theoretische F r a g e , u m die es im K a m p f zwischen der m a r x i stisch-leninistischen A u f f a s s u n g v o m sozialistischen W e l t s y s t e m einerseits u n d S. A. Garret, On Dealing with National Communism, in: The Western Political Quarterly, Bd. X X V I , 3/1973, D. 529-549. « Ebenda, S. 531-532.
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allen bürgerlichen und revisionistischen Positionen andererseits geht, ist die F r a g e nach dem Wesen des sozialistischen Weltsystems. Der wissenschaftlichen A u f f a s s u n g von diesem Wesen, nach der es sich u m einen völlig neuen T y p von internationalen Beziehungen, nämlich u m Beziehungen einer internationalen Gemeinschaft handelt, halten die Antimarxisten die These von der „ T r a d i t i o n a l i t ä t " jeglicher internationaler Beziehungen entgegen. Sie betrachten deshalb d a s neue Weltsystem als eine Staatengruppierung, die aus dem zeitlichen Zusammentreffen geschichtlicher U m s t ä n d e unter militärpolitischem Druck entstanden sei und schließlich „stückweise" in die kapitalistische Weltwirtschaft wieder eingegliedert werde. L . I. Brcshnew h a t die marxistisch-leninistischen Auffassungen z u m Inhalt der Beziehungen zwischen den sozialistischen Ländern wie folgt umrissen: „ D i e sozialistische Gemeinschaft ist ein Bündnis völlig neuen T y p s . E s basiert nicht nur auf der Gemeinsamkeit der staatlichen Interessen einer Gruppe von Ländern, sondern stellt eine brüderliche Familie von Völkern dar, die von marxistisch-leninistischen Parteien geführt werden, die durch eine gemeinsame Weltanschauung, gemeinsame hohe Ziele sowie Beziehungen der kameradschaftlichen Solidarität und gegenseitiger Hilfe fest miteinander verbunden sind. Sie ist ein Bündnis, d a s sich auf die unvergängliche Einheit der Positionen und Aktionen stützt, die j e d e m seiner Teilnehmer für die Lösung der nationalen A u f g a b e n zusätzliche K r a f t verleiht sowie ihr gemeinsames Gewicht und den gemeinsamen Einfluß auf internationale Angelegenheiten u m ein vielfaches e r h ö h t . " 4 6 Die wissenschaftliche Klärung des Verhältnisses zwischen der Allgemeingültigkeit und Spezifik, der Einheit und Selbständigkeit der Elemente des sozialistischen Weltsystems bildet eine wesentliche Voraussetzung für die gründliche Widerlegung der bürgerlichen Interpretationen dieses S y s t e m s . D a die bürgerlichen und revisionistischen Theoretiker die Spezifik und Eigenständigkeit der wirtschaftlichen und politischen Stellung der einzelnen Länder im sozialistischen Weltsystem verabsolutieren und verfälscht wiedergeben, glauben sie, in diesen Merkmalen den H a u p t f a k t o r ihrer Beziehungen und in der Einheit etwas Sekundäres, einen Vektor der spezifischen und eigenen Interessen, sehen zu müssen. Tatsächlich aber werden mit der fortschreitenden Entwicklung d a s sozialökonomisch Gemeinsame, die einheitlichen Interessen der Werktätigen aller sozialistischen L ä n d e r immer mehr zum bestimmenden F a k t o r . Die Spezifik und Eigenständigkeit der einzelnen Länder sind zwar für d a s Verständnis des sozialistischen Weltsystems sehr wesentlich und sind fest verwurzelt, doch wird ihre B e d e u t u n g in der historischen Perspektive abnehmen. I m sozialistischen Weltsystem bildet d a s wahrhaft Internationalistische keinen Gegensatz zum wahrhaft Nationalen. Hier geht es im Grunde u m zwei A s p e k t e einer Betrachtungsweise einheitlichen Inhalts. Die internationalistische B e trachtungsweise drückt die sich festigende Einheit der grundlegenden sozialöko« L. I. Breshnew, Auf dem Wege Lenins, Bd. 5, Berlin 1977, S. 459.
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nomischen Interessen der Arbeiterklasse u n d der Werktätigen aller sozialistischen Länder aus. Diese Betrachtungsweise verlangt, von den allgemeinen Positionen aus auch den spezifischen Interessen jedes Landes Rechnung zu t r a g e n . Die n a tionale Betrachtungsweise beschränkt sich ebenfalls nicht nur auf die Interessen des jeweiligen Landes, sondern sie berücksichtigt auch die gemeinsamen Aufgaben aller sozialistischen Länder, da sie die Garantie d a f ü r liefern, d a ß den nationalen Interessen entsprochen werden kann. Ohne den spezifischen u n d eigenen Interessen der einzelnen Länder Rechnung zu tragen, wäre der sozialistische Internationalismus kein Internationalismus. Tendenzen jener anderen Art sind t y pisch f ü r den bürgerlichen „Supranationalismus", eine spezifische F o r m , der sich der staatsmonopolistische Kapitalismus bedient. Und von solchen „ s u p r a n a t i o nalen" Positionen aus glaubt n u n die bürgerliche Ideologie, den sozialistischen I n ternationalismus interpretieren zu können. Die (neben der internationalistischen Betrachtungsweise) in der gegenwärtigen historischen E t a p p e objektiv notwendige nationale Betrachtungsweise der internationalen Probleme des sozialistischen Weltsystems wird von den bürgerlichen u n d revisionistischen „ K r i t i k e r n " in „Nationalismus" umgefälscht, indem m a n das spezifische, eigenständige Moment der nationalen Interessen v e r a b s o l u t i e r t u n d den objektiven Inhalt dieser Eigenständigkeit entstellt. Das Allgemeine und das Spezifische, d a s international Einheitliche u n d d a s national Besondere bilden im sozialistischen Weltsystem eine sich ergänzende Einheit u n d zugleich einen Widerspruch. Dabei b e f i n d e t sich diese E i n h e i t wie auch der Widerspruch in ständiger Bewegung u n d Veränderung. Hierbei ist der objektive Widerspruch zwischen der Einheit u n d Eigenständigkeit innerhalb der sozialistischen internationalen Beziehungen von d e m Widerspruch zwischen den sozialistischen internationalen Beziehungen ü b e r h a u p t u n d d e m A u f t r e t e n von hegemonistischem Zentralismus u n d nationalistischer Absonderung zu unterscheiden, die im Prinzip antisozialistisch sind. Diese Erscheinungen sind vom K l a s s e n s t a n d p u n k t aus als Einfluß bürgerlicher, besonders kleinbürgerlicher Schichten zu werten, die sich in einigen sozialistischen L ä n d e r n noch erhalten haben. Antisozialistische Tendenzen sowie nationalistische u n d hegemoniale S t i m mungen werden aktiviert, wenn in der Politik eines sozialistischen L a n d e s Fehler unterlaufen (die vor allem auf mangelnde E r f a h r u n g z u r ü c k z u f ü h r e n sind), die sich darin ausdrücken, d a ß gegen die f ü r die jeweilige Periode notwendige Verbindung von Allgemeinem u n d Besonderen, I n t e r n a t i o n a l e m u n d Nationalem in der Zusammenarbeit der sozialistischen Länder verstoßen wird. Da m a n in den Kreisen der bürgerlichen „ K r i t i k e r " auf Fehler dieser Art, besonders aber auf die Aktivitäten antisozialistischer K r ä f t e spekuliert, g l a u b t m a n die innere Geschlossenheit des Weltsozialismus ignorieren und seine nichtantagonistischen Widersprüche als Kampf antagonistischer K r ä f t e hinstellen zu können. Tatsächlich aber sind die d e m sozialistischen Weltsystem i m m a n e n t e n Widersprüche nichts anderes als Widersprüche in seiner D y n a m i k u n d Entwicklung,
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die sich objektiv nicht zu einem antagonistischen Konflikt ausweiten können, weil es in diesem System keine herrschenden Klassen und sozialen Gruppen mit unversöhnlichen Haltungen und Interessen gibt. Die sozialistische Staatengemeinschaft bedingt die Einheitlichkeit der grundlegenden nationalen Interessen der ihr angehörenden Länder. Zu antagonistischen Konflikten kann es nur dann kommen, wenn in einem Land antisozialistische Kräfte zur Macht drängen, die im nationalen und internationalen Bereich die sozialökonomischen Gemeinsamkeiten des betreffenden Landes mit dem sozialistischen Staatenbund verletzen. Im Gegensatz zu den bürgerlichen Behauptungen wurzeln derartige Konflikte nicht im „traditionellen Nationalismus", sondern in den Aktivitäten antisozialistischer Kräfte in dem betreffenden Land, die von der internationalen Reaktion in jeder Weise unterstützt werden. Der Widerspruch zwischen der internationalistischen Einheit und der relativen Eigenständigkeit der sozialistischen Länder ist der allgemeinste Widerspruch im System der internationalen Wirtschaftsbeziehungen des sozialistischen Weltsystems. E r ist zugleich Ausdruck weiterer nichtantagonistischer Widersprüche des Sozialismus: des Widerspruchs zwischen den gesellschaftlichen Bedürfnissen und dem erreichten Entwicklungsstand der Produktivkräfte, zwischen dem Fortschritt der Produktivkräfte und den konkreten Formen der Produktionsverhältnisse usw. Indem die Länder des sozialistischen Weltsystems die wirtschaftlichen, sozialökonomischen und organisatorischen Probleme der Zusammenarbeit lösen, entwickeln sie die Bedingungen für ihre Einheit und schaffen zugleich neue, bessere Bewegungsformen der diesem System immanenten nichtantagonistischen Widersprüche. Von vielen bürgerlichen Ökonomen, besonders von Revisionisten, wird ein Gegensatz zwischen den internationalen Beziehungen im sozialistischen Weltsystem und den nationalen Verhältnissen konstruiert. Aus dieser Konfrontation wird dann der Schluß gezogen, daß sich die sozialistischen Länder in ihrer wirtschaftlichen Zusammenarbeit von anderen Gesetzen und Prinzipien leiten lassen als in der binnenwirtschaftlichen Politik. Tatsächlich aber ist die gemeinsame Basis des Sozialismus als Weltsystem dadurch gegeben, daß die entscheidenden Produktionsmittel in jedem Land sozialistisches Eigentum sind, und die staatliche, selbständige Form des sozialistischen Eigentums an den Produktionsmitteln bedingt eine besondere F o r m der Verbindung der selbständigen nationalen Elemente mit gemeinsamer Basis. Die Einheit und Verselbständigung der nationalen Elemente der Basis drückt sich im Wirken der ökonomischen Gesetze aus. Im Bereich der Zusammenarbeit der sozialistischen Länder kommen die gleichen Gesetze zur Geltung wie innerhalb jedes einzelnen Landes. Die Internationalität dieser Gesetze kommt indirekt zustande: über die Zusammenarbeit der selbständigen sozialistischen Länder und die Koordinierung wirtschaftlicher Maßnahmen. Andererseits wird das Wirken der ökonomischen Gesetze des Sozialismus im Bereich der internationalen Zu42
s a m m e n a r b e i t modifiziert. Die spezifische Wirkungsweise der ökonomischen G e setze des Sozialismus in der internationalen Zusammenarbeit ist für die G e g n e r des wissenschaftlichen Sozialismus Anlaß, ihren allgemeingültigen sozialistischen I n h a l t zu leugnen. Das Wesen des neuen Weltsystems, seine Gesetze und Widersprüche ändern sich in den Prozessen der sozialistischen internationalen I n t e g r a t i o n . Aus den m i t der E i n h e i t und Selbständigkeit der sozialistischen S t a a t e n verbundenen Verhältnissen ergeben sich auch zwei Seiten des Integrationsprozesses. Einerseits entwickelt sich dieser Prozeß als Annäherung, wechselseitige Angleichung, in F o r m der sich wechselseitig bedingenden Optimierung der nationalen W i r t schaftsstrukturen. Andererseits besteht er darin, d a ß allmählich die Voraussetzungen für die internationale produktionstechnische und wirtschaftsorganisatoTische E i n h e i t der sozialistischen W i r t s c h a f t vorbereitet werden. Mit der k o m plexen E n t w i c k l u n g der W i r t s c h a f t jedes Landes werden allmählich die Voraussetzungen in der Produktion und Organisation für eine planmäßige technischorganisatorische Verschmelzung der nationalen P r o d u k t i o n s k o m p l e x e geschaffen, •womit die E f f e k t i v i t ä t jeder einzelnen W i r t s c h a f t steigen wird. Dabei bleibt die S e l b s t ä n d i g k e i t jedes S t a a t e s als E i g e n t ü m e r der P r o d u k t i o n s m i t t e l und des nat i o n a l e n P r o d u k t s nicht nur völlig erhalten, sondern sie wird auch weiter gefestigt, weil die Produktionspotenzen jedes Landes größer werden und der W o h l stand seiner Bevölkerung wächst. Bürgerliche Ökonomen sind b e m ü h t , den Charakter der sozialistischen I n t e g r a t i o n als „optimierte A u t a r k i e " zu diffamieren. Doch schließt Autarkie Optimierung aus, während sich die Notwendigkeit, K o m p l e x i t ä t m i t ' I n t e g r a t i o n zu verbinden, gerade aus der Forderung nach Optimierung ergibt, allerdings n i c h t n a c h statischer, sondern nach dynamischer Optimierung, die den wissenschaftlich-technischen F o r t s c h r i t t und die Diversifizierung und Komplizierung der P r o d u k t i o n voraussetzt. E n t s p r e c h e n d seinem o b j e k t i v e n sozialistischen Wesen entwickelt sich das neue W e l t s y s t e m nicht spontan, sondern planmäßig, als bew u ß t und gemeinsam gesteuerter vielschichtiger Organismus. Die entscheidende Rolle in diesem Prozeß spielen die kommunistischen und Arbeiterparteien der sozialistischen Länder. Durch die marxistisch-leninistische Ideologie m i t e i n a n d e r v e r b u n d e n und m i t der wissenschaftlichen Theorie des Sozialismus ausgerüstet, nehmen sich diese Parteien gemeinsam der herangereiften Aufgaben in der Zus a m m e n a r b e i t auf produktionstechnischem, sozialökonomischem, politischem Gebiet und in anderen Bereichen an. U m diese Aufgaben zu lösen, wird u n t e r d e r F ü h r u n g der Bruderparteien der entsprechende Mechanismus g e s t a l t e t und vervollkommnet, der alle F o r m e n und E b e n e n der gleichberechtigten und freiwilligen Zusammenarbeit u m f a ß t . Die politisch-ideologische E i n h e i t des Vortrupps der Arbeiterklasse und aller W e r k t ä t i g e n der sozialistischen L ä n d e r — der kommunistischen und Arbeiterparteien — bildet die Hauptvoraussetzung für die erfolgreiche E n t w i c k l u n g des sozialistischen W'eltsystems. Diese E i n h e i t zu sprengen und das Prinzip der F ü h r u n g
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durch die Partei zu diskreditieren ist das Hauptziel der bürgerlichen und revisionistischen Konzeptionen vom sozialistischen Weltsystem. Die Struktur der vorliegenden Monographie baut auf der Analyse der Tendenzen des ideologischen Kampfes auf, wie sie im Programm der K P d S U und in den Dokumenten des X X I V . und X X V . Parteitages der K P d S U enthalten ist. Die im ersten Abschnitt enthaltenen Darstellungen befassen sich mit den Konzeptionen von der „Befehlswirtschaft" u n ( J der „Zentralverwaltungswirtschaft". Sie waren bereits vor den anderen Auffassungen entstanden, gaben zu Beginn der Nachkriegszeit den Ton an und werden heute von den reaktionärsten Kreisen der Bourgeoisie vertreten. Der zweite Abschnitt befaßt sich mit der Kritik der bürgerlichen Konzeptionen von der „marktorientierten Evolution" des Sozialismus, mit der Kritik der Auffassungen, nach denen der Sozialismus eine Variante der „Industriegesellschaft" ist, mit den Theorien der „Konvergenz" von Kapitalismus und Sozialismus. Diese Konzeptionen haben seit den sechziger J a h r e n weite Verbreitung gefunden und sind Ausdruck des Bankrotts der früheren Theorien und einer bestimmten krisenhaften Veränderung in den methodologischen Positionen der bürgerlichen Ideologen, die aus dem Aufbau des entwickelten Sozialismus in der U d S S R resultierte. Diese Konzeptionen bilden weitgehend auch die Grundlage der sozialdemokratischen Sozialismustheorien, mit denen sich der dritte Abschnitt befaßt. Hier werden die ökonomischen Aspekte der rechtssozialistischen Theorien vom „demokratischen Sozialismus" allgemein und der Auffassungen von der Planung speziell untersucht. Sehr inhomogen ist die Bewegung der „Neuen Linken" (die allgemein eine kleinbürgerliche Grundlage aufweist). Im vierten Abschnitt werden die Sozialismusauffassungen der heutigen Vertreter des rechten und „linken" Revisionismus kritisch analysiert. Der fünfte Abschnitt schließlich ist der Analyse der nichtmarxistischen S o zialismusauffassungen in den Entwicklungsländern Asiens und Afrikas gewidmet. Die Vielschichtigkeit der Prozesse in diesen Ländern sowie die instabilen sozialökonomischen Orientierungen einer Reihe von Kräften und Gruppierungen, die sich verändernden Relationen zwischen den theoretischen Konzeptionen und dem praktischen politischen Handeln lassen heute noch keine ausführliche E i n s c h ä t zung der einzelnen Konzeptionen und ihrer Entwicklung zu. Der Leser wird unschwer feststellen, daß das vorliegende Buch nicht alle heutigen Tendenzen der nichtmarxistischen Sozialismusauffassungen wiedergibt. E s erhebt auch nicht den Anspruch, die Entwicklung dieser Theorien in den einzelnen Ländern chronologisch darzustellen, sondern will die zentralen Konzeptionen deutlich machen, deren sich die ideologischen Gegner des Sozialismus seit Ende des zweiten Weltkrieges bedienen, sowie die krisenhaften Veränderungen in diesen Konzeptionen (die „Wende") darstellen, die sich in den sechziger J a h r e n
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unter dem Einfluß des Aufbaus des entwickelten Sozialismus in der U d S S R und der Verschiebungen im internationalen Kräfteverhältnis vollzogen hat. Das Buch soll helfen, die strategischen Aufgaben des ideologischen Kampfes zu lösen, die in den Dokumenten des XXIV. und XXV. Parteitages der KPdSU gestellt sind. Die in den beiden vorangegangenen Bänden und in diesem enthaltene Analyse zur Geschichte des Kampfes des Marxismus-Leninismus gegen bürgerliche und kleinbürgerliche Sozialismuskonzeptionen sowie zur Entwicklung dieser Konzeptionen von der Mitte des vorigen Jahrhunderts bis heute läßt einige allgemeine methodologische Schlußfolgerungen zu. Die Ausgangsbasis f ü r die marxistisch-leninistische Kritik der bürgerlichen Sozialismuskonzeptionen bildet der Grundgedanke von der prinzipiellen Unversöhnlichkeit und Gegensätzlichkeit der proletarischen Ideologie einerseits und der bürgerlichen und kleinbürgerlichen Ideologie andererseits. Wie Lenin ausführte, gibt es seit dem Erscheinen der Werke von Marx nur eine wissenschaftliche politische Ökonomie: die marxistische. Zwischen der wissenschaftlichen marxistischen politischen Ökonomie und der bürgerlichen und kleinbürgerlichen Vulgärökonomie kann es keine Kompromisse und „gegenseitige Bereicherung" geben. Zugleich ist die marxistisch-leninistische politische Ökonomie des Sozialismus eine Wissenschaft, die sich mit dem ökonomischen, politischen und ideologischen Kampf um den Aufbau des Sozialismus und Kommunismus entwickelt und bereichert. Für die marxistisch-leninistische Methodologie bei der Kritik der bürgerlichen Theorien ist das Primat der politischen Betrachtungsweise charakteristisch. Die Kritik geht stets davon aus, daß der ökonomische, politische und ideologische Kampf der Arbeiterklasse einen Zusammenhang bildet, und ordnet die ökonomischen und ideologischen Aufgaben den politischen Aufgaben unter, da letztere stets die Grundinteressen der Arbeiterklasse ausdrücken. Die politischen Aufgaben, die die Kommunistische Partei jeweils zu lösen hat, prägen auch die Hauptrichtungen, die Auswahl der Problemobjekte und die Art und Weise der Kritik. Die marxistisch-leninistische Kritik trägt streng wissenschaftlichen Charakter. Die Werke von Marx, Engels und Lenin sowie die Dokumente der KPdSU und der internationalen Arbeiterbewegung lehren, daß sich der Kritiker in dem objektiven Prozeß oder der objektiven Erscheinung, um die der ideologische Kampf geführt wird, gründlich auskennen muß. Nur so ist er in der Lage, in den bürgerlichen Schriften die Elemente der wahrheitsgetreuen Beschreibung, der Analyse von Oberflächenerscheinungen und -prozessen von der apologetischen allgemeinen Theorie, von der reaktionären Tendenz ihres Autors zu unterscheiden. Nur so kann er die bürgerlich-apologetische Entstellung des Sozialismus an der Wirklichkeit messen. Die marxistisch-leninistische Kritik trägt sowohl der Einheitlichkeit als auch den Unterschieden und den Widersprüchen zwischen der allgemeinen Ideologie, 45
Theorie und dem Programm vieler bürgerlicher und besonders kleinbürgerlicher Theoretiker, der Inkonsequenz ihrer Schlußfolgerungen, dem Eklektizismus ihrer Darstellungen und Argumentationen Rechnung. Lenin hat in seinen Werken die innere Widersprüchlichkeit der bürgerlichen politökonomischen Vorstellungen, angefangen von der Methodologie, von der sie ausgehen (Vulgärmaterialismus, objektiver und subjektiver Idealismus, religiöse Vorurteile, Agnostizismus), bis zu den Rezepten für die Praxis nachgewiesen. Die Werke der Klassiker des Marxismus-Leninismus und die Dokumente der Partei lehren uns, in den verschiedenen Richtungen des Antimarxismus nicht nur das Allgemeine zu sehen, sondern auch die objektiven Unterschiede zwischen den verschiedenen Gruppen der Bourgeoisie und des Kleinbürgertums. Sie weisen uns darauf hin, bei der Kritik der antimarxistischen Theoretiker differenziert vorzugehen und uns dabei den Kampf zwischen ihnen zunutze zu machen. Den Kern der wissenschaftlichen Kritik bildet die Konfrontation der bürgerlichen Theorien mit der Praxis, mit der revolutionären Erfahrung, mit den objektiven Prozessen und Widersprüchen der Entwicklung der gesellschaftlichen Produktion. Auf dieser Grundlage ist auch die Oberflächlichkeit, logische Widersprüchlichkeit und theoretische Unhaltbarkeit der bürgerlichen Auffassungen nachzuweisen und die Überlegenheit der marxistisch-leninistischen Theorie gegenüber der bürgerlichen Pseudowissenschaft zu demonstrieren. Die marxistisch-leninistische Kritik ist systemgebunden, wobei dieses System zwei Hauptaspekte aufweist. Erstens lehren uns die Werke von Marx, Engels und Lenin, den Kampf nicht mit einzelnen, isolierten Richtungen zu führen, sondern mit dem ganzen System der bürgerlichen und kleinbürgerlichen Sozialismustheorien. Zweitens gilt es, nicht nur einzelne Thesen, sondern das ganze System der antimarxistischen Auffassungen über aktuelle ökonomische Probleme zu kritisieren. Wenn sich die marxistische Kritik jeweils auf einzelne Richtungen und Konzeptionen konzentriert, so läßt sie doch nie den allgemeinen Zusammenhang der antimarxistischen Richtungen und Auffassungen außer acht. F ü r die marxistisch-leninistische Kritik ist die historische Betrachtungsweise charakteristisch, d a s Eingehen auf die Entwicklung der kritisierten Richtungen und Konzeptionen, auf ihren Zusammenhang mit der jeweiligen Epoche, mit dem Kräfteverhältnis zwischen den Klassen, mit den volkswirtschaftlichen Prohlemen und dem Kampf im internationalen Maßstab. Lenin hat stets den Klassencharakter (mehr noch den sozialen Charakter) der kritisierten Konzeptionen nachgewiesen, um sie dann nicht nur aus der Sicht ihres Verhältnisses zur wissenschaftlichen Wahrheit des Marxismus, sondern auch vom Standpunkt ihres Verhältnisses zum allgemeinen sozialen Fortschritt, zum revolutionären Weltprozeß einzuschätzen. . ': Der X X V . Parteitag der K P d S U hat die Wurzeln und Formen der zunehmenden politisch-ideologischen Krise des Kapitalismus dargelegt, auf die Dringlichkeit des Kampfes gegen die gesamte bürgerliche Ideologie und die reaktionäre Ideologie der rüstungsmonopolistischen Gruppierungen sowie auf die unversöhnliche 46
Haltung der Kommunisten gegenüber dem Reformismus verwiesen, das antimarxistische Wesen des Maoismus bloßgelegt, auf die Aktualität des Kampfes gegen den Rechts- und Linksrevisionismus und die Gefährlichkeit jedes Zuger ständnisses an den Opportunismus aufmerksam gemacht. Mit der Realisierung der hier gesetzten Ziele wird der Marxismus-Leninismus im gegenwärtigen ideologischen Kampf weiter in der Offensive bleiben.
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1. A B S C H N I T T 1. K A P I T E L
Die Theorie von der „Befehlswirtschaft"
Die Konzeption von der Befehlswirtschaft n i m m t im gegenwärtigen Arsenal der antikommunistischen Ideologie einen bedeutenden Platz ein. Sie geht auf die bereits in den dreißiger J a h r e n in der bürgerlichen W i r t s c h a f t s l i t e r a t u r weit verbreitete Theorie von der „logischen u n d praktischen U n d u r c h f ü h r b a r k e i t des Sozialismus" zurück. Die Schöpfer d e r letztgenannten Theorie, Ludwig von Mises, Max Weber u. a., h a t t e n die sozialistische W i r t s c h a f t als einen rein weisungsgebundenen, künstlich geschaffenen Organismus hingestellt, der auf militärischen Prinzipien beruhe. L. v. Mises h a t t e behauptet, d a ß bei einem zentralgelenkten Wirtschaftsprozeß die Beziehungen zwischen den einzelnen Zweigen, Verbänden u n d Betrieben ausschließlich durch Befehle der zentralen Organe z u s t a n d e k ä m e n . 1 Diese Thesen wurden später in der Konzeption von der „Zentralverwaltungsw i r t s c h a f t " weiterentwickelt. Ihr Autor war das H a u p t der westdeutschen Neoliberalen Walter Eucken. 2 Als „Zentralverwaltungswirtschaft" bezeichnete er den T y p von zwei wirtschaftsorganisatorischen „ I d e a l t y p e n " , in d e m die W i r t s c h a f t zentral geleitet wird. Obgleich Eucken in jeder real existenten W i r t s c h a f t s o r d n u n g eine K o m b i n a tion der zwei Organisationstypen — der „zentralgeleiteten W i r t s c h a f t " u n d der „freien Verkehrswirtschaft" — sah, w a r n t e er davor, das a b s t r a k t e Modell d e r „Zentralverwaltungswirtschaft" mit der realen sozialistischen W i r t s c h a f t zu verwechseln, während bürgerliche Ideologen der Gegenwart der größeren „ K o n s e quenz" wegen die sozialistische W i r t s c h a f t zu einer direkten Verkörperung der „ I d e a l k o n s t r u k t i o n " erklären. So konstruiert der „Sowjetologe" Karl C. Thalheim (BRD) ein Modell der „Zentralverwaltungswirtschaft sowjetischen T y p s " u n d hält die „Zentralverwaltungswirtschaft" f ü r das theoretische Modell des sowjetischen Wirtschaftssystems. 3 Doch begnügte sich die Sowjetologie nicht d a m i t , das von ihren Vorläufern entworfene Modell der „ Z e n t r a l v e r w a l t u n g s w i r t s c h a f t " auf die W i r t s c h a f t der U d S S R u n d der anderen sozialistischen L ä n d e r anzuwenden. Sie konstruierte deshalb das Modell der „Befehlswirtschaft". Der amerikanische Ökonom Alexander Eckstein schreibt dazu, die „sowjetologischen" F o r 1 2
3
4
Vgl. Ludwig v o n Mises, Socialism, second edition, London 1951, S. 519. Vgl. Bürgerliche und kleinbürgerliche ökonomische Theorien über den Sozialismus (1917-1945), Berlin 1978, 5. Kapitel. Vgl. Karl C. Thalheim, Grundzüge des sowjetischen Wirtschaftssystems, Köln 1962, S. 49. Krause/Zukov
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seliungen h ä t t e n zweifellos die entscheidende Rolle bei der Herauskristallisierung der Theorie von der „Befehlswirtschaft" gespielt. 4 So ist die Theorie von der „Befehlswirtschaft" in ihrer heutigen F o r m in Übereinstimmung mit der bürgerlichen politischen Ökonomie u n d der „Sowjetologie" entstanden, die den Anspruch erhebt, die „Wissenschaft" von der sozialistischen Gesellschaft zu sein. Nicht von ungefähr sind die Anhänger der Theorie von der „Befehlswirtschaft" entweder „Sowjetologen", die zur allgemeinen Wirtschaftstheorie tendieren (wie der amerikanische Ökonom Gregory Grossman) oder a b e r Theoretiker, die einen H a n g zur „Sowjetologie" haben (wie der Ökonom K. P a u l Hensel, B R D ) . Der Begriff „Befehlswirtschaft" war zum erstenmal 1949 in dem Buch „ M a r k t w i r t s c h a f t und S o w j e t w i r t s c h a f t " 5 des Ökonomen Adolf Weber, B R D (eines Vertreters der „neoklassischen" Schule), a u f g e t a u c h t . Das Modell von der „Befehlswirtschaft" geht über die Grenzen der „Sowjetologie" hinaus u n d findet sich auch in Schriften zur allgemeinen Theorie der politischen Ökonomie und Soziologie. Ein Verfechter dieses Modells, der amerikanische Ökonom u n d Soziologe Benjamin W a r d , h a t sogar das Modell von einer „Befehlsgesellschaft" als besondere F o r m der sozial-hierarchischen Organisation konstruiert. 6 Die „Idealmodelle" von der „BefehlsWirtschaft" u n d „ M a r k t w i r t s c h a f t " („Verkehrswirtschaft") u n d ihre angebliche Verwirklichung in realen nationalen W i r t s c h a f t e n sind Gegenstand eines speziellen Bereichs der bürgerlichen politischen Ökonomie der Gegenwart, der „Wissenschaft vom Vergleich der W i r t schaftssysteme" ( „ K o m p a r a t i v e Ökonomie"). Die Autoren der Schriften zum „Vergleich der Wirtschaftssysteme" wissen sogar davon zu k ü n d e n , daß an d e r W e n d e von den sechziger zu den siebziger J a h r e n ein neuer Teilbereich der k o m parativen Ökonomie, die „vergleichende Untersuchung der kommunistischen Wirtschaftssysteme", entstanden sei, zu deren Gegenstand das „sowjetische Modell der Befehlswirtschaft in den verschiedenen Zeiten und L ä n d e r n " 7 erklärt wird. Im Unterschied zu den Anhängern der „neoklassischen ökonomischen Theorie des Sozialismus", die b e m ü h t sind, die typischen Besonderheiten des sozialistischen Wirtschaftsmechanismus zu verwischen, heben die Autoren der Theorie von der „BefehlsWirtschaft" die Spezifik des F u n k t i o n s m e c h a n i s m u s der sozialistischen W i r t s c h a f t hervor. W ä h r e n d sie b e s t i m m t e Züge dieses Mechanismus verabsolutieren u n d verfälschen, u n d andere, nicht minder wesentliche, verschweigen, r ä u m e n sie doch richtig ein, d a ß die tiefgreifenden Besonderheiten des Sozialismus eine Analyse seiner W i r t s c h a f t aus der Sicht der „neoklassischen m a r k t 4
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Vgl. Alexander Eckstein, Introduction zu: Comparison of Economic Systems, i n : University of California Press, 1971, S. 3. Adolf Weber, Marktwirtschaft und Sowjetwirtschaft, München 1949, S. 173.
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Vgl. Benjamin Ward, The Socialist Economy, New York 1967, S. 103. ' Gregory Grossman, Continuities and Changc in Centrally Planned Economics, in: Perspectives in Economics, N e w York 1971, S. 248.
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wirtschaftlichen Theorie" unmöglich m a c h e n . So d r ü c k t der amerikanische „Sowjetologe" R o b e r t W . Campbell sein Bedauern d a r ü b e r aus, d a ß die institutionellen Besonderheiten der sowjetischen W i r t s c h a f t die logischen Grundlagen des neoklassischen Modells a u ß e r K r a f t setzen. 8 Sein Kollege 0 . Zinam schreibt, d a ß die Bemühungen, die neoklassischen T h e sen des Konkurrenzgleichgewichts anzuwenden, bei einer kollektivistischen W i r t s c h a f t auf fast unüberwindliche theoretische Schwierigkeiten stoßen. 9 Indessen ist die Feststellung, d a ß die neoklassischen Rezepte auf den Sozialism u s u n a n w e n d b a r sind, so g u t wie alles, was vom Realismus der Theoretiker der „Befehlswirtschaft" übrig bleibt. Bei der konkreten Analyse der Unterschiede zwischen den beiden Systemen gehen sie von den realen G r u n d m e r k m a l e n ab, u m im wesentlichen formale Momente verzerrt und einseitig wiederzugeben u n d auf dieser Grundlage fiktive S c h e m a t a aufzustellen. Das Modell von der „Befehlswirtschaft" stellt die sozialistische Volkswirtschaft als streng hierarchisches System dar, in dem die wirtschaftlichen E n t s c h e i d u n g e n u n d ihre Realisierung ausschließlich auf Befehlen der oberen S t u f e n der Hierarchie an die unteren Stufen beruhen. Auf dem Befehlsweg werde auch die T ä tigkeit der Betriebe koordiniert. Die dem Sozialismus angedichtete „Befehlswirtschaft" wird von den bürgerlichen Ideologen m i t einer Kriegswirtschaft gleichgesetzt. So b e h a u p t e t der bek a n n t e französische Soziologe u n d Ökonom R a y m o n d Aron, d a ß „der S t a a t in der P l a n w i r t s c h a f t nach der Methode des militärischen- K o m m a n d o s befiehlt, bei der die Unterschiede zwischen den die allgemeinen Regeln der Konkurrenz fixierenden Gesetzen u n d den besonderen Befehlen, die den Individuen gegeben werden, verschwinden" 1 0 . Und der niederländische Ökonom Willem Keizer schreibt, d a ß in einer sozialistischen P l a n w i r t s c h a f t die „grundlegende Verhaltensregel die getreue A u s f ü h r u n g von erhaltenen Befehlen wäre, die W i r t s c h a f t wäre auf militärischer Basis organisiert" 1 1 . Von hier ist es nicht m e h r weit bis zu der B e h a u p t u n g , d a ß die staatsmonopolistische Kriegswirtschaft m i t der sozialistischen Volkswirtschaftsplanung wesensgleich sei. P e t e r Knirsch, der die „ Z e n t r a l v e r w a l t u n g s w i r t s c h a f t " als „idealtypische E x t r e m f o r m " der zentralen Leitung des Wirtschaftsprozesses interpretiert, meint, d a ß die Bezeichnungen „Befehlswirtschaft" oder „ K o m m a n d o w i r t s c h a f t " „in der wissenschaftlichen Diskussion . . . meist auf die F o r m e n der kriegswirtschaftlichen u n d sowjetischen Planung bezogen (werden)" 1 2 . Die meisten Theoretiker der „Befehlswirtschaft" k o m m e n sowohl wegen der 8
W. Campbell, zitiert nach: 0 . Zinam, The Economics of Command E c o n o m y , in: Comparative Economic Systems, New York 1969, S. 22. 9 Vgl. ebenda, S. 19. 10 R a y m o n d Aron, 18 Lectures on Industrial Society, London 1968, S. 97. 11 Willem Keizer, The Soviet Quest for Economic Rationality, Rotterdam 1971, S. 185. 12 Peter Knirsch, Strukturen und Formen zentraler Wirtschaftsplanung, Berlin (West) 1969, S. 3 7 - 3 8 .
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fehlerhaften Methodologie des Systemvergleichs wie auch wegen der apologetischen Tendenz ihrer Konzeptionen zu dem absurden Schluß, d a ß der Sozialism u s m i t d e m staatsmonopolistischen Kapitalismus gleichzusetzen sei. Sie trennen den Mechanismus der Wirtschaftsleitung von der F o r m des E i g e n t u m s an den P r o d u k t i o n e m i t t e l n und identifizieren jeden staatlichen Eingriff in die W i r t s c h a f t mit einer planmäßigen W i r t s c h a f t s f ü h r u n g . Auf diese Weise werden die grundlegenden sozialökonomischen u n d politischen Unterschiede zwischen den beiden gegensätzlichen W i r t s c h a f t s t h e m e n verschleiert. Das Modell von der „Befehlswirtschaft" geht davon aus, d a ß in d e m von einem Zentrum gesteuerten, hierarchisch organisierten System die horizontalen Beziehungen zwischen den Wirtschaftseinheiten auf ein Mindestmaß beschränkt, die vertikalen administrativen Beziehungen zwischen dem Leitungszentrum u n d den Betrieben aber m a x i m a l ausgebaut seien. Der italienische bürgerliche Theoretiker Francesco Vito schreibt, d a ß das zentralistische Modell „erstens eine Entscheidungsebene, zweitens eine hierarchische S t r u k t u r u n d überwiegend vertikale Beziehungen zwischen dem Zentrum u n d den Betrieben, drittens die K o m m u n i k a tion von oben nach u n t e n in F o r m von Befehlen" 1 3 voraussetze. W e n n hier die Rolle der horizontalen Beziehungen d e r a r t herabgesetzt wird, d a n n ist dies darauf zurückzuführen, d a ß m a n die relative ökonomische Selbständigkeit der Betriebe völlig ignoriert. Eine derartige I n t e r p r e t a t i o n demonstriert nur, wie absurd es ist, reale sozialökonomische Systeme aus der Sicht formaler, von den Klassenkräften angeblich unabhängiger Organisationsprinzipien analysieren zu wollen, die diese Prinzipien anwenden. Die sozialistische P l a n u n g der Volkswirtschaft schließt die wirtschaftliche Initiative der vielen W i r t s c h a f t s einheiten (der Betriebe u n d Vereinigungen) nicht aus, sondern setzt sie voraus. Die zentralen Leitungsformen wirken im realen Wirtschaftsprozeß m i t den dezentralen F o r m e n zusammen und bedingen sie. Das gleiche gilt f ü r d a s Verhältnis zwischen den vertikalen u n d horizontalen Beziehungen. Folgt m a n den primitiven „komparativistischen" S c h e m a t a , d a n n stellt jedes E l e m e n t horizontaler Beziehungen ein Abweichen vom „idealen Befehlsmodell" dar, das die Stabilität u n d E f f e k t i v i t ä t des Systems mindert. Tatsächlich aber erh ö h t das a k t i v e schöpferische Zusammenwirken der sozialistischen Betriebe die Stabilität u n d E f f e k t i v i t ä t der zentralen Plandirektiven. Erstens aktivieren die horizontalen Beziehungen den „Stoffwechsel", ohne den die Direktiven von oben nicht wirken k ö n n t e n . Zweitens können sich die zentralen Organe auf die Festlegung der H a u p t r i c h t u n g e n u n d Proportionen der p l a n m ä ß i g e n wirtschaftlichen Entwicklung konzentrieren, wenn über die vielen Einzelfragen an Ort u n d Stelle entschieden wird. A u ß e r d e m reduzieren sich die vertikalen Beziehungen — natürlich in der realen sozialistischen W i r t s c h a f t und nicht in erdachten S c h e m a t a — d u r c h a u s nicht 13
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Francesco Vito, Decentralization in a Collectivist Planned Economy, in: Comparative Economic Systems, a. a. 0 . , S. 60.
auf rein administrative Beziehungen zwischen dem Zentrum und den ihm unterstellten Wirtschaftseinheiten. Sie bilden die direkte Form der wirtschaftlichen B e ziehungen zwischen diesen Einheiten und der gesamten Gesellschaft. Da unter den Bedingungen des Volkseigentums an den Produktionsmitteln die Produktion auf Kosten der Gesellschaft betrieben wird, sind diese Beziehungen weitgehend äquivalentfrei, unentgeltlicher Art, womit sie jedoch nicht aufhören, Teil des sozialistischen Systems der Wirtschaftsbeziehungen zu sein. Da das gesellschaftliche Eigentum an den Produktionsmitteln alle Betriebe zu einem einheitlichen W i r t schaftsorganismus vereint, ist es auch möglich und notwendig, die volkswirtschaftlichen Hauptproportionen planmäßig und ohne Vermittlung des Marktmechanismus festzulegen. Doch werden innerhalb der Beziehungen mit dem Zentrum von jedem Betrieb, jeder Vereinigung und jedem Territorialkomplex eigene Planvorschläge eingebracht und begründet. Diese Vorschläge gehen teils den zentralen Direktiventwürfen voraus und dienen als deren Grundlage, teils nehmen sie den Charakter von Gegenplänen, also von einer Antwort auf den Erstentwurf der zentralen Aufgaben an, die dann entsprechend korrigiert werden. Diese realen Prozesse haben mit den primitiven „ B e f e h l s " - S c h e m a t a nichts gemein. Die horizontalen Beziehungen zwischen den wirtschaftenden Grundeinheiten haben die Form von Äquivalenzbeziehungen, was sie jedoch nicht zu „nurökonomischen" Einheiten im Sozialismus macht. Zu den horizontalen Beziehungen gehören der Ware-Geld-Verkehr zwischen den Liefer- und Anwenderbetrieben, die Beziehungen zwischen den Betrieben der zweiglichen territorialen Produktionsvereinigungen und zwschen diesen Vereinigungen sowie in und zwischen den Wirtschaftsregionen. Das alles belegt sehr deutlich, daß die aus dem Dogma von der „Befehlswirtschaft" folgende Interpretation, nach der die sozialistische Wirtschaft absolut von vertikalen administrativen Beziehungen beherrscht werde, irreal ist. Die Darstellung der planmäßigen Direktbeziehungen als „ B e f e h l e " beruht auf d e m für die bürgerliche politische Ökonomie typischen Postulat, daß die spont a n e n Ware-Geld-Beziehungen ewig und die einzig mögliche Form wirklicher Wirtschaftsbeziehungen seien. F ü r den bürgerlichen Ökonomen gibt es ohne Spontaneität weder Wirtschaftsbeziehungen noch Gesetze, die diese Beziehungen regeln. Da er sie als Beziehungen der Auswahl knapper Ressourcen für die Erreichung der jeweiligen Ziele mittels des blindwirkenden Marktes betrachtet, setzt er Wirtschaftsbeziehungen mit Warenbeziehungen gleich. Beziehungen, die nicht warengebunden sind, wertet er nicht als wirtschaftliche, sondern als rein administrative Beziehungen. In Wirklichkeit stellt die für den Sozialismus spezifische, planmäßige Direktform der ökonomischen Beziehung keine willkürliche, administrierende F o r m dar. Diese Beziehung ist durch die Verhältnisse des gesellschaftlichen Eigentums an den Produktionsmitteln und den unmittelbar gesellschaftlichen Charakter der Arbeit objektiv bedingt. Sie äußert sich in der Bewegung der Produktionsfaktoren: in der Ausstattung der Betriebe und Vereinigungen mit Grund- und Umlaufmitteln, in der Finanzierung der Investitionen sowie in der Aneignung des von den
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Betrieben erzeugten Produkts durch die Gesellschaft. Die Direktbeziehung ist, wie bereits erwähnt, eine nicht warengebundene, äquivalentfreie Beziehung. Aber auch sie ist eine objektive ökonomische Beziehung. Sie realisiert planmäßig das Wirken der objektiven ökonomischen Gesetze des Sozialismus. Zugleich zeigt die sozialistische Praxis, daß für die Leitung der Volkswirtschaft auch administrative Formen objektiv notwendig sind, wenn sie den ökonomischen Funktionen des sozialistischen Staates die organisatorische Gestalt verleihen, die durch Aktivitäten der Staatsmacht realisiert werden müssen. In diesem Sinne repräsentiert die zentrale Planung die Einheit von Form und Inhalt: von administrativen und ökonomischen Leitungsmethoden. In dem Maße, wie diese Einheit verwirklicht wird, sind die administrativen Methoden ein notwendiges Element des Wirtschaftssystems. Nur wenn sie zum Selbstzweck werden, wenn sie sich von den objektiven ökonomischen Bedingungen und den Anforderungen der Gesellschaft lösen, werden sie zu einer inhaltlosen Form, die in Widerspruch zu den ökonomischen Methoden der Wirtschaftsführung gerät, deren Effektivität und die Handlungsfreiheit beeinträchtigt. Eine Hauptthese der bürgerlichen Theorie von der „Befehlswirtschaft" besteht darin, daß ökonomische Interessen und materielle Stimuli kein unabdingbares Element des Funktionsmechanismus der „Zentralmodelle" seien, ja ihre Stabilität beeinträchtigen. Benjamin Wards Modell der „Befehlswirtschaft" baut auf der Trennung der Anerkennungen und Sanktionen von der laufenden Effektivität der Wirtschaftseinheiten auf. 1 4 Ward geht davon aus, daß es für das System der „Befehlswirtschaft" typisch sei, die Probleme der Stimulierung der an der Wirtschaft Beteiligten zu ignorieren. 15 Und der amerikanische Ökonom Morris Bornstein meint, daß im Sozialismus der Befehl die Stelle der Stimuli einnehme. 1 6 Daß die „Befehlswirtschaft" als theoretisches Modell der sozialistischen Wirtschaft völlig untauglich ist, wird auch daran deutlich, daß die Realisierung der ökonomischen Gesetze des Sozialismus objektiv verlangt, den ökonomischen Interessen Rechnung zu tragen sowie materielle Stimuli zu schaffen und tagtäglich anzuwenden, die den einzelnen und das Kollektiv anspornen, die gesellschaftliche Wirtschaft funktionsfähig zu halten und zu vervollkommnen. Die Interessen der Wirtschaftsorganisationen (Betriebe und Vereinigungen) und ihrer Kollektive, die wahrgenommen werden, indem diesen Einheiten weitgehende wirtschaftliche Selbständigkeit eingeräumt wird, bilden entscheidende Hebel des zentralen Planes, so daß die Interessen der ganzen Gesellschaft befriedigt werden. Das objektive Erfordernis, die individuellen Interessen der Mitglieder der sozialistischen Gesellschaft zu realisieren, zwingt diese, für eine bestimmte 14 15
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Vgl. B e n j a m i n Ward, The Socialist E c o n o m y , a. a. O., S. 105. Vgl. B e n j a m i n Ward, in: Comparison of Economic S y s t e m s , University of California Press, 1971, S. 120. Vgl. Morris Bornstein, An Integration, in: Comparison of E c o n o m i c S y s t e m s , University of California Press, 1971, S. 341.
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Struktur des Produkts zu sorgen und es überwiegend für die ständig zunehmenden Bedürfnisse der Mitglieder der Gesellschaft bereitzustellen. Zugleich stimulieren die richtig erkannten und realisierten individuellen Interessen d a s Wachstum der Arbeitsproduktivität und erweitern die Möglichkeiten, die Bedürfnisse der Produktion und der nichtproduzierenden Bereiche der ganzen Gesellschaft zu befriedigen. Während die Verfechter der „Befehlswirtschaft" dem realen Sozialismus frei erfundene Schemata zuordnen, sind sie zugleich bemüht, gewisse Fehler und Schwierigkeiten in der Entwicklung der sowjetischen Wirtschaft, die entweder der Vergangenheit angehören und überwunden sind oder an deren Beseitigung gearbeitet wird, als Prinzipien des Sozialismus auszugeben. In den Beschlüssen des Septemberplenums des Z K der K P d S U (1965) und in den Dokumenten des X X I V . Parteitages wurde festgestellt, daß infolge verschiedener objektiver und subjektiver Ursachen in dieser Zeit die administrative Reglementierung der Wirtschaftseinheiten zu starke Ausmaße angenommen hatte. So stellte A. N. Kossygin auf dem X X I V . Parteitag der K P d S U fest, daß „einzelne Ministerien die neuen Methoden der Leitung der Produktion noch immer ungenügend anwenden. Nicht selten werden die aus der wirtschaftlichen Rechnungsführung erwachsenden Rechte der Betriebe geschmälert, die ökonomischen Methoden durch Administrieren ersetzt." 1 7 Seit dem X X I V . Parteitag ist viel getan worden, um die Bedingungen für die sozialistische Wirtschaftsführung zu vervollkommnen. Auf dem X X V . Parteit a g der K P d S U hat L. I. Breshnew erneut darauf verwiesen, daß diese Bemühungen weitergeführt werden müssen, da die Vervollkommnung der Planung, die Reorganisation des Wirtschaftsmechanismus und die Intensivierung der Produktion hinter dem geplanten Tempo zurückgeblieben waren. Mit der weiteren Erneuerung des Systems der Planung und Stimulierung wird künftig die Initiative der Wirtschaftsorganisationen noch mehr aktiviert werden, wird die Rolle der ökonomischen Leitungsmethoden zunehmen, und werden die administrativen Reglementierungsformen den Erfordernissen der Wirtschaft besser angepaßt. Um dies zu erreichen, wird sowohl die Wirksamkeit des Systems der ökonomischen Hebel verbessert als auch die Planung vervollkommnet und die wissenschaftliche Begründung der Volkswirtschaftspläne erhöht werden müssen. Bürgerliche Theoretiker reduzieren die Leitung des Wirtschaftsprozesses im Sozialismus beharrlich auf die administrative und politische Reglementierung. S o urteilt der französische Ökonom Peter Kende wie folgt: In einer Befehlswirtschaft vom sowjetischen T y p fehlt es an einem Organ, das die mit den Funktionen des Unternehmers in der kapitalistischen Wirtschaft vergleichbaren Funktionen wahrnimmt, so daß es anstelle von ökonomischen nur politische Sanktionen gibt. 1 8 Direktiven zum F ü n f j a h r p l a n für die Entwicklung der Volkswirtschaft der U d S S R in den J a h r e n 1 9 7 1 - 1 9 7 5 , Referat von A. N. Kossygin, Moskau-Berlin 1971, S. 54. 18 Vgl. Peter Kende, in: Economic J o u r n a l , Nr. 304, 1966, S. 884. 17
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Als Grundlage für derartige Behauptungen dient den bürgerlichen Theoretikern eine völlig pervertierte Auslegung der realen Veränderungen, die sich im Verhältnis zwischen Politik und Ökonomie vollzogen haben. Es liegt auf der Hand, daß in dem Maße, wie der sozialistische Staat zum Eigentümer der entscheidenden Produktionsmittel wird, die Bedeutung der politischen, der Überbauformen der staatlichen Wirtschaftsleitung, vor allem der Wirtschaftspolitik zunimmt. Doch kann die Wirtschaftspolitik nur dann eine aktivierende Rolle spielen, wenn sie der konkreten wirtschaftlichen und politischen Situation Rechnung trägt, wenn dem Wirken der objektiven ökonomischen Gesetze des Sozialismus entsprechend Raum gegeben wird. Die Theorie der „Befehlswirtschaft" stützt sich auf eine metaphysische, rein formale Konfrontation von Plan und Markt. Und so kommt man zu der Fragestellung, daß Planung verlange, die wirtschaftlichen Verhältnisse zu naturalisieren, die Ware-Geld-Beziehungen einzuschränken und abzuschaffen. Der kanadische Ökonom Richard L. Carson, Verfasser eines der zahllosen Bücher über den Vergleich der Wirtschaftssysteme, faßt die „Befehlswirtschaft" als „Antithese zum Markt und zu den horizontalen Beziehungen" auf. 19 Die gleiche Haltung nimmt Morris Bornstein ein, wenn er schreibt, daß die Alternative „Befehlsoder Tauschprinzip die Verteilung der Ressourcen in physischen Einheiten auf der Grundlage administrativer Befehle mit der Verteilung auf der Grundlage der Geldströme und Marktpreise konfrontiert" 2 0 . Die Alternative „Plan oder Markt" ist unter zwei Voraussetzungen theoretisch motiviert: a) wenn es sich um die beiden gegensätzlichen Wirtschaftssysteme, also das kapitalistische und das sozialistische System handelt, die von zwei gegensätzlichen Prinzipien der Wirtschaftsregulierung beherrscht werden; b) wenn unter Markt nur der blindwirkende Markt verstanden wird. Doch wird diese Alternative gegenstandslos, sobald es um die bewußte, planmäßige Ausnutzung der Ware-Geld-Beziehungen im Sozialismus geht. Hier bilden die Ware-Geld-Beziehungen keinen Gegensatz zum Plan, schwächen sie dessen Positionen nicht, sondern sind sie Mittel zur Realisierung des Planes, wobei sie im Vergleich zu den spontanwirkenden Ware-Geld-Beziehungen, die tatsächlich im Widerspruch zum Plan stehen, in ihrem Inhalt und ihren Wirkungsformen grundlegende Wandlungen erfahren. Die Verfechter der Konzeption von der „Naturalplanung" leiten die Ware-GeldBeziehungen, die bestimmenden Gesetze und die sie ausdrückenden Kategorien nicht aus der Erarbeitung der Volkswirtschaftspläne, d. h. nicht aus der Ermittlung der wesentlichen Proportionen der Reproduktion, her. Damit wird das Wesen des komplizierten Prozesses der planmäßigen Proportionierung entstellt. 19
Richard L. Carson, Comparative Economic Systems, New York 1973, S. 343. M Morris Bornstein, An Integration: Comparison of Economic Systems, University of California Press, 1971, S. 346.
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In der entwickelten sozialistischen W i r t s c h a f t wirken die n i c h t ä q u i v a l e n t e n Direktbeziehungen mit den indirekten Ware-Geld-Beziehungen im einheitlichen ReproduktionsT u n d Zirkulationsprozeß des P r o d u k t s z u s a m m e n . Sie gehören beide zu dem vielfältigen Kennziffernsystem des Volkswirtschaftsplanes. So setzt sich die volkswirtschaftliche Proportionalität aus der Einheit von stofflichen u n d wertmäßigen Proportionen zusammen. Aus dem konstruierten Gegensatz zwischen Plan u n d M a r k t g l a u b t die Sowjetologie einen Gegensatz zwischen den direkten u n d indirekten Regulierungsformen herleiten zu können. 2 1 Doch ist die Alternative „direkte oder indirekte F o r men der Regulierung der P r o p o r t i o n e n " wissenschaftlich ebenso u n h a l t b a r wie die Alternative „Plan oder M a r k t " . F ü r den S t a a t , den E i g e n t ü m e r der P r o d u k t i o n s mittel, wäre es völlig sinnlos, jeder Auflage, die er seinen Betrieben erteilt, die F o r m von verschleierten, den P r o d u z e n t e n auf Umwegen zugehenden A u f g a b e n zu verleihen. Aber ebenso sinnlos wäre es, Direktauflagen f ü r P a r a m e t e r zu erteilen, die sich effektiver mittels der Preis- u n d Kreditpolitik u n d dgl. realisieren lassen. Deshalb bedient sich die Direktivplanung der sozialistischen W i r t s c h a f t sowohl direkter, als auch indirekter F o r m e n der Regulierung der P r o p o r t i o n a l i t ä t , wie Gewinn, Preis, F o n d s a b g a b e usw. In ihrem Bemühen, die schon im 19. J a h r h u n d e r t von Max W e b e r aufgestellte These, d a ß das Wirtschaftsleben im Sozialismus unvermeidlich in B ü r o k r a t i e versinken müsse zu erhärten, g l a u b t die „Sowjetologie", der sozialistischen W i r t schaft eine wachsende Bürokratisierung andichten zu müssen. Carson schreibt, d a ß es zwar in allen W i r t s c h a f t s s y s t e m e n Bürokratie gebe, doch n e h m e sie in der „Befehlswirtschaft", wo eine vielgliedrige Befehlskette die Direktiven des zentralen Planungsorgans den F i r m e n übermittle, die stabilsten Positionen ein. 2 2 Ausgehend von dieser These, stellen viele Theoretiker der „ B e f e h l s w i r t s c h a f t " den Sozialismus als eine O r d n u n g hin, in der eine „neue Klasse", die B ü r o k r a t i e , herrsche. Die Bürokratie ist noch nie eine Klasse gewesen u n d k a n n es auch nicht sein. Bürokratie e n t f a l t e t sich dort, wo die herrschenden Klassen einen Teil ihrer F u n k tionen b e s t i m m t e n k a s t e n m ä ß i g e n Spezialistengruppen ü b e r t r a g e n , die im Lohnverhältnis stehen. I m Sozialismus können derartige Kasten nicht e n t s t e h e n . W a s die Sozialstruktur des entwickelten Sozialismus auszeichnet, ist n i c h t die S t a bilisierung dieser oder jener sozialen Schichten, sondern die Auflösung der Grenzen zwischen den Klassen, zwischen den geistig u n d körperlich Tätigen, zwischen den W e r k t ä t i g e n in der P r o d u k t i o n u n d in der Verwaltung. Das Volkseigentum an den Produktionsmitteln, das E i g e n t u m der ganzen Gesellschaft ist, bildet die ökonomische Grundlage der sozialistischen W i r t s c h a f t s demokratie, der weitreichenden Einbeziehung aller Mitglieder der Gesellschaft in die Leitung der P r o d u k t i o n . 21
Vgl. Richard L. Carson, in: Comparative Economic Systems, a. a. 0., S. 352. 22 Vgl. Ebenda, S. 331.
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Die neue Verfassung der U d S S R enthält auch Festlegungen darüber, wie die sozialistische politische und wirtschaftliche Demokratie weiter entfaltet und Erscheinungsformen von Bürokratie bekämpft werden müssen. In Artikel 8 sind die Pflichten und Rechte der Arbeitskollektive, der Grundeinheiten des wirtschaftlichen und politischen Organismus der sozialistischen Gesellschaft, verankert. Außerdem wird die Möglichkeit bürokratischer Erscheinungsformen auch durch das steigende kulturelle und geistige Niveau der Mitglieder der Gesellschaft eingeengt. Einen Hauptpfeiler ihrer Konstruktionen sehen die Theoretiker der „Befehlswirtschaft" in der Ersetzung der „Souveränität des Verbrauchers durch die Souveränität der Planer" und dem daraus abgeleiteten „Vorrang der kollektiven Konsumtion gegenüber der individuellen Konsumtion" 2 3 . Die liberal-individualistische Konzeption von der „Souveränität des Verbrauchers" geht davon aus, daß sich die Bedürfnisse der Verbraucher nur über die freie Konkurrenz maximal befriedigen lassen. Doch kann diese These nicht besser widerlegt werden als von der kapitalistischen Praxis selbst. Die Monopole sind durch ihre Vorherrschaft auf dem Markt in der Lage, den Geschmack und die Nachfrage der Verbraucher zu manipulieren. Auch die staatsmonopolistische Regulierung sowie die Einkommens- und Preispolitik wirken sich auf die kaufkräftige Nachfrage und die Konsumtion aus. Zudem kann der Markt zwar den laufenden Bedarf mehr oder weniger gut deutlich machen, doch ist er nicht in der Lage, den perspektivischen Bedürfnissen Rechnung zu tragen. So sieht sich der bürgerliche S t a a t gezwungen, diesen Bedürfnissen, die einerseits der Sicherung der allgemeinen Voraussetzungen der kapitalistischen Reproduktion angesichts der fortschreitenden wissenschaftlich-technischen Revolution und andererseits der Militarisierung der Wirtschaft geschuldet sind, nachzukommen. Wenn die sozialistische Gesellschaft die wesentlichen Proportionen der Reproduktion festlegt, geht sie von der allseitigen Analyse der gesellschaftlichen Bedürfnisse, also auch der Käufernachfrage aus. Die planmäßige Gestaltung einer rationellen Verbrauchsstruktur nach wissenschaftlichen Normen ist nicht mit einer Zwangsregelung der individuellen Konsumtion gleichzusetzen. Die individuellen Bedürfnisse und die individuelle Konsumtion sind nicht Gegenstand der direktiven Planung. Die sozialistische Gesellschaft wirkt mittels planmäßiger Preis- und Einkommenspolitik, über die Gestaltung einer progressiven Produktionsstruktur auf S t r u k t u r und Dynamik der Bedürfnisse und der Konsumtion ein. Sie ermittelt von einem Zentrum aus den Gesamtfonds der individuellen Konsumtion, die Gesamtnachfrage, die Nachfrage nach Warengruppen sowie die der Klassen und sozialen Gruppen. Die Forderung nach völliger Vergesellschaftung der individuellen Konsumtion, die der sozialistischen Gesellschaft von bürgerlichen Theoretikern angedichtet 23
Willem Keizer, The Soviet Quest for Economic Rationality, a. a. 0 . , S. 6 2 ; Richard L. Carson, Comparative Economic Systems, a. a. 0 . , S. 268.
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wird, e n t s t a m m t den kleinbürgerlichen Konzeptionen v o m „ K a s e r n e n k o m m u n i s m u s " . Auch die frei erfundene B e h a u p t u n g , die S o w j e t f ü h r u n g r ä u m e der kollektiven Konsumtion den Vorrang ein, h a t mit der Wirklichkeit nichts gemein. In der U d S S R sollen die Ausgaben aus den gesellschaftlichen K o n s u m t i o n s fonds im J a h r e 1980 mindestens 115 Mrd. Rubel betragen. D a s m a c h t etwa ein Drittel des individuellen Konsumtionsfonds aus. 2 4 In allen E t a p p e n des Sozialism u s bleibt der individuelle Arbeitslohn die Hauptquelle für die Befriedigung der persönlichen Bedürfnisse. Die sozialistische Vergesellschaftung der Konsumtion wird dem Verbraucher nie zum Nachteil gereichen. Im Gegenteil, sie verfolgt d a s Ziel, allen Mitgliedern der Gesellschaft, unabhängig von der materiellen Situation und den E i n k o m m e n s unterschieden, gleiche Möglichkeiten für die Befriedigung vieler sozialer und kultureller Bedürfnisse zu garantieren und zur Angleichung des Lebens- u n d K o n sumtionsniveaus beizutragen. D a s W a c h s t u m s t e m p o der gesellschaftlichen K o n s u m t i o n s f o n d s entspricht im Vergleich zum Arbeitslohn bei weitem nicht immer d e m T e m p o der Ausweiturig der kollektiven Konsumtionsformen. Zwei Drittel der Größe des gesellschaftlichen Konsumtionsfonds (Sozialversicherung und -Versorgung, Gesundheitswesen und Körperkultur, bezahlter Urlaub und dgl.) bedeuten eine Vergrößerung der individuellen Konsumtion. Im J a h r e 1976 waren über 50 Prozent aller Zahlungen und Vergünstigungen, die der Bevölkerung zugute k a m e n , Geldleistungen. Die Relation zwischen den verschiedenen Konsumtionsformen wird im Sozialismus nicht von ideologischen Dogmen bestimmt, sondern d a v o n , wie die verfügbaren Ressourcen effektiv genutzt werden können, u m den Wohlstand aller Mitglieder der Gesellschaft zu erhöhen. Dabei kann es j e nach der Größe dieser oder jener Ressourcen, nach der Veränderung der Bedürfnisse und anderer sozialer Bedingungen sowohl zu einer Erweiterung der individuellen K o n s u m t i o n zu L a s t e n der kollektiven F o r m e n (z. B . bei Transportmitteln) als auch zu u m g e kehrten Erscheinungsformen (z. B . bei Ausgaben f ü r die Erziehung der Kinder) kommen. Manche „ S o w j e t o l o g e n " sehen sich gezwungen einzuräumen, daß sich die real existierende sozialistische Wirtschaft nicht in das P r o k r u s t e s b e t t des Modells der „ B e f e h l s w i r t s c h a f t " einzwängen läßt, und kommen z u d e m Schluß, daß die „ r e i n e " oder „ a b s o l u t e Befehlswirtschaft" ein „erdachtes Modell, einen I d e a l t y p " darstelle, den es in der Wirklichkeit nicht g ä b e . 2 5 S o schreibt Willem K e i z e r : „ D i e reine Befehlswirtschaft ist k a u m anwendbar, weil die Irrealität ihrer P o s t u l a t e 24
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Vgl. X X V . Parteitag der K P d S U . Die Hauptrichtungen der Entwicklung der Volkswirtschaft der U d S S R von 1976 bis 1980. Berichterstatter: A. N. Kossygin, Berlin 1976, S. 20. 0 . Zinam, The Economics of Command Economy, in: Comparative Economic Systems, New York 1969, S. 17; Comparison of Economic Systems, University of California Press, 1971, S. 18.
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den menschlichen F a k t o r betreffend offenkundig i s t . " 2 6 E r hebt hervor, daß die Nutzung der materiellen Interessen, die freie Konsumwahl und andere Merkmale der sozialistischen Wirtschaft die „ S o w j e t o l o g i e " zwingen, von der „reinen B e fehlswirtschaft" abzugehen. Mehrere bürgerliche Ökonomen greifen auch Gregory G r o s s m a n , der zu den Vätern des Modells der „ B e f e h l s w i r t s c h a f t " gehört, deshalb an, weil er die sozialistische Wirtschaft mit diesem Modell identifiziert. Alexander Eckstein bezeichnet Grossmans Schrift als deutliches Beispiel f ü r eine falsche Messung der realen Wirtschaft a m Idealmodell. 2 7 U m ihre S c h e m a t a glaubwürdiger zu machen, sehen sich viele bürgerliche Theoretiker genötigt, die realen ökonomischen S y s t e m e als eine Mischung von „ B e fehls"- und „ M a r k t w i r t s c h a f t " zu betrachten, die in den verschiedensten K o m b i nationen auftrete. Auch Grossman resümiert schließlich: „Obgleich man a b s t r a k t e Modelle von Wirtschaftssystemen aufstellen kann, die jeweils nur einen der drei sozialen Mechanismen (traditioneller, Befehls- und Marktmechanismus — d. Verf.) enthalten, sind in den heutigen Systemen . . . alle drei in unterschiedlichen Proportionen gegeben. Doch überwiegt jeweils einer von diesen Mechanismen. Demg e m ä ß sprechen wir von traditioneller Wirtschaft, Marktwirtschaft und Befehlswirtschaft."28 Allerdings liefert auch diese, den T a t s a c h e n scheinbar entgegenkommende Interpretation des Wirtschaftsmechanismus der sozialistischen Gesellschaft ein sehr verzerrtes Bild der Realität. Die Ursache hierfür ist darin zu sehen, daß die sozialistische Wirtschaft nicht als organisches Ganzes, als einheitlicher geplanter Mechanismus begriffen wird, der sowohl mit direkten als auch indirekten Methoden gelenkt wird. Die Vorzüge des auf den Sozialismus bezogenen Modells der „ B e f e h l s w i r t s c h a f t " sehen seine Autoren in der Möglichkeit höherer W a c h s t u m s r a t e n von Produktion und A k k u m u l a t i o n sowie in dem Vermögen, die Arbeitskräfte und Investitionen zur gegebenen Zeit auf die entscheidenden Bereiche der Volkswirtschaft zu konzentrieren und die Volkswirtschaftsstruktur rasch zu reorganisieren. Zugleich a b e r glauben sie, diese zwangsläufigen Zugeständnisse mit der B e h a u p t u n g abwerten zu können, daß die hohen Wachstumsraten der Produktion im Sozialismus von einer allzu uneffektiven Nutzung der Ressourcen begleitet seien. Dabei wird die als „Befehlsprinzip" interpretierte zentrale Volkswirtschaftsplanung als ein typisches Instrument der extensiven wirtschaftlichen Entwicklungsphase dargestellt. Der Eintritt der sowjetischen Wirtschaft in die neue E t a p p e d e r entwickelten sozialistischen Gesellschaft und die Betonung der intensiven F a k t o ren des wirtschaftlichen Fortschritts werden dabei als Bedingungen hingestellt, unter denen die sozialistische Planung ihre Vorzüge aufgebe. So heben die a m e rikanischen Ökonomen Robert C. S t u a r t und Paul R . Gregory die Vorzüge d e s 26 27
28
Willem Keizer, The Soviet Quest for Economic Rationality, a. a. 0., S. 58. Vgl. Alexander Eckstein, Introduction, in: Comparison of Economic Systems, University of California Press, 1971, S. 19. Gregory Grossman, Economic Systems, New Jersey 1967, S. 15—16.
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sowjetischen Wirtschaftsmodells auf dem Gebiet des W i r t s c h a f t s w a c h s t u m s in den früheren Stadien des Wirtschaftswachstums hervor, u m gleichzeitig zu verkünden, d a ß in dem Maße, wie die Möglichkeiten des extensiven W a c h s t u m s versiegen, „die universellen F a k t o r e n der wirtschaftlichen E n t w i c k l u n g dominieren werden" 2 9 . Diese eigenartige Mischung der befehlswirtschaftlichen Konzeption m i t der Theorie von der „Industriegesellschaft" entspricht weder der heutigen Situation noch der Geschichte der sozialistischen W i r t s c h a f t . In den ersten Entwicklungsc t a p p e n der sowjetischen W i r t s c h a f t h a t t e n die extensiven F a k t o r e n eine bedeutende Rolle beim A u f b a u der gesellschaftlichen P r o d u k t i o n gespielt. Aber schon zu dieser Zeit überwog die intensive Reproduktion, da die Volkswirtschaft von Grund auf technisch rekonstruiert wurde u n d die technische A u s r ü s t u n g je Arbeitsplatz hohe W a c h s t u m s r a t e n aufwies. H a u p t q u e l l e des Nationaleinkommens war das W a c h s t u m der gesellschaftlichen A r b e i t s p r o d u k t i v i t ä t . Die Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft u n d die Intensivierung der gesellschaftlichen P r o d u k t i o n , die gegenwärtig die E n t w i c k l u n g der sowjetischen W i r t s c h a f t bestimmt, bedeuten d u r c h a u s nicht, d a ß die f ü h r e n d e Rolle der zentralen staatlichen Planung von der Regulierung durch den M a r k t abgelöst wird. Im Gegenteil. Die effektivere Nutzung der materiellen, finanziellen u n d Arbeitskräfteressourcen wird d a d u r c h gewährleistet, d a ß die F o r m e n u n d Methoden der Volkswirtschaftsleitung vervollkommnet u n d vor allem das Sys t e m der Planung u n d Leitung verbessert wird. Viele Verfechter der Konzeption von der „Befehlswirtschaft" stellen die W a r e Geld-Kategorien in der realen sozialistischen Wirtschaft als rein äußerliche F o r m e n d a r , die nicht die wirklichen Verhältnisse der W a r e n p r o d u k t i o n u n d -Zirkulation ausdrücken. Der westdeutsche Ökonom G. Halm, der die sowjetische W i r t s c h a f t ebenfalls als „Befehlswirtschaft" begreift, b e h a u p t e t , d a ß der Preis hier n u r ein rechnerisches I n s t r u m e n t sei. 30 Die „Sowjetologie" m a c h t den Preis von der relativen K n a p p h e i t der Verbrauchsgüter und Produktionsressourcen a b h ä n g i g und b e h a u p t e t , d a ß sich auf der Grundlage der Arbeitswerttheorie kein r a t i o n a les Preissystem a u f b a u e n lasse. Sie meint, d a ß der auf d e m gesellschaftlich n o t wendigen A u f w a n d beruhende Preis nicht das Kriterium f ü r die E f f e k t i v i t ä t der Investitionen sowie f ü r die Verteilung u n d Verwendung der Ressourcen sein könne. In der T a t ist der Preis in der sozialistischen P l a n w i r t s c h a f t nicht das einzige u n d auch nicht das H a u p t k r i t e r i u m der P r o d u k t i o n s e f f e k t i v i t ä t , aber nicht deshalb, weil er, wie b e h a u p t e t wird, im Sozialismus willkürlich festgelegt wird, sondern weil nicht die P r o f i t m a x i m i e r u n g das Ziel der sozialistischen P r o d u k t i o n ist. Wenn die Gesellschaft, ausgehend von den ökonomischen Gesetzen des Sozia29
Vgl. Robert C. Stuart/Paul R. Gregory, The Convergence of E c o n o m i c S y s t e m s , i n : Jahrbuch der Wirtschaft Osteuropas, München-Wien 1971, Bd. 2, S. 435. 3 "> Vgl. George N. Halm, Wirtschaftssysteme, Berlin (West) 1960, S. 22.
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lismus, die volkswirtschaftlichen Proportionen planmäßig festlegt und die bestmöglichen Lösungen ermittelt, muß sie allen Kriterien des volkswirtschaftlichen Optimums Rechnung tragen. Seine Funktionen — Effektivitätskriterium, gesellschaftliches Maß der individuellen Aufwendungen, Instrument der wirtschaftlichen Rechnungsführung, Form der Verteilung und Umverteilung des Nationaleinkommens — übt der Preis um so besser aus, je umfassender er die realen Produktionsbedingungen, also den gesellschaftlichen Arbeitsaufwand je Erzeugnis ausdrückt. Die bürgerlichen Ideologen, die in der „Befehlswirtschaft" das theoretische Modell der „sozialistischen Wirtschaft sowjetischen T y p s " sehen, behaupten, daß diese Wirtschaft keine Möglichkeit habe, zwischen mehreren Varianten von Investitionslösungen zu wählen und unfähig sei, neue Erzeugnisse in die Produktion aufzunehmen und neue Fertigungsverfahren einzuführen. 3 1 Diese Behauptungen werden vom gesamten Entwicklungsverlauf der sozialistischen Wirtschaft, von den Erfolgen der Volkswirtschaft der U d S S R und der anderen sozialistischen Länder widerlegt. Die sozialistische Wirtschaft zeichnet sich durch eine große Dynamik aus. Während des neunten Planjahrfünfts nahmen allein in der Industrie rund 2000 neue Großbetriebe die Produktion auf und wurden 20000 neue Typen von Maschinen, Ausrüstungen und Geräten in die Fertigung übernommen. Zugleich wurden über 9300 Positionen von Maschinen und Geräten veralteter Konstruktion aus der Produktion genommen. 3 2 Vergeblich müht sich die Theorie der „Befehlswirtschaft", zwei einander ausschließende Thesen unter einen Hut zu bringen. Einerseits sprechen ihre Autoren der „reinen", „absoluten Befehlswirtschaft" die Existenzmöglichkeit ab und erklären sie zum abstrakten Modell, andererseits postulieren sie, daß diese Wirtschaft nur in der „reinen" Form effektiv funktionieren könne. So behauptet Grossman: „Wenn die Dezentralisierung nur partiell ist, kann sie nicht zu einem effektiven Marktmechanismus führen und dabei gegen d a s Befehlsprinzip verstoßen." 3 3 Besonders deutlich tritt diese innere Widersprüchlichkeit und Inkonsequenz der Theorie der „Befehlswirtschaft" in der These von der „Selbstauflösung der Befehlswirtschaft" zutage. Der schon erwähnte Benjamin Ward meint, daß „der Handel mit seiner zersetzenden Wirkung auf die Befehlsbeziehungen Bestandteil des sowjetischen Wirtschaftsprozesses ist. Deshalb ist der sowjetische Planungstyp mit der Aufrechterhaltung der ,Befehlsgesellschaft' unvereinbar". 3 4 Oberflächlich gesehen, wäre an dieser These gar nicht so viel auszusetzen. Die sowjetische Planung ist mit dem primitiven Autoritätsschema der „Befehlsgesellschaft" in der T a t unvereinbar. Aber Ward meint etwas anderes, nämlich daß die Vervoll31 32
33 34
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Vgl. Richard L. Carson, Comparative Economic S y s t e m s , a. a. O., S. 345. Vgl. Narodnoe chozjajstvo S S S R za 60 let. J u b i l e j n y j statisticeskij sbornik, Moskau 1977, S. 148, 149. Gregory Grossman, Economic S y s t e m s , a. a. O., S. 95. B e n j a m i n Ward, The Socialist E c o n o m y , a. a. O., S. 136.
k o m m n u n g d e r sozialistischen P l a n u n g zwangsläufig z u r N e g a t i o n ihres D i r e k t i v c h a r a k t e r s u n d d a n a c h z u r Erosion ihrer o b j e k t i v e n G r u n d l a g e , des s t a a t l i c h e n E i g e n t u m s (Volkseigentums) a n d e n P r o d u k t i o n s m i t t e l n , f ü h r e n m ü s s e . N o c h u n v e r h o h l e n e r g i b t R . Carson diesen H o f f n u n g e n A u s d r u c k . E r s c h r e i b t , d a ß d a s „Befehlssystem" mit der komplizierter werdenden Volkswirtschaft gezwungen sei, sich bei I n v e s t i t i o n s e n t s c h e i d u n g e n i m m e r m e h r a m M a r k t u n d a m Preis zu orientieren. Die „ B e f e h l s w i r t s c h a f t " s c h a f f e d a m i t a l l m ä h l i c h die V o r a u s s e t z u n gen f ü r ihren eigenen U n t e r g a n g . 3 5 Die T h e s e von d e r „ S e l b s t a u f l ö s u n g d e r B e f e h l s w i r t s c h a f t " t r ä g t v o r allem ideologisches G e p r ä g e . Sie soll nachweisen, d a ß sich die als „ B e f e h l s w i r t s c h a f t " d a r g e s t e l l t e sozialistische P l a n w i r t s c h a f t n i c h t selbst e r h a l t e n u n d e n t w i c k e l n k ö n n e u n d letztlich d e r M a r k t w i r t s c h a f t weichen m ü s s e . Die P r a x i s des A u f b a u s d e r e n t w i c k e l t e n sozialistischen Gesellschaft in d e r U d S S R u n d d e r E n t wicklung des Sozialismus in a n d e r e n L ä n d e r n belegt, wie a b s u r d es ist, die V e r v o l l k o m m n u n g d e r sozialistischen W i r t s c h a f t s f ü h r u n g u n t e r d e m A s p e k t d e r „ S e l b s t a u f l ö s u n g d e r B e f e h l s w i r t s c h a f t " wie a u c h als m a r k t o r i e n t i e r t e E v o l u t i o n d e r sozialistischen W i r t s c h a f t zu i n t e r p r e t i e r e n . 35 Vgl. Richard L. Carson, Comparative Economic Systems, a. a. 0., S. 311.
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2.
KAPITEL
Die bürgerliche Theorie der „Zentralverwaltungswirtschaft sowjetischen T y p s " nach dem zweiten Weltkrieg
Um ihre reaktionären apologetischen Ziele zu realisieren, bauen die bürgerlichen Ökonomen ihre Konzeptionen nach wie vor auf die bereits vor dem zweiten Weltkrieg entwickelte Theorie der „Zentralverwaltungswirtschaft" auf. Dem Begriff „Zentralverwaltungswirtschaft" werden heute alle Wirtschaftssysteme untergeordnet, in denen der arbeitsteilig organisierte gesellschaftliche Reproduktionsprozeß zentral gelenkt wird. Dabei ist nach dieser Theorie der soziale, der Klassencharakter der „Zentrale" ebenso ohne Belang wie die Art der Weisungen, die sie der Wirtschaft erteilt, und wie die in dem jeweiligen Wirtschaftssystem herrschenden Verhältnisse des Eigentums an den Produktionsmitteln. Bei dieser formalen Klassifikation erscheint die sozialistische Planwirtschaft nur als eine Variante, als Sonderfall der „Zentralverwaltungswirtschaft". Dem gleichen Wirtschaftstyp rechnen die Vertreter dieser Theorie auch die Wirtschaften der frühgeschichtlichen orientalischen Despotien, die kapitalistischen Wirtschaften in Kriegszeiten sowie unter faschistischen und halbfaschistischen Diktaturen zu. Die in den Schriften von Walter E u c k e n 1 erstmalig formulierte Theorie der „Zentralverwaltungswirtschaft" ist in der B R D hauptsächlich von K. Paul Hensel und Karl C. Thalheim weiterentwickelt worden. In den sechziger Jahren rückte die Konzeption von der angeblichen Transformation der „Zentralverwaltungswirtschaft" in eine „sozialistische Marktwirtschaft" in den Vordergrund. Zu ihrer Begründung wurden zusätzliche Argumentationskomplexe formuliert: eine „Krisentheorie'' (durch Karl C. Thalheim) und eine Theorie des „Systemzwangs zum wirtschaftspolitischen Experiment" (durch K. Paul Hensel). Diese Modifikationen verfolgten den Zweck, die ursprüngliche Konzeption den veränderten Bedingungen des Kampfes zwischen Kapitalismus und Sozialismus anzupassen. Auf Euckens Grundthesen aufbauend, in denen die „Zentralverwaltungswirtschaft" als eine idealtypische Wirtschaftsordnung deklariert wird, bemühte sich Hensel, die Rationalitätskriterien dieser Wirtschaftsordnung unter dem Aspekt der Gewinnmaximierung zu formulieren. 2 Hensels Betrachtungen zur „Zentralverwaltungswirtschaft" gründen sich 1
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Vgl. Walter Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik, Bern 1952. Die entsprechende kritische Analyse ist im 5. Kapitel des B a n d e s Bürgerliche und kleinbürgerliche ökonomische Theorien über den Sozialismus, Berlin 1978, S. 112—126, zu finden. Vgl. K . P a u l Hensel, E i n f ü h r u n g in die Theorie der Zentralverwaltungswirtschaft, S t u t t g a r t 1959.
d a r a u f , d a ß er formale Vergleiche zwischen zentral u n d dezentral g e p l a n t e n Wirtschaftssystemen zieht. Allerdings bezieht er sich dabei n i c h t auf reale sozialökonomische Systeme, wie sie in diesen oder jenen L ä n d e r n gegeben sind, sondern auf gewisse „Idealmodelle". So unterstellt Honsel, indem er immer wieder auf den Modellcharakter seiner Analyse verweist, der „ Z e n t r a l v e r w a l t u n g s w i r t s c h a f t " eine völlig zentralisierte Verwaltung, die Vorbestimmung des ganzen Reproduktionsprozesses von einem Z e n t r u m aus, den Abschluß der gesamten P l a n u n g vor Beginn des W i r t s c h a f t s prozesses u n d die Eigenverantwortlichkeit der Wirtschaftseinheiten f ü r die Planerfüllung. Hensel r ä u m t ein, d a ß diese oder jene „modellierten" Bedingungen in der realen W i r t s c h a f t nicht oder n u r a n n ä h e r n d erfüllt werden. Bei diesen Abweichungen der Realität von den Idealmodellen wird — der Theorie von den „ I d e a l t y p e n " zufolge — die E f f e k t i v i t ä t des Systems erheblich b e e i n t r ä c h t i g t . Außerdem unterstellt Hensel der „ Z e n t r a l v e r w a l t u n g s w i r t s c h a f t " Ungenauigkeiten, die zu „schwerwiegenden Fehlentscheidungen" f ü h r e n k ö n n e n . Diese U n terstellung resultiert aus der typischen bürgerlichen Illusion, d a ß die s p o n t a n e n Methoden gegenüber den bewußten Methoden im Vorteil seien. In Wirklichkeit gibt es in den wissenschaftlich b e g r ü n d e t e n , von allen Mitgliedern der Gesellschaft erörterten u n d akzeptierten Zielen der sozialistischen Wirtschaftspraxis keine Ungenauigkeiten. Die tägliche P r a x i s des sozialistischen A u f b a u s liefert hierfür den eindeutigen Beweis. Die höchstmögliche Befriedigung der Bedürfnisse der Mitglieder der sozialistischen Gesellschaft d u r c h allseitige E n t wicklung u n d Vervollkommnung der P r o d u k t i o n ist das L e i t m o t i v der g e s a m t e n Tätigkeit des sozialistischen S t a a t e s auf wirtschaftlichem Gebiet. Dabei legt der S t a a t , ausgehend von dem verfügbaren A r b e i t s k r ä f t e p o t e n t i a l u n d den materiellen Mitteln, von verschiedenen sozialen Momenten sowie von den i n t e r n a t i o n a l e n Gegebenheiten in den verschiedenen E t a p p e n des sozialistischen A u f b a u s , die Bedingungen u n d Aufgaben der sozialistischen P r o d u k t i o n , die sich aus ihrem in allen E t a p p e n gleichbleibenden Hauptziel ergeben, k o n k r e t e r fest. Natürlich k a n n es bei zentraler P l a n u n g auch gelegentlich Fehlentscheidungen geben. Doch betreffen sie nie die Ziele der P r o d u k t i o n , sondern diese oder jene Mittel zu deren Realisierung. Daß solche Fehler lokal begrenzt bleiben u n d die sozialistische Gesellschaft alle Möglichkeiten h a t , sie aufzudecken u n d wirksam zu beheben, h a t die über ein halbes J a h r h u n d e r t währende Praxis bei der Verwirklichung des ökonomischen Grundgesetzes des Sozialismus bewiesen. Dabei lassen sich die Fehler, die bei der Auswahl der Methoden f ü r die Erreichung der Ziele der sozialistischen P r o d u k t i o n unterlaufen, in keiner Weise an den Verlusten u n d Fehlern sowie an der Vergeudung gesellschaftlicher Ressourcen messen, die f ü r eine auf Profitmaximierung orientierte anarchische W i r t s c h a f t typisch sind. Hinsichtlich der P l a n b a r k e i t der N a t u r a l s t r u k t u r des gesellschaftlichen Ges a m t p r o d u k t s , die Hensel als U m r e c h n u n g der „ G ü t e r erster O r d n u n g " (Konsumgüter) in solche „zweiter u n d e n t f e r n t e r O r d n u n g " (Produktionsmittel) bezeichnet, sowie in bezug auf die S i c h t b a r m a c h u n g der Knappheitsverhältnisse an r Krause/Zukov
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diesen Gütern räumt er der „Zentralverwaltungswirtschaft" Vorteile ein. Und er folgert daraus, daß das „Problem der Unübersehbarkeit des arbeitsteiligen Wirtschaftsprozesses volkswirtschaftlichen Ausmaßes" durch die zentrale Planung gelöst werden kann. Somit sieht sich Hensel unter dem Eindruck der allzu offenkundigen Tatsachen gezwungen, die Vorteile der zentralen Planung hinsichtlich der Erfassung der Produktionsproportionen wenigstens teilweise zuzugeben. So sieht er einen Vorteil der zentralen Lenkung darin, daß „hier die Anpassung der Teilpläne aneinander bereits während der Planung erfolgen und dadurch gewisse Anpassungsverluste, die bei dezentraler Lenkung eintreten, vermieden werden können" 3 . Wenn Hensel der zentral gelenkten Wirtschaft Vorteile bei der Planausarbeitung zugesteht, so hegt er zugleich Zweifel daran, daß die Planaufgaben effektiv realisierbar seien und das „Rationalitätsprinzip" im Sozialismus durchgesetzt werden könne. Das Haupthindernis für die Durchsetzung des „Rationalitätsprinzips" sieht er in der Schwierigkeit, das sogenannte Subordinationsproblem zu lösen. Der Grundgedanke dieses konstruierten Problems liegt bei Hensel darin, daß die „Absichten sämtlicher an der Planverwirklichung beteiligter Personen den Absichten der einen politischen Führung zu subordinieren (sind)" 4 . Die T a t sache, daß die „Absichten" der die sozialistische Gesellschaft lenkenden Organe der konzentrierte, zusammengefaßte Ausdruck der objektiven Interessen und Bedürfnisse aller Mitglieder und Schichten der sozialistischen Gesellschaft ist, läßt sich in dem primitiven Schema dieses bürgerlichen Theoretikers, nach dem die Verwaltung von einem Zentrum aus so dargestellt wird, als werde den Planausführenden der Wille des Zentrums aufgezwungen, nicht unterbringen. Nach Honsels Auffassung ist die politische Führung innerhalb der „Zentralverwahungswirtschaft" vor die Schwierigkeit gestellt, dieses Subordinationsproblem durch alle wirtschaftsleitenden Instanzen hindurch, bis hin zu den unmittelbar produzierenden Werktätigen, zu lösen. Von der Durchsetzung dieses Prinzips macht er die wirtschaftliche und politische Stabilität der sozialistischen Gesellschaft überhaupt abhängig. So schreibt er: „ E i n Wirtschaftssystem zentraler Planung ist wegen der notwendigen Zentralisierung wirtschaftlicher Willensbildung chronisch labil. Stabilität eines solchen Systems ist nur gewährleistet, wenn alle in Wirtschaft, Gesellschaft und S t a a t möglichen Formen von Macht in den Händen der politischen Führung konzentriert sind. J e weniger dies gelingt, um so größer ist die Gefahr konkurrierender Willensbildung." 5 Hier paßt sich die einfältige Interpretation aller gesellschaftlichen Prozesse als Kampf bestimmter sozialer Gruppen um die autoritäre Macht voll und ganz in die Belange des Antikommunismus ein, zu dessen Hauptzielen gehört, die Labilität der sozialistischen Gesellschafts- und Wirtschaftsorganisation nachzuweisen. Als 3 E b e n d a , S. 209. 4 E b e n d a , S. 211. 5 Fritz Blaich/Ingomar . B o g / G e r n o t G u t m a n n / K . Paul Ilensel, W i r t s c h a f t s s y s t e m e zwischen Zwangsläufigkeit und Entscheidung, S t u t t g a r t 1971, S. 11.
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Beispiel f ü r die „innere L a b i l i t ä t " des Sozialismus k a n n Hensel lediglich auf die gescheiterten konterrevolutionären Diversionen in einigen sozialistischen L ä n d e r n verweisen. Dabei e r w ä h n t er m i t keinem W o r t das am weitesten fortgeschrittene L a n d dieses Systems, die Sowjetunion, wo doch angesichts des riesigen Territoriums u n d der kolossalen A u s m a ß e der W i r t s c h a f t der A u f b a u der „ W i r t s c h a f t s hierarchie" die größten Schwierigkeiten aufweisen m ü ß t e . I n Wirklichkeit h a t die Verwirklichung des demokratischen Zentralismus als Prinzip der sozialistischen Leitung u n d P l a n u n g m i t diesem sinnlosen Schema k n e c h t e n d e r Subordination nichts gemein. Nur ein bürgerlicher Theoretiker, der die sozialistische P r a x i s nicht zur Kenntnis nehmen will, k a n n das vielgestaltige Z u s a m m e n w i r k e n der verschiedenen E l e m e n t e der sozialistischen W i r t s c h a f t bei der Aufstellung u n d Verwirklichung der Pläne als primitiven „Befehlsdurchlauf von oben n a c h u n t e n " betrachten. Im Bericht des ZK der S E D an den I X . P a r t e i t a g der S E D h e i ß t es: „Auch in den vor uns liegenden J a h r e n werden wir stets d a v o n ausgehen, d a ß Leitung, Planung u n d ökonomische Stimulierung eine u n t r e n n b a r e E i n h e i t m i t der Initiative der Arbeiterklasse, der Genossenschaftsbauern u n d aller a n d e r e n Werktätigen bilden müssen. . . . Das planmäßige organisierte Zusammenwirken T a u s e n d e r von Kollektiven in den Betrieben u n d Einrichtungen der Volkswirtschaft gehört zu den größten Vorzügen des Sozialismus." 6 E b e n diesen klar erkennbaren Vorzug wollen die Schöpfer der wirklichkeitsfremden Schemata der „ Z e n t r a l v e r w a l t u n g s w i r t s c h a f t " nicht w a h r h a b e n . Natürlich m u ß die Plankoordinierung in vertikaler u n d horizontaler Hinsicht ständig weiterentwickelt werden, u n d in allen sozialistischen L ä n d e r n wird s t ä n dig d a r a n gearbeitet. So sind in der U d S S R b e d e u t s a m e M a ß n a h m e n zur Vervollkommnung der P l a n u n g getroffen worden (Verbesserung des Kennziffernsystems auf allen Planungsebenen, Verstärkung der Rolle der Pläne der einzelnen Wirtschaftszweige, Verbesserung der Planungsmethodik). Zur weiteren Vervollkommnung der sozialistischen P l a n u n g gehören u. a. die A u s a r b e i t u n g v o n K o m p l e x p r o g r a m m e n f ü r verschiedene Bereiche der Volkswirtschaft u n d des gesellschaftlichen Lebens, die A n w e n d u n g von mathematisch-ökonomischen Modellen in der Volkswirtschaftsplanung, Probleme der P l a n u n g des technischen Fortschritts u n d der Verbindung der Perspektivplanung m i t der ökonomischen Stimulierung. Weitere Einwände, die K. P a u l Hensel bezüglich der W a h r u n g des „ R a t i o nalitätsprinzips" bei der Planrealisierung erhebt, betreffen Aspekte der H o m o genität des sozialistischen Planungssystems. So k o n s t r u i e r t er einen Gegensatz zwischen der zentralen Planaufstellung u n d der Planrealisierung in den Betrieben. Die A b s t i m m u n g zwischen beiden Ebenen sei zeitaufwendig u n d u m s t ä n d l i c h u n d 6
Bericht des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands an den I X . Parteitag der S E D . Berichterstatter: Genösse Erich Honecker, Berlin 1976, S. 84.
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für die ökonomische E f f e k t i v i t ä t des S y s t e m s von Nachteil. Auch in der Beurteilung dieses Aspekts der sozialistischen Planung o f f e n b a r t Hensel wenig Kenntnisse über die sozialistische Wirklichkeit. Planaufstellung und Planrealisierung sind durchaus keine voneinander isolierten Prozesse. Die entscheidende Rolle bei der Erarbeitung der Planentwürfe spielen die unmittelbaren Produzenten, ganz zu schweigen davon, daß der Plan ohne d a s zielbewußte Handeln der Betriebe, Produktionsvereinigungen und K o m b i n a t e nicht erfüllt werden kann. Ganz offenkundig übersieht Hensel, daß zu den wesentlichen Elementen des S y s t e m s der sozialistischen Leitung und Planung die wirtschaftliche Rechnungsführung gehört, deren Zweck gerade darin besteht, d a s Prinzip der ökonomischen Rationalität auf betrieblicher Ebene verwirklichen zu helfen. Die P r a x i s des sozialistischen A u f b a u s zeigt, daß sich die Vergesellschaftung der Produktion im g e s a m t s t a a t lichen Maßstab mit einer relativen Selbständigkeit der einzelnen Produktionseinheiten vereinbaren läßt. Die wirklichkeitsfremden Vorstellungen von einer strengen, einseitigen Unterordnung der verschiedenen Ebenen der sozialistischen Wirtschaft verbinden sich in Hensels Konzeption mit einer verfälschten Darstellung der Rolle und F u n k tion des Menschen in der sozialistischen Gesellschaft. F ü r Hensel ist nur im Idealmodell von der „ M a r k t w i r t s c h a f t " und in dem ihm nahekommenden Wirtschaften der kapitalistischen Länder dem wirtschaftenden Individuum höchstmögliche Handlungsfreiheit garantiert. Dagegen sei in der „Zentralverwaltungswirtschaft" und in dem mit ihr vergleichbaren „Sozialismus sowjetischen T y p s " die Initiative auf die Leistungssteigerung eingeengt, unter sozialistischen Bedingungen habe der Mensch nur die eine A u f g a b e — eine hohe Arbeitsproduktivität anzustreben. Der prinzipielle Gegensatz zwischen K a p i t a l i s m u s und Sozialismus besteht aber gerade darin, daß im Sozialismus der Mensch Schöpfer der mateiiellen Werte und E i g e n t ü m e r der Produktionsmittel zugleich ist. D a s bedingt auch seine immer aktiver werdende Rolle bei der L ö s u n g der entscheidenden Produktionsaufgaben. Unter kapitalistischen Produktionsverhältnissen h a t die ausgebeutete Mehrheit der Bevölkerung passiv den Willen des K a p i t a l s und seiner Diener auszuführen. U n d was den kapitalistischen Unternehmer betrifft, so ist seine scheinbar so „uneingeschränkte Handlungsfreiheit" erstens durch die wirtschaftliche Anarchie und zweitens durch die egoistischen Ziele seines Handelns stark eingeengt. E i n weiteres Hindernis f ü r die praktische Realisierbarkeit des Rationalitätsprinzips im Sozialismus sieht Hensel darin, daß der wirtschaftende Mensch keine Möglichkeit zu ständiger effektiver Kontrolle über die Wirtschaft habe. Diese Kontrolle wirke „ m e i s t nur sporadisch und l a n g s a m , und ihre Wirkung ist nicht durchweg gewährleistet" 7 . Hierin sieht Hensel einen der wichtigsten Aspekte, auf den er später z u r ü c k k o m m t , u m seine Darlegungen über den „ Z w a n g z u m wirtschaftspolitischen E x p e r i m e n t innerhalb der Zentralverwaltungswirtschaft" zu 7
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K. Paul Hensel, Einführung in die Theorie der Zentralverwaltungswirtschaft, a. a. 0., S. 212.
begründen. Der Beweis dafür, wie unhaltbar Hensels Thesen über die angebliche Unfähigkeit der Gesellschaft, ihre Wirtschaft zu kontrollieren, sind, wird von der Praxis des wissenschaftlichen Sozialismus selbst geliefert: von den grandiosen wirtschaftlichen Aufgaben, die sich die sozialistischen Länder in all den J a h r e n ihres Bestehens bewußt gestellt und gelöst haben. © Ö Die Elemente der Erfahrung, auf die sich Hensel stützt, sind eher Erfahrungen der bürgerlichen Gesellschaft, die in der T a t nicht imstande ist, ihre Wirtschaft unter Kontrolle zu halten. Hensel überträgt diese Mängel völlig unmotiviert auf die sozialistische Gesellschaft. Der Aufgabe, die Konzeption von der „Zentralverwaltungswirtschaft" den neuen Bedingungen des K a m p f e s zwischen den beiden Weltsystemen weiter anzupassen, unterzogen sich auch andere bürgerliche Theoretiker. Zu den Neuerungen, die der Theorie der „Zentralverwaltungswirtschaft" in der Nachkriegszeit hinzugefügt wurden, gehört die von Karl C. Thalheim stammende Unterscheidung zwischen der „Zentralverwaltungswirtschaft" auf der B a s i s des Privateigentums an den Produktionsmitteln (womit beispielsweise die Wirtschaft des faschistischen Deutschlands gemeint war) und der „Zentralverwaltungswirtschaft sowjetischen T y p s " , die Thalheim zufolge später auch auf die anderen sozialistischen Länder übertragen worden sei. In dieser Gegenüberstellung von zwei Varianten der „Zentralverwaltungswirtschaft" erreicht die Absurdität der bürgerlichen Methodologie, die die Wirtschaftstypen formal nach Zentralisationsund Dezentralisationsmerkmalen unterscheidet, den Höhepunkt. Der unwissenschaftliche Terminus „Zentralverwaltungswirtschaft sowjetischen T y p s " läßt erkennen, daß die Theorie der „Zentralverwaltungswirtschaft" eine noch deutlichere antisowjetische Richtung erhalten hat. Zugleich sollte damit der Boden für kritische Einschätzungen der faschistischen Wirtschaftspraxis eingeengt werden. Thalheim rückt den reaktionären, apologetischen Gehalt dieser Konzeption bewußt in den Vordergrund. Seine Anhänger setzen dann den logischen Schlußpunkt unter diese These, indem sie die „Zentralverwaltungswirtschaft" mit gesellschaftlichem Eigentum an den Produktionsmitteln als „gefährlichsten" Wirtschaftstyp hinstellen. Die „Zentralverwaltungswirtschaft sowjetischen T y p s " ist nach Thalheim durch folgende Grundelemente gekennzeichnet 8 : 1. Thalheim wertet die zentrale Planung und Leitung der Volkswirtschaft einfach deshalb als Mangel, weil nicht der kapitalistische Marktmechanismus und die auf dem Markt zustande kommenden Preise die Regulierungsfunktion ausüben. E r wirft also der „Zentralverwaltungswirtschaft sowjetischen T y p s " vor, daß sie mit dem Kapitalismus nichts gemein hat. 2. Der grundlegenden sozialökonomischen Umwälzung, die in der Beseitigung des Privateigentums an den Produktionsmitteln besteht, verleiht Thalheim eine 8
Karl C. Thalheim, Die Wirtschaft der Sowjetzone in Krise und Umbau, Berlin (West) 1964, S. 211.
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unverhohlen antikommunistische Stoßrichtung, indem er sie nur als Merkmal der „Wirtschaft sowjetischen T y p s " ausgibt. Die Begründer des wissenschaftlichen Sozialismus haben die Notwendigkeit der Abschaffung des Privateigentums an den Produktionsmitteln schon vor über 100 Jahren nachgewiesen. Alle Länder, die entschlossen den sozialistischen Weg eingeschlagen haben, folgen dieser allgemeinen Gesetzmäßigkeit der gesellschaftlichen Entwicklung. Dabei wurde das Privateigentum an den Produktionsmitteln in den einzelnen sozialistischen Ländern in unterschiedlicher Art und Weise abgeschafft. So wurde beispielsweise in der D D R ein erheblicher Teil der Produktionsmittel (besonders in der Leichtindustrie) in einem längeren Prozeß über die Bildung von halbstaatlichen Betrieben in gesellschaftliches Eigentum überführt. Thalheim verfolgt mit seinen Darstellungen den Zweck, die Volkswirtschaftsplanung von der Vergesellschaftung der Produktionsmittel zu trennen und nachzuweisen, daß es in der Realität auch Modelle geben könne, die Planmäßigkeit mit Privateigentum oder Marktwirtschaft mit gesellschaftlichem Eigentum verbinden. 3. Zum Wesenszug der „Zentralverwaltungswirtschaft sowjetischen T y p s " erklärt Thalheim weiter „ d a s Streben nach Maximierung des Wirtschaftswachstums als wichtigstes Ziel der zentralen Planung, und zwar unter einseitiger Ausrichtung dieser Wachstumspolitik auf die Schwerindustrie". Mit dieser Behauptung versucht Thalheim, die sozialistische Planwirtschaft gleich in doppelter Weise zu diffamieren: zunächst in der Form, daß er dem Sozialismus eine Wachstumspolitik um ihrer selbst willen unterschiebt, zum anderen, indem er die Wachstumspolitik einseitig auf die Produktion von Produktionsmitteln und auf die Rüstungsindustrie ausgerichtet wissen will. Das Ziel des sozialistischen Wirtschaftens ist eindeutig im ökonomischen Grundgesetz des Sozialismus fixiert. D a s Wirtschaftswachstum ist der immer besseren Befriedigung der Bedürfnisse der Menschen untergeordnet. So stellte Erich Honecker bereits auf dem V I I I . Parteitag fest: „ F ü r unsere Gesellschaft ist die Wirtschaft Mittel zum Zweck, Mittel zur immer besseren Befriedigung der wachsenden materiellen und kulturellen Bedürfnisse des werktätigen Volkes." 9 Aber warum unterstellt Thalheim den sozialistischen Ländern anstelle der Sorge um den Wohlstand aller Mitglieder der Gesellschaft blinden Ökonomismus? E r muß es tun, um die Vorzüge der sozialistischen Planwirtschaft gegenüber der kapitalistischen Wirtschaft, in der die Ausweitung der Produktion von Profitjagd diktiert wird, zu verwischen. In den sozialistischen Ländern werden die Proportionen des Produktionswachstums vom Gesetz der planmäßigen proportionalen Entwicklung der Volkswirtschaft und von den Aufgaben bestimmt, die die ständige Festigung der materiell-technischen Basis, die Erhöhung des Wohlstands und die allseitige Entfaltung der Mitglieder der sozialistischen Gesellschaft stellen. 9 Bericht des Zentralkomitees an den V I I I . P a r t e i t a g der Sozialistischen E i n h e i t s p a r tei Deutschlands, Berichterstatter: Genosse Erich Honecker, Berlin 1971, S. 39.
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Ungenauigkeiten, die bei der Planung der Proportionen unterlaufen, sind auf Mängel bei der Ausnutzung der ökonomischen Gesetze des Sozialismus, besonders des Gesetzes der planmäßigen proportionalen Entwicklung der Volkswirtschaft, zurückzuführen und dem sozialistischen System in keiner Weise immanent. Die Partei der Arbeiterklasse stellt ganz bewußt die hohe Qualität der Pläne in den Vordergrund. „Sie beeinflußt, wie wir wissen, maßgeblich die Arbeitsfreude sowie das politische Klima in den Betrieben und das Vertrauen der Werktätigen zur sozialistischen Planwirtschaft." 1 0 Thalheim erstreckt seine Darstellung von der „ZentralverwaltungsWirtschaft sowjetischen Typs" auch auf das Wirtschaftssystem der DDR. 1 1 So spricht er im Vorwort zu J . Hoffmanns Buch „Zentralverwaltungswirtschaft am Beispiel der D D R " 1 2 von einer „. . . in der Sowjetunion entwickelten Zentralverwaltungswirtschaft sowjetischen Typs, die Schritt für Schritt auf Mitteldeutschland (die DDR - K. M.) übertragen wurde". 1 3 Mit der Diffamierung der sozialistischen Wirtschaft als einer von außen aufgezwungenen „Zentralverwaltungswirtschaft sowjetischen T y p s " wird der Zweck verfolgt, die R G W - S t a a t e n als Satelliten der Sowjetunion hinzustellen. Nach Thalheims Logik sollten sich diese Länder um ihrer eigenen Entwicklung willen von dem „sowjetischen Modell" abwenden, was durchaus nicht Rückkehr zum Kapitalismus bedeuten müsse; denn es gäbe auch andere Modelle. Die mehr oder weniger deutliche Werbung f ü r diese Modelle und ihre Konfrontation mit den allgemeinen Gesetzmäßigkeiten des wissenschaftlichen Sozialismus bilden so etwas wie eine „Reserve" der bürgerlichen Theoretiker, wenn der offenen Apologie des Kapitalismus der Erfolg versagt bleibt. Die Herausbildung der sozialistischen Gesellschaftsordnung in den verschiedenen Ländern, die den allgemeinen Gesetzmäßigkeiten der sozialökonomischen Entwicklung bei gleichzeitiger Beachtung der Besonderheiten jedes Landes folgte, h a t mit dieser Art von Theorien absolut nichts gemein. Es ist natürlich, daß, dem Geist des proletarischen Internationalismus entsprechend, auf die historischen Erfahrungen der Sowjetunion zurückgegriffen wurde. Um den W e r t dieser Erfahrungen und deren Eignung f ü r andere Länder in Zweifel zu stellen, wird eine Theorie der „Krise der Zentralverwaltungswirtschaft sowjetischen T y p s " in Umlauf gesetzt. Erste Ansätze dieser Theorie finden sich in einer 1962 erschienenen Arbeit Thalheims mit dem Titel „Grundzüge des sowjetischen Wirtschaftssystems". Ausführlicher ist er zwei J a h r e später in seiner Schrift „Die W i r t s c h a f t der Sowjetzone in Krise und U m b a u " auf diese Frage eingegangen. 1 4 10 Ebenda, S. 55. 1 1 Karl C. Thalheim, Die Wirtschaft der Sowjetzone in Krise und Umbau, a. a. O., S. 11. 12 Vgl. Karl C. Thalheim, Vorwort zu: Joachim Hoffmann, Zentralverwaltungswirtschaft am Beispiel der DDR, 2. Auflage, Frankfurt a. M.-Berlin (West)-München 1969. 13 Ebenda, S. 5. 14 Vgl. Karl C. Thalheim, Die Wirtschaft der Sowjetzone in Krise und Umbau, a. a. O.
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Um den „Nachweis" solcher Krisen in der„Zentralverwaltungswirtschaft sowjetischen T y p s " zu erbringen, liefert Thalheim zunächst eine völlig verzerrte und unbestimmte Darstellung des Begriffs „Wirtschaftskrise". So schreibt er, die Wirtschaftsgeschichte zeige, „daß Krisen keineswegs immer nur konjunkturelle Krisen sind. Der Begriff der Krise muß dann allerdings weiter gefaßt werden; er wird hier verstanden im Sinne schwerer Gleichgewichtsstörungen im Wirtschaftsa b l a u f . " 15 Somit ordnet Thalheim jede tiefgreifende Zerrüttung des Wirtschaftslebens, gleich zu welcher Zeit und durch welche Faktoren bedingt, seinem Krisenbegriff unter. Diesem Begriff sind nach Thalheim beispielsweise auch Hungersnöte infolge von Mißernten, die Zerrüttung des wirtschaftlichen Lebens durch Kriege, Seuchen und dgl. zuzurechnen. Unter „Wirtschaftskrise" werden jedoch selbst in der bürgerlichen politischen Ökonomie festumrissene ökonomische Phänomene verstanden, die mit periodischen Erschütterungen verbunden sind, die durch den besonderen Charakter der Wirtschaftsweise bewirkt werden. Thalheim muß selbst eingestehen, daß es erstens „Konjunkturschwankungen im engeren Sinne und damit auch Krisen spezifisch konjunktureller Natur in einer zentral geplanten Wirtschaft nicht geben kann (und) der Konjunkturzyklus offenbar die spezifische Erscheinung einer marktwirtschaftlichen Ordnung (ist)" und daß zweitens „wirtschaftliche Gleichgewichtsstörungen in der Zentralverwaltungswirtschaft sowjetischen T y p s nicht zur Arbeitslosigkeit zu führen brauchen" 1 6 . Als typische Fälle einer Krisensituation in der „Zentralverwaltungswirtschaft sowjetischen T y p s " nennt Thalheim die Nichterfüllung wesentlicher Planaufgaben und das Auftreten ernster, länger dauernder Versorgungsstörungen. Die Interpretation dieser unterstellten Erscheinungen reduziert sich bei Thalheim auf gehaltlose deklarative Behauptungen derart, daß „Unzulänglichkeiten der Planungsmethodik" sowie „ungenügende Information der Planungsstellen über die Bedarfsstruktur" und „geringe Beweglichkeit und Elastizität des Planungssystems" 1 7 zu ökonomischen Krisenerscheinungen führen. Das Auftreten von Planungsmängeln ist von den marxistischen Ökonomen nie betritten worden. Doch haben Planungsmängel absolut nichts mit dem Begriff „Wirtschaftskrise" zu tun. Erscheinungsformen von Wirtschaftskrisen sind, wie dies die gesamte Geschichte des Kapitalismus belegt, allgemeine Produktionseinschränkungen, Massenarbeitslosigkeit und ein erheblicher Rückgang des Lebensniveaus der Werktätigen, der Verderb und die bewußte Vernichtung riesiger Warenmengen, der Ruin vieler Unternehmen und die anhaltende Nichtauslastung der Produktionskapazitäten. Zugleich mit der Theorie der „Krisen in der Zentralverwaltungswirtschaft sowjetischen T y p s " kommen auch Doktrinen auf, die den sozialistischen Län« Ebenda, S. 26. 1« Ebenda, S. 27. « Ebenda, S. 43.
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d e m d e n Ausweg a u s den „ K r i s e n s i t u a t i o n e n " weisen sollen. Diese Rolle wird d e r K o n z e p t i o n v o m U b e r g a n g der „ Z e n t r a l v e r w a l t u n g s w i r t s c h a f t " z u r „sozialistischen M a r k t w i r t s c h a f t " beigemessen. Als A n l a ß f ü r die D e k l a r a t i o n e n v o n einem sich e n t f a l t e n d e n U b e r g a n g d e r sozialistischen P l a n w i r t s c h a f t z u m „ M a r k t sozialismus" d i e n t e n die M a ß n a h m e n z u r E i n f ü h r u n g n e u e r B e d i n g u n g e n d e r W i r t s c h a f t s f ü h r u n g in d e n sozialistischen L ä n d e r n . In d e n sechziger J a h r e n w a r m i t diesen M a ß n a h m e n die sozialistische L e i t u n g u n d P l a n u n g d e r W i r t s c h a f t weiter v e r v o l l k o m m n e t w o r d e n . A u s g e h e n d von einer einseitigen u n d f a l s c h e n I n t e r p r e t a t i o n d e r E n t w i c k l u n g d e r F o r m e n d e r W i r t s c h a f t s f ü h r u n g in d e n sozialistischen L ä n d e r n , g l a u b t e n bürgerliche T h e o r e t i k e r , sie als Ü b e r g a n g z u r „sozialistischen M a r k t w i r t s c h a f t " hinstellen zu m ü s s e n . Die ersten n e n n e n s w e r t e n S c h r i f t e n bürgerlicher A u t o r e n z u r T r a n s f o r m a t i o n d e r „ Z e n t r a l v e r w a l t u n g s w i r t s c h a f t sowjetischen T y p s " in die „sozialistische M a r k t w i r t s c h a f t " w u r d e n in d e r ersten H ä l f t e d e r sechziger J a h r e v o n K a r l C. T h a l h e i m 1 8 u n d P e t e r Dietrich P r o p p v e r f a ß t 1 9 . U m die Prozesse d e r V e r v o l l k o m m n u n g des sozialistischen W i r t s c h a f t s m e c h a n i s m u s zu v e r f ä l s c h e n u n d in d a s „ n o t w e n d i g e " L i c h t zu r ü c k e n , b e h a u p t e t e n die bürgerlichen A u t o r e n , d a ß es einen U n t e r s c h i e d g e b e zwischen s y s t e m e r h a l t e n d e n u n d s y s t e m v e r ä n d e r n d e n W i r t s c h a f t s r e f o r m e n . Mit d e r T r a n s f o r m a t i o n d e r „ Z e n t r a l v e r w a l t u n g s w i r t s c h a f t " in die „sozialistische M a r k t w i r t s c h a f t " m e i n t e m a n s y s t e m v e r ä n d e r n d e R e f o r m e n . H i e r b e i soll es H e n s e l zufolge u m „eine g r u n d sätzliche Ä n d e r u n g d e r sozialistischen W i r t s c h a f t s o r d n u n g " 2 0 g e h e n . R e f o r m e n , die sich dieses Ziel n i c h t stellen, w e r d e n v o n m a n c h e n S o z i a l i s m u s i n t e r p r e t e n bürgerlichen Schlags als z u m Mißerfolg v e r u r t e i l t e H a l b h e i t e n h i n g e s t e l l t 2 1 . Die p r o v o k a t o r i s c h e n B e h a u p t u n g e n v o n einer a n g e b l i c h e n W e n d e d e r sozialistischen P l a n w i r t s c h a f t z u m „ M a r k t s o z i a l i s m u s " w e r d e n m i t V e r l e u m d u n g e n d e r Vorzüge d e s sozialistischen W i r t s c h a f t s s y s t e m s v e r k n ü p f t . So g l a u b t e K a r l C. T h a l h e i m , d a s A u f t r e t e n g r u n d l e g e n d e r E f f i z i e n z s c h w ä c h e n w ä h r e n d d e r sechziger J a h r e in d e n sozialistischen L ä n d e r n n a c h w e i s e n zu k ö n n e n , so z u m Beispiel eine V e r l a n g s a m u n g des W i r t s c h a f t s w a c h s t u m s , eine V e r r i n g e r u n g des N u t z e f f e k t s d e r I n v e s t i t i o n e n , n a c h l a s s e n d e K o n k u r r e n z f ä h i g k e i t d e r sozialistischen L ä n d e r auf d e m W e l t m a r k t u . a. n e g a t i v e E n t w i c k l u n g s t e n d e n z e n . 2 2 Die T h e s e 18
Ebenda. Bezeichnend ist, daß diese Schrift als 1. Band einer Reihe des revanchistischen sogenannten Forschungsbeirates für Fragen der Wiedervereinigung Deutschlands herausgegeben wurde. 19 Peter-Dietrich Propp, Zur Transformation einer Zentralverwaltungswirtschaft sowjetischen Typs in eine Marktwirtschaft, Berlin (West) 1964. 20 K. Paul Hensel, Zur theoretischen Begründung der Wirtschaftsreformen in Osteuropa, in: Sozialwissenschaftliche Untersuchungen, Berlin (West) 1969, S. 319. 21 Vgl. Hamburger Jahrbuch für Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik, Tübingen 1970, S. 114. 22 Vgl. Karl C. Thalheim, Östliche Wirtschaftssysteme und ihre Wandlungen, in: Beihefte der Konjunkturpolitik, Nr. 17, Berlin (West) 1970, S. 11 ff.
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von den grundsätzlichen Schwächen der W i r t s c h a f t der sozialistischen Länder ber u h t auf der A u f b l ä h u n g und verfälschenden I n t e r p r e t a t i o n b e s t i m m t e r Widersprüche u n d Schwierigkeiten, die in der damaligen wirtschaftlichen Entwicklungsetappe der sozialistischen L ä n d e r bestanden. Sie r ü h r t e n besonders aus dem Ubergang von der vorwiegend extensiven zur intensiv erweiterten gesellschaftlichen R e p r o d u k t i o n her. Die bei der Lösung dieser Aufgabe e n t s t a n d e n e n H e m m nisse als organische Mängel des Sozialismus hinzustellen, ist der Gipfel der Voreing e n o m m e n h e i t u n d Blindheit. Nebenbei b e m e r k t h a t t e n sich die sozialistischen L ä n d e r auch während dieses J a h r z e h n t s schneller u n d gleichmäßiger entwickelt als die kapitalistischen. Um neue Argumente gegen den realen Sozialismus zu finden, rücken die Theoretiker der „ Z e n t r a l v e r w a l t u n g s w i r t s c h a f t " von ihrer ursprünglichen These ab, nach der eine W i r t s c h a f t u m so effektiver sei, je n ä h e r sie d e m „ I d e a l t y p " k o m me, je konsequenter also im Fall der P l a n w i r t s c h a f t das Prinzip der direkten zentralen Weisungen befolgt werde. S t a t t dessen wird b e h a u p t e t , d a ß die konsequente Befolgung der Grundsätze der „ Z e n t r a l v e r w a l t u n g s w i r t s c h a f t " Mißerfolge zeige u n d die R ü c k k e h r zu marktwirtschaftlichen Methoden r a t s a m erscheinen lasse. Entgegen jeder Logik wird also den sozialistischen L ä n d e r n empfohlen, auf Mittel zurückzugreifen, die dem vormonopolistischen Kapitalismus mit seiner Marktregulierung entsprochen h a t t e n . Aus der Sicht des heutigen Kapitalismus, der von z u n e h m e n d e r staatsmonopolistischer Regulierung gekennzeichnet ist, gehört diese E t a p p e längst der Vergangenheit an. 2 3 Die These von der T r a n s f o r m a t i o n der „ Z e n t r a l v e r w a l t u n g s w i r t s c h a f t " in eine „sozialistische M a r k t w i r t s c h a f t " dient in der bürgerlichen politischen Ökonomie u n t e r a n d e r e m auch zur theoretischen Motivierung der Konvergenztheorie. 24 Sie wird von den Konvergenztheoretikern b e n u t z t , u m den Nachweis zu erbringen, d a ß E l e m e n t e der den Sozialismus kennzeichnenden P l a n w i r t s c h a f t mit Elementen der d e m Kapitalismus entlehnten Marktwirtschaft,, verschmelzen". Um die These von der T r a n s f o r m a t i o n der „ Z e n t r a l v e r w a l t u n g s w i r t s c h a f t " in eine „sozialistische M a r k t w i r t s c h a f t " richtig beurteilen zu können, sollte m a n auch den Charakter der Wirtschaftsreformen beachten, die während der sechziger J a h r e in den sozialistischen L ä n d e r n s t a t t g e f u n d e n h a b e n . Bei der Diskussion der neuen Bedingungen der W i r t s c h a f t s f ü h r u n g in der Presse der sozialistischen L ä n d e r h a t kein marxistischer Theoretiker die F r a g e nach der Ablösung der P l a n w i r t s c h a f t d u r c h eine M a r k t w i r t s c h a f t gestellt. So s t a n d bei der E r ö r t e r u n g d e r A u f g a b e n der W i r t s c h a f t s r e f o r m in der U d S S R stets die Vervollkommnung d e r Volkswirtschaftsplanung, der Leitung u n d der ökonomischen Stimulierung im M i t t e l p u n k t . Dabei ging es d a r u m , auf der Basis des erreichten Entwicklungsstandes der P r o d u k t i v k r ä f t e die Vorzüge des Sozialismus noch besser zu nutzen 23 Vgl. Harry Nick, Gesellschaft und Betrieb im Sozialismus, Berlin 1970, S. 116 ff. 24 Vgl. A. Schick, Konvergenz v o n Zentralverwaltungswirtschaft und Marktwirtschaft. Eine Erörterung am Beispiel der Bundesrepublik, Jugoslawiens und der D D R , in: Aussprache 1971, 21. Jg., S. 29 ff.
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und die Effektivität der gesellschaftlichen Produktion in der gegebenen E t a p p e des Aufbaus des Kommunismus noch schneller zu steigern. Bei der Wirtschaftsreform in der D D R ging es im wesentlichen um die gleichen Prozesse: um die Anwendung der sozialistischen Prinzipien in der Wirtschaft unter den konkreten Gegebenheiten dieses Landes. Nur Theoretikern, die unfähig sind, die Grenzen zu überwinden, deren Ausdruck die Kategorien der heutigen bürgerlichen Ökonomie sind, kann die Anwendung von ökonomischen Hebeln und Stimuli für die Vervollkommnung der wissenschaftlichen Leitung der gesellschaftlichen Wirtschaft (auf der Grundlage der immer besseren Erkenntnis der Gesetzmäßigkeiten des sozialistischen Reproduktionsprozesses) als Übernahme von kapitalistischen Methoden erscheinen. Was die effektivere Ausnutzung der Ware-Geld-Beziehungen im Sozialismus betrifft, so ist dies in der T a t eine (wenn auch nicht die einzige) Aufgabe der wirtschaftlichen Maßnahmen in den sozialistischen Ländern. Die Notwendigkeit, die Ware-Geld-Beziehungen und die Wertkategorien im Sozialismus anzuwenden, wird durch die gesamte Praxis des wirtschaftlichen Aufbaus bestätigt, auch unter den Verhältnissen des entwickelten Sozialismus in der U d S S R . D a s produzierte, für die Verteilung und Verwendung bestimmte gesellschaftliche Produkt und das Nationaleinkommen der sozialistischen Gesellschaft muß der Bedürfnisstruktur der Endverbraucher immer mehr angepaßt werden. Eine teilweise Nichtübereinstimmung zwischen der Struktur von Produktion und Konsumtion wird vor allem durch die detaillierte Analyse des sozialistischen Marktes mehr und mehr abgebaut. Daher gewinnen Methoden einer wissenschaftlichen Bedürfnisanalyse für den Wohlstand der Werktätigen und die sozialistische Lebensweise immer größere Bedeutung. Zugleich läßt sich der sozialistische Markt, die Zirkulationsphase des gesellschaftlichen Reproduktionsprozesses, immer besser und wirksamer in die wissenschaftliche Planung einordnen. Die „sozialistische Marktwirtschaft" ist also nicht mehr als eine Fiktion bürgerlicher Sozialismuskritiker der Gegenwart. Wie bereits erwähnt, zwingen die Erfolge, die mit der planmäßigen wirtschaftlichen Entwicklung in den sozialistischen Ländern erzielt wurden und werden, die bürgerlichen Sozialismuskritiker zu Korrekturen und Erweiterungen der Theorie der „Zentralverwaltungswirtschaft". Hierzu gehört auch die von K. Paul Hensel propagierte These von einem „Zwang zum wirtschaftspolitischen Experiment in zentral gelenkten Wirtschaften". 2 5 Soweit es um die Möglichkeit geht, in der gesellschaftlichen Wirtschaft diese oder jene Formen der Planung und der materiellen Stimulierung sowie den Einsatz von bestimmten Erzeugnissen in Betrieben, Zweigen und Konsumtionsbereichen zu erproben, wird wohl jeder unvoreingenommene Ökonom darin einen 25
Vgl. K. P a u l Hensel, Der Zwang zum wirtschaftspolitischen E x p e r i m e n t in zentralgelenkten Wirtschaften, in: J a h r b ü c h e r für Nationalökonomie und S t a t i s t i k , B d . 184, S t u t t g a r t 1970, S. 3 4 9 f f .
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Vorzug der sozialistischen Wirtschaft erblicken. Ganz anders aber sieht dieses Problem für die bürgerlichen Sozialismustheoretiker aus. Der „Zwang zum Experiment" bedeutet in ihrem Verständnis, daß die sozialistische Gesellschaft bei der Lösung aller Probleme sozialer und wirtschaftlicher Art zunächst mehrere Mißerfolge hinnehmen müsse und erst dann die mehr oder weniger richtige Lösung finden könne. Dabei sollen sich diese mißlungenen „Experimente" aus unerfindlichen Gründen stets auf das ganze Land erstrecken. Hensel schreibt: „Tatsächlich ist die Wirtschaftspolitik in allen sowjetischen Ländern charakterisiert durch außerordentlich häufige Kurswechsel . . . , bei denen die soeben eingeführte Reform nach wenigen Jahren durch eine neue Reform abgelöst wird. Die Geschichte der Wirtschaftspolitik in diesen Ländern ist eine Geschichte der Experimente. Es scheint, als ob in den Wirtschaftssystemen zentraler Planung mit Staatseigentum an den Produktionsmitteln, staatlich gesetzten Leistungsanreizen und staatlichen Kontrollen der Leistungen und der Interessen ein Systemzwang zum Experiment bestünde." 26 Die wirtschaftspolitischen Experimente in den „zentral gelenkten Systemen sowjetischen Typs" werden Hensel zufolge in folgenden Richtungen betrieben 2 7 : Dezentralisierung und Zentralisierung der Kompetenzen; Übertragung von Entscheidungsbefugnissen auf Regional- und Zweigorgane; Preisreformen einschließlich Veränderungen des Preistyps ¡ Reformen des Plankennziffernsystems. Die sozialistische Gesellschaft ist, ihrem inneren Wesen gemäß, in der Tat daran interessiert, die Planung und Leitung der Volkswirtschaft ständig zu verbessern. Doch hat dieser Prozeß der ständigen Vervollkommnung, wie er sich in allen sozialistischen Ländern vollzieht, mit jener primitiven „trial-and-error-"Methode, wie sie der sozialistischen Gesellschaft von den bürgerlichen Theoretikern unterstellt wird, nichts gemein. Um ihre unhaltbaren Vorstellungen zu belegen, scheuen sich die bürgerlichen Theoretiker auch nicht, den „mißlungenen Experimenten" solche Formen und Methoden der Wirtschaftsführung zuzurechnen, die inzwischen abgelöst wurden, seinerzeit aber eine sehr positive Rolle gespielt h a t t e r . Die periodische — unter bestimmten Redingungen auch beschleunigte — Ablösung wirtschaftlicher, organisatorischer und anderer Formen ist in einer sozialistischen Wirtschaft völlig normal und gesetzmäßig. Alle sozialistischen Länder haben mit dem Übergang zur planmäßigen Organisation des gesellschaftlichen Reproduktionsprozesses große wirtschaftliche Fortschritte erzielen können — ein Phänomen, das in der ganzen bisherigen Wirtschaftsgeschichte nicht seinesgleichen findet. Damit werden auch höhere Anforderungen an die Wirtschaftsorgane der sozialistischen Gesellschaft bezüglich der Formen und Methoden der Leitung und Planung gestellt. So ging es in der DDR während der Zweijahresplanperiode (1948—1950) und des ersten Planjahrfünfts (1950—1955) in erster Linie darum, 26 Ebenda, S. 349. 27 Vgl. ebenda, S. 354.
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d e n d r i n g e n d s t e n Bedarf der B e v ö l k e r u n g a n K o n s u m g ü t e r n u n d d e n Bedarf d e r W i r t s c h a f t a n R o h s t o f f e n u n d A u s r ü s t u n g e n zu b e f r i e d i g e n . U n t e r diesen B e d i n g u n g e n m u ß t e die P l a n u n g q u a n t i t a t i v e r Größen die e n t s c h e i d e n d e Rolle in d e r z e n t r a l e n W i r t s c h a f t s p l a n u n g spielen. Die ökonomische H a u p t a u f g a b e in i h r e r E i n h e i t v o n W i r t s e h a f t s - u n d Sozialpolitik stellt h e u t e weit h ö h e r e A n f o r d e r u n g e n a n die sozialistische P l a n u n g u n d L e i t u n g d e r W i r t s c h a f t . Die I n t e n s i v i e r u n g des gesellschaftlichen R e p r o d u k t i o n s prozesses v e r l a n g t m e h r als je z u v o r , F o r m e n zu e n t w i c k e l n u n d p r a x i s w i r k s a m zu m a c h e n , die die b e s t m ö g l i c h e A u s n u t z u n g d e r ö k o n o m i s c h e n Gesetze, die B e r ü c k s i c h t i g u n g i h r e r W i r k u n g s b e d i n g u n g e n u n d die P r o g n o s e d e r ökon o m i s c h e n Verhältnisse a u s d e r Sicht d e r z u n e h m e n d e n ö k o n o m i s c h e n I n t e g r a t i o n d e r sozialistischen L ä n d e r , a u s d e r S i c h t des U m w e l t s c h u t z e s u . a. gewährleisten. D e r H a u p t i n h a l t d e r M a ß n a h m e n d e r sozialistischen S t a a t e n auf w i r t s c h a f t lichem Gebiet b e s t e h t folglich d a r i n , die Reife u n d E f f e k t i v i t ä t d e r sozialistischen W i r t s c h a f t s f ü h r u n g zu e r h ö h e n . U n z u r e i c h e n d e F o r m e n d e r W i r t s c h a f t s f ü h r u n g u n d - p l a n u n g w a r e n n a t ü r l i c h f ü r die f r ü h e n E n t w i c k l u n g s s t a d i e n des Sozialism u s e h e r t y p i s c h , als es a n E r f a h r u n g e n u n d F a c h l e u t e n m a n g e l t e u n d die wissens c h a f t l i c h e n Vorstellungen ü b e r die M e t h o d e n d e r L e i t u n g v o n W i r t s c h a f t u n d Gesellschaft noch u n e n t w i c k e l t w a r e n . D e s h a l b b e f i n d e t sich H e n s e l in k r a s s e m W i d e r s p r u c h zu d e n R e a l i t ä t e n , w e n n er S c h w ä c h e n u n d Mängel in d e r W i r t s c h a f t s f ü h r u n g zu einem Gesetz e r h e b e n will, d a s sich m i t z u n e h m e n d e r Reife d e s Sozialismus immer deutlicher abzeichne. E b e n s o frei e r f u n d e n wie d e r „ Z w a n g z u m E x p e r i m e n t " ist Honsels V o r s t e l l u n g v o n der U n f ä h i g k e i t d e r z e n t r a l e n P l a n u n g , die i m m e r v i e l f ä l t i g e r w e r d e n d e n Prozesse der m o d e r n e n P r o d u k t i o n zu erfassen. „ U m . . . die ö k o n o m i s c h e R a t i o n a l i t ä t d e r L e n k u n g des G e s a m t p r o z e s s e s v e r m i t t e l s d e r P l a n u n g zu g e w ä h r leisten — m i t a n d e r e n W o r t e n g e s a g t : u m d e n n o t w e n d i g e n g e s a m t w i r t s c h a f t l i c h e n R e c h n u n g s z u s a m m e n h a n g herstellen zu k ö n n e n —, m ü s s e n . . . so viele g ü t e r wirtschaftliche Planbilanzen ausgearbeitet und aufeinander abgestimmt werden, wie es G ü t e r a r t e n gibt, also viele Millionen . . . E s ist leicht e r k e n n b a r , d a ß diese H a u p t b e d i n g u n g ö k o n o m i s c h e r R a t i o n a l i t ä t eines S y s t e m s z e n t r a l e r P l a n u n g . . . p r a k t i s c h n i c h t e r f ü l l b a r ist. T a t s ä c h l i c h werden in d e n s o w j e t i s c h e n L ä n d e r n n u r einige H u n d e r t o d e r T a u s e n d , n i c h t a b e r H u n d e r t t a u s e n d o d e r Millionen P l a n bilanzen a u s g e a r b e i t e t . " 2 8 H i e r kritisiert Hensel eigentlich n u r d a s von i h m e r d a c h t e S y s t e m u n d n i c h t d e n realen Sozialismus, d e r e n t g e g e n d e n b ü r g e r l i c h e n H i r n g e s p i n s t e n seine P l a n w i r t s c h a f t erfolgreich e n t w i c k e l t u n d v e r v o l l k o m m n e t . Die sozialistische z e n t r a l e P l a n u n g legt die H a u p t r e l a t i o n e n u n d - p r o p o r t i o n e n des g e s e l l s c h a f t lichen R e p r o d u k t i o n s p r o z e s s e s u n d die d a m i t v e r b u n d e n e n A u s m a ß e d e r P r o d u k t i o n einiger besonders wichtiger E r z e u g n i s p o s i t i o n e n f e s t u n d ü b e r l ä ß t es d e n 2« Ebenda, S. 354-355. 77
Zweigeinheiten und Betrieben, über die Produktion der weitaus meisten E r zeugnisse und Erzeugnisvarianten selbst zu entscheiden. Die Forderung, daß von einem Zentrum aus alle konkreten Produktionskennziffern festgelegt und dabei Millionen Warenbilanzen aufgestellt werden sollen, ist nicht nur unpraktikabel, sondern auch vom theoretischen und ideologischen Standpunkt mit den Prinzipien des Sozialismus unvereinbar. Der Sozialismus unterdrückt die wirtschaftliche Initiative der Produktionseinheiten, der Arbeitskollektive und des einzelnen nicht, sondern er fördert sie in jeder Weise. Wollte man ihr schöpferisches Streben durch Reglementierung ersetzen und damit die gesellschaftliche Arbeit von Millionen Menschen in gedankenloses Befolgen von Anweisungen verwandeln, so würde man der sozialistischen Gesellschaft nur schaden. Eine übertriebene Zentralisierung der wirtschaftlichen Entscheidungen würde nicht nur zu negativen sozialen Konsequenzen führen, sondern auch zu sinkender Effektivität der gesellschaftlichen Arbeit. Nun kann Hensel natürlich nicht ignorieren, daß die sozialistische Planung überzeugende wirtschaftliche Ergebnisse gezeigt hat, obwohl die sozialistischen Länder bei der Gestaltung des Planungsmechanismus nie den Empfehlungen bürgerlicher Theoretiker gefolgt sind. Um zu erklären, wie es der sozialistischen W i r t schaft gelingt, das „Problem der Unübersehbarkeit des arbeitsteiligen W i r t schaftsprozesses" zu lösen, bringt Hensel die These von den „Hilfsverfahren der Koordination der Pläne und Hergänge" vor. Die „Nichterfüllbarkeit der theoretischen Bedingungen ökonomischer R a t i o n a l i t ä t " führe bei zentraler Planung „zu einem Bruch der immanenten Logik des Systems der Wirtschaftsrechnung". Die „Hilfsverfahren", die die Löcher im Plan stopfen, die dadurch entstanden, daß die Bilanzen die Produktion nur in aggregierter F o r m wiedergeben, sieht Hensel darin, daß die betrieblichen Pläne und das Vertragssystem in den Prozeß der E n t faltung des volkswirtschaftlichen Plansystems einbezogen werden. 2 9 Indessen sind die Pläne der sozialistischen Betriebe und das System der W i r t schaftsverträge keineswegs dazu geschaffen, die von den bürgerlichen SozialismusKritikern erfundenen Schwierigkeiten zu überdecken. Sie sind organischer B e standteil des Systems der sozialistischen Wirtschaftsführung, das die zentralen Entscheidungen schöpferisch mit der Aktivität aller Wirtschaftseinheiten verbindet. Das Vertragssystem schlüsselt die planmäßigen Beziehungen zwischen den Wirtschaftseinheiten auf und fördert damit die Stabilität des Reproduktionsprozesses. Anstatt über eine frei erfundene „Befehlswirtschaft" zu meditieren, hätte Hensel besser das komplexe System der sozialistischen Wirtschaftslenkung unvoreingenommen, analysieren sollen. Aber anstelle einer sachlichen Polemik finden wir bei Hensel nur einen ausgesprochen voreingenommenen, antisozialistischen Standpunkt. Das trifft auch auf seine Interpretation der sozialistischen Betriebspläne zu, die ganz unverkennbar den Zweck verfolgt, die These von der angeblichen Unmöglichkeit rationeller Wirtschaftsrechnung im Sozialismus 29
Vgl. e b e n d a , S. 3 5 5 .
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zu untermauern. So schreibt Hensel: „Die Einbeziehung der Betriebspläne in den Prozeß der zentralen Planung ist an sich sicherlich ein durchaus brauchbares Hilfsmittel der Plankoordination und der Entfaltung eines gesamtwirtschaftlichen Plansystems . . . Die Betriebe aber — und hierin zeigt sich der Bruch des Systems der Wirtschaftsrechnung — können den Gesamtprozeß nicht übersehen, sie können die gesamtwirtschaftlichen naturalen Knappheitsgrade nicht erkennen und müssen sich deshalb bei ihren Entscheidungen an den staatlich festgelegten Preisen orientieren, die höchstens zufällig richtig sein können." Und weiter: „ E s ist keine Gewähr gegeben, daß durch Verknüpfung der Betriebspläne mit den zentralen Plänen ein gesamtwirtschaftliches System von Plänen entsteht, in dem alle ökonomischen Größen und Hergänge zureichend koordiniert sind."30 Hensel macht also der Planung in den Betrieben die gleichen unmotivierten Vorwürfe wie der zentralen Planung. Weder mit den Plänen, wie sie die Betriebe aufstellen, noch mit der zentralen Planung lassen sich, wie er behauptet, die Bedürfnisse der Gesellschaft und des einzelnen an den verschiedenen Waren bestimmen. So kommt es dahin, daß der blindwirkende Markt und die Profitjagd die Wirtschaft richtiger orientieren als ihre planmäßige Lenkung im wissenschaftlich ermittelten Interesse der Gesellschaft und ihrer Mitglieder: Das ist die Quintessenz der Weisheiten dieser bürgerlichen Theoretiker, denen Vernunft und die Einsicht in die Grundintercssen aller von Ausbeutung freien Menschen fremd sind. Ein zweites Hauptargument, mit dem Hensel den „Zwang zum wirtschaftspolitischen Experiment" in der sozialistischen Wirtschaft glaubt nachweisen zu können, besteht darin, daß er der sozialistischen Gesellschaft einen Interessenkonflikt zwischen der Gesellschaft und ihren Mitgliedern andichtet. Die bürgerlichen Hirngespinste von der Unvereinbarkeit der gesellschaftlichen und individuellen Interessen im Sozialismus richten sich letztlich gegen die führende Rolle der kommunistischen Parteien in der sozialistischen Wirtschaftsführung und Planung. Die Praxis beweist, daß sich in dem Maße, wie die sozialistische Gesellschaft reifer wird, ein immer vielfältiger werdendes dialektisches Wechselverhältnis zwischen den gesellschaftlichen Interessen einerseits und den kollektiven und individuellen Interessen andererseits herausbildet, wobei die gesellschaftlichen Interessen das Primat haben. Das schließt Widersprüche zwischen den gesellschaftlichen und den individuellen Interessen wie auch zwischen den Interessen einzelner Schichten und Kollektive nicht aus. Doch sind derartige Widersprüche ihrem Wesen nach nichtantagonistisch, und die Gesellschaft findet in jeder E t a p p e Wege und Formen zu ihrer Lösung. Hensel aber konstruiert für die sozialistische Gesellschaftsordnung einen unlösbaren Konflikt zwischen den Interessen der Produzenten und den Interessen der Leitungsorgane. „Die politische Führung ist so Ebenda, S. 356. 79
von ihren Interessen her bemüht, bei gegebenen Einkommen die Leistungsnormen zu erhöhen; die wirtschaftenden Menschen sind bei gegebenen Einkommen daran interessiert, die Leistungsnormen nicht zu erhöhen, sondern sie gleich bleiben zu lassen oder sie gar zu mindern." 3 1 Hier demonstriert Hensel sein Unvermögen, den sozialen wie auch den wirtschaftsorganisatorischen Aspekt des Problems, das er interpretieren will, zu begreifen. Zunächst erhebt sich die Frage, wohin das mit der Erhöhung der Leistungsnormen gewonnene Mehrprodukt geht, d a s die Führung angeblich in ihrem „egoistischen Interesse" erwirkt. In einer Gesellschaft, in der es keine auf Ausbeutung beruhenden Einkommen gibt, werden mit dem Produktionszuwachs entweder die Fonds für die Verteilung nach der Arbeitsleistung oder die gesellschaftlichen Konsumtionsfonds vergrößert oder aber die Produktion erweitert. An der Korrektur der Leistungsnormen sind sowohl die Normensachbearbeiter als auch die Gewerkschaftsorganisationen und die Arbeitsbrigaden selbst beteiligt. Soweit es Mängel in dieser Arbeit gibt, wären hier die noch häufig anzutreffenden überholten, zu niedrigen Normen zu erwähnen. An ihrer Korrektur sind die unmittelbaren Produzenten selbst interessiert. Denn überholte, zu niedrige Normen wirken sich auf die Ergebnisse des Betriebes im sozialistischen Wettbewerb und folglich auf die Höhe der Prämien und anderer Formen für die Stimulierung der Produktionskollektive aus. Daß die Werktätigen häufig selbst die Initiatoren von Normenkorrekturen sind, verschweigt Hensel geflissentlich. Eine weitere „Konfliktsituation" besteht Hensel zufolge darin, daß die Menschen, die für die Erfüllung des Planes verantwortlich sind, an niedrigen Auflagen, und die Kräfte, die die Auflagen erteilen, an hohen Planziffern interessiert sind. 3 2 Hier offenbart Hensel eine extrem primitive Auffassung von Widersprüchen in der sozialistischen Planung wie von jedem Lebensprozeß, die er glaubt, in sein von der Praxis weit entferntes Schema einzwängen zu können. E s gibt sicherlich einzelne Fälle, wo man bestrebt war, die Pläne möglichst niedrig anzusetzen, um sich ein „ruhiges Leben" zu sichern. Andererseits aber ist es zu einer weitverbreiteten Praxis geworden, daß Betriebskollektive Gegenpläne anbieten, um die erteilten Auflagen zu erhöhen. Aber all dies findet vor dem Hintergrund der allgemeinen Interessiertheit der Mitglieder der sozialistischen Gesellschaft an der Entwicklung ihrer gesellschaftlichen Produktion statt. Der Plan wird nach einer breiten Diskussion der Planentwürfe fixiert, und seine Erfüllung ist ein schöpferischer Prozeß, an dem die ganze berufstätige Bevölkerung des betreffenden sozialistischen Landes beteiligt ist. Nachdem nun Hensel glaubt, nachgewiesen zu haben, daß das Betriebskollektiv einschließlich der Leitung daran interessiert ist, die Produktionsauflagen niedrig zu halten, formuliert er die Hauptursache dieser Erscheinung: das Fehlen eines effektiven Systems der Kontrolle über Leistung, Qualität, Einkommens31 Ebenda, S. 357. 32 Ebenda, S. 358.
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Verteilung u. a. So schreibt er: „ N u n ist die W i r k s a m k e i t jeder A r t von Kontrollen abhängig von den Interessenlagen der Kontrolleure selber . . . Die K o n trollorganisationen sind vielfach Lenkungs- u n d Kontrollinstanzen zugleich . . . Aus diesen ihren eigenen Interessen heraus tendieren die Kontrolleure d a z u . . . , die in den betrieblichen Plänen festzulegenden L e i s t u n g s a n f o r d e r u n g e n n i c h t zu hoch u n d die Kostenpläne nicht zu niedrig anzusetzen. D e n n n u r d a n n werden sie nach oben hin Planerfüllungen oder P l a n ü b e r e r f ü l l u n g e n melden k ö n n e n , was ihnen ermöglicht, P r ä m i e n zu kassieren u n d im Ansehen bei d e n politischen Instanzen zu steigen, ihre Aufstiegschancen zu verbessern u s w . " 3 3 „ D e r I n t e r e s senkonflikt von dem hier die Rede ist", schreibt Hensel weiter, „ b e s t e h t also zwischen den einzelnen Arbeitern bis hinauf zu den obersten F u n k t i o n ä r e n in d e r wirtschaftlichen Lenkungshierarchie auf der einen Seite — u n d d e m F ü h r u n g s gremium der P a r t e i auf der anderen Seite". 3 4 Hier stellt sich sofort die F r a g e , wie d e n n d a n n das hohe Ansehen der P a r t e i f ü h r u n g in den sozialistischen L ä n d e r n zu erklären ist, wenn sie in einem d e r a r t offensichtlichen Konflikt m i t der Gesells c h a f t stehen würde. Darauf k a n n es n u r eine A n t w o r t g e b e n : Die S t a b i l i t ä t der P a r t e i f ü h r u n g b e r u h t gerade d a r a u f , d a ß sie keine a n d e r e n Interessen h a t als die des ganzen Volkes. I m Rechenschaftsbericht des ZK der S E D an den I X . P a r t e i t a g h e i ß t es: „Bei allem, was wir f ü r die E r h ö h u n g von U m f a n g , E f f e k t i v i t ä t u n d Q u a l i t ä t der P r o d u k t i o n t u n , bei allem, was wir f ü r die S t ä r k u n g der materiell-technischen Basis unserer Volkswirtschaft u n t e r n e h m e n — stets lassen wir u n s d a v o n l e i t e n : Die Bedürfnisse der Menschen, d a s Wohl des Volkes u n d seine g r u n d l e g e n d e n Interessen an der weiteren S t ä r k u n g der sozialistischen Deutschen D e m o k r a t i schen Republik sind erstes u n d oberstes Gebot unseres H a n d e l n s . " 3 5 Wie hilflos n e h m e n sich doch angesichts der I n t e r e s s e n i d e n t i t ä t der k o m m u n i stischen Parteien u n d der Bevölkerung in den sozialistischen L ä n d e r n die Beh a u p t u n g e n Hensels vom „ Z w a n g " der politischen F ü h r u n g zu i m m e r neuen wirtschaftlichen E x p e r i m e n t e n aus, bei denen sich jedesmal herausstellte, d a ß „die Kontrolleure der Tendenz der Unwirtschaftlichkeit nicht entgegenwirken, sondern d a ß diese ihre eigenen Interessen m i t denen der K o n t r o l l o b j e k t e identifizieren. Sobald der Prozeß der Identifikation von Interessen der A k t e u r e u n d Kontrolleure zu weit fortgeschritten ist, m u ß die politische F ü h r u n g v o r h a n d e n e Kontrollorganisationen auflösen u n d neue Organisationen s c h a f f e n ; ein Prozeß, der sich in erstaunlich kurzen A b s t ä n d e n wiederholt." 3 6 Eine noch tendenziösere Auslegung der Prozesse, die sich bei der Vervoll33 Ebenda, S. 3 5 8 - 3 5 9 . 34 Ebenda, S. 359. 35 Bericht des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands an den I X . Parteitag der S E D . Berichterstatter: Genosse Erich Honecker, a. a. 0 . , S. 43. 36 Vgl. K. Paul Hensel, Der Zwang zum wirtschaftspolitischen Experiment in zentralgelenkten Wirtschaften, in: Jahrbücher für Nationalökonomie u n d Statistik, Bd. 184, a. a. 0 . , S. 359. 6
Krause/Zukov
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kommnung des Wirtschaftsmechanismus in den sozialistischen Ländern vollziehen, ist kaum vorstellbar. Seit Beginn der siebziger J a h r e hat sich eine deutliche Belebung in der bürgerlichen Literatur über die „Zentralverwaltungswirtschaft" und die damit verbundenen Probleme vollzogen. Dabei zeichnen sich neuerdings einige Nuancierungen innerhalb der Theorie der „Zentralverwaltungswirtschaft" ab, die als Anpassungsversuche dieser bürgerlichen Konzeption an die veränderten Bedingungen des ideologischen Kampfes zu werten sind. Kennzeichnend ist hier die Wende von der globalen Beurteilung aller sozialistischen Länder als „Zentralverwaltungswirtschaften sowjetischen T y p s " zu einer differenzierten Betrachtungsweise, die von dem Ziel getragen ist, das sozialistische Lager zu spalten. So stellte beispielsweise der BRD-Theoretiker Peter-Christian Ludz die reformpolitischen Maßnahmen in der Wirtschaft der D D R als konservativ-bürokratisch hin, die nach seiner Ansicht einen deutlichen Gegensatz zu der als „national-liberal" und progressiv deklarierten Reformpolitik in der C S S R bilden. 3 7 Auffällig ist auch, daß angesehene Verfechter der Theorie der „Zentralverwaltungswirtschaft" stärker dazu tendieren, Elemente der Industriegesellschaftstheorie und rechtsrevisionistischer Konzeptionen zu übernehmen, um damit den wissenschaftlichen Sozialismus wirksamer bekämpfen zu können. So hat Karl C. Thalheim in einer seiner letzten Schriften die wirtschaftlichen Probleme der D D R als „Probleme der Entwicklung einer modernen Industriewirtschaft und Industriegesellschaft" bewertet. 3 8 Hieraus wurde dann die Empfehlung abgeleitet, im Geiste der „westlichen Industriegesellschaften" von der imperativen zur indikativen Volkswirtschaftsplanung überzugehen. „An die Stelle der imperativen, direkten Planung sollten eine makroökonomische Orientierungsplanung treten, mit der grundlegende gesellschaftliche und politische Ziele aufgestellt werden sollten." 3 9 Anleihen bei rechtsrevisionistischen Doktrinen stellen wir sowohl bei Thalheim und Hensel als auch bei ihren Jüngern fest. Diese neuen Tendenzen in der Theorie der „Zentralverwaltungswirtschaft" werden wahrscheinlich weiter zunehmen, so daß die marxistisch-leninistischen Theoretiker vor der Aufgabe stehen, die diesbezüglichen kritischen Wertungen weiter auszubauen. 37
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Peter-Christian Ludz, Die Entwicklung der D D R , in: D a s 198. J a h r z e h n t , H a m b u r g 1970, S. 214. B r u n o Gleitze/Karl C. Thalheim/Hannsjörg B u c k / W o l f g a n g Förster, D a s ökonomische S y s t e m der D D R nach dem A n f a n g der siebziger J a h r e , Berlin (West) 1971, S. 75. (Wirtschaft und Gesellschaft in Mitteldeutschland, Bd. 9.) K a r l C. Thalheim, Östliche Wirtschaftssysteme und ihre Wandlungen, i n : B e i h e f t e der Konjunkturpolitik, Nr. 17, Berlin (West) 1970, S. 23.
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2. ABSCHNITT 3. K A P I T E L
Kritik der gegenwärtigen bürgerlichen und reformistischen Modelle des ..Marktmechanismus"
Die Theorie vom „Marktsozialismus" ist in den zwanziger bis vierziger J a h r e n von den Vertretern der sogenannten „neuen sozialistischen Schule" entwickelt worden. Diese nach ihren Autoren als Lange-Lerner-Modell 1 bezeichnete Konzeption h a t t e anfangs wenig Verbreitung gefunden und war in den fünfziger J a h r e n schon als der Geschichte angehörig angesehen worden. Zu Beginn der sechziger J a h r e wurde sie von bürgerlichen und revisionistischen Ideologen wiederentdeckt, um dann Ende der sechziger und Anfang der siebziger J a h r e größere Verbreitung zu erfahren. Für die Renaissance und weite Verbreitung der Theorie vom „Marktsozialismus" gibt es mehrere Ursachen, die hauptsächlich im Zusammenhang mit den realen Entwicklungsprozessen des Sozialismus und Kapitalismus und dem Kampf zwischen diesen beiden Systemen zu sehen sind. So war die Verbreitung dieser Theorie vor allem eine spezifische Reaktion auf die Errichtung des entwickelten Sozialismus in der U d S S R und die Herausbildung der sozialistischen Ordnung in einer Reihe von Ländern Osteuropas. Dabei glaubte ein Teil der bürgerlichen Theoretiker, in der Gestaltung der entwickelten sozialistischen W i r t s c h a f t eine Tendenz zur Marktwirtschaft zu erkennen; andere wiederum wiesen diese Auffassung mit Recht zurück, um zugleich dem angeblich in die Sackgasse geratenen „autoritären Sozialismus" die effektivere „westliche" Variante entgegenzuhalten. Den Anlaß für die Wiederbelebung der Hoffnungen bürgerlicher Ideologen auf eine marktorientierte Erneuerung der sozialistischen Wirtschaften bildete eine falsche Auffassung von den Maßnahmen zur Einführung neuer Bedingungen der Wirtschaftsführung in diesen Ländern. Ein weiteres Motiv für das Aktivwerden der Verfechter des „Marktsozialismus" bildeten die strukturellen Veränderungen in der kapitalistischen W i r t schaft. Die unter den Verhältnissen der wissenschaftlich-technischen Revolution zunehmende kapitalistische Vergesellschaftung der Produktion und die Entwicklung des staatsmonopolistischen Kapitalismus bringen die Regulierung der Proportionen der Reproduktion immer mehr in Widerspruch zum Marktmechanismus. Damit kommt es zu weiteren Modifizierungen der Funktionsweise der k a 1
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Eine eingehende Analyse dieses Modells ist in dem Buch „Bürgerliche und kleinbürgerliche ökonomische Theorien über den Sozialismus" (1917—1945), Berlin 1978, Kapitel 2, zu finden.
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pitaiistischen Wirtschaft, wobei die M a r k t f o r m e n mit der privatmonopolistischen u n d staatsmonopolistischen Wirtschaftsregulierung k o m b i n i e r t werden. Die Reaktion auf diese Prozesse, die eine Z u n a h m e des monopolistischen Drucks u n d eine BürokratisierungD des Wirtschaftslebens mit sich bringen und D die die Situation großer Schichten der nichtmonopolistischen Bourgeoisie verschlechtern, sind kleinbürgerliche W u n s c h t r ä u m e von einer R ü c k k e h r zu uneingeschränkter, „vollkommener" Konkurrenz, in der m a n die „ d e m o k r a t i s c h s t e " F o r m der Ressourcenverteilung, die Voraussetzung f ü r wirtschaftliche Freiheit u n d sozialen F o r t s c h r i t t zu sehen g l a u b t . U m der größeren P o p u l a r i t ä t willen wird diesen utopischen Vorstellungen verschiedentlich eine sozialistische F ä r b u n g verliehen. Soweit Theoretiker des „Marktsozialismus" wenigstens formell einräumen, d a ß eine W i r t s c h a f t bei gesellschaftlichem E i g e n t u m an den P r o d u k t i o n s m i t t e l n effektiv fungieren k a n n , gehören sie d e m linken Flügel des bürgerlichen ökonomischen Denkens an, bilden sie deren reformistische S t r ö m u n g . Die bürgerlichen Varianten der Theorie von der „ M a r k t w i r t s c h a f t " sind m i t den Konzeptionen des rechten Flügels der Sozialdemokratie eng v e r k n ü p f t . Die sozialdemokratischen Varianten des „Marktsozialismus" d r ü c k e n vor allem die Interessen der Mittelschichten der heutigen kapitalistischen Gesells c h a f t aus, die Interessen der bürgerlichen Intelligenz u n d des Teils der Kleinu n t e r n e h m e r , der zur Idealisierung der freien Konkurrenz neigt. I n den reformistischen u n d revisionistischen Modellen des „Marktsozialismus" widerspiegelt sich der Einfluß, den die bürgerliche und kleinbürgerliche Ideologie auf die Arbeiterbewegung gewonnen h a t . Methodologisch stützen sich die Theorien vom „Marktsozialismus" auf das Dogma von einer möglichen Koexistenz vieler W i r t s c h a f t s s y s t e m e , die solche E l e m e n t e wie die E i g e n t u m s f o r m e n , die Distributionsmethoden, die F o r m e n der Regulierung von P r o d u k t i o n u n d Verkauf auf verschiedene Weise kombinieren, also beispielsweise das P r i v a t e i g e n t u m mit dem P l a n u n g s m e c h a n i s m u s u n d umgek e h r t d a s gesellschaftliche E i g e n t u m mit dem M a r k t m e c h a n i s m u s . So schreibt der amerikanische Ökonom Frederic P r y o r : „Viele solide Ökonomen h a b e n sich von d e m Gedanken losgesagt, d a ß es n u r wenige verschiedene T y p e n von ökonomischen Systemen gibt, u n t e r denen jedes L a n d wählen k a n n . Sie meinen, d a ß es ein breites S p e k t r u m von Systemelementen gibt, die sich kombinieren lassen, urn ein funktionsfähiges W i r t s c h a f t s s y s t e m zu e r h a l t e n . " 2 Die H a u p t m e t h o d e zur Analyse derartiger Kombinationen sehen die bürgerlichen Theoretiker in der „hohen A b s t r a k t i o n " , mit der sich die W i r t s c h a f t s formen abstrahierend von so „ s e k u n d ä r e n " Momenten wie Klasseninhalt, Ziel der W i r t s c h a f t usw. untersuchen u n d kombinieren ließen. Das Modell vom „reinen Marktsozialismus" gehört zu den unrealistischen 2
Frederic Pryor, Property and Industrial Organization in Communist and Capitalist Nations, Indiana University Press 1973, S. 276.
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A b s t r a k t i o n e n , die f ü r eine wissenschaftliche A n a l y s e u n t a u g l i c h sind. D a s f ä n g t d a m i t a n , d a ß die „ u n e i n g e s c h r ä n k t e K o n k u r r e n z " n u r d a s t h e o r e t i s c h e I d e a l eines l ä n g s t ü b e r h o l t e n u n d d e n R e a l i t ä t e n des monopolistischen wie a u c h d e s vormonopolistischen K a p i t a l i s m u s f e r n s t e h e n d e n L i b e r a l i s m u s ist. N o c h f r a p p a n t e r ist sein u n ü b e r b r ü c k b a r e r W i d e r s p r u c h zu d e r realen F u n k t i o n s w e i s e einer wirklich gesellschaftlichen, sozialistischen W i r t s c h a f t , was selbst b ü r g e r l i c h e A u t o ren e i n r ä u m e n m ü s s e n . F r e d e r i c P r y o r schreibt, d a ß die A n a l y s e d e r W i r t s c h a f t s s y s t e m e auf s e h r h o h e r S t u f e b e t r i e b e n werde. „ E i n M a r k t s y s t e m m i t v o l l s t ä n d i ger K o n k u r r e n z , in d e m die K o o r d i n i e r u n g m i t t e l s d e r w u n d e r t ä t i g e n u n s i c h t b a r e n H a n d ' erfolgt . . . , h a t es in d e r R e i n f o r m nie g e g e b e n . " 3 Die T r e n n u n g des W i r t s c h a f t s m e c h a n i s m u s v o n seinen s o z i a l ö k o n o m i s c h e n W i r k u n g s b e d i n g u n g e n ist zu einem u n l ö s b a r e n m e t h o d o l o g i s c h e n P r i n z i p d e r bürgerlichen politischen Ö k o n o m i e g e w o r d e n . A u s d e r These, d a ß die Schlüsselpositionen in d e r m o d e r n e n Gesellschaft ihre S e l b s t ä n d i g k e i t a u f g e g e b e n h ä t t e n , wird der Schluß gezogen, d a ß sich dieser oder j e n e r W i r t s c h a f t s m e c h a n i s m u s h e u t e u n t e r beliebigen E i g e n t u m s v e r h ä l t n i s s e n k o n s t r u i e r e n lasse. So m e i n e n die österreichischen Ö k o n o m e n W i l h e l m W e b e r u n d Christian Seidl, es sei w i c h t i g , sich bei d e r U n t e r s u c h u n g der „reinen T y p e n " v o r Augen zu h a l t e n , „ d a ß d a s v o r h e r r schende L e n k u n g s p r i n z i p von der Eigentumsordnung u n a b h ä n g i g i s t " 4 . Die gleiche A u f f a s s u n g v e r t r e t e n u . a. die a m e r i k a n i s c h e n Ö k o n o m e n A l e x a n d e r E c k s t e i n , A b r a m Bergson u n d F r e d e r i c P r y o r . 5 Die angebliche „ U n a b h ä n g i g k e i t " des W i r t s c h a f t s m e c h a n i s m u s v o n d e r sozialö k o n o m i s c h e n O r d n u n g b i l d e t d e n A u s g a n g s p u n k t f ü r eine in d e r b ü r g e r l i c h e n W i r t s c h a f t s w i s s e n s c h a f t w e i t v e r b r e i t e t e K o m b i n a t i o n v o n zwei F o r m e n d e r R e s s o u r c e n v e r t e i l u n g m i t d e r gesellschaftlichen u n d p r i v a t e n E i g e n t u m s f o r m . E i n e v o n den auf diese Weise g e w o n n e n e n vier S t r u k t u r k o m b i n a t i o n e n b i l d e t schließlich die „reine sozialistische M a r k t w i r t s c h a f t " , in d e r d a s sozialistische E i g e n t u m a n d e n P r o d u k t i o n s m i t t e l n m i t d e m M e c h a n i s m u s des f r e i e n M a r k t e s verbunden wird. Das Prinzip der Kombination des „autonomen" Marktmechanismus m i t gegensätzlichen sozialökonomischen S t r u k t u r e n ist schon v o m G r u n d a n s a t z h e r völlig a b s u r d . Die H e r r s c h a f t einer historisch b e s t i m m t e n F o r m des E i g e n t u m s a n d e n P r o d u k t i o n s m i t t e l n stellt g a n z b e s t i m m t e A n f o r d e r u n g e n a n die F o r m d e r R e s s o u r c e n v e r t e i l u n g . Die s p o n t a n w i r k e n d e V e r t e i l u n g d e r R e s s o u r c e n ü b e r d e n M a r k t ist der W i r t s c h a f t s m e t h a n i s m u s , d e r d e m K a p i t a l i s m u s d e r f r e i e n K o n kurrenz entspricht. Mit d e m E i n t r i t t d e s K a p i t a l i s m u s in d a s imperialistische S t a d i u m wird dieser M e c h a n i s m u s m o d i f i z i e r t . Die freie K o n k u r r e n z g e h t in d a s M o n o p o l ü b e r , o r d 3 Ebenda, S. 349. 4 Wilhelm Weber/Christian Seidl, Die Konvergenzthese und ihre Problematik, in: Jahrbuch der Wirtschaft Osteuropas, Bd. 2, München-Wien 1971, S. 210. 5 Vgl. Comparison of Economic Systems. Theoretical and Methodological Approaches, in: University of California Press 1971.
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neí sich ihm unter und erwacht in den F o r m e n der monopolistischen Konkurrenz zu neuem Leben. Der zunehmende staatsmonopolistische Charakter des K a p i talismus und die Ausweitung des staatlichen Sektors der kapitalistischen Wirtschaft führen zu neuen strukturellen Veränderungen in diesem Mechanismus, zu dessen Element dabei die staatsmonopolistische Wirtschaftsregulicrung wird. Allerdings ist d a s alles noch kein Grund, die S a c h e so hinzustellen, als sei der heutige K a p i t a l i s m u s eine Annäherung an die zentrale Planwirtschaft unter den Verhältnissen des Privateigentums. Die H e r r s c h a f t des P r i v a t e i g e n t u m s s c h r ä n k t nicht nur die Ausmaße der bewußten Wirtschaftsregulierung ein, sie verwandelt diese Regulierung in ihr Gegenteil, in ein E l e m e n t , d a s letztlich diesem Wirts c h a f t s s y s t e m feindlich gegenübersteht, es erschüttert und die ihm innewohnenden Antagonismen zuspitzt. Der Sozialismus gestaltet in seiner reifen Entwicklungsphase die ihm entsprechende materiell-technische B a s i s und seinen spezifischen Wirtschaftsmechanismus, dessen Grundlage die planmäßige Wirtschaftsführung darstellt. Der Herrschaft des staatlichen E i g e n t u m s (Volkseigentums) an den P r o d u k tionsmitteln im Sozialismus entspricht die zentrale Festlegung der Proportionen der Reproduktion. Die Ware-Geld-Kategorien nehmen dabei eine grundsätzlich neue, eine planmäßige Bewegungsform an u n d sind zwar wichtige, jedoch nur ergänzende ökonomische F o r m e n innerhalb des Volkswirtschaftsplanes. Daß die freie Marktkonkurrenz schon f ü r den heutigen K a p i t a l i s m u s u n t a u g lich geworden ist, wird auch von bürgerlichen Wissenschaftlern wie J o h n K . Galbraith, Alee Nove u. a. vermerkt. Der britische „ S o w j e t o l o g e " Alee N o v e schreibt, daß die großen Kapitalgesellschaften eben deshalb existieren, weil die freie Konkurrenz d a s P r o f i t m a x i m u m bei den heutigen Ausmaßen der Produktion und der Betriebe nicht mehr garantieren könne. U m so weniger könne sie unter sozialistischen Verhältnissen d a s wirtschaftliche O p t i m u m sichern. 6 Die amerikanischen Ökonomen Robert C. S t u a r t und Paul R . Gregory warnen vor Versuchen, d a s reine Modell der vollkommenen Konkurrenz restaurieren zu wollen, d a es f ü r die Ressourcenverteilung in einem reifen W i r t s c h a f t s s y s t e m ungeeignet sei. 7 U m d a s Modell v o m „reinen Marktsozialismus" der Wirklichkeit näherzubringen und seine so augenfällige Untauglichkeit für die sozialistische Reproduktion zu verschleiern, konstruieren die bürgerlichen Theoretiker „ g e m i s c h t e " Wirtschaftsmodelle, die verschiedene Mechanismen f ü r die Koordinierung der Wirtschaftstätigkeit mit der Ressourcenverteilung miteinander kombinieren. S o schreibt Frederic Pryor, daß „unterschiedliche Koordinierungsmechanismen 6
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Vgl. Alee Nove, The U S S R : The Reform that Never Was, in: Reforms in the Soviet and Eastern European Economics, Massachusets 1972, S. 230; Alee Nove, Knappheit, Allokatíon und Macht, in: Macht und ökonomisches Gesetz, Erster Halbband, Berlin (West) 1973, S. 70. Vgl. Robert C. Stuart/Paul R. Gregory, The Convergence of Economic Systems. An Analysis of Structural and Industrial Characteristics, in: Jahrbuch der Wirtschaft Osteuropas, Bd. 2, München-Wien 1971, S. 440.
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nicht nur in verschiedenen Zweigen, sondern auch in einem Zweig koexistieren können"8. Die Hauptrichtung bei den gegenwärtigen Modifizierungen der Theorie der „ M a r k t w i r t s c h a f t " bilden Bemühungen, den M a r k t m e c h a n i s m u s durch die zentrale Regulierung in kapitalistischen F o r m e n wie W i r t s c h a f t s p r o g r a m m i e r u n g , indikative Planung und dgl. zu ergänzen. Viele bürgerliche Ökonomen, die unter Planung entwickelte F o r m e n der staatsmonopolistischen Regulierung verstehen, neigen d a z u , von der traditionellen bürgerlichen Alternative „ P l a n oder M a r k t " abzugehen. D a s t r i f f t nicht nur auf die heutigen Verfechter des „Marktsozialism u s " zu, sondern auch auf die Vertreter der Theorien von der „Industriegesells c h a f t " und „postindustriellen Gesellschaft" sowie der Konvergenztheorie. So behauptet der französische Vertreter der Theorie von der „Industriegesells c h a f t " R a y m o n d Aron, daß die „gemischte W i r t s c h a f t " , die Plan und Markt miteinander kombiniere, ein eigenständiges W i r t s c h a f t s s y s t e m sei. Die K o m b i n a tion von Markt und Plan ist nach Aron „kein Zwischenstadium zwischen reinem Liberalismus und völliger Planung, aber möglicherweise eine F o r m , der eine langwährende E x i s t e n z beschieden i s t " . 9 Aron beruft sich dabei auf die sowjetische Wirtschaft, die er ebenfalls zur gemischten Wirtschaft erklärt, weil sie Ware-GeldF o r m e n anwendet. Die industriell fortgeschrittenen kapitalistischen L ä n d e r werden den bürgerlichen Theoretikern zufolge ebenfalls in diese K a t e g o r i e eingeordnet, weil hier der Markt von der staatsmonopolistischen Regulierung ergänzt werde. Zu einem dieser abstrakten Modelle „ g e m i s c h t e r " Wirtschaften wird die „ i n d i k a t i v e S t e u e r u n g " erhoben, in der m a n die Zentralisierung der Informationen m i t der Dezentralisierung des E i g e n t u m s kombiniert. „Hierbei g i b t die Zentrale auf der B a s i s der Informationen der Betriebe die Orientierungsziffern vor, während es den B e trieben in gewissem Maße überlassen bleibt, diese Orientierungsziffern als Grundlage ihres künftigen Handelns zu akzeptieren oder a b z u l e h n e n . " 1 0 Bürgerliche und revisionistische Ideologen propagieren die in Frankreich und J a p a n praktizierte indikative Planung als effektivste F o r m zentralen Einwirkens auf die Wirtschaft, die den individuellen Interessen und dem S c h u t z der persönlichen Freiheit a m ehesten entspreche. Der Generalsekretär der Französischen Kommunistischen Partei, Georges Marchais, stellte in seinem Bericht an den X X L P a r t e i t a g der F K P f e s t : „ D a s , was heute in Frankreich als Planung bezeichnet wird, ist nichts anderes als der Versuch, die Entwicklung der Wirtschaft völlig den Interessen der kapitalistischen Großkonzerne unterzuordnen. Zu einer wirklichen P l a n u n g , die den Anforderun8
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Frederic Pryor, Property and Industrial Organization in Communist and Capitalist Nations, a. a. O., S. 354. Raymond Aron, Die industrielle Gesellschaft, Frankfurt a. M.-Hamburg 1964. Zitiert nach dem engl. Titel: 18 Lectures on Industrial Society, London 1968, S. 221 f. Frederic Pryor, Property and Industrial Organization in Communist and Capitalist Nations, a. a. 0., S. 352. 87
gen unserer E p o c h e entspricht, ist der K a p i t a l i s m u s nicht i m s t a n d e , weil die Produktion gesellschaftlich ist, E i g e n t u m und Wirtschaftsleitung aber p r i v a t sind."11 Nur die sozialistische Volkswirtschaft, die auf dem gesellschaftlichen E i g e n t u m an den Produktionsmitteln beruht, wird sowohl in ihren Ausmaßen wie auch in ihren Zielen zu einer wirklich nationalen Wirtschaft, indem sie die organische Einheit von gesellschaftlichen und individuellen Interessen realisiert. Aus den Bemühungen bürgerlicher Theoretiker, die Grenzen der Alternative „ P l a n oder M a r k t " zu sprengen, ist eine neue Variante des Marktsozialismus herv o r g e g a n g e n : d a s Modell einer „gemischten sozialistischen W i r t s c h a f t " . Der niederländi sehe Ökonom Willem Keizer spricht von der theoretischen und praktischen Möglichkeit des Nebeneinanderbestehens mehrerer T y p e n sozialistischer Wirtschaften. Bei ihm ist d a s „ o p t i m a l e M i s c h s y s t e m " , d a s den spontanen Markt mit der zentralen makroökonomischen Investitionspolitik kombiniert, eine „ V a r i a n t e des M a r k t s o z i a l i s m u s " 1 2 . D e m B e m ü h e n , die heutige Wirtschaft der U d S S R in der K a t e g o r i e „ g e m i s c h t e W i r t s c h a f t " unterzubringen, liegt eine vulgär-mechanistische Interpretation der Einheit von Plan und Ware-Geld-Beziehungen als Vermengung von zwei völlig unterschiedlichen Prinzipien der L e n k u n g u n d Koordinierung der W i r t s c h a f t s tätigkeit zugrunde. Doch bilden im entwickelten Sozialismus die Ware-GeldF o r m e n keinen Gegensatz und auch keine äußerliche „ E r g ä n z u n g " zur zentralen Planung, sondern eine F o r m , mit der die Wirtschaftsprozesse planmäßig verwirklicht werden. Die führende Rolle in den planmäßigen Prozessen spielt die nichtäquivalente Bewegung der Produktionsfaktoren. U n d d a die a u s dem gesellschaftlichen E i g e n t u m an den Produktionsmitteln erwachsende F o r m der Direktbeziehungen zwischen den Produzenten mit planmäßigen Ware-Geld-Beziehungen verflochten ist, verwirklicht sie sich auch in wertmäßigen F o r m e n . In den bürgerlichen Modellen der „gemischten sozialistischen W i r t s c h a f t " wird die zentrale Volkswirtschaftsplanung oft als Imitation der spontanen Marktprozesse dargestellt. D a b e i wird der Wirtschaftszentrale lediglich die F u n k t i o n zugewiesen, ausgehend von den betrieblichen Informationen über B e darf und Produktionskosten die Preise f ü r die Produktionsfaktoren u n d Waren festzulegen. I m Gefolge der Iterationen, also einer Reihe von stufenweisen A n n ä herungen, die die m a r k t t y p i s c h e Herstellung der Proportionalität über die Disproportionalität simulieren, soll dann die optimale P r o d u k t i o n s s t r u k t u r Zustandekommen. Eine derartige Interpretation des P l a n s l ä u f t letztlich darauf hinaus, auf die zentrale P l a n u n g u n d Leitung der Volkswirtschaft ü b e r h a u p t zu verzichten. Eine K o n s t r u k t i o n , nach der die sozialistische W i r t s c h a f t lediglich eine I m i t a 11
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Georges Marchais, Der Kampf der französischen Kommunisten für demokratische Wandlungen, für den Sozialismus, in: Kommunist, 4/1975, S. 108 (russ.) Willem Keizer, Soviet Quest for Economic Rationality, Rotterdam University Press 1971, S. 244-245.
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t i o n d e r freien K o n k u r r e n z ist, m a c h t d a s n e u e P r i n z i p u n d die V o r z ü g e d e r zent r a l e n V o l k s w i r t s c h a f t s l e i t u n g zu einem A b s u r d u m . S e l b s t u n t e r d e n V e r h ä l t nissen des M o n o p o l k a p i t a l i s m u s g e h t die v o n den Monopolen u n d v o m b ü r g e r lichen S t a a t v e i f o l g t e l a n g f r i s t i g e W a c h s t u m s p o l i t i k v o n d e n l a n g f r i s t i g e n V o r teilen aus, die m a n a u s d e r N u t z u n g v o n n i c h t m a r k t g e b u n d e n e n K r i t e r i e n z i e h t . 1 3 D a s h a t a u c h der b e k a n n t e bürgerliche Ö k o n o m J o h n K. G a l b r a i t h n a c h g e w i e s e n . D e r britische „ S o w j e t o l o g e " Alec N o v e s p r i c h t d a v o n , d a ß es u n m ö g l i c h sei, bei weitreichenden E n t s c h e i d u n g e n v o n P r e i s k r i t e r i e n a u s z u g e h e n . D e r s c h w ä c h ste P u n k t d e r „ i t e r a t i v e n S t e u e r u n g " liegt Nove zufolge d a r i n , d a ß „ k e i n e reale W i r t s c h a f t n u r m i t P r e i s i n f o r m a t i o n e n operieren k a n n . D a s Modell ist a u c h u n geeignet, e x t e r n e E f f e k t e , M o t i v a t i o n , die O r g a n i s a t i o n d e s E n t s c h e i d u n g s p r o zesses sowie a u c h U n s i c h e r h e i t u n d R i s i k o v e r h a l t e n in R e c h n u n g zu s t e l l e n . " 1 4 I m Sozialismus g e b e n die M a r k t k r i t e r i e n Preis, P r o d u k t i o n s k o s t e n u n d Gewinn d e n ö k o n o m i s c h e n N u t z e f f e k t d e r E n t w i c k l u n g d e r V o l k s w i r t s c h a f t u n d i h r e r Zweige n i c h t völlig wieder. Sie sind n u r in V e r b i n d u n g m i t a n d e r e n K e n n ziffern geeignet, die E f f e k t i v i t ä t d e r P r o d u k t i o n a u s z u w e i s e n . Die A r b e i t s k r ä f t e u n d materiellen R e s s o u r c e n d e r sozialistischen Gesellschaft w e r d e n e n t s p r e c h e n d d e n gesellschaftlichen B e d ü r f n i s s e n u n d auf d e r G r u n d l a g e d e r p l a n m ä ß i g e n A u s n u t z u n g des g e s a m t e n S y s t e m s d e r ö k o n o m i s c h e n Gesetze u n d K a t e g o r i e n u n d der b e t r e f f e n d e n E f f e k t i v i t ä t s k e n n z i f f e r n d e r P r o d u k t i o n z e n t r a l v e r t e i l t . D a s Modell d e r i t e r a t i v e n S t e u e r u n g , d a s der a m e r i k a n i s c h e Ö k o n o m E . N e u berger k o n s t r u i e r t h a t , g e h t v o n einer „ V e r t e i l u n g d e r E n t s c h e i d u n g s b e f u g n i s s e zwischen d e m Z e n t r u m u n d d e n B e t r i e b e n aus, bei d e r d a s Z e n t r u m d e n U m f a n g d e r I n v e s t i t i o n e n u n d d e r e n V e r t e i l u n g auf die Zweige f e s t l e g t u n d d a b e i dem K o n s u m g ü t e r m a r k t ungehinderte Entfaltungsmöglichkeiten bietet, sofern ihnen n i c h t d u r c h d e n I n v e s t i t i o n s b e r e i c h G r e n z e n g e s e t z t s i n d " 1 5 . D a s Z u s a m m e n w i r k e n d e r beiden P l a n u n g s e b e n e n , d e r M a k r o - u n d MikroÖkonomik, erfolgt in diesem Modell ebenfalls auf i t e r a t i v e m Wege. W e n n d a s Modell d e n K a p i t a l f l u ß u n d die K o n k u r r e n z zwischen d e n Zweigen a u c h e i n s c h r ä n k t , so v e r a b s o l u t i e r t es d o c h die ö k o n o m i s c h e V e r s e l b s t ä n d i g u n g d e r W i r t s c h a f t s e i n h e i t e n i n n e r h a l b des L a n d e s . E i n e völlige V e r s e l b s t ä n d i g u n g d e r B e t r i e b e u n d B e t r i e b s v e r einigungen u n d die K o n k u r r e n z zwischen ihnen i n n e r h a l b d e r Zweige m a c h e n es unmöglich, die e n t s c h e i d e n d e n w e r t m ä ß i g e n u n d n a t u r a l - s t o f f l i c h e n P r o p o r t i o n e n p l a n m ä ß i g a u f r e c h t z u e r h a l t e n , d a s sozialistische S y s t e m d e r V e r t e i l u n g n a c h der Arbeitsleistung würde untergraben. I n d e r K o n z e p t i o n d e r „ g e m i s c h t e n sozialistischen W i r t s c h a f t " sind P l a n u n d M a r k t so k o m b i n i e r t , d a ß die H a u p t r o l l e bei d e r W i r t s c h a f t s r e g u l i e r u n g i n d i r e k »3 Vgl. dazu: K. B. Kozlova/R. M. Entov, Teorija ceny, Moskau 1972, S. 227, 236. 14 Alec Nove, Knappheit, Allokation und Macht. In: Macht und ökonomisches Gesetz, Erster Halbband, a. a. O., S. 69. 15 Frederic Pryor, Property and Industrial Organization in Communist and Capitalist Nations, a. a. O., S. 352.
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t e n H e b e l n z u f ä l l t . E i n Beispiel f ü r ein d e r a r t i g e s Modell liefert die von d e m i t a lienischen Professor F r a n c e s c o Vito beschriebene „ P l a n w i r t s c h a f t m i t e i n g e b a u t e m M a r k t m e c h a n i s m u s " . H i e r sollen die z e n t r a l e n P l a n u n g s o r g a n e lediglich f ü r die allgemeine R i c h t u n g der w i r t s c h a f t l i c h e n E n t w i c k l u n g z u s t ä n d i g sein. Uber U m f a n g u n d S t r u k t u r d e r P r o d u k t i o n in den Zweigen u n d B e t r i e b e n , ü b e r die F o r m e n u n d M e t h o d e n d e r V e r g ü t u n g u n d ü b e r a n d e r e F r a g e n v o n P r o d u k t i o n u n d A b s a t z e n t s c h e i d e t d e r Zweig, die Vereinigung u n d d e r B e t r i e b selbst. Aber eine d e r a r t i g e Verteilung d e r Z u s t ä n d i g k e i t e n ist in d e r realen sozialistischen W i r t s c h a f t schon gegeben. W o r i n g l a u b t n u n d e r bürgerliche P r o f e s s o r d e n U n terschied u n d Vorzug seines S y s t e m s im Vergleich z u r sozialistischen P r a x i s sehen zu m ü s s e n ? E r sieht ihn d a r i n , d a ß die P l ä n e auf d e n verschiedenen E b e n e n u n a b h ä n g i g v o n e i n a n d e r a b g e f a ß t w e r d e n u n d die V e r b i n d u n g zwischen d e n verschiedenen E i n h e i t e n i n d i r e k t , also ü b e r den M a r k t hergestellt wird. 1 6 Diese N e u e r u n g v e r f o l g t g a n z offensichtlich d a s Ziel, die sozialistische W i r t s c h a f t d e m K a p i t a l i s m u s a n z u n ä h e r n , wo sich die P l a n m ä ß i g k e i t in d e n einzelnen U n t e r n e h m e n u n d Kapitalgesellschaften m i t der M a r k t a n a r c h i e in d e n Beziehungen zwischen ihnen v e r b i n d e t , wobei die Vorteile d e r u n t e r n e h m e n s i n t e r n e n P l a n u n g w e i t g e h e n d wieder a u f g e h o b e n w e r d e n . E i n e S p i e l a r t d e r Theorie d e r „ g e m i s c h t e n sozialistischen W i r t s c h a f t " stellt die K o n z e p t i o n des „ M a r k t s y n d i k a l i s m u s " d a r , die in d e n l e t z t e n J a h r e n v o r allem m i t d e r V e r b r e i t u n g kleinbürgerlicher a n t i e t a t i s t i s c h e r A u f f a s s u n g e n p r o p a g i e r t w o r d e n ist. D e r M a r k t s y n d i k a l i s m u s ist B e n j a m i n W a r d zufolge eine b e s o n d e r e F o r m „des Marktsozialismus, bei d e r die F a b r i k e n v o n d e n A r b e i t e r n v e r w a l t e t werd e n " 1 7 . H i e r wird die G e w i n n m a x i m i e r u n g als Ziel des B e t r i e b e s p r o p a g i e r t u n d die N a t i o n a l i s i e r u n g d e r P r o d u k t i o n s m i t t e l m i t d e r A u f t e i l u n g d e s G e w i n n s auf die B e s c h ä f t i g t e n v e r b u n d e n . 1 8 D e r N e o a n a r c h o s y n d i k a l i s m u s ist b e m ü h t , v o n d e r P r a x i s , v o n d e n E r f a h r u n g e n d e r r e v o l u t i o n ä r e n A r b e i t e r b e w e g u n g l ä n g s t widerlegte I d e e n zu n e u e m Leben zu erwecken u n d sie d e n B e d i n g u n g e n des h e u t i g e n K a p i t a l i s m u s a n z u passen. Die wegen d e r K r i t i k a m s t a a t s m o n o p o l i s t i s c h e n K a p i t a l i s m u s u n d a n d e r B ü r o k r a t i s i e r u n g des W i r t s c h a f t s l e b e n s zu P o p u l a r i t ä t g e k o m m e n e n V e r f e c h t e r d e s N e o a n a r c h o s y n d i k a l i s m u s legen als positives P r o g r a m m M a r k t m o d e l l e vor, die in d e n S c h r i f t e n d e r a m e r i k a n i s c h e n b ü r g e r l i c h e n Ö k o n o m e n B e n j a m i n W a r d u n d E v s e y D . D o m a r sowie des kleinbürgerlichen Ö k o n o m e n J a r o s l a w V a n e k a m weitesten a u s g e a r b e i t e t w o r d e n sind. Wie alle V a r i a n t e n des „ M a r k t s o z i a l i s m u s " stellen diese Modelle n i c h t s a n d e r e s d a r als h y p o t h e t i s c h e , a b s t r a k t e K o n s t r u k t i o n e n . N i c h t v o n u n g e f ä h r h a t B e n j a m i n W a r d sein m a r k t s y n d i k a l i s t i s c h e s Modell n a c h d e m s a g e n u m w o b e n e n 16
Vgl. Francesco Vito, Decentralization in a Collectivist Planned Economy, in: Comparative Economic Systems, New York 1969, S. 60. 17 Benjamin Ward, The Socialist Economy, New York 1967, S. 260. 18 Vgl. ebdenda, S. 215.
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Land „Illyrien" b e n a n n t . Auch Jaroslaw Vanek g i b t die A b s t r a k t h e i t u n d den mangelnden Realismus zu, der die syndikalistische Theorie ü b e r h a u p t u n d ihre auf dem Modell der „perfekten K o n k u r r e n z " beruhende V a r i a n t e speziell k e n n zeichnet. 1 9 Die Hauptrolle im System der ökonomischen Interessen spielen den m a r k t syndikalistischen Modellen zufolge die Gruppeninteressen der Betriebskollektive, über die letztlich die individuellen materiellen Interessen realisiert werden sollen. B e n j a m i n W a r d r ä u m t ein, d a ß das private materielle Interesse in diesem Schema die H a u p t t r i e b k r a f t der W i r t s c h a f t s t ä t i g k e i t bildet, u n d k o m m t zu dem Schluß: „Das ist die H a u p t v o r a u s s e t z u n g des Kapitalismus des laissez faire, a b e r sie wirkt in Illyrien anders, weil die Arbeiter zugleich die Verwalter sind. Sie sind sowohl am Gewinn als auch am Lohn interessiert." 20 Die I n t e r p r e t a t i o n des kollektiven ökonomischen Interesses als arithmetische S u m m e der individuellen Interessen der Beschäftigten des Betriebes entstellt das Wesen u n d die S t r u k t u r der Interessen der sozialistischen Gesellschaft. Das P r i m a t im System dieser Interessen h a t das gesellschaftliche Interesse, d a s d a r auf gerichtet ist, den produktionsseitigen u n d sonstigen Bedürfnissen der ganzen Gesellschaft u n d besonders den Anforderungen der gesellschaftlichen E n t w i c k lung zu genügen. In der Befriedigung dieser Bedürfnisse liegt der Schlüssel f ü r die H e b u n g des materiellen u n d kulturellen Lebensniveaus, also f ü r die bestmögliche Befriedigung der individuellen Bedürfnisse. Die Interessen der P r o d u k t i o n s k o l lektive sind eine spezifische F o r m des ökonomischen Interesses im Sozialismus, die sich nicht auf die arithmetische S u m m e der individuellen Interessen reduzieren läßt. Das theoretische F u n d a m e n t des Marktsyndikalismus bildet die neoklassische Produktions- u n d Distributionstheorie. Nach den vulgärapologetischen Thesen dieser Theorie entstehen die E i n k o m m e n der P r o d u z e n t e n im Prozeß der primären oder funktionellen Verteilung des erzeugten P r o d u k t s zwischen den P r o d u k t i o n s f a k t o r e n ( K a p i t a l u n d Arbeit). In den syndikalistischen Modellen erscheint der S t a a t als E i g e n t ü m e r des P r o d u k t i o n s f a k t o r s Kapital. Deborah Milenkovitch (USA) schreibt in einer Analyse dieser Modelle, d a ß d a s P r o b l e m der Einkommensverteilung in Abhängigkeit davon gelöst werde, welche P r o d u k t i o n s f a k t o r e n E i g e n t u m der Individuen und G r u p p e n u n d welche E i g e n t u m d e r ganzen Gesellschaft seien. E f f e k t i v e r E i g e n t ü m e r sei derjenige, der d a s m i t diesem oder j e n e m P r o d u k t i o n s f a k t o r erzeugte E i n k o m m e n erhält. 2 1 Die u n m i t t e l b a r e gesellschaftliche Aneignung des erzeugten P r o d u k t s ist d a s H a u p t e l e m e n t der gesellschaftlichen Eigentumsverhältnisse, die ökonomische Realisierungsform der gesamtgesellschaftlichen Aneignung der P r o d u k t i o n s m i t t e l . 19
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Jaroslav Vanek, Decentralization Under Worker's Management. A Theoretical Appraisal, in: The American Economic Review, 5/1969, S. 1007. Benjamin Ward, The Socialist E c o n o m y , a. a. O., S. 183. Vgl. Deborah D. Milenkovitch, Plan and Market in Yugoslav Economic Thought, New Häven-London 1971, S. 2 5 0 - 2 5 1 .
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Als E i g e n t ü m e r der Produktionsmittel gehört der sozialistischen Gesellschaft d a s ganze gesellschaftliche P r o d u k t , a u s dem sie dann die F o n d s f ü r den E r s a t z d e r verbrauchten Produktionsmittel, für die individuelle und die gesellschaftliche K o n s u m t i o n und den A k k u m u l a t i o n s f o n d s bildet. Die Verfechter des Marktsyndikalismus vcrwcchseln die Prozesse der Primärverteilung des P r o d u k t s mit seiner Aneignung, sie reduzieren die Realisierung des gesellschaftlichen E i g e n t u m s auf die Aneignung nur des Teils v o m P r o d u k t durch die Gesellschaft, der dem gesellschaftlichen K a p i t a l „zuzurechnen" ist. Entsprechend dieser Konzeption sichert d a s staatliche E i g e n t u m an den Produktionsmitteln, daß die Gesellschaft in F o r m von festen Abgaben (Kapitalzinsoder -Steuer) a m Gewinn der Betriebe beteiligt wird. Der verbleibende Gewinn wird nach Abzug des Akkumulationsfonds (den jeder Betrieb selbständig f e s t legt) auf die Beschäftigten des Betriebes proportional zur a u f g e w a n d t e n Arbeit verteilt. U n a b h ä n g i g d a v o n , wie m a n ein solches S y s t e m von Verhältnissen auch deklarieren m a g , bildet hier die gruppenspezifische Aneignung der P r o d u k t i o n s mittel und des erzeugten P r o d u k t s die grundlegende Aneignungsform. Die Stelle der direkten ökonomischen Verbindung zwischen der Gesellschaft u n d den S t r u k tureinheiten der Wirtschaft nehmen hier Pachtverhältnisse zwischen d e m S t a a t , der die Produktionsmittel vermietet und Pachtzins erhebt, und den Betrieben als P ä c h t e r ein. Die gruppenspezifische Aneignung t r ä g t nur dann sozialistischen C h a r a k t e r , wenn sie die vorherrschende gesamtgesellschaftliche Aneignung ergänzt. Lenin h a t die anarchosyndikalistische F o r d e r u n g , die F a b r i k e n und Werke den dort beschäftigten Arbeitern zu übereignen, als gröbste E n t s t e l l u n g der Grundlagen des Sozialismus bezeichnet. 2 2 In den Modellen des M a r k t s y n d i k a l i s m u s produzieren die Betriebe auf eigene R e c h n u n g : Sie legen den A k k u m u l a t i o n s f o n d s und die L ö h n e (einschließlich d e s Anteils a m Gewinn) selbst fest. Auch die Verluste h a t der Betrieb selbst zu t r a g e n ; bei Mißerfolgen kann es deshalb infolge von A r b e i t s k r ä f t e f l u k t u a t i o n zur Selbstauflösung des Betriebes k o m m e n . Derlei anarchische, a u s sozialismusfremden Elementen komponierte S c h e m a t a berauben die sozialistische Wirts c h a f t bewußt ihrer H a u p t v o r z ü g e . Eine relative ökonomische Verselbständigung der sozialistischen Betriebe ist nur dann gerechtfertigt, wenn sie an d a s Volkseigentum an den Produktionsmitteln gebunden ist und nicht der Konkurrenz zwischen den Betrieben, sondern der Zusammenarbeit zwischen ihnen und anderen Wirtschaftseinheiten dient. Dabei kann von einer „ S e l b s t a u f l ö s u n g " von in „ K o n k u r s " gegangenen Betrieben nicht die R e d e sein. Über die Schließung oder Auflösung veralteter und nicht mehr benötigter Wirtschaftseinheiten entscheiden nur staatliche Organe, die von der Gesellschaft dazu ermächtigt sind. Die „ r e i n e " Theorie des Marktsyndikalismus unterstellt, daß in allen P r o d u k 22
Vgl. W. I. Lenin, Über den Demokratismus und den sozialistischen Charakter der Sowjetmacht, in: Werke, Zweiter Ergänzungsband, Berlin 1971, S. 77—78.
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tionseinheiten des jeweiligen Zweiges gleiche technische u n d wirtschaftliche Bedingungen gegeben sind. Zugleich r ä u m e n ihre Verfechter ein, d a ß dies in d e r P r a x i s nicht realisierbar sei. 23 U m aus diesem Zwiespalt h e r a u s z u k o m m e n , wird empfohlen, die höheren E i n k o m m e n der technisch besser ausgerüsteten Betriebe ü b e r eine Kapitalsteuer abzuschöpfen. Doch können Abschöpfungstarife, so elastisch sie auch sein mögen, angesichts d e r sich ständig v e r ä n d e r n d e n technischen A u s s t a t t u n g der P r o d u k t i o n Ungleichheiten nicht verhindern. Die Unterschiede im technischen Niveau der Betriebe würden die Ungleichheiten in den ökonomischen Bedingungen der einzelnen Betriebe u n d folglich in den E i n k o m m e n der Mitglieder der verschiedenen Kollektive ständig vergrößern. Der Marktsyndikalismus würde also im L a u f e d e r E n t wicklung immer m e h r einer schlecht organisierten Genossenschaft bürgerlichen T y p s gleichen, die sich selbst im Vergleich zum staatsmonopolistischen Kapitalism u s bei der Lösung der Probleme, die sich aus der F i n a n z i e r u n g , d e m A u f b a u progressiver Zweige u n d der Qualifizierung der W e r k t ä t i g e n ergeben, i m m e r hilfloser ausnehmen. Mit der V e r k ü n d u n g des P r i m a t s der ökonomischen G r u p p e n - u n d Einzelinteressen u n d der F o r d e r u n g n a c h Aufteilung des Gewinns auf die W e r k t ä t i g e n n ä h e r t sich der Marktsyndikalismus dem genossenschaftlichen Sozialismus. E v s e y D o m a r setzt beide ü b e r h a u p t gleich. Dabei h e b t er h e r v o r , d a ß sich die Grenze zwischen armen u n d reichen Genossenschaften vertiefen u n d verfestigen werde, weil die „ a r m e n " Genossenschaften in z n n e h m e n d e m Maße a m E i n s a t z von lebendiger Arbeit u n d die „reichen" an der Ökonomie v o n lebendiger A r b e i t u n d ihrer Ersetzung d u r c h Maschinen interessiert seien. 2 4 Wie die Autoren der Modelle des Marktsozialismus selbst zugeben, v e r l a n g t die vorherrschende gruppenspezifische Aneignung der P r o d u k t i o n s m i t t e l u n d d e s erzeugten P r o d u k t s , d a ß die im Kapitalismus e n t s t a n d e n e T r e n n u n g von K a p i t a l eigentum u n d K a p i t a l v e r w e r t u n g in modifizierter F o r m erhalten bleibt, 2 5 d . h., d a ß die volkseigenen P r o d u k t i o n s m i t t e l auf einzelne P r o d u z e n t e n k o l l e k t i v e a u f gesplittert werden. Ebenso wie die anderen V a r i a n t e n des „Marktsozialismus" g e h t auch das marktsyndikalistische Modell d a v o n aus, d a ß vor allem der s p o n t a n wirkende Markt die Proportionen regele. Wie J a r o s l a w V a n e k schreibt, u n t e r stellt seine Theorie der Arbeiterselbstverwaltung „die neoklassische W e l t der perf e k t e n u n d uneingeschränkten K o n k u r r e n z " 2 6 . Domars Modell v e r s e t z t die sozialistischen Genossenschaftsbetriebe in „die Welt der K o n k u r r e n z . . . , in der zu 23
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Vgl. Jaroslav Vanek, Decentralization Under Worker's Management. A Theoretical Appraisal, in: The American Economic Review, 5/1969, S. 1007. Vgl. E v s e y D. Domar, The Soviet Collective Farm as a Producer Cooperative, in: The American Economic Review, 4/1966, S. 741. Vgl. Benjamin Ward, The Socialist E c o n o m y , a. a. O., S. 212. Jaroslav Vanek, Decentralization Under Worker's Management. A Theoretical Appraisal, in: The American Economic Review, 5/1969, S. 1006.
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Marktpreisen frei v e r k a u f t und g e k a u f t w i r d " 2 7 . D o m a r b e h a u p t e t , daß sich d e r demokratische Charakter der Produktionsgenossenschaft nur unter diesen B e dingungen realisieren lasse. 2 8 In dieser Formulierung k o m m t der methodologische H a u p t m a n g e l der syndikalistischen Sozialismusvorstellungen z u m Vorschein: der Anspruch d a r a u f , u n a b h ä n g i g v o m S t a n d der Technik, v o n den P r o duktionsausmaßen und den Bedürfnissen der Gesellschaft f ü r alle Zeiten gültig zu sein. Bei vergleichbarem Mechanismus der W i r t s c h a f t s f ü h r u n g ergeben sich die Unterschiede zwischen kapitalistischen und sozialistischen Betrieben den K o n zeptionen des „genossenschaftlichen S o z i a l i s m u s " zufolge aus den Verschiedenheiten der Zielfunktionen: Die P r o d u k t i o n s g e n o s s e n s c h a f t m a x i m i e r t in D o m a r s Modell d a s E i n k o m m e n j e Leistungseinheit und nicht j e Kapitaleinheit. Ganz abgesehen von diesen oder jenen Besonderheiten der Zielfunktion, eine automatische Regulierung der Produktion über Preis und Gewinn k a n n zu keiner optimalen S t r u k t u r von Produktion und K o n s u m t i o n führen. Dieser Mechanism u s setzt voraus, daß die erforderliche Proportionalität nur als Moment zwischen sich wechselseitig zur E n t f a l t u n g verhelfenden Abweichungen hergestellt wird. iDie Wirkungsweise dieses Mechanismus schließt eine zyklische Wirtschaftsentwicklung, ein Auf und Ab der K o n j u n k t u r ein. Bei spontaner Marktregulierung s t es absolut ausgeschlossen, die ökonomischen Interessen der sozialistischen Gesellschaft und vor allem d a s allgemeine gesellschaftliche Interesse, d a s die B e dürfnisse der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung in der langfristigen Perspektive a u s d r ü c k t , zu realisieren. Die Autoren der Marktmodelle räumen selbst ein, daß der Markt die völlige N u t z u n g der gesellschaftlichen Ressourcen, die Realisierung großer wissenschaftlicher und technischer Erkenntnisse, den A u s b a u der I n f r a s t r u k t u r und die Lösung solcher sozialer Aufgaben wie Vollbeschäftigung und Befriedigung einer Reihe von gesellschaftlichen Bedürfnissen nicht garantieren kann. So schreibt B e n j a m i n W a r d , daß man sich in „ I l l y r i e n " bezüglich der Vollbeschäftigung nicht auf den Marktmechanismus verlassen könne. 2 9 Wenn es d a r u m geht, Mängel des M a r k t m e c h a n i s m u s zu beheben, soll der Plan zu „ H i l f e " gerufen werden, der d a s S y s t e m von Zielen zu konkretisieren habe, d a s auf politischem Wege ermittelt werde und d a s , wie B e n j a m i n W a r d es a u s d r ü c k t , d a s erwünschte Niveau des nationalen P r o d u k t s und des Produktionsanteils f ü r die Konsumtion fixiere. „ D i e F ü h r u n g und die P l a n e r " , schreibt W a r d , „planen und kontrollieren die allgemeinen Richtungen der W i r t s c h a f t s tätigkeit, wobei sie sich hauptsächlich indirekter Instrumente bedienen; doch legen sie nicht den Akkumulationsanteil fest, d a s ist A u f g a b e der direkten Kon27
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Vgl. dazu den Beitrag von M. Sestakova, in: Kritika burzuaznych koneepeij ekonomiki socializma, Moskau 1974, S. 126—129. Vgl. Evsey D. Domar, The Soviet Collective Farm as a Producer Cooperative, in: The American Economic Review, 4/1966, S. 734. Vgl. Benjamin Ward, The Socialist Economy, a. a. O., S. 223.
t r o l l e ! " 3 0 In den Konzeptionen des Marktsyndikalismus geht die zentrale Planung also im wesentlichen nicht über die Wirtschaftsregulierung im s t a a t s m o n o p o l i stischen K a p i t a l i s m u s hinaus. S o stellt auch B e n j a m i n W a r d fest, daß sich bei ihm die sozialistische P l a n u n g nicht wesentlich von der „ P l a n u n g der wirtschaftlichen Entwicklung a n d e r s w o " 3 1 (also in den kapitalistischen L ä n d e r n — d. Verf.) unterscheide. D a s theoretische F u n d a m e n t f ü r diese A r t von P l a n u n g s m e t h o d e n bilden in den Konzeptionen des „ M a r k t s o z i a l i s m u s " die keynesianische und neokeynesianischen Theorien des W i r t s c h a f t s w a c h s t u m s mit ihrem traditionellen I n s t r u m e n t a r i u m . So wird empfohlen, für die Sicherung des geplanten Investitionsvolumens m i t Zinssätzen, indirekten Steuern der Bevölkerung und E i n k o m m e n s t e u e r n der B e triebe zu manipulieren. Aber auch diese Maßnahmen werden nur f ü r den F a l l als notwendig erachtet, wenn über den Marktmechanismus keine a k z e p t a b l e Größe und S t r u k t u r der Investitionen z u s t a n d e g e k o m m e n ist. S o b a l d diese Größe gesichert ist, wird j e d e zentrale Regulierung f ü r „ ü b e r f l ü s s i g " erachtet. 3 2 Die amerikanischen Ökonomen P a u l R . Gregory und R o b e r t C. S t u a r t charakterisieren d a s M a r k t s y s t e m in den Modellen des M a r k t s y n d i k a l i s m u s wie f o l g t : „ D i e Firmen und Verbraucher treffen ohne Vermittlung der zentralen Planungsorgane auf dem Markt aufeinander, wo der Preis für den K n a p p h e i t s g r a d der K o n s u m g ü t e r , Leistungen und Produktionsmittel frei b e s t i m m t wird. Verbraucher und Produzenten treffen ihre Entscheidungen auf der B a s i s der K n a p p heitspreise. Die Rolle des S t a a t e s wird auf ein Minimum reduziert. I h m obliegt die Kontrolle über den Geldumlauf und den F i s k u s , er fixiert die aggregierten Größen und lenkt den gesellschaftlichen W i r t s c h a f t s s e k t o r . " 3 3 Die Vorzüge ihrer Wirtschaftsprogrammierung gegenüber der direkten Volkswirtschaftsplanung sehen die Autoren der syndikalistischen Modelle erstens darin, daß sie sich des Marktes „ m i t seinem S y s t e m der Verhältnisbewertungen der Güter, d a s bei der Wahl von Alternativen sehr nützlich sein k a n n " , 3 4 bedient. Ein zweiter Vorzug wird darin gesehen, daß d a s H a u p t m i t t e l f ü r die Einwirkung des S t a a t e s auf die Betriebe nicht die direkte Festlegung der A u s m a ß e und Proportionen der Produktion, sondern die Preiskontrolle sei. 3 5 Die sozialistische W i r t s c h a f t s p r a x i s h a t bewiesen, daß Preis, Gewinn, R e n t a bilitätsrate und andere Ware-Geld-Formen weder Hauptkriterien bei der F e s t legung der Ziele der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung der sozialistischen Gesellschaft noch die Grundorientierung in der Arbeit der B e t r i e b e sein können. Diese Ziele und die ihnen entsprechenden Proportionen der P r o d u k t i o n werden 30 Ebenda, S. 260. 31 Ebenda, S. 236. 32 Vgl. ebenda, S. 2 3 8 - 2 4 1 .
33 Paul R. Gregory/Robert C. Stuart, Soviet Economic Structure and Performance, New York 1974, S. 331. 34 Benjamin Ward, The Socialist Economy, a. a. 0 . , S. 273. 35 Vgl. ebenda, S. 256.
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in den Volkswirtschaftsplänen, ausgehend von der Wirkungsweise aller objektiven Gesetze des Sozialismus, unter den jeweiligen historischen Bedingungen fixiert. Die E r m i t t l u n g des S y s t e m s der gesellschaftlichen Bedürfnisse verlangt eine gründliche Analyse der Tendenzen des wissenschaftlich-technischen F o r t schritts, der Entwicklung der Produktion, der S t r u k t u r u n d D y n a m i k des Bed a r f s sowie die Ausarbeitung wissenschaftlicher Verbrauchsnormen. Dabei sind die Wertformen Instrument für die Messung des A u f w a n d s an gesellschaftlicher Arbeit, über den die verschiedenen Bedürfnisse befriedigt werden, doch bestimmen sie weder die Hierarchie der Bedürfnisse noch die R a n g f o l g e ihrer Befriedig u n g (die Bedürfnisskala). Die Preiskontrolle kann nie die H a u p t f o r m der staatlichen L e n k u n g der B e triebe sein. E s g i b t einen objektiven Widerspruch zwischen dem in den Preisen ausgedrückten Wert und d e m Gebrauchswert, der im Sozialismus unmittelbares Ziel der Produktion und nicht Bedingung f ü r die Erzielung von Mehrwert ist. Dabei betrachtet die wissenschaftliche sozialistische Planung die m a x i m a l detaillierte Festlegung des Produktionssortiments „ v o n o b e n " d u r c h a u s nicht als Allheilmittel. Dieses S o r t i m e n t kann auf den verschiedenen Planungsebenen in unterschiedlichem G r a d konkretisiert werden. Inwieweit die Sortimentsplanung zu konkretisieren ist, h ä n g t von der A r t der Erzeugnisse und ihrem Verwendungszweck ab. S o ist es nicht nötig, den Betrieben d a s konkrete S o r t i m e n t von Massenbedarfsgütern zentral vorzugeben. Die Betriebe legen es, ausgehend von den Ergebnissen der Bedarfsforschung und den Vertragsbeziehungen mit den H a n delseinrichtungen, selbst fest. Den Betrieben, die viele Erzeugnisse f ü r P r o d u k tionszwecke herstellen, brauchen nur aggregierte Sortimentsgruppen zentral vorgegeben zu werden. Mit der weiteren Entwicklung der Industrievereinigungen u n d der Produktionsspezialisierung wird die Funktionsteilung zwischen den verschiedenen Planungsebenen noch mehr dem O p t i m u m angenähert werden können. Eine wesentliche Rolle spielt hierbei die Reorganisation der S t r u k t u r der gesellschaftlichen Produktion, mit der die großen Produktions- u n d Wirtschaftskomplexe zur strukturellen Grundeinheit der Volkswirtschaft werden und sich neue Möglichkeiten für die Bedarfsprognose, f ü r die Herstellung langfristiger Vertragsbeziehungen u. a. eröffnen. 3 6 Die Versuche der Theoretiker des „ M a r k t s o z i a l i s m u s " , ihr Modell mit den gegebenen Realitäten zu verbinden, laufen im wesentlichen auf die „ o p t i m a l e K o m b i n a t i o n " der Marktwirtschaft mit Elementen der zentralen Planung hinaus. Dabei werden die Kombinationen in der Regel mechanistisch b e t r a c h t e t : M a r k t und Plan bestehen nebeneinander, unterstützen sich gegenseitig, ohne dabei ihr Wesen zu ändern. Die B R D - „ S o w j e t o l o g i n " Hannelore H a m e l schreibt: „ D i e m o r phologische Kombination v o n dezentraler Planung und wirtschaftspolitischer Steuerung der arbeitsteiligen Gesamtprozesse mit sozialistischem E i g e n t u m an 36
Vgl. J . V. Subockij, Razvitie ob-edinenij v promyslennosti, Moskau 1977, S. 155—156.
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den P r o d u k t i o n s m i t t e l n bildet . . . das ,Grundmodell der sozialistischen M a r k t w i r t s c h a f t ' . " 37 Nicht von u n g e f ä h r wird das „marktsozialistische" Modell häufig auch als „dezentralisierter Sozialismus" bezeichnet. Der amerikanische Professor Lloyd G. Reynolds, der b e h a u p t e t , d a ß es viele Sozialismusmodclle gebe, sieht eines dieser Modelle in einer „dezentralisierten sozialistischen W i r t s c h a f t , die E l e m e n t e der zentralen L e n k u n g u n d des freien U n t e r n e h m e r t u m s , das die Marktsignale a u f n i m m t , in sich v e r e i n t " 3 8 . Der B R D - „ S o w j e t o l o g e " Jiri Kosta schreibt: „Die z u n e h m e n d e Zahl, K o m plexität, F r e q u e n z sowie Variabilität ökonomischer Prozesse als Folge von Veränderungen der B e d ü r f n i s s t r u k t u r e n sowie der Produktionstechnologien einer modernen Volkswirtschaft erfordert angemessene L e n k u n g s m e t h o d e n u n d -institutionen . . . U n t e r diesem Aspekt, der als informations- u n d (im technisch-organisatorischen Sinn) entscheidungsrelevant bezeichnet werden k ö n n t e , scheinen dezentrale, m a r k t ä h n l i c h e Steuerungsformen ä d ä q u a t e r zu sein als die h e r k ö m m lichen zentralen P l a n u n g s m e t h o d e n der R G W - L ä n d e r O s t e u r o p a s . " 3 9 Die „dezentrale P l a n u n g " weist n a c h Ansicht bürgerlicher u n d revisionistischer Ideologen zwei Vorzüge auf. E r s t e n s biete sie die Möglichkeit, die individuellen u n d regionalen Bedürfnisse genauer zu ermitteln u n d deshalb besser zu befriedigen; zweitens werde es möglich, d a ß sich Fehlentscheidungen gegenseitig a u f h e b e n . Die Vorstellung von der Überlegenheit der „dezentralen P l a n u n g " g e h t von d e m absurden P o s t u l a t aus, d a ß die zentrale P l a n u n g sowohl jegliche Selbständigkeit der wirtschaftlichen Grundeinheiten als auch die Ü b e r t r a g u n g v o n zentralen Weisungen über Zwischenglieder, die diese Weisungen konkretisieren, ausschließe. Diese Auffassungen entstellen das Wesen der sozialistischen Volkswirtschaftsplanung, die auch u n t e r den schwierigsten Bedingungen wie Kriegswirtschaft, grundlegende Umwälzung der Proportionen u n d dgl. nie darauf aus war, Nichterfaßbares zu erfassen u n d die E n t s c h e i d u n g ü b e r eine Reihe von F r a g e n den Zwischengliedern u n d unteren Wirtschaftseinheiten überließ. U n d es liegt auf der H a n d , d a ß sich mit der weiteren Entwicklung der W i r t s c h a f t , der Beseitigung größerer Engpässe, der E r h ö h u n g der Qualifikation der Kader, der weiteren Ausprägung von reifen, selbstbewußten Wirtschaftskollektiven die K o m p e t e n z der unteren und mittleren E b e n e n erweitert, was die f ü h r e n d e Stellung des ökonomischen Z e n t r u m s nicht beeinträchtigt, sondern festigt, da es so die Möglichkeit erhält, sich auf die großen Grundprobleme der E n t w i c k l u n g der sozialistischen W i r t s c h a f t zu konzentrieren. 37
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Hannelore Hamel, Die Experimente der sozialistischen Marktwirtschaften, in: Ludwig Bress/Karl Paul Hensel u. a., Wirtschaftssysteme des Sozialismus im Experiment. Plan oder Markt, Frankfurt a. M. 1972, S. 183. Lloyd G. Reynolds, The Three Worlds of Economics, N e w H ä v e n - L o n d o n 1971, S. 288. Jiri Kosta/Jan Meyer/Sibylle Weber, Warenproduktion im Sozialismus. Überlegungen zur Theorie v o n Marx und zur Praxis in Osteuropa, Frankfurt a. M. 1973, S. 129. Krause/Zukuv
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L. I. Breshnew stellte auf dem X X V . Parteitag der K P d S U f e s t : „Wir müssen die beiden Grundelemente des demokratischen Zentralismus gleichzeitig stärken. Einerseits gilt es, den Zentralismus zu entwickeln und somit den Tendenzen von Ressortgeist und lokaler Engstirnigkeit Hindernisse in den Weg zu legen. Andererseits aber heißt es, die demokratischen Grundsätze, die örtliche Initiative zu entwickeln, die oberen Leitungsebenen von unwesentlichen Aufgaben zu befreien, Operativität und Flexibilität bei der Entscheidungsfindung zu gewährleisten."« Unhaltbar ist auch der Versuch der Verfechter des „Marktsozialismus", aus der zentralen Planung und Leitung eine Bürokratisierung der Wirtschaft abzuleiten. So schreibt der Schwede Assar Lindbeck: „Die Wahl zwischen Dezentralisation und Zentralisation hat einen Bezug zum Problem der Wahl zwischen Märkten und Bürokratie. Ein offenkundiges Bindeglied zwischen diesen beiden Problemen liegt natürlich in der Tatsache, daß ein Marktsystem mit relativ weitreichender Dezentralisation harmoniert, während in einem Nicht-Marktsystem die Entscheidungen durch irgendeine zentrale Autorität koordiniert werden m ü s s e n . " 4 1 Alec Nove, der sich in seinen neueren Arbeiten gegen die Alternative „Plan oder Markt", „Macht oder ökonomisches Gesetz" 4 2 wendet, greift zugleich auch die „Neuen Linken" an, wenn er schreibt: „ I n einer modernen integrierten Wirtschaft sollten die unteren von den oberen Ebenen nur dann gelenkt werden, • wenn ihre Tätigkeit nicht auf gewissen objektiven, wenn auch unvollkommenen markttypischen Kriterien beruht." 4 3 Nove beurteilt die Planer als eine Gattung von Beschäftigten, die durch ihre Rolle und Funktionen zu Bürokraten werden. Zunächst sei festgestellt, daß die These vom „unlösbaren Zusammenhang" von Zentralisation und Bürokratie falsch, eine einseitige Verallgemeinerung bestimmter Fakten, ist. Noch vorhandene Erscheinungsformen von Bürokratie stehen im Widerspruch zum Wesen des entwickelten Sozialismus. Auf diese Tatsache ist auch auf dem X X V . Parteitag der K P d S U verwiesen worden. Auf ihre Uberwindung ist ein System von Maßnahmen zur Entwicklung der wirtschaftlichen und politischen Demokratie gerichtet, das in der neuen Verfassung der U d S S R verankert wurde. Die objektive Tendenz zur Zentralisierung der Wirtschaftsleitung ergibt sieh bereits aus dem Entwicklungsstand der modernen Produktivkräfte, aus dem Konzentrationsniveau der Produktion. Die wissenschaftlich-technische Revolution 40
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X X V . P a r t e i t a g der K P d S U . Rechenschaftsbericht des Zentralkomitees der K P d S U und die nächsten A u f g a b e n der Partei in der Innen- und Außenpolitik. Berichters t a t t e r : L. I. Breshnew, Berlin 1976, S. 74. Assar Lindbeck, Die politische Ökonomie der Neuen Linken, Göttingen 1973, S. 47. Alec Nove, K n a p p h e i t , Allokation und Macht, in: Macht und ökonomisches (¡eselz,. Erster H a l b b a n d , a. a. 0 . , S. 72. Alec Nove, Market Socialism and its Critics, in: Soviet Studies, Oxford 1/1972, S. 1 3 6 - 1 3 7 .
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bewirkt Wandlungen in der gesellschaftlichen Arbeitsteilung, die sich in einer Spezialisierung der Leitungsfunktionen, in der Zunahme des ingenieur-technischen und Verwaltungspersonals äußern. In den kapitalistischen Industrieländern realisieren sich diese Wandlungen innerhalb des Systems der staatsmonopolistischen Wirtschaftsregulierung in widersprüchlichen Formen. Die zentrale Lenkung des staatlichen Sektors ermöglicht eine höhere E f f e k t i v i t ä t der betrieblichen Arbeit als im dezentralisierten Sektor der kapitalistischen Wirtschaft, 4 4 aber die Früchte davon eignet sich die Monopolbourgeoisie auf verschiedenen Wegen an. Die ihr adäquate Form erhält die Zentralisierung der Wirtschaftsleitung im Sozialismus auf der Grundlage des staatlichen Eigentums (Volkseigentums) an den Produktionsmitteln. Die aus der gesamtgesellschaftlichen Aneignung der Produktionsmittel und der Abschaffung der Ausbeutung hervorgehende sozialistische Demokratie in der Wirtschaft ermöglicht, noch vorhandene Erscheinungsformen von Bürokratie zu beseitigen und schließt eine Bürokratisierung der Wirtschaft aus. Die Werktätigen beteiligen sich sowohl über die gewählten Machtorgane als auch unmittelbar in der Produktion aktiv an der Leitung der Wirtschaft. Dagegen können die Dezentralisierung der Wirtschaft und der Markt keine wirkliche Demokratie garantieren. Eine Dezentralisierung der Wirtschaft-ist nicht in der Lage, in der Produktion und in der Arbeit die Bedingungen zu bieten, unter denen die ökonomische Gleichheit aller Mitglieder der Gesellschaft möglich wird. Was die „Souveränität des Verbrauchers" betrifft, so belegen die Tatsachen, die in der bürgerlichen Literatur immer wieder angeführt werden, daß der Markt ein sehr willfähriger Apparat für die anonyme Manipulierung des Verbrauchers ist, um ihm Handlungsweisen aufzuzwingen, die dem Monopolkapital und seiner Bürokratie zum Vorteil gereichen. Um die Mängel des Marktmechanismus zu vertuschen, meinen manche bürgerliche Theoretiker, den Markt nicht als spezifische Gesamtheit der Beziehungen in der Zirkulationssphäre hinstellen zu müssen, sondern als „rein technisches" Mittel für die Koordinierung des Wirkens der Wirtschaftseinheiten. Peter Wiles meint, daß der Markt als Form des Warenaustausches nicht notwendig sei. Elektronische Datenverarbeitungsmaschinen könnten seine Funktion ebensogut wahrnehmen. „Deshalb kann der Markt entweder zwischenmenschliche Beziehungen ausdrücken oder elektronisch sein", 4 5 schreibt er. Der amerikanische „Sowjetol o g e " Harry Schwartz wertet das von Fred Taylor Ende der zwanziger J a h r e entworfene Modell des „Marktsozialismus" als Beispiel dafür, daß sich die „Technik der Marktkoordinierung in der sozialistischen Wirtschaft anwenden läßt und nicht nur die Eigenschaft einer auf dem Privateigentum beruhenden Wirtschaft 44
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Vgl. G o s u d a r s t v e n n a j a sobstvennost' i antimonopolisticcskaja bor'ba v s t r a n a c h razvitogo kapitalizma, Moskau 1973, K a p . 3, Abschn. 1 und 2. Peter J . D. Wiles, The Political E c o n o m y of Communism, Oxford 1962, S. 189. 99
ist" 4 6 . H i e r f ü r wird das Modell eines „elektronischen Marktes" vorgeschlagen, eine modernisierte Variante des sogenannten m a t h e m a t i s c h e n Sozialismus, der bereits auf die Modelle von Vilfredo P a r e t o u n d Enrico Barone z u r ü c k g e h t . Diese Modelle wollten ein System von Gleichungen bieten, die u n t e r Imitierung des Marktes d e m zentralen Planungsorgan g e s t a t t e n , die dem volkswirtschaftlichen O p t i m u m entsprechenden Preise u n d Produktionsgrößen zu ermitteln. Verfechter des „elektronischen Marktes" wie der britische „Sowjetologe" P e t e r Wiles b e h a u p t e n , d a ß das zentrale Planungsorgan mit w i r t s c h a f t s m a t h e m a t i schen Methoden zur Modellierung der Marktprozesse auf der Grundlage der von den Betrieben gelieferten I n f o r m a t i o n e n jedem Betrieb alle erforderlichen P a r a m e t e r bis z u m kleinsten Detail vorgeben könne. I m Modell des „elektronischen" Marktes g e h t somit die absolute Zentralisier u n g der Leitung mit der Dezentralisierung des Informationsprozesses einher. Auf diese Weise soll der Mechanismus der M a r k t k o n k u r r e n z imitiert werden. P e t e r Wiles bezeichnete dieses Modell als „ p e r f e k t e Kalkulationen", die die Stelle der „vollkommenen K o n k u r r e n z " einnehmen sollen, andere A u t o r e n f ü h r e n die Begriffe „ P l a n i m e t r i e " u n d „ C o m p u t e r u t o p i e " an. 4 7 Viele bürgerliche Ökonomen (Bergson, Neuberger, Nove u. a.) greifen die Konzeption des „elektronischen Marktes" an u n d bezeichnen sie als reine Hirngespinste. 4 8 Hier m u ß m a n Karl C. Thalheim zustimmen, wenn er schreibt, d a ß der Markt n i c h t n u r aus Tausenden oder Millionen von Gleichungen bestehe, bei denen die P r o d u k t i o n s g r ö ß e n u n d Preise die U n b e k a n n t e n sind. Marktsozialismus bedeute Konkurrenz, einschließlich Preiskonkurrenz wie in jeder M a r k t w i r t s c h a f t . Natürlich gebe es unterschiedliche F o r m e n der Konkurrenz, doch stehe eine M a r k t w i r t s c h a f t ohne Konkurrenz im Gegensatz zur Logik. 4 9 Allerdings unterschlagen die bürgerlichen Kritiker des Modells des „elektronischen Marktes" den H a u p t m a n g e l , nämlich das Ansinnen, einander ausschließende Prinzipien zu vereinen: die absolute Zentralisierung der Leitung, die Abschaff u n g der realen Verhältnisse der W a r e n z i r k u l a t i o n einerseits m i t d e m System der Ziele u n d Entscheidungen, das auf der Beibehaltung der Gesetze u n d Kriterien der M a r k t k o n k u r r e n z b e r u h t , andererseits. So findet die Zentralisierung der W i r t s c h a f t in diesem Modell nicht die ihr entsprechende Realisierungsform. Die Ideologen des A n t i k o m m u n i s m u s glauben, sich die a b s t r a k t e n Modelle des „Marktsozialismus" zunutze machen zu können, u m die wirtschaftlichen Erfolge des realen Sozialismus abzuwerten. Die konstruierten Vergleiche zwischen den A b s t r a k t i o n e n u n d der R e a l i t ä t sollen die These von der „Mannigfaltigkeit der Sozialismusmodelle" festigen u n d die W i r t s c h a f t der sozialistischen L ä n d e r E u r o 46
Harry Schwartz, An Introduction to the Soviet Economy, Ohio 1968, S. 53. « Vgl. Lloyd G. Reynolds, The Three Worlds of Economics, a. a. 0 . , S. 161. 48 Vgl. ebenda sowie Alec Nove, Knappheit, Allokation und Macht, i n : Macht und ökonomisches Gesetz, Erster Halbband, a. a. O., S. 70. 49 Vgl. Karl C. Thalheim, Is There a Congruence? in: Reforms in the Soviet and Eastern European Economics, 1972, S. 148.
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p a s als auf d e n „ M a r k t s o z i a l i s m u s " z u g e h e n d e W i r t s c h a f t erscheinen lassen. A u c h die V e r f e c h t e r der I n d u s t r i e g e s e l l s c h a f t s t h e o r i e u n d des N e o l i b e r a l i s m u s g l a u b e n , die in d e r W i r t s c h a f t d e r sozialistischen L ä n d e r v o r sich g e h e n d e n Prozesse als Realisierung des „ m a r k t w i r t s c h a f t l i c h e n " Modells i n t e r p r e t i e r e n zu k ö n n e n . Die T h e o r e t i k e r des „ I n d u s t r i a l i s m u s " erklären d e n U b e r g a n g z u r „sozialistischen M a r k t w i r t s c h a f t " z u m H a u p t m e r k m a l der e n t w i c k e l t e n sozialistischen Ges e l l s c h a f t Der a m e r i k a n i s c h e Sowjetologe Morris B o r n s t e i n c h a r a k t e r i s i e r t d e n A n f a n g d e r sechziger J a h r e , also die P e r i o d e der H e r a u s b i l d u n g d e r e n t w i c k e l t e n sozialistischen W i r t s c h a f t in d e r U d S S R , als B e w e g u n g v o m z e n t r a l e n W i r t s c h a f t s s y s t e m , d a s f ü r die e x t e n s i v e P h a s e der w i r t s c h a f t l i c h e n E n t w i c k l u n g t y pisch gewesen sei, zu einem weniger zentralisierten S y s t e m d e r i n t e n s i v e n P h a s e . F ü r diese seien „ g e m i s c h t e " W i r t s c h a f t s m o d e l l e t y p i s c h , die die z e n t r a l e m a k r o ö k o n o m i s c h e P l a n u n g m i t d e r S t ü t z u n g auf die M a r k t k r ä f t e bei m i k r o ö k o n o m i schen E n t s c h e i d u n g e n k o m b i n i e r e n . 5 0 E i n a n d e r e r „ S o w j e t o l o g e " , J i r i K o s t a , s c h r e i b t : „Die R e f o r m b e w e g u n g e n h a b e n in organisations-technischer Hinsicht eine Dezentralisierung d e r E n t s c h e i d u n g e n h e r b e i g e f ü h r t , die einen l a n g f r i s t i g e n T r e n d zu einer s t ä r k e r e n A n w e n d u n g m a r k t ä h n l i c h e r I n f o r m a t i o n s - u n d E n t scheidungsprozesse m i t sich b r i n g t . " U n d w e i t e r : „ P a r a m e t r i s c h e I n d i k a t o r e n wie Preise u n d G e w i n n scheinen f ü r die P l a n e r f ü l l u n g eines k o m p l e x e r w e r d e n d e n W i r t s c h a f t s o r g a n i s m u s geeigneter zu sein als a d m i n i s t r a t i v e D i r e k t i o n u n d d e taillierte K e n n z i f f e r n . " 5 1 S o m i t wird eine i n d i k a t i v e P l a n u n g , die sich auf d e n selbstregelnden M a r k t m e c h a n i s m u s s t ü t z t , zu d e r d e m reifen Sozialismus a d ä q u a t e n F o r m e r k l ä r t . D a g e g e n sei die z e n t r a l e D i r e k t i v p l a n u n g , die als s t r e n g e R e g l e m e n t i e r u n g aller D e t a i l s d e r R e p r o d u k t i o n v o n e i n e m Z e n t r u m a u s i n t e r p r e t i e r t wird, eine bereits z u r ü c k l i e g e n d e E t a p p e in d e r E n t w i c k l u n g des Sozialismus. I n W i r k l i c h k e i t wird d e r W i r t s c h a f t s m e c h a n i s m u s i m S t a d i u m des reifen Sozialismus n i c h t d u r c h V e r z i c h t auf P l a n m ä ß i g k e i t v e r v o l l k o m m n e t , s o n d e r n d a d u r c h , d a ß d a s w i s s e n s c h a f t l i c h e N i v e a u u n d die B i l a n z i e r u n g d e r V o l k s w i r t s c h a f t s p l ä n e e r h ö h t u n d die A u s n u t z u n g d e r ö k o n o m i s c h e n H e b e l i m R a h m e n d e r zentralen richtungweisenden Festlegung der Grundproportionen der Reprodukt i o n v e r b e s s e r t w i r d . Völlig u n h a l t b a r sind a u c h die B e m ü h u n g e n d e r „ S o w j e t o l o g e n " , die M a ß n a h m e n z u r D u r c h s e t z u n g n e u e r B e d i n g u n g e n d e r W i r t s c h a f t s f ü h r u n g als V e r z i c h t auf die z e n t r a l e P l a n u n g des l a u f e n d e n W i r t s c h a f t s p r o z e s s e s bei W e i t e r b e s t e h e n d e r P e r s p e k t i v p l a n u n g h i n z u s t e l l e n . 5 2 50
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Vgl. Morris Bornstein, East European Economic Reforms and the Convergence of Economic Systems, in: Jahrbuch der Wirtschaft Osteuropas, Bd. 2, München-Wien 1971, S. 258. Jiri Kosta, Organisations-technische und sozio-ökonomische Aspekte sozialistischer Wirtschaftssysteme, in: Probleme des Industrialismus in Ost und West, MünchenWien 1973, S. 105. Vgl. Hannelore Hamel, Die Experimente der sozialistischen Marktwirtschaften, in: Ludwig Bress/Karl Paul Hensel u. a., Wirtschaftssysteme des Sozialismus im Experiment. Plan oder Markt, a. a. O., S. 201.
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In der T a t werden mit den komplizierten Aufgaben, vor denen die entwickelte sozialistische W i r t s c h a f t steht, die langfristigen Perspektivpläne wesentlicher. Deshalb werden in den sozialistischen L ä n d e r n die Methoden der Perspektivplanung ständig verbessert. Zugleich aber wird auch die laufende P l a n u n g u n d die Koordinierung der laufenden Pläne weiter qualifiziert sowie das wissenschaftliche Niveau der operativen Leitung der Volkswirtschaft erhöht. Das einheitliche System der Volkswirtschaftsplanung, an dessen weiterer E n t w i c k l u n g gearbeitet wird, schließt die langfristigen, mittelfristigen u n d laufenden Pläne ein u n d sichert die K o n t i n u i t ä t und Komplexität der P l a n u n g . Natürlich werden in jedem sozialistischen Land die besten Methoden f ü r die Verbindung der Direktiven der zentralen Organe mit der Erweiterung der ökonomischen Selbständigkeit der wirtschaftlichen Grundeinheiten, ausgehend von den jeweiligen k o n k r e t e n Besonderheiten, festgelegt. Spezifische Merkmale des W i r t s c h a f t s m e c h a n i s m u s können sich aus der Größe des Landes, seiner W i r t schaftszweigstruktur u n d der A u ß e n w i r t s c h a f t s i n t e n s i t ä t sowie aus b e s t i m m t e n wirtschaftlichen Traditionen ergeben. Doch lassen die mannigfaltigen k o n k r e t e n E r f a h r u n g e n der Wirtschaftsleitung in den einzelnen sozialistischen Ländern, die zahlreichen Neuerungen u n d E x p e r i m e n t e auf diesem Gebiet erkennen, d a ß sich die Gestaltung u n d Modernisierung des spezifischen W i r t s c h a f t s m e c h a n i s m u s der entwickelten sozialistischen Gesellschaft, eines Mechanismus, der die Markts p o n t a n e i t ä t mit ihren Tendenzen zur R e s t a u r a t i o n des Kapitalismus ausschließt, im wesentlichen gleicht. Die „marktsozialistischen" Modelle werden auch von verschiedenen nichtmarxistischen Autoren angegriffen. Dabei werden die Kritiken von verschiedenen S t a n d p u n k t e n aus u n d in verschiedenen Richtungen g e f ü h r t . Die Verfechter der „ Z c n t r a l v e r w a l t u n g s w i r t s c h a f t " u n d der „ B e f e h l s w i r t s c h a f t " meinen, d a ß ein effektives Wirken des M a r k t m e c h a n i s m u s m i t jeglichen E l e m e n t e n zentraler Einwirkung auf den Reproduktionsprozeß u n v e r e i n b a r sei. Sie kritisieren die Theorie des „Marktsozialismus" v o m S t a n d p u n k t der Alternative „ P l a n oder M a r k t " aus, wobei sie die U n h a l t b a r k e i t der Modelle einer „gemischten sozialistischen W i r t s c h a f t " darin sehen, d a ß diese beanspruchen, den „Mittelweg" g e f u n d e n zu haben, der irgendwo zwischen den beiden extremen „ I d e a l t y p e n " , also der „Zent r a l v e r w a l t u n g s w i r t s c h a f t " u n d der „freien M a r k t w i r t s c h a f t " , liege. Viele „Sowjetologen" (wie zum Beispiel A. Bergson, J . P r y b y l a u n d G. Schroeder) verweisen zu R e c h t d a r a u f , d a ß d a s neue System der Leitung u n d ökonomischen Stimulierung in den sozialistischen L ä n d e r n , speziell in der U d S S R , nicht als Ubergang zum Marktsozialismus zu b e t r a c h t e n ist. 5 3 Der amerikanische Ökonom J a n S. P r y b y l a schreibt in diesem Sinne, d a ß die P r e i s i n s t r u m e n t e u n t e r den neuen Bedingungen der W i r t s c h a f t s f ü h r u n g energischer f ü r die Zwecke des zentralen Planes eingesetzt werden. „Sie werden auch besser kalkuliert im 53
Vgl. Gertraude E. Schroeder, Soviet Economic 'Reforms': A Study in Contradictions ; in: Soviet Studies, Juli 1968, S. 20.
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kostenerfassenden Sinne, unterscheiden sich aber konzeptionell u n d f u n k t i o n e l l von den die gleichen Bezeichnungen t r a g e n d e n I n s t r u m e n t e n , derer sich die Marktsysteme b e d i e n e n . " 5 4 Der australische „Sowjetologe" Jozef Wilczinski stellt in einem, den neuen Bedingungen der W i r t s c h a f t s f ü h r u n g in den sozialistischen L ä n d e r n gewidmeten Buch f e s t : „Es wäre falsch zu folgern, d a ß die R e f o r m e n m i t der Zentralisierung völlig Schluß g e m a c h t h ä t t e n . Die sogenannten volkswirtschaftlichen G r u n d p r o portionen, also die langfristigen Makroproportionen, werden noch i m m e r z e n t r a l festgelegt." 5 5 Die Vertreter der institutionell-sozialen R i c h t u n g greifen den „Marktsozialism u s " deshalb an, weil dessen Mechanismus dem heutigen E n t w i c k l u n g s s t a n d der Arbeitsteilung u n d P r o d u k t i o n nicht m e h r entspricht. Alee Nove kritisiert d a s Modell des „reinen Marktsozialismus", weil es von der P l a n u n g a b r ü c k t u n d sich d e m freien Markt zuwendet, u n d stellt dem ein „Zweisektorenmodell" der sozialistischen W i r t s c h a f t gegenüber. In einem Sektor, der sich auf die P r o d u k t i o n u n d den Absatz der P r o d u k t i o n s m i t t e l erstreckt, sei Nove zufolge ein zentrales Informations- u n d Entscheidungssystem erforderlich, w ä h r e n d im K o n s u m g ü t e r bereich der Markt vorherrsche. Somit stellt das Modell von Nove nichts anderes d a r als eine weitere V a r i a n t e der „gemischten sozialistischen W i r t s c h a f t " , den Versuch, die zwei Prinzipien d e r Wirtschaftsregulierung nicht vertikal — wie in den Modellen der „ i t e r a t i v e n L e n k u n g " —, sondern horizontal nach der wirtschaftlichen Z w e c k b e s t i m m u n g d e r Erzeugnisse m i t e i n a n d e r zu vereinen. Doch schließt das einheitliche sozialistische W i r t s c h a f t s s y s t e m jede mechanische Verbindung dieser gegensätzlichen Prinzipien aus, wenngleich es verschiedene S t u f e n der S o r t i m e n t s p l a n u n g in den einzelnen Bereichen der gesellschaftlichen P r o d u k t i o n einschließt. Auch viele rechtssozialistische Theoretiker sehen sich zu dem E i n g e s t ä n d n i s gezwungen, d a ß der s p o n t a n wirkende M a r k t nicht einmal m e h r den P r o d u k t i v k r ä f t e n u n d der ökonomischen S t r u k t u r des heutigen K a p i t a l i s m u s e n t s p r i c h t , so d a ß er mit staatlichen Regulierungen koordiniert werden müsse. So m e i n t der sozialdemokratische W i r t s c h a f t s t h e o r e t i k e r D i e t m a r Keese ( B R D ) , die Konzentrationsbewegung in der B R D u n d die z u n e h m e n d e Zahl der B u ß g e l d v e r f a h r e n des Bundeskartellamtes h a b e n die Meinung b e s t ä r k t , d a ß m a n „die E n t w i c k l u n g der W i r t s c h a f t s s t r u k t u r e n , der Eigentumsverteilung, der W a c h s t u m s r a t e u n d der Umweltbedingungen nicht m e h r diesem stark eingeschränkten a m P r o f i t orientierten Mechanismus überlassen d a r f " 5 6 . W ä h r e n d viele bürgerliche Ideologen verschiedene V a r i a n t e n des „Marktsozia•>'1 Jan S. Prybyla, Soviet Economic Reforms in Industry, in: Weltwirtschaftliches Archiv, Bd. 107, Tübingen, 2/1971, S. 274. Ä5 Jozef Wilczinski, Socialist Economic Development and Reforms, London 1972, S. 68. 56
Dietmar Keese, Systemverändernde Reformen, in: Probleme des Industrialismus in Ost und West, München-Wien 1973, S. 8 8 - 8 9 .
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lismus" m i t e i n a n d e r konfrontieren, greifen die Vertreter des „linken" Revisionism u s diese Theorie aus der Sicht eines Modells vom „Sozialismus ohne M a r k t " an. In diesem Modell figuriert die Alternative „ P l a n oder M a r k t " in ihrer ursprünglichen F o r m . So fallen die „linken" Theoretiker in ihrer Kritik am „marktsozialistischen" Modell in d a s andere E x t r e m . Aus der Sicht der Theorie v o m „Sozialismus ohne M a r k t " ist jede sozialistische W i r t s c h a f t , in der es noch Ware-Geld-Beziehungen gibt, auch d a n n d e m „Marktsozialismus" zuzurechnen, wenn sie im R a h m e n eines Planes wirken u n d diesem u n t e r g e o r d n e t sind. Diese ultrarevolutionären Auffassungen wenden sich zwar den W o r t e n n a c h gegen jegliche Marktmodelle, doch verfolgen sie n u r den Zweck, den realen Sozialismus abzuwerten u n d ihm eine reaktionär-utopische Alternative entgegenzustellen.
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4. K A P I T E L
Die sozialistische Wirtschaft in der Darstellung der „Konvergenztheorie"
Die Theorie von der „ K o n v e r g e n z der sozialen S y s t e m e " ist in jeder Hinsicht Ausdruck der Krise der bürgerlichen politischen Ökonomie und ein Beleg d a f ü r , daß heute weder die offene Apologie des K a p i t a l i s m u s noch direkte A n g r i f f e gegen den Sozialismus auf den gewünschten Erfolg rechnen können. Die hohen wirtschaftlichen W a c h s t u m s r a t e n in allen sozialistischen L ä n d e r n haben bewiesen, daß der rasche u n d kontinuierliche wirtschaftliche F o r t s c h r i t t eine objektive Gesetzmäßigkeit der sozialistischen Planwirtschaft ist. Die B r e c h u n g d e s Atommonopols der U S A und die Erfolge der Sowjetunion in der Erschließung d e s K o s m o s belegen, daß der Sozialismus auch in W i s s e n s c h a f t u n d Technik nicht zurücksteht. Die antiimperialistische Befreiungsbewegung in der „ d r i t t e n W e l t " h a t die wirtschaftlichen Möglichkeiten und die ideologischen V o r m a c h t a n s p r ü c h e der entwickelten kapitalistischen Mächte noch mehr eingeengt. All diese Prozesse haben in der Nachkriegszeit die bürgerliche Weltanschauung und besonders die bürgerlichen Vorstellungen von der Z u k u n f t der Menschheit s t a r k erschüttert. I m m e r weniger überhörbar werden die S t i m m e n jener bürgerlichen Theoretiker, die die F r a g e nach dem A u s g a n g des wirtschaftlichen W e t t s t r e i t s der beiden S y s t e m e offenlassen. Angesichts dieser Krisensituation der bürgerlichen Gesellschaft verlangen die einst so „ s e l b s t v e r s t ä n d l i c h e n " Thesen ihrer Apologeten wie die über die a n g e b liche Unerschütterlichkeit des K a p i t a l i s m u s , seine u n b e s c h r ä n k t e A n p a s s u n g s fähigkeit an neue Bedingungen sowie die allgemeine A t t r a k t i v i t ä t seiner m a t e r i ellen Stimuli und geistigen Werte immer raffiniertere A r g u m e n t a t i o n e n . Die bürgerlichen Politiker und Ideologen sind zu der E r k e n n t n i s g e l a n g t , d a ß der A n t i k o m m u n i s m u s durch ein positives Zukunftsbild der n i c h t k o m m u n i s t i schen Gesellschaft ergänzt werden muß. S o wurden seit E n d e der fünfziger J a h r e viele Versuche unternommen, u m mit tendenziöser Darstellung b e s t i m m t e r Prozesse der wissenschaftlich-technischen Revolution d a s Bild einer „ m o d e r n e n Industriegesellschaft" zu entwerfen, d a s die vorgeblich positiven Seiten des heutigen K a p i t a l i s m u s mit den Möglichkeiten des gegenwärtigen S t a d i u m s des wissenschaftlich-technischen F o r t s c h r i t t s v e r k n ü p f t . Diese Doktrin auszuarbeiten und ihr wenigstens den Schein der Übereinstimmung m i t den realen Bedingungen der Koexistenz u n d des K a m p f e s der beiden S y s t e m e zu geben, fiel der „ K o n v e r genztheorie" zu.
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Der Begriff „Konvergenz" bedeutet so viel wie gegenseitige Annäherung, Zusammenstreben, Ubereinstimmung. Ursprünglich wurde er nur im naturwissenschaftlichen Bereich verwendet. Heute gebrauchen ihn bürgerliche Ökonomen und Soziologen, um die scheinbare Annäherung der beiden sozialökonomischen Systeme der Gegenwart — des Kapitalismus und des Sozialismus — auszudrücken. Da beide Systeme die gleichen technischen, ökonomischen und sozialen Probleme zu lösen hätten, wie sie die wissenschaftlich-technische Revolution mit sich bringt (Einfluß auf die materiellen Existenzbedingungen des Menschen, auf die materiellen und geistigen Werte), kommt man zu dem Schluß, daß sie sich immer ähnlicher werden, daß ihre künftigen Entwicklungslinien zueinander tendieren. Es geht also nicht darum, gegenwärtig vorhandene Ähnlichkeiten oder gemeinsame Merkmale festzustellen, die es natürlich gibt. Aus der an sich noch g a r nichts besagenden Tatsache, daß Gemeinsamkeiten vorhanden sind, werden weitreichende Schlüsse gezogen: Erstens nehmen die gemeinsamen Merkmale angeblich zu, während sich die Unterschiede verringern, und zweitens wird unterstellt, daß die äußeren Merkmale bestimmter Erscheinungen den gleichen Inhalt haben. In Wirklichkeit liefern die tatsächlichen Gegebenheiten unserer Zeit keinerlei Anlaß für derartige Schlußfolgerungen. Die „moderne Industriegesellschaft", die aus dem Annäherungsprozeß der beiden sozialökonomischen Systeme hervorgehen soll, ist nach der konvergenztheoretischen Hypothese weder kapitalistisch noch sozialistisch. Sie soll gewissermaßen die Vorzüge beider Systeme in sich vereinen und zugleich ihre Nachteile ausschließen. Dabei wird in allen Varianten dieser Theorie mehr oder weniger offen unterstellt, daß der Kapitalismus zu der neuen Ordnung die Hauptvorzüge beisteuere, während vom Sozialismus nur gewisse Merkmale wirken, die bezwecken sollen, die sozialen Antagonismen und die wirtschaftliche Anarchie abzuschwächen. In dieser Weise dem neuen Kräfteverhältnis Rechnung tragend, meinen die Verfechter der „Konvergenz", den Sozialismus weniger direkt als mittels der These von seiner allmählichen Annäherung an eine rein äußerlich neutrale, im wesentlichen aber kapitalistische Ordnung, die aus den „Imperativen der modernen Industrie" hervorgehe, diskreditieren zu können. Die Konvergenztheorie stellt also die Frage nach den Möglichkeiten der künftigen Entwicklung des sozialistischen Systems sowie nach den Beziehungen zwischen den beiden Systemen im Prozeß ihrer künftigen gesellschaftlichen Entwicklung, doch beantwortet sie diese Frage zugunsten des Kapitalismus. Hierin liegt auch die Spezifik der Konvergenztheorie als neue Form der Apologie des Kapitalismus und zugleich ihre inhaltliche Identität mit früheren gröberen Formen der Apologetik. Eine der ersten konvergenztheoretischen Schriften s t a m m t von dem französischen Soziologen Raymond Aron und erschien im J a h r e 1957 unter dem Titel „Die Entwicklung der Industriegesellschaft und der sozialen Stratifikation". S p ä t e r veröffentlichte er „18 Vorlesungen über die Industriegesellschaft", in denen er das sozialistische und das kapitalistische S y s t e m als zwei Arten der „In-
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dustriegesellschaft" behandelt und die Frage nach der Annäherung beider S y steme positiv beantwortet. Im J a h r e 1958 erschien eine Arbeit des amerikanischen Ökonomen W a l t e r S. Buckingham mit dem Titel „Theoretische ökonomische Systeme. Eine vergleichende Analyse" 1 . Dort heißt es schon ganz eindeutig: „Eine der Hauptschlußfolgerungen dieser Untersuchung besteht darin, daß die realen, die funktionierenden ökonomischen Systeme einander immer ähnlicher werden a n s t a t t voneinander abzuweichen." 2 Der letzte Teil von Buckinghams Buch trägt die Überschrift „Einem einheitlichen Wirtschaftssystem entgegen". Weiter ausgebaut wurde dann die Konvergenztheorie in den Schriften der amerikanischen bürgerlichen Theoretiker Pitirim A. Sorokin und Peter F. Drucker. Die ökonomischen Aspekte der Konvergenztheorie sind vor allem von dem niederländischen Ökonomen J a n Tinbergen ausgearbeitet worden. 3 Den Vertretern dieser Theorie kommen zwei Umstände entgegen: a) die konvergenztheoretischen Thesen werden aus einer vorgefaßten Interpretation verschiedener tatsächlich gegebener Momente der gegenwärtigen industriellen Entwicklung und ihres Einflusses auf alle Seiten des gesellschaftlichen Lebens abgeleitet; üb) die Interpretation dieser Fakten wird den Interessen und Erwartungen der Schichten und Gruppen angepaßt, für deren ideologische Beeinflussung diese TJüeorie bestimmt ist. So sind große Teile der Mittelschichten mit ihrer objektiv bedingten Neigung, gegensätzliche Tendenzen miteinander zu „versöhnen", Konservatismus mit kritischem Geist für vereinbar zu halten, die besten Verfechter jeder Art von „Konvergenz". . ¡Auf Grund des hohen Vergesellschaftungsgrades der Produktion und ähnlicher Tendenzen in der Entwicklung der Wissenschaft gibt es viele äußerlich gleiche Formen im wirtschaftlichen und sozialen Leben, in der Leitung der Gesellschaft, im Familienleben usw. Welche Mittelglieder sind aber erforderlich, um den Bogen von gewissen F a k t e n bis zur theoretischen Konzeption zu spannen? Die Argumentationsweise der Konvergenztheoretiker beruht vor allem auf ökonomischen Vergleichen. Dabei wird gewöhnlich ein Vergleich zwischen den USA und der U d S S R , den beiden industriell am weitesten fortgeschrittenen und damit repräsentativen Ländern des Kapitalismus und Sozialismus angestellt. Solche Vergleiche bestätigen, daß es gegenwärtig zwischen dem am weitesten entwickelten kapitalistischen und dem am weitesten entwickelten sozialistischen Land eine gewisse Ähnlichkeit in den Formen der wissenschaftlich-technischen Entwicklung, in der Technologie und im Entwicklungsgrad von Industrie und Walter S. Buckingham, Theoretical Economic Systems. A comparative analysis, New York 1958. 2 Ebenda, S. 26. 3 Jan Tinbergen, Kommt es zu einer Annäherung zwischen den kommunistischen und den freiheitlichen Wirtschaftsordnungen?, in: Hamburger Jahrbuch für Wirtschaftsund Gesellschaftspolitik, Tübingen 1963. 1
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L a n d w i r t s c h a f t gibt. Die Konvergenztheoretiker machen n u n einen ganz u n a n gemessenen logischen „ S p r u n g " u n d b e h a u p t e n , d a ß folglich auch alle anderen Probleme, die in irgendeinem Z u s a m m e n h a n g mit der technischen u n d ökonomischen Entwicklung der Gesellschaft stehen, in der U d S S R u n d in den USA die gleichen seien u n d auf gleiche Weise gelöst werden müssen. D a r a u s wird d a n n mittels eines weiteren theoretischen Kurzschlusses abgeleitet, d a ß die wirtschaftliche u n d technische Entwicklung in den beiden Gesellschaftssystemen k ü n f t i g ineinander übergehe. J a n Tinbergen stellt sieh diesen Prozeß wie folgt v o r : Der Sozialismus h a b e f r ü h e r e Gleichmachungstendenzen ü b e r w u n d e n , u n d die materiellen Leistungsanreize erhielten i m m e r größere Bedeutung. Die P l a n u n g werde s t a r k dezentralisiert, die Ausbildung der leitenden W i r t s c h a f t s k a d e r bezüglich der modernsten Technik werde ständig verbessert. I m Kapitalismus werde die Notwendigkeit d e r P l a n u n g ebenfalls i m m e r deutlicher e r k a n n t . Der öffentliche Sektor der W i r t s c h a f t n e h m e i m m e r größeren U m f a n g an. Durch Steuerpolitik u n d ähnliches sei die Bewegungsfreiheit der U n t e r n e h m e r eingeschränkt. Das R e s u l t a t müsse also eine Gesellschaft sein, die gewissermaßen die besten Züge beider Ordnungen in sich vereine. Auch J o h n K. Galbraith spricht von „konvergierenden Tendenzen der I n d u striegesellschaften" u n d k o m m t zu dem S c h l u ß : „Die E n t w i c k l u n g wird schließlich zu einer u n g e f ä h r gleichen F o r m der P l a n u n g u n d Organisation f ü h r e n " U n d er folgert schließlich: „ E s gibt in der Gegenwart k a u m eine interessantere E r scheinung, als d a ß die einstmals kapitalistische u n d die einstmals kommunistische F i r m a einander als Oligarchien der Beteiligten i m m e r ähnlicher w e r d e n . " 5 Die einzig reale Grundlage f ü r diese These bildet die Vergrößerung der W i r t s c h a f t s einheiten, die sowohl im Kapitalismus als auch im Sozialismus festzustellen ist. Aber während im Kapitalismus diese Vergrößerung in der F o r m vor sich geht, d a ß sich die p r i v a t e n u n d staatskapitalistischen Monopole andere U n t e r n e h m e n zwecks P r o f i t m a x i m i e r u n g einverleiben, h a n d e l t es sich im Sozialismus u m die Bildung von Produktionsvereinigungen zwecks größerer ökonomischer E f f e k t i v i t ä t . Die grundlegenden Unterschiede zwischen den Wirtschaftseinheiten im Kapitalismus u n d im Sozialismus werden dabei i m m e r deutlicher. U m diese grundlegenden Unterschiede zu verwischen, a b s t r a h i e r t die K o n v e r genztheorie von der Grundfrage, die bei der B e t r a c h t u n g jeder Gesellschaftso r d n u n g u n d der f ü r sie typischen Wirtschaftseinheiten zu klären i s t : von d e r F r a g e nach dem E i g e n t u m an den P r o d u k t i o n s m i t t e l n . Die Konvergenztheorie geht von der Unterstellung aus, d a ß bei der Charakteristik der Gesellschaft h e u t e nicht m e h r d a s E i g e n t u m , sondern die Produktionsleitung die entscheidende Rolle spiele. Die an den Kapitalgesellschaften beteiligten Aktionäre realisierten zwar ihr Kapitaleigentum in F o r m der Dividende, doch h ä t t e n sie keinerlei 4 J o h n K. Galbraith, Die moderne Industriegesellschaft. München-Zürich 1968, S. 429. 5 Ebenda, S. 430.
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Einfluß auf unternehmerische Entscheidungen (bezüglich des Produktionsprogramms, der Investitionen usw.). Die Produktion werde völlig von den Managern beherrscht, die damit auch den entsprechenden Einfluß auf die Gesellschaft ausüben. Aus diesen Darstellungen wird dann gefolgert, daß heute die Verfügungsgewalt über die Großunternehmen im Kapitalismus wie im Sozialismus hochqualifizierten besoldeten Angestellten übertragen worden sei, die in beiden Systemen immer mehr die entscheidende Macht ausübten. Diese Gedankengänge gehen auf J a m e s Burnham zurück, der schon im J a h r e 1941 in seinem Buch „Die''Revolution der Manager" die Grundkonzeption dafür entworfen hatte. 6 Die Konvergenztheoretiker erweitern nun diese Thesen auf das sozialistische System und benutzen sie als Argument f ü r die Annäherung der beiden Systeme. Dabei werden, wie es häufig in der bürgerlichen Apologetik geschieht, Tatsachen mit Unwahrheiten vermengt, um zu den vorgefaßten Schlüssen zu kommen. Wahr ist, daß die Zeit der „Einzelunternehmer" im Kapitalismus der Vergangenheit angehört und nur große Aktiengesellschaften rationell wirtschaften können. Das Aktienkapital stellt heute die vorherrschende Form des Kapitals und die wichtigste Finanzierungsform der Produktion dar, wobei der Aktienbesitz keine Garantie für den entscheidenden Einfluß der Aktionäre auf die Unternehmensbelange ist. Aber zwischen diesen Realitäten und der These, daß die Kapitalistenklasse die beherrschende Stellung in Produktion und Gesellschaft einbüßt, liegt eine Kluft, die die bürgerlichen Apologeten nicht anders überbrücken können als mit wahrheitsverfälschenden Behauptungen. Das Aktienkapital ist zum weit überwiegenden Teil bei der Finanzoligarchie konzentriert. Mit verschiedenen monopolistischen Organisationsformen sind die Eigentümer der Aktienkontrollpakete in der Lage, sich ganze Industriezweige sowie die Versorgungs- und Absatzsphäre zu unterwerfen. Die unmittelbaren Leiter der Produktion, die Manager, handeln ausschließlich im Interesse der Kapitalinhaber. Kein Manager kann sich in seinen Entscheidungen über Löhne und Preise, über das Produktionssortiment, über die Produktionsausmaße usw. von den Interessen der Arbeiter oder Verbraucher leiten lassen. Bei eventuellen Meinungsverschiedenheiten zwischen Managern und Unternehmern stellt sich sehr bald heraus, wer das entscheidende Wort spricht. Hinzu kommt, daß die jüngere Generation der herrschenden Finanzdynastien gewöhnlich an den Hochschulen Kenntnissein Betriebswirtschaft, Leitungstheorie und -technik sowie in Soziologie erwirbt, um dann selbst einen Posten in der Unternehmensleitung zu bekleiden. Außerdem steigt die Oberschicht der Manager durch den Erwerb von Aktien in die Kapitalistenklasse auf. Das Monopoleigentum bildet nach wie vor die Grundlage des sagenhaften Reichtums der bürgerlichen Elite und verleiht ihr die entsprechende gesellschaftliche Macht. Die Grundlagen der Herrschaft der Kapitalistenklasse werden auch nicht durch 6
J a m e s B u r n h a m , The Managerial Revolution, New Y o r k 1941.
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die E x i s t e n z von kapitalistischem S t a a t s e i g e n t u m e r s c h ü t t e r t . Die herrschende Klasse schafft sich ihren S t a a t und v e r ä n d e r t ihn entsprechend den politischen und wirtschaftlichen Notwendigkeiten, wobei natürlich den historischen und n a tionalen T r a d i t i o n e n , der internationalen L a g e usw. R e c h n u n g getragen wird. W e n n es die Monopolbourgcoisie heute für zweckmäßig e r a c h t e t , b e s t i m m t e U n ternehmen durch ihren S t a a t verwalten zu lassen, dann t u t sie dies n i c h t , u m die A u s m a ß e der kapitalistischen Aneignung zu schmälern, sondern u m diese A n eignung vor drohenden E r s c h ü t t e r u n g e n zu bewahren. D a s K a p i t a l als E i g e n t u m , als Anspruch auf den H a u p t t e i l des erzeugten Mehrwerts, ist heute in der T a t von der K a p i t a l f u n k t i o n , von der Erzielung dieses Mehrwerts im Produktionsprozeß, g e t r e n n t . Mit anderen W o r t e n : D e r Produktionsprozeß m i t all seinen o b j e k t i v notwendigen Organisations- und Leitungsfunktionen bedarf der T ä t i g k e i t des K a p i t a l i s t e n , des personifizierten K a p i t a l s , n i c h t mehr. Doch ist die Trennung der K a p i t a l f u n k t i o n v o m K a p i t a l e i g e n t u m , die der b ü r gerliche
Ökonom
als
seine
eigene
welterschütternde
Entdeckung
hinstellt,
schon v o r 100 J a h r e n von K a r l M a r x nachgewiesen worden. So schrieb e r : „ D i e kapitalistische Produktion selbst h a t es dahin g e b r a c h t , d a ß die Arbeit d e r Oberleitung, ganz g e t r e n n t vom K a p i t a l e i g e n t u m , auf der S t r a ß e h e r u m l ä u f t . E s ist daher nutzlos geworden, daß diese Arbeit der Oberleitung v o m K a p i t a l i sten ausgeübt w e r d e . " 7 Bei der Analyse der Aktiengesellschaften widerlegte M a r x schon seinerzeit all die Argumente, die die bürgerlichen Ökonomen h e u t e vorbringen, um zu belegen, daß das K a p i t a l sein privatkapitalistisches Wesen aufgegeben h a b e : „ D i e Aktienunternehmungen ü b e r h a u p t — entwickelt m i t dem K r e d i t wesen — haben die Tendenz, diese Verwaltungsarbeit als F u n k t i o n m e h r und m e h r zu trennen von dem Besitz des K a p i t a l s , sei es eignes oder g e b o r g t e s . " 8 Auch B e h a u p t u n g e n , daß die Leitungsfunktion im Sozialismus gegenüber den Eigentumsverhältnissen die Oberhand gewinnt, sind gegenstandslos. In der sozialistischen Gesellschaft vollzieht sich die T ä t i g k e i t der B e t r i e b s l e i t e r in keiner Weise unabhängig von den E i g e n t u m s v e r h ä l t n i s s e n . Das gesellschaftliche E i g e n t u m an den Produktionsmitteln bildet die Grundlage f ü r das g e s a m t e S y s t e m der P l a n w i r t s c h a f t und m a c h t j e d e private R e i c h t u m s k o n z e n t r a t i o n durch Aneignung fremder Arbeit unmöglich. F ü r die Entscheidungen eines B e t r i e b s l e i t e r s gelten ganz andere Motive als unter kapitalistischen Verhältnissen. Sie schließen grundsätzliche
Interessengegensätze
zwischen dem L e i t e r und dem
Betriebs-
kollektiv aus. Natürlich ist d a m i t die Möglichkeit von Konflikten nicht beseitigt. Solche K o n flikte entstehen a b e r nicht auf der E b e n e des Gegensatzes von K a p i t a l und A r b e i t , von Lohn und P r o f i t . Sie gehören in den Bereich partieller Abweichungen von d e r optimalen Verbindung der gesellschaftlichen, örtlichen und individuellen I n t e r e s sen in den einzelnen Teilsystemen der sozialistischen W i r t s c h a f t . Neben den m a ? Karl Marx, Das Kapital, Dritter Band, in: MEW, Bd. 25, Berlin 1976, S. 400. 8 Ebenda, S. 401.
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teriellen Bedingungen sind es auch das sozialistische Bewußtsein der W e r k t ä t i gen, die A k t i v i t ä t der Partei- u n d Gewerkschaftsorganisationen sowie die G r u n d sätze der sozialistischen Demokratie, die partielle Differenzen dieser Art beilegen helfen. Die objektiven sozialistischen Bedingungen finden z u d e m ihren juristischen Ausdruck im sozialistischen Arbeitsrecht, in Gesetzen auf d e m Gebiet des Gesundheitswesens u n d des Gesundheitsschutzes, in der Gesetzgebung z u m S c h u t z der Jugendlichen u n d zur F ö r d e r u n g der F r a u e n sowie in den Kontrollorganen der Arbeiter- u n d Bauerninspektion. Alle diese Bedingungen sind ebenso die Konsequenz der herrschenden Eigentumsverhältnisse an den P r o d u k t i o n s m i t t e l n , wie die ihnen völlig entgegengesetzten Arbeitsbedingungen in den heutigen kapitalistischen U n t e r n e h m e n . Deshalb sind die bürgerlichen H o f f n u n g e n auf das E n t s t e h e n einer „neuen Klasse" von Technokraten, die der Bourgeoisie u n d dem P r o l e t a r i a t die H e r r s c h a f t e n t reißen könne, bestenfalls eine Illusion u n d im ungünstigsten Fall eine b e w u ß t e I r r e f ü h r u n g des P u b l i k u m s . Angesichts dieser offensichtlichen T a t s a c h e n k ö n n e n keinerlei wirklich v o r h a n d e n e oder frei erfundene Ähnlichkeiten zwischen d e m heutigen Kapitalismus u n d dem entwickelten Sozialismus auf d e m Gebiet d e r Technik, der Leitungsformen, der Arbeit u n d des Alltagslebens als A r g u m e n t f ü r die Beseitigung oder Nivellierung ihrer grundsätzlichen Unterschiede dienen. W e n n die Konvergenztheoretiker angesichts der z u n e h m e n d e n ökonomischen F u n k t i o n e n des bürgerlichen Staates diesen S t a a t als „klassenindifferent" oder „ s y s t e m n e u t r a l " bezeichnen, während sie zugleich angesichts der W i r t s c h a f t s r e formen in den sozialistischen Ländern von einer z u n e h m e n d e n Verselbständigung der W i r t s c h a f t gegenüber d e m S t a a t sprechen, d a n n beruhen all diese Parallelen auf der Gleichsetzung zweitrangiger, oberflächlicher F o r m e n m i t d e m eigentlichen Wesen der Erscheinungen. So erklärt Galbraith u n t e r B e r u f u n g auf Maßn a h m e n zur monopolistischen Regulierung der P r o d u k t i o n in den U S A u n d auf die Dezentralisierung b e s t i m m t e r ökonomischer F u n k t i o n e n in sozialistischen Ländern, d a ß die sozialistischen Betriebe eine ähnliche Stellung einnehmen wie kapitalistische U n t e r n e h m e n . Wenn m a n jedoch die diesen Schlußfolgerungen z u g r u n d e liegenden F a k t e n n ä h e r betrachtet, stellt sich heraus, d a ß die f o r m a l e n Ähnlichkeitsmomente erstens aufgebauscht sind u n d zweitens einen ganz u n d gar nicht vergleichbaren I n h a l t aufweisen. Die Entwicklung der P r o d u k t i v k r ä f t e im Verlauf der wissenschaftlich-technischen Revolution stellt den Kapitalismus vor eine Reihe von k a u m lösbaren Problemen. Die gesellschaftliche Arbeitsteilung n i m m t u n e r h ö r t e Ausmaße an. Das P r o d u k t i o n s v o l u m e n der kapitalistischen U n t e r n e h m e n wird i m m e r größer u n d t e n d i e r t zu einer räumlichen u n d zeitlichen Verflechtung aller Wirtschaftsprozesse. Es wirkt eine objektive Tendenz zur Internationalisierung aller wirtschaftlichen Vorgänge. Neue Industrien entstehen u n d i m m e r größere Kapitalmengen werden erforderlich, u m die Verwertungsbedingungen des Kapitals zu sichern. Das individuelle Kapital ist immer weniger in der Lage, diesen E r fordernissen zu genügen. Auch d a s Gesellschaftskapital in der Gestalt von T r u s t s ,
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Konzernen u n d in anderen F o r m e n kapitalistischer Monopolorganisationen ist bereits ü b e r f o r d e r t . Der gesellschaftliche Charakter der neuen P r o d u k t i v k r ä f t e m a c h t es i m m e r weniger möglich, die dem kapitalistischen System i m m a n e n t e A r t der Verteilung der gesellschaftlichen Gesamtarbeit durch den s p o n t a n e n u n d anarchisch wirkenden Preis- u n d Profitmechanismus u n d durch die monopolistische Konkurrenz erfolgreich anzuwenden. Gesamtgesellschaftliche Leitung u n d L e n k u n g der Produktionsentwicklung u n d des W i r t s c h a f t s w a c h s t u m s , zentrale Entscheidungen über S t r u k t u r f r a g e n und volkswirtschaftliche Regelung des Einsatzes der Investitionsmittel werden i m m e r m e h r erforderlich. Diese E n t w i c k l u n g d r ä n g t bereits über die Grenzen der kapitalistischen Ordnung hinaus, denn die volkswirtschaftliche Regelung u n d Steuerung dieser Prozesse widerspricht im Prinzip d e m Char a k t e r u n d der Funktionsweise des P r i v a t k a p i t a l s (auch in seiner monopolistischen Form). Schon Friedrich Engels schrieb: „ I n den T r u s t s schlägt die freie Konkurrenz u m ins Monopol, kapituliert die planlose P r o d u k t i o n der kapitalistischen Gesellschaft vor der planmäßigen P r o d u k t i o n der hereinbrechenden sozialistischen Gesellschaft. Allerdings noch zu Nutz u n d F r o m m e n der K a p i t a l i s t e n . " 9 Die Unfähigkeit der kapitalistischen P r o d u k t i o n , einer Reihe von dringenden Erfordernissen der W i r t s c h a f t u n d des sozialen Lebens zu genügen, verleiht h e u t e allen kapitalistischen Widersprüchen eine neue Q u a l i t ä t . Der einzige Weg, diesen Widersprüchen auf der Grundlage der kapitalistischen P r o d u k t i o n neue Bewegungsmöglichkeiten zu verschaffen, b e s t e h t darin, die wirtschaftliche A k t i v i t ä t u n d Kompetenz des bürgerlichen S t a a t e s zu erhöhen, ihm die Regulierung ökonomischer Prozesse u n d F u n k t i o n e n der Umverteilung des Nationaleink o m m e n s zu ü b e r t r a g e n sowie Lösungen in der Wissenschaftspolitik u n d auf anderen Gebieten zu finden. Auch wenn die kapitalistischen Widersprüche d a d u r c h nicht gelöst, sondern letztlich n u r verschärft werden, erhalten sie auf dieser neuen S t u f e s t a a t s m o n o p o listischer Entwicklung doch einen gewissen Spielraum, der die k a t a s t r o p h e n h a f t e Lösung der Konflikte f ü r eine gewisse Zeit aufschiebt. Die e r n s t z u n e h m e n d e n bürgerlichen Ökonomen zeigen m e h r oder weniger ein Gespür f ü r den Preis, der f ü r das Weiterbestehen des Kapitalismus u n t e r den o b j e k t i v n a c h neuen, höheren Organisationsformen der Gesellschaft verlangenden Bedingungen gezahlt werden m u ß . Aber auch sie glauben nachweisen zu müssen, d a ß die Unterschiede zwischen Kapitalismus u n d Sozialismus u n t e r d e m Einfluß dieses objektiven Erfordernisses in den neuen gesellschaftlichen F o r m e n immer geringer werden. Die neuen Met h o d e n der kapitalistischen Wirtschaftsleitung u n d -regulierung werden u n m i t t e l bar aus den P r o d u k t i v k r ä f t e n abgeleitet, ohne d a ß m a n dabei d a s b e s t i m m e n d e Moment der Produktionsverhältnisse b e a c h t e t . So schreibt beispielsweise J o h n K. Galbraith in seinem Buch „Die moderne Industriegesellschaft": „Die Notwendigkeit der P l a n u n g ergibt sich . . . aus der'langen D a u e r des P r o d u k t i o n s p r o 9 Friedrich Engels, Dialektik der Natur, in: MEW, Bd. 20, Berlin 1971, S. 617. I
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zesses, den erforderlichen hohen Investitionen und der starren F e s t l e g u n g dieser Mittel auf eine g a n z b e s t i m m t e A u f g a b e . " An anderer Stelle k o m m t er zu d e m Schluß: „Vielmehr haben wir heute ein W i r t s c h a f t s s y s t e m , d a s wie immer m a n es auch bezeichnen m a g , im wesentlichen eine Planwirtschaft i s t . " 1 0 Galbraith überbetont die Planelemente in der heutigen kapitalistischen Wirtschaft, u m ihnen apologetischen Charakter zu verleihen u n d abstrahiert dabei von entscheidenden Besonderheiten des gegenwärtigen kapitalistischen Leitungssystems. Erstens bleiben die Regulierungsmaßnahmen des bürgerlichen S t a a t e s letztlich an den Verwertungsbedürfnissen des K a p i t a l s orientiert. Selbst wenn der k a p i t a listische S t a a t gegen die Interessen einzelner Kapitalgesellschaften oder ganzer Monopolgruppen verstößt, t u t er es nicht f ü r die ganze Gesellschaft, sondern im Interesse anderer Monopolgruppen oder des Monopolkapitals i n s g e s a m t , u m auf diese Weise d a s Fortbestehen des G e s a m t s y s t e m s zu sichern. Zweitens schränkt die E x i s t e n z privater Kapitalgesellschaften und Monopolgruppen mit ihrer absoluten Verfügungsgewalt über d a s jeweilige ökonomische Potential die Möglichkeiten direkter, planender u n d koordinierender Eingriffe des bürgerlichen S t a a t e s weitgehend ein. I m Interesse des G e s a m t s y s t e m s liegende Maßnahmen kann er im wesentlichen nur mit indirekten Mitteln durchführen und dabei zu Teilerfolgen kommen, mit denen die grundlegenden Mängel des K a p i t a l i s m u s nicht zu beheben sind. Veränderungen der Diskontsätze, steuerpolitische Maßnahmen, Subventionen, staatliche Investitionen und A u f t r ä g e usw. erfüllen die in sie gesetzten Erwartungen nur teilweise und nur so lange, wie sie nicht in Widerspruch mit den Gesetzmäßigkeiten des kapitalistischen Zyklus geraten und sich die internationalen Rivalitäten der imperialistischen Mächte verschärfen. Aber auch in „ g u t e n Zeiten" bleiben die Möglichkeiten der kapitalistischen Wirtschaftsregulierung in den Ausmaßen und in der E f f e k t i v i t ä t weit hinter der zentralen sozialistischen Volkswirtschaftsplanung zurück. Drittens besteht d a s Ziel der kapitalistischen Wirtschaftsregulierung in d e m Versuch, die sich aus dem gesellschaftlichen Charakter der P r o d u k t i v k r ä f t e ergebenden Konsequenzen zu umgehen und im R a h m e n der kapitalistischen Eigentumsverhältnisse Beherrscher der Produktion zu bleiben, u m A u s b e u t u n g , Macht und Profit aufrechtzuerhalten. D a m i t wird die kapitalistische Wirtschaftsregulierung zu einem Mittel, mit dem d a s kapitalistische S y s t e m den Zeitpunkt seiner Ablösung durch den Sozialismus hinauszögert. E n t g e g e n den B e h a u p t u n g e n der Konvergenztheoretiker dient also die kapitalistische Wirtschaftsregulierung nicht der allmählichen Annäherung von K a p i t a l i s m u s und Sozialismus, sondern der weiteren Aufrechterhaltung und Vertiefung der Widersprüche zwischen den beiden S y s t e m e n . Hinsichtlich der Entwicklung des sozialistischen S y s t e m s stellen sich die Vertreter der Konvergenztheorie vor, daß parallel zu einer zunehmenden Zentralisa10
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John K. Galbraith, Die moderne Induslriegesellschaft, a. a. 0 . , S. 33 und 19. Krause/2ukov
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tion und Regulierung im Kapitalismus eine Dezentralisierung und Liberalisierung im Sozialismus vor sich gehe. Doch entbehren ihre Hoffnungen, daß in den sozialistischen Ländern die zentrale Wirtschaftsplanung schwächer werde und es zur Restauration der freien Marktwirtschaft komme, jeder Grundlage. Der Amerikaner Buckingham schreibt: „Planung und Sozialismus sind nicht ein und dasselbe . . . In der Praxis ist die Wirtschaftsplanung ein Teil der Regulierungsstruktur in allen industrialisierten L ä n d e r n . " 1 1 Die Realität zeigt jedoch, daß eine wirkliche Volkswirtschaftsplanung, die von den Interessen der ganzen Gesellschaft ausgeht, nur bei gesellschaftlichem Eigent u m an den Produktionsmitteln möglich und notwendig ist. Die Dialektik besteht darin, daß die Möglichkeit wirklicher gesellschaftlicher Planung — wenn sozialistisches Eigentum gegeben ist — zugleich zur objektiven Notwendigkeit wird, weil die Sicherung dieses Eigentums, die Herstellung der ihm entsprechenden gesellschaftlichen Beziehungen und die erforderliche Ausgestaltung des sozialistischen Gesamtsystems nur mittels zentraler Planung und Leitung zu verwirklichen sind. Manche Vertreter konvergenztheoretischer Auffassungen behaupten, daß sich die Annäherung der beiden sozialen Systeme im wesentlichen weniger über die Leitungsformen, sondern infolge gleichgelagerter Prozesse in der Einkommensverteilung vollziehe. In den kapitalistischen Ländern verringere sich die Einkommensdifferenzierung und sei eine tendenzielle Nivellierung festzustellen, während man in den sozialistischen Ländern von wachsenden Einkommensunterschieden sprechen könne. Bürgerliche Statistiker glauben nachweisen zu können, daß im Kapitalismus die Löhne und Gehälter der Arbeiterund Angestellten schnellersteigen als die Profite und Einkommen der „Selbständigen". Dabei ist allerdings zu beachten, daß den Angestellten auch Manager und S t a a t s b e a m t e mit sehr hohen Einkommen, den „Selbständigen" aberauch Bauern, kleine Handwerker usw. zugerechnet werden. Nimmt man anstelle der Einkommen die Unterschiede im Besitz von Sachvcrmögen, so wird das Bild der sozialen Differenzierung noch drastischer. Im J a h r e 1965 verfügten die privaten Haushalte in der B R D über ein Sachvermögen im Werte von 4,7 Milliarden DM, während sich das Vermögen der Unternehmer auf 55,6 Milliarden DM bezifferte. Ahnliche Daten lassen sich aus allen kapitalistischen Ländern anführen. Die Konzentration und Zentralisation des Kapitals, auf die schon Marx hingewiesen hat, ist eine objektive Gesetzmäßigkeit der kapitalistischen Produktion und läßt keine Nivellierung von Einkommen und Vermögen zu. Ein ganz anderes Bild bietet die Einkommensdifferenzierung im Sozialismus. Hier hängt sie mit Unterschieden in der Qualifikation und Intensität der Arbeit sowie in gewissem Maße auch mit der Q u a l i t ä t der Arbeit der Produzentenkollektive zusammen. 11
Walter S. B u c k i n g h a m , a. a. 0 . , S. 458 und 463.
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Theoretical Economic S y s t e m s . A c o m p a r a t i v e
analysis,
Das sozialistische Verteilungsprinzip, das mit ständiger Vollbeschäftigung gekoppelt ist, gehört zu den g r ö ß t e n E r r u n g e n s c h a f t e n der W e r k t ä t i g e n . E s g i b t keinerlei arbeitslose E i n k o m m e n m e h r , es gibt keine Möglichkeit m e h r , Geld in K a p i t a l zu verwandeln u n d a n d e r e Menschen a u s z u b e u t e n . Der Sozialismus b i e t e t günstige Voraussetzungen d a f ü r , d a ß alle Menschen ihre Fähigkeiten e n t f a l t e n u n d ihre Qualifikation erhöhen k ö n n e n , so d a ß sich letztlich a u c h die Arbeitsleistungen u n d die E i n k o m m e n a n n ä h e r n . W e n n also im Kapitalismus der Mechanismus der K a p i t a l v e r w e r t u n g o b j e k t i v zu i m m e r größerer Differenzierung von E i n k o m m e n u n d Besitz f ü h r t , so wirken im Sozialismus die o b j e k t i v e n ökonomischen Bedingungen u n d sozialen F a k t o r e n so, d a ß sich die Arbeits- u n d Lebensbedingungen aller Mitglieder der Gesellschaft i m m e r m e h r angleichen. Diese realen Prozesse stehen in völligem Widerspruch zu den frei e r f u n d e n e n Vorstellungen von einer Konvergenz der beiden Systeme. Manche bürgerliche A u t o r e n meinen, ihre A r g u m e n t e z u g u n s t e n der K o n v e r genz auf der E b e n e des Einzelbetriebes finden zu k ö n n e n . Sie vergleichen die Leit u n g s m e t h o d e n in kapitalistischen u n d sozialistischen Betrieben, die Verteilung der Verantwortungsbereiche, Probleme der Arbeitsorganisation usw. u n d ü b e r treiben dabei maßlos die B e d e u t u n g gewisser Ähnlichkeiten in der F u n k t i o n s weise sozialistischer u n d kapitalistischer Wirtschaftseinheiten. Bei vielen Beispielen, die sie a n f ü h r e n , vollziehen sich jedoch die Vorgänge im kapitalistischen wie im sozialistischen Betrieb n u r dem äußeren Schein n a c h gleichartig. Natürlich m u ß der kapitalistische Manager bei der Entscheidungsvorbereit u n g u n d E n t s c h e i d u n g s f i n d u n g m i t E x p e r t e n g r u p p e n z u s a m m e n a r b e i t e n , sich von ihnen beraten lassen, G u t a c h t e n anfordern usw. Das alles m a c h t der sozialistische Betriebsleiter auch. Aber diese scheinbar gleichen F o r m e n h a b e n f ü r die beiden Leiter einen völlig verschiedenen Inhalt. Beispielsweise sind die G r ü n d e f ü r Entscheidungen über P r o d u k t i o n s a u s m a ß u n d P r o d u k t i o n s s o r t i m e n t sowie ü b e r die Einstellung von Arbeitern nicht n u r im Prinzip unterschiedlich, sondern auch in keinem wesentlichen P u n k t vergleichbar. Hinzu k o m m t , d a ß der sozialistische Betriebsleiter die Probleme, je nach ihrem I n h a l t , m i t der Leitung der Betriebsparteiorganisation oder m i t der Betriebsgewerkschaftsleitung e r ö r t e r t , u n d er stellt sie auch in Arbeitskollektiven — von der Brigade bis zur Betriebsvers a m m l u n g — zur Diskussion. Das ist nicht n u r ein q u a n t i t a t i v e r Unterschied in d e m Sinne, d a ß eine größere Anzahl von Menschen in die E n t s c h e i d u n g s v o r b e reitung einbezogen wird. Es ist ein qualitativer Unterschied, weil die u n m i t t e l baren P r o d u z e n t e n an der E n t s c h e i d u n g s f i n d u n g beteiligt sind. Die H a l t u n g der Betriebsleitung zur werktätigen F r a u , zur N a c h w u c h s f ö r d e rung u n d zur fachlichen Weiterbildung der Mitarbeiter, z u m E i n s a t z v o n Mitarbeitern in leitende Stellungen, zu den gesellschaftlichen Organisationen der W e r k t ä t i g e n (Jugendorganisation, Gewerkschaftsorganisation) usw. h a t u n t e r sozialistischen Bedingungen ebenfalls einen qualitativ anderen I n h a l t als im Kapitalismus. Und die B e m ü h u n g e n bürgerlicher Soziologen u n d Psychologen, Elem e n t e sozialistischer L e i t u n g s m e t h o d e n in kapitalistischen U n t e r n e h m e n anzu-
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wenden, verfolgen im wesentlichen das Ziel, die Ausbeutung der Werktätigen zu verschleiern und den Schein zu erwecken, als seien sie an der Leitung der Produktion beteiligt. Aber nicht nur mit ökonomischen Motivierungen meinen die bürgerlichen Ideologen die Konvergenztheorie begründen zu können, man greift auch auf soziologische Argumente zurück. So schreibt der Theoretiker Helmut Schelsky ( B R D ) in seinem Buch „Die Ortsbestimmung der deutschen Soziologie": „Die entscheidenden industriegesellschaftlichen Problematiken und Handlungsforderungen, etwa der industriellen Arbeit des großstädtischen Lebens, des Konsums, der Erziehungs- und Ausbildungssituation, der Massenkommunikationsmittel usw. werden in so gegensätzlichen politischen Systemen wie etwa der U d S S R einerseits und der U S A andererseits immer ähnlicher; daß sich diese soziale Konvergenz, wenn auch von verschiedenen Ausgangspunkten her, ständig steigert, ist eine der zentralen Behauptungen der modernen Soziologie." 1 2 Auch Hans J o s e p h Mündt, der zu den Herausgebern der Schriftenreihe „Modelle für eine neue Welt" gehört, vertritt die Ansicht, daß die Technisierung sowohl unter kapitalistischen wie auch unter sozialistischen Bedingungen zu solchen sozialen Konsequenzen führe, daß sich beide Ordnungen in ihrer Gesamtheit immer ähnlicher werden. 1 3 Auch in dem in dieser Schriftenreihe erschienenen Buch „Unsere Welt 1985" wird die These vertreten, daß „im J a h r e 1985 große, internationale wirtschaftliche Einheiten oder Gruppen existieren werden, die bereits untereinander weitgehende Arbeitsteilung eingerichtet haben und zudem durch verstärkten Handel miteinander verknüpft sind. Natürlich werden nach wie vor grundsätzliche Differenzen in der politischen Auffassung bestehen, aber unter dem Einfluß moderner Erzeugungs- und Verkaufsmethoden werden diese Verschiedenheiten in Methode und Konzeption sich abschleifen." 1 4 Ahnliche Gedanken finden sich in den Schriften von Ralf Dahrendorf, Fritz B a a d e und vielen anderen. Diese Behauptungen und Erwartungen bürgerlicher Ökonomen beruhen auf dem Irrglauben, daß die gesellschaftliche Entwicklung unmittelbar vom technisch-ökonomischen Fortschritt geprägt werde und die Unterschiede in den Produktionsverhältnissen ohne Belang seien. Der in den U S A lebende bürgerliche Theoretiker Pitirim Sorokin veröffentlichte eine Studie über die „Soziologische und kulturelle Annäherung zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion" 1 5 . E r verweist auf das ErzieHelmut Schelsky, Ortsbestimmung der deutschen Soziologie, Düsseldorf-Köln 1959, S. 136. 1 3 H a n s J . Mündt, Kompaßzahl 2000. Synthese und Neuorientierung. Wege ins neue J a h r t a u s e n d , München-Wien-Basel 1964, S. 23. (Modelle für eine neue Welt.) M Unsere Welt 1985. S. 291. (Modelle für eine neue Welt.) 1 5 Pitirim A. Sorokin, Soziologische und kulturelle Annäherungen zwischen den Vereinigten S t a a t e n und der Sowjetunion, i n : Zeitschrift für Politik, Köln-Berlin (West), 4/1960, S. 356. 12
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hungs- und Bildungswesen in den U S A und in der U d S S R und würdigt die gewaltigen Leistungen der Sowjetunion auf diesem Gebiet, besonders die hervorragende Ausbildung der technischen Intelligenz. 1 6 D a r a u s leitet er den Schluß ab, daß sich Erziehungs- und Bildungswesen in den führenden kapitalistischen und sozialistischen Ländern immer ähnlicher werden. Der Soziologe H a r t m u t Vogt ( B R D ) b e h a u p t e t : „ D i e in erster Linie existentiell notwendigen sachlogisch bedingten Reaktionen auf die in West und Ost relativ gleichartigen Gegebenheiten und Erfordernisse auf d e m Gebiete der Bildung und Erziehung bedingen auch im Kern relativ gleichartige B i l d u n g s b e s t r e b u n g e n . " 1 7 „ D i e industriestaatliche bzw. industriegesellschaftliche Entwicklung f o l g t in der ganzen Welt und somit auch in beiden Teilen Deutschlands relativ gleichartigen Gesetzmäßigkeiten, deren Bewältigung durch jede Art von Gesellschaftsordnung ganz b e s t i m m t e und d a m i t ebenfalls verhältnismäßig gleichartige sachlogisch bedingte Reaktionen erfordert, die sich vielfach bzw. auf die D a u e r gegenüber rein ideologisch bedingten gesellschaftlichen Entwicklungsbestrebungen durchsetzen." 1 ® Diese konvergen^theoretische Bildungskonzeption h a t ihre Wurzeln in einer technizistischen Betrachtungsweise. F ü r den A u t o r sind die Kennzeichen der modernen Industriegesellschaft der technische Fortschritt, repräsentiert v o r allem durch die kybernetische A u t o m a t i o n der Produktions- und V e r w a l t u n g s v o r g ä n g e , und die Massengesellschaft, d. h. die Vermehrung u n d Z u s a m m e n b a l l u n g der Menschen auf immer engerem R a u m . F ü r den Menschen bestünden die Folgen dann in einer weitgehenden Unselbständigkeit und wirtschaftlichen A b h ä n g i g keit in einem „ V e r m a s s u n g s v o r g a n g " , der gekennzeichnet sei durch A b b a u persönlicher Verantwortung und F l u c h t in die A n o n y m i t ä t . Diese f ü r den K a p i t a l i s m u s typische Verbildung des Menschen wird hier verabsolutiert u n d „sozial n e u t r a l e n " technischen und demographischen F a k t o r e n zur L a s t gelegt. Ohne in die pädagogischen Details eindringen zu wollen, sind diesen Fehlorientierungen drei T a t s a c h e n entgegenzuhalten: 1. D a der Sozialismus d a s Bildungsmonopol der früher herrschenden K l a s s e gebrochen hat, können hier alle Mitglieder der Gesellschaft eine ihren F ä h i g k e i t e n entsprechende Ausbildung erwerben. I m K a p i t a l i s m u s dagegen ist die höhere Bildung im wesentlichen d a s Privileg der begüterten Schichten. B e s o n d e r s deutlich geworden ist dies auch in j ü n g s t e r Zeit, als sich d a s W a c h s t u m der K o s t e n f ü r die Bildung unter den Bedingungen einer Masseninflation und des Angriffs auf die E i n k o m m e n der Werktätigen erhöhte. 2. D e m B e m ü h e n u m eine humanistische Erziehung der J u g e n d , u m die E n t wicklung von vielseitig gebildeten Persönlichkeiten mit hohem G e m e i n s c h a f t s sinn im Sozialismus steht eine Tendenz zunehmender Verachtung kultureller 16 Vgl. Ebenda, S. 356. 17 Hartmut Vogt, Bildung für die Zukunft. Entwicklungstendenzen im deutschen Bildungswesen in Ost und West, Göttiiigen, 1967, S. 10—11. >8 Ebenda, S. 11. 117
u n d m e n s c h l i c h e r W e r t e u n d eine a n t i h u m a n i s t i s c h e M a n i p u l i e r u n g des D e n k e n s u n d F ü h l e n s d e r Menschen im K a p i t a l i s m u s g e g e n ü b e r . 3. Die Ü b e r l e g e n h e i t des sozialistischen B i l d u n g s s y s t e m s liegt in d e r K o m p l e x i t ä t d e r V e r m i t t l u n g v o n Wissen u n d m o r a l i s c h e n N o r m e n . Selbst w e n n in d e n k a p i t a l i s t i s c h e n L ä n d e r n v e r s u c h t wird, wissenschaftliche u n d m o r a l i s c h e W e r t e in E i n k l a n g zu b r i n g e n , s t ö ß t dies s t e t s auf d e n a n t i h u m a n e n C h a r a k t e r des g a n zen S y s t e m s u n d seiner Ziele. S c h o n K a r l M a r x s c h r i e b : „ D i e Gesellschaft b e s t e h t n i c h t a u s I n d i v i d u e n , s o n d e r n d r ü c k t die S u m m e d e r B e z i e h u n g e n , V e r h ä l t n i s s e aus, worin diese I n d i v i d u e n z u e i n a n d e r s t e h n . " 1 9 Die o r g a n i s c h e G a n z h e i t einer G e s e l l s c h a f t s f o r m a t i o n b e s t e h t d a r i n , d a ß sich alle Bereiche, E l e m e n t e u n d T e i l s y s t e m e in U b e r e i n s t i m m u n g m i t d e m sozialökonomischen C h a r a k t e r d e s G e s a m t s y s t e m s h e r a u s b i l d e n , b e f i n d e n u n d entwickeln. N a t ü r l i c h ist d a s kein k o n f l i k t l o s e r u n d w i d e r s p r u c h s f r e i e r P r o z e ß . I m m e r gibt es in einzelnen Bereichen o d e r T e i l s y s t e m e n d e r Gesellschaft G e g e n k r ä f t e u n d G e g e n w i r k u n g e n . Solange die G r u n d s t r u k t u r d e r soz i a l ö k o n o m i s c h e n F o r m a t i o n e r h a l t e n b l e i b t , g i b t es hier z w a r R e i b u n g e n , K o n f l i k t e u n d W i d e r s p r ü c h e , doch v e r l e t z e n sie n i c h t die G a n z h e i t d e s S y s t e m s . M a r x schrieb h i e r z u : „Dies organische S y s t e m selbst als T o t a l i t ä t h a t seine V o r a u s s e t z u n g e n , u n d seine E n t w i c k l u n g z u r T o t a l i t ä t h a t seine V o r a u s s e t z u n g e n , u n d seine E n t w i c k l u n g zur T o t a l i t ä t b e s t e h t eben [darin], alle E l e m e n t e d e r Gesellschaft sich u n t e r z u o r d n e n , o d e r die i h m noch f e h l e n d e n O r g a n e a u s ihr h e r a u s zu s c h a f f e n . " 2 0 Diese s y s t e m t h e o r e t i s c h e n Ü b e r l e g u n g e n lassen d e n S c h l u ß zu, d a ß in so gegensätzlichen G e s e l l s c h a f t s s y s t e m e n wie K a p i t a l i s m u s u n d Sozialismus a u c h die Teilbereiche d e m C h a r a k t e r d e s G e s a m t s y s t e m s e n t s p r e c h e n u n d es d e s h a l b a u c h keinerlei s y s t e m n e u t r a l e A n n ä h e r u n g a n a n d e r e S y s t e m e o d e r V e r s c h m e l z u n g mit ihnen geben k a n n . I m b ü r g e r l i c h e n L a g e r g i b t es in d e n l e t z t e n J a h r e n z u n e h m e n d e Skepsis geg e n ü b e r d e r K o n v e r g e n z t h e o r i e . Die v o n r e c h t s k o m m e n d e K r i t i k a n d e r K o n v e r g e n z t h e o r i e g e h t d a v o n aus, d a ß es f ü r d e n I m p e r i a l i s m u s ein Risiko sein k ö n n t e , w e n n viele Menschen in d e r k a p i t a l i s t i s c h e n Gesellschaft die A n n ä h e r u n g s t h e s e n e r n s t n e h m e n u n d d a r a u s vielleicht e n t s p r e c h e n d e p r a k t i s c h e Schlüsse a b l e i t e n . So wird in einem in d e r B R D p u b l i z i e r t e n B e i t r a g u n t e r d e r Z w i s c h e n ü b e r s c h r i f t „Existentielle Gefahren der Konvergenztheorie" festgestellt: „Die Konvergenzideologie ist n u r so lange u n g e f ä h r l i c h , wie sie n i c h t in G e s t a l t z u n e h m e n d e r sozialistischer E x p e r i m e n t e z u r K o n v e r g e n z p o l i t i k wird . . . Auf d e r a n d e r e n Seite w ü r d e eine K o n v e r g e n z p o l i t i k u n s e r B e k e n n t n i s z u m W e s t e n u n g l a u b w ü r d i g m a c h e n u n d u n s e r e Zugehörigkeit z u r westlichen Völkerfamilie in F r a g e stellen . . . d e u t s c h e Z u g e s t ä n d n i s s e a n d e n Sozialismus i m Sinne d e r K o n v e r g e n z i d e o l o g i e (sind) schon j e t z t geeignet, u n s e r B e k e n n t n i s in E u r o p a u n g l a u b w ü r d i g zu m a 19 Karl Marx, Grundrisse der Kritik der Politischen Ökonomie, Berlin 1974, S. 176. 20 Ebenda, S. 189.
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chen." 2 1 Bezeichnenderweise hat sich die SPD-Führung in ihren Grundsatzerklärungen, die die Innenpolitik betreffen, von allen Elementen der Konvergenztheorie losgesagt. Aber in den nach außen und insbesondere auf die sozialistischen Staaten berechneten Äußerungen werden nach wie vor konvergenztheoretische Überlegungen eingebaut. Für die Sozialdemokratie erscheint nur folgende Konvergenzvorstellung akzeptabel: Die Wirtschafts- und Gesellschaftsform jener Länder, in denen es eine sozialdemokratisch geführte Regierung gibt, wird als Industriegesellschaft hingestellt, die nach den Prinzipien des „demokratischen Sozialismus" umgestaltet worden ist oder wird. Den sozialistischen Ländern wird empfohlen, sich dieses Modell zum Vorbild zu nehmen und ihren „doktrinären", „totalitären", „autoritären" Sozialismus allmählich in sozialdemokratischer Richtung umzugestalten. Irgendwelche bedeutendere „Gegenleistungen" hält die sozialdemokratische Führung für unakzeptabel. Nur eine derart einseitige Annäherung könne alle Widersprüche beseitigen, so daß eine „einheitliche Industriegesellschaft" nach sozialdemokratischem Muster und natürlich unter sozialdemokratischer Führung entstehe. Wir haben es hier folglich mit einer Modifikation der gegenseitigen Annäherung der beiden Systeme zu tun, nach der der Sozialismus unter völliger Aufgabe seiner Prinzipien vom Kapitalismus aufgesogen werden soll. Im heutigen Literaturangebot der kapitalistischen Länder zu gesellschaftstheoretischen Fragen sind Zahl und Umfang der Publikationen, die sich speziell mit Fragen der Konvergenztheorie beschäftigen, im Vergleich zu früher erheblich zurückgegangen. Allerdings wäre es voreilig, daraus den Schluß zu ziehen, daß die Konvergenztheorie in der Ideologiestruktur der kapitalistischen Länder in den Hintergrund getreten sei. Prüft man den theoretischen und methodischen Inhalt von Publikationen oder Konzeptionen, die nicht unter konvergenztheoretischen Überschriften, sondern als Futurologie, Konfliktforschung, Kommunismusforschung usw. angeboten werden, so stellt man fest, daß dabei die Grundthesen der Konvergenztheorie Pate gestanden haben. Daraus folgt, daß der marxistisch-leninistischen Kritik nach wie vor die Aufgabe gestellt ist, die gesellschaftliche Funktion dieser Theorie aufzudecken, ihre theoretische Struktur und Argumentation kritisch zu analysieren und auf die Ablösung dieser oder jener von der Praxis allzu deutlich widerlegter Thesen durch neue, raffiniertere Argumente zu reagieren. Die Aktualität dieser Aufgaben ergibt sich auch daraus, daß mit den größer werdenden Möglichkeiten der friedlichen Koexistenz neue Illusionen im Hinblick auf eine Annäherung der beiden gegensätzlichen Systeme, auf das Verschwinden ihrer Spezifiken und Grundsätze aufkommen. Die jüngsten Modifikationen der Konvergenztheorie betreffen vor allem zwei Aspekte. Früher wurde versucht, eine angebliche Annäherung der beiden Systeme auf allen Gebieten des gesell21
W. Wedemann, Deutsche Einheit im Sozialismus? Konvergenztheorie und -ideologie, in: Gesellschaftspolitische Kommentare, 9, 10/1970, S. 115.
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schaftlichen Lebens, also auch im Bildungs- und Erziehungswesen, in der Kultur, j a sogar in der Philosophie nachzuweisen. Inzwischen haben die meisten bürgerlichen Ideologen einsehen müssen, daß es in der Weltanschauung, in der Parteiund S t a a t s p o l i t i k , in der K u l t u r und auf verschiedenen anderen Gebieten keine Annäherung gibt und geben kann. Die prinzipienfeste H a l t u n g der sozialistischen S t a a t e n und der marxistisch-leninistischen Parteien zu allen Versuchen der ideologischen Diversion gegen die Grundprinzipien der sozialistischen Theorie und P r a x i s haben die imperialistischen Politiker und Ideologen zu dieser Einsicht gezwungen. Deshalb geben die Konvergenztheoretiker verschiedene Positionen auf, um gleichzeitig zu versuchen, die konvergenztheoretischen Thesen f ü r die Wissenschaft, die Technik und die Lebensweise aufrechtzuerhalten und auszubauen. E i n zweiter Aspekt, unter d e m die Konvergenztheorie modifiziert wurde, bet r i f f t die Vorstellung der bürgerlichen Ideologen über d a s T e m p o der Annäherungsprozesse. F r ü h e r b e s t a n d die A u f f a s s u n g , daß die Annäherung der beiden S y s t e m e im vollen G a n g e sei, sich ständig beschleunige und in absehbarer Zeit zu einer „einheitlichen Industriegesellschaft" führen werde. Die heutigen Prognosen der bürgerlichen Autoren sind weit bescheidener und gehen d a v o n aus, daß diese Annäherungsprozesse nur im Keim gegeben seien und noch einer sehr langen Reifezeit bedürfen. S o f ü h r t Georg von Wrangel in seinem B u c h „Wird der Ostblock k a p i t a l i s t i s c h ? " aus, wie er sich nach einer späteren „Wiedervereinigung der beiden Teile D e u t s c h l a n d s " die „Wirtschaftsangleichung" vorstellt. E r hält es für möglich und wahrscheinlich, „ d a ß zumindestens für eine längere Übergangsperiode gemischt-wirtschaftliche Unternehmensformen bestehen bleiben und daß neben den reprivatisierten Betrieben auch solche im öffentlichen Besitz weiterarbeiten. Ob und wann dann deren Überführung in private H a n d stattfinden k a n n , wird erst in einer späteren Zukunft entschieden werden k ö n n e n . " 2 2 E s geht also um die „ g e d u l d i g e " R e s t a u r a t i o n des K a p i t a l i s m u s in einem sozialistischen L a n d bei gleichzeitigem Weiterbestehen einzelner, wirkungslos gemachter E l e m e n t e der einstigen sozialistischen Gesellschaft. U m Mißverständnissen vorzubeugen, bet o n t W r a n g e l : „ D i e wirtschaftliche Angleichung Mitteldeutschlands an Westdeutschland wird also kein einmaliger A k t , sondern ein differenzierter, stufenweiser Vorgang s e i n . " 2 3 Wrangeis programmatische Schlußfolgerung besteht auch darin, daß im Gefolge der „ A n g l e i c h u n g " der Wirtschaftsordnungen „ d i e Wirtschaft des heutigen Ostblocks von K r ä f t e n der freien Initiative getragen sein und auch dem P r i v a t eigentum an Produktionsmitteln wieder breiten R a u m g e b e n " wird. 2 4 Schlußfolgerungen dieser Art sind ein deutlicher Beleg d a f ü r , daß die Konvergenztheorie nicht etwa liberal reformistisch g e p r ä g t ist, sondern den aggressivsten Kreisen der bürgerlichen Ideologie A n s a t z p u n k t e bietet. 2 2 Georg von Wrangel, Wird der Ostblock kapitalistisch?, München 1966, S. 137—138. ü3 Ebenda, S. 138. u Ebenda. S. 256.
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5.
KAPITEL
Die Ansichten über die sozialistische Wirtschaft in den bürgerlichen Theorien von der „Industriegesellschaft" und „postindustriellen Gesellschaft"
Seit etwa 20 Jahren spielt in der bürgerlichen Ideologie ein Komplex von sozialökonomischen Ideen eine zunehmende Rolle, die die Konzeptionen von den „Stadien des Wirtschaftswachstums", der „Industriegesellschaft" und der „postindustriellen Gesellschaft" in sich vereinen. Dieser Richtung gehören auch die Lehren von der „Postzivilisation" (Kenneth E. Boulding), vom „pluralistischen Industrialismus" (Clark Kerr, Frederick H. Harbinson, Charles A. Myers, John T. Dunlop), der „technologischen Gesellschaft" (Jacques Ellul), der „technotronischen Gesellschaft (Zbigniew Brzezinski) sowie von der „modernen Industriegesellschaft" und der „dualistischen Wirtschaft" (John K. Galbraith) an. Mit diesem Komplex von Ideen versuchen bürgerliche Wissenschaftler, ihr eigenes Bild von der Gegenwart zu zeichnen und damit die marxistisch-leninistische Lehre über die Unvermeidlichkeit des Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus zu widerlegen. Die marxistisch-leninistische Literatur in der UdSSR und anderen Ländern hat sich bisher hauptsächlich auf die Analyse der allgemeinen Prinzipien dieser Richtung und ihrer Anwendung auf die Interpretation der heutigen kapitalistischen Wirtschaft beschränkt. Dagegen sind die Vorstellungen der Autoren dieser Konzeptionen über die sozialistische Wirtschaft kaum untersucht worden. Die Konzeptionen der „Industriegesellschaft" und der „postindustriellen Gesellschaft" haben im Laufe ihrer Entwicklung beträchtliche Veränderungen erfahren. Verschiedene Darstellungen waren unaktuell geworden, modernisierte Varianten traditioneller Ideen tauchten auf, und man versuchte, die neuen Prozesse, die sich in den sechziger und siebziger Jahren vollzogen haben, zu deuten. 1 Die Theorien von der „Industriegesellschaft" und der „postindustriellen Gesellschaft" weisen außer ihren bürgerlichen Spielarten auch sozialdemokratische, anarchistische und revisionistische Varianten auf. 2 Doch sind die bürgerlichen, reformistischen und revisionistischen Theoretiker des „Industrialismus" in der Einschätzung des realen Sozialismus meist einig. Die ersten Varianten der Industriegesellschaftslehre waren bereits an der Wende von den vierziger zu den fünfziger Jahren in den USA aufgetaucht. Ihre Auto1
2
Vgl. Daniel Bell, The Coming of Post-Industrial Society. A Venture in Social Forecasting, N e w York 1973. Paul Goodman, Vorwort zu: Helen and Scott Nearing, Living the Good Life, N e w York 1971; Kenneth Keniston, Y o u t h and Dissent, N e w York 1971.
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ren w a r e n d e r a m e r i k a n i s c h e bürgerliche Ö k o n o m P e t e r D r u c k e r u n d d e r B e g r ü n d e r d e r Theorie v o n den „ h u m a n r e l a t i o n s " , E l t o n Mayo. Sie v e r t r a t e n die Auff a s s u n g , d a ß die Massenfließfertigung u n d d e r Siegeszug d e r g r o ß e n K a p i t a l g e sellschaften in d e r W i r t s c h a f t eine „ W e l t r e v o l u t i o n " b e w i r k t h ä t t e n , m i t d e r sich d e r K a p i t a l i s m u s in eine „ I n d u s t r i e g e s e l l s c h a f t " v e r w a n d e l t h a b e . 3 Den Sozialism u s w e r t e t e n sie a h O r d n u n g , die n u r f ü r industriell weniger f o r t g e s c h r i t t e n e L ä n d e r geeignet sei, als eine V a r i a n t e d e r „ v o r i n d u s t r i e l l e n G e s e l l s c h a f t " . Allerdings k o n n t e diese E i n s c h ä t z u n g n i c h t lange a u f r e c h t e r h a l t e n w e r d e n . Die e r s t e n Versuche, d e n Sozialismus, a u s g e h e n d von d e n P r i n z i p i e n d e r „ I n d u s t r i e g e s e l l s c h a f t " , zu i n t e r p r e t i e r e n , t a u c h t e n in d e n f ü n f z i g e r J a h r e n a u f . D a b e i v e r h e h l t e n die V e r f e c h t e r d e r I n d u s t r i e g e s e l l s c h a f t s t h e o r i e n i c h t , d a ß sie b e a b s i c h t i g t e n , eine t h e o r e t i s c h e A l t e r n a t i v e z u r marxistisch-leninistischen L e h r e a u s z u a r b e i t e n . So schrieb R a y m o n d Aron, er h a b e sich d a s Ziel gesetzt, die I d e e v o n d e r E n t w i c k l u n g des K a p i t a l i s m u s z u m Sowjetsysterti zu widerlegen. 4 Clark K e r r , F r e d e r i c k H . H a r b i n s o n , Charles A. Myers u n d J o h n T . D u n l o p ( U S A ) b e h a u p t e t e n , n i c h t „ d e r in E u r o p a d r o h e n d e K o m m u n i s m u s " , s o n d e r n die I n d u s t r i a l i sierung stelle sich d e r W e l t als P r o b l e m u n d v e r ä n d e r e „ f a s t alle W e s e n s z ü g e älterer traditioneller Gesellschaften"5. Die D a r s t e l l u n g des Sozialismus als eine d e m K a p i t a l i s m u s gleichzustellende V a r i a n t e d e r „ I n d u s t r i e g e s e l l s c h a f t " g e h t auf S c h r i f t e n v o n P e t e r D r u c k e r sowie auf ein im J a h r e 1950 erschienenes B u c h v o n R a y m o n d Aron z u r ü c k . 6 E r h a t t e schon seinerzeit a n m a ß e n d e r k l ä r t , d a ß n i c h t die marxistisch-leninistische T h e o r i e , s o n d e r n die I n d u s t r i e g e s e l l s c h a f t s l e h r e d e r Schlüssel z u m V e r s t ä n d n i s d e r sozialökonomischen S y s t e m e der U d S S R u n d d e r U S A sei, „ d e n n d a s K e n n zeichen dieser Gesellschaft liegt w e d e r in d e r F r a g e des P r i v a t e i g e n t u m s o d e r des ö f f e n t l i c h e n E i g e n t u m s a n d e n P r o d u k t i o n s m i t t e l n noch im A n t e i l v o n M a r k t m e c h a n i s m u s u n d P l a n u n g a m W i r t s c h a f t s l e b e n " . Das H a u p t m e r k m a l liege allein in d e r industriellen P r o d u k t i o n , die allein die v e r g l e i c h b a r e n sozialökonomischen Strukturen bestimme.7 I n seiner A r b e i t „ D i e E n t w i c k l u n g d e r I n d u s t r i e g e s e l l s c h a f t u n d d e r sozialen S t r a t i f i k a t i o n " , die im J a h r e 1957 erschien, f ü h r t e A r o n die soziologischen A s p e k t e dieser T h e o r i e n a u s . W a l t W . R o s t o w h a t d a n n 1960 die ö k o n o m i s c h e P r o b l e m a t i k s y s t e m a t i s i e r t u n d ein S c h e m a v o m E n t s t e h e n d e r „ I n d u s t r i e g e s e l l s c h a f t e n " u n d i h r e r E n t w i c k l u n g s e t a p p e n e n t w o r f e n . R o s t o w b e h a u p t e t e , d a ß alle Ge3
Vgl. Elton Mayo, The Social Problems of Industrial Civilization, London 1949; Peter F. Drucker, Gesellschaft am Fließband. Eine Anatomie der industriellen Ordnung, Düsseldorf 1950. 4 Raymond Aron, Die industrielle Gesellschaft, Frankfurt a. M.-Hamburg 1964, S. 8. 5 Vgl. Clark Kerr, John T. Dunlop, Frederick H. Harbinson, Charles A. Myers, Der Mensch in der industriellen Gesellschaft, Frankfurt a. M. 1966, S. 37. 6 Vgl. Raymond Aron, La sociologie allemande contemporaine, Paris 1950; deutsche Ausgabe: Die deutsche Soziologie der Gegenwart, Stuttgart 1965. 1 Vgl. ebenda (deutsche Ausgabe), S. 175-176, 178.
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sellschaften v o m S t a n d p u n k t ihrer ökonomischen Dimensionen her folgende E t a p p e n d u r c h l a u f e n : die traditionelle Gesellschaft" (rückständige L ä n d e r vor der Industrialisierung), die Ubergangsstadien „vor dem Aufstieg" u n d „ A u f s t i e g " sowie schließlich die eigentliche „Industriegesellschaft", die die Stadien der „ R e i f e " u n d des „Massenkonsums" umfasse. 8 Verschiedene bürgerliche Ökonomen verhielten sich reserviert zu R o s t o w s Konzeption u n d werteten sie gar als Zugeständnis an den Marxismus, soweit es u m die Anerkennung der f ü h r e n d e n Rolle der P r o d u k t i o n bei der Herausbild u n g der Gesellschaftsordnung geht. Allerdings h a t kein bürgerlicher Kritiker von Rostows D o k t r i n auf deren t h e o retische Kardinalfehler (wie die Ignorierung der b e s t i m m e n d e n Rolle der P r o d u k tionsverhältnisse, die Verschleierung der qualitativen Unterschiede zwischen der kapitalistischen u n d sozialistischen Produktionsweise) a u f m e r k s a m g e m a c h t . Von den Versuchen, die Positionen des „ I n d u s t r i a l i s m u s " zu befestigen, sie den neuen Bedingungen der ökonomischen u n d ideologischen Auseinandersetzung in den sechziger u n d siebziger J a h r e n anzupassen, ist vor allem die Konzeption R a y m o n d Arons zu nennen, die bestimmenden E i n f l u ß auf die I n t e r p r e t a t i o n d e r sowjetischen W i r t s c h a f t aus der Sicht der Industriegesellschaftslehre ausgeü b t h a t . In seinem Buch „18 Lektionen ü b e r die Industriegesellschaft" u n d in späteren Arbeiten weist er verschiedene Thesen Rostows z u r ü c k u n d legt seine Auffassung von der „Industriegesellschaft" im Hinblick auf die sozialistische Wirtschaft dar. Aron r ä u m t zwar ein, d a ß alle in der Industrialisierung befindlichen L ä n d e r bes t i m m t e Gemeinsamkeiten haben, doch folge d a r a u s nicht, d a ß die A m g a n g s situation in den USA zur Mitte des 19. J a h r h u n d e r t s mit der der U d S S R in d e r ersten H ä l f t e des 20. J a h r h u n d e r t s übereinstimmen müsse, wie dies in der K o n zeption von den „ S t a d i e n des W i r t s c h a f t s w a c h s t u m s " b e g r ü n d e t werde. 9 Aron ist auch nicht d a m i t einverstanden, wie Rostow die historische B e d e u t u n g des Sozialismus u n d seine Perspektiven beurteilt. W a l t W . Rostow g l a u b t e , d e h Nachweis a n t r e t e n zu können, d a ß der Sozialismus lediglich ein Mittel der Industrialisierung sei. In den höheren Industrialisierungsstadien w ü r d e n die sozialistischen Gesellschaften ihre spezifischen Besonderheiten a u f g e b e n u n d „in den Schoß" des Kapitalismus z u r ü c k k e h r e n . Aron m e i n t , d a ß d a s „ S o w j e t s y s t e m " nicht n u r eine Industrialisierungsmethode, sondern weit m e h r , n ä m l i c h Theorie u n d Praxis der Industriegesellschaft sei. 10 Aron zufolge gehören Kapitalismus u n d Sozialismus d e m gleichen sozialen T y p a n : der „Industriegesellschaft". Indes haben sie in ihrer sozialen S t r u k t u r , in den E i g e n t u m s f o r m e n , in der Funktionsweise der W i r t s c h a f t u n d in der A r t 8
Vgl. Walt W. Rostow, Stadien -wirtschaftlichen Wachstums. Eine Alternative zur marxistischen Entwicklungstheorie, Göttingen 1967. 9 R a y m o n d Aron, Die deutsche Soziologie der Gegenwart, Stuttgart 1965, S. 23. Hier zitiert nach dem russischsprachigen Text. 10 Ebenda, S. 40.
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ihrer Entwicklung so viel Spezifika gewahrt, daß er von zwei Formen, nämlich der kapitalistischen und sozialistischen „Industriegesellschaft" spricht. In der ersten Hälfte der sechziger J a h r e wurde das sozialökonomische S y stem der U d S S R in der bürgerlichen Literatur überwiegend als spezielle Variante der „Industriegesellschaft" betrachtet. Dabei glaubten die bürgerlichen Ökonomen und Soziologen noch, daß diese Variante von der höherentwickelten, der kapitalistischen „Industriegesellschaft" aufgesogen werden würde. Später ging man dann zu der etwas vorsichtigeren Konzeption von der „ K o n v e r g e n z " dieser „Varianten" über. Nachdem die weiter blickenden bürgerlichen Ökonomen die Irrealität auch dieser Hypothesen eingesehen hatten, brachten sie die Konzeption von einer parallelen Evolution der „beiden Typen der Industriegesellschaft" auf. Dabei waren sich die bürgerlichen Ökonomen darin einig, daß die kapitalistische Vaiiante der sozialistischen in einer Reihe wichtiger Kennziffern überlegen sei. In der zweiten Hälfte der sechziger J a h r e gewann der Gedanke, daß der K a p i t a lismus in die „postindustrielle" Gesellschaft hinüberwachse, während der Sozialismus in der „Industriegesellschaft" verbleibe, immer größere Verbreitung. Dabei ging man von Veränderungen aus, die sich während der sechziger J a h r e in der Struktur der kapitalistischen Wirtschaft vollzogen hatten. Diese Prozesse hatten angeblich den Ubergang von der „industriellen" zur „postindustriellen" Gesellschaft bewirkt. Bei näherem Hinsehen stellte sich jedoch heraus, daß sich der sozialökonomische Inhalt, den die bürgerlichen Ideologen der „postindustriellen" Gesells c h a f t verliehen, in nichts Wesentlichem von den Merkmalen der „Industriegesellschaft" unterschied. So erneuerte man die Behauptungen, daß das Eigent u m in der hochindustrialisierten Gesellschaft bedeutungslos werde und die Besitzer von Spezialkenntnissen — Ingenieure, Manager, Wissenschaftler — die führende Stellung übernehmen. F ü r die Wirtschaft der „postindustriellen" Gesellschaft sollen die angeblichen Segnungen des Marktmechanismus gleichfalls gelten, wie das automatische Wachstum des Wohlstands und der Gleichheit unter dem Einfluß von sich allgemein ausbreitender Bildung und steigender Produktionsleistungen, ebenso der Mythos vom „Absterben der Ideologie". All diese Merkmale des Gesellschaftssystems finden sich bereits in Raymond Arons und Clark Kerrs Theorien von der „Industriegesellschaft". Auch die Behauptungen der Theoretiker der „postindustriellen" Gesellschaft, daß dem theoretischen Wissen eine neue Rolle zukomme, sind bereits aufgestellt worden. Raymond Aron hat wiederholt betont, daß „der wissenschaftliche F o r t schritt, die technologischen Erkenntnisse, steigende Produktionsleistungen d a s Entscheidende am industriellen T y p der Gesellschaft" 1 1 seien. Der Unterschied 11
R a y m o n d Aron, The Industrial Society. Three E s s a y s 011 Ideology and Development, New Y o r k 1967, S. 180. Zbigniew Brzezinskis Theorie von der „technotronischen Gesells c h a f t " ist im wesentlichen eine N e u a u f l a g e der „ I n d u s t r i e g e s e l l s c h a f t " {vgl. Zbigniew Brzezinski, Beetween Two A g c s : America's Role in Technotronic E r a , New Y o r k 1970).
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zwischen der ursprünglichen Konzeption von der „ p o s t i n d u s t r i e l l e n " Gesellschaft und der von der „ I n d u s t r i e g e s e l l s c h a f t " reduziert sich im wesentlichen auf eine Neusetzung der Akzente hinsichtlich der Veränderungen, die sich u n t e r dem Einfluß der wissenschaftlich-technischen Revolution in der wirtschaftlichen und sozialen S t r u k t u r , in W i r t s c h a f t und Politik vollziehen. Dabei wurde b e h a u p t e t , daß der wissenschaftlich-technische F o r t s c h r i t t die V e r änderungen der sozialökonomischen Ordnung a u t o m a t i s c h d i k t i e r e : D e r D r u c k der „industriellen T e c h n o l o g i e " führe zum „ R a t i o n a l i s m u s " , zu einer „ ö k o n o m i schen F u n k t i o n s w e i s e " als g e m e i n s a m e r E n t w i c k l u n g s f o r m von K a p i t a l i s m u s und Sozialismus. D a die U d S S R und die U S A „ökonomisierende G e s e l l s c h a f t e n " seien, erklärt Daniel Bell, sei ihre Wirtschaftsführung n a c h dem Prinzip der „ f u n k t i o nellen E f f e k t i v i t ä t " organisiert, das in dem B e s t r e b e n bestehe, „ m e h r f ü r weniger" zu erhalten, „eine rationellere Lebensweise f ü r die E r r e i c h u n g des Ziels zu w ä h len"^. Natürlich wird sich bei einem Vergleich der heutigen Methoden d e r W i r t schaftsführung m i t denen der S k l a v e n h a l t e r - oder F e u d a l o r d n u n g zeigen, d a ß diese Methoden im Sozialismus und K a p i t a l i s m u s eine R e i h e von G e m e i n s a m keiten aufweisen. D e r Mensch von heute stellt eingehende Vergleiche v o n A u f wand und E r g e b n i s a n ; in der Produktion der materiellen G ü t e r werden t e c h n i sche Mittel angewandt die eine wesentlich höhere Q u a l i f i k a t i o n der B e s c h ä f t i g t e n verlangen; die Anwendung wissenschaftlicher E r k e n n t n i s s e f ü r die E r r e i c h u n g b e s t i m m t e r wirtschaftlicher Ergebnisse n i m m t in u n e r h ö r t e m A u s m a ß zu usw. K a r l M a r x h a t die B e d e u t u n g des K a p i t a l i s m u s f ü r die E n t w i c k l u n g der P r o d u k t i v k r ä f t e , f ü r die Ökonomie der Zeit und für die rationelle, effektive Nutzung der Ressourcen i m m e r wieder hervorgehoben. In dem Maße, wie dies n i c h t durch Überarbeitung der A r b e i t e r erreicht wird, l e h r t der K a p i t a l i s m u s die M e n s c h h e i t , „hauszuhalten m i t ihren K r ä f t e n und den produktiven Zweck m i t d e m geringsten Aufwand von Mitteln zu e r r e i c h e n " 1 3 . Zugleich b e t o n t M a r x : „ Ö k o n o m i e der Zeit, sowohl wie planmäßige Verteilung der Arbeitszeit auf die verschiedenen Zweige der P r o d u k t i o n , bleibt also erstes ökonomisches Gesetz auf Grundlage der gemeinschaftlichen P r o d u k t i o n . E s wird sogar in viel höherem Grade G e s e t z . " 1 4 Die Thesen der T h e o r e t i k e r von der „ I n d u s t r i e g e s e l l s c h a f t " und der „ p o s t industriellen Gesellschaft" über die Besonderheiten des W i r t s c h a f t e n s , die sich u n m i t t e l b a r aus dem technischen E n t w i c k l u n g s s t a n d , aus den E i g e n h e i t e n der industriellen Massenproduktion ergeben und deshalb in diesem oder j e n e m M a ß e sowohl auf den K a p i t a l i s m u s als auch auf den Sozialismus zutreffen, stellen also in wissenschaftlicher H i n s i c h t n i c h t s Originelles dar. Sie waren s c h o n M a r x b e k a n n t , der sie für seine U n t e r s u c h u n g e n v e r w a n d t e , sie j e d o c h n u r als Ausgangs12
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Vgl. Daniel Bell, The Coming of Post-Industrial Society. A Venture in Social Forecasting, a. a. 0 . , S. 7 5 - 7 6 , 2 7 4 - 2 7 6 , 298. Karl Marx, Theorien über den Mehrwert, Zweiter Teil, in: MEW, Bd. 26.2, Berlin 1974, S. 549. Karl Marx, Grundrisse der Kritik der Politischen Ökonomie, Berlin 1974, S. 89. 125
p u n k t der Gesellschaftsanalyse f ü r nützlich erachtete, weil sie das Allgemeine hervorheben u n d fixieren u n d Wiederholungen überflüssig m a c h e n . Karl M a r x h a t wiederholt d a v o r gewarnt, m i t Hilfe d e r a r t allgemeingültiger Begriffe die Funktionsspezifik einer Produktionsweise deutlich m a c h e n zu wollen, weil die W i r k u n g dieser allgemeinen F o r m e n auf d a s Leben der Gesellschaft in entscheid e n d e m Maße von der sozialen Ordnung, von den herrschenden P r o d u k t i o n s v e r hältnissen b e s t i m m t wird. F ü r den Nachweis der Spezifik der wirtschaftlichen Funktionsweise des Kapitalismus u n d Sozialismus reicht der I n h a l t der allgemeinen Begriffe v o n R a t i o n a l i t ä t und E f f e k t i v i t ä t nicht aus. Die Besonderheiten der E f f e k t i v i t ä t u n d R a t i o n a l i t ä t in der kapitalistischen u n d in der sozialistischen W i r t s c h a f t lassen sich aus ihnen nicht erkennen. Die bürgerliche Ökonomie glaubt, die Besonderheiten der sozialistischen W i r t s c h a f t d a d u r c h negieren zu können, d a ß sie die Unterschiede verwischt u n d d u r c h allgemeingültige Begriffe ersetzt. 1 5 Daniel Bell b e t r a c h t e t die von der neoklassischen Schule der bürgerlichen politischen Ökonomie v e r w e n d e t e P r o d u k t i o n s faktorenkonzeption, ihre marginalistische Kosteninterpretation, die statistischen P r o d u k t i o n s f u n k t i o n e n , die Programmierung u n d alle anderen I n s t r u m e n t e der E r gebnismaximierung, der Optimierung u n d der Kostenminimierung als a u s d r ü c k liche Darstellung der G r u n d s ä t z e der allgemeinen Theorie von der sowohl f ü r den Kapitalismus als auch f ü r den Sozialismus gültigen „ R a t i o n a l i t ä t " u n d „ E f f e k t i v i t ä t " des W i r t s c h a f t e n s . Natürlich bleibt bei einer solchen Betrachtungsweise verborgen, d a ß die Kostenminimierung f ü r den Kapitalisten keineswegs mit den geringstmöglichen Kosten f ü r die Gesellschaft identisch ist u n d d a s P r o f i t m a x i m u m , selbst wenn m a n von seiner p r i v a t e n Aneignung a b s t r a h i e r t , nicht d a s E f f e k t i v i t ä t s k r i t e r i u m der P r o d u k t i o n vom gesellschaftlichen S t a n d p u n k t sein k a n n , der die Gebrauchswertmasse m a x i m i e r t . Ausgehend von den neoklassischen Dogmen, erklärt Daniel Bell den „ M a r k t m e c h a n i s m u s mit elastischem Preissystem, das die Veränderungen in Angebot u n d Nachfrage widerspiegelt", zum einzig möglichen I n s t r u m e n t effektiven W i r t schaftens u n t e r den Verhältnissen der wissenschaftlich-technischen Revolution. Dieser von indirekter staatlicher Regulierung ergänzte M a r k t m e c h a n i s m u s könne den W o h l s t a n d aller Mitglieder der Gesellschaft, u n t e r d e m Bell Massenk o n s u m t i o n v e r s t e h t , sichern. Aber E n d e der sechziger J a h r e u n d in den siebziger J a h r e n w u r d e die U n h a l t barkeit etlicher G r u n d d o g m e n der Neoklassik u n d d a m i t auch die Unzulänglichkeit der sich darauf stützenden Rationalismustheorie offenbar. W e n n die Theoretiker des „ I n d u s t r i a l i s m u s " b e h a u p t e t h a t t e n , d a s W i r t s c h a f t s w a c h s t u m werde zu allgemeiner W o h l f a h r t f ü h r e n , so bewies die E n t w i c k l u n g des Kapitalismus in den sechziger u n d siebziger J a h r e n das Gegenteil. Die Widersprüche des Kapitalismus wirken n a c h wie vor, ä u ß e r n sich in lokalen u n d allgemeinen Krisen, in Arbeits15 Vgl. ebenda, S. 8 - 9 . 126
losigkeit, in der Verschärfung der Konkurrenz und in sozialen Konflikten. Die Finanzoligarchie hat nach wie vor riesige Vermögen konzentriert, während viele Millionen Menschen in Not und Elend dahinvegetieren. Auch dann, wenn er mit staatsmonopolistischer Regulierung verbunden ist, hat sich der Marktmechanismus als unfähig erwiesen, der Verschlechterung der Biosphäre und dem Raubbau an den Naturvorräten Einhalt zu gebieten, er hat die negativen Folgen in diesen Sphären sogar noch verschärft. Zugleich wird immer offensichtlicher, daß der Wohlstand weitgehend von solchen Faktoren geprägt wird wie dem Charakter der Arbeit, den Formen der Freizeitgestaltung sowie von solchen Gütern wie reines Wasser, saubere Luft und Naturlandschaften, die in der neoklassischen Theorie als „freie Güter" ohne Preis und ohne Einfluß auf den gesellschaftlichen Wohlstand gegolten hatten. Der neoklassische Begriff des Bruttosozialprodukts ist als Maßstab für den Wohlstand der Menschen im Kapitalismus nicht anwendbar, weil Produktionssteigerungen bei vielen Waren wegen der Verschlechterung der Umwelt, des zunehmenden Konsums gesundheitsschädlicher Produkte usw. die Qualität des Lebens nicht verbessern, sondern verschlechtern. Unter dem Einfluß der Krisen, die den Kapitalismus in den sechziger und siebziger Jahren erschütterten, trat die Lehre von der „Industriegesellschaft" zurück, um der Konzeption von der „postindustriellen Gesellschaft" zu weichen. Die Ideen dieser Konzeption gewinnen auch in den bürgerlichen Interpretationen der sozialistischen Wirtschaft die Oberhand. Dabei finden innerhalb der Konzeption von der „postindustriellen Gesellschaft" selbst Veränderungen statt, indem sie von Thesen bereinigt wird, die mit den neuen Erscheinungen, wie sie sich während der sechziger und siebziger Jahre in der Struktur des staatsmonopolistischen Kapitalismus entwickelt hatten, unhaltbar geworden waren. Ihre Stelle nahmen neue theoretische Betrachtungsweisen ein, die die sozialen Ansprüche der Bourgeoisie besser auszudrücken vermochten. So kam es zu einer modernisierten Variante der „postindustriellen Gesellschaft". Daniel Bell greift in seiner 1973 erschienenen Arbeit „The Coming of PostIndustrial Society" die neoklassische Lehre an. Er stellt fest, daß die Neoklassik wesentliche Aspekte des Wohlstands ignoriert habe, da sie ihn nur auf den Verbrauch der von den Marktpreisen erfaßbaren Güter reduziert. Die Neoklassik kennt den Begriff des gesellschaftlichen Interesses und dessen Zusammenhang mit den privaten Interessen nicht. Nach ihren Grundsätzen, so stellt Bell fest, lasse sich weder die Rentabilität öffentlicher Leistungen berechnen noch der Wohlstand oder die Qualität des Lebens wirklich ermitteln. Bell unterbreitet ein Programm zur Verbesserung des Kapitalismus, das den neuen sozialen Erfordernissen und Erscheinungen Ende der sechziger Jahre und in den siebziger Jahren Rechnung tragen soll. Dieses Programm, das teilweise von den Traditionen des bürgerlichen Individualismus und des Mechanizismus in der Wiedergabe der sozial-ökonomischen Verhältnisse abgeht, bezeichnet Bell ale „soziologische Betrachtungsweise". Den Hauptmangel der „ökonomischen Bs127
t r a c h t u n g s w e i s e " sieht er d a r i n , d a ß hier die „individuelle B e f r i e d i g u n g die E i n heit f ü r die Messung von A u f w a n d u n d E i n k o m m e n ist. Das ist eine a t o m i s t i s c h e E i n s t e l l u n g z u r G e s e l l s c h a f t " 1 6 . Daniel Bell o r i e n t i e r t die b ü r g e r l i c h e n P o l i t i k e r d a r a u f , die W i r t s c h a f t s r e g u l i e r u n g zu v e r s t ä r k e n u n d d a b e i d e n sozialen, k u l t u rellen u n d ökologischen A s p e k t e n des W i r t s c h a f t s w a c h s t u m s R e c h n u n g z u t r a g e n , weil m a n , o h n e m i t d e n K a t e g o r i e n „gesellschaftliches I n t e r e s s e " u n d „ Q u a l i t ä t des L e b e n s " zu operieren, v o n d e r s t a a t l i c h e n W i r t s c h a f t s r e g u l i e r u n g keinen E r folg e r w a r t e n d ü r f e . 1 7 I n diesen n e u e n Zielsetzungen Beils ist eindeutig d a s B e m ü h e n zu e r k e n n e n , die in d e r sozialistischen Gesellschaft e r a r b e i t e t e u n d erfolgreich a n g e w a n d t e Bet r a c h t u n g s w e i s e gesellschaftlicher E r s c h e i n u n g e n a u f z u g r e i f e n , wobei diese jed o c h auf d a s N i v e a u b ü r g e r l i c h e r D e n k a r t vulgarisiert w e r d e n . A n g e s i c h t s d e r w a c h s e n d e n B e d e u t u n g d e r gesellschaftlichen G ü t e r schlägt D a n i e l Bell vor, ein S y s t e m v o n „sozialen G e s a m t r e c h n u n g e n " a u f z u b a u e n , d a s alle A u f w e n d u n g e n u n d Ergebnisse des W i r t s c h a f t s w a c h s t u m s erfassen sollte. Den Kapitalgesells c h a f t e n sollten V e r p f l i c h t u n g e n a u f e r l e g t w e r d e n , die eine Reihe v o n F o r d e r u n g e n progressiver a n t i m o n o p o l i s t i s c h e r K r ä f t e einschließen. I m W i d e r s p r u c h zu d e n a n s p r u c h s v o l l e n E r k l ä r u n g e n ü b e r die R a d i k a l i t ä t d e r „soziologischen B e t r a c h t u n g s w e i s e " , die eine „ H i n w e n d u n g z u n i c h t k a p i t a l i stischen F o r m e n sozialen D e n k e n s " b e d e u t e , beweist eine A n a l y s e d e r Bellschen Positionen, d a ß er eine T h e o r i e k o n s t r u i e r t h a t , die d e n s t a a t s m o n o p o l i s t i s c h e n K a p i t a l i s m u s festigen u n d eine R e i h e v o n sozialen P a r a m e t e r n d e s W i r t s c h a f t s w a c h s t u m s d e r k a p i t a l i s t i s c h e n Kontrolle u n t e r s t e l l e n soll. Daniell Bell u n d seine A n h ä n g e r v e r b i n d e n die V e r w a n d l u n g d e r „ I n d u s t r i e g e s e l l s c h a f t " in die „ p o s t i n d u s t r i e l l e G e s e l l s c h a f t " m i t d e m Ü b e r g a n g v o n d e r E n t w i c k l u n g einer „ ö k o n o m i s i e r e n d e n B e t r a c h t u n g s w e i s e " zu einer „soziologischen B e t r a c h t u n g s w e i s e " . I n i h r e m B e m ü h e n , diesen „ q u a l i t a t i v e n S p r u n g " m i t d e r B e i b e h a l t u n g aller G r u n d m e r k m a l e d e s K a p i t a l i s m u s zu v e r e i n b a r e n , k o m m e n die bürgerlichen Ideologen z u r I n d e t e r m i n i e r t h e i t u n d M e h r d e u t i g k e i t d e r Begriffe „ I n d u s t r i e g e s e l l s c h a f t " u n d „ p o s t i n d u s t r i e l l e G e s e l l s c h a f t " im logischen u n d historischen Sinne. Einesteils w e r d e n d e r „ I n d u s t r i e g e s e l l s c h a f t " M e r k m a l e verliehen, die d e n K a p i t a l i s m u s m i t seinen sozialen K o n f l i k t e n widerspiegeln. A n d e r e r s e i t s b e h a u p t e t Daniel Bell: „ I n d e n v e r g a n g e n e n 40 J a h r e n h a b e n sich in d e r E n t w i c k l u n g d e r westlichen I n d u s t r i e g e s e l l s c h a f t drei b e d e u t s a m e W a n d l u n g e n v o l l z o g e n : die U m w a n d l u n g d e s W e s e n s des I n d u s t r i e u n t e r n e h m e n s , wobei die M a n a g e r z u r k o n t r o l l i e r e n d e n K r a f t w e r d e n , eine V e r ä n d e r u n g in d e r B e r u f s s t r u k t u r bei relat i v e r V e r r i n g e r u n g des P r o l e t a r i a t s u n d bei Z u n a h m e d e r t e c h n i s c h e n u n d wissens c h a f t l i c h e n K r ä f t e ; die T r a n s f o r m a t i o n des politischen S y s t e m s infolge Auswei16
Daniel Bell, The Coming of Post-Industrial Society. A Venture in Social Forecasting, a. a. 0., S. 282-283. « Vgl. ebenda, S. 283.
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t u n g der S t a a t s b ü r o k r a t i e u n d E n t s t e h e n s politischer T e c h n o k r a t e n . " 1 8 H i e r a u s wird abgeleitet, d a ß in der „Industriegesellschaft" d a s E i g e n t u m seine M a c h t verloren habe und der Klassenkampf verschwinde. Der gleiche I n d e t e r m i n i s m u s f i n d e t sich auch in bezug auf die „postindustrielle Gesellschaft". So schreibt Daniel Bell: „Ich b e h a u p t e , d a ß wir in den k o m m e n d e n dreißig bis fünfzig J a h r e n das E n t s t e h e n dessen verfolgen werden, was ich die p o s t i n d u s t r i e l l e ' Gesellschaft nenne. Das b e d e u t e t vor allem W a n d l u n g e n in der sozialen S t r u k t u r . Diese W a n d l u n g e n werden wegen der spezifischen kulturellen und politischen Konfigurationen der L ä n d e r unterschiedlich sein. Dennoch wird die postindustrielle' Gesellschaft als soziale F o r m das U n t e r s c h e i d u n g s m e r k m a l des 21. J a h r h u n d e r t s sein. 19 U n d ein p a a r Seiten weiter rechnet er die U S A der „ p o s t industriellen Gesellschaft" zu, deren E n t s t e h e n er auf die Zeit zwischen 1945 u n d 1950 datiert. 2 0 t Mit d e m A u f k o m m e n der neuen Variante der „postindustriellen Gesellschaft" k a m es auch zu Veränderungen in den Vorstellungen ihrer Theoretiker v o n der sozialistischen W i r t s c h a f t . Die wichtigste Veränderung d ü r f t e darin zu sehen sein, d a ß m a n die U S A u n d die U d S S R nicht länger als „Industriegesellschaft" u n d „postindustrielle Gesellschaft" konfrontierte. Einerseits p a ß t e n die U S A angesichts der sich ausweitenden Krisenerscheinungen i m m e r weniger in d a s „postindustrielle Paradies", andererseits k o n n t e selbst d e m oberflächlichen Bet r a c h t e r nicht verborgen bleiben, d a ß f ü r die U d S S R viele Merkmale, die von den bürgerlichen Ökonomen der „postindustriellen Gesellschaft" zugeschrieben werden, viel eher typisch sind. Daniel Bell, Zbigniew Brzezinski u n d Clark Kerr stellen in der U d S S R eine rasche Ausweitung des nichtproduzierenden Bereichs, rückläufige Beschäftigtenzahlen in der L a n d w i r t s c h a f t u n d die höchsten W a c h s t u m s r a t e n bei solchen zukunftsweisenden Branchen wie Elektronik, Chemie u n d Elektroenergieerzeugung fest, woraus wiederum q u a l i t a t i v e V e r ä n d e r u n g e n in der A r b e i t s k r ä f t e s t r u k t u r resultieren. Das alles h a t verschiedene bürgerliche Ökonomen und Soziologen v e r a n l a ß t , den entwickelten Sozialismus als V a r i a n t e der „postindustriellen Gesellschaft" zu bezeichnen. F ü r Bell sind die „ p o s t i n d u striellen Gesellschaften", die in den USA u n d in der U d S S R entstehen, zwei Spielarten ein u n d desselben Gesellschaftstyps: I m ersten Fall handele es sich u m die „postkapitalistische" u n d im zweiten u m die „postsozialistische" Gesellschaft. 2 1 Kerr, Harbinson, Myers u n d Dunlop waren E n d e der sechziger J a h r e zu d e m Schluß gekommen, d a ß sich in der U d S S R eine V a r i a n t e des „pluralistischen I n dustrialismus" herausbilde. 2 2