Entstehung Und Aufbau Der Verwaltung in Rheinland-Pfalz Nach Dem Zweiten Weltkrieg (1945 - 1947) 3428051289, 9783428051281


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Entstehung Und Aufbau Der Verwaltung in Rheinland-Pfalz Nach Dem Zweiten Weltkrieg (1945 - 1947)
 3428051289, 9783428051281

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ULRICH SPRINGORUM

Entstehung und Aufbau der Verwaltung in Rheinland-Pfalznach dem Zweiten Weltkrieg (1945-1947)

Schriftenreihe der Hochschule Speyer Band 88

Entstehung und Aufbau der Verwaltung in Rheinland-Pfalznach dem Zweiten Weltkrieg (1945-1947)

Von

Dr. Ulrich Springorum

DUNCKER

&

HUMBLOT

I

BERLIN

Alle Rechte vorbehalten & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1982 bei Berliner Buchdruckerei Union GmbH., Berlln 61 Prtnted in Germany

© 1982 Duncker

ISBN 8 428 05128 9

Inhaltsverzeichnis Zeittafel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11

Einleitung 1. Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13

2. Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15

3. Forschungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

18

Teil I 1. Grundzüge der Verwaltungsorganisation nach dem Ersten Weltkrieg in Preußen, Bayern und Hessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21

a) Preußen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

22

b) Bayern

25

c) Hessen

26

d) Verwaltungsorganisation und Besatzungsherrschaft . . . . . . . . . . . . . .

27

2. Laufbahnregelungen und Auswahl der Beamten . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28

a) Preußen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28

b) Bayern und Hessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

32

3. Die Auswirkungen der Reichsexekution von 1932 auf die preußische ·Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 4. Entwicklungen in der preußischen Verwaltung von 1933 bis 1935 . . . .

35

a) Organisatorische Änderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35

b) Personalpolitische Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37

6

Inhaltsverzeichnis

5. Die preußische Verwaltung von 1936 bis 1945

41

a) Die Umstellung der Verwaltungsorganisation auf die Kriegswirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 b) Personalpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

44

c) Das Ende der Verwaltung in den südlichen Teilen der Rheinprovinz 1945 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 6. Die Administration der Pfalz von 1933 bis 1945

46

a) Verwaltungsgliederung und Personalpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 b) Das Ende der Westmarkverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50

7. Die hessische Verwaltung in der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51

Teil II 1. Pläne und Vorbereitungen der Vereinigten Staaten für die Besetzung

und Verwaltung Deutschlands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

53

2. Die Anfänge der deutschen Verwaltung im Militärbezirk WestmarkSüdhessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 3. Die Provinz Saarland-Pfalz-Südhessen und ihr Oberpräsidium ab Mai 1945 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 a) Namensgebung

................................................

63

b) Personalgewinnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

64

c) Grenzziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

66

d) Kooperation mit der Besatzungsmacht und Anfänge der Behördentätigkeit in Neustadt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 4. Der Wiederaufbau der Behörden in den Regierungsbezirken Trier und Koblenz ab März 1945 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 a) Regierungsbezirk Trier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

71

b) Regierungsbezirk Koblenz

76

5. Die Provinz Mittelrhein-Saar

80

a) Die Bildung der neuen Verwaltungseinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

80

Inhaltsverzeichnis

7

b) Die Auswahl der Regierungspräsidenten

82

c) Erschwernisse der Behördenarbeit durch neue Planungen und Vorhaben der Besatzungsmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 d) Die Konsolidierung der Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

86

e) Fragen der Entnazifizierung und des Fortbestandes der Beamtenverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 6. Die Ablösung der Regierung Heimerich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

93

Exkurs: Die Grenzziehung der französischen Zone . . . . . . . . . . . . . . . .

97

7. Die französische Besatzungsverwaltung ... .. . . . . ... . .... . .... . . ... . 102 a) Die Vorbereitungen in Frankreich .... .. ... .. ............... . . .. 102 b) Die Umorganisation der Besatzungsverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . 104 c) Widersprüche zwischen Organisationsmodell und Verwaltungsrealität in der französischen Zone . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 8. Die Aufteilung von Mittelrhein-Saar und Einrichtung der Delegationen in diesem Gebiet .. .. .. .. . . .. ......... . ................... . 110 9. Die Verwaltung von Hessen- Pfalz von Juli bis Dezember 1945 . ... 115 10. Hessen-Pfalz unter der ,.Regierung Eichenlaub" bis zur Bildung der rheinland-pfälzischen Landesregierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 a) Die Zusammenarbeit mit der Besatzungsmacht und erste Schritte zur Eigenstaatlichkeit von Hessen-Pfalz ......... . . ... . .. . ...... 122 b) Entnazifizierung ..... .... .............. ... ......... . . . ..... .. .. 128 c) Der Überparteiliche Ausschuß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 11. Rheinland-Hessen-Nassau bis zur Errichtung des Oberpräsidiums . . 138 a) Die Entwicklung im Regierungspräsidium Koblenz von Juli bis Dezember 1945 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 b) Das Regierungspräsidium Trier bis Ende 1945 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 c) Der Französisch-deutsche Rat . .... . .... .. ...... .. . . . . .... . . . . . . 144 12. Die Anweisung der Besatzungsmacht vom 19. November 1945 zur Bildung einer Zentralbehörde in Koblenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147

8

Inhaltsverzeichnis

13. Das Oberpräsidium Rheinland-Hessen-Nassau

153

a) Die Auswahl der Präsidialdirektoren

153

b) Die Amtseinführung Bodens und der Präsidialdirektoren ... c) Die Personalpolitik bis Dezember 1946 ..

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d) Die Beibehaltung des traditionellen Beamtenrechts e) Die Einrichtung neuer Dienststellen ... . ... f) Entnazifizierung

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157

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Teillll 1. Die Verordnung Nro57 und die Deklaration über die "Schaffung eines

rhein-pfälzischen Landes" vom 30. August 1946

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2. Die Gemischte Kommission und ihre beiden Unterausschüsse .

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3. Die Beratungen der Gemischten Kommission und des Verwaltungsausschusses ... 185 0

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4o Die Bildung der rheinland-pfälzischen Landesregierung im November/Dezember 1946 o 194 0



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a) Die Besetzung der leitenden Positionen in den Ministerien

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b) Zuständigkeitsfragen und Organisationsprobleme 5o Der Kampf um die Sonderstellung der Pfalz

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Zusammenfassung

Anhang

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Quellen- und Literaturverzeichnis .... Personenregister .

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Abkürzungsverzeichnis ABI. AM A.M. F.A. Antifa AS Berat. LV Bespr. Best. Bez.Reg. BI BO BCSV CDU CDP CdZ Cpt. FFI Gern. Kommission Gen.Verw. GO GS GVBI. Hdb. IHK JO KP KZ LA LHA LP LR

LT

lt. ltd. LVO MdB MdL mdl. MdR MinRat.

=

Amtsblatt Amtliche Mitteilungen Administration Militaire Franc;aise en Allemagne antifaschistisch(e) Amtliche Sammlung Beratende Landesversammlung Besprechung Bestand Bezirksregierung Bulletin d'Information Bulletin Officiel Badische Christlich Soziale Volkspartei Christlich Demokratische Union Christlich Demokratische Partei Chef der Zivilverwaltung Captain Forces Franc;aises de l'lnterieur Gemischte Kommission Generalverwalter Geschäftsordnung Gesetzsammlung Gesetz- und Verordnungsblatt Handbuch Industrie- und Handelskammer Journal Officiel Kommunistische Partei Konzentrationslager Landesarchiv Landeshauptarchiv Liberale Partei Landrat Landtag laut leitend Landesverordnung Mitglied des Bundestages Mitglied des Landtages mündlich Mitglied des Reichstages Ministerialrat

10 MP Nachl. NRW NS NSDAP OB o.D. Ob.Deleg. Oberkdr. Org.Erlaß o.J. OReg.Präs. OT o.O. OVG P.D.R. P . T. T. Rd.Schr. Rd.Verfg. Reg.Bl. RLP Reg.Präs. RGBI. Reichsbes.Ord. RPF RStatth. SHAEF SPD StZ SV RVK Verfg. VfZ

vo

VOABI. V OBI. WP

Abkürzungsverzeichnis Ministerpräsident Nachlaß Nordrhein-Westfalen Nationalsozialismus/nationalsozialistisch Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei Oberbürgermeister ohne Datum Oberster Delegierter Oberkommandierender Organisationserlaß ohne Jahr Oberregierungspräsident/Oberregierungspräsidium Organisation Todt ohne Ort Oberverwaltungsgericht Personnes deplacees, refugir.~s Postes, telegraphes, teh~phones Rundschreiben Rundverfügung Regierungsblatt Rheinland-Pfalz Regierungspräsident/Regierungspräsidium Reichsgesetzblatt Reichsbesoldungsordnung Rassemblement du Peuple Fran9ais Reichsstatthalter Supreme Headquarters, Allied Expeditionary Forces Sozialdemokratische Partei Deutschlands Staatszeitung Sozialer Volksbund Reichsverteidigungskommissar Verfügung Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte Verordnung Verordnungs- und Amtsblatt Verordnungsblatt Wahlperiode

Zeittafel 1945

1. März 20.März 21. März Ende März bis Mitte April B.Mai 10. Mai 23. Mai 1. Juni

Anfang/Mitte Juni 5. Juni 22. Junl 8. Jull 10. Juli 17. Juli bis 2.August EndeJuli

Amerikanische Truppen besetzen Trier Ernennung von Steinlein zum Regierungspräsidenten in Trier Amerikanische Truppen besetzen Mainz Einsetzung von Landräten im Regierungsbezirk Koblenz und im gesamten linksrheinischen Gebiet Bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht Einsetzung einer Verwaltung für Saar-Pfalz-Südhessen ("Regierung Heimerich") Verhaftung der Regierung Dönitz in Flensburg Zusammenschluß des Gebietes Saar-Pfalz-Südhessen mit den Regierungsbezirken Trier und Koblenz zur Verwaltungseinheit Mittelrhein-Saar unter Oberregierungspräsident Heimerieb Ernennung bzw. Bestätigung der Regierungspräsidenten in Mainz, Trier und Koblenz Förmliche Übernahme der Regierungsgewalt in Deutschland durch alliierte Besatzungsmächte Endgültige Festlegung der Grenze zwischen amerikanischer und französischer Besatzungszone Entlassung der "Regierung Heime rieb"; Berufung von Hoffmann als Oberregierungspräsident in Neustadt Übernahme der Zone durch französische Truppen Potsdamer Konferenz (ohne Beteiligung Frankreichs) Auflösung von Mittelrhein-Saar und Teilung in das Gebiet Hessen-Pfalz und die Regierungsbezirke Trier und Koblenz

Ende Juli/ Dienstantritt von General Koenig und GeneralverwalAnfang August ter Laffen in Baden-Baden. Beginn der Umstrukturierung der Besatzungsverwaltung 22.August Erste Zusammenkunft des Französisch-deutschen Rates Anfang Sept. Errichtung von Obersten Delegationen in Neustadt/W. und Bad Ems

12 1./2. Oktober 3.-5. Oktober 19. November

Zeittafel Ablösung der "Regierung Hoffmann" in Neustadt; Berufung von Eichenlaub zum Oberregierungspräsidenten Besuch de Gaulies in der Besatzungszone Französische Anweisung zur Errichtung des Oberpräsidiums Rheinland-Hessen-Nassau

1946

2. Januar ab Januar 18. Juli 30. August September 12. September 15. September 13. Oktober 17. November 2. Dezember

Amtseinführung von Oberpräsident Boden in Koblenz Zulassung von Parteien in der französischen Besatzungszone Vereinigung des Nordteils der Rheinprovinz mit Westfalen zum Land Nordrhein-Westfalen Schaffung des Landes Rheinland-Pfalzdurch VO Nr. 57 der französischen Militärregierung Beginn des Zusammenschlusses von amerikanischer und britischer Zone (Bizone) Beginn der Beratungen der Gemischten Kommission für Rheinland-Pfalz Gemeinderatswahlen in der französischen und britischen Besatzungszone Kreistagswahlen Wahlen zu den Beratenden Landesversammlungen in der französischen Besatzungszone Ernennung der rheinland-pfälzischen Landesregierung unter Ministerpräsident Boden

1947

9. Januar bis 13.März 18. Mai 9. Juni 13. Juni 9. Juli Herbst

Erste Lesung der Verfassung von Rheinland-Pfalz in der Beratenden Landesversammlung Volksabstimmung über die Verfassung von RheinlandPfalzund zugleich Wahl zum ersten Landtag Durch VO Nr. 95 werden die Kompetenzen zwischen der französischen Besatzungsmacht und den Landesregierungen der Zone neu abgegrenzt Bildung der Übergangsregierung Boden Bildung der ersten Regierung Altmeier Beginn der Personalverminderung bei der französischen Militärregierung (Ausscheiden des Generalverwalters)

Einleitung 1. Fragestellung Im Jahre 1947 wurde von allen maßgeblichen deutschen Politikern das durch die französische Besatzungsmacht geschaffene Land RheinlandPfalz, das "weder historisch geworden noch organisch gewachsen sei"\ übereinstimmend als Übergangslösung betrachtet2 • Innerhalb weniger Jahre trat hier jedoch ein Wandel ein: Die Politiker der großen Parteien, die bis 1951 gerneinsam die Landesregierung trugen, identifizierten sich zunehmend- wenn auch mit gewissen Abstufungen zwischen CDU und SPD -mit dem neuen Land. Die traditionellen Bindungen in den nördlichen und südlichen Landesteilen, rheinabwärts im Norden und über den Rhein hinweg im Süden, schwanden schneller als erwartet. Die Volksabstimmungen in Teilen des Landes stießen schon Mitte der fünfziger Jahre nicht mehr auf ein ausreichendes Interesse der Wahlbürger. Damit einher ging ein wachsendes Zusammengehörigkeitsgefühl der Landesbewohner. Es kam auch darin zum Ausdruck, daß in den Publikationen der Landesregierung der in den Anfangsjahren herausgestellte, nicht recht überzeugende Rückgriff auf die drei Kurfürstentümer Kurtrier, Kurrnainz und die Kurpfalz als historische Grundlage des Landes Rheinland-Pfalz8 einer nüchterneren Betrachtungsweise weichen konnte, die ·die Zusammengehörigkeit in erster Linie auf die gerneinsame Aufbauleistung zurückführt4 • Bei der Neubildung oder umfassenden Erweiterung einer politischen Einheit kommt, wie sich an Beispielen der neueren deutschen Geschichte (Bayern 1806, Preußen 1815, Thüringen 1920) zeigen läßt, der Administration eine Schlüsselfunktion zu; denn gegenüber den Bürgern der einzelnen Landesteile tritt der neue Staat zunächst durch seine Bürokratie 1 Altmeier in der Sitzung der Berat. LV vom 24. 4. 1947, Drucksache Berat. LV Nr.16, S. B. 2 Dazu nur: Altmeier in o. a . Sitzung; Hoffmann in o. a. Sitzung, Drucksache Berat. LV Nr. 16, S. 14, und Boden in der Sitzung der Beratenden LV am 25. 4. 1947, Drucksache Berat. LV Nr. 16, S. 62 f. a Zum ersten Mal von Boden in seiner Regierungserklärung vom 5. 12. 1946 erwähnt, Drucksache Berat. LV Nr. 1, S. 9. Später veröffentlichte die Staatszeitung zu den Jahrestagen der Verfassung regelmäßig entsprechende Aufsätze. Vgl. dazu beispielsweise StZ vom 18. 5. 1957 und StZ vom 13. 5. 1962. 4 Dazu nur: "Report Rheinland-Pfalz", Ausgabe April1977.

14

Einleitung

in Erscheinung. Bringt die Änderung eine leistungsfähigere Verwaltung, kann sie viel zum Abbau bestehender Vorbehalte beitragen und das Zusammenwachsen des neuen Staates erleichtern. Die vorliegende Arbeit untersucht den Wiederaufbau und Neubau der staatlichen Verwaltung in den einzelnen Landesteilen in den Jahren 1945 und 1946 sowie deren Zusammenfassung und Angleichung und leistet unter diesem Aspekt einen Beitrag zur besseren Kenntnis der Geschichte unseres Landes. Ein weiteres Ziel dieser Arbeit ist die Klärung eines anderen Komplexes verwaltungsgeschichtlicher Forschung, die Frage nach der Kontinuität staatlicher Bürokratien nach dem Umbruch von 1945. Untersuchungen über den Fortbestand der Bürokratien, also die Übernahme von hergebrachten Organisationsformen der Verwaltung, ihren rechtlichen Regelungen und insbesondere ihres Personals sind für die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg noch nicht allzu zahlreich. Generell gilt für alle Zäsuren in der deutschen Geschichte dieses Jahrhunderts, daß die Frage, inwieweit sich die Bürokratie in Zeiten des politischen Wandels als stationär-konservatives Element5 behaupten und auf die zukünftige Entwicklung Einfluß nehmen konnte, noch nicht in wünschenswertem Umfang verfolgt wurde. Während im Umbruch 1919 und dem des Jahres 1933 die Organisationsformen der Verwaltung kaum Änderungen erfuhren, muß für den Zeitraum nach 1945 neben der Frage nach der personellen Kontinuität oder Diskontinuität auch die Frage, ob und in welchem Umfang traditionelle Verwaltungsstrukturen übernommen wurden, Gegenstand der Untersuchung sein. Die wenigen einschlägigen Darstellungen über die Jahre 1945 bis 1947 befassen sich, sofern es sich nicht um mehr allgemeine Aussagen über den Weiterbestand der Bürokratie handelt8 , in erster Linie mit der Entwicklung der zonalen und bizonalen Verwaltungen und deren Überleitung in die Bundesverwaltung, wobei allerdings oftmals auch Bezüge zur Verwaltung der Jahre vor 1945 sichtbar gemacht werden7 • Die wenigen Studien, die ausführlicher den Wiederaufbau der Bürokratie in einem Bundesland untersuchen und dabei auch mehr oder weniger umfassend auf die Personalpolitik der Anfangsjahre eingehen8 , bedürfen G. Ambrosius, Funktionswandel S. 167. So T. Eschenburg, Bürokratischer Rückhalt; ders., Regierung, Bürokratie und Parteien. 7 R . Morsey, Personal- und Beamtenpolitik; W. Strauß, Personalpolitik; T. Pünder, Interregnum, und G. Ambrosius, Funktionswandel. Hinsichtlich der Organisationsfragen siehe insbes. W. Vogel, Westdeutschland. 8 z. B P. Hüttenberger, Nordrhein-Westfalen, und E. Konstanzer. Entstehung. 5

6

Einleitung

15

der Ergänzung durch die Darstellung der entsprechenden Abläufe in anderen Bundesländern, um zu allgemeingültigeren Urteilen und Einschätzungen kommen zu können. Bei der Frage nach dem Fortbestand der O:r.ganisationsformen der Verwaltung kommt für Rheinland-Pfalz noch eine Besonderheit hinzu, die ihm unter den von 1945 bis 1947 gebildeten Ländern der Westzonen eine Sonderstellung verschafft: In Rheinland-Pfalzsind neben kleineren Territorien zwei größere Gebietsteile, die in Umfang und Bevölkerungszahl etwa vergleichbar sind und vor 1934 verschiedenen Ländern zugehörten, zusammengefaßt9 • Es wird daher auch zu prüfen sein, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang sichtrotz der von den Nationalsozialisten lautstark proklamierten Gleichschaltung organisatorische Besonderheiten der preußischen oder bayerischen Verwaltung durchsetzen konnten und welches die Gründe hierfür waren. Die für den hier zu untersuchenden Zeitraum naheliegende Frage nach dem Zusammenwirken zwischen deutscher Verwaltung und Besatzungsmacht kann für die Zeit von Mitte 1945 bis Mitte 1947 nur teilweise beantwortet weroen, da auf Grund der Unzugänglichkeit der französischen Unterlagen verläßliche Aussagen z. Z. noch nicht möglich sind10 • Die Abhängigkeit deutscher Dienststellen von den korrespondierenden Behörden der Besatzungsmacht machte jedoch einige Ausführungen über die Struktur und - soweit feststellbar - über das Personal der Besatzungsverwaltung und deren Verhalten unerläßlich. 2. Quellen

Die geringe Zahl der Untersuchungen über die Kontinuität der Administration nach 1945 ist vor allem auf die Schwierigkeiten beim Zugriff auf das Archivmaterial zurückzuführen. Personalakten unterliegen Sperrfristen, die generell noch nicht abgelaufen sind. Hinzu kommt, daß viele Nachlässe der auf deutscher Seite maßgeblich handelnden Politiker noch auf lange Zeit verschlossen sind. Um so dankbarer ist der Verfasser, daß durch Vermittlung des Landeshauptarchivs Koblenz Teile des Nachlasses Boden1 zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden. Die Sachakten des Oberregierungspräsidiums Hessen-Pfalz, einschließlich seiner Vorläufer Saarland-Pfalz-Südhessen und Mittelrhein-Saar, sind Siehe Kartenanhang. Das Zusammenwirken zwischen deutschen Verwaltungsbeamten und Offizieren der amerikanischen Militärregierung von Mai bis Juli 1945 ist vergleichsweise gut belegbar. Dies gilt übrigens auch für die folgende Zeit (vgl. insgesamt C. F . Latour/T. Vogelsang, Okkupation). 1 LHA Koblenz, Best. 700, 155. 9

10

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Einleitung

im Landesarchiv Speyer zugänglich2 • Hingegen konnten die noch unverzeichneten Akten des Oberpräsidiums Rheinland-Hessen-Nassau im Landeshauptarchiv Koblenz nicht benutzt werden3• Jedoch läßt schon das Material des Oberregierungspräsidiums HessenPfalz erkennen, daß vor allem in der ersten Zeit unter französischer Besatzungsherrschaft, als sich die Besatzungsmacht .alle Entscheidungen auch untergeordneter Art - selbst vorbehalten hatte, die deutschen Akten nicht sehr aussagekräftig sind; es fehlen zumeist Motive und Überlegungen der deutschen Seite zu den von ihr vorgeschlagenen Maßnahmen4. Allerdings sind die offiziell vorgetragenen Begründungen teilweise recht aufschlußreich für das Verhältnis zwischen Besatzungsmacht und deutscher Verwaltung. Die Akten der Besatzungsmacht in den "Archives de l'Occupation" in Kalmar unterliegen, darauf wurde bereits hingewiesen, einer generellen Sperre und stehen der Forschung in absehbarer Zeit nicht zur Verfügung". Trotz aller grundsätzlichen Bedenken, die gegen eine Befragung der Personen, die den betreffenden Zeitraum miterlebten und mitgestalteten, vorgebracht werden können8 , forderte die Dürftigkeit der schriftlichen Unterlagen die Befragung der noch lebenden Zeitgenossen. Dies schien dem Verfasser um so vertretbarer, als die zu bearbeitenden Fra2 Für die amerikanische Besatzungszeit (Mai bis Juli 1945) in: Nachlaß Heimerich, LA Speyer, Best. V 10; für die Zeit der französischen Besetzung ab Juli 1945: in: Akten der Bez.Reg. Rheinhessen-Pfalz in Neustadt/W., LA Speyer, Best. H 13. Bei dem im Bundesarchiv vorhandenen Best. Kl. Erw. 259 handelt es sich ausschließlich um Doppelstücke aus dem Nachlaß Heimerich. 3 Vermutlich enthalten diese Akten auch Material der Regierungspräsidien Trier und Koblenz, die von Juli bis Dezember 1945 oberste deutsche Behörden im Rheinland waren. Einige Unterlagen über die Arbeit dieser Dienststellen enthalten die Nachlässe Fuchs, Steinlein und Lange (Best. 700, 40; 700, 134 und 700, 86 - alle im LHA Koblenz). 4 Das Fehlen interner Schriftstücke, wie Aktenvermerken oder Bespre· chungsnotizen, könnte darauf zurückzuführen sein, daß die auf deutscher Seite handelnden Personen bei der schriftlichen Niederlegung ihrer Vorstellungen - nicht zuletzt im Hinblick auf die Erfahrungen aus der Zeit der nationalsozialistischen Diktatur - sehr vorsichtig operierten. Nicht auszuschließen ist aber auch, daß der unter französischer Besatzungsherrschaft spürbare Papiermangel die Ursache war. Die Vielzahl entsprechender Schriftstücke aus der Zeit amerikanischer Besatzung bis Juli 1945 könnte ein Beleg für letztere Vermutung sein. 5 Schriftliche Auskunft von Herrn Auerbach, Institut für Zeitgeschichte, München. Mehrere Gesuche des Verfassers, das Material bzw. Teile davon einsehen zu dürfen, blieben ohne Antwort. Auf die Zugangsschwierigkeiten weisen auch hin: K.-D. Henke, Aspekte, S. 168, Anm. 4; H.-J. Wünschel, Separatismus, S. 14, und R. Hudemann, Sozialstruktur, S. 374. 8 Zum Augenzeugen als Quelle für den Untersuchungszeitraum siehe H.-J. Wünschel, Separatismus, S. 8 ff.

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gen-von wenigen Ausnahmen abgesehen'- weder zur damaligen Zeit Gegenstand von tiefgreifenderen Kontroversen waren noch es durch die zwischenzeitliche Entwicklung geworden sind. Dennoch wurden die bei den Interviews bzw. schriftlichen Befragungen gewonnenen Aussagen nur in begrenztem Umfang aufgenommen, zumeist erst dann, wenn es für das Zeugnis einen weiteren Beleg, auch in Form einer Aussage einer dritten Person, gab. Die Unterredungen mit den damals Handelnden gaben daneben Einblicke in die allgemeine Atmosphäre in der Verwaltung jener Jahre, die wiederum für die Einordnung der in den schriftlichen Unterlagen zu findenden Aussagen nicht ohne Bedeutung sind. Gleichfalls nur als Ergänzung konnten die wenigen Biographien und Memoiren der rheinland-pfälzischen Politiker der "ersten Stunde" 8 und ihrer Partner auf französischer Seite9 verwandt werden. Eine nicht unwesentliche Quelle bilden die amtlichen Veröffentlichungen aus jener Zeit. Neben den bereits zitierten Protokollen der Beratenden Landesversammlung sind hier in erster Linie die Mitteilungsblätter10 der beiden Oberpräsidien zu nennen, die vor allem durch ihre umfassenden Listen der in Verwaltung und Wirtschaft von der Entnazifizierung betroffenen Personen u. a. Aussagen zur personellen Zusammensetzung der Behörden möglich machen. Die amtlichen Drucksachen der französischen Seite, das zonenweite "Journal Officiel" 11 und die in den Verwaltungseinheiten der Obersten Delegierten erscheinenden französischen Amtsblätter12, sind weniger ergiebig. Allerdings konnte ihnen der strukturelle Aufbau der Besatzungsverwaltung entnommen werden. Mehr Informationen enthielt die offizielle französische Zeitschrift "La Revue de la Zone Fran9aise", die seit Oktober 1945 erschien und ab Mitte 1946 als "La France en Allemagne" weitergeführt wurde. 7 Hier wäre z. B. der Streit um die Form der Einbindung der Pfalz in das neue Land zu nennen, der im Zusammenhang mit befürchteten separatisti· schen Tendenzen mit teilweise massiven Vorwürfen ausgetragen wurde. 8 z. B. F. Hirschner, Peter Altmeier, und E. Hertel, Ein Leben für Demokratie und Sozialismus. 9 C. H. de Boislambert, Les fers df! l'espoir. 10 Amtliche Mitteilungen des Obel'regierungspräsidiums Hessen-Pfalz (AM erschienen ab 20. 9. 1945) und Amtsblatt für das Oberpräsidium Rheinland· Hessen-Nassau (ABl., ab 15. 4. 1946), das zunächst auch Amtsblatt für die Regierung in Koblenz und ab 8. 8. 1946 für die Regierungen in Koblenz und Montabaur war. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang auch das Amtsblatt des Regierungspräsidiums Trier (ABI. Trier, ab 19. 5. 1945). 11 Journal Offkiel du Commandement en Chef Fran!;ais en Allemagne (JO, ab 3. 9. 1945). 12 Für Rheinland-Hessen-Nassau das Bulletin Offkiel (BO, ab 15. 10. 1945), für Hessen-Pfalz das Bulletin d'Information (BI, ab 29. 8. 1945).

2 Speyer 88

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Die im rheinland-pfälzischem Raum erscheinenden Zeitungen13 befassen sich, da für sie naturgemäß andere Probleme als der Wiederaufbau der Administration vorrangig waren, nur am Rande mit dieser Frage. Erst Anfang 1947, bei den sich verschärfenden Auseinandersetzungen zwischen den großen Parteien im Zusammenhang mit der Beratung der Verfassungsentwürfe und dem Wahlkampf um Verfassung und Landtagssitze, wird dieses Thema ausführlicher erörtert. Auf die bestehende Zensur der Zeitungen durch die Besatzungsmacht muß hingewiesen werden14. Eine wichtige Quelle waren die verschiedenen Verwaltungshandbücher15, die teilweise auch Auskunft über Ausbildung und beruflichen Werdegang einzelner Personen enthalten und damit, wenn auch in eingeschränktem Rahmen, Ersatz für die nicht zugänglichen Personalakten bieten. Zu den Quellen ist auch die Arbeit des damals bei der Militärregierung in Baden-Baden tätigen Juristen M. Virally über die Rechtslage Deutschlands zu rechnen16• Die dort gemachten Ausführungen sind für das Verständnis der Politik und der Art des Vorgehens der französischen Besatzungsverwaltung wichtig. Ansonsten wur:de auf eine Auseinandersetzung mit Rechtsfragen, etwa der staatsrechtlichen Stellung des Oberpräsidiums Rheinland-Hessen-Nassau oder der obersten deutschen Dienststellen in Neustadt zwischen 1945 und 194717, verzichtet, da diese Erörterungen den Rahmen der Arbeit sprengen würden18•

3. Forschungsstand Im Zusammenhang mit der Frage nach der Kontinuität der Bürokratie wurde bereits angedeutet, daß trotz zunehmenden Interesses der Forschung für die Jahre 1945 bis 1949 die politischen, ökonomischen und kulturellen Gegebenheiten und Entwicklungen in dem vonden Alliierten besetzten Deutschland vielfach noch nicht ausreichend untersucht sind. 13 "Mittelrhein Kurier" ab 8. 8. 1945; "Die Rheinpfalz" ab 29. 9. 1945; "Pfälzische Volkszeitung" ab 16. 10. 1945; "Neuer Mainzer Anzeiger" ab 26. 10. 1945, ab 3. 5. 1947 durch Zusammenlegung Titeländerung in: "Allgemeine Zeitung"; "Rheinischer Merkur" ab 15. 3. 1946; "Rheinzeitung" ab April 1946. Zur Arbeit der Presse unter französischer Besatzungsherrschaft ausführlich und instruktiv: P. Kaps, Die Presse. Siehe auch H.-D. Fischer, Parteien und Presse, S. 65 f 14 Dazu P . Kaps, Die Presse, S. 29 und S. 86. 15 Handbuch über den Preußischen Staat, hrsg. vom Preußischen Staatsministerium, ab 134 Jg., 1928 ff.; Taschenbuch für Verwaltungsbeamte 60, 1943 und 61, 1950 ff.; Amts Handbuch für den GauSaarpfalz 1937/1938. 18 M. Virally, Internationale Verwaltung. 17 Vgl. G. Kratz, Mittelrhein-Saar, S. 43 ff. 1 s Eine neuere zusammenfassende Darstellung von H. J. Bücking, Rechtsstatus des Deutschen Reiches, S. 33 ff., gibt einen Überblick über die bisherige Diskussion. Eine umfangreiche Literaturübersicht, ebd., S. 248 ff.

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Schwerpunkte zeitgeschichtlicher Bemühungen sind in erster Linie die Entwicklungen in der amerikanischen und britischen Zone. Soweit die französische Zone erwähnt wird, .geschieht dies nur am Rande. Arbeiten über die französische Zone mit Ausnahme des Saargebiets 1 sind noch selten, wobei einerseits die unzureichende Quellenlage nicht ohne Bedeutung war, andererseits die Tatsache eine Rolle spielte, daß aus heutiger Sicht die aus dem französischen Besatzungsgebiet kommenden Impulse ·die deutsche Politik nicht merklich beeinflußt haben. Neben der bereits 1962 erschienenen Arbeit von F. R. Willis über die französische Besatzungszone2 , ·die trotz vieler Ungenauigkeiten noch immer als das Standardwerk für diese Zone gelten muß, gibt es mittlerweile auch Untersuchungen über die dortigen ökonomischen Verhältnisse3 und die Kulturpolitik der Besatzungsmacht4 • Relativ frühzeitig erschienen Einzeldarstellungen über die Entstehung der Parteien in ·der französischen Zone5 • Den Wiederaufbau der Verwaltung im späteren Land Rheinland-Pfalz behandelt G. Kratz in seiner bereits genannten Arbeit "Mittelrhein-Saar". Einige der von ihm zitierten Schreiben und internen Notizen der obersten deutschen Verwaltung in Neustadt/Weinstraße, die ·er damals in den Akten der Bezirksregierung und der Stadt Mannheim einsehen konnte, sind bereits heute nicht mehr auffindbar. Weitere in diesem Zusammenhang interessierende Darstellungen über den Wiederbeginn der Verwaltung nach 1945 finden sich in Behördengeschichten6 oder in Heimatblättern7 • Auf eine eingehende Darstellung der Deutschlandpolitik der amerikanischen und französischen Regierung in jenen Jahren wul'de verzichtet. Hinsichtlich der bislang bekannten Grundzüge und Einzelheiten der Politik der amerikanischen Regierung und ihrer ausführenden Organe 1 R. H. Schmidt, Saarpolitik, Bd. I- III; P. Fischer, Die Saar; J. Freymond, Die Saar; P. Kaps, Frankreichs Saarpolitik, und D. M. Schneider, Saarpolitik und Exil. 2 F. R. Willis, The French. Das 1979 erschienene Werk von J. Thies/ K. v. Daak, Südwestdeutschland Stunde Null, kann die Arbeit von Willis nicht ersetzen. 3 M. Manz, Stagnation, und R. Laufer, Industrie und Energiewirtschaft. 4 R. Gilmore, France's policies; A. Ruge-Schatz, Umerziehung. Zu erwähnen sind ferner noch die Studien über die Medienpolitik (H. Welzel, Rundfunkpolitik; zur Presse vgl. oben Kap. 2, Anm. 13) und zur Sozialpolitik (R. Hudemann, Sozialstruktur). 6 H. G. Wieck, Demokraten; H. Kohl, Politische Entwicklung; M. Ganten· berg/A. Zimmer, Gründungsgeschichte. Vgl. dazu auch die in Teil II, Kap. 10, Anm. 17 gegebenen weiteren Literaturhinweise sowie W. Götz, Entstehung, S. 58 ff., und H.-J. Wünsche!, Drei Dokumente. 6 z. B. F. Emmrich/H. Köppe, Bezirksregierung Koblenz; K. D. Hoffmann, Bezirksregierung Rheinhessen, oder W. Schineller, Regierungspräsidenten. 7 z. B. G. Wolf], Die Pfalz, oder E. Zenz, Reorganisation.

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in Deutschland im Jahre 1945 sowie der der französischen Regierung und ihrer Militärregierung in Baden-Baden von 1945 bis 1947 kann .auf eine Vielzahl einschlägiger Darstellungen8 verwiesen wevden. Nur an den Stellen, an denen es unumgänglich notwendig erschien, werden Hinweise auf diese Politik gegeben.

8 Zur amerikanischen Politik siehe die in Teil II, Kap. 1, Anm. 1 gemachten Angaben sowie C. F. Latour/T. Vogelsang, Okkupation. Zur französischen Deutschlandpolitik die Gesamtdarstellungen von R. v. Albertini, Deutschlandpolitik; A. Korff, Le revirement; K. Hänsch, Frankreich; G. Ziebura, Beziehungen; G. Kiersch, Deutschlandpolitik. Dazu auch W. Cornides, Illusion, S. 6731 ff.; H. Lüthy, Frankreichs Uhren, S. 271 ff.; A. Werth, Nachbar, S. 193 ff. und S. 229 ff.; M. Balfour, Vier-Mächte-Kontrolle, S. 57 ff.; F. R. Willis, The French, S. 22 ff.; W. Lipgens, Bedingungen; ders., Innerfranzösische Kritik; H.-J. Wünschel, Separatismus, S. 16 ff.; ders., Teilungspläne, S. 357 ff.; E. H. M. Lange, Wahlrecht, S. 114 ff., und W. Loth, Sozialismus, S. 36 ff. Die Politik in der Zone behandeln neben den in Anm. 1 bis 4 erwähnten Arbeiten noch W. Baumgart, Voraussetzungen, S. 8 ff.; R. Hudemann, La zone; K.-D. Henke, Aspekte, sowie T. Vogelsang, Deutschland,

s. 52 ff.

Teil I 1. Grundzüge der Verwaltungsorganisation nach dem Ersten Weltkrieg in Preußen, Bayern und Hessen Der politische Umbruch 1918/1919 blieb auf die Verwaltungsorganisation des Deutschen Reiches und seiner Länder fast ohne Auswirkungen\ da sich die maßgeblichen Männer der jungen Republik in der Phase des politischen Überganges auf einen intakten Staatsapparat stützen wollten und daher ausdrücklich anordneten, daß die Verwaltung in der bisherigen Struktur weiterzuarbeiten habe2 • In Preußen blieb daher der von der Größe des Landes her notwendige vierstufige Aufbau der allgemeinen Verwaltung (Staatsregierung, Oberpräsidium, Regierungspräsidium und Landratsamt3) ebenso wie die Gliederung der kommunalen Verwaltung unverändert erhalten. Auch in den Ländern Bayern und Hessen\ aus deren Landesteilen zusammen mit preußischem Gebiet5 1946 Rheinland-Pfalz gebildet wurde, bestand die Administration in ihrer bisherigen Organisationsform fort. Erst nach 1920 wirkten sich die unitarischen Ansätze in der Weimarer Reichsverfassung dahingehend aus, daß dem Reich in Einzelbereichen ein eigener Verwaltungsunterbau geschaffen wurde; neben Teilen der Verkehrsverwaltung sind hier vor allem die Finanzverwaltung8 , die Versorgungsverwaltungund die Arbeitsverwaltung zu nennen7 • 1 E. R. Huber, Verfassungsgeschichte, S. 742 ff. u. S. 1008; W. Runge, Politik und Beamtentum, S. 16. 2 T. Eschenburg, Bürokratischer Rückhalt, S. 73; H. Schulze, Otto Braun, S. 229; W. Runge, S. 16; vgl. für Preußen die Bekanntmachung vom 12. 11. 1918 und die Verordnung vom 14. 11. 1918 (GS 1918/187 und 1918/189). Für Bayern vgl. dazu G. Kalmer, Beamtenschaft und Revolution, S. 220 ff. 3 Die auf Gemeindeebene bestehende staatliche Polizeibehörde (vgl. H . J. Wolff/0. Bachof, Verwaltungsrecht li, S. 143), wie sie auch heute noch in einigen rheinland-pfälzischen Städten existiert, kann hier außer Betracht bleiben. ' Hessen-Darmstadt, das ehemalige Großherzogtum, ab 1920 Volksstaat Hessen (siehe Kartenteil im Anhang). 5 Unberücksichtigt bleibt hier das kleine, zu Oldenburg gehörende Gebiet um Birkenfeld, das 1937 dem preußischen Regierungsbezirk Koblenz zugeschlagen wurde (Gesetz über Groß-Hamburg und andere Gebietsbereinigungen v. 26. 1. 1937 - RGBl. I 1937/91). Zur Verwaltungsorganisation in Birkenfeld nach 1920 siehe W. Jellinek, Verwaltungsrecht, S. 68. 6 Dazu P. C. Witt, Reichsfinanzminister, S. 1 ff., insbes. S. 41 ff.; W. Jellinek, Verwaltungsrecht, S. 63 f. 7 M. Knaut, Verwaltungsorganisation, S. 40 und S. 43; H. J. Wolff/0. Bachof, Verwaltungsrecht li, S. 149.

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Einzelne der diesen neuen Behörden übertragenen Aufgaben waren infolge der durch Krieg und Nachkriegszeit veränderten ökonomischen und sozialen Bedingungen neu auf die Verwaltung zugekommen. Großteils fand hier jedoch eine Kompetenzverlagerung zu Lasten der Länder statt. Was den bisherigen Behördenaufbau betraf, so brachte vor allem der Abgang der Finanzverwaltung bei den Mittelbehörden der Länder augenfällige Veränderungen der Organisation mit sich, die Ausdruck des Bedeutungsverlustes dieser Behörden sind. a) Preußen

Die preußische Verwaltung 8 hatte ihre Spitze in dem Staatsministerium. Es bildete als Kollegialorgan der Leiter der - in der Regel sieben- Ministerien9 die Regierung. Das Staatsgebiet Preußens war in 12 Provinzen eingeteilt, deren Grenzen maßgeblich durch die territoriale Entwicklung Preußens bestimmt waren. Jede dieser Provinzen unterstand .e inem Oberpräsidenten, der als ständiger Vertreter des Staatsministeriums in der Provinz ein allgemeines Informationsrecht sowie ein umfassendes Weisungsrecht in Notfällen hatte10• Daneben war ihm die Rechtsaufsicht über die höheren Selbstverwaltungskörperschaften und deren Einrichtungen sowie über die Kammern verschiedener berufsständischer Organisationen übertragen. Die eigenen Verwaltungszuständigkeiten des Oberpräsidenten waren begrenzt. Dazu gehörten z. B. Teile der im Auftrag des Reiches ausgeübten Verkehrswegeverwaltung und einzelne Verwaltungsaufgaben, die den Oberpräsidenten vor allem auf Grund ihres starken politischen Bezuges übertragen wurden11 • Administrative Funktionen übte der Oberpräsident auch durch seine Beteiligung im Provinzialrat und im Provinzialschulkollegium aus. Bei diesen beiden Behörden handelte es sich um 8 Einzelheiten des preußischen Verwaltungsaufbaus in: v. Bitter, Handwörterbuch, S. 212 ff.; R. Graf Hue de Grais/H. Peters/W. Hoche, Handbuch der Verfassung und Verwaltung; W. v. Lympius, Verfassung und Verwaltung. Dazu auch: W. Jellinek, S. 64 ff. und S. 78 f. mit weiteren Literaturnachweisen S. 58 ff.; F. Giese/E. Neuwiem/E. Cahn, Verwaltungsrecht, S. 51 ff.; W. Apelt, Gutachten, S. 47 ff. Zur provinziellen Selbstverwaltung siehe K. Jeserich, Preußische Provinzen. 9 Neben dem Innenministerium, das die Aufsicht über die allgemeine Verwaltung führte, gab es Ministerien für: Finanzen; Justiz; Volkswohlfahrt; Landwirtschaft, Domänen und Forsten; Handel und Gewerbe sowie Wissenschaft, Kunst und Volksbildung. (Vgl, v. Bitter, Handwörterbuch, S. 213.) 10 M. Knaut, Verwaltungsorganisation, S. 36. Im Ersten Weltkrieg hatte man den Oberpräsidenten die Aufgaben der Wirtschaftslenkung und Ernährungssicherung zugeordnet. 11 Dazu gehörte u. a. die Durchführung einzelner Bestimmungen des Gesetzes zum Schutz der Republik vom 23. 7. 1922 (RGBl. I 1922/585). Vgl. W. Runge, Politik und Beamtentum, S. 25.

a) Preußen

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für die gesamte Provinz zuständige, kollegial verfaßte Behör.den12, die wichtige Entscheidungen im allgemeinen Verwaltungsbereich (z. B. im Polizeirecht) bzw. im höheren Schulwesen zu treffen hatten. Die überwiegend aufsichtsführenden und kontrollierenden Funktionen des Oberpräsidenten führten dazu, daß seine Behörde im Vergleich zu den Regierungspräsidien relativ klein war, undes-abgesehen von der Abtrennung der Kollegialbehörden - keine besonderen Organisationseinheiten gab. Die Schwerpunkte ·der preußischen Staatsverwaltung lagen beim Regierungspräsidenten und beim Landrat, die trotz der Ausgliederung einiger Aufgabenfelder und deren Übernahme in Sonderverwaltungen gegenüber dem Bürger nach wie vor als maßgebliche Organe staatlichen Verwaltungshandeins in Erscheinung traten. Die Regierungspräsidien waren in drei Abteilungen gegliedert, wobei die für das Schulwesen einschließlich Kultusangelegenheiten und die für Domänen und Forsten13 kollegial organisiert waren. Daneben bestand ein Bezirksausschuß, der u. a. wichtige Verwaltungsentscheidungen zu treffen hatte und insofern etwa dem Provinzialrat beim Oberpräsidenten vergleichbar ist. Beiden entsprach auf der Kreisebene der Kreisausschuß, ·der unter dem Vorsitz des Landrats kollegiales Verwaltungsorgan war. Das eigentliche Landratsamt hatte auf Grund seines geringen Personalbestandes keine vorgegebene Struktur. Sowohl der Kreisausschuß, der Bezirksausschuß und - mit Einschränkungen - auch der Provinzialrat konnten als Verwaltungsgericht gegen Entscheidungen unterer Verwaltungsbehörden angerufen werden14 • Die preußische Verwaltung erhielt ihr z. T. eigenes Gepräge nicht nur durch die Vierstufigkeit der staatlichen Administration, sondern auch 12 Die Entscheidungen von Kollegialbehörden fallen nach Beratung und Abstimmung des Gremiums, wobei alle Mitglieder gleiches Stimmrecht haben. Zu unterscheiden sind dabei interne Kollegialorgane, bei denen alle Mitglieder Verwaltungsbeamte sind, und Gremien, in denen neben Verwaltungsbeamten auch Laien, z. B. als gewählte Ehrenbeamte, sitzen. Die oft schwerfällige Arbeitsweise dieser Behörden hatte schon Ende des 19. Jhs. dazu geführt, daß in vielen Verwaltungszweigen das Kollegialsystem durch das sog. monokraUsehe oder Präfektursystem abgelöst wurde, bei dem allein der Wille des Behördenvorstands maßgebend ist, der allerdings auch die Verantwortung für die Entscheidungen der ihm unterstellten Beamten trägt (W. Jellinek, Verwaltungsrecht, S. 61; zur Arbeit der Kollegialorgane auch: M. Knaut, Verwaltungsorganisation, S. 38). 13 Diese Abteilung war vor der Reform der Finanzverwaltung (vgl. oben Anm. 6) für den Einzug der direkten Steuern zuständig. Auch nach der Reform wurde für diese Abteilung z. T. der Name "Finanzabteilung" gebraucht (v. Bitter, Handwörterbuch, S. 217). 14 F. Giese/E. Neuwiem/E. Cahn, Verwaltungsrecht, S. 55 f.; W. J ellinek, Verwaltungsrecht, S. 92; v. Bitter, Handwörterbuch, S. 949 ff.; W. Apelt, Gutachten, S. 47 ff.

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1. Grundzüge der Verwaltungsorganisation nach 1918

durch die Gliederung ihrer Selbstverwaltung, der umfassende Aufgaben zugewiesen waren15• Während die Stadtkreise reine Selbstverwaltungskörperschaften waren und staatliche Verwaltungsaufgaben nur auftragsweise ausführten10, waren die Landkreise zugleich staatliche Verwaltungseinheit und Selbstverwaltungskörperschaft. Dem entsprach, daß der Kreisausschuß als kollegial verfaßte Behörde des Kreisverbandes in seiner Zusammensetzung mit der staatlichen Behörde Kreisausschuß identisch war und analog dazu die wesentlichen Verwaltungsentscheidungen im Selbstverwaltungsbereich zu treffen hatte. Einfachere Angelegenheiten im kommunalen Sektor waren dem Landrat übertragen, der durch den Vorsitz im Kreistag und (kommunalen) Kreisausschuß neben seiner staatlichen Funktion Organ der Kreisselbstverwaltung war17• Der Kreisausschuß wurde vom Kreistag gewählt. Selbstverwaltung und Staatsverwaltung waren somit auf der Kreisebene durch die duale Stellung des Landrats und des Kreisausschusses eng verbunden. Während es auf Bezirksebene in der Regel keine kommunalen Organisationen gab18, hatte sich auf der Provinzebene eine starke Selbstverwaltung etabliert, die von der Staatsverwaltung losgelöst war. Auch hier bildete ein Kollegium, der Provinzialausschuß, das oberste Verwaltungsorgan18. Verwaltungsfragen, die nicht dem Provinzialausschuß zugewiesen waren, hatte der Landeshauptmann, der oberste Beamte des Kommunalverbandes, zu entscheiden20• Ähnlich wie auf der Kreisebene, wo Landrat und Kreisausschuß sofern sie im Selbstverwaltungsbereich tätig wurden - der Kontrolle eines unmittelbar gewählten Gremiums, des Kreistages, unterstanden, 15 K. Jeserich, Preußische Provinzen, S. 125 ff.; M. Knaut, Verwaltungsorganisation, S. 88. 16 Dies galt auch für die Gemeindeverwaltungen und die z. B. in der Rheinprovinz existierenden Ämter. Diese Ämter, vor 1927 Landbürgermeistereien genannt, waren Kommunalverbände, die sich zwischen Gemeinde und Kreis schoben; ihnen waren Verwaltungsaufgaben übertragen, die von den meist kleinen Gemeinden nicht bewältigt werden konnten (vgl. W. Jellinek, Verwaltungsrecht, S. 78; siehe auch E. Becker, Entwicklung, S. 96 und S. 102). 17 F. Giese/E. Neuwiem/E. Cahn, Verwaltungsrecht, S. 67 f. 18 Eine Ausnahme bildete die Provinz Hessen-Nassau, wo beide Regierungsbezirke, Kassel und Wiesbaden, zugleich Kommunalverbände waren (vgl. W. Jellinek, Verwaltungsrecht, S. 78; F. Giese/E. Neuwiem/E. Cahn, Verwaltungsrecht, S. 68). 19 Einzelheiten bei K. Jeserich, Preußische Provinzen, S. 95 ff. 20 Zu der in den Provinzen unterschiedlichen Bezeichnung des obersten Beamten des Verbandes siehe K. Jeserich, Preußische Provinzen, S. 105 ff.; zu den Aufgaben auch: H. Conrady, Preußische Provinzialverbände, S. 59 f. Für die Rheinprovinz vgl. auch §§ 87 ff. der Provinzialordnung vom 1. 6. 1887 (GS 1887/252).,

b) Bayern

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war auf der Provinzebene der Provinziallandtag überwachendes und für grundlegende Beschlüsse zuständiges Organ21 • Da der Provinziallandtag jedoch nicht sehr häufig zusammentrat, kam dem Provinzialausschuß letztlich die entsche1dende Funktion in der Selbstverwaltung zu. Daneben konnte der Provinzialausschuß auch auf die staatliche Verwaltung Einfluß nehmen, da er einen Teil der Mitglieder des Provinzialrats und der Bezirksausschüsse zu bestimmen hatte. b) Bayern

Die bayerische Verwaltungsorganisation22 unterschied sich von der preußischen im wesentlichen zunächst dadurch, daß Bayern - trotz räumlich zweigeteilten Staatsgebietes23 - nur eine Mittelinstanz, die Kreisregierung, kannte. An der Spitze der bayerischen Staatsverwaltung stand das Staatsministerium, wobei ebenso wie in Preußen die Minister24 in ihrer Gesamtheit das oberste leitende und vollziehende Organ waren. Die acht Regierungsbezirke, in Bayern Kreise 25 genannt, wurden durch eine in zwei Kammern gegliederte Kreisregierung unter einem Regierungspräsidenten verwaltet. Beide Kammern26 , die für fast alle Aufgaben zuständige Kammer des Innern und die Kammer der Forsten, entschieden nicht mehr als Kollegialorgan27 • Die Kreise waren in Bezirke 21 Dazu K. Jeserich, Preußische Provinzen, S. 76 ff. Der Provinziallandtag war, obwohl seine Mitglieder seit 1920 in direkter Wahl von allen Provinzbürgern gewählt wurden (vgl. H. Conrady, Preußische Provinzialverbände, S. 77), keine Volksvertretung im staatsrechtlichen Sinne, sondern lediglich kommunales Selbstverwaltungsorgan. 22 Einzelheiten zum Verwaltungsaufbau in Bayern: R. Piloty/F. Schneider, Verwaltungsrecht; H. Kneuer, Handbuch. Dazu auch: W. Jellinek, Verwaltungsrecht, S. 66 und 78 f.; F. GieseiE. Neuwiem/E. Cahn, Verwaltungsrecht, S. 57 f. und S . 69 f.; W. Apelt, Gutachten, S. 51 ff. Speziell zur Geschichte der bayerischen Verwaltung in der Pfalz: A. Doll, Landcommissariat, S. 11 ff., und R. Schreiber, Landrat, S. 19 f. 23 Die räumliche Trennung des preußischen Staatsgebiets zu Beginn des 19. Jhs. hatte wohl entscheidend zur Schaffung der Funktion des Oberpräsidenten beigetragen (F. Knaut, Verwaltungsorganisation, S. 27). 24 Es gab 1930 sechs Ministerien: Staatsministerium des Äußeren und für Handel, Industrie und Gewerbe; der Justiz; des Inneren; für Unterricht und Kultus; der Finanzen; für Landwirtschaft und Arbeit (nach F . Giese/E. Neuwiem/E. Cahn, Verwaltungsrecht, S. 58). Die Ressortaufteilung wurde mehrfach geändert (vgl. Aufteilung im Jahre 1928 bei H. Kneuer, Handbuch, S. 24 f.). 25 Zu den 1938 erfolgten Timbenennungen siehe Teil I, Kap. 6, Anm. 6 und 7. 26 Die bis 1920 bestehende Kammer für Finanzen war der Reichsfinanzreform zum Opfer gefallen. 27 Nur in wenigen Sonderfällen traf die Kreisregierung insgesamt noch Verwaltungsentscheidungen. Als Verwaltungsgericht entschied die Kammer des Innern nach wie vor noch als Kollegialorgan. Dazu: W. Apelt, Gutachten, s. 55 ff.

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1. Grundzüge der Verwaltungsorganisation nach 1918

unterteilt, die von einem Oberamtmann28 als staatlichem Verwaltungsbeamten geleitet wurden. Der Bezirksoberamtmann hatte sich bei wesentlichen Entscheidungen durch den Bezirksausschuß, der in etwa dem preußischen Kreisausschuß entsprach, beraten zu lassen. Staatliche Verwaltungstätigkeitwie jener übte der Bezirksausschuß also nicht aus. Die Einteilung der höheren Kommunalverbände schloß sich eng an die staatlichen Verwaltungseinheiten an, d. h. Kreise und Bezirke waren zugleich Kommunalverbände; für wichtige Verwaltungsangelegenheiten waren Kreisausschuß bzw. Bezirksausschuß zuständig. Beide Ausschüsse wurden von den entsprechenden kommunalen Selbstverwaltungsorganen, Kreistag und Bezirkstag, gewählt.

c) Hessen Dreistufig - und damit zumindest auf den ersten Blick ähnlich wie in Bayern- war auch die Verwaltung in Hessen-Darmstadt gegliedert29 • Unter der Landesregierung mit ihren fünf Ministerien30 standen die drei Provinzialdirektionen für die hessischen Provinzen Starkenburg, Oberhessen und Rheinhessen31 • Diese Provinzialdirektionen hatten doch nur einen sehr eingeschränkten Tätigkeitsbereich32 ; mit den bayerischen oder preußischen Mittelbehörden kann man sie nicht vergleichen. Die staatlichen Aufgaben des auf Provinzebene bestehenden Provinzialausschusses waren denn auch minimal. Auf der unteren staatlichen Administrationsebene bestanden Kreise unter einem Kreisdirektor. Auch hier war die Mitwirkung eines Gremiums, des Kreisausschusses, bei wichtigen Angelegenheiten vorgesehen. Dieser vom Kreistag gewählte Kreisausschuß fungierte zugleich als Organ der Selbstverwaltung des Kreises. Auf Provinzebene existierte ein Provinzialtag, der den bereits erwähnten Provinzialausschuß wählte. Provinzialdirektor und Kreisdirektor führten die laufenden Aufgaben der Selbstverwaltung durch. In Hessen waren also staatliche und Selbstverwaltung behördenmäßig identisch. 28 Der Bezirksoberamtmann gehörte dem höheren Dienst an. Im Zuge der Besoldungsreform, die eine Allgleichung der Beamtenbesoldung der Länder zum Ziele hatte, wurde er 1928 in Bezirkshauptmann umbenannt. 29 Einzelheiten des hessischen Verwaltungsaufbaus in: W. Jellinek, Verwaltungsrecht, S. 68 und S. 79; F. Giese/E. Neuwiem/E. Cahn, Verwaltungsrecht, S. 62 und S. 74; W. Apelt, Gutachten, S. 89 f. 30 Ministerium des Innern; der Justiz; der Finanzen; für Arbeit und Wirtschaft; für Kultus und das Bildungswesen (nach W. Apelt, Gutachten, S. 89). 31 Siehe Kartenteil im Anhang. 32 F. Giese/E. Neuwiem/E. Cahn, Verwaltungsrecht, S. 62; siehe auch K. D. Hoffmann, Bezirksregierung Rheinhessen, S. 12.

d) Verwaltungsorganisation und Besatzungsherrschaft

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d) Verwaltungsorganisation und Besatzungsherrschaft

Die im Versailler Vertrag durchgesetzten Gebietsabtretungen und die Besetzung der westlichen Teile des Reiches blieben auf die Organisationsform der dortigen Verwaltung ohne größere Auswirkungen. Den deutschen Zentralbehörden, die sich mit allen mit der Besetzung zusammenhängenden Fragen zu befassen hatten (ab 1919 ein Reichskommissar für die besetzen Gebiete33, daneben seit 1923 noch ein Reichsminister mit dem gleichen Aufgabenbereich), wurde kein Verwaltungsunterbau eingerichtet, sie hatten sich der vorhandenen Landesbehörden zu bedienen Auf der anderen Seite nahmen die Besatzungsmächte, auch die den Hauptanteil der Okkupationstruppen stellenden Franzosen, auf die deutsche Verwaltungsstruktur keinen Einfluß 34 • Das von ihnen aufgezogene Kontrollinstrument- die Delegationen in allen größeren Städten des besetzten Gebietes - richtete sich ganz nach dem deutschen Verwaltungsaufbau, d. h ..dort, wo die allgemeinen Verwaltungsbehörden der Kreise, Bezirke bzw. Provinzen ihren Sitz hatten, schufen die Alliierten Parallelbehörden in Form der sogenannten Kreis-, Bezirks- oder Provinzdelegationen35• E. Fraenkel, Military Occupation, S. 111 ff. Dabei bleibt das Bemühen der französischen Besatzungsmacht, die Errichtung von Regierungen, die von separatistischen Bewegungen getragen wurden, zu fördern, außer Betracht, da diese "Regierungen" und die von ihnen installierten Verwaltungsorgane auf die deutschen Behörden keinen nennenswerten Einfluß bekamen (vgl. E. R. Huber, Verfassungsgeschichte, S. 1128 ff. Für die Pfalz: P. Hüttenberger, Methoden, S. 107 ff.). 35 Hinweise bei E. Fraenkel, Military Occupation, S. 11 ff. und P. Hüttenberger, Methoden, S. 108. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg schufen die Franzosen nach einer ersten Phase der Besetzung in ihrer Zone ein System von Delegationen auf allen Ebenen der deutschen staatlichen Verwaltung. (Einzelheiten dazu in Teil II, Kap. 7). Eine vergleichende Darstellung beider Besatzungsverwaltungen, ihrer personellen Zusammensetzung und Arbeitsweise ist - vor allem infolge der Unzugänglichkeit der Archive - noch nicht möglich (zur personellen Kontinuität bei den Franzosen vgl. Teil II, Kap. 8, Anm. 25 mit weiteren Nachweisen). Festhalten läßt sich jedoch, daß die Einflußnahme der französischen Besatzungsverwaltung in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg bei weitem nicht das Maß erreichte, das in der Zeit nach 1945 zu beobachten ist. Der Grund dafür lag neben der anders gelagerten staatsrechtlichen Situation (vgl. Text des Rheinland-Abkommens bei E. Fraenkel, Military Occupation, S. 233 ff., sowie M. Virally, Verwaltung, S. 9 ff.; zur Rechtslage nach dem Zweiten Weltkrieg siehe auch Literaturnachweis in der Einleitung, Kap. 2, Anm. 18) vor allem in der stärkeren Stellung der deutschen Verwaltungsbeamten gegenüber der Okkupationsmacht in jener Zeit. Die Franzosen konnten zwar in der Zeit von 1920 bis 1930 mißliebige Verwaltungsbeamte aus ihrem Besatzungsgebiet ausweisen und haben dies auch häufig getan; sie hatten jedoch auf das Dienstverhältnis der vertriebenen Beamten keine Einwirkungsmöglichkeit. Die ausgewiesenen Beamten wurden im unbesetzten Gebiet weiterbeschäftigt. Zu den Versuchen der Besatzungsmacht, eigene Personalpolitik zu betreiben, vgl. W. Runge, Politik und Beamtentum, 33

34

s. 96 f.

2. Laufbahnregelungen und Auswahl der Beamten

28

Immerhin wurden aber 1920 durch die Bildung des Saargebietes aus Teilen der bayerischen Pfalz und des preußischen Regierungsbezirks Trier einige Landkreise zerschnitten. Während die Bayern verbleibenden Kreisteile sofort anderen Kreisen zugeschlagen wurden38, bildete man in Preußen Restkreise unter einem Kreisverwalter; diese Provisorien hatten z. T. bis 1945 Bestand37. 2. Laufbahnregelungen und Auswahl der Beamten a) Preußen

Über den Umbruch 1918/19 hinweg akzeptierten die im Reich und in den wichtigsten Ländern die Regierung stellenden Parteien das Berufsbeamtentum als tragende Säule der Verwaltung1 • Seine bisherige Rechtsstellung wurde in der neuen Reichsverfassung verankert2 • Damit übernahm man auch die traditionellen Laufbahnnormen. So blieben die höheren Positionen in der staatlichen Verwaltung, soweit es sich nicht um Funktionen handelte, die mit sogenannten politischen Beamten besetzt wurden, Personen mit bestimmter akademischer Ausbildung vorbehalten3. Für die politischen Beamten (in Preußen rechneten dazu u. a. die Landräte, Regierungs- und Oberpräsidenten)\ die jederzeit mit gekürzten Bezügen in den Wartestand versetzt werden konnten, hatte es schon im Kaiserreich keine rechtlich zwingenden Vorbildungsvoraussetzungen gegeben. Für den allgemeinen höheren Verwaltungsdienst waren ein rechtswissenschaftliches Studium und das Bestehen der beiden juristischen au

Vgl. H. Prantl, Kirchliche Lage, S. XLI.

37 Der Bestand der Restkreise über die Zeit der Angliederung des Saar-

gebiets 1935 hinweg legt die Vermutung nahe, daß man innerhalb der preußischen Verwaltung die staatsrechtliche Regelung, wie sie für das Saargebiet gefunden wurde, nicht als endgültige Lösung ansah. (Vgl. F. Jacoby, Nationalsozialistische Herrschaftsübernahme, S. 160, Anm. 1). Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, daß es eine der ersten Amtshandlungen des von den Amerikanern 1945 eingesetzten Chefs der Kreisverwaltung Wadern war, den Antrag zu stellen, sich als Landrat und die Behörde als Landratsamt bezeichnen zu dürfen. Die Genehmigung wurde am 12. 4. 1945 erteilt. (Siehe Nachlaß Lange, LHA Koblenz, Best. 700, 86- 12. 4. 1945.) 1 Dazu T. Eschenburg, Bürokratischer Rückhalt, S. 73 ff.; W. Runge, Politik und Beamtentum, S. 16 ff.; H. Schulze, Otto Braun, S. 229. 2 T. Eschenburg, Bürokratischer Rückhalt, S. 75; H. Fenske, Beamtenpolitik, S. 120; vgl. Artt. 128- 131 der Weimarer Reichsverfassung. s A. Brand, Beamtenrecht, S. 91 ff. 4 Gegenüber der Monarchie, die auch schon politische Beamte kannte, war der Kreis der mit politischen Berufsbeamten zu besetzenden Funktionen noch erweitert worden. (F. Hartung, Geschichte des Beamtentums, S. 38; H. Fenske, Beamtenpolitik, S. 123, Anm. 15; T. Eschenburg, Bürokratischer Rückhalt, S. 76; zu weitgehend: D. Kugele, Der politische Beamte, S. 17.)

a) Preußen

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Staatsprüfungen Einstellungsvoraussetzung5 • Während diese Regelung in Bayern6 und Hessen ohne Einschränkung gaJt7, hatte man in Preußen das Juristenmonopol seit 1920 durchbrachen und auch anderen Bewerbern, die nach ihrer fachlichen Vorbildung und mindestens dreijähriger Verwaltungstätigkeit für den höheren Verwaltungsdienst besonders geeignet schienen, den Zugang in die oberen Funktionen ermöglicht8• Die Zahl dieser Beamten blieb jedoch aus den verschiedensten Gründen gering. Die Juristen blieben in der staatlichen Verwaltung die bei weitem größte Gruppe. Dies galt sogar für einen Teil der Inhaber der schon erwähnten politischen Funktionen. So hatten z. B. 1929 noch 84 Ofo der preußischen Landräte und 72 Ofo der Regierungspräsidenten eine juristische Ausbildung9 • Der Zugang zum höheren Dienst in der allgemeinen Verwaltung der Kommunen oder Kommunalverbände war rechtlich nicht von der Ablegung der zweiten juristischen Staatsprüfung abhängig10, faktisch war jedoch sowohl bei den Ämtern, Städten und den Provinzialverwaltungen in Preußen .die Mehrzahl der Bürgermeister und Stadträte11 sowie der Landesräte12 Juristen. Uneinheitlich wie für den höheren Dienst waren auch die Einstellungsbedingungen der Länder für die einfache, mittlere und gehobene mitts Die in Preußen und einigen kleineren Bundesstaaten nach 1871 geltende Unterscheidung zwischen Regierungs- und Gerichtsassessoren, die nach z. T. getrennter Referendarausbildung und eigener li. Staatsprüfung die Befähigung zum höheren Verwaltungsdienst oder zum Richteramt bekamen, war schon vor 1918 faktisch aufgehoben worden. Vgl. dazu und zur Diskussion um die Ausbildung der Verwaltungsjuristen: E. Breuckmann, Vorbereitung, S. 48 ff. und S. 55 ff. Zur Entstehung der zweigleisigen Ausbildung in Preußen: U. Bake, Dualistisches System, S. 8 ff. 6 Zur Ausbildung der Verwaltungsjuristen in Bayern siehe E. Breuckmann, Vorbereitung, S. 38 f. und S. 51 f. 7 W. Jellinek, Verwaltungsrecht, S. 289. Auch für leitende Funktionen in der allgemeinen Verwaltung, d. h. solche, die in Preußen politischen Beamten vorbehalten waren, kamen in beiden Ländern nur Volljuristen in Betracht. s Zur entsprechenden Gesetzesvorlage von 1920 vgl. E. Pikart, Preußische Beamtenpolitik, S. 126 ff. 9 W. Runge, Politik und Beamtentum, S. 191. 10 W. Jellinek, Verwaltungsrecht, S. 289; A. Brand, Beamtenrecht, S. 92. Dies gilt nicht für Selbstverwaltungskörperschaften, die mit staatlichen Einheiten identisch waren, z. B. die preußischen Landkreise oder die entsprechenden Einheiten in Bayern oder Hessen. Hier galten für die leitenden Beamten, gleich in welcher Form sie für die Selbstverwaltungskörperschaften tätig waren, die Laufbahnnormen der staatlichen Verwaltung. 11 Dies gilt nur für die hauptamtlichen städtischen Beamten, nicht hingegen für die ehrenamtlichen Stadträte. 12 Dazu K. Jeserich, Preußische Provinzen, S. 108.

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2. Laufbahnregelungen und Auswahl der Beamten

lere (später: gehobene) Beamtenlaufbahn13 • Die Aufnahme in den gehobenen Dienst der preußischen Verwaltung setzte eine bestimmte Schulbildung und die Ablegung einer Prüfung nach dreijähriger Ausbildung voraus, während für den mittleren Dienst nur eine Vorbereitungszeit und Prüfung verlangt war. Die ohne Ausbildung und Prüfung zu besetzenden Stellen des einfachen Dienstes waren zu einem sehr hohen Prozentsatz für ausgeschiedene Soldaten der ehemaligen Armee oder der Reichswehr14 reserviert. Im gehobenen und mittleren Dienst hatte man immerhin noch 50 °/o aller Stellen diesem Personenkreis vorbehalten. Die Vermutung liegt nahe, daß diese Gruppe Stil und Anschauungen innerhalb der Beamtenschaft ihrer Laufbahnen in nicht unerheblichem Maß prägte15• Der Prozentsatz der Angestellten in den Reichs- und Landesverwaltungen blieb zunächst gering, nahm jedoch nach 1920 zu. Allerdings war er auch später nur in den "neuen" Verwaltungsbehörden, z. B. der Arbeits- oder Versorgungsverwaltung, von einiger Bedeutung. Die leitenden Beamten in Preußen wurden vom Staatsministerium auf Vorschlag der zuständigen Minister16 ernannt, bei den Landräten hatten wie schon vor 1918 die Kreistage ein Vorschlagsrecht17• Die Einstellung der Assessoren und die Personalwirtschaft bei den anderen Beamten des höheren Dienstes waren dem Regierungspräsidenten für seinen Amtsbereich übertragen. Die die preußische Regierung bildenden Parteien nahmen auf die Auswahl der leitenden Beamten und - mit Einschränkungen - auch auf die der anderen höheren Beamten massiv Einfluß und förderten ihre 13 Trotz mehrfacher Vorlage im Reichstag (W. Jellinek, Verwaltungsrecht, S. 363) ist es zur Verabschiedung einer von der Weimarer Reichsverfassung (Art. 128) vorgesehenen reichseinheitlichen Regelung des Beamtenrechts nicht gekommen. (Siehe auch H. Fenske, Beamtenpolitik, S. 120 f.) u Je nach Funktion waren bis zu 100 °/o der Stellen für die Inhaber eines Zivilversorgungsscheins vorbehalten. Zu den Versorgungsanwärtern siehe A. Brand, Beamtenrecht, S. 96 ff. 15 Da jedoch der Aufstieg vom gehobenen in den höheren Dienst selten war (vgl. W. Runge, Politik und Beamtentum, S. 193), dürfte diese Rekrutierungsweise die Art der Verwaltungsführung wenig beeinflußt haben. Zum Aufstieg siehe auch H. Fenske, Beamtenpolitik, S. 124, und E. Pikart, Preußische Beamtenpolitik, S. 128; beide erwähnen die Übernahme aus dem mittleren Dienst, meinen aber wohl den gehobenen mittleren Dienst. 1o Dabei hatte neben dem generell beteiligten Innenminister z. B. der Finanzminister bei der Ernennung derjenigen Beamten mitzuwirken, die ohne die juristische Vorbildung in den höheren allgemeinen Verwaltungsdienst übernommen werden sollten. 11 R. Pikart, Preußische Beamtenpolitik, S. 130 ff.

a) Preußen

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Parteigänger bzw. die ihnen nahestehenden Beamten18 • Diese Patronage wurde jedoch innerhalb der Verwaltung nicht so spürbar, da - wie erwähnt- die traditionellen Laufbahnvoraussetzungen zumeist erfüllt und in der Regel entsprechende fachliche Leistungen erbracht wurden. Zum anderen zwang die gegenseitige Rücksichtnahme die Koalitionsparteien zur Mäßigung bei ihren personalpolitischen Vorstellungen19, insbesondere bei der Einstellung von Außenseitern. Eine weitere Sperre für allzu krasse Ämterpatronage lag darin, daß die Ernennung der leitenden Beamten der staatlichen Verwaltung an das Einvernehmen des Provinzialausschusses geknüpft war, in den die ,größeren der im Provinziallandtag sitzenden Parteien ihre - oft verwaltungserfahrenen-Vertreterentsandt hatten20 • Vonseiten der Staatsregierung versuchte man der Gefahr allzu parteibezogener Personalpolitik dadurch zu begegnen, daß .der oberste Verwaltungsbeamte und sein Stellvertreter in der Provinz und im Regierungsbezirk möglichst verschiedenen Parteien angehören bzw. nahestehen sollten21 • So waren in der Rheinprovinz dem Zentrumsmitglied H. Fuchs22 , der als Oberpräsident von 1922- 1933 amtierte, der der Deutschen Volkspartei nahestehende W. v. SybeF3, ab 1929 der SozialdemokratBrandtals Vertreter beigegeben. Auf der Kreisebene konnten sich die Parteien dann relativ leicht durchsetzen, wenn sie, wie z. B. das Zentrum in der Rheinprovinz, regional stark vertreten24 und an der Staatsregierung beteiligt waren25 • Daraus kann allerdings kaum der Schluß gezogen werden, diese Landräte 18 Siehe Gesamtdarstellung von W. Runge, Politik und Beamtentum, insbes. S. 35 ff. und S. 77 ff. Vgl. auch T. Eschenburg, Bürokratischer Rückhalt, s. 76. 19 W. Runge, Politik und Beamtentum, S. 97; E . Pikart, Preußische Beamtenpolitik, S. 133 f.; H. Schulze, Otto Braun, S. 566 f .; H. P . Ehni, Bollwerk Preußen, S. 38 ff. 20 Vgl. v. Bitter, Handwörterbuch, S. 215 ff.; W. Runge, Politik und Beamtentum, S. 33 f. und S. 88 ff. 21 W. Runge, Politik und Beamtentum, S. 203. 22 Hans Fuchs (1874 - 1956), nach juristischer Ausbildung Gerichtsassessor, 1914 Wehrdienst, ab 1915 im preuß. Kriegsministerium, ab 1920 Regierungspräsident in Trier, 1922 bis 1933 Oberpräsident der Rheinprovinz, 1923 Reichsminister für die besetzten Gebiete. 1933 Ruhestand. Ab April 1945 Regierungspräsident in Koblenz, ab 24. 5. 1945 Oberpräsident des Rheinland-Militärdistrikts, ab August bis 2. 10. 1945 Oberpräsident der Nordrhein-Provinz (brit. Zone). Weitere Angaben bei: F .-J. Heyen, Hans Fuchs, S. 169 ff. 23 W. Runge, Politik und Beamtentum, S. 161 f.; Lebenslauf v. Sybel in Runge, S. 162. v. Sybel war nach 1933 (bis 1945) Regierungsdirektor im Regierungspräsidium Wiesbaden. 24 H. Lademacher, Nördliche Rheinlande, S. 717 ff.; A. Milatz, Wähler, Anhang. Siehe auch Teil Il, Kap. 13, Anm. 3. 25 Vgl. H . P. Ehni, Bollwerk Preußen, S. 37 f.; W. Runge, Politik und Beamtentum, S. 88 ff.

2. Laufbahnregelungen und Auswahl der Beamten

32

seien willfährige Instrumente ihrer Partei geworden. Davor schützte sie u. a. ihre staatliche Ernennung26 und nicht zuletzt ihre Rechtsstellung als Beamte.

b) Bayern und Hessen Die Personalpolitik sowohl der bayerischen als auch die der hessischen Landesregierung haben noch keine umfassende Darstellung erfahren27 • Es müssen daher folgende Feststellungen genügen: In Bayern hielt man, wie bereits erwähnt, am Juristenmonopol für den gesamten höheren Dienst fest. Dies galt auch für die leitenden Positionen, die in Preußen von politischen Beamten besetzt wur.den. Das Eindringen von Außenseitern war damit unmöglich gemacht. Eine Einflußnahme der Parteien, insbesondere der Bayerischen Volkspartei als langjähriger Regierungspartei, auf die Personalpolitik hat es zweifelsohne gegeben28• Allerdings erschwerte das in Bayern übliche Platzziffersystem bei den juristischen Prüfungen29 eine allzu offensichtliche Ämterpatronage bei Einstellung und Beförderung der höheren Beamten. Zudem hatten, im Gegensatz etwa zu Preußen30, die Selbstverwaltungsorgaue bei der Auswahl der Beamten keinerlei Mitbestimmungs- oder Vorschlagsrechte, so daß diese Gremien und die in ihnen vertretenen Parteien31 auf die Personalpolitik ohne Einfluß blieben. Schließlich führte das Fehlen von Außenseitern und die starke Stellung der Bayerischen Volkspartei dazu, daß die Patronage keine Auseinandersetzungen innerhalb der Bürokratie hervorrief und mithin in den Akten kaum Niederschlag fand. Ähnlich wie in Preußen stellten in Hessen die Parteien der Weimarer Koalition die Regierung, wobei die SPD die bei weitem stärkste Partei war. Die Parteien machten auch in Hessen von ihren Eingriffsmöglichkeiten bei der Besetzung der leitenden Funktionen in der Verwaltung regen Gebrauch32, wobei die Einstellung von Beamten ohne vorgeschriebene Ausbildung wohl die Ausnahme blieb. 26 Zur geplanten Kommunalisierung der Landratsposition vgl. E. Pikart, Preußische Beamtenpolitik, S. 131. 27 Für Hessen Einzelbeispiele bei H. Fenske, Beamtenpolitik, S. 128 f. Für Bayern während des Umbruchs 1918/19 vgl. G. Kalmer, Beamtenschaft und Revolution, S. 201 ff. 2 8 Vgl. T. Eschenburg, Bürokratischer Rückhalt, S. 77. 29 E. Breuckmann, Vorbereitung, S. 52. so Siehe dazu oben Anm. 17 und 20. st In der Pfalz war sowohl auf Kreisebene als auch in den meisten Bezirken die SPD die führende Partei. Vgl. K. G. Faber, Südliche Rheinlande,

s. 438 ff. 82

Hinweise bei K. Friedrich, Bernhard Adelung, S. 292 f.

b) Bayern und Hessen

33

Hingegen war in der neugeschaffenen Arbeits- bzw. der Versorgungs· verwaltung die Zahl der Außenseiter relativ groß, da hier häufiger Ge· Werkschaftssekretäre und Parteiangestellte eingestellt wurden33• So sicherten z. B. die Selbstverwaltungsgremien bei der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung vor allem der SPD starken Einfluß auf diese Verwaltung und deren Personalpolitik34•

3. Die Auswirkungen der Reichsexekution von 1932 auf die preußische Verwaltung Die dargestellte Verwaltungsorganisation war während der Zeit der Weimarer Republik, teilweise in Verbindung mit Überlegungen zur territorialen Neugliederung des Reiches, ständig Gegenstand von Änderungsvorschlägen1. Da sich die großen Parteien über diese Reform nicht einigen konnten, kam es erst unter dem Präsidialkabinett v. Papen zu einschneidenden Änderungen innerhalb der Landesverwaltung. Die als Verbilligung und Vereinfachung der Verwaltung deklarierten Eingriffe2 durch die Reichsregierung, die seit dem 20. Juli 1932 durch den Reichskanzler als Reichskommissar für Preußen dort die Regierungsgewalt ausübte 3, brachten einige Änderungen, jedoch blieb der Aufbau der Verwaltung in seiner bisherigen Grundstruktur erhalten4 • Nur das Verwaltungsverfahren wurde durch die Abschaffung der verwaltungsinternen Kollegialorgane in der Bezirksregierung und beim Oberpräsidenten verändert5• Wenn auch vor diesem Zeitpunkt im tatsächlichen Vgl. H. Mommsen, Beamtentum, S. 47. In welchem Umfang dies auch für Preußen galt, wo die Landesarbeitsämter im Auftrag des Reiches tätige Povinzialbehörden waren, muß offen bleiben. 1 Dazu H. P. Ehni, Bollwerk Preußen, S. 95 ff.; H. Schulze, Otto Braun, S. 450 ff. und S. 574 ff. Nachweise der rechts- bzw. verwaltungswissenschaftlichen Literatur zur geplanten Reform der Verwaltungsorganisation bei W. Jellinek, Verwaltungsrecht, S. 101. Vgl. auch E. Forsthoff, Verwaltungsrecht, S. 352. Entscheidende Persönlichkeit bei dem Bemühen um Neuordnung war der schon 1917 zum Staatskommissar für die Verwaltungsreform berufene B. Drews (M. Knaut, Verwaltungsorganisation, S. 41). Zur Person von Drews vgl. C. H. Ule, Bill Drews, S. 261 ff. 2 Siehe im einzelnen: Verordnung zur Vereinfachung und Verbilligung der Verwaltung vom 1. 9. 1932 (GS 1932/238). 3 Zur Reichsexekution vgl. H. P. Ehni, Bollwerk Preußen, S. 256 ff.; R. Morsey, Preußenschlag, S. 430 ff.; H. Schulze, Otto Braun, S. 725 ff. ' Vgl. M. Knaut, Verwaltungsorganisation, S. 41 ff. 5 Dazu gehörte die Kollegialverfassung der 2. und 3. Abteilung der Bezirksregierung und im Provinzialschulkollegium. Erhalten blieb sie dagegen in den mit Verwaltungsbeamten und ehrenamtlichen Mitgliedern besetzten Verwaltungsorganen, z. B. dem Bezirksausschuß oder Provinzialrat, sowie den gerichtsähnlichen Kammern für den Sozialbereich (W. Jellinek, Verwaltungsrecht, S. 544). Hinsichtlich der verwaltungsgerichtlichen Funktionen vgl. Teil I, Kap. 1, Anm. 14 - auch diese blieben von den Änderungen unberührt. 33

34

3 Speyer 88

3. Die preußische Verwaltung und die Reichsexekution 1932

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Verwaltungsablauf eine gemeinsame Beschlußfassung aller höheren Beamten nicht mehr durchgängig üblich war6, bedeutete jedoch die völlige Abschaffung der Kollegialorgane, daß nun politische Einflüsse in der Verwaltung stärker wirken konnten, da der für die Entscheidung alleinverantwortliche Beamte erkennbar war und leichter unter Druck gesetzt werden konnte. Im übrigen stärkte man odie Stellung des Regierungspräsidenten und insbesondere die des Landrats und gliederte die Bezirksregierungen neu. Was nicht in den drei Spezialabteilungen für Kirchen und Schulen, für Landwirtschaft oder für Forsten bearbeitet wurde, gehörte in die Allgemeine Abteilung, die unter .der Leitung des Vizepräsidenten stand. Die Verordnung hob die Aufsichtsfunktion des Oberpräsidenten ausdrücklich hervor. Gleichzeitig wurde der Kreis seiner Verwaltungszuständigkeiten, z. B. durch odie Übertragung der bislang dem Provinzialschulkollegiumobliegenden Aufgaben, noch erweitert. Von größerer Bedeutung als die hier nur skizzierten Organisationsänderungen im Zuge der Verwaltungsvereinfachung waren massive Eingriffe in den Personalbestand7 • Viele Oberpräsidenten und Regierungspräsidenten, zumeist der SPD nahestehende Beamte, vor allem Außenseiter, mußten ihre Position räumen. Angehörige des Zentru~s oder konservativen Parteien zugerechnete leitende Verwaltungsbeamte waren nicht im gleichen Umfang betroffen8 • Einschneidende Änderungen erfolgten auch auf der Ebene der Kreise: Hier wurde ein bereits vorher bestehender Plan zur Zusammenlegung kleinerer Kreise ausgeführt9 und diese Maßnahme dazu benutzt, um eine große Zahl von Landräten in den Wartestand oder auf politisch einflußlose Posten bei den Regierungspräsidien zu versetzen10• Hingegen hatte die katastrophale wirtschaftliche Lage ab 1930, die neben der allgemeinen Kürzung der Beamtengehälter im Reich den Vorwand zu den dargestellten massiven Eingriffen in die preußische Verwaltung 1932 geliefert hatte, in Bayern geringe Auswirkungen: Zwar wurden einige Kreise und Bezirke zusammengelegt11, wesentliche ÄndeM. Knaut, Verwaltungsorganisation, S. 38. W. Runge, Politik und Beamtentum, S. 237 ff. 8 Einzelheiten bei W. Runge, S. 237 ff. 9 Die danach bestehenden Kreisgrenzen blieben im ehemals preußischen Teil von Rheinland-Pfalz- sieht man von der Eingliederung Birkenfelds 1937 und kleineren Grenzänderungen an der Grenze zum Saargebiet 1946 ab bis zur Verwaltungsreform, die 1968 begann, unverändert. Zur Verwaltungsreform siehe W. Götz, Entstehung, S. 104 ff. 8 7

10

W. Runge, S. 238.

Für die Bezirke der Pfalz siehe H. Prantl, Kirchliche Lage, S. XLI, für die Kreise in Bayern W. Laforet, Verwaltungsrecht, S. 128, Anm. 2. 11

a) Organisatorische Änderungen

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rungen der Struktur und ·des Personalbestandes jedoch nicht vorgenommen.

4. Entwicklungen in der preußischen Verwaltung von 1933 bis 1935 a) Organisatorische Änderungen

Trotz der 1932 vorgenommenen Eingriffe in die Verwaltungsstrukturen blieb der Aufbau der Administration unübersichtlich, und die Konflikte insbesondere zwischen Oberpräsident und Regierungspräsident konnten nicht völlig beseitigt werden1 • Die Nationalsozialisten hätten spätestens mit dem Gesetz über den Neuaufbau des Reiches vom 30. Januar 1934 auch die Rechtsgrundlage dafür besessen, eine Neuordnung der Verwaltungsstruktur vornehmen zu können. Dies lag um so näher, als die Forderung nach einem zentralistischen Einheitsstaat im Programm der NSDAP enthalten war2 • Eine solche Vereinheitlichung mit klarer Abgrenzung von Verwaltungsverantwortlichkeit war jedoch nicht im Sinne der nationalsozialistischen Führung3• Im Gegenteil, das Herrschaftssystem Hitlers, das von dem Bestreben gekennzeichnet war, keine der Säulen seiner Regierung zunächst nur NSDAP und Staat - zu mächtig werden zu lassen, führte dazu, innerhalb dieser Säulen Macht und Kompetenzen möglichst breit zu fächern und zu verteilen. Daher wurden auch die neuen Aufgaben, wie sie im Zusammenhang mit dem Autarkiebestreben und in Vorbereitung der Kriegswirtschaft entstanden, nicht der allgemeinen Verwaltung zugewiesen, sondern dafür eigene Behördenzweige geschaffen4• Das NS-Regime, dessen Verwaltungsdenken als Folge des von ihm propagierten Führerprinzips5 in starkem Maß von Personen statt Institutionen geprägt war, ließ sogar eine auf bestimmte Personen zugeschnittene Ausgliederung einzelner Aufgaben aus der allgemeinen Verwaltung und die Schaffung neuer Behördenstränge zu. So wurde z. B. auf Veranlassung Görings noch 1933 die Forstverwaltung aus der allgemeinen Landesverwaltung herausgenommen8 und einige Zeit später dann eine reichsunmittelbare Forstverwaltung geschaffen. Ähnliche personenbezogene Überlegungen waren M. Knaut, Verwaltungsorganisation, S. 43. H. Fabricius, Geschichte und Programm, S. 123. 3 Hierzu nur M. Broszat, Staat Hitlers, S. 158 ff. 4 Einzelheiten im nächsten Kapitel. 5 Ausfluß des Führerprinzips war z. B. die 1933 beginnende schrittweise Umbenennung aller Behörden, die dann unter der Bezeichnung ihres Behördenleiters firmierten. 8 G. Schulz, Anfänge, S. 284; P. Diehl-Thiele, Partei und Staat, S. 122. 1

2

3*

36

4. Entwicklungen in der preußischen Verwaltung von 1933 bis 1935

offensichtlich auch bei der stufenweisen Ausgliederung der Polizei ab 1936 maßgebend. Die Effizienz des Verwaltungsapparates, die durch eine enge Bindung von Verwaltung und Vollzugspolizei gewährleistet werden kann, wurde politischen Erwägungen zugunsten Himmloer.s und der SS geopfere. Der herkömmliche vierstufige Aufbau der preußischen Verwaltung blieb allerdings bestehen. Der Oberpräsident behielt das Aufsichts- und Kontrollrecht über die Verwaltung in der Provinz, eine Aufgabe, die in der Verwaltungspraxis allerdings nur dann wahrzunehmen war, wenn der Oberpräsident zugleich Funktionen in der Einheitspartei hatte8• Daneben erfuhren seine Verwaltungszuständigkeiten eine enorme Erweiterung. Nach Aufhebung der provinziellen Selbstverwaltung und Auflösung von Provinziallandtag und Provinzialausschuß wurde die Provinzialverwaltung dem Oberpräsidenten zugeordnet, wobei er die Aufgaben des Provinzialausschusses und des Landeshauptmannes übernahm9. Die Behörde des Oberpräsidenten war nun in drei Abteilungen gegliedert: Neben der Abteilung für Landeskulturangelegenheiten (Abt. III) und für das höhere Schulwesen (Abt. II) waren alle anderen Aufgaben von der Allgemeinen Abteilung zu erledigen10 • Der Provinzialrat wurde in ein nur beratendes Gremium umgewandelt und zusätzlich durch eine Erhöhung der Zahl seiner jetzt ernannten Mitglieder, die zumeist Funktionäre der Partei oder ihrer Hilfsorganisationen waren, ausgeschaltet11 • Die Bezirksregierungen waren Ende 1933 -nach Herausnahme der Forstverwaltung - wieder in drei Abteilungen mit der bereits dargestellten Aufgabenzuordnung geteilt12• Der Bezirksausschuß wurde aufgehoben; soweit er jedoch bis dahin als gerichtsähnliche Instanz gewirkt hatte, blieb er als Bezirksverwaltungsgericht erhalten13• Die neben den 7 M. Knaut, Verwaltungsorganisation, S. 44; zu den Etappen der Angliederung siehe M. Knaut, S. 47, Anm. 76. 8 P. Diehl-Thiele, Partei und Staat, S. 120 ff. 9 M. Knaut, Verwaltungsorganisation, S. 47. Der Titel des Landeshauptmannes blieb allerdings für den Vertreter des Oberpräsidenten in dieser Behörde erhalten. Zu den Planungen für eine Neuordnung der Selbstverwaltung oberhalb der Kreisebene siehe T. Maunz, Verwaltung, S. 158. 1o P. Diehl-Thiele, Partei und Staat, S. 122. 11 Die Zahl der Mitglieder des Rats in der Rheinprovinz wurde beispielsweise verzehnfacht. Vgl.: Handbuch über den Preußischen Staat, 1928, S. 921 und 1938, S. 613. Siehe auch Verordnung vom 16. 2. 1934 (GS 1934/58). 12 P. Diehl-Thiele, Partei und Staat, S. 122 f. Die dortige Darstellung einer Aufgabenverschiebung zwischen Oberpräsident und Regierungspräsident trifft nicht zu. 13 M. Knaut, Verwaltungsorganisation, S. 48; zur Diskussion um die Stellung der Verwaltungsgerichtsbarkeit im nationalsozialistischen Staat: T. Maunz, Verwaltung, S. 204 ff.; J. Danckwerts, Rechtsschutz, S. 30 ff.

b) Personalpolitische Maßnahmen

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höheren Verwaltungsbeamten rechtsprechenden Laienrichter wurden nicht mehr gewählt, sondern ernannt. Bestand hatten auch die dem Regierungspräsidium nur angegliederten Spruchkammern, z. B. das Oberversicherungsamt14. In den Kreisen hielt sich der Kreisausschuß als kommunales Organ bis 1939 mit allerdings verminderten Kompetenzen; im staatlichen Bereich blieben ihm - ebenso wie dem Bezirksausschuß - nur noch verwaltungsgerichtliche Funktionen15• b) Personalpolitische Maßnahmen

Die hier nur in Umrissen dargestellten Organisationsänderungen lassen nicht annähernd den Umfang der Zäsur erkennen, die die "Machtergreifung" der NSDAP für die Verwaltung und die Beamtenschaft tatsächlich bedeutete. Zwar blieben die Laufbahnvorschriften in Kraft, und die Nationalsozialisten gaben sich sogar nach außen hin, z. B. durch das "Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" vom 7. April 1933, als Verfechter dieser Institution zu erkennen16• In der Praxis zeigte sich jedoch sehr schnell, daß es weniger auf Laufbahnvorschriften und fachliche Kenntnisse als vielmehr auf Parteizugehörigkeit ankam, wobei eine frühe Mitgliedschaft in der NSDAP und/oder eine Funktion in der Partei oder ihren Untergliederungen Einstellung und/oder Fortkommen zumeist sicherten. Die von den Parteien der Weimarer Republik geübte, als "Parteibuchbeamtentum" angeprangerte Ämterpatronage wurde jetzt in großem Stil betrieben, ohne daß, wie vor 1933, eine hemmende Kontrolle durch andere Parteien, Parlament oder Presse existierte17• Um der Gefahr, die in einem hemmungslosen Zugriff der NSDAP und ihrer Hilfsorganisationen auf Stellen der staatlichen und kommunalen 14 W. Laforet, Verwaltungsrecht, S. 268; siehe auch oben Teil I, Kap. 3, Anm.5. 1 5 M. Knaut, Verwaltungsorganisation, S. 83; zur verwaltungsgerichtlichen Funktion der Kreisausschüsse: M. Knaut, S. 48 f. Zur abweichenden Entwicklung in Bayern vgl. Teil I, Kap. 6, Anm. 1. Diese Funktion eines .,Kreisrechtsausschusses" wurde bei der Wiederbelebung der Selbstverwaltung nach 1945 nicht mehr an den Kreisausschuß zurückgegeben, so daß heute beide, bei jetzt völlig unterschiedlicher Rechtsgrundlage, die gleiche Wurzel haben. 16 H. Mommsen, Beamtentum, S. 20 ff. Dazu auch H. Seel, Beamtenrecht, S. 8. Zu den Vorarbeiten zum Berufsbeamtengesetz und seiner endgültigen Fassung siehe G. Schulz, Anfänge, S. 60 ff. und S. 162 ff. 17 Dazu H . Mommsen, Beamtentum, S. 62 ff. Zur Ämterpatronage nationalsozialistischer Landesregierungen vor 1933 siehe H . Fenske, Beamtenpolitik, S. 127, Anm. 26. Auf die später auch durch allgemeine Normen festgelegten Beteiligungsrechte von Parteidienststellen bei der Personalpolitik ist hinzuweisen. Bei den höheren Beamten war der Stellvertreter des Führers zu beteiligen. Im einzelnen dazu: H. Müller/W. Eckhardt, Neues Beamtenrecht, S. 26 ff.; siehe auch M. Broszat, Staat Hitlers, S. 310 ff., und H. Mommsen, s. 78 ff.

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4. Entwicklungen in der preußischen Verwaltung von 1933 bis 1935

Verwaltung lag (deren negative Folgen sich in den Kommunen bereits unmittelbar nach der Machter,greifung gezeigt hatten18), entgegenzusteuern, wurden diese Aktionen durch gesetzgeberische Maßnahmen legalisiert, damit zugleich die weitere Entwicklung kanalisiert und für die Führung steuerbar gemacht19• Das "Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" 20 ermöglichte es, alle offenen und potentiellen Gegner des Regimes in der Verwaltung auszuschalten. Es galt für alle Reichs- und Landesbeamten21 und die in der öffentlichen Verwaltung tätigen Angestellten und Arbeiter22 • Nach diesem Gesetz konnte ein seit dem Umsturz 1918 eingestellter politischer oder Laufbahnbeamter, der die für seine Laufbahn vorgeschriebene oder übliche Vorbildung23 oder sonstige Eignung24 nicht besaß, entlassen werden. Da alle als Außenseiter eingestellten Beamten25 keinerlei beamtenrechtliche Versorgung erhielten und auch keine Nachversicherung stattfand, gerieten die diesem Personenkreis zuzurechnenden älteren Beamten in große wirtschaftliche Schwierigkeiten. Eine besondere Härte lag in der Anwendung dieser Vorschrift auf Ruhestandsbeamte28 • Beamte, die die Laufbahnvoraussetzungen erfüllten, aber auf Grund "ihrer bisherigen politischen Betätigung nicht die Gewähr dafür bieten, daß sie jederzeit rückhaltlos für den nationalen Staat eintreten", konnH. Matzerath, Nationalsozialismus, S. 66 ff. Im einzelnen H. Mommsen, Beamtentum, S. 39 ff. Eindrucksvoll dafür ist ein Runderlaß zur Unterbringung der alten Kämpfer der nationalsozialistischen Bewegung vom 11. 4. 1934 (preuß. Ministerialblatt der inneren Verwaltung 1934/661). 2o RGBI. I 1933/175. 21 Zur Stellung der Landesbeamten nach dem Gesetz vom 30. 1. 1934, das die Hoheitsrechte der Länder aufhob, siehe H. Müller/W. Eckhardt, Neues Beamtenrecht, S. 22. 22 Vgl. § 15 Berufsbeamtengesetz. 23 Es war nicht festzustellen, ob man auch bei den politischen Beamten in Preußen, für die es keine Vorbildungserfordernisse gab (vgl. oben Kap. 2), Entlassungen mit diesem "Mangel" begründete oder ihnen die "sonstige Eignung" abgesprochen wurde. Erst durch die Dritte Durchführungsverordnung zum Berufsbeamtengesetz vom 6. 5. 1933 (RGBI. I 1933/245) wurden die Anforderungen an politische Beamte normiert. Mit den dort verwandten Formulierungen (z. B. "Lauterkeit seiner Gesinnung und Handlungen") konnten jedoch wie bisher willkürliche Eingriffe stattfinden, nur daß man jetzt auf eine sie abdeckende Rechtsgrundlage verweisen konnte (siehe auch G. Schulz, Anfänge, S. 168). 24 Zur Ermessensklausel siehe H. Mommsen, Beamtentum, S. 47. 25 Dies galt später auch für die der KPD angehörenden Laufbahnbeamten (§ 2 a Berufsbeamtengesetz, RGBI. I 1933/518). 26 Unklar ist, ob für diese Regelung fiskalische Erwägungen (H. Mommsen, Beamtentum, S. 40 und S. 48) oder andere Beweggründe (G. Schulz, Anfänge, S. 164) ausschlaggebend waren. 18

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b) Personalpolitische Maßnahmen

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ten nach § 4 entlassen werden. Sie hatten jedoch Anspruch auf eine gekürzte Versorgung nach bisherigem Beamtenrecht, sofern sie eine zehnjährige Dienstzeit nachweisen konnten27. Die Formulierung des § 4 eröffnete den für die Personalpolitik zuständigen Stellen einen weiten Beurteilungsspielraum28, der sofort genutzt wurde. Die Auswirkungen auf die einzelnen Verwaltungszweige waren recht unterschiedlich29, wobei einzelne Dienststellen, unter anderem mit dem Hinweis auf ihre Arbeitsfähigkeit, gegen umfassende Eingriffe Widerstand leisteten30 • Die Oberpräsidenten und Regierungspräsidenten hatte man schon vorher fast vollständig ausgewechselt31 • Bei den Landräten war das Revirement nicht so umfassend, 1936 war noch fast ein Fünftel aller preußischen Landratspositionen mit Beamten besetzt, die vor Januar 1933 ihren Posten übernommen hatten32• In den Regierungsbezirken Trier und Koblenz blieb sogar über die Hälfte bzw. rund ein Drittel der Landräte über das Jahr 1933 hinaus im Amt33 • Die hohen Prozentzahlen der vom Berufsbeamtengesetz betroffenen politischen Beamten in Preußen34 lassen allerdings nicht erkennen, daß ein nicht unerheblicher Teil von ihnen, soweit sie Fälle im Sinne des§ 4 Berufsbeamtengesetz waren, in der Verwaltung- oftmals als Referenten bei den Bezirksregierungen35 - weiterbeschäftigt wurde. Ab 1935 27 Zu den weiteren Einzelheiten, insbesondere den Regelungen für die jüdischen Beamten und den aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung in Ruhestand versetzten bzw. aus dienstlichen Gründen umgesetzten Beamten vgl. H. Mommsen, Beamtentum, S. 48 ff. 2s G. Schulz, Anfänge, S. 172. 29 H. Mommsen, Beamtentum, S. 54 ff., insbesondere zu den Unterschieden zwischen Preußen und den anderen Ländern (S. 56). Dazu auch G. Schulz, Anfänge, S. 165 ff. 30 H. Mommsen, Beamtentum, S. 47. 31 Zahlenangaben bei G. Schulz, Anfänge, S. 173; W. Runge, Politik und Beamtentum, S. 239 ff. Einer der beiden preußischen Regierungspräsidenten, die über 1933 hinweg im Amt blieben, war der dem Zentrum angehörende Regierungspräsident Saaßen in Trier. 32 W. Runge, Politik und Beamtentum. S. 241. Von diesen Beamten, die teilweise erst nach dem 20. 7. 1932 eingesetzt worden waren, hatten sich rund 80 °/o der NSDAP angeschlossen (vgl. W. Runge, S. 241). 33 Im Regierungsbezirk Trier wurden von 1928 bis 1934 vier der neun Landräte bzw. Kreisverwalter ausgewechselt, bis 1938 fand - abgesehen vom Landkreis Trier - kein Austausch mehr statt. (Vgl. Hdb. über den Preußischen Staat 1928, S. 964; 1934, S. 847; 1938, S. 643.) Im Bezirk Koblenz behielten von den Landräten der nach der Kreiszusammenlegung 1932 bestehenden zehn Kreise drei von 1928 bis 1934 ihre Funktion; von denen, die 1934 im Amt waren, sind sechs auch noch 1938 erwähnt (vgl. Hdb. über den Preußischen Staat 1928, S. 943; 1934, S. 825; 1938, S. 615). Noch stärker fällt die personelle Kontinuität bei den leitenden Beamten des gehobenen Dienstes auf. 34 Zusammenfassende Prozentangaben bei W. Runge, Politik und Beamtentum, S. 244, und G. Schulz, Anfänge, S. 173 f. 35 Vgl. dazu die Personallisten der Regierungspräsidien Wiesbaden und Trier für 1934 (Hdb. über den Preußischen Staat 1934, S. 763 und S. 846).

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4. Entwicklungen in der preußischen Verwaltung von 1933 bis 1935

machten sich dann Tendenzen breit, die entlassenen Beamten wieder einzustellen36• Allerdings erzwangen erst der Ausbau der Bürokratie im Zusammenhang mit der Wirtschaftslenkung und insbesondere der Personalmangel ab Kriegsbeginn eine Wiederverwendung der tatsächlich ausgeschiedenen Beamten in größerem Umfang37• Die nicht anderweit in der Verwaltung eingesetzten Beamten mußten sich- insbesondere wenn sie Außenseiter oder noch ohne Versorgungsanspruch waren - eine Beschäftigung außerhalb des öffentlichen Dienstes suchen. Für die Juristen bot sich eine Tätigkeit als Rechtsanwalt oder Verwaltungsrechtsrat an. Diese 1926 geschaffene Funktion eines Rechtsbeistands bei oberen Verwaltungsgerichten eröffnete vielen höheren Verwaltungsbeamten, die von den Sparmaßnahmen 1932 oder dem Berufsbeamtengesetz betroffen waren, eine ihren Berufserfahrungen entsprechende Tätigkeit. Zwar wurden die Zulassungsvoraussetzungen für diesen freien Beruf später an die Grundsätze des Berufsbeamtengesetzes angepaßt, jedoch haben die Gerichte von ihrem Ermessen bei der Zulassung offensichtlich großzügig Gebrauch gemacht38• Für die meisten höheren Verwaltungsbeamten in nichtpolitischen Funktionen bei Oberpräsidien und Regierungspräsidien blieb das Gesetz ohne einschneidende persönliche Folgen39 • Das gilt auch für die Ministerialbürokratie, zumal in den klassischen Ressorts40• Auch beim mittleren und gehobenen Dienst war der prozentuale Anteil der vom Berufsbeamtengesetz Betroffenen sehr gering41 • Trotzdem wurde durch das Gesetz, dessen Auswirkungen durch die Ablösung fast aller Behördenleiter nicht zu übersehen waren, eine starke Verunsicherung in die gesamte Beamtenschaft hineingetragen42, die auch nach dem Zusammenbruch 1945 noch spürbar blieb. Darin liegt eine Ursache für H. Mommsen, Beamtentum, S. 58. Vgl. dazu die Lebensläufe einzelner Verwaltungsbeamter in Teil li. Die Frage, ob auch "Außenseiter" wieder Verwendung im öffentlichen Dienst fanden, muß offen bleiben. 38 Vgl. die Listen der 1934 bzw. 1938 zugelassenen Verwaltungsrechtsräte (Hdb. über den Preußischen Staat 1934 S. 51 f. und 1938, S. 10 f.). Als Verwaltungsrechtsräte tätig waren z. B. der erste rheinland-pfälzische Ministerpräsident Boden und der ab 1946 in Koblenz amtierende Regierungspräsident Sommer (siehe Hdb. über den Preußischen Staat, 1938, S. 11). 39 Siehe dazu beispielsweise die personelle Kontinuität der Bezirksregierung Koblenz zwischen 1928 und 1934 (Hdb. über den Preußischen Staat 1928, S. 941 und 1934, S. 824). Vgl. dazu aber die Zahlenangaben bei G. Schulz, Anfänge, 5.173, wonach rund 25 Ofo aller höheren Beamten der inneren Verwaltung Preußens entlassen wurden. 4o H. Mommsen, Beamtentum, S. 59. 41 Im gehobenen und mittleren Dienst in Preußen etwa 2 °/o aller Beamten (H. Mommsen, Beamtentum, S. 57). 4 2 Vgl. G. Schulz, Anfänge, S. 165. 38

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b) Personalpolitische Maßnahmen

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das in den Jahren nach 1945 unverkennbare Bemühen der Beamten, Eingriffe in ihr traditionelles Dienstrecht abzuwehren. Wie weit die Agitation der Nationalsozialisten und die Formulierungen des Berufsbeamtengesetzes Folgewirkungen hatten, zeigte sich z. B. 1946 bei den Vorberatungen zur rheinland-pfälzischen Verfassung: Die Mitglieder des Verfassungsausschusses der Gemischten Kommission erklärten übereintimmend, daß auch Beamte, die ohne die vorgeschriebene Vorbildung in das Beamtenverhältnis übernommen würden, unter den Begriff des Berufsbeamten fallen müßten43, obwohl daran bislang nie Zweifel bestanden hatten44 •

5. Die preußische Verwaltung von 1936 bis 1945

a) Die Umstellung der Verwaltungsorganisation auf die Kriegswirtschaft Der Aufbau der Verwaltung in Preußen war in den Jahren nach 1936 maßgeblich durch die beiden folgenden Gegebenheiten bestimmt: Die angekündigte Reichsreform, zu der die bislang vorgenommenen Eingriffe in den Staatsaufbau - etwa die Abschaffung der Eigenstaatlichkeit der Länder- nur den Anfang bilden sollten, kam nicht mehr voran\ und die wohl nur für eine Über.gangszeit vorgesehenen Provisorien in der Verwaltungsorganisation und die vorläufigen Kompetenzregelungen blieben in ihrer Systemlosigkeit und Willkürlichkeit erhalten. Der Schwebezustand machte- und dies lag wahrscheinlich im Interesse der Staatsführung- Eingriffe von Parteidienststellen leichter2 • Der zweite, die Verwaltungsorganisation prägende Faktor war die bereits angesprochene Aufblähung des Staatsapparates im Zuge der kriegsvorbereitenden Maßnahmen des Vierjahresplanes ab 1936. Neben die Berliner Ministerien, die durch Zusammenlegung der obersten Dienstbehörden des Reiches und Preußens entstanden waren3 , trat eine 43 Protokoll der Sitzung des Verfassungsausschusses der Gemischten Kommission vom 17. 10. 1946, abgedruckt in: F.-J. Heyen, Vorentwurf, S. 118. 44 Das Gegenstück zum Berufsbeamten ist der Ehrenbeamte, der ohne Bezüge und Versorgungsanwartschaft tätig ist. Diese Abgrenzung der Begriffe galt auch im NS-Staat (siehe H. Müller/W. Eckhardt, Neues Beamtenrecht, S. 23 f., und T. Maunz., Verwaltung, S. 83 f.). 1 Zu den Gründen M. Broszat, Staat Hitlers, S. 151 ff., und G. Schulz" Anfänge, S. 291 ff. 2 Einzelbeispiele bei P. Diehl-Thiele, Partei und Staat, S. 114 ff. 3 Aufstellung bei T. Maunz, Verwaltung, S. 104 ff. Ausgenommen blieben die beiden Finanzministerien, die erst 1944 zusammengelegt wurden.

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5. Die preußische Verwaltung von 1936 bis 1945

große Zahl von obersten Sonderbehörden in Form von Generalbevollmächtigten oder Reichskommissaren4 • Deren nachgeol"dnete Dienststellen der Mittelinstanz wurden mit Ausnahme der dem Regierungspräsidium zugeordneten Preisüberwachung generell dem Oberpräsidenten unterstellt, ohne jedoch Teil seiner Behörde zu werden. Dies gilt z. B. für die neugeschaffenen Wirtschafts- und Ernährungsämter, die umfassende Kompetenzen in der Planung und Lenkung der Wirtschaft bzw. bei der Sicherstellung der Lebensmittelversorgung besaßen und in der Autarkie- und Kriegswirtschaft eine Schlüsselposition einnahmen. Die personenbezogene Anhindung dieser Behöl"den fand darin ihren Ausdruck, daß die Ämter oftmals nicht am Sitz des Oberpräsidiums eingerichtet wurden, sondern andere Funktionen des Oberpräsidenten die Ortswahl bestimmten5 • Die rechtlich größte Machtfülle erreichten einzelne Oberpräsidenten, als sie Anfang des Zweiten Weltkriegs zu Reichsvertetdigungskommissaren mit nahezu unbeschränkten Befugnissen in allen Bereichen der Verwaltung ernannt wurden6 • Die Regierungspräsidenten, die den Oberpräsidenten nicht unterstellt, sondern eigenständige Reichsmittelbehörden waren, verloren zunehmend an Einfluß1, bis 1942 die Bestellung der Gauleiter zu Reichsverteidigungskommissaren eine gegenläufige Entwicklung einleitete. Die Verordnung vom 16. November 19428, die diese Funktion den Gauleitern übertrug, bestimmte zugleich, daß sie für ihre neue Aufgabe keine eigene Dienststelle einrichten durften. Als Behörde des Reichsverteidigungskommissars sollte vielmehr ein im Gau gelegenes Regierungspräsidium ' Beispiele bei M. Knaut, Verwaltungsorganisation, S. 45, Anm. 75. Die Tendenz, bei neu auf die Administration zukommenden Aufgaben eine eigene oberste Behörde einzurichten, gab es allerdings schon in der Weimarer Republik (Aufzählung bei H. J. Wolff/0. Bachof, Verwaltungsrecht li, S. 149). 5 So war z. B. das Provinzialernährungsamt der Rheinprovinz lange Zeit in Essen ansässig; Essen war Sitz der Gauleitung des 1935 zum Oberpräsidenten der Rheinprovinz berufenen Gauleiters Terboven (siehe unten Anm.12). 8 Verordnung über die Bestellung von Reichsverteidigungskommissaren vom 1. 9. 1939 (RGBI. 1939/1570). Im Gegensatz zum Ersten Weltkrieg, als man jedem Oberpräsidenten für seine Provinz Wirtschaftslenkung und Ernährungssicherung übertragen hatte (vgl. Teil I, Kap. 1, Anm. 10), waren 1939 nicht alle Oberpräsidenten zu Reichsverteidigungskommissaren berufen worden (P. Hüttenberger, Gauleiter, S. 153 ff. - insoweit fehlerhaft M. Knaut, Verwaltungsorganisation, S. 48). 1 P. Diehl-Thiele, Partei und Staat, S. 123 ff. 8 Verordnung über die Reichsverteidigungskommissare und die Vereinheitlichung der Wirtschaftsverwaltung vom 16. 11. 1942 (RGBI. I 1942/649). Zur Verordnung siehe auch P . Diehl-Thiele, Partei und Staat, S. 131, Anm. 58, und P. Hüttenberger, Gauleiter, S. 156 f. und 188 ff. mit der Aufzählung der RVKAufgaben. Im Gau Moselland wurde das Regierungspräsidium Koblenz Behörde des RVK (Anhang zur VO vom 16. 11. 1942, RGBI. 1942/655).

a) Verwaltungsorganisation und Kriegswirtschaft

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fungieren, dessen Leiter zugleich zum stellvertretenden Reichsverteidigungskommissar berufen wu!'de. Die verschiedenen Ämter der Wirtschaftslenkung richtete man, sofern sie dort nicht schon bestanden, bei diesen Regierungspräsidien neu ein9 • Die Ämter wuchsen in den beiden letzten Kriegsjahren zu großen Behörden an. So beschäftigte z. B. das Landeswirtschaftsamt beim Regierungspräsidium Koblenz 1944 über 200 Mitarbeiter und damit mehr als das eigentliche Präsidium10. Auf der unteren Ebene staatlicher Verwaltung wurden die wirtschaftslenkenden Behörden dem Landratsamt zugeol'dnet. Die gesetzlich vorgegebene Aufgabenzuordnung gibt die tatsächlichen Machtverhältnisse innerhalb der Verwaltung jedoch nur ansatzweise wieder; denn sie waren entscheidend von der Stellung des Behöl'denleiters in der Parteihierarchie abhängig. Soweit sich Gaugebiet und Provinz deckten und der Gauleiter zugleich die Stellung des Oberpräsidenten innehatte, stärkte diese Ämterhäufung auch das Gewicht seiner Behörde im Verwaltungsgefüge11 • Da die Rheinprovinz jedoch vier Gaugebiete umfaßte, konnte ihr Oberpräsident - erst 1935 war einer der Gauleiter in diese Funktion aufgerückt12 - nicht so unumschränkt wie die Verwaltungschefs anderer Provinzen herrschen. Daher ist zu vermuten, daß sich die Regierungspräsidenten in der Rheinprovinz innerhalb der Administration größere Freiräume als sonst üblich bewahren konnten, auch wenn sie kein höheres Parteiamt bekleideten. Auch auf der Kreisebene hing die Stellung des Landrates und damit die Durchsetzungskraft seiner Behörde entscheidend von seinem Verhältnis zum Kreisleiter ab13• 9 Vgl. § 10 der Verordnung vom 16. 11. 1942. Die Frage, ob die wirtschaftslenkenden Behörden bei den Oberpräsidenten aufgelöst wurden, war nicht zu klären. 10 Mdl. Auskunft von Dr. Mischke vom 21. 1. 1977. Die Darstellung bei P. Diehl-Thiele, Partei und Staat, S. 123 ff. über die Tendenzen zur Ausschaltung der Regierungspräsidenten in den Kriegsjahren bedarf für große Teile des Altreichs einer Ergänzung. 11 Diese Verstärkung wurde sogar in der einschlägigen verwaltungswissenschaftlichen Literatur als Faktum anerkannt, vgl. T. Maunz, Verwaltungsrecht, S. 99. 12 P. Hüttenberger, Gauleiter, S. 78. Zu den Auseinandersetzungen zwischen den Gauleitern der Rheinprovinz und dem Taktieren der Führung siehe P. Diehl-Thiele, Partei und Staat, S. 116 f. 13 Zu den Konflikten zwischen Landrat und Kreisleiter nach 1937 vgl. P. Diehl-Thiele, Partei und Staat, S.173 ff. Die vor 1937 örtlich bestehende Personalunion zwischen Landrat und Kreisleiter in den Regierungsbezirken Trier und Koblenz, dem Gau Moselland, betraf fast 50 Ofo der Kreise bzw. kreisfreien Städte (P. Diehl-Thiele, S. 175).

5. Die preußische Verwaltung von 1936 bis 1945

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b) Personalpolitik

Das traditionelle Beamtenrecht wurde von der nationalsozialistischen Staatsführung nicht geändert; das 1937 erlassene Deutsche Beamtengesetz brachte- sieht man von den NS-typischen Formulierungen abim wesentlichen nur eine reichseinheitliche Regelung der bisherigen Grundsätze14 • Das JuristenmonopoP5 für den allgemeinen höheren Verwaltungsdienst (mit Ausnahme seiner leitenden Positionen16) blieb bestehen17. Die Vergrößerung des Verwaltungsapparates und vor allem der Personalmangel nach Kriegsbeginn machten eine vermehrte Einstellung von Angestellten notwendig. Im Zusammenhang mit der Erörterung der Auswirkungen des Berufsbeamtengesetzes wurde bereits darauf hingewiesen, daß in den Kriegsjahren vielfach auch auf 1933 und 1934 in den Ruhestand versetzte Beamte zurückgegriffen wurde. Die Zahl der wiederverwendeten Beamten war von Dienststelle zu Dienststelle unterschiedlich. Die in den Kriegsjahren zunehmend nach unten delegierte Personalbewirtschaftung gab hier offensichtlich den Behördenleitern einen größeren Ermessensspielraum. So wurde z. B. im Regierungspräsidium Koblenz kein einziger vom Berufsbeamtengesetz betroffener Beamter wieder beschäftigt18.

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Dazu H. Mommsen, Beamtentum, S. 91 ff,; vgl. auch das Referat von

A. Brecht in: Neues Beamtentum, S. 5.

15 Hitler lehnte das Juristenmonopol ab (E. Breuckmann, Vorbereitung, S. 68), doch erst 1942 wurden auch Diplomvolkswirte für das Regierungsreferendariat zugelassen. In der Praxis gewann diese Regelung keine große Bedeutung (E. Breuckmann, S. 71). 16 Zu den Vorbildungserfordernissen für politische Beamte siehe Teil I, Kap. 4, Anm. 23; dazu auch M. Broszat, Staat Hitlers, S. 304, wobei nicht eindeutig ist, ob mit dem dort verwandten Begriff des "Verwaltungsfachbeamten" der Verwaltungsjurist gemeint ist. 17 1937 wurde für den höheren Verwaltungsdienst wieder eine teilweise eigene Referendarausbildung und gesonderte II. Staatsprüfung eingeführt (E. Breuckmann, Vorbereitung, S. 68 ff.). Man entsprach damit Vorstellungen, wie sie innerhalb der Verwaltung schon länger bestanden hatten. 18 Mdl. Auskunft von Dr. Mischke vom 21. 1. 1977 (Mischke war von 1936 bis 1945 Regierungspräsident in Koblenz). Es liegt nahe, daß ein Zusammenhang zwischen der Zahl der vom Berufsbeamtengesetz betroffenen und später wiederverwendeten Beamten und der Zahl der zur Wehrmacht einberufenen bzw. in die besetzten Gebiete abgeordneten Beamten bestand. Bemerkenswert sind die Unterschiede zwischen den einzelnen Regierungspräsidien der Rheinprovinz, was den Anteil an einberufenen bzw. abgeordneten Beamten betrifft. Während dieser Anteil z. B. in Koblenz gering war, hatte man in Trier eine größere Zahl höherer Beamter abberufen (vgl. Taschenbuch 1943, S. 232 ff.). Möglicherweise hingen diese Unterschiede mit den Beziehungen der jeweiligen Behördenleiter zu Wehrmachtsdienststellen zusammen.

c) Das Ende der Verwaltung in der Rheinprovinz 1945

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c) Das Ende der Verwaltung in den südlichen Teilen der Rheinprovinz 1945 Nachdem schon ab 1942 die alliierten Luftangriffe die Arbeit der Verwaltung nicht unwesentlich behindert hatten, erzwangen die massiven Bombardierungen Ende 1944 die Verlegung der Kohlenzer und Trierer Mittelbehörden in kleinere, in der Nähe liegende Orte. Das Regierungspräsidium Koblenz richtete sich in Bad Salzig, das Trierer Präsidium in Bernkaste1 neu ein19. Der Oberpräsident bezog mit seiner Behörde Anfang 1945 in Bad Honnef, also schon in rechtsrheinischem Gebiet, Quartier20. Als Folge des Luftkrieges mußten sich auch viele Kreisverwaltungen neue Unterkünfte suchen21 . Bei den Verlegungen nahm man, um der Bevölkerung zu demonstrieren, daß die Verwaltung weiterar·beiten wü11de, sämtliche noch vorhandenen Akten und Einrichtungsgegenständ.e mit22. Aus dem gleichen Grund mußte das gesamte Verwaltungspersonal den Ortswechsel mitmachen, nur Schwerkriegsbeschädigte oder ältere Mitarbeiter wurden beurlaubt23. Am Ort blieb nur der sogenannte Führungsstab2\ der sich z. B. bei der Bezirksregierung Koblenz aus dem Regierungspräsi-denten, etwa 8 bis 10 höheren Beamten und der gleichen Anzahl von Hilfskräften zusammensetzte25. Dieser Führungsstab, der auch bei anderen Mittelbehörden im Grenzgebiet gebildet wurde28 , sollte die zivilen Verteidigungsvorbereitungen im Bezirk koordinieren. Die ausgela.g.erten Behörden konnten allerdings keine nennenswerte Verwaltungstätigkeit mehr entfalten, und die schnell näherrückende Front stellte die Behördenleiter vor die Frage, was mit ihren Dienststellen zu geschehen habe. Der Trierer Regierungspräsident Siekmeier, der zugleich stellvertretender Gauleiter war, löste am 9. März 1945 seine Behörde einschließlich Führungsstab kurzerhand auf und stellte den Beamten frei, in Bernkastel die weitere Entwicklung abzuwarten oder sich in rechtsrheinisches 19 Für Koblenz siehe: F. Emmrich/H. Köppe, Bezirksregierung Koblenz, S. 76; für Trier; Nachlaß Lange, LHA Koblenz, Best. 700, 86-20. 12. 1944. 20 P. Hüttenberger, Nordrhein-Westfalen, S. 160. 21 Vgl. die Einzeldarstellungen aus den Kreisen bei F. Emmrich/H. Köppe, Bezirksregierung Koblenz, S. 17 ff. 22 F. Emmrich/H. Köppe, Bezirksregierung Koblenz, S. 76. 23 Mdl. Auskunft von Dr. Mischke vom 21. 1. 1977. 2' Vgl. für Trier: Nachlaß Lange, LHA Koblenz, Best. 700, 86 - 20. 12. 1944.

Mdl. Auskunft von Dr. Mischke vom 21. 1. 1977. Dazu G. Wolff, Die Pfalz, S. 49. Auffallend ist, daß die beim Reichsstatthalter in der Westmark und in Koblenz gebildeten Führungsstäbe ähnliche Größe und Zusammensetzung hatten (vgl. G. Wolff, S. 49). Möglicherweise bestanden hierzu reichseinheitliche Vorschriften25

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6. Die Administration der Pfalz von 1933 bis 1945

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Gebiet abzusetzen27 • Von dieser Möglichkeit machten allerdings nur wenige der Bediensteten Gebrauch. Das Kohlenzer Präsidium bestand dagegen noch längere Zeit fort: Regierungspräsident Mischke beurlaubte Anfang März einen Großteil der in Bad Salzig noch tätigen Mitarbeiter und zog sich dann mit seinem Führungsstab in den nördlichen Teil seines Bezirkes zurück, wo man sich für kurze Zeit in zwei kleinen Orten des Kreises Altenkirchen einrichtete28. Beim Herannahen der Amerikaner flohen Behördenchef und Stab nach Mitteldeutschland. In Stendal löste Mischke dann Mitte April 1945 sein Präsidium offiziell auf29 • Das nach Bad Honnef verlagerte Oberpräsidium hatte dort schon Ende März seine Arbeit eingestellt:w. Die vergleichsweise frühe Aufgabe des Oberpräsidiums läßt erkennen, daß seine Bedeutung vor allem im Vergleich zum Regierungspräsidium Koblenz als der Behörde des Reichsverteidigungskommissars31 nicht mehr allzu groß war. Auf der unteren Ebene der staatlichen Verwaltung wurde, soweit bekannt ist, keine Verlegung der Behö11den über die Kreisgrenze hinweg vorgenommen. Die leitenden Verwaltungsbeamten, die sich belastet glaubten, flohen kurz vor dem Eintreffen der Amerikaner in rechtsrheinisches Gebiet.

6. Die Administration der Pfalz von 1933 bis 1945 a) Verwaltungsgliederung und Personalpolitik

Die nationalsozialistische "Machtergreifung" 1933 hatte auf die Organisationsform der bayerischen Verwaltung in der Pfalz zunächst kaum Auswirkungen, da das bayerische System mit seiner Herausstellung leitender Verwaltungsbeamter, die z. B. im staatlichen Bereich in der Regel ohne Mitwirkung kollegialer Organe handeln konnten, ohne Mühe als vorweggenommene Verwirklichung des von den Nationalsozialisten propagierten Führerprinzips angesehen werden konnte1 • Nachlaß Lange, LHA Koblenz, Best. 700,86- 9. 3. 1945. F. Emmrich/H. Köppe, Bezirksregierung Koblenz, S. 76; mdl. Auskunft von Dr. Mischke vom 21. 1. 1977. 29 Mdl. Auskunft von Dr. Mischke vom 21. 1. 1977. 3o P. Hüttenberger, Nordrhein-Westfalen, S. 160. 31 Zu den Aufgaben der RVK und deren Dienststellen gegen Kriegsende siehe P. Hüttenberger, Gauleiter, S. 188 ff. 1 In Selbstverwaltungsangelegenheiten wurde den Kreis- und Bezirkstagen die Funktion der abgeschafften Kreis- und Bezirksausschüsse übertragen (W. Laforet, Verwaltungsrecht, S. 129, Anm. 6 mit Rechtsquellennachweis). In der Selbstverwaltung ist daher im Gegensatz zur Staatsverwaltung ein teilweises Fortbestehen kollegial verfaßter Organe festzustellen. Die faktische Bedeutung dieser bis 1939 bestehenden Kollegialorgane war jedoch gering. 27

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a) Verwaltungsgliederung und Personalpolitik

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Die Herausnahme der Forstbehörden aus der allgemeinen Verwaltung 1935 führte dazu, daß die bayerische Kreisregierung in Speyer nur noch arus der Kammer des Innern bestand; diese Bezeichnung fiel jedoch alsbald fort 2 • Entscheidungen der Mittelbehörde ergingen von da an unter der Bezeichnung "Der Regierungspräsident" 3• Die stufenweise Lösung der Polizei aus der allgemeinen Verwaltung öffnete schließlich Anfang 1937 den Weg zur Errichtung einer von der bayerischen Polizeiorganisation unabhängigen Behörde der Gestapo in Neustadt4 • Das Präsidium in Speyer bestand Ende 1937 aus einer Vielzahl von Referaten, die ohne systematische Zusammenfassung von einer "Obersten Geschäftsleitung" beaufsichtigt wurden5 • Auch die 1938 vorgenommene weitere Vereinheitlichung der Verwaltung brachte keine strukturellen Änderungen: Die Verordnung vom 28. November 19388 beschränkte sich darauf, die Bezeichnungen der Verwaltungseinheiteil und die daraus abgeleiteten Titel der Beamten im gesamten Reichsgebiet an die preußischen Benennungen anzupassen, ohne dabei jedoch die preußische Behördengliederung zu übernehmen7 • So blieb es z. B. bei dem .geschilderten Aufbau der Regierung in Speyer, der schon verwaltungsintern hohe Reibungsverluste verursachte. Die Abschaffung der traditionsreichen bayerischen Bezeichnungen und Titel wurde allgemein nicht als schwerwiegender Eingriff empfunden. Innerhalb der Administration und in der Öffentlichkeit gewöhnte man sich schnell an die Neuerung8• Die insgesamt besehen wenigen, z. T. unbedeutenden Änderungen der Gliederung der staatlichen Verwaltung bis Kriegsbeginn lassen jedoch 2 H. Prantl, Kirchliche Lage, S. XXIX mit Nachweis der Rechtsgrundlage. Vgl. auch W. Schineller, Regierungspräsidenten, S. 21. 3 W. Schineller, S. 21. ' Einzelheiten bei H. Prantl, Kirchliche Lage, S. XXXIV ff.; vgl. dazu Teil I, Kap. 4, Anm. 7. 5 Nach dem Amts Handbuch für den Gau Saarpfalz 1937/38 waren es über 20 Referate mit jeweils einem Beamten des höheren Dienstes. Nur im Schulwesen und in der Tiefbauverwaltung waren mehrere Referenten nebeneinander tätig (Amts Handbuch, S. 4). 6 Dritte Verordnung über den Neuaufbau des Reiches vom 28. 11. 1938 (RGBI. I 1938/1675). 7 Dabei wurde der Kreis Pfalz zum Bezirk, und aus den pfälzischen Bezirken machte man Kreise. Der Bezirkshauptmann wurde in Landrat umbenannt. Neu war der Titel eines Regierungsvizepräsidenten für den Stellvertreter des Behördenchefs. 8 Das mag auch der Grund sein, warum nach 1945, soweit bis jetzt bekannt, in der Pfalz kein ernsthafter Versuch zur Wiederbelebung der vor 1938 gebräuchlichen bayerischen Verwaltungsbezeichnungen unternommen wurde (vgl. M. Knaut, Verwaltungsorganisation, S. 83, Anm. 27, und R. Schreiber, Landrat, S. 19).

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6. Die Administration der Pfalz von 1933 bis 1945

den Umfang der Auseinandersetzungen um den Neubau der Verwaltung im Südwesten, wie sie zwischen der nationalsozialistischen Regierung Bayerns, der Gauleitung in der Pfalz9 unter ihrem Gauleiter Bürckel und dem Reichsinnenministerium stattfanden, nicht annähernd erkennen. Bürckel war bestrebt, die Pfalz von Bayern zu lösen und mit anderen Gebieten zu einem bei der lang geplanten Reichsreform zu bildenden Reichsgau zusammenzuschließen10• Die gleiche Interessenlage in bezug auf die Reichsreform verschaffte der Gauleitung partielle Unterstützung durch das Reichsinnenministerium11 • Nach verschiedenen Versuchen der pfälzischen Gauleitung in Neustadt/W. bzw. der bayerischen Regierung12, die Frage in ihrem Sinne zu entsche1den, kam es erst 1940 zu einer Lösung, die zwar nur Bürckels Minimalfor.derungen berücksichtigte, jedoch für die Struktur der Verwaltung der Pfalz einschneidende Folgen hatte. Das Regierungspräsidium der Pfalz in Speyer wurde für die Dauer des Krieges mit der obersten Behörde im Saargebiet, dem Reichskommissar für das Saarland13, zu einem Amt mit Sitz in Kaiserslautern zusammengefaßt14. An seine Spitze trat Bürckel, der vorher sowohl Reichskommissar in Saavbrücken gewesen war1S, als auch von 1934 bis 1939 einen Teil der Befugnisse des Regierungspräsidenten in Speyer wahrgenommen hatte18• Der größte Teil der neuen obersten Behörde für die Saarpfalz 17 wurde nach der Niederlage Frankreichs und der Ernennung Bürckels zum Chef der Zivilverwaltung in Lothringen18 in dem zentraler 9 Die in Neustadt/W. residierende Gauleitung war zunächst für die Pfalz, ab 1933 zusätzlich für das Saargebiet und ab 1940 auch für Lothringen zuständig (P. Hüttenberger, Gauleiter, S. 139; H. Prantl, Kirchliche Lage, S. XLIII). Die räumliche Nähe zu Speyer erleichterte die Einflußnahme auf die dortige Kreisregierung (siehe auch H. Prantl, S. XXXI). Zum Aufbau der Gauverwaltung vgl. P. Diehl-Thiele, Partei und Staat, S. 124. to H. Prantl, Kirchliche Lage, S. XLII; M . Broszat, Staat Hitlers, S. 148. 11 H. Prantl, Kirchliche Lage, S. XLII. Das besondere Interesse, das Reichsminister Frick den Vorgängen in der Pfalz entgegenbrachte, mag auch daher rühren, daß Frick während des Ersten Weltkriegs lange Zeit als höherer Beamter beim Bezirksamt in Firmasens tätig gewesen war. 1 2 H. Prantl, Kirchliche Lage, S. XXXII und S. XLII. 1a P. Hüttenberger, Gauleiter, S. 141 mit Hinweisen auf die durch die Reichsunmittelbarkeit gegebenen Verwaltungsprobleme; zum Aufbau des Reichskommissariats vgl. F. Jacoby, Nationalsozialistische Herrschaftsübernahme, S. 162 f. 14 Verordnung des Ministerrates für die Reichsverteidigung vom 8. 4. 1940 (RGBI. I 1940/632). ts P. Hüttenberger, Gauleiter, S. 141. 16 H. Prantl, Kirchliche Lage, S. XXXI f.; P. Diehl-Thiele, Partei und Staat,

s. 105 f.

17 Zur Gliederung der Behörde des Reichskommissars für die Saarpfalz vgl. R. Schütz, Rheinland, S. 587 ff. ts Dazu ausführlich: P. Hüttenberger, Gauleiter, S. 147 ff.

a) Verwaltungsgliederung und Personalpolitik

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gelegenen Saarbrücken untergebracht19• In Speyer bzw. Kaiserslautern blieben nur einzelne Behördenzweige zurück20 • Mit Führererlaß vom 25. März 194F1 wurde Bürckel zum Reichsstatthalter in der Westmark ernannt. Er verfügte wen~g später den Zusammenschluß der Dienststellen des Reichsstatthalters in der Westmark und des Chefs der Zivilverwaltung in Lothringen zu einer Behörde in Saarbrücken22. Von der Zusammenlegung blieben die in Speyer und Kaiserslautern bestehenden Behördenzweige unberührt. Die Behörde des Reichsstatthalters war in sieben Abteilungen gegliedert23, neben die noch zentrale Referate, Gaubeauftragte bzw. Gaukommissare für spezielle Aufgaben sowie besondere Ämter, z. B. das Landesemährungsamt oder das für die Wirtschaftslenkung zuständige Landeswirtschaftsamt, traten24 • Die Ernennung der Gauleiter zu Reichsverteidigungskommissaren 1942 blieb in der Westmark im Gegensatz zu Preußen ohne Auswirkungen auf die Verwaltungsorganisation, da hier keinerlei Zuständigkeitsverlagerungen stattfinden mußten. Die "Machtergreifung" und das Berufsbeamtengesetz hatten in der bayerischen Verwaltung der Pfalz kein umfassendes Personalrevirement wie in Preußen zur Folge25. Erst 1934, nachdem der Gauleiter eine Führungsposition in der Kreisregierung übernommen hatte, wurde ein Teil der alten Beamtenschaft abgelöst26 • Dabei scheiterte allerdings der Versuch der Gauleitung, einen Beamten, der nicht die Laufbahnvoraussetzungen erfüllte, als Regierungspräsidenten einsetzen zu lassen. Bei der Übernahme des Saargebietes 1935 wurden z. T. Mitarbeiter der Gauleitung in Neustadt als Beamte in die Dienststelle des Reichskommissars H. Prantl, Kirchliche Lage, S. XXXIII. In Speyer das Oberversicherungsamt, in Kaiserslautern die einen Teil des Ernährungsamtes bildende Landesbauernschaft Saarpfalz (eine Behörde des Reichsnährstandes, vgl. T. Maunz, Verwaltung, S. 173 ff.). Vgl. auch H. Prantl, Kirchliche Lage, S. XXXIV, und K.-H. Rothenberger, Hungerjahre, 19

20

s. 60.

RGBl. I 1941/163. Bekanntmachung vom 2. 5. 1941 (VOABI. RStatth. Westmark 1941/47). Ein Teil der Behörden des CdZ befand sich vorher in Metz. 23 Im einzelnen waren es die Verwaltungsabteilung (I), Finanzabteilung (li) und die Abteilungen f. Volkspflege (111), Wirtschaft, Arbeit und Landwirtschaft (IV), Erziehung und Unterricht (V), Bauwesen und Wiederaufbau (einschließlich Wiederaufbauamt - VI) und den Aufbau der Selbstverwaltung (VII). 24 Einzelheiten im Taschenbuch 1943, S. 137 ff. Offenbar hatte Bürckel jetzt seine Vorstellungen über eine "volksverbundene Verwaltung" verwirklichen können (dazu F. Jacoby, Nationalsozialistische Herrschaftsübernahme, S. 163). 25 Vgl. die Lebensläufe der höheren Beamten der Kreisregierung bei H. Prantl, Kirchliche Lage, S. XXXVII ff. 28 H. Prantl, Kirchliche Lage, S. XXXI; zur Beamtenpolitik Bürckels auch F. Jacoby, Nationalsozialistische Herrschaftsübernahme, S. 163 ff. 21

22

4 Speyer 88

6. Die Administration der Pfalz von 1933 bis 1945

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übernommen, jedoch duldete Bürckel auch ausgesprochene Fachbeamte in seinem Umkreis 27, von denen einzelne aus den Zentralbehörden in Berlin kamen28 • b) Das Ende der Westmarkverwaltung

Der größte Teil der Behörde des Reichsstatthalters wurde nach dem Durchbruch der Alliierten im Westen Ende November/Anfang Dezember 1944 nach Speyer verlegt. Die wichtigsten Regierungsakten brachte man auf der Festung Marienberg in Würzburg unter29. Im Saargebiet blieb nur der sogenannte Führungsstab, der sich aus einigen Abteilungsleitern und dem notwendigsten Hilfspersonal, insgesamt etwa 25 Personen, zusammensetzte30 und unter der Leitung des Regierungspräsidenten Barth31 stand. Ende Dezember 1944 begab sich der gesamte Führungsstab nach Landstuhl, wo er bis kurz vor dem Eintreffen der Amerikaner am 19. März 1945 tätig war. Von Landstuhl aus flohen die Beamten dann nach Speyer. Am 23. März 1945 verließen die leitenden Mitarbeiter der obersten Behörde der Westmark ihren Verwaltungsbereich und setzten sich bei Germersheim in rechtsrheinisches Gebiet ab. Regierungspräsident Barth hatte zuvor den Beamten freigestellt, mitzugehen oder in der Pfalz zu bleiben32. Offensichtlich haben es nur wenige Beamte gewagt, den Einmarsch der Alliierten in der Westmark abzuwarten33. In Würzburg und in Wimpfen am Neckar erfolgten dann Ende März die letzten Abwicklungsgeschäfte für die Behörde des Reichsstatthalters34. H. Prantl, Kirchliche Lage, S. XXXIV. Auch nach der Zusammenlegung des Regierungspräsidiums der Pfalz mit dem Reichskommissariat (s. o.) blieben die Stellen der Beamten der Behörde des Reichsstatthalters und CdZ je nach Herkunft im Haushalt Bayerns bzw. des Reiches (Kap. XX) ausgewiesen (vgl. P. Hüttenberger, Gauleiter, 8.149 f.). 29 G. Wolff, Die Pfalz, S. 49. Wann und in welchem Umfang die Akten (wahrscheinlich die Generalakten) zurückgegeben wurden, war nicht festzustellen. Jedenfalls mußten sowohl die "Regierung Heimerich" wie auch das Oberregierungspräsidium unter Hoffmann auf umfassendes Aktenmaterial über ihr Verwaltungsgebiet verzichten. 30 G. Wolff, S. 49. 31 Der Regierungspräsident war allgemeiner Vertreter des Reichskommissars bzw. Reichsstatthalters (H. Prantl, Kirchliche Lage, S. XXXIII). Zur Person Barths siehe H. Prantl, S. XXXIII, Anm. 40; G. Wolff, Die Pfalz, S. 49, und W. Schineller, Regierungspräsidenten, S. 75. 32 G. Wolff, S. 49. 33 Vgl. Bericht Heimerieb für General Gaffey o. D. - etwa 15. 6. 1945, in: Nachlaß Heimerich, LA Speyer, V 10 3. at G. Wolff, S. 49. 27

28

7. Die hessische Verwaltung in der NS-Zeit

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7. Die hessische Verwaltung in der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft In Hessen war der 1933 zum Reichsstatthalter in Hessen-Darmstadt berufene Gauleiter Sprenger1 bestrebt, alle Macht in seiner Hand zu konzentrieren2 • Jedoch gelang es ihm erst 1935, mit der Führung der hessischen Landesregierung beauftragt zu werden3• Um die Verwaltung noch einheitlicher auf die Landesregierung auszurichten, sorgte er 1936 zunächst dafür, daß die Selbstverwaltung durch Abschaffung der Kreisund Provinzialtage ausgehöhlt wurde. 1937 schließlich löste Sprenger die Provinzen als staatliche Verwaltungsbezirke und Selbstverwaltungskörperschaften auf4 • Alle wichtigen Verwaltungsaufgaben, insbesondere die der Wirtschaftslenkung, konzentrierten sich bei der Landesregierung. Die Behörde des Kreisdirektors - ab 1938 des Landrats5 - fungierte nur noch als ihr Exekutivorgan. Die Ausrichtung auf die Zentralinstanz in Darmstadt wurde durch die Schaffung von Stadtkreisen und Auflösung einiger Landkreise kurz vor Kriegsbeginn6 , die destabilisierend auf die untere Verwaltung wirkten, weiter gefördert. Die hessische Landesregierung war im Krieg, ähnlich wie die Behörde des Reichsstatthalters in der Westmark, in Abteilungen organisierf. Ihre zentrale Bedeutung schwand, als im Zusammenhang mit der Ernennung der Gauleiter zu Reichsverteidigungskommissaren das Regierungspräsidium Wiesbaden8 die für den gesamten Gau zuständige Behörde des Reichsverteidigungskommissars wurde9 • 1 Der Gau Hessen-Nassau (später Rhein-Main) umfaßte neben dem Land Hessen noch Teile des preuß. Regierungsbezirks Wiesbaden (vgl. P. HüttenbergeT, Gauleiter, S. 222). 2 Dazu ausführlich P. Diehl-Thiele, Partei und Staat, S. 50 ff.; vgl. auch M. Broszat, Staat Hitlers, S. 157; P. Hüttenberger, Gauleiter, S. 79 und S. 81. 3 Einzelheiten bei P. Diehl-Thiele, Partei und Staat, S. 50 ff. 4 K. D. Hoffmann, Bezirksregierung Rheinhessen, S. 14. Analog der Entwicklung in Preußen und Bayern blieben die Provinzialausschüsse als Verwaltungsgerichte erhalten. 5 Siehe Teil I, Kap. 6, Anm. 6. Zur Übernahme der neuen Bezeichnungen gilt ähnliches wie in der bayer. Pfalz (Kap. 6, Anm. 8). e K. D. Hoffmann, Bezirksregierung Rheinhessen, S. 15. 7 Vgl. Taschenbuch 1943, S. 126 f ., und Teil I, Kap. 6, Anm. 23. 8 Das Reg.-Präsidium Wiesbaden wurde ab Mitte Mai 1944, nach Teilung der Provinz Hessen-Nassau, zugleich Oberpräsidium der Provinz Nassau (vgl. Führererlaß über die Bildung der Provinzen Kurhessen und Nassau vom 1. 4. 1944 - RGBl. I 1944/109). Vgl. auch P .Diehl-Thiele, Partei und Staat, S. 132, und K. Müller, Preußischer Adler, S. 320 f. 9 Siehe Anlage zur VO vom 16. 11. 1942 (RGBl. I 1942/655). Dazu auch Teil I, Kap. 5, Anm. 8.

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7. Die hessische Verwaltung in der NS-Zeit

Von den Möglichkeiten, die das Berufsbeamtengesetz in der Personalpolitik gab, hat man in Hessen offenbar in nicht unerheblichem Umfang Gebrauch gemacht, wobei die Eingriffe bei den Unterbehörden nicht so umfassend wie bei der Landesregierung ausfielen10 •

10 Einzelheiten zur Personalpolitik in Hessen(-Darmstadt) ab 1933 sind noch nicht bekannt. Vgl. die allgemeinen Hinweise bei K. D. Hoffmann, Bezirksregierung Rheinhessen, S. 14, und P. Hüttenber ger, Gauleiter, ::l. 81.

Teil II 1. Pläne und Vorbereitungen der Vereinigten Staaten für die Besetzung und Verwaltung Deutschlands In den USA fand während des Krieges, insbesondere als der baldige Sieg der Alliierten abzusehen war, eine lebhafte Diskussion über die nach dem Krieg gegenüber Deutschland einzuschlagende Politik1 und ihre Umsetzung in der Besatzungsphase statt2 • Hinsichtlich der zukünftigen Gliederung Deutschland gingen die ersten Pläne noch von einer Aufteilung in mehrere Staaten aus3• Die später maßgebliche Direktive JCS 10674 vom 26. April 1945 forderte immerhin noch eine weitgehende Dezentralisierung der politischen und administrativen Struktur des Landes 5 • Die Planungen wurden jedoch 1 Zur amerikanischen Deutschlandpolitik hier nur: H. P. Schwarz, Reich, S. 29 ff.; W. Loth, Teilung, S. 24 ff. und S. 81 ff.; J. P. Warburg, Deutschland, S . 18 ff.; zu den Überlegungen über eine politische Säuberung siehe L. Niethammer, Entnazifizierung, S. 32 ff. 2 C. F. Latour/T. Vogelsang, Okkupation, S. 11 ff. und S. 28 ff.; K. E. Bungenstab, Ausbildung, S. 197 ff. 3 Vgl. die bei J. P. Warburg, Deutschland, S. 291 ff. abgedruckten Auszüge aus amerikanischen Planungsunterlagen. Siehe auch C. F. Latour/T. Vogelsang, Okkupation, S. 10 und S. 14. ' Abdruck bei J. P. Warburg, Deutschland, S. 299 ff. und bei G. Stolper, Wirklichkeit, S. 309 ff. Zu ihrer Entstehung: C. F. Latour/T. Vogelsang, Okkupation, S. 17 ff. und S. 185, Anm. 42. 5 Zur Dezentralisierung heißt es in Teil I der Direktive (zit. nach J . P. Warburg, S. 300 f.: Die deutschen Angelegenheiten sollen so behandelt werden, daß sie zu einer Dezentralisierung der politischen und administrativen Struktur des Landes und zu der Entwicklung einer örtlichen Selbstverwaltung beitragen. Zu diesem Zweck werden Sie [d. h . der als Militärgouverneur vorgesehene amerikanische Oberbefehlshaber] alle Autonomiebestrebungen bei den provinzialen, örtlichen und Stadtverwaltungen unterstützen. Auch das deutsche Wirtschaftsleben soll dezentralisiert werden. Der Kontrollrat kann aber, im Rahmen des Mindestmaßes, das für die Erreichung in dieser Direktive gesteckten Ziele notwendig erscheint, eine bereits bestehende zentrale Verwaltung zulassen, oder sogar neue zentrale Verwaltungsorgane schaffen a) für lebenswichtige öffentliche Einrichtungen wie Eisenbahnen, sonstige Verkehrseinrichtungen und die Elektrizitätsversorgung, b) für Finanzfragen und auswärtige Angelegenheiten und c) für die Produktion und Verteilung wichtiger Verbrauchsgüter. Zur allgemeinen Kritik an der Direktive vgl. J. Gimbel, Besatzungspolitik, S. 16 ff.; H. Graml, Zwischen Jalta, S. 314 ff., und H. P. Schwarz, Reich, S. 107. Dazu auch L. Clay, Entscheidung, S. 21; G. Stolper, Wirklichkeit, S. 34 ff., und C. F . Latour/T. Vogelsang, S.17 ff.

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1. Die Vorbereitungen der USA für die Besetzung Deutschlands

ständig geändert, was dazu führte, daß die amerikanische Armee bis kurz vor Kriegsende keine eindeutigen Weisungen für die Arbeit ihrer Militärregierung besaß6 • Besser stand es dagegen um die Ausbildung der Mitarbeiter der zukünftigen Besatzungsverwaltung, mit der schon 1942 begonnen worden war. Der Schulungsplan sah u . a. auch eine Beschäftigung mit der öffentlichen Verwaltung vor7 • Einen Teil des Unterrichts hielten deutsche Emigranten8. Im Zusammenhang mit der Ausbildung sind auch die Arbeiten an einem "Handbook for Military Government of Germany" zu erwähnen, das den mit der Verwaltung in Deutschland beauftragten Offizieren neben allgemeinen Verhaltensregeln Auskünfte in Einzelfragen der Besatzungsverwaltung geben sollte9 • Wenn mantrotzentsprechender Ausbildung dieser amerikanischen Offiziere auf deutscher Seite später zuweilen den Eindruck hatte, daß sie schlecht vorbereitet waren10, mag das z. T. mit Verständigungsschwierigkeiten11 , z. T. damit zusammenhängen, daß die Offiziere nur selten in dem Raum zum Einsatz kamen, für den sie speziell ausgebildet waren12• Nachdem Pläne über eine von den Briten und Amerikanern gemeinsam getragene Militärregierung fallengelassen worden waren13, konzentrierten sich die Amerikaner darauf, für die einzurichtende eigene Besatzungszone ein brauchbares Administrationsmodell zu entwickeln. Nach einer im September 1944 erlassenen Direktive14 sollte der amerikanische Oberbefehlshaber der alliierten Truppen die Aufgaben des Militärgouverneurs in der amerikanischen Besatzungszone übernehmen. Die ihm übertragene oberste Gewalt in seiner Zone konnte er an nachgeordnete Militärbefehlshaber zur Ausübung weitergeben15• Ein Anhang zur Direktive legte fest, daß jedes größere Land und jede preußische Provinz im westlichen Deutschland einen Militärregierungsbezirk bilden C. F. Latour/T. Vogelsang, Okkupation, S. 28. K. E. Bungenstab, Ausbildung, S. 202. 8 K. E. Bungenstab, Ausbildung, S. 208; H. Zink, United States, S. 15. 9 C. F. Lutour/T. Vogelsung, Okkupation, S. 33 f.; H. Zink, United States, S. 21. Das Handbuch erschien nach Überarbeitung erst im September 1944 (C. F. Latour/T. Vogelsung, S. 34). 10 So Dr. Anschütz gegenüber dem Verfasser am 19. 3. 1977; vgl. C. F. Latour/T. Vogelsung, Okkupation, S. 67. 11 P. Beyersdorf, Militärregierung, S. 19; M. Balfour, Vier-Mächte-Kontrolle, S. 104. 12 C. F . Latour/T. Vogelsang, Okkupation, S. 62 f. 13 C. F. Latour/T. Vogelsang, Okkupation, S. 35 mit weiteren Einzelheiten der Besatzungsplanung. u C. F. Latour/T. Vogelsang, S. 36. 15 Eim;elheiten bei C. F. Latour/T. Vogelsang, S. 36. 6

1

1. Die Vorbereitungen der USA für die Besetzung Deutschlands

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sollte16• In diesen Bezirken war jeweils eine Armee stationiert, deren Oberkommandierender den Militärgouverneur vertrat und den die sonst von der Truppe unabhängige Besatzungsverwaltung bei wichtigen Entscheidungen einzuschalten hatte17• Bei der Aufteilung ihrer Militärbezirke gingen die Amerikaner von bestehenden Verwaltungsgrenzen aus. Die von den Nationalsozialisten vorgenommenen Veränderungen wurden ungeachtet der von ihnen damit auch verfolgten politischen Zielsetzung übernommen. So war neben einer so traditionsreichen Verwaltungseinheit wie der Rheinprovinz auch die Westmark als eigener Militärregierungsbezirk vorgesehen18• Die für die Besatzungsverwaltung aus·gebilodeten Offiziere und Soldaten wurden im Herbst 1944 ihrem vorgesehenen Verwendungsort entsprechend zu Militärverwaltungseinheiten (Detachements) zusammengefaßt Die Amerikaner hatten, um die staatlichen Funktionen und das politische und wirtschaftliche Geschehen in Deutschland auf allen Ebenen lenken bzw. kontrollieren zu können, verschiedene Typen von Detachements geschaffen, die sich sowohl in ihrem Personalbestand als auch in ihrer Zusammensetzung erheblich unterschieden. Man unterteilte fünf Arten, die als E-, F-, G-, H- oder I-Detachement bezeichnet wurden19• Die zahlenmäßig stärksten und entsprechend spezialisierten EDetachements sollten die Verwaltungsaufgaben auf Länder- bzw. Provinzebene übernehmen; sie bildeten in den einzelnen Militärbezirken die Spitze der Besatzungsverwaltung, die eigentliche Militärregierung20 • Da dieser "Regierung" die gesamte Besatzungsverwaltung des Militärbezirks unterstand, kam dem Chef eines jeden E-Detachements bei der Umsetzung der amerikanischen Besatzungspolitik eine Schlüsselfunktion zu. Viele der Einheiten, die ursprünglich in einer Stärke von etwa 30 Offizieren und 50 Soldaten geplant waren, wuchsen auf einen höheren Per16 C. F. Latour/T. Vogelsang, Okkupation, S. 37 und S. 188, Anm. 33 (Aufzählung der vorgesehenen Militärregierungsbezirke). n Wichtige Anweisungen ergingen daher im Namen des Kommandierenden Generals der im Militärbezirk stationierten Armee. Vgl. dazu Anweisung über die Organisation der deutschen Zivilverwaltung vom 3. 6. 1945; abgedruckt bei G. Kratz, Mittelrhein-Saar, S. 34 f. 1s Zum Westmark-Militärbezirk gehörten allerdings auch noch Teile von Hessen-Darmstadt, die man offenbar aus logistischen Erwägungen zu diesem Bezirk geschlagen hatte. 19 C. F. Latour/T. Vogelsang, Okkupation, S. 38 f. 20 Die Bezeichnung als Militärregierung erfolgte in Übernahme des englischen Begriffs "Military Government". Daher wurden auch die örtliche oder regionale Besatzungsverwaltung, d. h. die dortigen Detachements, oftmals Militärregierung genannt.

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2. Die Anfänge der Verwaltung im Bezirk Westmark-Südhessen

sanalbestand an21 • Ihnen gehörten Fachleute und Spezialisten für alle Aufgaben an, die mit dem Wiederingangsetzen des öffentlichen Lebens am vorgesehenen Einsatzort zusammenhingen. Es standen u . a. Offiziere für folgende Arbeitsgebiete zur Verfügung: Regierung und Verwaltung, Rechtswesen und Gerichte, Öffentliche Sicherheit, Gesundheitswesen, Handel und Industrie, Verkehr und Transport, Ernährung, Landwirtschaft, Finanzwesen, Banken und Versicherungen, Öffentliche Arbeiten, Versorgungsbetriebe, Erziehungswesen, Kirchenangelegenheiten, Archivwesen, Kunst, Denkmalschutz und Nachrichtendienst22 • Die F-Detachements waren für die Übernahme größerer Regierungsbezirke bzw. größerer Städte vorgesehen. In Umfang und Zusammensetzung unterschieden sie sich nicht allzu sehr von den 1\IIilitärverwaltungseinheiten vom TypE. Die Zahl der Spezialisten war jedoch geringer. Die vom Personalumfang wesentlich kleineren Detachements G bis I sollten je nach Art in den restlichen Regierungsbezirken bzw. in Stadtoder Landkreisen zum Einsatz kommen23 • Bei dem im Vergleich zur Bevölkerung ihres Besatzungsgebietes geringen Personalbestand der Detachements24 war abzusehen, daß den Amerikanern eine wirksame Einflußnahme auf die Lebensverhältnisse im Besatzungsgebiet ohne eine umfassende deutsche Parallelverwaltung nicht möglich sein würde. Sofern keine deutsche Administration im Gebiet des einzelnen Detachements mehr existierte, mußte deren Reorganisation eine der vordringlichsten Aufgaben der amerikanischen Einheiten sein. Der Ablauf der Kriegsereignisse, insbesondere das schnelle Vorrücken der Alliierten ab Anfang 1945, warf den Einsatzplan für die Detachements durcheinander; manche Einheit kam deswegen nicht in das für sie vorgesehene Gebiet2S. 2. Die Anfänge der deutschen Verwaltung im Militärbezirk Westmark-Südhessen

Am 28. März 1945 war die gesamte Westmark von amerikanischen Truppen erobert und besetzt. Anfang April räumten die Amerikaner die vier in der Südpfalz gelegenen Landkreise Speyer, Germersheim, Berg21 22

23

C. F. Latour/T. Vogelsang, S. 38. C. F. Latour/T. Vogelsang, S. 38. C. F. Latour/T. Vogelsang, S. 39.

So wurde z. B. für ein H-Detachement (ca. sechs Offiziere und zehn Soldaten) eine Zivilbevölkerung von 150 000 Personen als angemessen betrachtet (C. F. Latour/T. Vogelsang, Okkupation, S. 188, Anm. 42). 2s C. F. Latour/T. Vogelsang, Okkupation, S. 62 f. 24

2. Die Anfänge der Verwaltung im Bezirk Westmark-Südhessen

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zabern und Landau sowie die Stadt Speyer und überließen sie den verbündeten Franzosen1 • In den übrigen Teilen der Westmark waren unmittelbar auf die amerikanischen Kampfverbände die Detachements, zunächst vom Typ F bis I, gefolgt, die in dem Hauptort des ihnen zugewiesenen Verwaltungsgebietes eine angemessene Unterkunft suchten. Meist verschafften sie sich Platz durch Beschlagnahme noch unbeschädigter Dienstgebäude und verjagten die z. T. noch arbeitenden unteren Behörden2 • In der Westmark kam damit jede Verwaltungstätigkeit zum Erliegen. Die Vertreibung entsprach weder dem bereits angesprochenen amerikanischen Interesse an einer weiterfunktionierenden deutschen Verwaltung, noch war sie mit der Proklamation Nr. 1 des alliierten Oberbefehlshabers, nach der die deutschen Beamten bis auf weiteres auf ihren Posten zu bleiben hatten3 , in Einklang zu bringen; offenbar hatte aber angesichts des Zerstörungsgrades der Städte eine einigermaßen gute Unterbringung der einzelnen Detachements Vorrang vor anderen Überlegungen. Das für den gesamten Militärbezirk Westmark-Südhessen zuständige Detachement E1A2 4 unter Oberstleutnant James R. Newman übernahm erst in der zweiten Aprilhälfte seine administrativen Funktionen, nachdem es wie viele Detachements zunächst noch als Teil der Truppe an den Kämpfen teilgenommen hatte 5 • Die Gründe für den relativ späten Arbeitsbeginn sind nicht bekannt; möglicherweise war auch hier zunächst ein anderer Einsatzort vorgesehen6 • In den Landkreisen und Kommunen versuchten die Detachements meist schon in den ersten Tagen nach ihrem Einzug, geeignete Personen zu finden, die den Aufbau und die Leitung der deutschen Verwaltung übernehmen konnten. Die Amerikaner besaßen teilweise Listen solcher Persönlichkeiten7 , zumeist wurden jedoch vertrauenswürdige Orts1

G. Wolff, Die Pfalz, S. 49 f. ; H.-J. Wünschel, Schicksalsjahre, S. 10. Nach

J. Thies/K. v. Daak, Südwestdeutschlands Stunde Null, S. 26, wirkten fran-

zösische Truppen an der Eroberung der südpfälzischen Kreise mit. 2 Vgl. C. F. Latour/T. Vogelsang, Okkupation, S. 190, Anm. 28. 3 Abgedruckt bei H. Schwarzmaier, Südwesten, S. 118 f., und P. Beyersdorf, Militärregierung, S. 200 f. 4 Zur Erklärung der Buchstaben-Zahlen-Kombination vgl. C. F. Latour/ T. Vogelsang, Okkupation, S. 188, Anm. 43. s C. Lincoln, Befehl, S. 9; zur Truppenbezeichnung: C. F. Latour/T. Vogelsang, Okkupation. S. 188, Anm. 36. 6 Siehe dazu unten Anm. 27 und Teil li, Kap. 6, Anm. 6. 7 J. R. Newman, The story of Reconstruction and Reorientation at the Grass-Roots Level of Civil Affairs and Military Government, in: US High Commissioner for Germany (HICOG), Historical Division files, August 1949, zit. nach J. F. J. Gillen, Government, S. 2.

2. Die Anfänge der Verwaltung im Bezirk Westmark-Südhessen

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ansässige um Vorschläge gebeten. Newman beschreibt das amerikanische Vorgehen folgendermaßen8 : "Generally the Military Government officer called in the town or county priest or minister, the local school teacher, a few local citizens and asked them to suggest a Euergermeister or Landrat. After several conferences and as much investigation as possible, and clearance of political questionnaires, a provisional administrative chief was selected, and he in turn appointed other provisional leaders, such as police and fire chiefs, food office head, local clerk, motor vehicle Supervisor and other needed officials. Through these appointed officials, the local Military Government officers began to bring order out of complete chaos, restore circulation, remove hazards to life, such as partially destroyed buildings, start cleaning out rubble, and feed the starving population." Die benannten Personen mußten einen Fragebogen ausfüllen, der dem später gebräuchlichen berühmten Fragebogen9 schon sehr ähnlich war, allerdings bei der Aufzählung der sogenannten NS-Hilfsorganisationen und der möglichen Funktionen in Staat und Partei gegenüber der späteren Fassung noch Lücken aufwies. Die Militärverwaltungseinheiten standen vor der Frage, ob sie fachlich geeignete Personen, die nominelle Mitglieder der NSDAP oder ihrer Untergliederungen gewesen waren, mit der Leitung einer Gemeinde oder eines Kreises betrauen konnten. Das Handbuch10 enthielt dazu keine konkreten Anweisungen, und die entsprechenden Befehle des Hauptquartiers waren widersprüchlich, so daß die Chefs der Detachements in dieser Frage eigenverantwortlich entscheiden mußten11 • Die Zugehörigkeit zur NSDAP wurde daher unterschiedlich bewertet. Allerdings bildete die Ernennung von Personen ohne jegliche Verwaltungserfahrung, die ihre Einstellung zumeist ihrer Gegnerschaft zum NSRegime verdankten, in der Pfalz und in Rheinhessen eher die Ausnahme12. Dort kamen von den 20 namentlich bekannten Landräten und Oberbürgermeistern13, die die Amerikaner kurz nach der Besetzung ernannt hatten, fünf aus der freien Wirtschaft, meist Kaufleute oder FabrikanJ. R. Newman in: J. F. J. Gillen, S. 2. • Vgl. den Roman "Der Fragebogen" von Ernst von Salomon. to Vgl. Teil II, Kap. 1, Anm. 9. 11 C. F. Latour/T. Vogelsang, Okkupation, S. 51 f. und S. 67. 12 Auf die Verhältnisse im Saargebiet, das ebenfalls zum Militärbezirk Westmark-Südhessen gehörte, kann hier nicht näher eingegangen werden. 13 Vgl. Liste der Teilnehmer der Konferenz vom 18. 5. 1945, die u. a. die Namen der Landräte und OB enthält, im Nachlaß Heimerich, LA Speyer, V 10 - 2. Weitere Angaben in Listen ohne Datum - Oktober bzw. Dezember 1945 (Akten der Bezirksregierung Neustadt/W., LA Speyer, Best. H 13- 214). Mdl. Auskünfte von Prof. Bärmann vom 1. 10. 1977 und Herrn Zapf vom 8

18. 12. 1976.

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ten. Der Gewerkschaftsbewegung war nur ein einziger, der in Zweibrücken als Oberbürgermeister eingesetzte Schreinermeister Roth14, zuzurechnen. Die überwiegende Mehrheit der neuen Behördenleiter stammte aus dem Verwaltungsdienst, wobei nur einer, der Ludwigshafener Oberbürgermeister Hoffmann15, zu den 1933 entlassenen Beamten gehörte. Sechs der neuen Verwaltungschefs hatten bis zum Zusammenbruch als höhere Verwaltungsbeamte im Reichs- bzw. Landesdienst bzw. in der Kommunalverwaltung Dienst getan16• Die vier aus dem gehobenen Dienst kommenden Beamten verfügten ebenfalls über Verwaltungserfahrungen, während die beiden zu Landräten ernannten Notare zumindest entsprechende Teilkenntnisse besaßen17• Die vordringlichste Aufgabe der neuernannten Chefs der deutschen Verwaltung war es, die Ernährung der Bevölkerung sicherzustellen. Daher mußte vor allem der für die Erfassung und Verteilung der vorhandenen Nahrungsmittel notwendige bürokratische Apparat wieder in Gang gesetzt werden. Immerhin gelang es auf der Ebene der Kreise relativ rasch, die Ernährungsämter zu reorganisieren. Da unter den einzelnen Regionen und insbesondere zwischen Stadt und Land ein ständig zunehmendes Gefälle in der Nahrungsmittelversorgung spürbar wurde und der von den Landräten betriebene Tauschhandel zwischen den Kreisen, obwohl er in der Pfalz recht lebhaft war18. z.u einem Ausgleich nicht reichte, ordneten die Amerikaner am 25. April 1945 die Einrichtung eines Landesernährungsamtes in Kaiserslautern 14 Lebenslauf von Roth in: Landtagshandbuch Rheinland-Pfalz. III. Wahlperiode, S. 217. 15 Hans Hoffmann (1893 - 1952), volkswirtschaftl. und juristisches Studium, Dr. jur., 1926- 1933 hauptamtlicher Stadtrat in Kiel. Im Krieg dienstverpflichtet beim RStatth. Westmark/CdZ Lothringen in Saarbrücken. Ab April1945 Oberbürgermeister von Ludwigshafen, ab 11. 6. 1945 Regierungspräsident der Pfalz, vom 8. 7. bis Anfang Oktober 1945 Oberregierungspräsident von Hessen-Pfalz, dann Notar in Wachenheim, Mitglied der Berat. LV, ab 1947 MdL (SPD), ab 9. 7. 1947 Finanzminister im 1. Kabinett Altmeier (siehe auch W. Schineller, Regierungspräsidenten, S. 79). 16 Dabei hatten sogar zwei der Verwaltungsleiter (der Landrat von Worms und der Oberbürgermeister von Pirmasens) die Funktion, in die sie von den Amerikanern berufen wurden, vor März 1945 schon vertretungsweise ausgeübt (vgl. R. Falck, Sechs Jahre; Taschenbuch 1943, S. 330 sowie Teilnehmerliste der Konferenz vom 18. 5. 1945 im Nachlaß Heimerich, LA Speyer, V 10- 2). 17 Zu den Vorbehalten gegenüber dem gehobenen Dienst auf seiten der amerikanischen Planer vgl. L. Niethammer, Entnazifizierung, S. 51, Anm. 73. Der berufliche Werdegang eines Landrats (Riel- Neustadt/W.) war nicht zu ermitteln. Von den Landräten und OB überstand zwar nur rund ein Viertel das vor allem im Herbst 1945 durchgeführte, umfassende Personalrevirement durch die Franzosen, immerhin blieben aber die meisten von ihnen im politischen Leben bzw. in der Administration tätig und spielten dort eine nicht unwesentliche Rolle beim Aufbau des Landes ab 1946. 18 Mdl. Mitteilung von Prof. Bärmann vom 1. 10. 1977 (Dr. Bärmann war 1945 Landrat in Kirchheimbolanden).

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an19• Ein solches Amt hatte dort vor dem Zusammenbruch als Behörde des Reichsnährstandes bereits bestanden20 • Die Amerikaner griffen bei der Reorganisation fast ausschließlich auf das vorher dort tätige Personal zurück2 t, wobei dessen politische Belastung offenbar keine Rolle spielte22 • Andere, ebenfalls wichtige Aufgaben, z. B. die Instandsetzung des Verkehrsnetzes oder die Unterbringung der Flüchtlinge und der verschleppten Personen, machten die Schaffung einer überregionalen allzuständigen deutschen Behörde dringlich. In der zweiten Aprilhälfte hatte, wie bereits erwähnt, das als Militärregierung im Bezirk Westmark-Südhessen eingesetzte Detachement E1A2 in Neustadt/Weinstraße Quartier bezogen. Die Wahl von Neustadt ist bemerkenswert: Die Amerikaner hatten sich bei der Unterbringung ihrer Detachements ebenso wie bei deren Abgrenzung generell an den bestehenden Verhältnissen orientiert, wobei sie auch eine starke Zerstörung des bisherigen Regierungssitzes nicht hinderte, dort ihre Militärregierung zu installieren23 • Neustadt war zwar nicht der Sitz der staatlichen Verwaltung für die Westmark gewesen24 , galt jedoch, weil dort lange Zeit die Gauverwaltung untergebracht war, als die eigentliche "Hauptstadt" der Westmark und wurde offensichtlich deswegen Sitz der Militärregierung25 • Während die amerikanische Besatzungsmacht den Aufbau der deutschen Verwaltung auf Gemeinde-, Kreis- und Bezirksebene fast überall ortsansässigen Personen anvertraute26, griff sie bei der Schaffung der G. Kratz, Mittelrhein-Saar, S. 13. Siehe Teil I, Kap. 6, Anm. 20. 21 Mdl. Auskunft von Herrn Zapf vom 18. 12. 1976. 22 Die später von den Franzosen (vgl. unten Kap. 10) wie danach von deutscher Seite vorgenommene Entnazifizierung (vgl. Liste in den "Amtlichen Mitteilungen des Oberregierungspräsidiums Hessen-Pfalz" vom 21. 1. 1946, AM 1946, 12) brachte die Arbeit dieses Amtes fast völlig zum Erliegen (Auskunft von Herrn Zapf vom 18. 12. 1976). 23 Vgl. für Hessen-Darmstadt: L. Bergsträsser, Zeugnisse, S. 397 ff., und C. F. Latour/T. Vogelsang, Okkupation, S. 97. 24 Dazu Teil I, Kap. 6. Einzige dort ansässige obere staatl. Dienststelle war die der Gestapo gewesen. 25 Die Übergabe von Speyer, der herkömmlichen Hauptstadt der Pfalz, an die Franzosen Anfang April 1945 läßt vermuten, daß die Wahl von Neustadt schon vor der Besetzung feststand. Neustadt dürfte seine seitherige zentrale Stellung im Verwaltungsgefüge von Rheinland-Pfalzmithin nur der Tatsache verdanken, daß Bürckel seine Gauverwaltung dort und nicht in Speyer eingerichtet hatte. 26 Siehe oben Anm. 7; dazu auch für Hessen-Nassau: K. Müller, Preußischer Adler, S. 336; für die Regierungsbezirke Koblenz undTriersiehe Teil II, Kap.4. 19

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überregionalen deutschen Behörde in der Westmark auf landesfremde Persönlichkeiten zurück. Die Gründe hierfür sind noch nicht bekannt. Die Vermutung liegt jedoch nahe, daß die Amerikaner in Neustadt und Umgebung keine geeigneten Personen gefunden hatten, da sehr viele Verwaltungsbeamte vor dem Einmarsch der Alliierten aus der Westmark geflohen waren27, Der mit der Suche beauftragte Offizier28 wandte sich an die Professoren Karl Jaspers und Alfred Weber in Heidelberg mit der Bitte, ihrr. Personen zu benennen, die politisch unbelastet und geeignet waren, leitende Funktionen in der vorgesehenen deutschen Oberbehörde zu übernehmen29• Nach mehreren Besprechungen, bei denen die amerikanische Seite dargelegt hatte, welche Aufgaben von der deutschen Verwaltung vorrangig zu erledigen waren, wurden ihr fünf in Heidelberg wohnende Bürger, die Juristen Zutt30 und Anschütz 31, der Kaufmann Henk32, der Sozialversicherungsangestellte Rausch33 und der Arzt Dr. Mitscherlich34 vorgeschlagen. 27 Es ist allerdings auch nicht auszuschließen, daß die von den Amerikanern dann eingesetzte Regierung Heimerich, deren leitende Mitarbeiter fast ausschließlich aus dem badischen Raum kamen, von Anfang an als deutsche Verwaltungsspitze für das Land Baden vorgesehen war. Ihr Einsatz in Neustadt wäre dann von der Besatzungsmacht nur für die Zeit bis zur endgültigen Grenzziehung der Zonen geplant gewesen. Für diese Vermutung spricht die Bildung des "Arbeitsstabes Heimerich" (vgl. dazu Teil II, Kap. 6, Anm. 6). 28 E. Walz, Regierung Heimerich, S. 69; nach H. Kohl, Politische Entwicklung, S. 27, war dieser Offizier, Hauptmann Landin, bis Juli 1945 als "administration officer" der maßgebliche Ansprechpartner der deutschen Verwaltungsbeamten des Ober(regierungs)präsidiums in Neustadt. 2D Mdl. Auskunft von Dr. Anschütz vom 19. 3. 1977; vgl. auch H. Kohl, S. 27. 30 Wilhelm Zutt, geb. 1892, Dr. jur., vor 1945 Rechtsanwalt in Mannheim, vom 10. 5. 1945 bis 8. 7. 1945 stellvertretender Ober(regierungs)präsident in Neustadt und Leiter der Abt. Wirtschaft und Verkehr. Später wieder Rechtsanwalt in Mannheim. Nicht politisch tätig (bis 1933 im "Stahlhelm"). 31 Hans Anschütz (1906 - 1980), Dr. jur., vor 1945 Richter in Heidelberg, vom 10. 5. 1945 bis 8. 7. 1945 Präsidialdirektor in Neustadt (Leiter der Abt. Justiz und Polizei). Danach wieder Justizdienst, später u. a. beim Verfassungsgerichtshof von Baden-Württemberg; CDU-Mitglied. 32 Emil Henk, vor 1933 journalistisch tätig, Inhaber einer pharmaz. Großhandlung, vom 10. 5. 1945 bis 8. 7. 1945 Präsidialdirektor (Abt. Unterricht und Kultus); SPD-Mitglied. 83 Adolf Rausch, vor 1933 Sozialdezernent der Stadt Heidelberg, von 1933 bis 1945 Angestellter einer Sozialversicherung. In der Zeit der NS-Herrschaft politisch verfolgt (u. a. mehrfach verhaftet) . Vom 10. 5. 1945 bis 8. 7. 1945 als Präsidialdirektor Leiter der Abt. Arbeit und soziale Angelegenheiten. Anschließend in der Gewerkschaftsbewegung tätig; SPD-Mitglied. 34 Alexander Mitscherlich, geb. 1908, Dr. med., vor 1945 Oberarzt und Dozent an der Universität Heidelberg, vom 10. 5. 1945 bis 8. 7. 1945 Präsidialdirektor in Neustadt (Leiter der Abteilungen Gesundheitswesen sowie Landwirtschaft und Ernährung, zeitweise Chef des Personalamtes). Später Leiter des Sigmund-Freud-Instituts in Frankfurt-Höchst (vgl. A. Mitscherlich, Ein Leben).

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Während die Verhandlungen noch liefen, erschien der frühere, 1933 abgesetzte Oberbürgermeister von Mannheim, Hermann Heimerich35, in Heidelberg36 • Da er im Gegensatz zu den fünf bereits benannten Personen über umfassende Erfahrungen in der Verwaltung verfügte und als NS-Gegner bekannt war, lag es nahe, ihm die Leitung der einzurichtenden Behörde in Neustadt zu übertragen. Heimerieb nahm ein entsprechendes Angebot der Amerikaner an. Er wurde zusammen mit den erwähnten Mitarbeitern am 9. Mai 1945 der Militärregierung in Neustadt vorgestellt und einen Tag später vom zuständigen kommandierenden General offiziell mit der Führung der Behörde beauftragt37. Die "Regierung Heimerich", wie die deutsche Verwaltung später allgemein genannt wurde, nahm am gleichen Tag ihre Arbeit in einem ehemaligen NSDAPDienstgebäude in Neustadt auf. Die Besatzungsmacht übergab der Regierung zu Beginn ihrer Tätigkeit schriftliche Instruktionen. Diese Weisungen- offenbar Auszüge aus dem oben erwähnten Handbuch der Militärregierung - enthielten die Grundsätze der Zusammenarbeit zwischen Besatzungsmacht und der deutschen Verwaltung in Form von generellen Festlegungen und Einzelfallweisungen38. Die Amerikaner bekundeten darin ausdrücklich ihre Absicht, sich auf die Überwachung der deutschen Behörden zu beschränken39. Sie akzeptierten ferner die grundsätzliche Weitergeltung des bislang geltenden Beamtenrechts40 • Allerdings sollte die Beschäftigung von bis35 Hermann Reimerich (1885- 1963), Jurist, 1914 Rechtsanwalt, 1919 hauptamtlicher Stadtrat in Nürnberg, 1925 - 1927 zweiter Bürgermeister in Kiel und Mitglied im Provinziallandtag und Provinzialausschuß von Schleswig-Holstein, 1928 - 1933 Oberbürgermeister von Mannheim, 1933 - 1945 Steuerhelfer und Wirtschaftstreuhänder in Berlin. Vom 10. 5. 1945 bis 8. 7. 1945 Oberpräsident bzw. Oberregierungspräsident in Neustadt/W., anschließend Rechtsanwalt in Heidelberg, ab 1949 wieder Oberbürgermeister von Mannheim; SPDMitglied (vgl. Hermann Heimerich, Eine Freundesgabe). 36 E. Walz, Regierung Heimerich, S. 70; vgl. Rede Reimerichs anläßlich der offiziellen Amtseinführung am 18. 5. 1945 (Entwurf im Nachlaß Heimerich, LA Speyer, V 10- 3; im Exemplar des BA Koblenz, Kl. Erw. Nr. 259, fehlen ebenso wie beim Abdruck des Entwurfs bei G. Kratz, Mittelrhein-Saar, S. 17 bis 23, die handschriftlichen Änderungen des Manuskripts. Vollständiger Abdruck bei H.-J. Wünschel, Schicksalsjahre, S. 53-62, ohne Hinweis auf die früheren Veröffentlichungen). 37 G. Kratz, Mittelrhein-Saar, S. 13 f. 38 Text bei G. Kratz, Mittelrhein-Saar. S. 81 f. (ohne Datierung und Quellenangabe). Zum Handbuch vgl. Teil li, Kap. 1, Anm. 9. 39 G. Kratz, S. 81. 40 Vgl. G. Kratz, S. 81. Dabei hatte die Besatzungsmacht festgelegt, daß typisch nationalsozialistische Bestimmungen und solche, "die die militärische Laufbahn besonders in den Vordergrund rückten", zu beseitigen waren. Damit war das gesamte bisherige Rekrutierungssystem für die einfache, mittlere und gehobene Beamtenlaufbahn mit seiner bevorzugten Übernahme von Versorgungsscheinanwärtern (vgl. Teil I, Kap. 2) in Frage gestellt.

a) Namensgebung

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her nicht dem "Beamtenapparat" angehörenden Personen zulässig sein. Mit dieser Bestimmung, die Außenseitern den Einstieg in die Verwaltung eröffnete, die Rechtsverhältnisse der Beamten jedoch unangetastet ließ, war die Grundlage für Konflikte gelegt, die sich später bei der Wiederbeschäftigung entnazifizierter Beamter ergaben und schließlich zur Verdrängung der Außenseiter führten41 • Eine weitere Festlegung betraf die Neueinstellung und Statusänderung bei Beamten: Hier sollten nur vorläufige Maßnahmen möglich sein42, die zudem meist der Zustimmung der Militärregierung bedurften.

3. Die Provinz Saarland-Pfalz-Südhessen und ihr Oberpräsidium ab Mai 1945 a) Namensgebung

Reimerich bezeichnete den Militärregierungsbezirk Westmark-Südhessen als Provinz1 mit dem Namen Saarland-Pfalz-Südhessen. Dieser Name wurde auch sehr bald von den Amerikanern übernommen, die man in der Zwischenzeit offensichtlich darüber informiert hatte, welche politische Zielsetzung der Nationalsozialisten hinter dem Begriff Westmark stand. Die Bezeichnung als Provinz lag nahe. Einerseits konnte und wollte Reimerich bei der unklaren staatsrechtlichen Lage kein neues Land schaffen2 , andererseits ging der Militärbezirk in Größe und Bevölkerung weit über den Umfang eines herkömmlichen Regierungsbezirks hinaus. Reimerich wählte daher in Anlehnung an die preußische Gliederung, die ihm durch seine Berufstätigkeit in Schleswig-Holstein vor 1933 vertraut war, für das neue Verwaltungsgebilde den Begriff "Provinz" 3 • Die oberste deutsche Behörde dieser Provinz wurde konsequenterweise als Oberpräsidium angesprochen, wobei sie in Anlehnung an die 41 In Neustadt wurden vor allem ab Juli 1945 zahlreiche Außenseiter eingestellt. Ihre ab 1947 einsetzende Verdrängung kann im Rahmen dieser Arbeit nicht weiter dargestellt werden. Der Verfasser verdankt Herrn von Hartrott, Heidelberg, eine Fülle von Hinweisen auf diese Entwicklung. Zu den Außenseitern vgl. aber auch T. Eschenburg, Bürokratischer Rückhalt, S. 70. 42 Vgl. Teil II, Kap. 9, Anm. 3. 1 G. Kratz, Mittelrhein-Saar, S. 15. 2 Dazu Rede Reimerichs am 18. 5. 1945 (Entwurf im Nachlaß Heimerich, LA Speyer, V 10- 3; siehe auch Teil II, Kap. 2, Anm. 36), und E. Walz, Regierung Heimerich, S. 63. 3 Die Auffassung von G. Kratz, Mittelrhein-Saar, S. 14, wonach auch die amerikanische Verwaltungsgliederung Vorbild gewesen sei, ist abwegig. Hinweis auf das preußische Vorbild auch bei E. Walz S. 63.

3. Die Provinz Saarland-Pfalz-Südhessen

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nach 1933 zunehmend übliche personenbezogene Behördenbezeichnung4 zunächst meistens als "Der Oberpräsident Saarland-Pfalz und Südhessen" firmierte 5• Der Unterschied zwischen den Funktionen eines preußischen Oberpräsidenten6 und dem Aufgabenkreis Heimerichs hat vermutlich dazu g·eführt, daß Heimerich Anfang Juni 1945 den ungewöhnlichen, bis dahin in der deutschen Verwaltung unbekannten Titel "Oberregierungspräsident" akzeptierte. Er wurde - soweit bis jetzt ersichtlich- von den Amerikanern in die Diskussion eingebracht, als man über die Erweiterung der Provinz um die Regierungsbezirke Trier und Koblenz verhandelte7 • b) Personalgewinnung

.Beim Oberpräsidium in Neustadt wurden zunächst diejenigen Aufgaben, die nach den Vorstellungen der Amerikaner vordringlich zu bewältigen waren, verteilt. Da der Kreis der zur Verfügung stehenden Personen klein war8, erhielten die jüngeren Mitarbeiter mehrere Aufgabenhereiche übertragen. Es wurde folgende Geschäftsverteilung vorgenommen9: Dezernat für Wirtschaft (Zutt, zugleich Stellvertreter des Oberpräsidenten) Dezernat für öffentliche Gesundheitspflege (Mitscherlich), Dezernat für Post, Telefon- und Telegrafenwesen (Machold), Dezernat für Arbeitsfragen (Rausch) 10, Dezernat für Erziehung und religiöse Fragen (Henk), Dezernat für öffentliche Wohlfahrt (Rausch), Dezernat für öffentliche Sicherheit (Anschütz), Dezernat für Justiz (Anschütz). Vgl. Teil I, Kap. 4, Anm. 5. Siehe Fragenkatalog und Protokoll der Besprechung vom 10. 5. 1945 in: Nachlaß Heimerich, LA Speyer, V 10- 3. Diese Benennung, die Ende Mai 1945 offiziell der Behördenbezeichnung Oberpräsidium weichen mußte (vgl. Protokoll vom 25. 5. 1945 im Nachlaß Heimerich, LA Speyer, V 10- 3) wurde jedoch nicht durchgängig verwandt. Es finden sich in den Akten auch der Name Saarland-Rheinhessen oder ähnliche Bezeichnungen. Vgl. dazu auch G. Kratz, Mittelrhein-Saar, S. 24 f. und S. 45, Anm. 77. 6 Siehe dazu Teil I, Kap. 1 und Kap. 4. 1 Einzelheiten siehe Teil II, Kap. 5. 8 Zu den sechs genannten Personen (Anschütz, Heimerich, Henk, Mitscherlich, Rausch, Zutt) kam der nach dem Anschluß Osterreichs 1938 in die Pfalz .,strafversetzte" Postrat Machold, dem die Reorganisation des Postwesens übertragen wurde (vgl. seinen Tätigkeitsbericht vom 11. 7. 1945 bei H.-J. Wünsche!, Schicksalsjahre, S. 63 ff.). 9 Vgl. Anordnung für die Zivilverwaltung- Deutscher Verwaltungsapparat Nr. 1 vom 18. 5. 1945 und Anordnung für das Personal Nr. 1 vom 18. 5. 1945. Beide bei G. Kratz, Mittelrhein-Saar, S. 24 f. abgedruckt. 1o Dieses Dezernat fehlt in der Aufstellung bei G. Kratz, S. 24, wird dort aber auf S. 36 erwähnt. 4

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b) Personalgewinnung

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Bei der ersten umfassenden Besprechung mit dem für die Verwaltung zuständigen amerikanischen Offizier am 10. Mai 1945 machte Reimerich weitere Personalvorschläge11 • Neben dem am 10. Mai 1945 benannten Dr. Venedey12, dem Reimerich durch gemeinsame SPD-Zugehörigkeit verbunden war, wurden bis Mitte Mai der frühere badische Finanzminister Mattes13 und der von Alfred Weber vorgeschlagene Ernst Walz1\ der vor 1933 im badischen Innenministerium tätig war, eingestellt. Walz betrieb dann offenbar die Anstellung von Hugo Swart15, dessen langjährige Tätigkeit in der preußischen Staats- und Kommunalverwaltung es nahelegte, ihm die Reorganisation der deutschen Administration zu übertragen. Ebenfalls von Alfred Weber benannt, arbeitete Dolf Sternberger16 ab Mitte Mai im Oberpräsidium in Neustadt. Erwogen wurde auch die Berufung des Darmstädter Rechtsanwalts und späteren Bundesaußenministers Heinrich von Brentano17• Sie scheiterte jedoch aus bisher unbekannten Gründen. Während Reimerich bei der Auswahl seiner Mitarbeiter im Oberpräsidium relativ freie Hand hatte, wurden die Leiter der bestehenden bzw. Mitte Mai neu eingerichteten überregionalen Behörden von den Amerikanern vorgeschlagen. Immerhin stellte die Besatzungsmacht die 11 Fragenkatalog für Besprechung vom 10. 5. 1945 in: Nachlaß Heimerich, LA Speyer, V 10 - 3. 12 Hans Venedey, Dr. jur., Rechtsanwalt, nach 1933 emigriert (Frankreich bzw. Schweiz). Im Oberpräsidium bis 8. 7. 1945 beschäftigt (das genaue Datum der Einstellung sowie die Art der Tätigkeit waren nicht zu ermitteln - vgl. Aktennotizen vom 8. 6. 1945 und 19. 6. 1945 - beide im Nachlaß Heimerich, LA Speyer, V 10- 3). Ab 17. 10.1945 Innenminister von Hessen, im Zusammenhang mit Ausschluß aus der SPD Mitte Juli 1946 entlassen. ts Wilhelm Mattes, geb. 1892, Dr. jur., 1931- 1933 Finanzminister in Baden (DVP), ab Mai bis 8. 7. 1945 Präsidialdirektor in Neustadt, ab 17.10.1945 bis Dezember 1946 Finanzminister in Hessen (bezügl. der Einstellung vgl. Protokoll vom 14. 5. 1945 im Nachlaß Heimerich, LA Speyer, V 10- 3). 14 Ernst Walz, Jurist, Ministerialrat im badischen Mdi, kurz nach 1933 amtsenthoben, bis 1945 Tätigkeit in der Privatwirtschaft, vom 24. 5. bis 8. 7. 1945 Präsidialdirektor in Neustadt, später im Justizdienst (vgl. Protokoll vom 17.5.1945 im Nachlaß Heimerich, LA Speyer, V 10- 3). 15 Hugo Swart, geb. 1885, Dr. jur., Landrat in Landsberg/W., Mitglied im Provinzialausschuß der Grenzmark, später Landeshauptmann, 1933 im einstweiligen Ruhestand, Mitte Juni bis 8. 7. 1945 Leiter des Personalamtes und stellvertretender Leiter der Abt. Innere Verwaltung; vom Oktober 1945 bis Juli 1946 Chef der hessischen Staatskanzlei, später Oberbürgermeister von Heidelberg. SPD-Mitglied. 18 Dolf Sternberger, geb. 1907, Dr. phil., 1934 bis zu deren Verbot 1943 Redakteur der Frankfurter Zeitung, ab Mitte Mai 1945 in Neustadt beim Oberpräsidium, ab Mitte Juni bis 8. 7. 1945 Leiter des Presseamtes des Oberregierungspräsidiums. 17 Siehe Protokoll der Besprechung 111 vom 14. 5. 1945 im Nachlaß Heimerieb, LA Speyer, V 10 - 3.

5 Speyer 88

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3. Die P1·ovinz Saarland-Pfalz-Südhessen

Chefs dieser Reimerich nachgeordneten Ämter18 sofort vor19• Zu den überregionalen Behörden zählten neben dem bereits erwähnten Landesernährungsamt ein Landesfinanzamt und ein Landesforstamt. Auch die z. T. wieder funktionierenden Direktionen von Reichspost und Reichsbahn in Speyer bzw. Saarbrücken sind hierbei zu erwähnen20 • Einer raschen Gewinnung genügend qualifizierten Personals durch den Oberregierungspräsidenten standen die gleichen Gründe entgegen, die die Amerikaner wahrscheinlich zur Auswahl der Reidelberger Gruppe veranlaßt hatten: Es gab im Gebiet der früheren Westmark zu wenig fachlich geeignete und zugleich politisch tragbare Verwaltungsleute. Die eingeschränkten Auswahlmöglichkeiten wurden zudem dadurch, daß Reimerich und seine Mitarbeiter landesfremd waren, mithin wenig persönliche Beziehungen in der Pfalz hatten, noch weiter gemindert21. Nur ganz allmählich gelang es, Personen zu finden, die persönliche Bindungen zur Pfalz hatten. Unter den leitenden Mitarbeitern der Regierung Reimerich blieb der erst Mitte Juni eingestellte Leiter der Abteilung Bau und Wiederaufbau, Russong22 , allerdings der einzige "einheimische" Beamte. c) Grenzziehung

Neben der Personalgewinnung brachte vor allem die von der Besatzungsmacht vorgenommene Abgrenzung des Verwaltungsgebietes Schwierigkeiten mit sich. Bei der Benennung des Militärbezirks (Westmark-Südhessen) ging die deutsche Seite davon aus, daß die beiden früheren hessischen Provinzen Starkenburg und Rheinhessen zu ihrem Verwaltungsbereich gehörten. Die Militärregierung bestärkte sie zunächst in dieser Annahme23 • Nun hatte jedoch die in Darmstadt eingesetzte Militärregierung, ebenfalls ein Detachement vom Typ E, dort bereits eine eigene Zivilverwal18 Protokoll der Besprechung II vom 14. 5. 1945 (Nachlaß Heimerich, LA Speyer, V 10- 3). 19 Vgl. Protokolle der Besprechungen vom 10. 5., 14. 5. (Bespr. 111) und 16. 5. 1945 (alle im Nachlaß Heimerich, LA Speyer, V 10- 3). 20 Zum Wiederaufbau der Postverwaltung vgl. Bericht Machold (s. o. Anm. 8). Über die Errichtung des Landesfinanzamtes und des Landesforstamtes waren keine genaueren Informationen zu erhalten. 21 Vgl. Rede Reimerichs vom 18. 5. 1945, in de r er die Landräte und Oberbürgermeister seines Verwaltungsbereichs bat, ihm geeignete Personen zu benennen, die "in Zusammenhang mit dem hiesigen Gebiet stehen" (Manuskript im Nachlaß Heimerich, LA Speyer, V 10- 3). 22 Hermann Hussong war in den zwanziger Jahren Stadtbaurat in Kaiserslautern, später Oberbaudirektor in Heidelberg. Weitere Daten waren nicht zu ermitteln. 23 Protokoll der Besprechung vom 10. 5. 1945 (Nachlaß Heimerich, LA Speyer, V 10- 3).

c) Grenzziehung

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tung unter Prof. Ludwig Bergsträsser berufen24• Es war abzusehen, daß eine Einbeziehung der früheren Provinz Starkenburg und Unterstellung der "Regierung Bergsträsser" unter die Regierung Reimerich kaum die Zustimmung der Militärregierung in Darmstadt finden konnte. Nachdem Bergsträsser zunächst seine Bereitschaft zur Unterstellung bekundet hatte25, rückte er, wohl auf Druck seiner Militärregierung, einige Tage später wieder von diesem Vorhaben ab 26 • Unumstritten war hingegen die Zuordnung von Rheinhessen27 , da das in Mainz stationierte Detachement G2B2 28 der Militärverwaltungseinheit E1A2 in Neustadt unterstellt war. Erhebliche Schwierigkeiten hatte Reimerich mit der im Saargebiet eingesetzten deutschen Verwaltung, die das Oberpräsidium nicht ohne weiteres als vorgesetzte Behörde anerkannte. Die Amerikaner hatten am 4. Mai 1945 den Saarbrücker Rechtsanwalt Neureuther zum Regierungspräsidenten ernannt29• Neureuther hatte sehr schnell, z. T. mit Beamten der Behö!'de des Reichsstatthalters in der Westmark30, eine einigermaßen funktionierende Verwaltung aufgebaut und war wenig geneigt, sich unterzuordnen. Dabei mögen gewisse Ressentiments gegen die Pfälzer, die nach 1935 im Saargebiet einen großen Teil der leitenden Beamten in der Staats- und Parteiverwaltung stellten3t, eine Rolle gespielt haben. Reimerich bestand aus Gründen der Verwaltungsökonomie und nicht zuletzt, um Zugriff auf die Kohleproduktion der Saar zu bekommen, auf der vollständigen Unterstellung. Da die Besatzungsmacht in diese mit teilweise massiven Vorwürfen ausgetragene Kontroverse32 nicht mit einer Entscheidung eingriff, mußten die Deutschen einen Kamprarniß 24 C. F. Latour/T. Vogelsang, Okkupation, S. 97; vgl. L. Bergsträsser, Zeugnisse, S. 398. 2s G. Kratz, Mittelrhein-Saar, S. 28. 28 K. G. Faber, Südliche Rheinlande, S. 457. Bergsträsser trug dabei Pläne zur Bildung einer Provinz mit einem Oberpräsidium in Frankfurt vor. Im einzelnen dazu: G. Kratz, S. 28; C. F. Latour/T. Vogelsang, Okkupation, S. 97 ff. m. w. N.. Der amerikanische Druck auf Bergsträsser könnte erklären, warum er keine eindeutige Stellung bezog (dazu G. Kratz, S. 29). 27 Zu den Grenzkorrekturen im rheinhessischen Raum vgl. G. Kratz, Mittelrhein-Saar, S. 29 f., und R . Falck, Sechs Jahre. 28 Vgl. Ernennungsschreiben des Polizeipräsidenten Steffan in Mainz vom 27. 3. 1945 im Privatarchiv Kehr. 29 Dazu G . Kratz, Mittelrhein-Saar, S. 30 f.; R . H. Schmidt, Saarpolitik I, S.160. so Vgl. Taschenbuch 1943, S. 137 ff., und Personalliste vom 18. 5. 1945 im Nachlaß Heimerich, LA Speyer, V 10- 2. 31 Siehe dazu: F. Jacoby, Nationalsozialistische Herrschaftsübernahme,

S. 164.

32 Vgl. Protokoll der Besprechung in Saarbrücken vom 22. 5. 1945 im Nachlaß Heimerich, LA Speyer, V 10- 3.

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3. Die Provinz Saarland-Pfalz-Südhessen

finden. Ende Mai einigte man sich darauf, in Saarbrücken eine Außenstelle des Oberpräsidiums zu errichten, die vor allem in Wirtschaftsfragen koordinierend tätig sein sollte33• Praktisch blieb damit das Regierungspräsidium unter Neureuther selbständig; die Spannungen zwischen Saarbrücken und Neustadt bestanden weiterhin34• Die stärksten Sorgen freilich bereitete Reimerich und seinen Mitar:heitern die nahe Grenze, die die vier von den Franzosen besetzten südpfälzischen Landkreise und die Stadt Speyer von der Provinz SaarlandPfalz-Südhessen abteilte35• Die Franzosen hatten dieses Gebiet strikt abgeriegelt; es fand kein Güteraustausch mit den umliegenden Kreisen mehr statt, der Personenverkehr war fast völlig unterbunden. Die in Speyer ansässigen, am Ort gebliebenen Beamten der dortigen Dienststellen konnten daher, von Ausnahmen abgesehen, nicht in Neustadt tätig werden36• Auch eine Überführung der in Speyer lagernden Akten einzelner Zweige der Verwaltung der Pfalz kam nicht zustande, obwohl die Amerikaner auf Drängen Reimerichs zugesagt hatten, sich dafür einzusetzen37• Vorschläge Reimerichs, die auf eine Verbesserung der Zusammenarbeit des Oberpräsidiums mit den Landräten der vier Kreise 38 abzielten, waren nicht zu verwirklichen. Die einzige Kontaktstelle blieb der französische Verbindungsoffizier bei der amerikanischen Militärregierung in Neustadt. Eine zusätzliche Belastung bildeten die vom französischen Besatzungsgebiet ausgehenden Gerüchte über eine baldige Übernahme des gesamten Raumes durch die Franzosen, die die Arbeit der Regierung Reimerich nicht unerheblich erschwerten39• 33 H.-J. Wünschel, Separatismus, S. 34 f. Infolge des Wechsels der Besatzungsmacht kam es nicht mehr zur Einrichtung dieser Stelle. 34 Vgl. Protokoll der Regierungspräsidentenkonferenz vom 14. 6. 1945 im Nachlaß Heimerich, LA Speyer, V 10-2. 35 Siehe G. Wolfj, Die Pfalz, S. 49. 36 Zu den Ausnahmen zählten einige Beamte der Postverwaltung. Dazu Tätigkeitsbericht von Machold vom 11. 7. 1945 (s.o. Anm. 8). 37 Vgl. Protokoll der Besprechung vom 10. 5. 1945 im Nachlaß Heimerich, LA Speyer, V 10-3. 38 Eine gemeinsame Behörde aller vier Kreise und der Stadt Speyer existierte nach G. Wolff (Die Pfalz, S. 49) nicht. Nach K.-H. Rothenberger, Hungerjahre, S. 60, gab es hingegen in Speyer ein für alle vier Kreise zuständiges "Landesernährungsamt Pfalz", welches die französische Besatzungsmacht am 21. 4. 1945 eingerichtet hatte. Infolge der Abtrennung der vier Kreise von dem amerikanisch besetzten Gebiet waren hier die Lebensmittelrationen noch geringer als dort (G. Wolfj, S. 49). 39 Vgl. Protokolle der Besprechung III vom 14. 5. 1945 (in: Nachlaß Heimerieb, LA Speyer, V 10 - 3). Die Gerüchte fanden eine Stütze in Rundfunkmeldungen über die zukünftige Zoneneinteilung (vgl. Niederschrift der Besprechung II vom 14. 5. 1945 im Nachlaß Heimerich, V 10- 3). Siehe auch Rundschreiben des Oberregierungspräsidenten vom 27. 6. 1945 im Nachlaß Heimerieb, LA Speyer, V 10- 1.

c) Grenzziehung

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Bereits Mitte Mai wurde erzählt, der in Landau residierende französische General habe geäußert, daß er bald "Herr in der Pfalz" sei40 • Die Mitarbeiter des Oberpräsidiums hielten einen Wechsel der Besatzungsmacht in der Provinz für durchaus möglich und rechneten damit, daß die Franzosen dann ihre eigene deutsche Verwaltung, bestehend aus nach 1933 nach Frankreich geflohenen Emigranten, mitbringen würden. Diese Befürchtungen erwiesen sich hinsichtlich der Verwaltung im Gebiet des späteren Rheinland-Pfalz- von wenigen Ausnahmen abgesehen- als unbegründet. Nur von einem der leitenden Verwaltungsbeamten, dem Kohlenzer Präsidialdirektor Gräfe, wissen wir, daß er sich nach 1933 einige Zeit in Frankreich aufgehalten hatte 41 • Es ist denkbar, daß die Bemühungen Heimerichs, die Rheingrenze zwischen Baden und der Pfalz aufzuheben und Nordbaden mit der Pfalz zusammenzuschließen, mit der erwarteten französischen Besetzung der gesamten Pfalz zusammenhängen42 • Reimerich schwebte eine Gebietseinheit vor, die die Pfalz, das Saargebiet, Nordbaden, Teile von HessenDarmstadt und anliegende Randkreise umfassen sollte. Seine Vorstellungen über die Errichtung einer "Provinz Kurpfalz" trug Reimerich der Besatzungsmacht schon frühzeitig vor43 • Anfang Juni wurde eine Denkschrift an amerikanischeund deutsche Dienststellen versandt, in der unter Hinweis auf die wirtschaftlich gesunde und ausgeglichene Struktur einer solchen Provinz die notwendigen Grenzänderungen verlangt wurden". Während Reimerich mit seinen Neugliederungsplänen auf deutscher Seite nicht selten auf Ablehnung stieß 45 , zeigten die Amerikaner ·ein gewisses Interesse für seine Vorstellungen48. In welchem Umfang sie allerdings seine Pläne unterstützten, Protokoll der Besprechung III vom 14. 5. 1945 (vgl. Anm. 39). Zu erwähnen ist, daß immerhin drei der führenden pfälzischen SPDPolitiker (Kuraner, Ludwig und Roth) zu dem Personenkreis der nach Frankreich emigrierten Politiker zählten. (Dazu und zu ihrer Politik vgl. H.-J. Wünschel, Drei Dokumente, S. 104). Demgegenüber war die Zahl der Emigranten, die im Saargebiet nach 1945 in Schlüsselfunktionen in Regierung und Verwaltung aufrückten, sehr viel größer (vgl. D. M. Schneider, Saarpolitik, 40 41

s. 531 ff.).

42 Nach H .-J. Wünschel, Separatismus, S. 41, sollte die Verzahnung linksund rechtsrheinischen Gebiets helfen, die unter den Franzosen denkbaren separatistischen Bewegungen nicht zu stark werden zu lassen (so auch Dr. Anschütz gegenüber dem Verf. am 19. 3. 1977). 43 Vgl. Rede Heimerichs vom 18. 5. 1945 (G. Kratz, Mittelrhein-Saar, S. 19; s. Teil Il, Kap. 2, Anm. 36). 44 Denkschrift des Mannheimer Stadtsyndikus Cahn-Garnier (in: Nachlaß Heimerich, LA Speyer, V 10- 14). Teile des Inhalts sind bei G. Kratz, Mittelrhein-Saar, S. 56 ff. abgedruckt. 45 C. F. LatourfT. Vogelsang, Okkupation, S. 99. Heimerieb bemühte sich u. a., führende Verwaltungsbeamte im Kreis Birkenfeld für seine Pläne zu gewinnen (W. Beyer, Grenzkreis Birkenfeld, S. 27). 46 H.-J. Wünschel, Separatismus, S. 42; E. Walz, Regierung Heimerich, S. 64.

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3. Die Provinz Saarland-Pfalz-Südhessen

ist nicht feststellbar. Bemerkenswert ist, daß sie Hinweise auf den gewünschten Zusammenschluß links- und rechtsrheinischen Gebietes ("Großpfalz") aus dem Manuskript einer Rundfunkansprache Heimerichs strichen47 , vermutlich aus Rücksichtnahme auf die verbündeten Franzosen. d) Kooperation mit der Besatzungsmacht

und Anfänge der Behördentätigkeit in Neustadt

Die Zusammenarbeit zwischen Militärregierung und deutscher Zivilverwaltung gestaltete sich nach einer kurzen Anlaufphase, bei der, insbesondere von amerikanischer Seite, ein gewisses Mißtrauen spürbar blieb, durchaus befriedigend48• Dabei spielten die offensichtlich guten Beziehungen zwischen den leitenden Mitarbeitern des Oberpräsidiums und den führenden Offizieren der Militärregierung49 eine wesentliche Rolle. Reibungen traten, soweit sie nicht auf sprachlichen Mißverständnissen beruhten, nur dort auf, wo nachgeordnete Dienststellen der Besatzungsmacht ohne Abstimmung mit der vorgesetzten Militärregierung Anweisungen an deutsche Behörden gaben50 • Die leitenden Mitarbeiter des Oberpräsidiums wurden von den Amerikanern mitverpflegt51 • Sie erhielten besondere Dienstausweise, die jedoch Übergriffe durch einzelne Soldaten nicht völlig verhindern konnten52 • Trotz aller Unterstützung durch die Besatzungsmacht ist es jedoch bis etwa Ende Mai zu keiner umfassenden Verwaltungstätigkeit des Oberpräsi-diums gekommen53• Die wenigen Mitarbeiter der neuen Behörde mußten sich zunächst ein Bild von dem ihnen fremden Verwaltungsgebiet und den ihnen darin anvertrauten Aufgaben machen. Zwar hatten 47 Manuskript im Nachlaß Heimerich, V 10- 14. Dazu Schriftwechsel Heimerich-Landin vom 23.- 28. 6. 1945 (Nachlaß Heimerich, LA Speyer, V 10- 14). 48 E. Walz, Regierung Heimerich, S. 66 ; siehe dazu auch P. Beyersdorf, Militärregierung, S. 56 ff., für die sich schnell verbessernde Zusammenarbeit zwischen Deutschen und Amerikanern auf örtlicher Ebene. 49 So führte z. B. das gute Einvernehmen zwischen Heimerieb und Oberstleutnant Newman, dem Chef der Militärregierung in Neustadt, dazu, daß Newman nach der Übernahme der Funktion des Chefs der Militärregierung in Groß-Hessen zunächst vorhatte, Heimerieb als Ministerpräsident dort einzusetzen (vgl. dazu Teil li, Kap. 6). Newman beauftragte Heimerieb auch nach dem Ende ihrer gemeinsamen Tätigkeit in Neustadt mit Sonderaufgaben, z. B. der Erstellung eines Gliederungsvorschlages für die deutsche Zivilverwaltung im Gebiet der 7. US-Armee (Memorandum im Nachl. Heimerich, LA Speyer, V 10- 18). Zum Gebiet der 7. US-Armee vgl. C. F . Latour/T. Vogelsang, Okkupation, S. 98. 50 E. Walz, Regierung Heimerich, S. 66. 51 Mdl. Auskunft von Dr. Anschütz vom 19. 3. 1977. 5 2 E. Walz, S. 66. 53 Vßl. A, Mitscherlich, Ein Leben, S. 131 f.

a) Regierungsbezirk Trier

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die Amerikaner bei der offiziellen Amtseinführung der leitenden Mitarbeiter des Oberpräsidiums am 18. Mai 1945 fast alle Landräte und Oberbürgermeister der Provinz versammelt54, denen dabei auch Gelegenheit geboten wurde, ihre Sorgen und Probleme darzustellen65 • Jedoch reichte dieser Erfahrungsaustausch nicht aus, den notwendigen Informationsfluß zwischen den Verwaltungen zu sichern. In der Folgezeit bemühten sich Reimerich und seine Mitarbeiter daher, die einzelnen Kreise und Städte aufzusuchen56, um dort die nötigen Absprachen zu treffen, bzw. gestützt auf die Autorität der Militärregierung, Anweisungen zu geben. 4. Der Wiederaufbau der Behörden in den Bezirken Trier und Koblenz ab März 1945 a) Regierungsbezirk Trier

Nachdem die Amerikaner Bernkastel, den Ort, in den das Regierungspräsidium Trier ausgelagert worden war, erobert hatten, untersagten sie den dort verbliebenen Beamten jegliche Verwaltungstätigkeit1 • Mit diesem Verbot belegte man übrigens auch die wenigen Kreis- und Gemeindeverwaltungen, die die fast totale Evakuierung des Bezirks2 überstanden hatten. Während im Pfälzer Raum den wenige Tage nach dem Einmarsch ernannten Landräten die Reorganisation ihrer Kreisverwaltung überlassen blieb und erst Wochen später eine überregionale Administration geschaffen wurde, verlief die Entwicklung im Bezirk Trier aus bislang unbekannten Gründen genau umgekehrt: Hier entstand zunächst die Oberbehörde, die dann beim Aufbau der unteren Verwaltung Einfluß nehmen konnte. Eine Ausnahme machte die Stadt Trier. Dort hatten die Amerikaner wenige Tage nach der Besetzung der Stadt den Weinhändler und Direktor -des Trierer Bürgervereins, F. Breitbach, zum "Zivilleiter", d. h. Bürgermeister, berufen3• 54 Wegen der Mitte Mai noch ungeklärten Zuordnung von Südhessen hatte man nur die Landräte und OB der Pfalz und des Saarlandes versammelt (vgl. Rede Reimerichs in: G. Kratz, Mittelrhein-Saar, S. 19; siehe auch oben Anm.43). 55 Vgl. Protokoll der Veranstaltung vom 18. 5. 1945 im Nachlaß Heimerich, LA Speyer, V 10 - 2. 56 Zu den Rechtsfragen bei der vorgesehenen Requisition von Fahrzeugen, die man für diese Fahrten benötigte, siehe Protokoll vom 10. 5. 1945 im Nachlaß Heimerich, LA Speyer, V 10 - 3. 1 Nachlaß Lange, LHA Koblenz, Best. 700,86- 11. 3. 1945. 2 M. Gante77.berg/A. Zimmer, Gründungsgeschichte, S. 7 f. 3 E. Zenz, Reorganisation, S. 137 f., und schriftliche Mitteilung von Dr, Dirks vom 14. 6. 1978. -

4. Der Wiederaufbau der Behörden ab März 1945

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An ihn wandten sie sich, als Mitte März das Regierungspräsidium wieder eingerichtet werden sollte und geeignete Mitarbeiter gesucht wurden•. Breitbach empfahl den ihm als Gegner des Nationalsozialismus bekannten Trierer Rechtsanwalt und Geschäftsführer der Paulinusdruckerei, Wilhelm SteinleinS, den die Amerikaner am 20. März 1945 zum Regierungspräsidenten in Trier ernannten6 • Steinlein nahm dann zusammen mit dem gleichfalls von Breitbach vorgeschlagenen Landwirtschaftsexperten Dirks die weitere Personalauswahl vor. Noch am 20. März konnte Steinlein mit einem Stab von fünf Mitarbeitern die Arbeit aufnehmen7 • Das Regierungspräsidium Trier war damit die erste von den Alliierten 1945 eingerichtete deutsche Behörde oberhalb der Kreisebene8 • Während die bis Ende März berufenen Mitarbeiter vorher meist nicht in der Verwaltung tätig waren, sondern auf Grund spezieller Kenntnisse, z. B. im Ernährungs- oder Verkehrswesen, herangezogen wurden9 , stellte man von da an zunehmend frühere Verwaltungsbeamte ein. Bis Anfang April kamen mehrere höhere Beamte des früheren Regierungspräsidiums hinzu, wobei nur zwei zu dem Kreis der vom Berufsbeamtengesetz Betroffenen gehörten10 • Einer der leitenden Beamten der Anfang März 1945 in Bernkastel aufgelösten Bezirksregierung, Dr. MichePt, wurde am 1. April1945 zum Vizepräsidenten ernannt12• Michel war u. a. für die Reorganisation des Regierungspräsidiums zuständig. Beim Ausbau hielt er sich zunächst an das bisherige preußische Gliederungsschema13, erweiterte es allerdings um eine Abteilung, die für Auskunft von Dr. Dirks vom 14. 6. 1978. Wilhelm SteinZein (1901- 1974), Dr. jur., ab 1929 Rechtsanwalt in Trier, später auch Geschäftsführer der Paulinus-Druckerei, ab 20. 3. 1945 Regierungspräsident von Trier, daneben ab 1948 Staatssekretär im Ministerium für Wirtschaft und Verkehr von Rheinland-Pfalz. 8 Nachlaß Lange, LHA Koblenz, Best. 700, 86 20. 3. 1945. Die offizielle Berufung durch die Amerikaner datiert vom 28. Mai 1945 (siehe Bestätigung durch das Detachement F2G2 vom 7. Juli 1945 im Nachlaß Steinlein, LHA Koblenz, Best. 700, 134 Nr. 6). 7 Nachlaß Lange, LHA Koblenz, Best. 700,86-20.3. 1945. 8 Im Regierungsbezirk Aachen, der von den Alliierten z. T. schon sehr viel früher erobert worden war, wurde erst am 25. 3. 1945 eine überregionale Verwaltung geschaffen (P. Hüttenberger, Nordrhein-Westfalen, S. 162). Hüttenherger nimmt für Trier offenbar einen späteren Zeitpunkt an. Hinsichtlich Trier zutreffend C. F. Latour/T. Vogelsang, Okkupation, S. 66. 9 Auskunft von Dr. Dirks vom 14. 6. 1978. 10 Nachl. Lange, LHA Koblenz, Best. 700, 86 28. 3. 1945; Auskunft von Dr. Dirks vom 14. 6. 1978. 11 Taschenbuch 1943, S. 236. 12 Nachlaß Lange, LHA Koblenz, Best. 700, 86- 1. 4. 1945. 13 Mitteilung von Dr. Dirks vom 14. 6. 1978. 4

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a) Regierungsbezirk Trier

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die bis dahin von der Provinzialverwaltung oder Sonderbehörden14 betreuten Aufgaben zuständig sein sollte. Später wich man dann von diesem Konzept ab und schuf für die auf amerikanische Weisung einzugliedernden Sonderverwaltungen, u. a. den Reichsnährstand, die Forstverwaltung und die Finanzverwaltung, neue Abteilungen15• Vizepräsident Michel sorgte allem Anschein nach auch dafür, daß die Mitarbeiter der alten Bezirksregierung am 10. April von Bernkastel nach Trier gebracht und großteils wieder beschäftigt wurden18• Teilweise brachten die höheren Beamten, die meist bis zum Zusammenbruch Dienst getan hatten, frühere Kollegen aus anderen Gebieten bei der Behörde unter17• Der weitere personelle Ausbau der Behörde vollzog sich trotz massiver Schwierigkeiten bei der räumlichen Unterbringung recht zügig, so daß das Regierungspräsidium schon Mitte April die Verantwortung für die damals vordringlichste Aufgabe, die Lebensmittelversorgung, von der Stadtverwaltung übernehmen konnte18• Die sich abzeichnende bevorzugte Beschäftigung von Laufbahnbeamten, vor allem aber die vielfach identische Personalbesetzung des Regierungspräsidiums vor dem 9. März und ab April hatte zur Folge, daß die Frage nach dem Fortbestand der Beamtenverhältnisse nicht gestellt wurde. Wie selbstverständlich ging man von dem Weiterbestehen der Dienstbeziehung im Rahmen .der herkömmlichen Rechtsformen aus, wie sich u. a. aus einem der ersten Erlasse des Regierungspräsidenten ablesen läßt: Die Besoldung der Beamten wurde um 50 Ofo gekürzt, der Fortbestand der Dienstverhältnisse selbst mit keinem Wort in Frage gestellt19• Die Auffassung, wonach die tatsächliche Machtübernahme 14 Dazu gehörte u. a. die Arbeitsverwaltung, die vorher zur Provinzialverwaltung gehörte. Zur Gliederung: Nachlaß Lange, LHA Koblenz, Best.

700, 86- 10. 4. 1945.

15 Bericht über die Tätigkeit der Regierung bis zum 19. 4. 1945 (Nachlaß Steinlein, LHA Koblenz, Best. 700, 134, Nr. 1). 16 Vgl. Personallisten im Nachlaß Lange, Best. 700, 86- 11. 3. 1945 und 1. 7.

1945.

17 Vgl. Personalliste im Nach!. Lange (Dat. 1. 7. 1945) und im Hdb. über den Preuß. Staat 1928 bzw. 1938 (Fecker, Hauch). 18 E. Zenz, Reorganisation, S. 139, Anm. 12. Zu den weiteren Tätigkeiten des Regierungspräsidiums vgl. im einzelnen die wöchentlichen Rechenschaftsberichte des Regierungspräsidenten an die Besatzungsmacht im Nachlaß Steinlein, LHA Koblenz, Best. 700, 134, Nr. 1. Siehe auch Tagesordnungspunkte der Landrätedienstbesprechungen im Nachlaß Lange, LHA Koblenz, Best. 700, 86- ab 18. 4. 1945. 19 Erlaß vom 25. 4. 1945 (Amtsblatt Trier vom 19. 5. 1945 ABI. 45/4). Die Kürzungen, die bei der Beamtenschaft auf Widerstand stießen, mußten bald wieder aufgegeben werden. Dazu Manuskript von Steinlein: "Vor 5 Jahren -Erste Begegnung mit der Besatzung" in: Nachlaß Steinlein, LHA Koblenz, Best. 700,134, Nr. 9. Vgl. auch Nachlaß Lange, 700,86- 17. 4. 1945 und 17. 7. 1945, sowie R. Laufner, Geschichte des Regierungsbezirks, S. 28. Auch die am 10. 7. 1945 den Regierungsbezirk übernehmende franz. Besatzungsmacht lehnte

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4. Der Wiederaufbau der Behörden ab März 1945

durch die Alliierten die Rechtsstellung der Beamten nicht berührt habe, vertrat man auch gegenüber den Amerikanern: Anfang Juni war es möglicherweise durch eine amerikanische Sondereinheit20 - zu einer umfassenden politischen Überprüfung der Mitarbeiter des Regierungspräsidiums gekommen. Die Untersuchung hatte zur Dienstenthebung fast aller leitenden Beamten geführt21 • In einer Vorlage an die Besatzungsmacht22 wies die deutsche Seite darauf hin, daß die von den Amerikanern verfügten Maßregelungen zunächst keine beamtenrechtlichen Auswirkungen haben könnten. Der nach deutschem Recht auf Lebenszeit angestellte Beamte sei gegen seinen Willen nur in einem förmlichen Disziplinarverfahren, in dem auch über die Versorgung verhandelt werden müsse, zu entlassen. So lange das Deutsche Beamtengesetz in Kraft sei, könne auch eine unmittelbare Entlassung durch die Militärregierung nicht in Betracht kommen. Daneben wurden praktische Gesichtspunkte aufgeführt, die gegen eine sofortige Entfernung früherer NSDAP-Mitglieder sprachen23• In einer weiteren Gegenvorstellung vom 13. Juni 194524 wies Steinlein u. a. darauf hin, daß die Beamten nach 1937 verpflichtet waren, der NSDAP anzugehören. Welche Argumente die Amerikaner überzeugten, wissen wir nicht; auf alle Fälle konnten die meisten leitenden Beamten daraufhin auf ihrem Posten bleiben25• Anfang April wurden innerhalb weniger Tage die Landräte fast aller Kreise des Bezirks ernannt. Bei der guten Zusammenarbeit zwischen Besatzungsmacht und Regierungspräsident25 ist anzunehmen, daß Steinlein in die Auswahl eingeschaltet war. eine starke Kürzung der Beamtengehälter ab (vgl. dazu Ausführungen von General Eillatte in der 1. Sitzung des Französisch-deutschen Rates am 22. 8. 1945; Protokoll im Nachlaß Steinlein, LHA Koblenz, Best. 700. 134, Nr. 1). 20 Vgl. L. Niethammer, Entnazifizierung, S. 149. 21 Vgl. Bericht über die Tätigkeit der Regierung in der Zeit vom 2. bis 8. Juni 1945 im Nachlaß Steinlein, LHA Koblenz, 700, 134, Nr. 1. Dazu auch Nachlaß Lange, LHA Koblenz, Best. 700, 86- 2. 6. 1945. 22 Vorlage betr. Entlassung der Beamten (o. D.- angefertigt um den 10. 6. 1945) im Nachlaß Steinlein, LHA Koblenz, Best. 700, 134, Nr. 1. 23 Vorlage betr. Entlassung der Beamten (o. D. angefertigt um den 10. 6. 1945) im Nachlaß Steinlein, LHA Koblenz, Best. 700, 134, Nr. 1. 24 Nachlaß Steinlein, LHA Koblenz, Best. 700, 134, Nr. 1. 25 Vgl. Angaben bei Anm. 16. Für den ähnlichen Ablauf der Entnazifizierung bei der Stadtverwaltung Trier vgl. E. Zenz, Reorganisation, S. 140. 28 So Dr. Dirks im Schreiben vom 14. 6. 1978: vgl. auch den Entwurf einer Ansprache vor US-Militärs am 1. 6. 1945 (Nachlaß Steinlein, Best. 700, 134, Nr. 9), der eine von gegenseitiger Offenheit geprägte Kooperation erkennen läßt. Steinlein konnte es wagen, eigenmächtige Requisitionen durch USSoldaten anzuprangern. Vgl. dazu Bericht "Vor 5 Jahren- Erste Begegnung mit der Besatzung" im Nachlaß Steinlein, LHA Koblenz, Best. 700, 134, Nr. 9.

a) Regierungsbezirk Trier

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Von den sieben namentlich bekannten Landräten waren zwei bis zum Zusammenbruch als Amtsbürgermeister tätig gewesen27 • Zwei der neuen Verwaltungsleiter, die Landräte von Wittlich und Saarburg, Castenholz28 und Hüpper29, gehörten zu den von den Nationalsozialisten ihrer Funktion enthobenen politischen Beamten in Preußen. Castenholz hatte vor 1933 als Vizepräsident in Düsseldorf, der dem Zentrum angehörende Hüpper als Oberbürgermeister in Krefeld amtiert. Der in Bernkastel als Landrat eingesetzte Kremmler30 war von 1919 bis 1925 in der preußischen Administration beschäftigt; er gehörte zu dem kleinen Kreis der in der Weimarer Republik zu Landräten berufenen Außenseiter. Ohne Verwaltungsfachkenntnisse war vermutlich der in Prüm eingesetzte Landrat, der Landwirt Thome3\ der als preußischer Landtagsabgeordneter des Zentrums (1932/33) politisch unbelastet war. Am 11. April1945 fand bereits die erste Besprechung zwischen Steinlein und den Landräten statt32, in der neben dem dringlichen Problem der Ernährung auch allgemeine Verwaltungsfragen erörtert wurden. Bei den nächsten allwöchentlichen Konferenzen mit den Landräten kamen dann u. a. Einstellungs-, Besoldungs- und Pensionsfragen zur Diskussion33. Anfang Juni, also zu dem Zeitpunkt, zu dem die Amerikaner den Bezirk Trier dem Oberregierungspräsidium in Neustadt unterstellten, existierte hier ein mit zumeist erfahrenen Verwaltungsbeamten besetzter Behördenapparat, der eine wirksame Steuerung der Versorgung der deutschen Bevölkerung möglich machte. Nachlaß Lange, LHA Koblenz, Best. 700,86-3.4. 1945 und 9. 4. 1945. Alois Castenholz, Jurist, vor 1933 Regierungsvizepräsident in Düsseldorf, ab 1943 mit der Wahrnehmung der Geschäfte des Landrats in Wittlich beauftragt, ab 4. April 1945 Landrat in Wittlich, von Mitte bis Ende Mai 1945 Re27

28

gierungspräsident in Koblenz. · 29 Heinrich Hüpper, geb. 1887, Jurist, Landrat in Preußen, 1930 Obe rbürgermeister von Krefeld, 1933 entlassen, im April 1945 von den Amerikanern zum Landrat des Kreises Saarburg bestellt, ab 2. 1. 1946 Präsidialdirektor der Finanzen beim Oberpräsidium in Koblenz, zugleich Präsident des Landesfinanzamts in Koblenz, danach Präsident der Oberfinanzdirektion. Vor 1933 Mitglied des Zentrums. 30 Hans Georg Kremmler (1885 - 1966), Parteisekretär, ab 1919 beim Regierungspräsidium Düsseldorf tätig, von 1922- 1925 Landrat in Hamm/Westf., 1925 Ruhestand, schriftstellerisch tätig, 1945 Landrat in Bernkastel, ab Mitte 1946 Regierungsvizepräsident in Koblenz, 1949 Ruhestand. SPD-Mitglied. 31 Lebenslauf in: Landtagshandbuch Rheinland-Pfalz, III. Wahlperiode, S. 225; Namen bzw. Lebensdaten der restlichen Landräte waren nicht zu ermitteln. 32 Bericht über die Tätigkeit der Regierung bis 19. 4. 1945 (Nachlaß Steinlein, LHA Koblenz, Best. 700, 134, Nr. 1). 33 Vgl. Bericht über die Tätigkeit des Regierungspräsidiums vom 19. 4. bis 24. 4. 1945 - (Nachl. Steinlein, wie Anm. 32). Vgl. dazu auch: Nachlaß Lange, Best. 700, 86 - 16. 5. 1945, wonach in der Konferenz vom 16. 5. über die Einstellung von Anwärtern gesprochen wurde.

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4. Der Wiederaufbau der Behörden ab März 1945

b) Regierungsbezirk Koblenz In Koblenz hatten Anfang April die Amerikaner den damals in Coehern wohnenden früheren Oberpräsidenten der Rheinprovinz, Fuchs34, mit der Bildung eines Regierungspräsidiums beauftragt35• Mit einigen am Ort gebliebenen Beamten des Oberpräsidiums bzw. des Regierungspräsidiums begann Fuchs den Wiederaufbau der Verwaltung. Zum vorläufigen Stellvertreter wurde der vorher im Oberpräsidium beschäftigte Regierungsdirektor Aloys Becker berufen3 a. Zu einem Tätigwerden der Behörde von Fuchs ist es allerdings kaum gekommen. Das Protokoll einer im April 1945 abgehaltenen Landräte-Konferenz besagt, daß man sich dabei ausschließlich mit Fragen der Ernährung der Bevölkerung befaßte37• Bereits Ende April wurde Fuchs von der Besatzungsmacht mit Vorarbeiten für den Aufbau einer größeren Verwaltungseinheit betraut38 und als sein Nachfolger Landrat Castenholz aus Wittlich39 ernannt. Die für den weiteren Ausbau notwendige Einstellung neuen Personals war jedoch nicht ganz einfach, da viele Personalvorschläge von katholischen Geistlichen kamen und die Amerikaner hier skeptisch waren, ob es sich dabei um eine am Gemeinwohl orientierte Empfehlung oder Ämterpatronage zugunsten von Zentrumsmitgliedern handelte40 • Da die Besatzungsmacht bei ihr·e n personalpolitischen Entscheidungen- gleichgültig, ob sie selbst die Auswahl traf oder sich nur die Zustimmung vorbehielt - keine politische oder konfessionelle Gruppierung bevorzugen wollte, vertrauenswürdige Informanten anderer Richtungen offenbar kaum vorhanden waren, sperrte sich das in Koblenz ansässige Detachement E1G2 wohl gegen einen raschen personellen Ausbau des dortigen Regierungspräsidiums41 • Der Unterschied zur zügigen Erweiterung des Regierungspräsidiums Trier in dieser Zeit kann nur darauf zurückgeführt werden, daß man bei dem in Trier "regierenden" Detachement ähnliche Bedenken nicht zu haben schien42• 34 Nach F.-J. Heyen, Hans Fuchs, S. 174, hatte sich Fuchs bereits im März 1945 den Amerikanern zur Verfügung gestellt. as P. Hüttenberger, Nordrhein-Westfalen, 8 . 162; F. Emmrich/H. Köppe, Bezirksregierung Koblenz, S. 76 ff. 36 P. Hüttenberger , S. 162. 37 F. Emmrich/H. Köppe, S. 78. 38 Einzelheiten siehe nächstes Kapitel. 39 Vgl. Bericht über die Tätigkeit der Regierung (Trier) in der Zeit vom 12. bis 18. 5. 1945 im Nachlaß Steinlein, LHA Koblenz, Best. 700, 134, Nr. 1. 40 E. F. Ziemke, US Army, S. 272. u E. F. Ziemke, S. 272. 42 Zur kritischen Haltung einzelner Militärverwaltungsoffiziere gegenüber der Kirche vgl. P. Hüttenberaer, Nordrhein-Westfalen, S. 161.

b) Regierungsbezirk Koblenz

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Ob die mit der Personalgewinnung verbundenen Probleme oder die Tatsache, daß Castenholz und sein Stellvertreter Wandersleb 43 zumindest in den letzten Jahren vor 1945 wieder im Staatsdienst waren, zu ihrer Ablösung führte, ist nicht bekannt. Jedenfalls mußten beide schon Ende Mai 1945 ihren Posten wieder räumen44 • Anfang Juni betraute der Chef des nun in Koblenz tätigen Detachements F3G2 45 wiederum einen preußischen Verwaltungsbeamten, den Landrat von Altenkirchen, Wilhelm Boden46 , mit dem Amt des Regierungspräsidenten. Nachdem sich die deutschen Beamten bisher offenbar wenig mit der Organisation und Zuständigkeit des Regierungspräsidiums beschäftigt hatten, was sicherlich auf den geringen Personalbestand und den zweimaligen Wechsel in der Spitze der Behörde zurückzuführen ist, änderte sich dies nach dem Amtsantritt Bodens. Ab Mitte Juni war das Regierungspräsidium nach preußischem Vorbild in drei Abteilungen gegliedert, wobei nur das Aufgabengebiet der dritten Abteilung (Wirtschaft, Domänen und Forsten47) leicht erweitert wurde48, während die beiden 43 Hermann Wundersleb (1895- 1976), Dr. jur., 1923- 1925 Assessor im preußischen Innenministerium, anschließend im preuß. Ministerium für Handel und Gewerbe. 1927 - 1933 Landrat in Querfurt. Bis 1945 Oberregierungsrat im Regierungspräsidium Aachen. Im Mai 1945 kurzzeitig Vizepräsident in Koblenz, dann Vizepräsident des Oberpräsidiums der Nordrhein-Provinz. 1946 Chef der Landeskanzlei Nordrhein-Westfalen, ab 1949 Staatssekretär im Bundesministerium für Wohnungsbau. 44 P. Hüttenberger, Nordrhein-Westfalen, S. 163, spricht von einer Intrige. 45 Das vorher in Koblenz ansässige Detachement E1G2 war offenbar für die gesamte Rheinprovinz zuständig gewesen (vgl. dazu C. F. Latour/T. Vogelsang, Okkupation, S. 38 f.; siehe auch Teil II, Kap. 1, Anm. 16). Im Zuge der Umorganisation der Militärverwaltung Anfang Juni 1945 (siehe nächstes Kapitel) wurde es durch die genannte Einheit abgelöst. 46 Wilhelm Boden (1890- 1961), Dr. jur., 1915 II. Staatsprüfung, ab 1916 Stadtassessor in Köln, ab 1918 Regierungsassessor, ab 1919 Landrat des Kreises Altenkirchen, 1919- 1920 und 1929- 1933 Mitglied des Provinziallandtages (zuerst parteilos, ab 1929 für das Zentrum). 1931 - 1932 Mitglied des preußischen Staatsrates, 1932 - 1933 Abgeordneter im preußischen Landtag. Im November 1933 als Landrat abgelöst, anschließend Verwaltungsrechtsrat in Köln, daneben Rechtsberater beim Erzbischöflichen Ordinariat, dann Tätigkeit in der freien Wirtschaft, 1942 dienstverpflichtet im städtischen Verwaltungsdienst Köln. Am 20. 4. 1945 zum Landrat in Altenkirchen ernannt, am 5. 6. zum Regierungspräsidenten in Koblenz berufen. Ab 2. 1. 1946 Oberpräsident von Rheinland-Hessen-Nassau. Am 2. 12. 1946 erster Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz; nach der Wahl vom 18. 5. 1947 Anfang Juli durch Altmeier abgelöst. Ab 1947 Präsident der Landeszentralbank. Mitglied der Beratenden LV, ab 1947 MdL und Vorsitzender der CDU-Fraktion. ' 1 Im Protokoll über die Amtseinführung Bodens fälschlich: .,Wirtschaftsdomänen und Forsten" benannt (Protokoll vom 18. 5. 1945 im Nachlaß Heimerich, LA Speyer, V 10- 3). 48 Der Umfang der von der Abteilung III zu betreuenden Wirtschaftsaufgaben war nicht zu klären. Daher muß die Frage offen bleiben, wo die Funktionen des früheren Landeswirtschaftsamtes angesiedelt waren.

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4. Der Wiederaufbau der Behörden ab März 1945

anderen Abteilungen (Inneres sowie Kultus und Schulen) gegenüber früher unverändert wiedererstanden. Ähnlich wie in Trier übernahm das Regierungspräsidium daneben noch Aufgaben, die vor 1945 der Provinzialverwaltung oblagen. Boden schuf hier ein Arbeits- und Sozialamt, das eine eigene Abteilung seiner Behörde bildete49 • Die Position des Vizepräsidenten wurde dem ehemaligen Polizeidirektor von Ramm/Westfalen, Wilhelm Sommerw, übertragen, der ebenso wie der Leiter der Abteilung II, Hilderscheidt5 \ zu den vom Berufsbeamtengesetz betroffenen Beamten gehörte. Die Abteilung III führte Prof. Reinhold52• Hilderscheidt wie Reinhold verließen das Regierungspräsidium jedoch bereits bald wieder. Zum Leiter des Arbeits- und Soziaiamts berief man den ehemaligen Gewerkschaftsfunktionär und SPD-Reichstagsabgeordneten Paul Röhle53• Möglicherweise wurde Röhle von den Amerikanern in diese Position gebracht, wobei nicht auszuschließen ist, daß mit der Einstellung dieses erfahrenen sozialdemokratischen Politikers eine Art Gegengewicht zu den Vertretern des politischen Katholizismus geschaffen werden sollte. Insgesamt fällt auf, daß in Koblenz, im Unterschied zum Präsidium in Trier, die Spitze der Behör.de groBteils aus vor 1933 politisch bzw. als 49 Die in der "Civil administration directive Organisation Nr. 1" vom 13. 6. 1945 vom Detachement F3G2 festgelegte Gliederungsform mit sechs Abteilungen läßt das Bezirksverwaltungsgericht ("District Administration Court") und das OVA ("Public Insurance") als eigene Abteilungen erscheinen. (Anweisung im Nachlaß Heimerich, LA Speyer, V 10- 3.) Insoweit drängt sich der Verdacht auf, daß sich die Amerikaner nur oberflächlich informiert hatten. 50 Wilhelm Sommer (1892 - 1971), Dr. jur., 1920 li. Staatsprüfung, bis 1933 Polizeidirektor in Hamm/Westf., anschließend Verwaltungsrechtsrat in Köln, ab 5. 6. 1945 Vizepräsident im Regierungspräsidium Koblenz, ab Mai 1946 bis 30. 6. 1957 Regierungspräsident in Koblenz. 51 Hilderscheidt, Dr. phil., Oberschulrat beim Regierungspräsidium Köln, 1933 entlassen. Ab Juni 1945 Regierungsdirektor im Regierungspräsidium Koblenz, im Herbst 1945 aus Altersgründen ausgeschieden (Mdl. Mitteilung von Herrn Köppe vom 18. 10. 1977). 52 Nähere Angaben waren nicht zu ermitteln. 53 Faul Röhle (1885- 1958), Maler, 1911 Gewerkschaftsangestellter (Verband der Maler), ab 1916 Arbeitersekretär in Plauen/Vogtland. Ab 1919 Bezirksparteisekretär der SPD in Frankfurt, 1919 Mitglied der Verfassunggebenden Nationalversammlung, 1924- 1933 Abgeordneter des Reichstags; nach 1933 Handelsvertreter in Berlin, dann leitender Angestellter einer staatlichen Handelsgesellschaft. Ab Juni 1945 Regierungsdirektor im Regierungspräsidium Koblenz, später stellvertretender Präsidialdirektor im Oberpräsidium Rheinland-Hessen-Nassau, ab Oktober 1946 Präsidialdirektor (Abt. Arbeit und Wohlfahrt), ab 2. 12. 1946 Minister für Arbeit im Kabinett Boden, ab Juli 1947 Präsident des Landesarbeitsamtes, 1950 Ruhestand. Mitglied der Berat. LV, ab 1947 MdL Rheinland-Pfalz. Zum Verhalten von Röhle nach 1933 vgl. J. 0. Reinen, Auseinandersetzung, S. 37, und die Berichterstattung im Strafprozeß gegen FeUer u . a. (vgl. Zeitungsausschnitte im Nachlaß Wolff, LHA Koblenz, Best. 700, 145 Nr. 536/2).

b) Regierungsbezirk Koblenz

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politische Beamte tätigen Personen bestand. Dies dürfte neben der traditionellen Ausrichtung Triers nach Koblenz einer der Gründe dafür gewesen sein, daß sich die Trierer Behörde nach der Zerschlagung von Mittelrhein-Saar dem Kohlenzer Präsidium unter Boden faktisch unterordnete5\ obwohl die Verwaltung in Trier eher funktionierte und dort zunächst weitaus mehr verwaltungserfahrene Beamte arbeiteten. Auf der Kreisebene hatten die Amerikaner, wie anderwärts auch, nach ihrem Einmarsch zunächst jede Verwaltungstätigkeit unterbunden55• Bei der Ernennung der neuen Landräte im Bezirk Koblenz griff die Besatzungsmacht fast ausschließlich auf ortsansässige Juristen zurück: In fünf der elf Kreise wählte sie einen Richter oder Rechtsanwalt aus58• Verwaltungsjurist war nur der in Altenkirchen berufene Landrat Boden. Die in Cochem und Mayen eingesetzten früheren Amtsbürgermeister hatten wahrscheinlich ebenfalls eine juristische Ausbildung. Nur einer der Landräte kam aus dem gehobenen Verwaltungsdienst57• Soweit bekannt, war - mit Ausnahme Bodens - keiner der neuen Leiter der Kreisbehörden während der NS-Herrschaft verfolgt worden. Die vier nassauischen Kreise, die Mitte 1945 zur französischen Zone geschlagen wurden, unterstanden dem Regierungspräsidium Wiesbaden, das die Amerikaner Anfang Mai unter dem früheren Staatssekretär Bredow eingerichtet hatten58• In Nassau hatte die Besatzungsmacht bis Mitte April überall neue Landräte eingesetzt. Da sie hier darauf verzichtete, jede Weiterarbeit deutscher Beamter zu unterbinden, was möglicherweise mit dem schnellen Vorrücken der Alliierten im April zusammenhing, fanden die von den Amerikanern ernannten Verwaltungsleiter z. T. funktionierende Behörden vor59• Die personelle Kontinuität in den Kreisverwaltungen als auch auf örtlicher Ebene - wo nicht selten die vor 1933 amtierenden Bürgermeister wieder die Führung der Gemeinde übernahmeneo-war mit ursächlich dafür, daß die von Boden nach dem Anschluß der vier nassauischen Vgl. auch Teil li, Kap. 11. So z. B. P. Gräf, Landkreis Bad Kreuznach, S. 38; W. Beyer, Grenzkreis Birkenfeld, S. 27. 5 6 Die Angaben sind den Kreisbeschreibungen in F. Emmrich/H. Köppe, Bezirksregierung Koblenz, S. 17 ff., entnommen. 57 Zur Einstellung der Amerikaner gegenüber Beamten des gehobenen Dienstes vgl. oben Teil li, Kap. 2, Anm. 17. Die Vorbildung der restlichen Landräte war nicht zu ermitteln. 58 K. Müller, Preußischer Adler, S. 336 ff. 59 Dazu K. Müller, S. 340. 60 K. Müller, S. 340. 54

55

5. Die Provinz Mittelrhein-Saar

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Kreise an Koblenz betriebene Angleichung ihrer Kommunalverfassung an die des Rheinlandes auf heftigen Widerstand stieß 0t, der die Pläne Bodens scheitern ließ.

5. Die Provinz Mittelrhein-Saar a) Die Bildung der neuen Verwaltungseinheit Mitte Mai 1945 begannen die Amerikaner damit, einen Teil ihrer Streitkräfte aus Europa abzuziehen1 • Die dadurch notwendige Verlagerung von Truppenteilen brachte es mit sich, daß die Militärregierungsbezirke neu abgegrenzt werden mußten. U. a. wurde der der Militärregierung in Neustadt unterstellte Militärbezirk um die Regierungsbezirke Trier und Koblenz erweitert2 • Die Militärregierung ließ Reimerich am 24. Mai 1945 wissen, daß diese Teile der früheren Rheinprovinz mit der Provinz Saarland-Pfalz-Rheinhessen zusammengefaßt würden3 • Die zuständigen Offiziere des Detachements schlugen Reimerich dabei folgende Gliederung der deutschen Verwaltung vor: Für das gesamte Gebiet sollte ein Oberregierungspräsident ernannt werden, dem zwei Oberpräsidenten, einer für Saarland-PfalzRheinhessen und einer für Koblenz-Trier, unterstellt würden. Unter den Oberpräsidenten sollten dann eventuell noch Regierungspräsidenten fungieren. Den Vorschlag verbanden die Amerikaner mit dem eindeutigen Hinweis, daß Reimerich für die Position des Oberregierungspräsidenten vorgesehen sei: Die Stellen des Oberregierungspräsidenten und des Oberpräsidenten in Neustadt sollten durch Personalunion verbunden werden. Reimerich erhob trotzdem Bedenken gegen diesen Vorschlag, der nach seiner Meinung eine Überorganisation zur Folge haben müsse. Im übrigen sei man auf deutscher Seite schon allein auf Grund des bestehenden Personalmangels nicht in der Lage, so viele Behörden aufzuziehen4 • 61 F. Emmrich!H. Köppe, Bezirksregierung Koblenz, S. 82. Im Regierungspräsidium Koblenz bestanden schon sehr früh Pläne, Teile des späteren Regierungsbezirks Montabaur der Rheinprovinz als Ersatz für die Exklave Wetzlar anzuschließen (vgl. Vorschlag des LandesratesWingender vom Juli(?) 1945 im Nachlaß Fuchs, LHA Koblenz, Best. 700,40 Nr. 148). 1 Einzelheiten bei C. F. Latour/T. Vogelsang, Okkupation, S. 72. 2 Weitere Einzelheiten bei G. Kratz, Mittelrhein-Saar, S. 32. 3 Aktennotiz vom 24. 5. 1945 (G. Kratz, S. 32). Die Frage, ob die Einbeziehung zweckmäßig sei, wurde offensichtlich nicht diskutiert. Die Möglichkeit einer Einbeziehung beider Bezirke war von der Besatzungsmacht schon frühzeitig erwähnt worden (vgl. Protokoll vom 15. 5. 1945 im Nachlaß Heimerich, LA Speyer, V 10- 3). Zur ablehnenden Haltung Heimerichs in dieser Frage vgl. E. Walz, Regierung Heimerich, S. 64.

4

G. Kratz, S. 32.

a) Die Bildung der neuen Verwaltungseinheit

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Reimerich sprach sich dafür aus, einen Oberregierungspräsidenten in der erweiterten Provinz einzusetzen und ihm die Regierungspräsidien von Trier, Koblenz und dem Saarland sowie die neu zu schaffenden Mittelinstanzen in der Pfalz und Rheinhessen zu unterstellen. Mit diesem Gegenvorschlag zeigten sich die Amerikaner sehr schnell einverstanden5. Alle mit der vorgesehenen Neuorganisation zusammenhängenden Fragen wurden am 25. Mai 1945 in einer Besprechung der leitenden Mitarbeiter des Ober(regierungs)präsidiums erörtert6• Dabei ging es u. a. darum, für die neue Verwaltungseinheit einen Namen auszuwählen. Vorgeschlagen waren die Bezeichnungen "Groß-Pfalz", "Rhein-Mosel" und "Mittelrhein". Man einigte sich schließlich auf ·den Namen "Mittelrhein-Saar", weil dadurch den historischen und psychologischen Gegebenheiten Rechnung getragen sei und er die Möglichkeit einer anderen Grenzziehung offen lasse7 • Dann beschäftigte man sich mit der Frage der Rangordnung zwischen den Regierungspräsidenten und den Leitern der einzelnen Ressorts im Oberregierungspräsidium. Die daraufhin festgelegte "Titulaturskala" 8 ordnete die leitenden Mitarbeiter Reimerichs als Präsidialdirektoren9 über den Regierungspräsidenten ein. Die bisherige Aufgabenteilung, bei der man sich - wie bereits erwähnt - in erster Linie nach den Wünschen der Besatzungsmacht gerichtet hatte, wurde durch eine neue Gliederung in zehn Abteilungen ersetzt, die jedoch als Folge des fortdauernden Personalmangels zunächst nur auf dem Papier stand10• Bei der Sitzung a:m 25. Mai wurde auch zum ersten Mal die Frage einer "Art von Politischem Beirat" beim Oberregierungspräsidium angesprochen11 • Ferner wurde beschlossen, die personenbezogenen Behördenbezeichnungen, also die nach 1933 übliche Benennung einer Behörde nach ihrem Leiter12, abzuschaffen. s G. Kratz, S. 32. 6

Vgl. Protokoll der Sitzung der leitenden Beamten des OReg.Präs. vom

25. 5. 1945 im Nachlaß Heimerich, LA Speyer, V 10- 3. 7 Protokoll vom 25. 5. 1945 (Anm. 6). 8 Protokoll vom 25. 5. 1945 (Anm. 6).

9 Ob die leitenden Mitarbeiter Reimerichs diesen Titel von Anfang an trugen (so G. Kratz, Mittelrhein-Saar, S. 14), ist zweifelhaft. Üblich wurde der Titel jedenfalls erst ab Ende Mai 1945 (vgl. Protokoll vom 25. 5. 1945, siehe Anm. 6). Die Bezahlung der Präsidialdirektoren wurde später in Anlehnung an die der Ministerialdirektoren auf B 4 festgesetzt (G. Kratz, MittelrheinSaar, S. 48). Vgl. dazu auch Liste im Reichshaushalts- und besoldungsblaU

1943/74).

10 Vorgesehenes Gliederungsschema und tatsächliche Zuordnung im Protokoll vom 25. 5. 1945 (Nachlaß Heimerich, LA Speyer, V 10- 3). 11 Protokoll vom 25. 5. 1945 (Anm. 6); nähere Einzelheiten siehe Teil II, Kap. 10. 12 Siehe oben Teil I, Kap. 4, Anm. 5.

6 Speyer 88

82

5. Die Provinz Mittelrhein-Saar

Einige Tage später, am 1. Juni, wurde die neue Verwaltungseinheit "Mittelrhein-Saar" von der Besatzungsmacht offiziell ins Leben gerufen13 und Reimerich vorläufig zum Oberregierungspräsidenten ernannt. Er erhielt alle Befugnisse, di.e die Besatzungsmacht in ihren bisherigen Anordnungen schon der ·deutschen Seite zugestanden hatte1\ übertragen. Als "Unter·abschnitte der regionalen Zivilverwaltung" waren die Regierungsbezirke Trier und Koblenz sowie die neu zu errichtenden Regierungsbezirke Saarland15, Pfalz und Rheinhessen vorgesehen16. Der leitende deutsche Verwaltungsbeamte jedes einzelnen Gebietes wurde durch die Anordnung vorläufig zum Regierungspräsidenten ernannt. Ausdrücklich hieß es dabei, daß die Regierungspräsidenten Reimerich unterstellt seien und es ihnen nur in Ausnahmefällen erlaubt sei, Anordnungen des zuständigen Offiziers der örtlichen Militärverwaltungseinheit auszuführen bzw. dort Weisungen einzuholen17.

b) Die Auswahl der Regierungspräsidenten Mit der Anweisung Nr. 5 bzw. Nr. 7 übernahm das Oberregierungspräsidium in Neustadt ein Gebiet, das angesichts der bestehenden katastrophalen Verkehrsbedingungen und des Fehlens von Post- und Fernmeldeverbindungen kaum überschaubar und damit zentral nicht zu verwalten war. Wichtigstes Anliegen Reimerichs mußte es daher sein, die Positionen der Regierungspräsidenten und ihrer leitenden Mitarbeiter mit loyalen Personen zu besetzen. In drei der fünf Bezirke hatte ·allerdings das örtlich zuständige Detachement bereits Regierungspräsidenten eingesetzt. Reimerich mußte 13 Anordnung für die Zivilverwaltung - Deutsche Organisationen Nr. 5 vom 1. 6. 1945 (Nachl. Heimerich, V 10- 2). Diese Anweisung enthielt einige redaktionelle Fehler (u. a. beschrieb sie in Ziff. 2 das Gebiet der Militärregierung anstatt das der zukünftigen deutschen Zivilverwaltung) und wurde daher am 3. Juni durch die verbesserte Anweisung Nr. 7 (abgedruckt bei G. Kratz, Mittelrhein-Saar, S. 34 f.) ersetzt. Die Anordnung vom 18. 5. 1945 (vgl. Teil Il, Kap. 3, Anm. 9) wurde aufgehoben. 14 Aufzählung bei G. Kratz, Mittelrhein-Saar, S. 37. Die Anordnungen hatten bei der guten Zusammenarbeit zwischen Regierung Heimerieb und Militärregierung wohl nur deklaratorische Bedeutung. 15 Warum das Saarland, das bereits eine funktionierende Bezirksregierung hatte, mit der Pfalz und Rheinhessen zusammen erwähnt wurde, war nicht zu klären. 16 Der Umfang der Regierungsbezirke war in der Anordnung durch die Aufzählung der Kreise beschrieben. Die fehlende Trennung von Stadt- und Landkreisen sowie die Auslassung kleinerer Landkreise läßt den Schluß zu, daß die Amerikaner hier nur die Verwaltungseinheiten aufgezählt haben, die über ein eigenes Detachement verfügten (vgl. C. F. Latour/T. Vogelsang, Okkupation, S. 64). 17 Pkt. 3 c der Anordnung vom 1. 6. 1945 (Nachlaß Heimerich, LA Speyer, V 10- 2).

b) Die Auswahl der Regierungspräsidenten

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sich mit diesen Ernennungen zunächst abfinden. Gegen Steinlein, der bereits längere Zeit im Amt war18, erhob Reimerich keine Einwände. Ebenso erschienen ihm wohl Bemühungen um eine Ablösung Neureuthers wenig erfolgversprechend. Über die Anfang Juni erfolgte Einsetzung Bodens, die entgegen der Anweisung vom 1. Juni 1945' 9 ohne Mitwirkung Reimerichs vorgenommen war, zeigte er sich zwar überrascht20, akzeptierte die Berufung jedoch und erklärte bei der offiziellen Amtseinführung Bodens am 13. Juni 1945 sogar, die Einsetzung sei mit seiner Zustimmung erfolgt21 • Die Übernahme von Steinlein und Boden fiel Reimerich um so leichter, als er für die Bezivke offenbar keine personellen Alternativen hatte und Boden zudem noch erfahrener Verwaltungsbeamter war. Ähnliches galt wohl auch zugunsten der Stellvertreter Michel und Sommer in Trier bzw. in Koblenz. Immerhin war bei der ersten Regierungspräsidentenkonferenz die Frage noch nicht restlos geklärt, wobei Reimerich dazu anmerkte, daß bei der Auswahl "die Zusammensetzung und Bestrebungen innerhalb der jeweiligen Bevölkerung", d. h . der Anteil der Konfessionen und die frühere Stärke der Parteien, zu berücksichtigen seien22. Für die Pfalz schlug Reimerich der Besatzungsmacht den Oberbürgermeister von Ludwigshafen, Hoffmann, vor, der ihm durch die gemeinsame Berufstätigkeit bei der Stadt Kiel sowie die Zugehörigkeit zur SPD verbunden war23. Die Militärregierung hatte keine Bedenken und ernannte Hoffmann Anfang Juni zum Regierungspräsidenten der Pfalz. Hoffmann blieb jedoch zunächst noch in Ludwigshafen, da dort kein geeigneter Nachfolger für ihn gefunden wurde24 und wegen des allgemeinen Personalmang,els ohnehin nicht an den Aufbau einer zweiten Behörde in Neustadt zu denken war. Dagegen stieß Reimerich bei der Durchsetzung seiner personalpolitischen Vorstellungen für das Präsidium in Mainz auf einigen Widerstand. Er hatte beveits Ende Mai die Verhältnisse in Rheinhessen son18 Siehe oben Teil li, Kap. 4. 19 Pkt. 3 c der Anordnung vom 1. 6. 1945 (Anm. 17). 20 Aktennotiz vom 5. 6. 1945 (Nachlaß Heimerich, LA Speyer, V 10- 2). 21 Vgl. Protokoll vom 18. 6. 1945 über die Amtseinführung Bodens vom 13. 6. 1945 im Nach!. Heimerich, LA Speyer, V 10- 2. Heimerieb führte danach folgendes aus: "Der Regierungspräsident Boden, der mit meiner Zustimmung eingesetzt wurde, ist hier kein Unbekannter. Er ist ein geschulter und bewährter Verwaltungsbeamter des Rheinlandes ...". 22 Protokoll vom 8. 6. 1945 über die Regierungspräsidentenkonferenz vom 7. 6. 1945 (Akten der Bez.Reg. Neustadt, LA Speyer, H 13- 211). 23 Möglicherweise hatte Heimerieb 1927 schon die Berufung Hoffmanns in den Magistrat der Stadt Kiel veranlaßt. 24 Vgl. Aktennotiz vom 19. 6. 1945 im Nachlaß Heimerich, LA Speyer,

V 10-3. 6*

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5. Die Provinz Mittelrhein-Saar

diert25 und sich dabei für die Berufung des als Polizeichef in Mainz amtierenden J·akob Steffan26 entschieden27• Steffan, wie Heimerieb vor 1933 Mitglied der SPD, war als einer ihrer führenden Politiker in Rheinhessen von den Nationalsozialisten einige Jahre im KZ Dachau inhaftiert gewesen. Seine entschiedene Gegnerschaft zum NS-Regime und parteipolitische Bindung ließen ihn für eine führende Funktion geeignet erscheinen. Da Steffan über keine Verwaltungserfahrung verfügte, wurde ihm von Heimerieb ein seit langen Jahren im hessischen Verwaltungsdienst tätiger Beamter, Falck, beigegeben28 • Bevor jedoch die Militärregierung ihr Plazet zu den Vorschlägen Reimerichs geben konnte, ernannte die örtliche Militärverwaltungseinheit G2B2 ohne Abstimmung mit der Militärregierung in Neustadt den früheren Syndikus Bieroth29 zum Regierungspräsidenten in Mainz. Bieroth nahm seine Tätigkeit sofort auf30• Als Heimerieb davon erfuhr, wandte er sich sogleich an die Militärregierung und bat um entsprechende Maßnahmen. Er war offensichtlich gegenüber Steffan im Wort und fürchtete vor allem um seine Autorität bei den nachgeordneten Behörden. Welche Aktivitäten daraufhin die Militärregierung entfaltete, wissen wir nicht. Immerhin konnte Steffan bereits am 7. Juni 1945 als Vertreter Rheinhessens an der ersten Regierungspräsidentenkonferenz in Neustadt 31 teilnehmen. Es dauerte jedoch einige Zeit, bis sich das Detachement in Mainz mit dem neuen leitenden 25 28

Protokoll vom 29. 5. 1945 (Nachlaß Heimerich, LA Speyer, V 10- 3).

Jakob Stejjan (1888- 1957), Kaufmann, 1919- 1933 Prokurist, dann Teil-

haber einer Brennerei, 1933 - 1940 Häftling im KZ Dachau, 1940 - 1945 kaufmännischer Angestellter, am 27. 3. 1945 zum Polizeipräsidenten in Mainz ernannt, ab Mitte Juni 1945 Regierungspräsident von Rheinhessen, ab 2. 12. 1946 Innenminister von Rheinland-Pfalz (im Kabinett Boden und 1. Kabinett Altmeier), 1949- 1950 Sozialminister. 1927 - 1933 Abgeordneter im hessischen Landtag (SPD), Juli bis November 1932 MdR, Mitglied der Beratenden Landesversammlung RLP, MdL -1. Wahlperiode. 27 Heimerieb hat Steffan wahrscheinlich sofort seine Absicht mitgeteilt, weshalb seine Ernennung teilweise schon auf Ende Mai datiert wird (vgl. R. Falck, Sechs Jahre). 28 R . Falck, ebenda; K. D. Hoffmann, Bezirksregierung Rheinhessen, S. 15 f. 29 Jakob Wilhelm Bieroth, geb. 1902, Dr. jur., nach Jurastudium in der Wirtschaft tätig (u. a. als Syndikus der Weinbauverbände des Rheingaus). Nach 1933 Emigration nach Holland, nach 1940 in Haft, dann zur Wehrmacht eingezogen, 1945 kurzzeitig Regierungspräsident in Mainz, von Oktober 1945 bis 31. 12. 1946 Präsidialdirektor im Oberregierungspräsidium Neustadt, ab Januar 1947 Ministerialdirigent im Finanzministerium von RLP. Mitglied der Berat. LV, MdL I. Wahlperiode (CDU). 30 Mdl. Auskünfte von Dr. Bieroth vom 10. 12. 1976 und Dr. Rückert vom 18. 7. 1977. 31 Vgl. Protokoll der Regierungspräsidentenkonferenz vom 7. 6. 1945 in den Akten der Bez.-Reg. Neustadt, LA Speyer, H 13- 211.

c) Erschwernisse bei der Behördentätigkeit

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deutschen Verwaltungsbeamten abfand; erst Mitte Juni wurde die Angelegenheit allgernein als erledigt betrachtet32 • Bieroth fand einige Zeit später eine Anstellung beim Oberregierungspräsidium in Neustadt. c) Erschwernisse der Behördenarbeit durch neue Planungen und Vorhaben der Besatzungsmacht Die Unterstellung der Regierungsbezirke Trier und Koblenz unter die deutsche Oberbehörde in Neustadt war noch nicht offiziell angeordnet, da kündigte die Besatzungsmacht bereits eine erneute Änderung des deutschen Verwaltungsaufbaus an. Offenbar hatten die Amerikaner schon längere Zeit den Plan erwogen, die Militärregierungsbezirke Rheinprovinz und Westmark-Rheinhessen zusammenzulegen und für beide eine gerneinsame deutsche Zentralbehörde zu schaffen. Darauf deuten Vorarbeiten hin, mit denen die Arneri~aner den Kohlenzer Regierungspräsidenten Fuchs Ende April 1945 betrauten33• Ende Mai hatten sie dann Fuchs zum Oberpräsidenten des "Rheinprovinz Militärdistrikts" mit Sitz in Bann berufen. Sein Ernennungsschreiben vorn 24. Mai 1945 enthält den ausdrücklichen Hinweis, daß er die Funktion des Oberpräsidenten auch im Gebiet Saarland, Pfalz und Rheinhessen auszuüben habe34 • Der zügige Ausbau des Oberpräsidiums in Bann kann hier nicht weiter dargestellt wel'den; festgehalten sei nur, daß Anfang Juni 1945 die Behörde schon rund 150 Mitarbeiter in 10 Abteilungen (deren Aufgabenabgrenzung ähnlich wie beim Oberregierungspräsidium in Neustadt war) beschäftigte35• Heirnerich, der von der Bildung einer ihm vorgesetzten deutschen Behö!lde offenbar erst bei einem Zusammentreffen mit dem für MittelrheinSaar zuständigen Militärkommandeur arn 3. Juni 1945 in ldar-Oberstein erfahren hatte36, teilte der Militärregierung in Neustadt seine Bedenken sofort mit. Seine Einwände ähnelten im wesentlichen denen, die er bereits gegen die von den Amerikanern geplante Einrichtung zweier Oberpräsidien in Neustadt und Koblenz vorgebracht hatte; Kernpunkte seiner Gegenvorstellung waren der akute Personalmangel und die Ge32 Protokoll der Regierungspräsidentenkonferenz vom 14. 6. 1945 (Nachlaß Heimerich, LA Speyer, V 10 - 2). 33 P. Hüttenberger, Nordrhein-Westfalen, S. 162 f. 34 Nachlaß Fuchs, LHA Koblenz, Best. 700, 40, Nr. 79. 35 Zum Aufbau vgl. einen von Fuchs abgezeichneten Bericht der Amerikaner über die Rheinland-Zivilverwaltung, o. D. (Ende Mai 1945) und Entwürfe zu einer Ansprache vor alliierten Offizieren am 6. 6. 1945- beide im Nachlaß Fuchs, LHA Koblenz, Best. 700, 40 Nr. 139 und Nr. 83. Zur Organisation und Personalbesetzung siehe P. Hüttenberger, Nordrhein-Westfalen, S. 163 f., und die verschiedenen Vorlagen zur Verwaltungsorganisation von Ende Mai 1945 im Nachlaß Fuchs, Best. 700,40, Nr. 78, 132 und 211. 36 Vgl. dazu G. Kratz, Mittelrhein-Saar, S. 49.

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5. Die Provinz Mittelrhein-Saar

fahr ein€r zu starken Aufblähung der Verwaltung37• Zusätzlich ließ Reimerich Zweifel erkennen, ob die geplante große Verwaltungseinheit unter den gegebenen Verhältnissen zu überwachen sei. Daneben wies er darauf hin, daß die Einsetzung eines Alliierten Kontrollrats und die damit verbundene Er.kenntnis, daß es bis auf weiteres keine zentralen Reichsbehörden oder eine Reichsregierung geben werde, eine eindeutige Zuordnung der früher von Reichs- bzw. Landesbehörden wahrgenommenen Aufgaben nötiger denn je mache38• Bei dem von den Amerikanern vorgesehenen Aufbau wäre eine solche eindeutige Funktionszuweisung sicherlich schwieriger geworden. Reimerich war allerdings geschickt genug, "seiner" Militärregierung, die nicht umfassend informiert39 und durch die Ankündigung wohl ebenfalls überrascht war, Möglichkeiten aufzuzeigen, wie sie ohne Autoritätsverlust gegenüber der deutschen Verwaltung zunächst agieren konnte: Er hielt den weiteren Ausbau des Oberregierungspräsidiums für möglich und wünschenswert, wenn der neuen obersten Behörde in Bonn vorerst allenfalls koordinierende Funktionen bzw. die zentrale Verhandlungsführung mit der Besatzungsmacht übertragen werde. Die Militärregierung griff den Hinweis auf eine vorläufige Regelung auf und gab zu erkennen, daß die Einrichtung eines Oberpräsidiums unter Fuchs vorerst keine Konsequenzen für die Verwaltung in Neustadt habe und die Arbeit dort nach den bisherigen Planungen und Grundsätzen weiterzuführen sei40• Jedenfalls hatte sich Mitte Juni, als das Oberpräsidium Fuchs erstmals dienstlich gegenüber der Behöl'lde in Neustadt in Erscheinung trat, die Militärregierung in Neustadt gegenüber höheren Stäben offenbar durchgesetzt: Reimerich bekam Befehl, von Fuchs keine Weisungen anzunehmen41 • d) Die Konsolidierung der Verwaltung In der Anordnung über die Unterstellung der Bezirke Trier und Koblenz vom 3. Juni 194542 hatte die Besatzungsmacht dem Oberregie37 Schreiben Heimerichs an Cpt. Landin vom 4. 6. 1945 (Nachlaß Heimerich, LA Speyer, V 10- 2). 38 Anm. 37. 39 Lt. Protokoll der Konferenz vom 7. 6. 1945 (Akten der Bez.Reg. Neustadt, LA Speyer, H 13 - 211) waren die Erklärungen, die Newman zu diesem Punkt gab, "ziemlich unklar" . Diese Bemerkung ist im Protokoll handschriftlich (Heimerich?) gestrichen. 40 G. Kratz, Mittelrhein-Saar, S. 53 f. 4t Nach G. Kratz, S. 54, stand diese Anweisung jedoch in unmittelbarem Zusammenhang mit der Übergabe des nördlichen Teils der Rheinprovinz an die Briten, in deren Besatzungsgebiet das Oberpräsidium kam. Zum Wechsel der Besatzungsmacht siehe P . Hüttenberger, Nordhrein-Westfalen, S. 163. 42 Siehe oben Anm. 13.

d) Die Konsolidierung der Verwaltung

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rungspräsidenten das Recht eingeräumt, ihm übertragene Zuständigkeiten an die Regierungspräsidenten weiterzugeben. Reimerich nutzte die Gelegenheit, am 11. Juni 1945 eine umfassende Organisations- und Zuständigkeitsregelung zu erlassen43 • Dabei legte er fest, daß die Kompetenzen und Verfahrensweisen der unteren Behörden unverändert, d. h. wie vor dem Zusammenbruch, erhalten bleiben sollten. Ausdrücklich ausgenommen blieb hiervon die Polizei: Die Amerikaner hatten auf einer Zuordnung zum kommunalen Bereich bestanden44 • Bei den Mittelinstanzen, den Regierungspräsidien, sollten sich die Zuständigkeiten nach dem Muster der bisherigen preußischen Regierungspräsidien richten. Für die Behörden der bisher nicht zu Preußen gehörenden Gebiete war ein detaillierter Aufgabenkatalog vorgegeben, der jedoch in seinen wesentlichen Grundzügen den Tätigkeitsfeldern einer Mittelbehörde in Preußen entsprach. Offen blieb die Zuordnung der nach 1933 entstandenen Sonderverwaltungen; immerhin stellte man hier eine endgültige Ein- bzw. Wiedereingliederung in di'e allgemeine Verwaltung in Aussicht45. An die Belebung der Selbstverwaltung auf Bezirks- oder höherer Ebene dachte man, wie der Erlaß ausdrücklich betont, nicht; die Regierungspräsidenten sollten vielmehr bis auf weiteres die Aufgaben der preußischen und hessischen Provinzen bzw. der bayerischen Bezirke wahrnehmen46 • Um etwaige formale Bedenken hinsichtlich der vom Oberregierungsprästdium erlassenen Rechtsnormen auszuschalten, erging am 11. Juni 1945 eine Verordnung, die die formellen Voraussetzungen für gesetzgeberische Aktivitäten der Behörde in Neustadt festlegte 47 • 43 G. Kratz, Mittelrhein-Saar, S. 39 ff. Zur Urheberschaft vgl. G. Kratz, S. 39, wonach der Erlaß von Walz stammte. Eine maßgebliche Beteiligung von Swart ist anzunehmen. 44 Org.-Erlaß vom 11. 6. 1945, Ziff. 3 (Anm. 43). 4 5 Namentlich waren die Wirtschafts-, Arbeits-, Forst- und Gesundheitsverwaltung genannt. Vgl. dazu auch den Schlußbericht der Abt. IV des Oberregierungspräsidiums vom 6. 7. 1945 (Nachlaß Heimerich, V 10- 22), wonach die endgültige Wiedereingliederung der 1934 von der allgemeinen Verwaltung losgelösten Gesundheitsämter (vgl. M. Broszat, Staat Hitlers, S. 400) vorbereitet war. 46 Diese Frage war bereits Gegenstand der ersten Regierungspräsidentenkonferenz am 7. 6. 1945 gewesen, wobei sich Boden gegen Reimerich für die Beibehaltung der Provinzselbstverwaltung ausgesprochen hatte (Protokoll in den Akten der Bezirksregierung Neustadt, LA Speyer, H 13- 211). 47 Verordnung über den Erlaß von Rechtsverordnungen vom 11. 6. 1945 (Nachlaß Heimerich, V 10- 2). Zu den damit zusammenhängenden Rechtsfragen siehe G. Kratz, Mittelrhein-Saar, S. 43 f. Zur "legislativen" Tätigkeit des Oberregierungspräsidiums vgl. Schlußbericht der Abt. IV vom 6. 7. 1945 im Nachlaß Heimerich, LA Speyer, V 10-22.

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5. Die Provinz Mittelrhein-Saar

Die interne Organisation des Oberregierungspräsidiums wurde neu geregelt und dabei neben dem Presseamt und der Postdirektion auch das Personalamt Reimerich direkt zugeordnet. Ob die Schaffung zentraler Führungsorgane von den Amerikanern veranlaßt wurde48 oder ob hier das kommunale Vorbild maßgebend war, ist nicht mehr feststellbar. Für letzteres spricht, daß Reimerich für eine Übergangszeit einige Bedienstete der Stadtverwaltung Mannheim im Organisationsbereich beschäftigte49. Es bestand Mitte Juni 1945 folgende Gliederung und Aufgabenverteilung: Oberregierungspräsident: ihm unmittelbar unterstellt: Personalamt Nachrichten- und Presseamt Post-, Telegrafen- und Telefonwesen Abt. Wirtschaft und Verkehr (II)50 Abt. Bau und Wiederaufbau (III) Abt. Innere Verwaltung (IV) Abt. Finanzen und Forsten (V) Abt. Unterricht und Kultus (VI) Abt. Arbeit und soziale Angelegenheiten (VII) Abt. Justiz und Polizei (VIII) Abt. Ernährung und Landwirtschaft (IX) Abt. Gesundheitswesen (X)

Heimerieb Swart Steroberger Machold Zutt Hussong Walz Mattes Henk Rausch Anschütz Mitscherlieh Mitscherlieh.

Die Reihenfolge der jetzt neun Abteilungen der Oberbehörde richtete sich nach der Altersfolg'e ihrer Leiter. Sie blieb ebenso wie die Aufgabenzuordnung unter den Abteilungen bis zur Errichtung der Landesregierung im Dezember 1946 im wesentlichen unverändert51 . Zu den dem Oberregierungspräsidium nachgeordneten, für die gesamte Provinz zuständigen Ämtern52 kamen im Lauf der Wochen noch 48 Vgl. P. Hüttenberger, Nordrhein-Westfalen, S. 163, hinsichtlich amerikanischer Initiativen bei der Errichtung des Oberpräsidiums für den Rheinprovinz-Militärdistrikt. 49 Dazu G. Kratz, Mittelrhein-Saar, S. 32, Anm. 51 a. 50 Die römischen Zahlen zur Kennzeichnung der Abteilungen wurden erst Ende Juni 1945 eingeführt (Anweisung vom 24. 6. 1945 im Nachlaß Heimerich, LA Speyer, V 10 - 19). st Offenbar im Zusammenhang mit der Einsetzung neuer Präsidialdirektoren im Spätherbst 1945 fiel die Abt. Bau/Wiederaufbau fort, so daß ab Januar 1946 nur noch acht Abteilungen bestanden. Vgl. auch Anm. 50 und oben Teil II, Kap.3. 52 Siehe Teil II, Kap. 3.

d) Die Konsolidierung der Verwaltung

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e1mge neue Zentralbehörden, so z. B. ein Landeswirtschaftsamt53 und Ämter für Straßenverkehr sowie Straßen- und Brückenbau54• Die Namen und Tätigkeitsfelder dieser Dienststellen lassen den Schluß zu, daß man hier - ähnlich wie bei der bereits geschilderten Bildung des Landesernährungsamts in Kaiserslautern - die ab 1936 im Zuge der Kriegsvorbereitungen errichteten Sonderverwaltungen wieder in Funktion setzte55• Die Verwaltungsarbeit beim Oberregierungspräsidium blieb durch den Personalmangel beeinträchtigt. So waren bis zum Ende der Regierung Reimerich Anfang Juli 1945 nicht mehr als 60 Personen bei der Behörde in Neustadt beschäftigt, wobei die Abteilungen oft nur aus dem Präsidialdirektor sowie dr·e i oder vier meist akadem~sch vorgebildeten Mitarbeitern bestanden, die mehrheitlich auch aus dem nordbadischen Gebiet kamen56• So waren z. B. in der Abteilung Innere Verwaltung neben Walz und seinemStellvertreterSwart noch zwei höhere Verwaltungsbeamte und eine Sekretärin tätig57• Mitarbeiter des mittleren und gehobenen Verwaltungsdienstes waren, wie der bereits angesprochene zeitweilige Einsatz von Bediensteten der Stadt Mannheim erkennen läßt, kaum vorhanden. Eine Anweisung vom 15. Juni an die Landräte und Oberbürgermeister58, für die Arbeit im Oberregierungspräsidium geeignete mittlere Beamte zu benennen, brachte keine durchgreifende Besserung. Trotz dieser dünnen Personaldecke konnten umfangreiche Vorarbeiten im Steuer- und Finanzwesen geleistet werden. Sie trugen dazu bei, daß das Gebiet Hessen-Pfalz im zweiten Halbjahr 1945 sowie 1946 bereits Haushaltspläne vorlegen konnte, die eine einigermaßen solide Finanzplanung erlaubten59 • 53 Zum Landeswirtschaftsamt und zur Wiedereinrichtung der Handelskammern vgl. Protokoll der Regierungspräsidentenkonferenz vom 7. 6. 1945 in den Akten der Bezirksregierung Neustadt, LA Speyer, H 13-211. 54 Bericht für General Gaffey ("Die Organisation der Amter und Auswahl der Beamten") o. D. (etwa 15. 6. 1945) im Nachlaß Heimerich, LA Speyer, V 10-3. 55 So hatte z. B. das Landesstraßenverkehrsamt die Aufgaben des früheren Bevollmächtigten für den Nahverkehr übernommen (vgl. den Bericht der Abt. Wirtschaft und Verkehr- o. D., wahrscheinlich Anfang Juli 1945 -im Nachlaß Heimerich, LA Speyer, V 10 - 8. Zum Landesernährungsamt siehe Teil II, Kap.2). 56 Mdl. Auskünfte von Dr. Anschütz vom 19. 3. 1977 und Dr. Rartrott vom 3. 9. 1977. Vgl. dazu auch Teil li, Kap. 2, Anm. 27. Die von W. Gollan, Neustadt, S. 734, angegebene Zahl von 185 Bediensteten für Anfang Juli 1945 schließt offenbar das Landesernährungsamt in Kaiserslautern ein. 57 Vgl. Schlußbericht der Abt. IV vom 6. 7. 1945 im Nachlaß Heimerich, LA Speyer, V 10 - 22. 58 Nachlaß Heimerich, LA Speyer, V 10- 4. 59 Siehe Teil II, Kap. 9, dort vor allem Anm. 6. Dazu auch H. Kohl, Politische Entwicklung, S. 44 ff. Einzelheiten der Haushaltsplanung der Regierung Heimerieb im Bericht von Mattes an General Gaffey (15. 6. 1945?), in: Nachlaß

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5. Die Provinz Mittelrhein-Saar

Wegen der fehlenden Post- und Fernmeldeverbindungen lag es nahe, die einheitliche Verwaltungsführung in der Provinz durch regelmäßige Treff·en zwischen den Regierungspräsidenten und Heimerich zu sichern. Diese Konferenzen fanden ab Anfang Juni einmal pro Woche statt, wobei jedoch Steinlein und Boden nicht immer teilnahmen60 • Da ein Teil der Regierungspräsidenten regelmäßig Landrätedienstbesprechungen durchführte61, konnte sich der Oberr·egierungspräsident auf diesem Wege ein einigermaßen umfassendes Bild über den Zustand und die Probleme aller Behörden in der Provinz machen. In der Zusammenarbeit mit den Regierungspräsidenten ist die vom Oberregierungspräsidium verfolgte Tendenz zur direkten Einflußnahme auf deren Behörde unverkennbar. Über die in Aussicht genommene allgemeingültige Zuständigkeitsabgrenzung hinaus versuchte man, die interne Organisation und den Stellenplan der Präsidien zu ver·einheitlichen62 • Die von Swart konzipierte, am preußischen Vorbild orientierte Gliederung und der dazugehörige Stellenplan wurden infolge des Wechsels der Besatzungsmacht allerdings nicht mehr eingeführt63 •

e) Fragen der Entnazifizierung und des Fortbestandes der Beamtenverhältnisse Der Mangel an geeigneten Verwaltungsfachkräften hing z. T. damit zusammen, daß die Militärregierung in Neustadt, im Gegensatz etwa zu den Detachements in anderen Orten, die Anstellung von Mitgliedern der NSDAP strikt ablehnte und diese Bestimmung nur allmählich lockerte. Vorstöße der deutschen Seite, die Amerikaner zu einem großzügigen Heimerich, V 10 - 3. Zur Finanzplanung der Landkreise vgl. Anordnung des OReg.Präs. vom 1. 6. 1945 und Rundschreiben vom 25. 6. 1945 (beide im Nachlaß Heimerich, LA Speyer, V 10- 7). 60 Vgl. Nachlaß Lange, LHA Koblenz, 700, 86 7. 6. 1945 und 21. 6. 1945, sowie Protokoll der Regierungspräsidentenkonferenz vom 14. 6. 1945 im Nachlaß Heimerich, LA Speyer, V 10- 3. In der Konferenz am 7. 6. 1945 war zunächst ein zweiwöchiger Turnus verabredet worden (siehe Protokoll in den Akten der Bezirksregierung Neustadt, LA Speyer, H 13 - 211). 61 Vgl. Nachlaß Lange, LHA Koblenz, 700,86- ab 18. 4. 1945. Dazu auch die von Reimerich am 7. 6. 1945 den Regierungspräsidenten übermittelte entsprechende Weisung der Militärregierung (Pkt. XI des Protokolls vom 7. 6. 1945 in den Akten der Bezirksregierung Neustadt, LA Speyer, H 13- 211). 62 Vgl. Stellenplan für die Regierungspräsidien vom 4. 7. 1945 mit den Namenszeichen Dr. Sw (= Swart) im Nachlaß Boden, Akte Einrichtung der Verwaltung, LHA Koblenz, Best. 700, 155. 63 Während man sich in den Präsidien in Trier und Koblenz zunächst am preußischen Vorbild orientiert hatte (vgl. voriges Kapitel) und damit dem von Swart vorgelegten Konzept in etwa entsprach, hatten sich die Mittelinstanzen in Saarbrücken und Mainz ohne System entwickelt. Vgl. für den Aufbau in Saarbrücken: H. R. Schmidt, Saarpolitik I, S. 168; für Mainz: R. F alck, Sechs Jahre.

e) Entnazifizierung und Beamtenrecht

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Vorgehen bei der politischen Überprüfung der Personalvorschläge zu veranlassen, hatten schon sehr bald nach der Errichtung des Oberpräsidiums Saarland-Pfalz-Südhessen stattgefunden. So hatte sich bereits am 18. Mai 1945 Mitscherlieh als Leiter der Personalabteilung dafür ausgesprochen, frühere NSDAP-Mitglieder, die für die Inganghaltung einer geordneten Verwaltungsführung gebraucht würden, auf ihrem Posten zu belassen64 • Diese Initiative blieb erfolglos. Bereits Anfang Juni wurde jedoch eine nachgiebigere Haltung der Amerikaner spürbar, wie aus einem Bericht Reimerichs für General Gaffey 65 hervorgeht, in dem er die bestehende Möglichkeit erwähnt, mit Zustimmung des Detachements E1A2 "nominelle Parteimitglieder" einzustellen. Die unterschiedliche Behandlung ehemaliger NSDAP-Angehöriger in den Kreisen und die schwankende Haltung der Militärregierung in dieser Frage ließen es der deutschen Seite angeraten erscheinen, allgemeinverbindliche, von der Besatzungsmacht akzeptierte Richtlinien für die Entnazifizierung zu erlassen. Diese von Walz entworfenen "Richtlinien über die Denazifizierung", die bereits Ende Juni im Oberregierungspräsidium beraten wurden66, gehören- soweit bekannt- mit zu den ersten Versuchen von deutscher Seite, die Entnazifizierung durch Rechtsnormen zu regeln. Die Richtlinien zeichnen sich gegenüber ande11en, zur gleichen Zeit entstandenen Vorschlägen deutscher Politiker zur Entnazifizierung durch eine gewisse Großzügigkeit aus67 • Sie vermeiden, bei allem Schematismus, der ihnen anhaftet, Fehler, die bei den entsprechenden Vorschriften der Besatzungsmächte auftauchten68 • Walz begründete seine Vorlage damit, daß die Entnazifizierung der Verwaltung eine so wichtige Angelegenheit sei, daß man sie nicht allein der Besatzungsbehörde überlassen könne69 • Im einzelnen war vorgesehen, folgende Personen zu entfernen: "1. Alle diejenigen Personen, die in irgendeinem Zeitpunkt der SS angehört haben oder die vor dem 1. 4. 1933 Mitglieder der Partei oder Angehörige der SA waren. 64 Dazu Protokoll vom 18. 5. 1945, wobei Mitscherlieh jedoch nicht unwidersprochen blieb; einige der Landräte sprachen sich gegen jedes Zugeständnis an ehemalige NSDAP-Mitglieder aus (Protokoll im Nachlaß Heimerich, LA Speyer, V 10- 2). 65 Siehe Anm. 54. 66 Vgl. Protokoll vom 3. 7. 1945 über die Besprechung der Ressortleiter des OReg.Präs. vom 29. 6. 1945 im Nachlaß Heimerich, LA Speyer, V 10- 3. Die Richtlinien selbst waren nicht mehr zu finden. 67 Vgl. dazu z. B. die Ende Mai 1945 in Thüringen von H . Brill entworfenen "Richtlinien für die Reinigung der Verwaltung von nazistischen Elementen". Dazu M. Overesch, Hermann Brill, S. 545 ff. 6 B Dazu z. B. M. Balfour, Vier-Mächte-Kontrolle, S. 265. 69 Walz in Besprechung vom 29. 6. 1945 (Anm. 66).

5. Die Provinz Mittelrhein-Saar

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2. Alle diejenigen Personen, die seit 1933 ein Amt in der Partei bekleidet, sich an nationalsozialistischen Ausschreitungen beteiligt oder pflichtwidrig das Einschreiten gegen solche Ausschreitungen unterlassen haben. 3. Alle diejenigen Personen, die sich wiederholt in Wort und Schrift propagandistisch für das nationalsozialistische Ideengut eingesetzt haben. 4. Alle diejenigen Personen, die nachweisbar als Denunziant und Spitzel tätig waren." Darüber hinaus war für leitende Verwaltungsbeamte eine Verschärfung vorgesehen: Bei ihnen sollte auch eine Mitgliedschaft in der NSDAP oder SA zu irgendeinem Zeitpunkt nach 1933 ein Verbleiben in ihrer Position ausschließen, sofern sie sich nicht, etwa durch Austritt aus der NSDAP vor 1945, entlasten konnten. In den übrigen Positionen war der Einsatz unbelasteter Beamter anzustreben; bei der Beschäftigung ehemaliger Parteimitglieder sollte "der strengste Maßstab an Leistung und politischer Gesinnung angelegt werden" 70 • Die Richtlinien enthielten einen Vorbehalt zugunsten der Entlassungsverfügungen der Besatzungsmacht. Allerdings war solchen Anordnungen nur dann zu entsprechen, wenn dadurch der Dienstbetrieb nicht gefährdet wurde. Neben dieser Schutznorm gegenüber willkürlichen Eingriffen einzelner Besatzungsoffiziere waren es vor allem zwei Bestimmungen, die die Stellung der deutschen Beamten stärken konnten: Zum einen war für die Durchführung der Entnazifizierung ein Abschlußtermin vorgesehen, zum anderen sollte es eine Beschwerdeinstanz geben11. Diese Richtlinien, die die Rechtsstellung der Beamten verbessert und damit die Verwaltung insgesamt stabilisiert hätten, traten infolge des Wechsels der Okkupationsmacht jedoch nicht in Kraft. Neben der Entnazifizierung war es vor allem die Frage des Fortbestandes der früheren Dienstverhältnisse, die die Mitarbeiter der Behörde in Neustadt bewegte. Auf der Ebene der Kreise und Gemeinden und - wie berichtet - teilweise sogar in den Regierungspräsidien72 stellte man den Fortbestand der Dienstverhältnisse nicht in Frage. Das hatte zur Folge, daß man sich auch bei den geflohenen bzw. den von den Alliiert·en suspendierten Beamten, die bis zum Zusammenbruch in der Behörde beschäftigt waren, zur Zahlung der Bezüge verpflichtet glaubte73• Protokoll der Besprechung vom 29. 6. 1945 (Anm. 66). Protokoll der Besprechung vom 29. 6. 1945 (Anm. 66). 7 2 Vgl. dazu z. B. die Entwicklung in Trier (siehe voriges Kapitel). 73 Ein im Zusammenhang mit der Übertragung bestimmter Kompetenzen im Haushalts- und Rechnungswesen an die Landräte erfolgtes Verbot des ORP von Ende Juni 1945, an suspendierte oder entlassene Beamte Zahlungen zu leisten, ist wahrscheinlich nicht in Kraft getreten. Vgl. Anordnung im Nachlaß Heimerich, LA Speyer, V 10- 7. 7°

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6. Die Ablösung der Regierung Heimerieb

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Anders war es bei der Provinz Mittelrhein-Saar: Sie wurde allgemein nicht als Rechtsnachfolger einer der vorher dort bestehenden Gebietskörperschaft betrachtet74 • BeschäWgungs- und Zahlungsverpflichtungen für frühere Reichs- oder Landesbeamte gab es daher nicht. Man bezweifelte zudem die Dienstherrenfähigkeit der Provinz und ließ nur den Abschluß von Angestelltenverträgen zu75 • Diese Lösung, die - wie betont wurde - nur für eine Übergangszeit gelten sollte, hatte einen Vorteil, den man offen aussprach: Das bisherige Dienstverhältnis der bis zum Zusammenbruch anderweit als Beamte tätigen Mitarbeiter der Provinzverwaltung blieb bestehen. Bei Veränderungen, wie sie z. B. bei einem Wechsel der Besatzungsmacht erwartet wurden, konnte man sich mit seinen Ansprüchen immer noch an den früheren Dienstherrn bzw. dessen Rechtsnachfolger wenden. Da man annahm, daß die Tätigkeit im Oberregierungspräsidium auf die Dienstzeit nicht angerechnet wurde, war sogar die Zahlung eines Abfindungsbetrages vorgesehen76 • Im Rahmen dieser Vergünstigungen, die den Beamten gewährt wurden, ist auch ein Rundschreiben des Oberregierungspräsidiums von Anfang Juli 1945 zu erwähnen, in dem die Zahlung eines Übergangsgeldes für Beamte, die von der Entnazifizierung betroffen waren, für zulässig erklärt wurde77 •

6. Die Ablösung der Regierung Heimerich Die gegen Ende des Monats Juni 1945 verstärkt umlaufenden Gerüchte über den bevorstehenden Besatzungswechsel veranlaßten Reimerich am 27. Juni 1945 zu einem Rundschreiben in seiner Behörde, in dem er den Mitarbeitern mitteilte, daß laut Auskunft der Militärregierung über die Zoneneinteilung noch nicht abschließend entschieden sei und damit in allernächster Zeit auch nicht gerechnet werden müsse. Es gelte die Arbeit in unveränderter Weise fortzusetzen 1 • Tatsächlich war jedoch bereits am 22. Juni 1945 zwischen Amerikanern und Franzosen ein Abkommen über die Grenzziehung zwischen ihren Besatzungszonen geschlossen worden2 • 74 Vgl. Schlußbericht der Abt. IV vom 6. 7. 1945 (Ziff. 2 b) im Nachlaß Heimerich, LA Speyer, V 10- 22. 75 Vgl. Auftrag an Zutt in Ressortleiterbesprechung vom 29. 6. 1945 (Protokoll im Nachlaß Heimerich, LA Speyer, V 10- 3). 76 Protokoll der Besprechung vom 29. 6. 1945 (Anm. 75). Zu den weiteren, an den herkömmlichen beamtenrechtlichen Regelungen orientierten Zahlungen (Trennungsgeld usw.) siehe Verfügungen vom 20. 6. 1945 und 26. 6. 1945 (beide im Nachlaß Heimerich, LA Speyer, V 10- 19). 77 Rundschreiben vom 7. 7. 1945 (Akten der Bezirksregierung Neustadt, LA Speyer, Best. H 13- 176). Es war nicht zu klären, ob von dieser Möglichkeit ab Herbst 1945, also nach Beginn der umfassenden Entnazifizierung, Gebrauch gemacht wurde. 1 Nachlaß Heimerich, LA Speyer, V 10- 1. 2 Dazu nachfolgenden Exkurs.

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6. Die Ablösung der Regierung Heimerieb

Ob die Militärregierung in Neustadt über diesen Vertrag nicht informiert war, ist unbekannt; immerhin legt das gute Verhältnis zwischen Heimerieb und Newman eine derartige Vermutung nahe3 • Erst Anfang Juli teilte die Militärregierung Heimerieb mit, daß die F11anzosen etwa am 10. Juli die Provinz Mittelrhein-Saar übernehmen würden. Die Frage, ob die Regierung Reimerich bereit war, unter französischer Aufsicht weiterzuarbeiten, wurde überhaupt nicht erörtert. Die Amerikaner übten vielmehr auf Heimerieb und die Mehrzahl der Präsidialdirektoren Druck aus, um sie zur Aufgabe ihrer Posten zu veranlassen4 • Die Neustadter Militärregierung plante offenbar, die leitenden Mitarbeiter des Oberregierungspräsidiums am neuen Einsatzort ihres Detachements zu beschäftigen. Dieses Vorhaben, das darauf hinauslief, den bestehenden Verwaltungsapparat anderweit einzusetzen, hatten die Amerikaner bereits Mitte Mai deutlich werden lassen, als sie erstmals auf Gerüchte über den Wechsel der Okkupationsmacht angesprochen worden waren5 • Der sogenannte "Arbeitsstab Heimerich" ist jedoch nicht in Aktion getreten, was möglicherweise damit zusammenhing, daß das Detachement E1A2 keine Militärregierungsfunktion übertragen bekam6 • Erst später, als Newman Chef der Militärregierung in Wiesbaden wurde7 und dort Ende September die Landesregierung für Groß-Hessen zu bestellen hatte, gelangten einige der Mitarbeiter Reimerichs wieder in Schlüsselstellungen der deutschen Verwaltung8• Allerdings scheiterte die Berufung Reimerichs zum Ministerpräsidenten, die Newman zunächst in Erwägung zog, aus bislang nicht eindeutig erkennbaren Grün3 Vgl. dazu R. Falck, Sechs Jahre, der sogar annimmt, daß die Militärregierung in Neustadt noch Anfang Juli nicht informiert war. 4 E. Walz, Regierung Heimerich, S. 61; G. Kratz, Mittelrhein-Saar, S. 61 und S. 63. 5 Vgl. Protokoll der Besprechung I vom 14. 5. 1945 im Nachlaß Heimerich, LA Speyer, V 10 - 3. 6 Das Detachement kam nach Karlsruhe (E. F. Ziemke, US Army, S. 308). Die Grenzziehung zur französischen Zone und Zusammenlegung von Nordwürttemberg und Nordbaden ließ das ab 8. 7. 1945 in Stuttgart residierende Detachement zur Militärregierung werden (C. F . Latour/T. Vogelsang, Okkupation, S. 93 f.). Eine eigene Militärregierung für Baden, für die offenbar die Einheit E1A2 - möglicherweise schon in der ursprünglichen Besatzungsplanung - vorgesehen war, wurde nicht eingerichtet. Dazu mit w eiteren Einzelheiten C. F. Latour/T. Vogelsang, S. 93 ff. Für die Vermutung, das Detachement sei von Anfang an als Militärregierung für Baden vorgesehen gewesen, könnte auch die Auswahl der ltd. Mitarbeiter der Regierung Heimerieb, der deutschen Parallelbehörde des Det. E1A2, sprechen. Fast alle Präsidialdirektoren stammten aus dem badischen Raum. Vgl. Teil II, Kap. 2, Anm.27. 7 C. F. Latour/T. Vogelsang, Okkupation, S. 98 f. mit weiteren Hinweisen auf die Bildung des Landes Hessen. Dazu auch Teil II, Kap. 3, Anm. 49. 8 So Präsidialdirektor Mattes als hessischer Finanzminister, Venedey als Innenminister und Swart als Chef der Staatskanzlei.

6. Die Ablösung der Regierung Reimerich

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den9 • Erwähnenswert ist in ·diesem Zusammenhang, daß der dann am 15. Oktober 1945 in Wiesbaden als Ministerpräsident eingesetzte, parteipolitisch nicht gebundene Wirtschaftswissenschaftler Karl Geiler enge berufliche Beziehungen zu Zutt hatte10, so daß die Vermutung, Zutt habe ihn Newman vorgeschlagen, naheliegt. Auf einer Präsidialdirektorenkonferenz am 4. Juli wurden die Konsequenzen aus dem Besatzungswechsel und die amerikanischen "Wünsche" nach Aufgabe der bisherigen Funktionen erörtert. Um die Aufbauarbeit nicht zu sehr zu gefährden, wurden die aus der Provinz Mittelrhein-Saar stammenden Mitarbeiter per Rundschreiben verpflichtet, ihre Arbeit beim Oberregierungspräsidium fortzusetzen 11 • Reimerich verhandelte zugleich mit der Militärregierung über die Neubesetzung der leitenden Positionen. Es ist anzunehmen, daß er den Regierungspräsidenten der Pf.alz, Hoffmann, als seinen Nachfolger vorschlug12. Obwohl zunächst nur als Stellvertreter benannt, wurde Hoffmann am 7. Juli 1945 als Oberpräsident berufen. Die acht neu zu besetzenden Abteilungsleiterstellen- allein der Chef der Bauabteilung, Hussong, blieb im Amt- wurden von den Amerikanern zum größten Teil an bisherige Mitarbeiter der Behörde vergeben. So folgte auf Zutt der Frankenthaler Fabrikant Fritz Kausch, den die Amerikaner auf Grund einer Rotarierliste aufgespürt hatten13. Nachfolger Anschütz' wurde der Notar Bärmann14 , während der Philologe und damalige Bürgermeister von Worms, Kilb15, das Kultusressort übernahm. Chef der Finanzabteilung wurde, nachdem zuerst Hoffmann diese Aufgabe mit wahrnehmen sollte, der seit Ende Mai in Neustadt tätige Verwaltungsjurist und Finanzfachmann Dahlgrün16. Dazu C. F. Latour/T. Vogelsang, Okkupation, S. 99. 10 Mdl. Auskunft von Dr. Anschütz vom 19. 3. 1977. 11 Rundschreiben im Nachlaß Heimerich, V 10- 2; dazu auch G. Kratz, Mittelrhein-Saar, S. 60. 12 G. Kratz, Mittelrhein-Saar, S. 63. 13 Information von Dr. Anschütz vom 19. 3. 1977. 14 Johannes Bärmann, geb. 1905, Dr. jur., Notar in der Pfalz, 1945 kurzzeitig Landrat in Kirchheimbolanden, dann im Oberregierungspräsidium in Neustadt tätig; als Übergabekommissar für den Besatzungsmachtwechsel vorgesehen, ab 8. Juli 1945 Chef der Abt. Justiz und Polizei, im Dezember 1945 ausgeschieden, später Professor an der Universität Mainz. 15 Ernst Kilb, Dr. phil, im Schuldienst tätig, nach 1945 kurzfristig OB von Worms, ab Juli 1945 Präsidialdirektor in Neustadt. Gest. Anfang Januar 1946. 16 Hans Georg Dahlgrün (1901- 1975), Dr. jur., vor 1945 beim Reichsstatthalter Westmark/CdZ Lothringen tätig, zuletzt als Ministerialrat in der Finanzabteilung, frühzeitig Mitarbeiter des Oberregierungspräsidiums unter Heimerich, von Juli bis Oktober 1945 Leiter der Abteilung Finanzen und Forsten in Neustadt; später Ministerialdirigent im Ministerium für Finanzen und Wiederaufbau, von November 1958 bis Mai 1959 Minister dort. Ab 1959 Präsident der Landeszentralbank von Rheinland-Pfalz, Honorarprofessor an der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer. 9

6. Die Ablösung der Regierung Heimerieb

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Die von den Amerikanern - möglicherweise auf Anregung Heimerichs- als Abteilungsleiter vorgesehenen Juristen Falck17 (Innere Verwaltung) und Fruth18 (Arbeit und Wohlfahrt) wu11den von Hoffmann sehr bald durch Schneller19 und Bökenkrüger20 ersetzt. Neben Kilb gehörten nur die Präsidialdirektoren J erratsch21 (Ernährung) und von Brochowski22 (Gesundheit) bislang nicht zur deutschen Verwaltung der Provinz Mittelrhein-Saar. Zum Leiter des Personalamtes, das den Wechsel der Besatzungsmacht bzw. den Abgang Reimerichs noch einige Zeit überdauerte, bestellte Hoffmann den früheren Justizinspektor Zimmermann23, der ebenso wie er selbst 1933 wegen seiner SPD-Zugehörigkeit aus dem öffentlichen Dienst entlassen worden war. Zu dem Kreis der auf Grund ihrer SPD-Mitgliedschaft 1933 entfernten Beamten gehörte auch Bökenkrüger. Die neuen leitenden Mitarbeiter des Oberregierungspräsidiums unter Hoffmann unterschieden sich, was Herkunft, Vorbildung und politischen Standort angeht, wenig von ihren Vorgängern. Fast alle hatten ein Universitätsstudium absolviert, wobei diejenigen mit der traditionellen juristischen Ausbildung höherer Verwaltungsbeamter jedoch in der Minderheit waren. Soweit nicht allein Fachkenntnisse, sondern auch politische Erwägungen für die Benennung eine Rolle spielten, dürfte die Zugehörigkeit zur SPD mitentscheidend gewesen sein. Siehe voriges Kapitel, insbesondere Anm. 28. s Albert Fruth war höherer Verwaltungsbeamter beim RStatth. Westmark/CdZ Lothringen. Weitere Angaben waren nicht zu erhalten. Fruth war später im bayerischen Landesdienst tätig. 19 Rudolf Schneller, Jurist, Regierungsrat bei der Regierung der Pfalz in Speyer, dann beim RStatth. Westmark/CdZ Lothringen, von Juli bis Oktober 1945 Leiter der Abt. Innere Verwaltung, dann in der Abt. Ernährung und Landwirtschaft des OReg.Präs. über 1949 hinaus beschäftigt. 20 Wilhelm Bökenkrüger (1890- 1966), Abitur, kaufmännische Ausbildung, 1919 - 1923 Direktor des Berufsamtes Wuppertal, dann dort Leiter der Arbeitsverwaltung, 1933 entlassen, 1934 nach Neustadt verzogen, dort als Buchhändler tätig. Nach 1940 ein Jahr Buchhändler in Metz. 1945 Vorsitzender des Antifa-AusschuB in Neustadt. Ab Juni 1945 kommissarischer Leiter des Arbeitsamtes Mittelrhein-Saar, ab Mitte Juli 1945 bis Juli 1947 Leiter der Abt. Arbeit und soziale Angelegenheiten des ORP, dann Arbeitsminister im ersten Kabinett Altmeier, Mitglied der Ber atenden LV Rheinland-Pfalz (SPD). 21 Otto Jerratsch, Dipl. Landwirt, vor 1945 in der deutschen Verwaltung in Lothringen tätig, von Juli bis Oktober 1945 Präsidialdirektor in Neustadt, später im Zentralausschuß für Ernährungsangelegenheiten b ei der französischen Militärregierung in Baden-Baden. Nach 1949 im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten als MinRat (1958) tätig. 22 Albert von Brochowski, Arzt; weitere Daten nicht bekannt. 23 Karl Zimmermann (1884- 1951), ab 1903 in gehob. Justizdienst, später Inspektor beim Amtsgericht Frankenthal, aus pol. Gründen im September 1933 entlassen, Tätigkeit in der Industrie, 1933 und 1940 in Haft, bis Juni 1945 kaufmännische Tätigkeit, ab Juli 1945 Leiter des Personalamtes, ab Okt. 1945 Präsidialdirektor der Abt. Innere Verwaltung, 1. 1. 1947- 30. 4. 1949 Leiter der Abt. Inneres und Kultus bei der Provinzialregierung der Pfalz, SPD-Mitglied. 17 1

Exkurs: Die Grenzziehung der französischen Zone

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Es ist jedenfalls nicht anzunehmen, daß sich die im Aufbruch befindlichen Offiziere der Militärregierung mit den Personalwünschen und -Vorstellungen Reimerichs bzw. Hoffmanns lange beschäftigten. Beide vielmehr dürften bei ihrer Auswahl relativ freie Hand gehabt haben. Die Einstellung weiteren Personals wurde dadurch, daß Hoffmann und die meisten der neuen Präsidialdirektoren aus Neustadt und näherer Umgebung kamen, sehr erleichtert. Binnen weniger Wochen gelang es Hoffmann, die Zahl seiner Mitarbeiter von 60 auf über 200 zu erhöhen24 • Daß auch bei deren Auswahl parteipolitische Erwägungen zum Tragen kamen, ist zu vermuten. Am 5. Juli 1945 verabschiedeten sich Heimerieb und die mit ihm gehenden Präsidialdirektoren von den Regierungspräsidenten25 , die zur allwöchentlichen Konferenz nach Neustadt gekommen waren. Drei Tage später verließen sie ihr Verwaltungsgebiet26 • Dabei nahmen sie- offenbar auf Anordnung der Amerikaner - den gesamten Kassenbestand des Oberregierungspräsidiums mit27• Am 10. Juli 1945 übergab General Gaffey mit militärischem Zeremoniell die Provinz Mittelrhein-Saar an den französischen General Montsabert28•

Exkurs: Die Grenzziehung der französischen Zone

Auf der Moskauer Konferenz im Oktober 1943 hatten sich die Außenminister der USA, Großbritanniens und der Sowjetunion geeinigt, eine besondere Kommission einzusetzen, die die nach der Beendigung des Krieges in Europa anstehenden politischen Probleme bearbeiten sollte. Die Tätigkeit dieser European Advisory Commission (EAC), die ab Dezember 1943 in London tagtet, beschränkte sich allerdings praktisch dar24 Mdl. Auskunft von Herrn Zapf vom 18. 12. 1976. Zur Personalvermehrung auch: W. Gollan, Neustadt, S. 734; zu den dortigen Zahlen vgl. Anm. 56 des vorigen Kapitels. 25 G. Kratz, Mittelrhein-Saar, S. 62; R. Falck, Sechs Jahre. 28 Die genauen Daten der Entlassung der Regierung Heimerieb bzw. der Ernennung der Regierung Hoffmann waren nicht feststellbar (vgl. dazu W. Schineller, Regierungspräsidenten, S. 77 mit G. Kratz, S. 62 f.). Es wird hier der 8. 7. 1945, der Tag des tatsächlichen Weggangs, als Entlassungstag Heimerichs angesehen. 27 Auskunft von Prof. Bärmann vom 1. 10. 1977. 28 E. F. Ziemke, US Army, S. 308. Für die von G. Wolff erstmals berichtete schrittweise Übergabe des Gebietes an die Franzosen ab 15. 6. 1945 (G. Wolff, Die Pfalz, S. 52) findet sich in den Akten kein Anhaltspunkt. Das Saargebiet sowie der Regierungsbezirk Trier wurden erst am 10. 7. 1945 von den Amerikanern an die Franzosen übergeben (R. H. Schmidt, Saarpolitik I, S. 165, und E. Zenz, Kommunale Reorganisation, S. 150). 1 P. E. Mosely, Occupation, S. 582; vgl. auch J . G. Winant, Arbeit, S. 183 ff.

7 Speyer 88

6. Die Ablösung der Regierung Heimerieb

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auf, Entscheidungen im Rahmen der Nachkriegsplanung in Deutschland vorzubereiten und, soweit ihr zugestanden, auch zu treffen2 • Nachdem bereits in der Konferenz von Teheran Ende 1943 zwischen den drei Alliierten grundsätzliches Einvernehmen über die Aufteilung Deutschlands in Besatzungszonen hergestellt war, wurde die EAC damit beauftragt, die Grenzen der Besatzungszonen festzulegen. Bei der Aufteilung ging man von den bestehenden Länder- bzw. Provinzgrenzen in Deutschland aus3 • Der in der EAC verhandelte Plan sah vor, daß die Sowjetunion die Länder Mecklenburg und Thüringen und die preußische Provinz Sachsen sowie alle östlich davon gelegenen Gebiete mit Ausnahme von Berlin erhalten solle. Die Abgrenzung der den beiden westlichen Alliierten zustehenden Zonen war so vorgesehen, daß die Westmark, Hessen-Darmstadt (wahrscheinlich ohne Oberhessen) und die drei süddeutschen Länder eine Zone, während alle übrigen im Nordwesten Deutschlands gelegenen Gebiete die andere Besatzungszone bilden sollten4 • Nach britischen Vorstellungen sollten die Amerikaner die südwestliche Zone übernehmen. Entgegen ihrer ursprünglichen Absicht akzeptierten die Amerikaner nach der Konferenz von Quebec im September 1944 diese Zuweisung. Dabei wurden allerdings noch einige Veränderungen vorgenommen, die mit den logistischen Erwägungen5 zusammenhingen, die für die Amerikaner eine große Rolle spielten. Um die Verbindungswege von den Nordseehäfen zur Südwestzone möglichst nicht weit durch fremde Zonen zu führen, wurde das für die Amerikaner vorgesehene Besatzungsgebiet um die beiden preußischen Provinzen Kurhessen und Nassau6 erweitert, während die Westmark als Kompensation zur (britischen) Nordwestzone kam. Frankreich, das seit November 1944 an den Beratungen der EAC teilnahm, hatte dort zunächst nicht die Position eines gleichberechtigten Partners7 , da es nach den anfänglichen Vorstellungen der drei Alliierten an der Besatzungsherrschaft in Deutschland nicht beteiligt sein sollte8 • J. G. Winant, S. 184. Vgl. P. E. Mosely, Occupation, S. 586. 4 P. E. Mosely, Occupation, S. 590. Siehe auch Kartenanhang. s Dazu P. E. Mosely, Occupation, S. 597; F. R. Willis, The French, S. 10. s Vgl. dazu Teil I, Kap. 7, Anm. 8. Siehe auch P. E. Mosely, Occupation, 2

3

s. 596. 7

8

R. J. Guiton, Paris, S. 84. P. E. Mosely, Dismemberment, S. 492; M. Balfour, Vier-Mächte-Kontrolle,

s. 57 f .

Exkurs: Die Grenzziehung der französischen Zone

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Die provisorische französische Regierung unter de Gaulle legte jedoch großen Wert auf eine Teilnahme an der Okkupation und unternahm entsprechende Vorstöße bei den Verbündeten9 • Die diesem Wunsch zugrundeliegende Deutschland-Politik der Regierung in Paris kann hier nicht weiter dargestellt werden10• Festzuhalten ist, daß die französische Haltung gegenüber Deutschland entscheidend von einem Sicherheitsinteresse bestimmt wurde11 : Deutschland sollte nie mehr eine Bedrohung für Frankreich darstellen können. Dabei glaubten die die französische Politik gestaltenden Personen und Gruppierungen, diesem Sicherheitsbedürfnis nur durch eine veränderte Grenzziehung in Mitteleuropa entsprechen zu können. Neben einer Internationalisierung des Ruhrgebietes und einem Sonderstatus für das Saargebiet forderte man in Paris zunächst eine Aufteilung Deutschlands in mehrere voneinander unabhängige Staaten12• Diesen Wunsch nach Aufteilung ließen die Franzosen etwa ab Mitte 1945 fallen und begnügten sich damit, auf die Bildung eines deutschen Staatenbundes hinzuwirken13• Diesem Staatenbund, dessen einzelne Länder ein größtmögliches Maß an Autonomie haben mußten, sollten allerdings die deutschen Länder und Provinzen am Rhein nicht angehören. Für sie hatten die Franzosen eine Sonderstellung vorgesehen, ohne sich dabei jedoch über deren zukünftige staatsrechtliche Gestalt festzulegen14• In einem eigenen Besatzungsgebiet glaubte man, diese Vorstellungen unmittelbar umsetzen zu können, bzw. mit der Zone zumindest ein Faustpfand gegenüber den anderen Alliierten zu haben, deren Zustimmung zu den französischen Plänen sehr unsicher war. Im übrigen ver.. folgten die Franzosen mit ihrer Forderung nach einer eigenen BesatS. 58; F. R . Willis, The French, S. 14 ff. Zur französischen Deutschland-Politik vgl. Einleitung, Kap. 3, Anm. 8. 11 Vgl. auch R. v. Albertini, Deutschlandpolitik, S. 365 f.; E. H. M. Lange, Wahlrecht, S. 115; H.-P. Schwarz, Reich, S. 182 ff.; A. Werth, Nachbar, S. 229 ff.; F. R. Willis, The French, S. 22 ff.; G. Kiersch, Deutschlandpolitik, S. 65; W. Baumgart, Voraussetzungen, S. 5; W. Lipgens, Bedingungen, S. 79 ff.; ders., Innerfranzösische Kritik, S. 180 ff.; H.-J. Wünschel, Teilungspläne, S. 361 ff.. 12 Dazu H. Lüthy, Frankreichs Uhren, S. 271 f. ; R. v. Albertini, S. 365; M. Balfour, Vier-Mächte-Kontrolle, S. 61; R . Hudemann, La zone, S. 25. G. Bidault schreibt in seinen Erinnerungen, Rebell, S. 111 ff., die Zerstückelungspolitik de Gaulle zu. Vgl. dazu auch H.-J. Wünschel, Teilungspläne, S. 363. 13 Hierzu nur: G. Kiersch, Deutschlandpolitik, S. 65; H.-P. Schwarz, Reich, 9

M . Balfour,

10

8.182.

14 Zur vorgesehenen Sonderstellung des Rheinlands: W. Lipgens, Bedingungen, S. 79 ff.; H.-P. Schwarz, Reich, S. 183 ff. Eine Annexion war zumindest ab Ende 1944 nicht mehr beabsichtigt (W. Lipgens, Innerfranzösische Kritik, S. 179 ff.; siehe dazu auch R. Hudemann, La zone, S. 25).

7*

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6. Die Ablösung der Regierung Heimerieb

zungszone auch ökonomische Ziele: Das Wirtschaftspotential des Gebietes konnte für den Wiederaufbau Frankreichs genutzt werden15• Obwohl Frankreich schon ab Sommer 1944 seine Wünsche in bezug auf Deutschland angemeldet hatte, wurde ihm erst im Februar 1945, auf der Konferenz von J alta, eine eigene Besatzungszone und eine Beteiligung an der noch zu schaffenden alliierten KontroUkommission angeboten16, nachdem die Sowjetunion ihr Einverständnis unter der Bedingung gegeben hatte, daß die französische Zone aus den beiden Westzonen herausgeschnitten werde17• Die exakte Festlegung der vierten Zone sollte von der EAC vorgenommen werden18• Die französischen Vertreter dort ließen sich bei ihren Verhandlungen von den weitgehenden Forderungen de Gaulles leiten, die dieser, ganz im Sinne der eben erwähnten Deutschlandpolitik, schon 1944 verkündet hatte: Frankreich müsse eine Besatzungszone am Rhein "von Köln bis zur Schweizer Grenze" haben19• Die Besprechungen um die neue Aufteilung der Westzonen fanden getrennt statt, wobei sich die Franzosen mit den Engländern relativ rasch einigen konnten. Da die Engländer auf das rheinisch-westfälische Industrierevier samt seinem Umland großen Wert legten, konnte der notwendige Kompromiß nur die Spaltung der Rheinprovinz bedeuten. Die Franzosen bekamen deren südlichen Teil, also die beiden Regierungsbezirke Koblenz und Trier. Daneben erhielten sie die Westmark, d. h. die Pfalz und das Saargebiet20• Aus der für die USA vorgesehenen Zone verlangten die französischen Unterhändler Baden, Hessen-Darmstadt, Kurhessen, Nassau21 und einen 15 Zum Wirtschaftspotential und zur französischen Wirtschaftspolitik in der Zone vgl. die Gesamtdarstellung bei M. Manz, Stagnation, vor allem S. 88 ff. Siehe dazu auch F. R. Willis, The French, S. 109 ff. Zur Bedeutung der ökonomischen Überlegungen in der franz. Deutschland-Politik vgl. K.-D. Henke, Aspekte, S. 170, und G. Kiersch, S. 65. t6 F. R. Willis, The French, S. 11 f.; A. Conte, Teilung, S. 245 ff.; M. Balfour, Vier-Mächte-Kontrolle, S. 58 f. t7 .M. Balfour, S. 59. '~ "~