Bilanzrecht Kommentar: Handelsbilanz – Steuerbilanz – Prüfung – Offenlegung – Gewinnverwendung 9783504386405

Hier finden Sie eine systematische, umfassende und kompakte Kommentierung der Normen des Handelsbilanzrechts mit gleichg

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German Pages 3000 [3027] Year 2021

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Bilanzrecht Kommentar: Handelsbilanz – Steuerbilanz – Prüfung – Offenlegung – Gewinnverwendung
 9783504386405

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Hachmeister/Kahle/Mock/Schüppen Bilanzrecht Kommentar

| 2971

2972 |

Bilanzrecht Kommentar Handelsbilanz . Steuerbilanz Prüfung . Offenlegung Gesellschaftsrecht herausgegeben von

Prof. Dr. Dirk Hachmeister

Universität Hohenheim

Prof. Dr. Holger Kahle

Universität Hohenheim

Prof. Dr. Sebastian Mock, LL.M.

Wirtschaftsuniversität Wien

Prof. Dr. Matthias Schüppen Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, Stuttgart, Universität Hohenheim

2. neu bearbeitete Auflage

2020

| 2973

Zitierempfehlung: Bearbeiter in Hachmeister/Kahle/Mock/Schüppen, Bilanzrecht, 2. Aufl., § … Rz. …

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-9 43 [email protected] www.otto-schmidt.de ISBN 978-3-504-25381-3 © 2020 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungsbeständig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung: Lichtenford, Mettmann Satz: Schäper, Bonn Druck und Verarbeitung: Kösel, Krugzell Printed in Germany 2974 4 | |

Bearbeiter Prof. Dr. Karsten Altenhain Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Prof. Dr. Marisa Baltromejus Steuerberaterin DHBW Heidenheim Prof. Dr. Thomas Berndt Universität St. Gallen Dr. Bettina Beyer Wirtschaftsprüferin Stuttgart Dr. Falko Braun, LL.M. Rechtsanwalt und Steuerberater Recklinghausen Julia Braun, M.Sc. Universität Hohenheim Dr. Michael Burg Rechtsanwalt Köln Marius Burth, M.Sc. Universität Hohenheim Dr. Martin Cordes Steuerberater Bonn Dr. Benjamin S. Cortez, LL.M. Steuerberater Stuttgart Karl-Heinz Dickau Steuerberater Berlin Moritz Diemers Wirtschaftsprüfer Düsseldorf Prof. Dr. Michael Dobler Technische Universität Dresden Prof. Dr. Klaus-Dieter Drüen Ludwig-Maximilians-Universität München Richter am Finanzgericht Düsseldorf

Meik Eichholz, M.Sc. Berlin Prof. Dr. Christina Escher-Weingart Universität Hohenheim Jan Martin Faaß Wirtschaftsprüfer und Steuerberater München Dr. Kerstin Fiederling Stuttgart Dr. Andreas Glaser Stuttgart Dr. Sabrina Götz Stuttgart Susanne Goldschmidt Steuerberaterin Stuttgart Friedrich Graf von Kanitz Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwalt und Steuerberater Köln Dr. Matthias Gröne Steuerberater IUBH Internationale Hochschule Privatdozent Dr. Andreas Haaker Berlin Prof. Dr. Dirk Hachmeister Universität Hohenheim Prof. Dr. Bernd Hacker Technische Hochschule Rosenheim Dr. Christian Haferkorn Wirtschaftsprüfer und Steuerberater Hannover Prof. Dr. Reinhard Heyd Hochschule Aalen/Universität Ulm Prof. Dr. Matthias Hiller Steuerberater SRH Fernhochschule – The Mobile University Maximilian Holzmeier, M.Sc. Universität Hohenheim (Fortsetzung nächste Seite)

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Bearbeiter Prof. Dr. Holger Kahle Universität Hohenheim Prof. Dr. Holger Karrenbrock Universität Kassel Prof. Dr. Alois Paul Knobloch Universität des Saarlandes Nicolas Kopp, M.Sc. Universität Hohenheim Dr. Jochen Kotzenberg, LL.M. Rechtsanwalt und Steuerberater Bonn Prof. Dr. Marcel Krumm Westfälische Wilhelms-Universität Münster Richter am Finanzgericht Münster Dr. Andreas-M. Kuhlewind Hannover Dr. Dierk Kursatz Wirtschaftsprüfer New York Dr. Marcus Lesser Stuttgart Dr. Christiane Malke Steuerberaterin Walldorf Prof. Dr. Franz Jürgen Marx Universität Bremen Dr. Daniel Melter Stuttgart Prof. Dr. Stephan Meyering FernUniversität Hagen Prof. Dr. Sebastian Mock, LL.M. Wirtschaftsuniversität Wien Prof. Dr. Melanie Mühlberger Hochschule für Technik Stuttgart Dr. Welf Müller Rechtsanwalt, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer Frankfurt/M.

2976 |

Privatdozent Dr. Falk Mylich Albert-Ludwigs-Universität Freiburg/ Technische Universität Dresden Dr. Karoline Peters Rechtsanwältin Düsseldorf Prof. Dr. Lutz Richter Universität Trier Dr. Matthias Schatz, LL.M. Rechtsanwalt Köln Prof. Dr. Matthias Schüppen Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater Stuttgart/Universität Hohenheim Dr. Sebastian Schulz Walldorf Alina Leonie Sigel, M.Sc. Universität Hohenheim Prof. Dr. Marco Staake Universität Bayreuth Prof. Dr. Arthur Stenzel Assistenzprofessor Universität St. Gallen Prof. Dr. Michael Stöber Christian-Albrechts-Universität zu Kiel Dr. Ahmad Sultana Wirtschaftsprüfer und Steuerberater Dortmund Dr. Thorsten Vogel Steuerberater Stuttgart Prof. Dr. Dominic Wader Wirtschaftsprüfer und Steuerberater Hochschule Reutlingen Dr. Marcel Wildermuth Steuerberater Stuttgart Prof. Dr. Dirk Andreas Zetzsche, LL.M. Universität Luxemburg

Vorwort Die gute Positionierung des neuen HGB-Kommentars im Markt und die gesetzlichen Entwicklungen erlauben uns, nach drei Jahren die zweite Auflage des Bilanzrecht-Kommentars aus der „Blauen Reihe“ des Otto Schmidt Verlags, den HKMS, vorzulegen. Das gewählte Konzept wird beibehalten, da wir die handelsrechtlichen Bilanzierungsregeln bewusst um die gesellschafts- und steuerrechtlich relevanten Bilanzierungsfragen ergänzen, um so eine Einheit zu erreichen und die inneren Verbindungen der Rechtsgebiete aufzuzeigen. Neu aufgenommen sind der Anhang zum Maßgeblichkeitsgrundsatz und die Kommentierung der §§ 341q–341y HGB (Konzernzahlungsbericht). Zudem wird nunmehr das gesamte Publizitätsgesetz (PublG) kommentiert. Das Werk wurde insgesamt überarbeitet und aktualisiert. Insbesondere die Regelungen aus ARUG II (Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie) sowie der neu gefasste Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK) wurden umfassend eingearbeitet. Auf die zu erwartenden Neuerungen aus ESEF (Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie im Hinblick auf ein einheitliches elektronisches Format für Jahresfinanzberichte) und der COVID-19-Gesetzgebung wird hingewiesen. Neue Bilanzrechtsprechung des BFH, des BGH und des EuGH, die überarbeiteten Deutschen Rechnungslegungs Standards sind ebenso wie neue Verlautbarungen des Berufsstands der Wirtschaftsprüfer berücksichtigt. Der Rechtsstand bezieht sich auf den 31. Mai 2020. Ohne das Engagement unseres Autorenteams wäre es nicht möglich gewesen, das Werk zu diesem Zeitpunkt vorlegen zu können. Dafür bedanken wir uns ausdrücklich. Aber nicht nur bei den Autorinnen und Autoren der Kommentierung möchten wir uns bedanken, auch unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gilt unser Dank. Dank gilt auch dem Verlag und seinen Mitarbeitern, insbes. Frau RAin Eva Maria Marzinkowski, die uns beharrlich motiviert und unterstützt hat. Herausgeber und Verlag freuen sich, die zweite Auflage des HGB-Bilanzrecht-Kommentars – des HKMS – in die Hände der Nutzer zu legen. Inhaltliche Anregungen senden Sie bitte wieder unmittelbar an die Herausgeber ([email protected]). Stuttgart/Wien im Juli 2020

Die Herausgeber

Vorwort der 1. Auflage Rechnungslegung, Jahresabschlussprüfung und Offenlegung sind Rechtsgebiete, die durch die EU, aber auch durch die internationale Rechnungslegung in ständiger Bewegung sind. Allein in den letzten Jahren gab es zwei EU-Richtlinien zur Rechnungslegung, die einen umfassenden Einfluss auf die Rechnungslegung nach HGB hatten. Durch diese Entwicklung dürfte aber auch deutlich werden, dass das HGB weiter eine wichtige Rolle bei der Gestaltung des Bilanzrechts hat und haben wird und nicht durch die IFRS abgelöst wird. Nach der Finanz- und Wirtschaftskrise ist auch die Sicht auf eine vorsichtsgeprägte, umsatzorientierte, verlustantizipierende Gewinn- und Vermögensermittlung, die mit dem HGB erreicht wird, neu bewertet worden. Die Bedeutung der IFRS jenseits der börsennotierten Unternehmen ist nach der massiven Kritik am HGB in den 1990er Jahren mittlerweile einer realistischen Einordnung gewichen. Weitgehend zeitgleich wurden die EUVerordnung zur Abschlussprüfung von Unternehmen von öffentlichem Interesse und die geänderte Abschlussprüferrichtlinie veröffentlicht. Soweit diese Regelungen nicht direkt in Deutschland anzuwenden sind, wurden mittlerweile alle Regelungen vom deutschen Gesetzgeber in nationales Recht transformiert. Diese ungebrochene Relevanz des HGB als Teil der steuerlichen und gesellschaftsrechtlichen Regelungen hat uns auch bewogen, im Otto Schmidt Verlag einen neuen HGB-Kommentar zum Bilanzrecht einschließlich der für die Rechnungslegung relevanten Normen der Steuerbilanz, der Abschlussprüfung, der Offenlegung und des Gesellschaftsrechts herauszugeben. Die Bezüge des Bilanzrechts zum Steuer- und Gesellschaftsrecht haben auch die inhaltlichen Ausführungen geprägt, ohne mit den jeweiligen themenspezifischen Kommentaren in Wettbewerb treten zu wollen. Neben den einschlägigen Paragraphen des HGB zur Rechnungslegung (§§ 238 ff. HGB), Abschlussprüfung (§§ 316 ff. HGB) und Offenlegung (§§ 325 ff. HGB) werden auch die im HGB, GmbHG oder AktG noch spezifischen Regelungen kommentiert; dass die Vorschriften für Genossenschaften und Großunternehmen nach PublG betrachtet werden, ist selbstverständlich, die branchenspezifischen Regelungen für Kreditinstitute, Versicherungsunternehmen und für Unternehmen des Rohstoffsektors wurden ausgespart. VII

Vorwort Die gute Positionierung des neuen HGB-Kommentars im Markt und die gesetzlichen Entwicklungen erlauben uns, nach drei Jahren die zweite Auflage des Bilanzrecht-Kommentars aus der „Blauen Reihe“ des Otto Schmidt Verlags, den HKMS, vorzulegen. Das gewählte Konzept wird beibehalten, da wir die handelsrechtlichen Bilanzierungsregeln bewusst um die gesellschafts- und steuerrechtlich relevanten Bilanzierungsfragen ergänzen, um so eine Einheit zu erreichen und die inneren Verbindungen der Rechtsgebiete aufzuzeigen. Neu aufgenommen sind der Anhang zum Maßgeblichkeitsgrundsatz und die Kommentierung der §§ 341q–341y HGB (Konzernzahlungsbericht). Zudem wird nunmehr das gesamte Publizitätsgesetz (PublG) kommentiert. Das Werk wurde insgesamt überarbeitet und aktualisiert. Insbesondere die Regelungen aus ARUG II (Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie) sowie der neu gefasste Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK) wurden umfassend eingearbeitet. Auf die zu erwartenden Neuerungen aus ESEF (Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie im Hinblick auf ein einheitliches elektronisches Format für Jahresfinanzberichte) und der COVID-19-Gesetzgebung wird hingewiesen. Neue Bilanzrechtsprechung des BFH, des BGH und des EuGH, die überarbeiteten Deutschen Rechnungslegungs Standards sind ebenso wie neue Verlautbarungen des Berufsstands der Wirtschaftsprüfer berücksichtigt. Der Rechtsstand bezieht sich auf den 31. Mai 2020. Ohne das Engagement unseres Autorenteams wäre es nicht möglich gewesen, das Werk zu diesem Zeitpunkt vorlegen zu können. Dafür bedanken wir uns ausdrücklich. Aber nicht nur bei den Autorinnen und Autoren der Kommentierung möchten wir uns bedanken, auch unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gilt unser Dank. Dank gilt auch dem Verlag und seinen Mitarbeitern, insbes. Frau RAin Eva Maria Marzinkowski, die uns beharrlich motiviert und unterstützt hat. Herausgeber und Verlag freuen sich, die zweite Auflage des HGB-Bilanzrecht-Kommentars – des HKMS – in die Hände der Nutzer zu legen. Inhaltliche Anregungen senden Sie bitte wieder unmittelbar an die Herausgeber ([email protected]). Stuttgart/Wien im Juli 2020

Die Herausgeber

Vorwort der 1. Auflage Rechnungslegung, Jahresabschlussprüfung und Offenlegung sind Rechtsgebiete, die durch die EU, aber auch durch die internationale Rechnungslegung in ständiger Bewegung sind. Allein in den letzten Jahren gab es zwei EU-Richtlinien zur Rechnungslegung, die einen umfassenden Einfluss auf die Rechnungslegung nach HGB hatten. Durch diese Entwicklung dürfte aber auch deutlich werden, dass das HGB weiter eine wichtige Rolle bei der Gestaltung des Bilanzrechts hat und haben wird und nicht durch die IFRS abgelöst wird. Nach der Finanz- und Wirtschaftskrise ist auch die Sicht auf eine vorsichtsgeprägte, umsatzorientierte, verlustantizipierende Gewinn- und Vermögensermittlung, die mit dem HGB erreicht wird, neu bewertet worden. Die Bedeutung der IFRS jenseits der börsennotierten Unternehmen ist nach der massiven Kritik am HGB in den 1990er Jahren mittlerweile einer realistischen Einordnung gewichen. Weitgehend zeitgleich wurden die EUVerordnung zur Abschlussprüfung von Unternehmen von öffentlichem Interesse und die geänderte Abschlussprüferrichtlinie veröffentlicht. Soweit diese Regelungen nicht direkt in Deutschland anzuwenden sind, wurden mittlerweile alle Regelungen vom deutschen Gesetzgeber in nationales Recht transformiert. Diese ungebrochene Relevanz des HGB als Teil der steuerlichen und gesellschaftsrechtlichen Regelungen hat uns auch bewogen, im Otto Schmidt Verlag einen neuen HGB-Kommentar zum Bilanzrecht einschließlich der für die Rechnungslegung relevanten Normen der Steuerbilanz, der Abschlussprüfung, der Offenlegung und des Gesellschaftsrechts herauszugeben. Die Bezüge des Bilanzrechts zum Steuer- und Gesellschaftsrecht haben auch die inhaltlichen Ausführungen geprägt, ohne mit den jeweiligen themenspezifischen Kommentaren in Wettbewerb treten zu wollen. Neben den einschlägigen Paragraphen des HGB zur Rechnungslegung (§§ 238 ff. HGB), Abschlussprüfung (§§ 316 ff. HGB) und Offenlegung (§§ 325 ff. HGB) werden auch die im HGB, GmbHG oder AktG noch spezifischen Regelungen kommentiert; dass die Vorschriften für Genossenschaften und Großunternehmen nach PublG betrachtet werden, ist selbstverständlich, die branchenspezifischen Regelungen für Kreditinstitute, Versicherungsunternehmen und für Unternehmen des Rohstoffsektors wurden ausgespart. VII

Vorwort der 1. Auflage

Eine besondere Beachtung finden die Normen des Steuerbilanzrechts und die hierzu ergangene Rechtsprechung des BFH. Aufgrund des Grundsatzes der Maßgeblichkeit ist die BFH-Rechtsprechung für das Handelsbilanzrecht nach wie vor von enormer Bedeutung; darüber hinaus wird auch die Rechtsprechung des EuGH zum Bilanzrecht in den einschlägigen Paragraphen beachtet. Die Regelungen des DRSC werden vor dem Hintergrund gewürdigt, dass für diese Regelungen vermutet wird, bei Bekanntmachung durch das Bundesministerium der Justiz den Charakter von Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung der (Konzern-) Rechnungslegung zu haben. Von den Bereichen abgesehen, in denen die IFRS einen unmittelbaren Einfluss auf die Normen des HGB gefunden haben, werden die Vorschriften bewusst nicht kommentiert. Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass vergleichende Betrachtungen mittlerweile obsolet sind. Wer konkrete Antworten auf Fragen der IFRS-Rechnungslegung sucht, wird in den einschlägigen – auch internationalen – Werken fündig und ist an den konkreten Regelungen, weniger einer Gegenüberstellung mit den HGB-Regeln interessiert. Im Rahmen der Kommentierung der Paragraphen zur Abschlussprüfung wurden die Prüfungsstandards und Prüfungshinweise des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. (IDW) kritisch gewürdigt. Auch wenn diese Vorschriften nicht verbindlich sind, stellen sie eine wichtige Entscheidungshilfe für den Anwender dar. Nach unserer Einschätzung kann das deutsche Bilanzrecht nicht mehr ohne diese Verbindungen zum Steuerund Gesellschaftsrecht betrachtet werden. Der vorliegende Kommentar zum Bilanzrecht sieht sich daher auch als Angelpunkt zu den hervorragenden und gut platzierten Kommentierungen des Otto Schmidt Verlags zum Steuer- und Gesellschaftsrecht. Diese Scharnierfunktion ist und war uns ein Anspruch und Ansporn. Die Positionierung und Ausrichtung spiegelt sich auch in unserer Zusammensetzung als Herausgeberteam, das nicht nur durch jeweils zwei Ökonomen und Juristen gebildet wird, sondern in dem nicht nur universitäre Lehre und Forschung, sondern auch die anwaltliche Kompetenz und Berufserfahrung eines Wirtschaftsprüfers vertreten ist. Diese Vielfalt findet sich auch bei den Verfassern der Kommentierung zu den einzelnen Paragraphen. Wir sind als Herausgeber stolz darauf, dass wir renommierte Persönlichkeiten aus Wissenschaft und Praxis, Juristen und Ökonomen als Autorinnen und Autoren für das vorliegende Werk gewinnen konnten. Basierend auf einem Vertrauensverhältnis zwischen Herausgebern und Autorinnen und Autoren spiegelt sich die daraus resultierende unproblematische Abstimmung der einzelnen Kommentierungen in der unseres Erachtens hohen Qualität der Kommentierung. Ohne das Engagement unseres Autorenteams wäre es nicht möglich gewesen, das Werk zu diesem Zeitpunkt vorlegen zu können. Dafür möchten wir uns ausdrücklich bedanken. Die Ausführungen berücksichtigen den Stand der Gesetzgebung, Rechtsprechung und Literatur bis Ende Juli 2017. Der hier vorgelegte Bilanzrecht-Kommentar wendet sich nicht nur an die Angehörigen der wirtschaftsprüfenden und rechtsberatenden Berufe sowie Bilanzierende, sondern auch an Richterschaft und Kolleginnen, Kollegen und Studierende an Universitäten und andere Hochschulen. Um für die anwaltliche und anwenderorientierte Tagespraxis schnelle Informationen zu liefern, haben wir auf eine ausführliche Diskussion wissenschaftlicher Theorien verzichtet, wenngleich diese beim Aufbau der einzelnen Kommentierungen ihren Niederschlag gefunden haben. Wir als Herausgeber bedanken uns aber nicht nur bei den Autorinnen und Autoren der Kommentierung, sondern auch bei unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, ohne die ein solches Werk nicht entstehen kann. Dank gilt auch dem Verleger und seinen Mitarbeitern, die uns bei der Konzeption ebenso wie bei vielen Einzelfragen in nimmermüder Weise wirksam unterstützt haben. Herausgeber und Verlag freuen sich, einen neukonzipierten HGB-Bilanzrechtskommentar in die Hände der Nutzer zu legen. Inhaltliche Anregungen werden unmittelbar an die Herausgeber erbeten ([email protected]). Stuttgart/Hamburg im September 2017

VIII

Die Herausgeber

Bearbeiterverzeichnis Prof. Dr. Karsten Altenhain Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

§§ 331–335c, 342e HGB, § 400 AktG, §§ 17–21a PublG

Prof. Dr. Marisa Baltromejus Steuerberaterin, DHBW Heidenheim

§ 246 HGB

Prof. Dr. Thomas Berndt Universität St. Gallen

§§ 270, 276 HGB

Dr. Bettina Beyer Wirtschaftsprüferin, Stuttgart

§ 309 HGB, §§ 1, 5, 6, 14 PublG

Dr. Falko Braun, LL.M. Rechtsanwalt Steuerberater, Recklinghausen

§§ 29, 32, 41–42a, 46 GmbHG

Julia Braun, M.Sc. Universität Hohenheim

§§ 252, 263 HGB

Dr. Michael Burg Rechtsanwalt, Köln

§§ 317, 320–321a, 324, 324a HGB

Marius Burth, M.Sc. Universität Hohenheim

§§ 315b, 315c HGB

Dr. Martin Cordes Steuerberater, Bonn

Anh. 2 zu §§ 238–263 HGB

Dr. Benjamin S. Cortez, LL.M. Steuerberater, Stuttgart

§ 252 HGB

Karl-Heinz Dickau Steuerberater, Berlin

§§ 336–339 HGB

Moritz Diemers Wirtschaftsprüfer, Düsseldorf

§§ 313, 314 HGB

Prof. Dr. Michael Dobler Technische Universität Dresden

§§ 315, 315a, 315d HGB

Prof. Dr. Klaus-Dieter Drüen Ludwig-Maximilians-Universität München Richter am Finanzgericht Düsseldorf

§§ 238–241a, 257–261, 265, 266 HGB

Meik Eichholz, M.Sc. Berlin

§§ 252, 263 HGB

Prof. Dr. Christina Escher-Weingart Universität Hohenheim

§§ 107, 119 AktG

Jan Martin Faaß Wirtschaftsprüfer Steuerberater, München

§ 247 HGB

Dr. Kerstin Fiederling Stuttgart

§§ 291, 294 HGB

Dr. Andreas Glaser Stuttgart

§ 254 HGB

Dr. Sabrina Götz, M.Sc. Stuttgart

§§ 296, 300 HGB

Susanne Goldschmidt Steuerberaterin, Stuttgart

§ 252 HGB

Friedrich Graf von Kanitz Wirtschaftsprüfer Rechtsanwalt Steuerberater, Köln

§§ 119–122, 161, 167–169 HGB IX

Bearbeiterverzeichnis

Dr. Matthias Gröne Steuerberater, IUBH Internationale Hochschule

§ 249 HGB

Dr. Andreas Haaker Privatdozent, Berlin

§§ 336–339 HGB

Prof. Dr. Dirk Hachmeister Universität Hohenheim

Vor §§ 290–315e, § 290, Anh. zu § 290, §§ 291–294, 296–301, 307, 315b, 315c, § 322, Vor §§ 341q–341y, §§ 341q–341y HGB, §§ 2, 3, 11–13 PublG

Prof. Dr. Bernd Hacker Technische Hochschule Rosenheim

§§ 311, 312 HGB

Dr. Christian Haferkorn Wirtschaftsprüfer Steuerberater, Hannover

§§ 313, 314 HGB

Prof. Dr. Reinhard Heyd Hochschule Aalen/Universität Ulm

§§ 303–305 HGB

Prof. Dr. Matthias Hiller Steuerberater, SRH Fernhochschule – The Mobile University

Anh. zu § 243, § 256a HGB

Maximilian Holzmeier, M.Sc. Universität Hohenheim

§§ 292, 311, 312, 315b, 315c HGB

Prof. Dr. Holger Kahle Universität Hohenheim

§§ 242, 246, 252 HGB

Prof. Dr. Holger Karrenbrock Universität Kassel

§§ 267, 267a, 274a HGB

Prof. Dr. Alois Paul Knobloch Universität des Saarlandes

§ 256 HGB

Nicolas Kopp, M.Sc. Universität Hohenheim

§ 246 HGB

Dr. Jochen Kotzenberg, LL.M. Rechtsanwalt Steuerberater, Bonn

Anh. 2 zu §§ 238–263 HGB

Prof. Dr. Marcel Krumm Westfälische Wilhelms-Universität Münster Richter am Finanzgericht Münster

§ 255 HGB

Dr. Andreas-M. Kuhlewind Hannover

§ 306 HGB

Dr. Dierk Kursatz Wirtschaftsprüfer, New York

§ 247 HGB

Dr. Marcus Lesser Stuttgart

§§ 293, 299 HGB

Dr. Christiane Malke Steuerberaterin, Walldorf

§ 243 HGB

Prof. Dr. Franz Jürgen Marx Universität Bremen

§ 253 HGB

Dr. Daniel Melter Stuttgart

§ 298 HGB

Prof. Dr. Stephan Meyering FernUniversität Hagen

§ 249 HGB

Prof. Dr. Sebastian Mock, LL.M. Wirtschaftsuniversität Wien

§§ 268, 271, 272, 274, 289–289f, 342–342d HGB, §§ 170–172, 175, 176 AktG, §§ 4, 7, 8, 10, 22, 23 PublG

X

Bearbeiterverzeichnis

Prof. Dr. Melanie Mühlberger Hochschule für Technik Stuttgart

§§ 308, 308a HGB

Dr. Welf Müller Rechtsanwalt Steuerberater Wirtschaftsprüfer, Frankfurt/M.

§§ 316, 318–319b, 323 HGB

Dr. Falk Mylich Privatdozent, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg/ Technische Universität Dresden

§§ 316, 318–319b HGB

Dr. Karoline Peters Rechtsanwältin, Düsseldorf

§§ 284–288 HGB

Prof. Dr. Lutz Richter Universität Trier

§§ 250, 251 HGB

Dr. Matthias Schatz, LL.M. Rechtsanwalt, Köln

§§ 29, 32, 41–42a, 46 GmbHG

Prof. Dr. Matthias Schüppen Rechtsanwalt Wirtschaftsprüfer Steuerberater, Stuttgart/Universität Hohenheim

§§ 244, 245, 275, 277, 330 HGB

Dr. Sebastian Schulz Walldorf

§ 243 HGB

Alina Leonie Sigel, M.Sc. Universität Hohenheim

Vor §§ 341q–341y, §§ 341q–341y HGB

Prof. Dr. Marco Staake Universität Bayreuth

§ 323 HGB

Prof. Dr. Arthur Stenzel Assistenzprofessor Universität St. Gallen

§ 297 HGB

Prof. Dr. Michael Stöber Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

§§ 264–264d HGB

Dr. Ahmad Sultana Wirtschaftsprüfer Steuerberater, Dortmund

§§ 310, 315e HGB

Dr. Thorsten Vogel Steuerberater, Stuttgart

§ 248, Anh. 1 zu §§ 238–263 HGB

Prof. Dr. Dominic Wader Wirtschaftsprüfer Steuerberater, Hochschule Reutlingen

§§ 303–305 HGB

Dr. Marcel Wildermuth Steuerberater, Stuttgart

§§ 242, 263 HGB

Prof. Dr. Dirk Andreas Zetzsche, LL.M. Universität Luxemburg

Vor § 325, §§ 325–329 HGB, §§ 9, 15 PublG

XI

XII

Inhaltsverzeichnis Seite

Vorwort . . . . . . . . . . Bearbeiterverzeichnis . . . Abkürzungsverzeichnis . . Gesamtliteraturverzeichnis Abgekürzt zitierte Literatur

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. VII . IX . XXI . XXXI . XXXIV

Erster Unterabschnitt Buchführung. Inventar § 238 Buchführungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 239 Führung der Handelsbücher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 240 Inventar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 241 Inventurvereinfachungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 241a Befreiung von der Pflicht zur Buchführung und Erstellung eines Inventars

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1 14 22 32 37

Drittes Buch Handelsbücher Erster Abschnitt Vorschriften für alle Kaufleute

Zweiter Unterabschnitt Eröffnungsbilanz. Jahresabschluß Erster Titel Allgemeine Vorschriften § 242 Pflicht zur Aufstellung . . . . . . . . . § 243 Aufstellungsgrundsatz . . . . . . . . . Anhang zu § 243 Das Maßgeblichkeitsprinzip § 244 Sprache. Währungseinheit . . . . . . . § 245 Unterzeichnung . . . . . . . . . . . . .

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42 58 74 116 121

Zweiter Titel Ansatzvorschriften § 246 Vollständigkeit. Verrechnungsverbot. § 247 Inhalt der Bilanz . . . . . . . . . . . § 248 Bilanzierungsverbote und -wahlrechte § 249 Rückstellungen . . . . . . . . . . . . § 250 Rechnungsabgrenzungsposten . . . . § 251 Haftungsverhältnisse . . . . . . . . .

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125 185 199 215 269 283

Dritter Titel Bewertungsvorschriften § 252 Allgemeine Bewertungsgrundsätze § 253 Zugangs- und Folgebewertung . . . § 254 Bildung von Bewertungseinheiten . § 255 Bewertungsmaßstäbe . . . . . . . . § 256 Bewertungsvereinfachungsverfahren § 256a Währungsumrechnung . . . . . . .

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294 371 443 477 526 540

Dritter Unterabschnitt Aufbewahrung und Vorlage § 257 Aufbewahrung von Unterlagen. Aufbewahrungsfristen § 258 Vorlegung im Rechtsstreit . . . . . . . . . . . . . . . § 259 Auszug bei Vorlegung im Rechtsstreit . . . . . . . . . § 260 Vorlegung bei Auseinandersetzungen . . . . . . . . . § 261 Vorlegung von Unterlagen auf Bild- oder Datenträgern

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552 570 573 575 577

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XIII

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Vierter Unterabschnitt Landesrecht § 262 (weggefallen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 263 Vorbehalt landesrechtlicher Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang 1 zu §§ 238–263 Organschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang 2 zu §§ 238–263 Steuerliche Gewinnermittlung bei Personengesellschaften Zweiter Abschnitt

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580 581 583 604

Ergänzende Vorschriften für Kapitalgesellschaften (Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien und Gesellschaften mit beschränkter Haftung) sowie bestimmte Personenhandelsgesellschaften

Erster Unterabschnitt Jahresabschluß der Kapitalgesellschaft und Lagebericht Erster Titel Allgemeine Vorschriften § 264 Pflicht zur Aufstellung; Befreiung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 264a Anwendung auf bestimmte offene Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften . § 264b Befreiung von der Pflicht zur Aufstellung eines Jahresabschlusses nach den für Kapitalgesellschaften geltenden Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 264c Besondere Bestimmungen für offene Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften im Sinne des § 264a . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 264d Kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 265 Allgemeine Grundsätze für die Gliederung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

697 711 716

Zweiter Titel Bilanz § 266 Gliederung der Bilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 267 Umschreibung der Größenklassen . . . . . . . . . . . . . . . § 267a Kleinstkapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 268 Vorschriften zu einzelnen Posten der Bilanz. Bilanzvermerke § 269 (weggefallen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 270 Bildung bestimmter Posten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 271 Beteiligungen. Verbundene Unternehmen . . . . . . . . . . . § 272 Eigenkapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 273 (weggefallen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 274 Latente Steuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 274a Größenabhängige Erleichterungen . . . . . . . . . . . . . . .

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727 741 751 756 778 778 782 793 846 846 858

Dritter Titel Gewinn- und Verlustrechnung § 275 Gliederung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 276 Größenabhängige Erleichterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 277 Vorschriften zu einzelnen Posten der Gewinn- und Verlustrechnung § 278 (weggefallen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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863 886 889 895

Vierter Titel (weggefallen) §§ 279–283 (weggefallen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

895

Fünfter Titel Anhang § 284 Erläuterung der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung § 285 Sonstige Pflichtangaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 286 Unterlassen von Angaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 287 (weggefallen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 288 Größenabhängige Erleichterungen . . . . . . . . . . . . . . . .

895 917 972 978 978

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689

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XIV

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644 680

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Sechster Titel Lagebericht § 289 Inhalt des Lageberichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 289a Ergänzende Vorgaben für bestimmte Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 289b Pflicht zur nichtfinanziellen Erklärung; Befreiungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 289c Inhalt der nichtfinanziellen Erklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 289d Nutzung von Rahmenwerken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 289e Weglassen nachteiliger Angaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 289f Erklärung zur Unternehmensführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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982

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999 1009 1029 1044 1048 1052

Zweiter Unterabschnitt Konzernabschluß und Konzernlagebericht Vor §§ 290–315e HGB Unternehmensverbindungen und Konzernrechnungslegung . . . . . . .

1064

Erster Titel Anwendungsbereich § 290 Pflicht zur Aufstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang zu § 290 Unternehmensverbindungen und Konzernrecht . § 291 Befreiende Wirkung von EU/EWR-Konzernabschlüssen . . . § 292 Befreiende Wirkung von Konzernabschlüssen aus Drittstaaten § 292a (weggefallen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 293 Größenabhängige Befreiungen . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1094 1136 1162 1173 1196 1196

Zweiter Titel Konsolidierungskreis § 294 Einzubeziehende Unternehmen. Vorlage- und Auskunftspflichten . . . . . . . . . . . . . § 295 (weggefallen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 296 Verzicht auf die Einbeziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1204 1214 1214

Dritter Titel Inhalt und Form des Konzernabschlusses § 297 Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 298 Anzuwendende Vorschriften. Erleichterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 299 Stichtag für die Aufstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1232 1259 1288

Vierter Titel Vollkonsolidierung § 300 Konsolidierungsgrundsätze. Vollständigkeitsgebot § 301 Kapitalkonsolidierung . . . . . . . . . . . . . . . § 302 (weggefallen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 303 Schuldenkonsolidierung . . . . . . . . . . . . . . § 304 Behandlung der Zwischenergebnisse . . . . . . . § 305 Aufwands- und Ertragskonsolidierung . . . . . . § 306 Latente Steuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 307 Anteile anderer Gesellschafter . . . . . . . . . . .

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1297 1308 1381 1381 1406 1424 1440 1477

Fünfter Titel Bewertungsvorschriften § 308 Einheitliche Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 308a Umrechnung von auf fremde Währung lautenden Abschlüssen . . . . . . . . . . . . . . . § 309 Behandlung des Unterschiedsbetrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1490 1499 1523

Sechster Titel Anteilmäßige Konsolidierung § 310 Anteilmäßige Konsolidierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1544

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XV

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Siebenter Titel Assoziierte Unternehmen § 311 Definition. Befreiung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 312 Wertansatz der Beteiligung und Behandlung des Unterschiedsbetrags . . . . . . . . . . .

1573 1586

Achter Titel Konzernanhang § 313 Erläuterung der Konzernbilanz und der Konzern-Gewinn- und Verlustrechnung. Angaben zum Beteiligungsbesitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 314 Sonstige Pflichtangaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1622 1644

Neunter Titel Konzernlagebericht § 315 Inhalt des Konzernlageberichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 315a Ergänzende Vorgaben für bestimmte Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 315b Pflicht zur nichtfinanziellen Konzernerklärung; Befreiungen . . . . . . . . . . . . . . . § 315c Inhalt der nichtfinanziellen Konzernerklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 315d Konzernerklärung zur Unternehmensführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1666

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1683 1685 1705 1712

Zehnter Titel Konzernabschluss nach internationalen Rechnungslegungsstandards § 315e [Konzernabschluss nach internationalen Rechnungsstandards] . . . . . . . . . . . . . . .

1714

Dritter Unterabschnitt Prüfung § 316 Pflicht zur Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 317 Gegenstand und Umfang der Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 318 Bestellung und Abberufung des Abschlußprüfers . . . . . . . . . . . . . . § 319 Auswahl der Abschlussprüfer und Ausschlussgründe . . . . . . . . . . . § 319a Besondere Ausschlussgründe bei Unternehmen von öffentlichem Interesse § 319b Netzwerk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 320 Vorlagepflicht. Auskunftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 321 Prüfungsbericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 321a Offenlegung des Prüfungsberichts in besonderen Fällen . . . . . . . . . . § 322 Bestätigungsvermerk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 323 Verantwortlichkeit des Abschlußprüfers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 324 Prüfungsausschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 324a Anwendung auf den Einzelabschluss nach § 325 Abs. 2a . . . . . . . . . .

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1733 1747 1779 1829 1862 1893 1899 1912 1948 1955 1993 2022 2051

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2055 2078 2103

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2114

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2121 2125

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2128 2143

Fünfter Unterabschnitt Verordnungsermächtigung für Formblätter und andere Vorschriften § 330 Formblätter für Jahresabschlüsse. Ermächtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2153

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Vierter Unterabschnitt Offenlegung. Prüfung durch den Betreiber des Bundesanzeigers Vor § 325 Offenlegung. Prüfung durch den Betreiber des Bundesanzeigers . . . . . . . . . . § 325 Offenlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 325a Zweigniederlassungen von Kapitalgesellschaften mit Sitz im Ausland . . . . . . . . . . § 326 Größenabhängige Erleichterungen für kleine Kapitalgesellschaften und Kleinstkapitalgesellschaften bei der Offenlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 327 Größenabhängige Erleichterungen für mittelgroße Kapitalgesellschaften bei der Offenlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 327a Erleichterung für bestimmte kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften . . . . . . . § 328 Form und Inhalt der Unterlagen bei der Offenlegung, Veröffentlichung und Vervielfältigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 329 Prüfungs- und Unterrichtungspflicht des Betreibers des Bundesanzeigers . . . . . . .

XVI

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Sechster Unterabschnitt Straf- und Bußgeldvorschriften. Ordnungsgelder Erster Titel Straf- und Bußgeldvorschriften § 331 Unrichtige Darstellung . . . . . . . . . . . . . . § 332 Verletzung der Berichtspflicht . . . . . . . . . . § 333 Verletzung der Geheimhaltungspflicht . . . . . § 333a Verletzung der Pflichten bei Abschlussprüfungen § 334 Bußgeldvorschriften . . . . . . . . . . . . . . .

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Zweiter Titel Ordnungsgelder § 335 Festsetzung von Ordnungsgeld; Verordnungsermächtigungen . . . . . . . . . . . . . . . . § 335a Beschwerde gegen die Festsetzung von Ordnungsgeld; Rechtsbeschwerde; Verordnungsermächtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2159 2217 2236 2258 2262 2291 2321

Dritter Titel Gemeinsame Vorschriften für Straf-, Bußgeld- und Ordnungsgeldverfahren § 335b Anwendung der Straf- und Bußgeld- sowie der Ordnungsgeldvorschriften auf bestimmte offene Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . § 335c Mitteilungen an die Abschlussprüferaufsichtsstelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2327 2331

Dritter Abschnitt Ergänzende Vorschriften für eingetragene Genossenschaften § 336 [Pflicht zur Aufstellung von Jahresabschluß und Lagebericht] . . . . . . . § 337 Vorschriften zur Bilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 338 Vorschriften zum Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 339 Offenlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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2332 2339 2343 2345

Erster Unterabschnitt Ergänzende Vorschriften für Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute [§§ 340–340o] (nicht abgedruckt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2348

Zweiter Unterabschnitt Ergänzende Vorschriften für Versicherungsunternehmen und Pensionsfonds [§§ 341–341p] (nicht abgedruckt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2348

Dritter Unterabschnitt Ergänzende Vorschriften für bestimmte Unternehmen des Rohstoffsektors Vor §§ 341q–341y (Konzern-)Zahlungsberichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2348

Erster Titel Anwendungsbereich; Begriffsbestimmungen § 341q Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 341r Begriffsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2355 2356

Zweiter Titel Zahlungsbericht, Konzernzahlungsbericht und Offenlegung § 341s Pflicht zur Erstellung des Zahlungsberichts; Befreiungen . . . . . . . . § 341t Inhalt des Zahlungsberichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 341u Gliederung des Zahlungsberichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 341v Konzernzahlungsbericht; Befreiung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 341w Offenlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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2364 2367 2371 2373 2379

Dritter Titel Bußgeldvorschriften, Ordnungsgelder § 341x Bußgeldvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 341y Ordnungsgeldvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2381 2383

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Vierter Abschnitt Ergänzende Vorschriften für Unternehmen bestimmter Geschäftszweige

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XVII

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Fünfter Abschnitt Privates Rechnungslegungsgremium; Rechnungslegungsbeirat § 342 Privates Rechnungslegungsgremium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 342a Rechnungslegungsbeirat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2384 2394

Sechster Abschnitt Prüfstelle für Rechnungslegung § 342b Prüfstelle für Rechnungslegung . . . . . . . § 342c Verschwiegenheitspflicht . . . . . . . . . . . § 342d Finanzierung der Prüfstelle . . . . . . . . . . § 342e Bußgeldvorschriften . . . . . . . . . . . . .

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2397 2418 2421 2423

Handelsgesetzbuch (HGB) – Auszüge (Zweites Buch) § 119 HGB [Gesellschaftsinterne Willensbildung] . . . . § 120 HGB [Ergebnisermittlung, Kapitalanteil] . . . . . § 121 HGB [Ergebnisverteilung] . . . . . . . . . . . . . § 122 HGB [Entnahmerechte] . . . . . . . . . . . . . . § 161 Abs. 2 HGB [Verweisung auf das Recht der OHG] § 167 HGB [Gewinn und Verlust] . . . . . . . . . . . . § 168 HGB [Ergebnisverteilung] . . . . . . . . . . . . . § 169 HGB [Gewinnentnahmen von Kommanditisten] .

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2429 2442 2484 2494 2506 2507 2514 2518

Aktiengesetz (AktG) – Auszüge § 107 AktG Innere Ordnung des Aufsichtsrats . . . . . . § 119 AktG Rechte der Hauptversammlung . . . . . . . § 170 AktG Vorlage an den Aufsichtsrat . . . . . . . . . § 171 AktG Prüfung durch den Aufsichtsrat . . . . . . . § 172 AktG Feststellung durch Vorstand und Aufsichtsrat § 175 AktG Einberufung . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 176 AktG Vorlagen. Anwesenheit des Abschlußprüfers § 400 AktG Unrichtige Darstellung . . . . . . . . . . . .

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2532 2562 2569 2579 2596 2602 2608 2614

Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) – Auszüge § 29 GmbHG Ergebnisverwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 32 GmbHG Rückzahlung von Gewinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 41 GmbHG Buchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 42 GmbHG Bilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 42a GmbHG Vorlage des Jahresabschlusses und des Lageberichts . . . . . . . . . . § 46 Nr. 1–1b GmbHG Aufgabenkreis der Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . .

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2620 2648 2651 2659 2673 2687

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2696 2702 2708 2713 2715 2741

Anhang

Gesetz über die Rechnungslegung von bestimmten Unternehmen und Konzernen (Publizitätsgesetz – PublG) Erster Abschnitt Rechnungslegung von Unternehmen § 1 PublG Zur Rechnungslegung verpflichtete Unternehmen . . . § 2 PublG Beginn und Dauer der Pflicht zur Rechnungslegung . . § 3 PublG Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 4 PublG Gesetzliche Vertreter, Aufsichtsrat, Feststellung, Gericht § 5 PublG Aufstellung von Jahresabschluß und Lagebericht . . . . § 6 PublG Prüfung durch die Abschlußprüfer . . . . . . . . . . . XVIII

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Inhaltsverzeichnis Seite

§ 7 PublG § 8 PublG § 9 PublG § 10 PublG

Prüfung durch den Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Feststellung des Jahresabschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Offenlegung des Jahresabschlusses und des Lageberichts Prüfung durch den Betreiber des Bundesanzeigers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nichtigkeit des Jahresabschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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2754 2757

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2760 2763

Zweiter Abschnitt Rechnungslegung von Konzernen § 11 PublG Zur Rechnungslegung verpflichtete Mutterunternehmen . . § 12 PublG Beginn und Dauer der Pflicht zur Konzernrechnungslegung § 13 PublG Aufstellung von Konzernabschluss und Konzernlagebericht § 14 PublG Prüfung des Konzernabschlusses . . . . . . . . . . . . . . . § 15 PublG Offenlegung des Konzernabschlusses . . . . . . . . . . . . § 16 PublG (weggefallen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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2765 2779 2782 2792 2800 2803

Dritter Abschnitt Straf-, Bußgeld- und Schlußvorschriften § 17 PublG Unrichtige Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . § 18 PublG Verletzung der Berichtspflicht . . . . . . . . . . . § 19 PublG Verletzung der Geheimhaltungspflicht . . . . . . § 19a PublG Verletzung der Pflichten bei Abschlussprüfungen . § 20 PublG Bußgeldvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . § 21 PublG Festsetzung von Ordnungsgeld . . . . . . . . . . . § 21a PublG Mitteilungen an die Abschlussprüferaufsichtsstelle § 22 PublG Erstmalige Anwendung geänderter Vorschriften . § 23 PublG Inkrafttreten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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2803 2808 2812 2814 2815 2820 2822 2822 2823

Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2825

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XIX

XX

Abkürzungsverzeichnis ABI. Abs. AcP ADHGB ADR AEUV Af AfA AfaA AfS AG AIG AKEU AktG ÄndG Anh. AnwBl. AO APAReG APAS APrVO ARC AReG AStG AusfVO AuslInvestmG AuslInvG b&b BaBiRiLiG BaFin. BAG BAnz. BauGB BayObLG BB BBK BC Bdb. BDI BDSG Beck OK BetrAV BetrAVG BewDV BewG BFH BFH/NV BFHE BFuP BGB BGBl.

Amtsblatt Absatz Archiv für die civilistische Praxis (Zeitschrift) Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch von 1861 American Depositary Receipt Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union alte Fassung Absetzung für Abnutzung Absetzung für außergewöhnliche technische und wirtschaftliche Abnutzung Absetzung für Substanzverringerung Aktiengesellschaft, auch: Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift) Auslandsinvestitionsgesetz Arbeitskreis Externe Unternehmensrechnung der Schmalenbachgesellschaft e.V. Aktiengesetz Änderungsgesetz Anhang Anwaltsblatt (Zeitschrift) Abgabenordnung Abschlussprüferaufsichtsreformgesetz Abschlussprüferaufsichtsstelle beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle Verordnung über spezifische Anforderungen an die Abschlussprüfung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse Accounting Regulatory Committee Abschlussprüfungsreformgesetz Außensteuergesetz Ausführungsverordnung Auslandsinvestmentgesetz Auslandsinvestitionengesetz bilanz & buchhaltung – Zeitschrift für Rechnungswesen und Steuern Gesetz zur Durchführung der Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaft über den Jahresabschluss und den konsolidierten Abschluss von Banken und anderen Finanzinstituten Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Bundesarbeitsgericht Bundesanzeiger Baugesetzbuch Bayerisches Oberstes Landesgericht Der Betriebs-Berater (Zeitschrift) Buchführung, Bilanz, Kostenrechnung, Zeitschrift für das gesamte Rechnungswesen Zeitschrift für Bilanzierung, Rechnungswesen und Controlling Brandenburg Bundesverband der deutschen Industrie eV Bundesdatenschutzgesetz Beck’sche Online-Kommentare Betriebliche Altersversorgung (Zeitschrift) Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung – Betriebsrentengesetz Durchführungsverordnung zum Bewertungsgesetz Bewertungsgesetz Bundesfinanzhof Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (Zeitschrift) Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis (Zeitschrift) Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt XXI

Abkürzungsverzeichnis

BGH BGHSt BGHZ BHO BilKoG BilMoG BilReG BilRUG BiRiLiG BMF BMJ BMWF BMWi BörsG BörsZulV

BVerfG BVerfGE BW BZSt.

Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bundeshaushaltsordnung Bilanzkontrollgesetz Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts – Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz Bilanzrechtsreformgesetz Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz Bilanzrichtlinien-Gesetz Bundeministerium der Finanzen Bundesministerium der Justiz Bundesministerium für Wirtschaft und Finanzen Bundesministerium für Wirtschaft Börsengesetz Verordnung über die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Notierung an einer Wertpapierbörse Betriebsprüfungskartei Betriebsprüfungsordnung (Steuer) Bundesrats-Drucksache Zeitschrift für Bilanzierung und Rechnungswesen Bausparkassengesetz Bundessteuerblatt Berufssatzung für Wirtschaftsprüfer/vereidigte Buchprüfer Bundestags-Drucksache Buchstabe Betrieb und Wirtschaft (Zeitschrift) Besloten Vennootschap met beperkte aansprakelijkheid (niederländische Kapitalgesellschaftsform) Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Der Betriebswirt (Zeitschrift); auch: Baden-Württemberg Bundeszentralamt für Steuern

CPA CSR

Certified Public Accountant Corporate Social Responsibility

DB DBA DBW DeckRV DepotG DI DIHK DIHT DIW DMBilG DNotZ DRÄS DRS DRSC DSR DStJG DStR DStZ DStZ/A DStZ/B DSWR DV DVBl.

Der Betrieb (Zeitschrift), auch Durchführungsbestimmung Doppelbesteuerungsabkommen Die Betriebswirtschaft (Zeitschrift) Verordnung über Rechnungsgrundlagen für die Deckungsrückstellungen Depotgesetz Draft Interpretation Deutscher Industrie- und Handelskammertag Deutscher Industrie- und Handelstag Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung D-Markbilanzgesetz Deutsche Notar-Zeitschrift Deutscher Rechnungslegungs Änderungsstandard Deutscher Rechnungslegungsstandard (des DRSC) Deutsches Rechnungslegungs Standards Committee eV Deutscher Standardisierungsrat Deutsche Steuerjuristische Gesellschaft Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) Deutsche Steuer-Zeitung (Zeitschrift) Deutsche Steuer-Zeitung (Ausgabe A) Deutsche Steuer-Zeitung (Ausgabe B – Eildienst) Datenverarbeitung in Steuer, Wirtschaft und Recht (Zeitschrift) Durchführungsverordnung Deutsches Verwaltungsblatt (Zeitschrift)

Bp-Kartei BPO BR-Drucks. BRZ BSpG BStBl. BS WP/vBP BT-Drucks. Buchst. BuW BV

XXII

Abkürzungsverzeichnis

DVFA DVO DVR

Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Anlageberatung eV Durchführungsverordnung Deutsche Verkehrsteuer-Rundschau (Zeitschrift)

EAR ED E-DRÄS E-DRS EFG EFRAG EG eG EGAktG EGAO EGHGB EG-RL EGV EigVO EnWG ErbbauRG ErbbauVO ErbSt. ErbStDV ErbStG ErbStRG

European Accounting Review (Zeitschrift) Exposure Draft Entwurf Deutscher Rechnungslegungs Änderungsstandard Entwurf Deutscher Rechnungslegungsstandard Entscheidungen der Finanzgerichte (Zeitschrift) European Financial Reporting Advisory Group Einführungsgesetz; auch: Europäische Gemeinschaft eingetragene Genossenschaft Einführungsgesetz zum Aktiengesetz Einführungsgesetz zur Abgabenordnung Einführungsgesetz zum Handelsgesetzbuch Richtlinie der Europäischen Gemeinschaften Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Eigenbetriebsverordnung Energiewirtschaftsgesetz Gesetz über das Erbbaurecht (= die vormalige ErbbauVO) Verordnung über das Erbbaurecht Erbschaftsteuer Erbschaftsteuer-Durchführungsverordnung Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz Gesetz zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts – Erbschaftsteuerreformgesetz Einkommensteuer-Änderungsrichtlinien Einkommensteuer Einkommensteuer-Durchführungsverordnung Einkommensteuergesetz Einkommensteuer-Hinweise (im Amtlichen Einkommensteuer-Handbuch) Einkommensteuer-Richtlinien Europäische Union Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften Euro-Einführungsgesetz Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht eingetragener Verein Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung Gesetz zur Ausführung der EWG-Verordnung über die Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung Verordnung (EWG) Nr. 2137/85 des Rates vom 25. Juli 1985 über die Schaffung einer Europäischen Wirtschaftlichen Interessenvereinigung Europäischer Wirtschaftsraum Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht (Zeitschrift)

EStÄR ESt. EStDV EStG EStH EStR EU EuGH EuroEG EuZW eV EWIV EWIVG EWIVVO EWR EWS f. ff. FamFG FAS FASB FAUB FAZ FB FG FGG FGO Fifo FinMin.

und folgende(r) und folgende (Plural) Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Financial Accounting Standards Financial Accounting Standards Board Fachausschuss für Unternehmensberatung des IDW Frankfurter Allgemeine Zeitung Finanz Betrieb (Zeitschrift) Finanzgericht Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Finanzgerichtsordnung First in – first out Finanzministerium XXIII

Abkürzungsverzeichnis

FIW FLF FM, FinMin. FMSA FMStG FMStFG FN-IDW FördG FR FRS FS FTB

Forschungsinstitut für Wirtschaftsverfassung und Wettbewerb eV Finanzierung Leasing Factoring (Zeitschrift) Finanzminister Finanzmarktstabilisierungsanstalt Finanzmarktstabilisierungsgesetz Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz IDW-Fachnachrichten Gesetz über Sonderabschreibungen und Abzugsbeträge im Fördergebiet Finanz-Rundschau (Zeitschrift) Financial Reporting Standard Festschrift FASB Technical Bulletin(s)

G GAAP GAAS GAS GASC GBl. GbR GEFIU gem. GenG GewSt. GewStDV GewStG GewStH GewStR GG ggf. GKB GKKB GmbH GmbHG GmbHR GoA GoB GoBD GoBil. GoBS GoDV GoK GoS GrESt. GrEStG GrS GrSt. GrStG GRUR GuV GVBl. GVBlWi. GWB gWG

Gesetz Generally Accepted Accounting Principles Generally Accepted Auditing Standards (des ASB) German Accounting Standard German Accounting Standards Committee Gesetzblatt Gesellschaft bürgerlichen Rechts Gesellschaft für Finanzwirtschaft in der Unternehmensführung e.V. gemäß Genossenschaftsgesetz Gewerbesteuer Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung Gewerbesteuergesetz Gewerbesteuer-Hinweise (im Amtlichen Gewerbesteuer-Handbuch) Gewerbesteuer-Richtlinien Grundgesetz gegebenenfalls Gemeinsame Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage Gemeinsame Konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau (Zeitschrift) Grundsätze ordnungsmäßiger Abschlussprüfung Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung Grundsätze ordnungsmäßiger DV-gestützter Buchführungssysteme Grundsätze ordnungsmäßiger Datenverarbeitung Grundsätze ordnungsmäßiger Konzernbuchführung Grundsätze ordnungsmäßiger Speicherbuchführung Grunderwerbsteuer Grunderwerbsteuergesetz Großer Senat Grundsteuer Grundsteuergesetz Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (Zeitschrift) Gewinn- und Verlustrechnung Gesetz- und Verordnungsblatt Gesetz- und Verordnungsblatt des Wirtschaftsrates des Vereinigten Wirtschaftsgebietes Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen geringwertige Wirtschaftsgüter

H Hess. HFA

Hinweis (in den Amtlichen Steuer-Handbüchern des BMF) Hessen Hauptfachausschuss des IDW

XXIV

Abkürzungsverzeichnis

HFR HGB hM HRefG HV

Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung (Zeitschrift) Handelsgesetzbuch herrschende Meinung Handelsrechtsreformgesetz Hauptversammlung

IAASB IAS IASB IASC IASCF idR IDW IDW HFA IDW PH IDW PS IDW RH IDW RS IDW S IFAC IFRIC

IKR Inf. InsO InsVV InvStG InvZulG IRZ iS ISA ISA (E-DE) IStR iVm. IWB

International Auditing and Assurance Standards Board International Accounting Standards International Accounting Standards Board International Accounting Standards Committee International Accounting Standards Committee Foundation in der Regel Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland eV IDW Hauptfachausschuss IDW Prüfungshinweis IDW Prüfungsstandard IDW Rechnungslegungshinweis IDW Stellungsnahme zur Rechnungslegung IDW Standard International Federation of Accountants International Financial Reporting Interpretations Committee (= das ehemalige Standing Interpretations Committee – SIC) International Financial Reporting Standard(s) International Financial Reporting Standards Interpretations Committee (= das vormalige International Financial Reporting Interpretations Committee – IFRIC) Industriekontenrahmen Die Information über Steuer und Wirtschaft (Zeitschrift) Insolvenzordnung Insolvenzrechtliche Vergütungsverordnung Investmentsteuergesetz Investitionszulagengesetz Zeitschrift für Internationale Rechnungslegung im Sinne International Standards on Auditing Entwurf eines ISA in modifizierter deutscher Fassung Internationales Steuerrecht (Zeitschrift) in Verbindung mit Internationales Steuer- und Wirtschaftsrecht (Zeitschrift)

JbFStR JMBl. JStG JuS JW JZ

Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht Justizministerialblatt Jahressteuergesetz Juristische Schulung (Zeitschrift) Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) Juristenzeitung (Zeitschrift)

KAG KAGB KAGG KapAEG KapCoRiLiG KapErhG KapErhStG KapErtrSt. KG KGaA KiSt. KMU KO

Kapitalanlagegesellschaft Kapitalanlagegesetzbuch Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften Kapitalaufnahmeerleichterungsgesetz Kapitalgesellschaften- und Co.-Richtlinie-Gesetz Kapitalerhöhungsgesetz Kapitalerhöhungs-Steuergesetz Kapitalertragsteuer Kommanditgesellschaft, auch: Kammergericht Kommanditgesellschaft auf Aktien Kirchensteuer Kleine und mittlere Unternehmen Konkursordnung

IFRS IFRSIC

XXV

Abkürzungsverzeichnis

KonBefrV KonTraG KonÜV KoR KÖSDI KSt. KStÄR KStDV KStG KStH KStR KStZ KTS KVStG KWG

Konzernabschlussbefreiungsverordnung Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich Verordnung über die Ermittlung der Eigenmittelausstattung von Institutsgruppen und Finanzholding-Gruppen bei Verwendung von Konzernabschlüssen und Zwischenabschlüssen auf Konzernebene – Konzernabschlussüberleitungsverordnung Zeitschrift für kapitalmarktorientierte Rechnungslegung Kölner Steuerdialog (Zeitschrift) Körperschaftsteuer Körperschaftsteuer-Änderungsrichtlinien Durchführungsverordnung zum Körperschaftsteuergesetz Körperschaftsteuergesetz Körperschaftsteuer-Hinweise (im Amtlichen Körperschaftsteuer-Handbuch) Körperschaftsteuer-Richtlinien Kommunale Steuer-Zeitschrift Konkurs-, Treuhand- und Schiedsgerichtswesen (Zeitschrift) Kapitalverkehrsteuergesetz Gesetz über das Kreditwesen

LAG LG LHO Lifo LLC LLP LM LSt. LStÄR LStDV LStH LStR

Lastenausgleichsgesetz; auch: Landesarbeitsgericht Landgericht Landeshaushaltsordnung Last in – first out Limited Liability Company Limited Liability Partnership Lindenmaier/Möhring, Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs, Loseblattsammlung Lohnsteuer Lohnsteuer-Änderungsrichtlinien Lohnsteuer-Durchführungsverordnung Lohnsteuer-Hinweise (im Amtlichen Lohnsteuer-Handbuch) Lohnsteuer-Richtlinien

M&A MaBV MDR MinBl. MitbestErgG MitbestG MoMiG Montan-MitbestG MV MwSt. mwN

M&A-Review (Zeitschrift) Makler- und Bauträgerverordnung Monatsschrift für Deutsches Recht (Zeitschrift) Ministerialblatt Mitbestimmungs-Ergänzungsgesetz Mitbestimmungsgesetz Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen Montan-Mitbestimmungsgesetz Mecklenburg-Vorpommern Mehrwertsteuer mit weiteren Nachweisen

NB Nds. nF NJW Nr. nrkr. NRW NWB NZG

Neue Betriebswirtschaft (Zeitschrift) Niedersachsen neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) Nummer nicht rechtskräftig Nordrhein-Westfalen Neue Wirtschaftsbriefe (Zeitschrift, Loseblattsammlung) Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht (Zeitschrift)

OCI OECD OEEC OFD OGH OHG

Other comprehensive income Organization for Economic Cooperation and Development Organization for European Economic Cooperation Oberfinanzdirektion Oberster Gerichtshof für die britische Zone Offene Handelsgesellschaft

XXVI

Abkürzungsverzeichnis

OLG OLGZ OVG OWiG

Oberlandesgericht Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen Oberverwaltungsgericht Ordnungswidrigkeitengesetz

PIE PiR Pos. PrüfO PS PublG

Public Interest Entities (Unternehmen von öffentlichem Interesse) Praxis der internationalen Rechnungslegung (Zeitschrift) Posten, Position(en) Prüfungsordnung für Wirtschaftsprüfer Prüfungsstandard Publizitätsgesetz

R RAO RAP RBerG RdF RDG RdJ Rdschr. RdVfg. RechKredV RechVersV RegBl. RegE RegVBG REIT rev. RFH RFHE RG RGBl. RGSt. RGZ Rh.-Pf. RIW RJM rkr. Rn. RStBl. RVO RWP Rz.

Richtlinie Reichsabgabenordnung Rechnungsabgrenzungsposten Rechtsberatungsgesetz Reichsminister der Finanzen Gesetz über außergerichtliche Rechtsdienstleistungen – Rechtsdienstleistungsgesetz Reichsminister der Justiz Rundschreiben Rundverfügung Verordnung über die Rechnungslegung der Kreditinstitute Verordnung über die Rechnungslegung von Versicherungsunternehmen Regierungsblatt Regierungsentwurf Registerverfahrensbeschleunigungsgesetz Real Estate Investment Trust überarbeitet („revised“); auch: Revision eingelegt Reichsfinanzhof Sammlung der Entscheidungen und Gutachten des Reichsfinanzhofes Reichsgericht Reichsgesetzblatt Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Rheinland-Pfalz Recht der Internationalen Wirtschaft (Zeitschrift) Reichsjustizministerium rechtskräftig Randnummer Reichssteuerblatt Reichsversicherungsordnung; auch: Rechtsverordnung Rechts- und Wirtschaftspraxis, Blattei-Handbuch (Zeitschrift) Randzahl

Sa.-Anh. Saarl. SAB SABI SAC Sachs. sbr ScheckG Schl.-Holst. SE SEC SIC

Sachsen-Anhalt Saarland Staff Accounting Bulletin(s) (der SEC) Sonderausschuss Bilanzrichtlinien-Gesetz des IDW Standards Advisory Council Sachsen Schmalenbach Business Review (Zeitschrift) Scheckgesetz Schleswig-Holstein Societas Europaea Securities and Exchange Commission Standing Interpretations Committee (des IASB), Verlautbarungen des Standing Interpretations Committee Small and medium sized entities sogenannte

SME sog.

XXVII

Abkürzungsverzeichnis

SparPG StAnpG StAnz. Stat. Jahrb. StB StBauFG StBerG Stbg. StbJb. StBK StbKongrRep. StBp. StEK SteuerStud. StGB Stpfl. StuB StuW StWa. StZBl. SZ

Sparprämiengesetz Steueranpassungsgesetz Staatsanzeiger Statistisches Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland Steuerberater (Berufsbezeichnung und Zeitschrift) Städtebauförderungsgesetz Steuerberatungsgesetz Die Steuerberatung (Zeitschrift) Steuerberater-Jahrbuch Steuerberaterkammer Steuerberaterkongress-Report Die steuerliche Betriebsprüfung (Zeitschrift) Steuererlasse in Karteiform, Loseblattsammlung Steuer und Studium (Zeitschrift) Strafgesetzbuch Steuerpflichtige(r) Steuern und Bilanzen (Zeitschrift) Steuer und Wirtschaft (Zeitschrift) Steuerwarte (Zeitschrift) Steuer- und Zollblatt Süddeutsche Zeitung

Thür. TransPuG Tz.

Thüringen Gesetz zur weiteren Reform des Aktien und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizität (Transparenz und Publizitätsgesetz) Textzahl, Textziffer

ua. Ubg. UBGG UKV UmwBerG UmwG UmwStG UNO UR UrhG US-GAAP USt. UStAE UStDV UStG UStR UV UVR UWG

unter anderem Die Unternehmensbesteuerung (Zeitschrift) Gesetz über Unternehmensbeteiligungsgesellschaften Umsatzkostenverfahren Gesetz zur Bereinigung des Umwandlungsrechts Umwandlungsgesetz Urnwandlungssteuergesetz United Nations Organization Umsatzsteuer-Rundschau (Zeitschrift) Urheberrechtsgesetz United States Generally Accepted Accounting Principles Umsatzsteuer Umsatzsteuer-Anwendungserlass Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung Umsatzsteuergesetz Umsatzsteuer-Rundschau (Zeitschrift); auch: Umsatzsteuerrichtlinien Umlaufvermögen Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb

VAG vBP VerglO VermBG VersRiLiG VG vgl. vGA VO VOBl. VSt. VStG

Versicherungsaufsichtsgesetz vereidigte Buchprüfer Vergleichsordnung Vermögensbildungsgesetz Versicherungsbilanzrichtlinie-Gesetz Verwaltungsgericht vergleiche verdeckte Gewinnausschüttung Verordnung Verordnungsblatt Vermögensteuer; auch: Vermögen & Steuer (Zeitschrift) Vermögensteuergesetz

XXVIII

Abkürzungsverzeichnis

VStR VVaG VVG VwGO VZ

Vermögensteuer-Richtlinien Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit Versicherungsvertragsgesetz Verwaltungsgerichtsordnung Veranlagungszeitraum

WEG WG WGG WGGDV WiSt. WISU WM WoBauG WP WPg. WpHG WPK WPK-Mitt. WPO WpPG

Wohnungseigentumsgesetz Wechselgesetz Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz Durchführungsverordnung zum Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz Wirtschaftswissenschaftliches Studium (Zeitschrift) Das Wirtschaftsstudium (Zeitschrift) Wertpapier-Mitteilungen (Zeitschrift) Wohnungsbaugesetz Wirtschaftsprüfer Die Wirtschaftsprüfung (Zeitschrift) Gesetz über den Wertpapierhandel Wirtschaftsprüferkammer Wirtschaftsprüferkammer-Mitteilungen Wirtschaftsprüferordnung Gesetz über die Erstellung, Billigung und Veröffentlichung des Prospekts, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei der Zulassung von Wertpapieren zum Handel an einem organisierten Markt zu veröffentlichen ist – Wertpapierprospektgesetz Der Wirtschaftsprüfer (Zeitschrift) Wettbewerb in Recht und Praxis (Zeitschrift) Wall Street Journal Europe (Zeitschrift) Der Wirtschaftstreuhänder (Zeitschrift) Wirtschaft und Wettbewerb (Zeitschrift) Warenzeichengesetz

WPr. WRP WSJE WT WuW WZG zB ZBB ZCG ZfB zfbf ZfG ZfgK ZfhF ZfO ZfR ZGR ZHR ZIP ZIR ZKF ZKT ZKW ZPO ZRP ZVG

zum Beispiel Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft Zeitschrift für Corporate Governance Zeitschrift für Betriebswirtschaft Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung Zeitschrift für das gesamte Genossenschaftswesen Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen Zeitschrift für handelswissenschaftliche Forschung (ab 1964 zfbf) Zeitschrift für Organisation Zeitschrift für das gesamte Rechnungswesen Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht (bis 123. Bd. [1960] Zeitschrift für das gesamte Handels- und Konkursrecht) Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zeitschrift Interne Revision Zeitschrift für Kommunalfinanzen Konkurs- und Treuhandwesen (Zeitschrift, ab 16. Jg. [1955] Konkurs-, Treuhandund Schiedsgerichtswesen) Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen Zivilprozessordnung Zeitschrift für Rechtspolitik Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung

XXIX

XXX

Gesamtliteraturverzeichnis Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1994 ff. Apitz/Bruschke, Der GmbH-Jahresabschluss, Loseblatt (Stand Mai 2020) Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzen, 15. Aufl. 2019 Baetge/Kirsch/Thiele (Hrsg.), Bilanzrecht, Loseblatt (Stand Mai 2020) Baetge/Kirsch/Thiele, Konzernbilanzen, 13. Aufl. 2019 Ballwieser/Coenenberg/v. Wysocki (Hrsg.), Handwörterbuch der Rechnungslegung und Prüfung, 3. Aufl. 2002 Baumbach/Hopt, HGB, 39. Aufl. 2020 Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl. 2006, 22. Aufl. 2019 Beck’scher Bilanzkommentar, hrsg. v. Grottel/Schmidt/Schubert/Störk, 12. Aufl. 2020 Beck’sches Handbuch der Personengesellschaften, hrsg. v. Prinz/Kahle, 5. Aufl. 2020 Beck’sches Handbuch der Rechnungslegung, hrsg. v. Böcking/Gros/Oser/Scheffler/Thormann, Loseblatt (Stand März 2020) Beck’sches IFRS-Handbuch, Kommentierung der IFRS/IAS, hrsg. v. Brune/Driesch/Schulz-Danso/Senger, 6. Aufl. 2020 Beck’scher Online-Kommentar HGB, hrsg. v. Häublein/Hoffmann-Theinert beck-online Großkommentar, hrsg. v. Henssler Bertram/Brinkmann/Kessler/Müller, Haufe HGB Bilanz-Kommentar, 10. Aufl. 2019 Bieg/Kußmaul/Waschbusch, Externes Rechnungswesen, 6. Aufl. 2012 Bitz/Schneeloch/Wittstock/Patek, Der Jahresabschluss, 6. Aufl. 2014 Blümich, EStG – KStG – GewStG mit Nebengesetzen, Loseblatt (Stand März 2020) Bolin/Dreyer/Schäfer (Hrsg.), Handbuch Handelsrechtliche Rechnungslegung, 2013 Bordewin/Brandt, Einkommensteuergesetz, Loseblatt (Stand März 2020) Bork/Schäfer, GmbHG, 4. Aufl. 2019 Brönner/Bareis/Hahn/Maurer/Poll/Schramm (Hrsg.), Die Bilanz nach Handels- und Steuerrecht, 11. Aufl. 2016 Budde/Moxter/Offerhaus (Hrsg.), Handelsbilanzen und Steuerbilanzen – Festschrift Beisse, 1997 Bürgers/Körber, Aktiengesetz, 4. Aufl. 2017 Busse von Colbe/Ordelheide/Gebhard/Pellens, Konzernabschlüsse, 9. Aufl. 2009 Coenenberg/Haller/Schultze, Jahresabschluss und Jahresabschlussanalyse, 25. Aufl. 2018 Claussen/Scherrer (Hrsg.), Kölner Kommentar zum Rechnungslegungsrecht, 2011 Dötsch/Pung/Möhlenbrock (Hrsg.), Die Körperschaftsteuer, Loseblatt (Stand Feb. 2020) Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn (Hrsg.), HGB, Bd. 1 (§§ 1–342e), 4. Aufl. 2020 Eilers/Rödding/Schmalenbach (Hrsg.), Unternehmensfinanzierung, 2. Aufl. 2014 Eisele/Knobloch, Technik des betrieblichen Rechnungswesens, 9. Aufl. 2019 Eisgruber, Umwandlungssteuergesetz, 2. Aufl. 2018 Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 9. Aufl. 2019 Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 11. Aufl. 2020 Ensthaler (Hrsg.), HGB, 8. Aufl. 2015 Erle/Sauter (Hrsg.), Körperschaftsteuergesetz, 3. Aufl. 2010 Ernst & Young (Hrsg.), Körperschaftsteuergesetz, Loseblatt Farr/Niemann/Bruckner, Jahresabschlusserstellung, 3. Aufl. 2016 Federmann/Kußmaul/Müller (Hrsg.), Handbuch der Bilanzierung, Loseblatt Frotscher/Drüen, KStG – GewStG – UmwStG, Loseblatt (Stand Apr. 2020) Frotscher/Geurts, EStG, Loseblatt (Stand Apr. 2020) Gehrlein/Born/Simon, GmbHG, 4. Aufl. 2019 Geßler, AktG, Loseblatt Glade, Praxishandbuch der Rechnungslegung und Prüfung, 2. Aufl. 1995 Gosch (Hrsg.), Körperschaftsteuergesetz, 3. Aufl. 2015 Gräfer, Rechnungslegung, 5. Aufl. 2016 Grigoleit, AktG, 2013 XXXI

Gesamtliteraturverzeichnis

Großfeld/Luttermann, Bilanzrecht, 4. Aufl. 2005 Großkommentar zum AktG, hrsg. v. Hirte/Mülbert/Roth, Bd. 1, 5, 5. Aufl. 2016 ff. Großkommentar zum HGB, begr. v. Staub, hrsg. von Canaris/Habersack/C. Schäfer, Bd. 5–7, 5. Aufl. 2010 ff. Haag/Löffler (Hrsg.), HGB, 2. Aufl. 2014 Haase/Hruschka (Hrsg.), UmwStG, 2. Aufl. 2017 Haritz/Menner/Bilitewski (Hrsg.), Umwandlungssteuergesetz, 5. Aufl. 2019 Haun/Kahle/Goebel/Reiser (Hrsg.), Außensteuergesetzt, Kommentar, Loseblatt Heidel/Schall (Hrsg.), HGB, 3. Aufl. 2019 Helmrich, Bilanzrichtlinien-Gesetz, 1986 Hennrichs, Wahlrechte im Bilanzrecht der Kapitalgesellschaften, 1999 Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2019 Herrmann/Heuer/Raupach, EStG – KStG, hrsg. v. Hey/Klein/Wendt, Loseblatt (Stand März 2020) Hesselmann/Tillmann/Mueller-Thuns (Hrsg.), Handbuch GmbH & Co. KG, 22. Aufl. 2020 Heuser/Theile, IFRS-Handbuch, 6. Aufl. 2019 Hofbauer/Kupsch (Hrsg.), Rechnungslegung, Loseblatt (Stand Mai 2020) Hoffmann/Lüdenbach, NWB Kommentar Bilanzierung, 11. Aufl. 2019 Hölters, AktG, 3. Aufl. 2017 Hopt/Merkt, Bilanzrecht, 2010 Heymann-Handelsgesetzbuch, hrsg. v. Horn/Balzer/Borges/Herrmann, Drittes Buch (§§ 238–342e), 3. Aufl. 2019 Horschitz/Groß/Fanck, Bilanzsteuerrecht und Buchführung, 15. Aufl. 2018 Hüffer/Koch, AktG, 14. Aufl. 2020 Icking, Die Rechtsnatur des Handelsbilanzrechts, 2000 IDW (Hrsg.), WP Handbuch, 16. Aufl. 2019 Jacobs/Scheffler/Spengel (Hrsg.), Unternehmensbesteuerung und Rechtsform, 5. Aufl. 2015 Jauernig, Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), Kommentar, 17. Aufl. 2018 Kanzler/Kraft/Bäuml/Hechtner/Marx (Hrsg.), Einkommensteuergesetz, 5. Aufl. 2020 Kirchhof (Hrsg.), EStG, 19. Aufl. 2020 Kirchhof/Söhn/Mellinghoff (Hrsg.), Einkommensteuergesetz, Loseblatt (Stand Mai 2020) Kirsch (Hrsg.), Rechnungslegung, Loseblatt (Stand Mai 2020) Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 9. Aufl. 1993 Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, hrsg. v. Zöllner/Noack, 3. Aufl. 2004 ff. Kölner Kommentar zum Rechnungslegungsrecht, hrsg. v. Claussen/Scherrer, 2011 Koller/Kindler/Roth/Drüen, Handelsgesetzbuch: HGB, 9. Aufl. 2019 Korn (Hrsg.), Einkommensteuergesetz, Loseblatt Kraft/Edelmann/Bron (Hrsg.), Umwandlungssteuergesetz, 2. Aufl. 2019 Kruse, Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, 3. Aufl. 1970/1978 Kuhn/Hachmeister, Rechnungslegung und Prüfung von Finanzinstrumenten, 2015 Künkele/Zwirner (Hrsg.), Bilanzierung bei Personengesellschaften, 2. Aufl. 2016 Küting/Weber (Hrsg.), Handbuch der Rechnungslegung – Einzelabschluss, Loseblatt (Stand März 2020) Küting/Weber, Die Bilanzanalyse, 11. Aufl. 2015 Küting/Weber, Der Konzernabschluss, 14. Aufl. 2018 Küting/Weber, Handbuch der Konzernrechnungslegung, 2. Aufl. 1998 Lademann, EStG, Loseblatt (Stand Mai 2020) Lademann, KStG, Loseblatt (Stand Nov. 2019) Leffson, Die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, 7. Aufl. 1987 Leffson/Rückle/Großfeld (Hrsg.), Handwörterbuch unbestimmter Rechtsbegriffe im Bilanzrecht des HGB, 1986 Littmann/Bitz/Pust (Hrsg.), Das Einkommensteuerrecht, Loseblatt (Stand Apr. 2020) Lutter/Hommelhoff (Hrsg.), GmbH-Gesetz, 20. Aufl. 2020 Merkt, Unternehmenspublizität, 2001 Merkt/Probst/Fink, Rechnungslegung nach HGB und IFRS, 2017 Michalski/Heidinger/Leible/Schmidt, GmbH-Gesetz, 3. Aufl. 2017 Mössner/Seeger/Oellerich (Hrsg.), Körperschaftsteuergesetz, 4. Aufl. 2019 XXXII

Gesamtliteraturverzeichnis

Moxter, Bilanzlehre, Bd. I und Bd. II, 3. Aufl. 2012 Moxter, Bilanzrechtsprechung, 6. Aufl. 2007 Moxter, Grundsätze ordnungsgemäßer Rechnungslegung, 2003 Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 3: Gesellschaft mit beschränkter Haftung, hrsg. v. Priester/D. Mayer/Wicke, 5. Aufl. 2018; Bd. 4: Aktiengesellschaft, hrsg. v. Hoffmann-Becking, 4. Aufl. 2015; Bd. 8: Umwandlungsrecht, hrsg. v. Lieder/Wilk/Ghassemi-Tabar, 5. Aufl. 2018 Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, hrsg. v. Goette/Habersack/Kalss, 3. Aufl. 2008 ff., 4. Aufl. 2014 ff., 5. Aufl. 2019 ff. Münchener Kommentar zum Bilanzrecht, hrsg. v. Hennrichs/Kleindiek/Watrin, Bd. 2 (§§ 238–342e), 2013 Münchener Kommentar zum GmbHG, hrsg. v. Fleischer/Goette, 3. Aufl. 2018 ff. Münchener Kommentar zum HGB, hrsg. v. Karsten Schmidt, 3. Aufl. 2013 ff., 4. Aufl. 2016 ff. Oetker (Hrsg.), HGB, 6. Aufl. 2019 Palandt, BGB, 79. Aufl. 2020 Pelka/Petersen (Hrsg.), Beck’sches Steuerberater-Handbuch 2019/2020, 17. Aufl. 2019 Petersen/Zwirner, Handbuch Bilanzrecht, 2. Aufl. 2018 Petersen/Zwirner/Brösel (Hrsg.), Systematischer Praxiskommentar Bilanzrecht, 4. Aufl. 2020 Prinz/Kanzler (Hrsg.), Handbuch Bilanzsteuerrecht, 3. Aufl. 2018 Rödder/Herlinghaus/Neumann (Hrsg.), KStG, 2015 Rödder/Herlinghaus/van Lishaut (Hrsg.), UmwStG, 3. Aufl. 2019 Roth/Altmeppen, GmbHG, 9. Aufl. 2019 Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 6. Aufl. 2017 Russ/Janßen/Götze, BilRUG – Auswirkungen auf das deutsche Bilanzrecht, 2015 Saenger/Inhester, GmbHG, 4. Aufl. 2020 Schäfer (Hrsg.), Publizitätsgesetz, NOMOS – Das Deutsche Bundesrecht – Erläuterungen, 2. Aufl. 2016 Scheffler, Besteuerung von Unternehmen, Bd. 2, Steuerbilanz, 9. Aufl. 2018 Scherrer, Konzernrechnungslegung nach HGB, 3. Aufl. 2012 Schiffers/Theile, Bilanzrecht der GmbH, 2016 Schildbach/Feldhoff, Der Konzernabschluss nach HGB und IFRS, 8. Aufl. 2018 Schmidt, EStG, hrsg. v. Weber-Grellet, 39. Aufl. 2020 Schmidt, Karsten, Handelsrecht, 6. Aufl. 2014 Schmidt, Karsten/Lutter, AktG, 4. Aufl. 2020 Schmidt, M./Prinz, BilRUG in der Praxis, 2016 Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG – UmwStG, 8. Aufl. 2018 Schneider, Grundzüge der Unternehmensbesteuerung, 6. Aufl. 1994 Schnitger/Fehrenbacher (Hrsg.), Kommentar Körperschaftsteuer, 2. Aufl. 2018 Scholz, GmbHG, 11. Aufl. 2012 ff., 12. Aufl. 2018 ff. Schön, Steuerliche Maßgeblichkeit in Deutschland und Europa, 2005 Schreiber, Besteuerung der Unternehmen, 4. Aufl. 2017 Schulze-Osterloh/Hennrichs/Wüstemann/Wüstemann (Hrsg.), Handbuch des Jahresabschlusses, Loseblatt (Stand März 2020) Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 4. Aufl. 2019 Streck (Hrsg.), KStG, 9. Aufl. 2018 Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. 2018 Ulmer, HGB-Bilanzrecht, 2002 (Reprint 2015) Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG Großkommentar (Bd. II §§ 29–52), 2. Aufl. 2014 Weber-Grellet, Bilanzsteuerrecht, 18. Aufl. 2020 Westermann/Wertenbruch, Handbuch Personengesellschaften, Loseblatt (Stand März 2020) Wicke, GmbHG, 3. Aufl. 2016 Widmann/Mayer (Hrsg.), Umwandlungsrecht, Loseblatt Wiedmann/Böcking/Gros, Bilanzrecht, 4. Aufl. 2019 Winkeljohann/Förschle/Deubert (Hrsg.), Sonderbilanzen, 5. Aufl. 2016 Winkeljohann/Schäfer, Latente Steuern, 2015 XXXIII

Gesamtliteraturverzeichnis

Winnefeld, Bilanz-Handbuch, 5. Aufl. 2015 Wöhe/Mock, Die Handels- und Steuerbilanz, 6. Aufl. 2010 Ziemons/Binnewies, Handbuch Aktiengesellschaft, Loseblatt (Stand März 2020)

Abgekürzt zitierte Literatur ADS

Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1994 ff.

Beck BilKomm.

Grottel/Schmidt/Schubert/Störk (Hrsg.), Beck’scher Bilanzkommentar, 12. Aufl. 2020 Prinz/Kahle (Hrsg.), Beck’sches Handbuch der Personengesellschaften, 5. Aufl. 2020 Böcking/Gros/Oser/Scheffler/Thormann, Beck’sches Handbuch der Rechnungslegung, Loseblatt (Stand März 2020) Henssler (Hrsg.), beck-online Großkommentar Häublein/Hoffmann-Theinert (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar HGB Hofbauer/Kupsch (Hrsg.), Rechnungslegung, Loseblatt (Stand Mai 2020) Baetge/Kirsch/Thiele

Beck HdB PersG Beck HdR BeckOGK BeckOK HGB BHR BKT GK Großkomm. Großkomm. AktG Haufe BilKomm. HdJ HdKR HdR HHR HuRB

Ulmer/Habersack/Löbbe (Hrsg.), GmbHG Großkommentar (Bd. II §§ 29–52), 2. Aufl. 2014 Staub, Großkommentar zum HGB, hrsg. von Canaris/Habersack/C. Schäfer, 5. Aufl. 2010 ff. Hirte/Mülbert/Roth (Hrsg.), Großkommentar zum AktG, 5. Aufl. 2016 ff. Bertram/Brinkmann/Kessler/Müller, Haufe HGB Bilanz-Kommentar, 10. Aufl. 2019 Schulze-Osterloh/Hennrichs/Wüstemann/Wüstemann (Hrsg.), Handbuch des Jahresabschlusses, Loseblatt (Stand März 2020) Küting/Weber, Handbuch der Konzernrechnungslegung, 1998 Küting/Weber (Hrsg.), Handbuch der Rechnungslegung – Einzelabschluss, Loseblatt (Stand März 2020) Herrmann/Heuer/Raupach, EStG – KStG, Loseblatt (Stand März 2020) Leffson/Rückle/Großfeld (Hrsg.), Handwörterbuch unbestimmter Rechtsbegriffe im Bilanzrecht des HGB, 1986

Kölner Komm. AktG Kölner Komm. RLR KSM

Zöllner/Noack (Hrsg.), Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2004 ff. Claussen/Scherrer (Hrsg.), Kölner Kommentar zum Rechnungslegungsrecht, 2011 Kirchhof/Söhn/Mellinghoff (Hrsg.), Einkommensteuergesetz, Loseblatt (Stand Mai 2020)

MünchHdb. GesR MünchKomm. AktG

Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, 4. Aufl. 2015 ff. Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 3. Aufl. 2008 ff., 4. Aufl. 2014 ff., 5. Aufl. 2019 ff. Hennrichs/Kleindiek/Watrin (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Bilanzrecht, Bd. 2 (§§ 238–342e), 2013 Münchener Kommentar zum GmbHG, 3. Aufl. 2018 ff. Münchener Kommentar zum HGB, 3. Aufl. 2013 ff., 4. Aufl. 2016 ff.

MünchKomm. BilR MünchKomm. GmbHG MünchKomm. HGB Nomos-BR

XXXIV

Schäfer (Hrsg.), Publizitätsgesetz, NOMOS – Das Deutsche Bundesrecht – Erläuterungen, 2. Aufl. 2016

Gesamtliteraturverzeichnis

Winnefeld, Bilanz-Handbuch, 5. Aufl. 2015 Wöhe/Mock, Die Handels- und Steuerbilanz, 6. Aufl. 2010 Ziemons/Binnewies, Handbuch Aktiengesellschaft, Loseblatt (Stand März 2020)

Abgekürzt zitierte Literatur ADS

Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1994 ff.

Beck BilKomm.

Grottel/Schmidt/Schubert/Störk (Hrsg.), Beck’scher Bilanzkommentar, 12. Aufl. 2020 Prinz/Kahle (Hrsg.), Beck’sches Handbuch der Personengesellschaften, 5. Aufl. 2020 Böcking/Gros/Oser/Scheffler/Thormann, Beck’sches Handbuch der Rechnungslegung, Loseblatt (Stand März 2020) Henssler (Hrsg.), beck-online Großkommentar Häublein/Hoffmann-Theinert (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar HGB Hofbauer/Kupsch (Hrsg.), Rechnungslegung, Loseblatt (Stand Mai 2020) Baetge/Kirsch/Thiele

Beck HdB PersG Beck HdR BeckOGK BeckOK HGB BHR BKT GK Großkomm. Großkomm. AktG Haufe BilKomm. HdJ HdKR HdR HHR HuRB

Ulmer/Habersack/Löbbe (Hrsg.), GmbHG Großkommentar (Bd. II §§ 29–52), 2. Aufl. 2014 Staub, Großkommentar zum HGB, hrsg. von Canaris/Habersack/C. Schäfer, 5. Aufl. 2010 ff. Hirte/Mülbert/Roth (Hrsg.), Großkommentar zum AktG, 5. Aufl. 2016 ff. Bertram/Brinkmann/Kessler/Müller, Haufe HGB Bilanz-Kommentar, 10. Aufl. 2019 Schulze-Osterloh/Hennrichs/Wüstemann/Wüstemann (Hrsg.), Handbuch des Jahresabschlusses, Loseblatt (Stand März 2020) Küting/Weber, Handbuch der Konzernrechnungslegung, 1998 Küting/Weber (Hrsg.), Handbuch der Rechnungslegung – Einzelabschluss, Loseblatt (Stand März 2020) Herrmann/Heuer/Raupach, EStG – KStG, Loseblatt (Stand März 2020) Leffson/Rückle/Großfeld (Hrsg.), Handwörterbuch unbestimmter Rechtsbegriffe im Bilanzrecht des HGB, 1986

Kölner Komm. AktG Kölner Komm. RLR KSM

Zöllner/Noack (Hrsg.), Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2004 ff. Claussen/Scherrer (Hrsg.), Kölner Kommentar zum Rechnungslegungsrecht, 2011 Kirchhof/Söhn/Mellinghoff (Hrsg.), Einkommensteuergesetz, Loseblatt (Stand Mai 2020)

MünchHdb. GesR MünchKomm. AktG

Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, 4. Aufl. 2015 ff. Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 3. Aufl. 2008 ff., 4. Aufl. 2014 ff., 5. Aufl. 2019 ff. Hennrichs/Kleindiek/Watrin (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Bilanzrecht, Bd. 2 (§§ 238–342e), 2013 Münchener Kommentar zum GmbHG, 3. Aufl. 2018 ff. Münchener Kommentar zum HGB, 3. Aufl. 2013 ff., 4. Aufl. 2016 ff.

MünchKomm. BilR MünchKomm. GmbHG MünchKomm. HGB Nomos-BR

XXXIV

Schäfer (Hrsg.), Publizitätsgesetz, NOMOS – Das Deutsche Bundesrecht – Erläuterungen, 2. Aufl. 2016

Drittes Buch Handelsbücher Erster Abschnitt Vorschriften für alle Kaufleute Erster Unterabschnitt Buchführung. Inventar

§ 238 Buchführungspflicht (1) 1Jeder Kaufmann ist verpflichtet, Bücher zu führen und in diesen seine Handelsgeschäfte und die Lage seines Vermögens nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung ersichtlich zu machen. 2Die Buchführung muss so beschaffen sein, dass sie einem sachverständigen Dritten innerhalb angemessener Zeit einen Überblick über die Geschäftsvorfälle und über die Lage des Unternehmens vermitteln kann. 3Die Geschäftsvorfälle müssen sich in ihrer Entstehung und Abwicklung verfolgen lassen. (2) Der Kaufmann ist verpflichtet, eine mit der Urschrift übereinstimmende Wiedergabe der abgesandten Handelsbriefe (Kopie, Abdruck, Abschrift oder sonstige Wiedergabe des Wortlauts auf einem Schrift-, Bild- oder anderen Datenträger) zurückzubehalten. A. I. II. III. IV. B. I.

II. III. IV. V.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Buchführungspflicht (Abs. 1) Buchführungspflichtiger (Abs. 1 Satz 1) 1. Kaufmannspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Buchführungspflicht bei Handelsgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beginn der Buchführungspflicht (Abs. 1 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ende der Buchführungspflicht (Abs. 1 Satz 1) Buchführungszuständigkeit (Abs. 1 Satz 1) . . Funktionen der Buchführung (Abs. 1 Satz 2) 1. Dokumentation der Geschäftsvorfälle . . . . . 2. Gläubigerschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Selbstinformation des Kaufmanns als Instrument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 2 3 4

5 8 9 13 16 21 22

4. Vorlage und Beweiswert der Buchführung . VI. Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (Abs. 1 Satz 2, 3) 1. GoB als Zentralbegriff und Maßstab der Buchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsnatur der GoB . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anforderungen an Buchführung und Aufzeichnungen (Abs. 1 Satz 2, 3) a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Formelle und materielle Ordnungsmäßigkeit der Buchführung . . . . . . . . . c) Überschaubarkeit für sachverständige Dritte (Abs. 1 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . d) Verfolgbarkeit der Geschäftsvorfälle (Abs. 1 Satz 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Dokumentation und Aufbewahrung von Briefkopien (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Folgen einer Verletzung der Buchführungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

24

25 27 33 37 38 41 44 47

23

Literatur: Kruse, Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, 3. Aufl. 1978; Leffson, Die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, 7. Aufl. 1987; Moxter, Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung – ein handelsrechtliches Faktum, von der Steuerrechtsprechung festgestellt, FS 75 Jahre Bundesfinanzhof – Reichsfinanzhof, 1993, 533; Ballwieser, Zur Frage der Rechtsform-, Konzern- und Branchenunabhängigkeit der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, in Förschle/Moxter (Hrsg.), Rechenschaftslegung im Wandel, FS Budde, 1995, 43; Zepf, Grundsätze ordnungsmäßiger DV-gestützter Buchführungssysteme – Erläuterungen zu den GoBS für die Praxis, DStR 1996, 1259; Beisse, Wandlungen der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, in: Schön (Hrsg.), GS Knobbe-Keuk, 1997, 385; Kuhn, Die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung und der Maßgeblichkeitsgrundsatz unter dem Aspekt des Entwurfs eines „Kapitalaufnahmeerleichterungsgesetz“, in Budde/Moxter/Offenhaus (Hrsg.), Handelsbilanzen und Steuerbilanzen, FS Beisse, 1997, 299; Icking, Die Rechtsnatur des Handelsbilanzrechts, 2000; Beisse, Die paradigmatischen GoB, in Hommelhoff/Zätzsch/Erle (Hrsg.), Gesellschaftsrecht, Rechnungslegung, Steuerrecht, FS Welf Müller, 2001, 731; Fülbier/

Drüen | 1

§ 238 Rz. 1 | Buchführungspflicht Gassen, Das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG): Handelsrechtliche GoB vor der Neuinterpretation, DB 2007, 2605; Kirsch, Neuinterpretation der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, StuB 2008, 453; Moxter, IFRS als Auslegungshilfe für handelsrechtliche GoB?, WPg. 2009, 7; Stibi/Fuchs, Zur Umsetzung der HGB-Modernisierung durch das BilMoG: Konzeption des HGB – Auslegung und Interpretation der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung unter dem Einfluss der IFRS?, DB 2009, 9; Marx, Bedeutung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung im geltenden Steuerbilanzrecht, FR 2016, 389; Weber-Grellet, Entwicklungstendenzen und Zukunftsperspektiven des Maßgeblichkeitsgrundsatzes, DB 2016, 1279; Wichmann, Unmaßgeblichkeit des Maßgeblichkeitsprinzips?, Stbg 2019, 69.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand 1 § 238 Abs. 1 HGB ist die Generalnorm für die Buchführung.1 § 238 Abs. 1 Satz 1 HGB enthält die zentrale

Regelung, welche die handelsrechtliche Buchführungspflicht begründet.2 Diese Grundnorm enthält zudem mit dem unbestimmten Rechtsbegriff der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) den Zentralbegriff und Maßstab für die Erfüllung der Buchführungspflicht (s. Rz. 25 ff.). § 238 Abs. 1 Sätze 2 und 3 HGB normieren in Übernahme des steuerrechtlichen Vorbilds des § 145 AO allgemeine Anforderungen an die Buchführung.3 Nach § 238 Abs. 2 HGB ist der Kaufmann zur Dokumentation der in der Buchführung verarbeiteten Geschäftsvorfälle verpflichtet, Briefkopien oder vergleichbare Wiedergaben zurückzubehalten. § 238 Abs. 1 Sätze 2 und 3 sowie Abs. 2 HGB sind nicht lediglich klarstellend.4 Die in diesen Teilen der Norm genannten Pflichten sind zwar Teil der nach § 238 Abs. 1 Satz 1 HGB zwingend einzuhaltenden GoB,5 allerdings bedarf der unbestimmte Rechtsbegriff der GoB zur praktischen Anwendbarkeit einer Konkretisierung, die zum Teil gesetzlich erfolgt. Insoweit kommt § 238 Abs. 1 Sätzen 2 und 3 sowie Abs. 2 HGB über eine über die reine Klarstellung hinausgehende gesetzliche Konkretisierungsfunktion gegenüber § 238 Abs. 1 Satz 1 HGB zu.6 Aus dieser Systematik folgt für die Rechtsanwendung, dass – wie stets bei der Ermittlung und Anwendung von GoB – eine (gesetzliche) Konkretisierung der GoB (vgl. in § 252 HGB) der Auslegung des allgemeinen Zentralbegriffs der GoB vorgeht.7

II. Bedeutung und Zweck 2 Über den Regelungszweck und die Rechtsnatur der handelsrechtlichen Buchführungspflicht besteht allgemein

weitgehend Konsens, wobei Einzelheiten und konkrete Ableitungen – gerade beim Inhalt einzelner GoB – durchaus umstritten sind. Die abstrakte Zweckbestimmung und -gewichtung der Buchführung schlägt zum Teil auf die Konkretisierung der GoB durch (s. Rz. 30). Die Buchführungspflicht wird heute nahezu einhellig als öffentlich-rechtliche Pflicht eingeordnet,8 die der Wahrung des Allgemeininteresses dient.9 Zwar lässt sich auch ein individuelles Interesse von Einzelpersonen feststellen (vgl. §§ 118, 166 HGB, § 51a GmbHG), allerdings ist der Individualschutz nur ein Reflex, aber nicht auslegungssteuernder Zweck des § 238 HGB.10 Es handelt sich bei den §§ 238 ff. HGB nach heute ganz hM nicht um Schutzgesetze iSd. § 823 Abs. 2 BGB.11 Aufgabe der Buchführung ist zunächst die Dokumentation der Geschäftsvorfälle (s. Rz. 21). Die heute ganz hM geht davon aus, dass die gesetzliche Verpflichtung zur Buchführung (sowie Bilanzierung) den Gläubigerschutz im

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

BKT, Bilanzen15, 94. Pöschke in Großkomm.5, § 238 HGB Rz. 1. Pöschke in Großkomm.5, § 238 HGB Rz. 1. AA Böcking/Gros/Wirthin in Ebenroth/Boujong ua., HGB4, § 238 Rz. 4. Darum ist § 238 Abs. 1 Satz 1 HGB seinerseits nicht lediglich klarstellend (aA Graf in Haufe BilKomm.10, § 238 HGB Rz. 34). Ebenso Pöschke in Großkomm.5, § 238 HGB Rz. 1. Pöschke in Großkomm.5, § 238 HGB Rz. 43. Am Rande bestätigt durch BGH v. 4.7.2017 – XI ZR 562/15, BGHZ 215, 172 – Rz. 35. Icking, Die Rechtsnatur des Handelsbilanzrechts, 166 ff., 443 f.; Pöschke in Großkomm.5, § 238 HGB Rz. 2 f.; Böcking/Gros/Wirthin in Ebenroth/Boujong ua., HGB4, § 238 Rz. 1; ebenso Hennrichs, ZHR 2006, 498 (512); Hennrichs/Schubert, ZIP 2007, 563 (566); aA Claussen in Kölner Komm. RLR, Einl. Rz. 67 ff. Pöschke in Großkomm.5, § 238 HGB Rz. 4. BGH v. 13.4.1994 – II ZR 16/93, BGHZ 125, 366 (377); Merkt in Baumbach/Hopt, HGB39, § 238 Rz. 20; Pöschke in Großkomm.5, § 238 HGB Rz. 4; aA wurde teilweise im älteren Schrifttum vertreten, vgl. die Nachweise bei Hüffer in Großkomm.4, § 238 HGB Rz. 4.

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A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 4 § 238

Wege der Selbstkontrolle des Kaufmanns bezweckt (s. Rz. 22 f.).1 Im Gegensatz zu der im betriebswirtschaftlichen Schrifttum angenommenen Rechtspflicht zur Rechenschaft des Kaufmanns2 hat die Buchführung nicht den Zweck einer generellen Rechenschaft (s. Rz. 23).3 Zu den handelsrechtlichen Buchführungszwecken zählt auch nicht der Schutz der Belange des Fiskus.4 Das Steuerrecht übernimmt zwar durch § 140 AO die handelsrechtliche Buchführungspflicht für steuerrechtliche Zwecke und normiert nur ergänzend eine selbstständige steuerrechtliche Buchführungspflicht nach § 141 AO.5 Die „abgeleitete“6 oder verlängerte Buchführungspflicht im Steuerrecht hat aber keinen teleologischen Rückschlag auf das Handelsrecht. Die Nutzung der §§ 238 ff. HGB im steuerrechtlichen „Fremdrecht“ ist ein Annex der handelsrechtlichen Buchführungspflicht und nicht ihr Zweck, aus dem Vorgaben für ihre Ausgestaltung ableitbar sind.

III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften Die Buchführungspflicht ist eine öffentlich-rechtliche Pflicht (s. Rz. 2). §§ 238 ff. HGB sind zwingendes 3 Recht.7 Die Einhaltung der Buchführungspflicht ist jedoch nicht erzwingbar, soweit lediglich die Buchführung selbst betroffen ist, insbes. ist ein Zwangsgeldverfahren zur Einhaltung der Buchführungspflicht oder der GoB gesetzlich nicht vorgesehen.8 Freilich können Verstöße gegen die Buchführungspflicht Rechtsfolgen auslösen (s. Rz. 47). Pflicht und Umfang einer Vorlage der Buchführung bei gerichtlichen Verfahren regeln §§ 258–260 HGB. Besondere Bedeutung hat das mehrdimensionale Verhältnis zum Steuerrecht: Aufgrund der Übernahme einzelner Formulierungen des § 145 AO in § 238 HGB (s. Rz. 1, 4) und der steuerrechtlichen Anknüpfung an die handelsrechtliche Buchführungspflicht (s. Rz. 2) sowie an die handelsrechtlichen GoB bei der steuerrechtlichen Gewinnermittlung aufgrund des Maßgeblichkeitsgrundsatzes des § 5 Abs. 1 EStG9 bestehen zahlreiche Interdependenzen zwischen § 238 HGB und den steuerrechtlichen Buchführungspflichten der §§ 140 ff. AO10 und dem Bilanzsteuerrecht. Da das Steuerrecht früher die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung unter Achtung der GoB zur Voraussetzung von Steuervergünstigungen erhoben hat,11 haben die Finanzgerichte in einer Vielzahl von Verfahren die formellen GoB konkretisiert. Der Gesetzgeber hat 1977 diese richterliche Regelbildung „abgeschöpft“ und zum Teil wortidentisch in den §§ 145 ff. AO kodifiziert. Der Bilanzrechtsgesetzgeber hat wiederum daran 1986 angeknüpft (s. Rz. 4). Das rechtfertigt und erfordert den vergleichenden Blick auf die Regelungen der AO.12 Einzelne Anforderungen an die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung sind in Handels- und Steuerrecht deckungsgleich, zum Teil gehen die steuerrechtlichen aufgrund gesetzlicher Neuregelungen über die handelsrechtlichen hinaus.13 Bei der Konkretisierung der GoB kommt den Finanzgerichten und höchstrichterlich dem BFH weiterhin aufgrund der Maßgeblichkeit der handelsrechtlichen GoB für die steuerrechtliche Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich (§ 5 Abs. 1 EStG) traditionell quantitativ und qualitativ eine dominante Rolle zu.14 Zivilgerichtliche Entscheidungen zu GoB sind dagegen selten.15

IV. Rechtsentwicklung Die Entwicklung kaufmännischer Buchführung reicht bis ins 16. Jahrhundert zurück.16 § 238 HGB wurde in 4 Umsetzung europäischer Richtlinienvorgaben durch das BiRiLiG17 eingeführt und ersetzte den früheren 1 BGH v. 13.4.1994 – II ZR 16/93, BGHZ 125, 366 (377 f.); Pöschke in Großkomm.5, § 238 HGB Rz. 2; Begründung RegE 1. WiKG, BT-Drucks. 7/3441, 38; Drüen in Tipke/Kruse, § 145 AO Rz. 13, 15 f. (Stand Okt. 2010). 2 So Leffson, GoB7, 55. 3 Drüen in Tipke/Kruse, § 145 AO Rz. 16 (Stand Okt. 2010); zust. Pöschke in Großkomm.5, § 238 HGB Rz. 3. 4 Zutreffend Pöschke in Großkomm.5, § 238 HGB Rz. 3 mwN. 5 Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 238 Rz. 1. 6 Rätke in Klein, AO14, § 140 Rz. 1. 7 Pöschke in Großkomm.5, § 238 HGB Rz. 5. 8 Pöschke in Großkomm.5, § 238 HGB Rz. 5. 9 Zu historischen Entwicklung des Maßgeblichkeitsgrundsatzes und Kritik mit Betonung der Eigenständigkeit der Steuerbilanz Weber-Grellet, DB 2016, 1279; Weber-Grellet in Schmidt, EStG39, § 5 Rz. 27; Gegenkritik wegen Nichtbeachtung der Maßgeblichkeit durch die Steuerrechtsprechung Wichmann, Stbg 2019, 69. 10 Zuletzt Rätke in Klein, AO14, § 140 Rz. 4, 10, 15 f.; § 141 Rz. 12. 11 Kruse, GoB3, 3. 12 Darum ist insgesamt auf Drüen in Tipke/Kruse, § 145 AO (Stand Okt. 2010/Feb. 2015) zu verweisen. 13 Drüen in Tipke/Kruse, Vor § 140 AO Rz. 2 (Stand Okt. 2012). 14 Zur bilanzsteuerrechtlichen Rechtsprechung des BFH (seit 2001) Jahresbericht, zuletzt Weber-Grellet, BB 2020, 43. 15 Schmidt/Usinger in Beck BilKomm.12, § 243 HGB Rz. 18. 16 Nachweise bei Icking, Die Rechtsnatur des Handelsbilanzrechts, 58 ff. 17 Gesetz zur Durchführung der Vierten, Siebenten und Achten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts (Bilanzrichtlinien-Gesetz), BGBl. I 1985, 2355.

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§ 238 Rz. 4 | Buchführungspflicht § 38 HGB. Das geltende Recht sollte im Wesentlichen unverändert fortgeführt werden.1 Die Vorschrift statuiert die Pflicht zur Buchführung als allgemeine Kaufmannspflicht (s. Rz. 5). Ausgestaltet wird die Buchführungspflicht durch den Verweis auf die GoB als oberste Buchführungsprinzipien.2 Durch die Übernahme der Formulierung des § 145 Abs. 1 AO in § 238 Abs. 1 Sätze 2 und 3 HGB hat der Gesetzgeber eine Parallele zwischen handelsrechtlichen und steuerrechtlichen Anforderungen an die Buchführung geschaffen.3 Da die internationalen Rechnungslegungsstandards keine Vorschriften zur formellen Buchführungspflicht und ihrer Ausgestaltung enthalten4, hat die nationale Buchführungspflicht als solche – im Gegensatz zu materiellen Bilanzierungsprinzipien – keinen internationalen „Einschlag“ (zu GoB s. noch Rz. 32). Auch innerhalb der EU unterscheiden sich die Ausgestaltung von Buchführungs- und Bilanzierungspflichten nach handelsrechtlichen Grundsätzen selbst bei Staaten mit vergleichbarer Rechtstradition.5 Bis zur Erfüllung der Forderung nach globaler Rechnungslegung für globale Unternehmen6 ist es noch ein langer Weg.

B. Buchführungspflicht (Abs. 1) I. Buchführungspflichtiger (Abs. 1 Satz 1) 1. Kaufmannspflicht 5 Nach § 238 Abs. 1 Satz 1 HGB ist jeder Kaufmann verpflichtet, Bücher zu führen. Kaufmann ist, wer ein

Handelsgewerbe betreibt, dh. einen Gewerbebetrieb mit in kaufmännischer Weise eingerichtetem Geschäftsbetrieb unterhält (§ 1 HGB). Die Handelsgewerbe- und damit die Kaufmannseigenschaft wird bei Betrieb eines Gewerbes7 grds. widerlegbar vermutet.8 Ob in Grenzbereichen ein nach Art und Umfang in kaufmännischer Weise eingerichteter Geschäftsbetrieb vorliegt, ist im Rahmen einer Gesamtschau verschiedener Kriterien zu beurteilen.9

6 Für Kleingewerbetreibende, deren Gewerbe nach § 1 Abs. 2 HGB einen nach Art und Umfang eingerichte-

ten Geschäftsbetrieb nicht erfordert, besteht keine Kaufmannseigenschaft, weshalb sie sind grds. nicht zur Buchführung verpflichtet sind. Jedoch hat der Kleingewerbetreibende das Recht, aber keine Pflicht, die Eintragung ins Handelsregister und damit die Kaufmannseigenschaft kraft Eintragung herbeizuführen (Eintragungsoption, § 2 Satz 2 HGB).10 Die Bilanzrechtsmodernisierung durch das BilMoG hat die Buchführungspflicht von der Kaufmannseigenschaft mit Einfügung des § 241a HGB abgekoppelt. Einzelkaufleute, die dessen Schwellenwerte nicht überschreiten, sind von der Buchführungspflicht befreit (s. § 241a HGB Rz. 4). Fiktivkaufleute kraft Eintragung (§ 5 HGB) unterliegen nicht der Buchführungspflicht nach Handelsrecht11 und Steuerrecht.12

7 Die Buchführungspflicht nach § 238 HGB gilt auch für inländische Zweigniederlassungen ausländischer

Kaufleute, Personengesellschaften und juristische Personen mit Kaufmannseigenschaft (vgl. §§ 13d–13g HGB).13 Dadurch wird – losgelöst vom Recht der Heimatsrechtsordnung – eine partielle Buchführungspflicht nach deutschem Recht begründet.

1 Nachweise bei Biener/Berneke, Bilanzrichtlinien-Gesetz, 1986, 48 f. 2 Merkt in Baumbach/Hopt, HGB39, § 238 Rz. 12. 3 Der RegE des BiLiRiG sah ursprünglich erhöhte Anforderungen an die handelsrechtliche Buchführungspflicht vor, vgl. dazu Claussen in Kölner Komm. AktG3, § 238 HGB Rz. 1. 4 Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 238 Rz. 42; Graf in MünchKomm. BilR, § 238 HGB Rz. 99. 5 Näher zum Rechtsvergleich zwischen Deutschland und Österreich Dix/Mittelbach-Hörmanseder, SWI 2018, 138. 6 Dazu Großfeld, ZVglRWiss 116 (2017), 1. 7 Der handelsrechtliche Begriff des Gewerbebetriebs ist nicht deckungsgleich mit dem steuerrechtlichen Begriff des § 15 EStG, § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG, vgl. Wacker in Schmidt, EStG39, § 15 Rz. 9. 8 Zur Beweislast Hopt in Baumbach/Hopt, HGB39, § 1 Rz. 25. 9 So bereits BGH v. 28.4.1960 – II ZR 239/58, BB 1960, 917; näher Drüen/Krumm, FR 2004, 685 (686); Hopt in Baumbach/Hopt, HGB39, § 1 Rz. 23 mwN. 10 Zur Buchführungspflicht des Kaufmanns kraft Eintragung Hüttemann/Meinert, BB 2007, 1436. 11 Graf in Haufe BilKomm.10, § 238 HGB Rz. 29; Roth in Koller/Kindler ua., HGB9, § 5 Rz. 2; Störk/Lewe in Beck BilKomm.12, § 238 HGB Rz. 23; aA Hüttemann/Meinert, BB 2007, 1436 (1438 ff.). 12 Drüen in Tipke/Kruse, § 140 AO Rz. 19 (Stand Okt. 2012) mwN. 13 ADS6, § 238 HGB Rz. 18; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB39, § 238 Rz. 10; Störk/Lewe in Beck BilKomm.12, § 238 HGB Rz. 46; ebenso Drüen in Tipke/Kruse, § 140 AO Rz. 11 (Stand Okt. 2012) mwN.; Krumm in Blümich, § 5 EStG Rz. 138 (Stand März 2018); aA Pöschke in Großkomm.5, § 238 HGB Rz. 26, wonach allein das Recht des Sitzes der Hauptniederlassung entscheidet.

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B. Buchführungspflicht (Abs. 1) | Rz. 12 § 238

2. Buchführungspflicht bei Handelsgesellschaften Handelsgesellschaften sind nach § 6 Abs. 2, § 238 Abs. 1 Satz 1 HGB buchführungspflichtig. Kapitalgesell- 8 schaften (AG, KGaA, GmbH, SE1) sind danach buchführungspflichtig kraft Rechtsform (§ 3 Abs. 1, § 278 Abs. 3 AktG, § 13 Abs. 3 GmbHG bzw. Art. 61 SE-VO iVm. § 3 Abs. 1 AktG);2 auf einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb kommt es bei ihnen nicht an (zur Buchführungspflicht in den Gründungsstadien einer Kapitalgesellschaft s. Rz. 12). Personenhandelsgesellschaften (OHG, KG) sind kraft Rechtsform (§ 105 Abs. 1, § 161 Abs. 2 HGB) bzw. vermögensverwaltende Personengesellschaften kraft Eintragung (§ 105 Abs. 2, § 161 Abs. 2 HGB) buchführungspflichtig.

II. Beginn der Buchführungspflicht (Abs. 1 Satz 1) Bei Ist-Kaufleuten (§ 1 HGB) beginnt die Buchführungspflicht mit der Aufnahme des Handelsgewerbes, 9 und zwar schon mit Aufnahme der Vorbereitungsgeschäfte.3 Kann-Kaufleute werden durch die (konstitutive) Eintragung der Firma ins Handelsregister buchführungspflichtig.4 Trotz Kaufmannseigenschaft beginnt die Buchführungspflicht bei Neugründung und im laufenden Betrieb nicht, wenn die Voraussetzungen des § 241a HGB erfüllt sind. Danach tritt die Befreiung von der Buchführungspflicht zu Beginn des folgenden Geschäftsjahrs ein, nachdem an den Abschlussstichtagen von zwei aufeinander folgenden Geschäftsjahren5 die Umsatzschwelle (seit 2016) von 600.000 € und die Gewinnschwelle von 60.000 € nicht überschritten sind. Beim erstmaligen Überschreiten eines Schwellenwerts endet die Befreiung des § 241a HGB und der Kaufmann unterliegt regulär der Buchführungspflicht. Für Personenhandelsgesellschaften (OHG und KG), die ein Handelsgewerbe betreiben, beginnt die Buch- 10 führungspflicht mit Aufnahme des Betriebs unter gemeinschaftlicher Firma. Für Personengesellschaften, deren Unternehmung nicht die Voraussetzungen eines Handelsgewerbes iSd. § 1 Abs. 1 HGB erfüllen, beginnt die Buchführungspflicht mit der Eintragung des Unternehmens in das Handelsregister.6 Bei Kapitalgesellschaften (AG, KGaA, GmbH und SE) beginnt die Buchführungspflicht spätestens mit der 11 Eintragung ins Handelsregister, unabhängig davon, ob ein Handelsgewerbe betrieben wird oder nicht.7 Dies gilt nach § 5a GmbHG auch für die UG (haftungsbeschränkt).8 Für die Buchführungspflicht einer Kapitalgesellschaft in Gründung ist nach Gründungsstadien zu differen- 12 zieren. Die sog. Vorgründungsgesellschaft, die vom Zusammenschluss der späteren Gesellschafter mit dem Vorhaben der Gründung einer Kapitalgesellschaft bis zum Abschluss des notariellen Gründungsvertrags besteht, ist im Regelfall eine GbR.9 Eine Buchführungspflicht besteht nur, wenn die Vorgründungsgesellschaft im Ausnahmefall10 als OHG anzusehen ist, weil sie bereits erste Vorbereitungsgeschäfte im Hinblick auf die spätere gewerbliche Tätigkeit ausführt oder bereits selbst handelsgewerblich tätig ist.11 Die nach Abschluss des notariellen Gründungsvertrags bestehende sog. Vorgesellschaft ist als Kaufmann buchführungspflichtig, wenn sie bereits Vorbereitungsgeschäfte im Hinblick auf eine spätere gewerbliche Tätigkeit vornimmt oder bereits gewerblich tätig ist.12 Jedenfalls ergibt sich eine Buchführungspflicht der Vorgesellschaft aus dem allg. Antizipationsgedanken, wonach das spätere Recht bereits auf die Vorgesellschaft anzuwenden ist, wenn beide zivilrechtlich identisch sind.13 Die Buchführungspflicht der Vorgesellschaft beginnt mit dem ersten Geschäftsvorfall.14

1 Vgl. zur Buchführungspflicht der SE mit (Register-)Sitz im Inland auch Fischer in MünchKomm. AktG4, Art. 61 SE-VO (EG) 2157/2001 Rz. 15 ff. 2 Bei der eingetragenen Genossenschaft (eG) fingiert § 17 Abs. 2 GenG die Kaufmannseigenschaft, aus der die Buchführungspflicht resultiert. 3 ADS6, § 238 HGB Rz. 21; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB39, § 238 Rz. 17: „mit dem ersten buchführungspflichtigen Geschäftsvorfall“; Pöschke in Großkomm.5, § 238 HGB Rz. 12. 4 Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 238 Rz. 14. 5 Bei einer Neugründung reicht es nach § 241a Satz 2 HGB bereits aus, wenn die Schwellenwerte am Abschlussstichtag des ersten Geschäftsjahrs nicht überschritten werden. 6 Quick/Wolz in BKT, Bilanzrecht, § 238 HGB Rz. 21 (Stand Jan. 2020). 7 Hopt in Baumbach/Hopt, HGB39, § 6 Rz. 3. 8 Pöschke in Großkomm.5, § 238 HGB Rz. 13. 9 Leuschner in MünchKomm. BGB8, § 22 Rz. 128. 10 Ebenso Pöschke in Großkomm.5, § 238 HGB Rz. 17. 11 BGH v. 29.11.1956 – II ZR 282/55, BGHZ 22, 240 (244). 12 Störk/Lewe in Beck BilKomm.12, § 238 HGB Rz. 44. 13 ADS6, § 238 HGB Rz. 17. 14 Pöschke in Großkomm.5, § 238 HGB Rz. 17.

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§ 238 Rz. 13 | Buchführungspflicht

III. Ende der Buchführungspflicht (Abs. 1 Satz 1) 13 Die Buchführungspflicht des nicht eingetragenen Kaufmanns endet zeitgleich mit der Kaufmannseigen-

schaft, so zB mit dem Übergang zum Kleingewerbetreibenden (§ 1 Abs. 2 HGB) oder mit der Aufgabe des Geschäftsbetriebs.1 Bei Kaufleuten kraft Eintragung entfällt die Buchführungspflicht mit der Löschung im Handelsregister unmittelbar (ex nunc),2 nicht jedoch bei Weiterbetrieb eines Kleingewerbes.3

14 Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Kaufmanns beendet weder die Kaufmanns-

eigenschaft noch die Buchführungspflicht (§ 155 Abs. 1 Satz 1 InsO),4 allerdings geht die Zuständigkeit für die Erfüllung der Buchführungspflicht auf den Insolvenzverwalter über (s. Rz. 18).

15 AG, KGaA, GmbH und SE sind bis zum Ende ihrer Abwicklung einschließlich ihrer Löschung im Handels-

register buchführungspflichtig.5 Die Buchführungspflicht endet nicht bereits bei Eintritt der Vermögenslosigkeit oder vorzeitiger Löschung des Eintrags im Handelsregister.6 Die Form und Qualität der Buchführung in der Abwicklungsphase sind an die Größe der Abwicklung anzupassen, ggf. muss das Rechnungswesen im bisherigen Umfang fortgeführt werden. Davon unabhängig können Buchführungspflichten nach anderen Vorschriften fortbestehen; so macht zB die Pflicht zur Schlussrechnungslegung (§ 273 Abs. 1 AktG) eine Buchführung über die Beendigung der Geschäftstätigkeit hinaus erforderlich.7

IV. Buchführungszuständigkeit (Abs. 1 Satz 1) 16 Die Buchführungspflicht ist nach § 238 Abs. 1 Satz 1 HGB die Pflicht des Kaufmanns. Im Allgemeinen trifft

die Buchführungspflicht bei Einzelunternehmen den Inhaber, der regelmäßig als Unternehmer auch die Gewähr bietet, selbst zur Führung der Büchen in der Lage zu sein.8 Die Buchführungspflicht trifft bei (teil-) rechtsfähigen Gesellschaften die Gesellschaft selbst. Zuständig und verantwortlich9 für die Erfüllung der Buchführungspflicht sind bei der OHG nach hM alle Gesellschafter,10 nach der Gegenansicht nur die geschäftsführenden Gesellschafter.11 Bei der KG sind es die Komplementäre12 und die durch Gesellschaftsvertrag zur Geschäftsführung berufenen Kommanditisten.13 Der nach der dispositiven Regelung des HGB (§§ 163, 164 HGB) nicht zur Geschäftsführung berufene Kommanditist ist für die Buchführung der Gesellschaft nicht verantwortlich. Bei Innengesellschaften (typisch/atypisch stille Gesellschaft) obliegt die Buchführungspflicht allein dem Inhaber des Handelsgeschäfts, weil die Innengesellschaft mangels eigenen Gesellschaftsvermögens nicht selbst buchführungspflichtig ist.14

17 Für Geschäftsunfähige oder beschränkt Geschäftsfähige haben die gesetzlichen Vertreter die Bücher zu

führen. Bei AG (§ 91 AktG), Vereinen und Stiftungen obliegt die Buchführungspflicht dem Vorstand,15 bei der GmbH den Geschäftsführern (§ 41 GmbHG). Dabei sind stets der Gesamtvorstand bzw. die Gesamtheit aller Geschäftsführer für die Buchführung verantwortlich (Gesamtverantwortung),16 nicht nur der im Rah1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16

Hopt in Baumbach/Hopt, HGB39, § 1 Rz. 52; Störk/Lewe in Beck BilKomm.12, § 238 HGB Rz. 78. Hopt in Baumbach/Hopt, HGB39, § 2 Rz. 9. AA OLG Dresden v. 29.1.2003 – 12 U 0805/02 (rkr.). BGH v. 29.5.1979 – VI ZR 104/78, BGHZ 74, 316 (318); Merkt in Baumbach/Hopt, HGB39, § 238 Rz. 9; Störk/Lewe in Beck BilKomm.12, § 238 HGB Rz. 60. Pöschke in Großkomm.5, § 238 HGB Rz. 16; Drüen in Tipke/Kruse, § 140 AO Rz. 26 (Stand Okt. 2015). Quick/Wolz in BKT, Bilanzrecht, § 238 HGB Rz. 25 (Stand Jan. 2020); Störk/Lewe in Beck BilKomm.12, § 238 HGB Rz. 81. Pöschke in Großkomm.5, § 238 HGB Rz. 16. BGH v. 20.10.2011 – 1 StR 354/11, NStZ 2012, 511. Allgemein spricht Pöschke in Großkomm.5, § 238 HGB Rz. 18 ff. von der Person des „Buchführungsverantwortlichen“. Hopt in Baumbach/Hopt39, § 238 HGB Rz. 9; Störk/Lewe in Beck BilKomm.12, § 238 HGB Rz. 57. Pöschke in Großkomm.5, § 238 Rz. 22 mwN.; ebenso für die Aufstellung der Bilanz einer Personengesellschaft BGH v. 27.9.1979 – II ZR 31/78, BB 1980, 121; BGH v. 29.3.1996 – II ZR 263/94, BGHZ 132, 263 (266). Störk/Lewe in Beck BilKomm.12, § 238 HGB Rz. 57. Ebenso für den allein geschäftsführenden Kommanditisten Pöschke in Großkomm.5, § 238 Rz. 23. Winnefeld, Bilanz-Handbuch5, Kap. A Rz. 30. Ebenso bei der SE durch den Verweis in Art. 61 SE-VO (EG) 2157/2001 auf nationale Vorschriften (§ 91 AktG), Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit (VVaG) durch den Verweis in § 34 Satz 2 VAG auf § 91 AktG und eG (§ 33 Abs. 1 GenG). Graf in MünchKomm. BilR, § 238 HGB Rz. 33; Merkt in Baumbach/Hopt39, § 238 HGB Rz. 9; Pöschke in Großkomm.5, § 238 HGB Rz. 24; Quick/Wolz in BKT Bilanzrecht, § 238 HGB Rz. 15 (Stand Jan. 2020); aA Mertens in GmbHG8, § 41 Rz. 2, nach dessen Ansicht jedes einzelne Vorstandsmitglied bzw. jeder einzelne Geschäftsführer zuständig ist.

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B. Buchführungspflicht (Abs. 1) | Rz. 21 § 238

men der Geschäftsverteilung für Rechnungslegungs- und Finanzwesen Zuständige. Alle Vorstandsmitglieder bzw. Geschäftsführer haben Inventur und Jahresabschluss zu unterzeichnen. Auch bei ressortmäßiger Aufgabenverteilung bleibt die Verantwortlichkeit der intern nicht (primär) zuständigen Organmitglieder erhalten.1 Die nicht ressortzuständigen Vorstandsmitglieder bzw. Geschäftsführer haben von ihrer allgemeinen gegenseitigen Überwachungspflicht Gebrauch zu machen. Sie haben dafür Sorge zu tragen, dass bedeutsame Mängel in der Buchführung behoben werden.2 Das für Rechnungslegung- und Finanzwesen zuständige Vorstands- bzw. Geschäftsführungsmitglied hat eine zivilrechtliche Verantwortung gegenüber der Gesellschaft, nicht gegenüber dem einzelnen Gesellschafter.3 Die rechtliche Pflicht zur Unterhaltung einer Innenrevision und risikoorientierter Kontrollsysteme hängt von der Rechtsform (vgl. § 91 AktG),4 der Größe der Gesellschaft und dem anfallenden Buchführungsmaterial ab. Die Verantwortlichkeit für die Buchführung der Kapitalgesellschaft in Gründung hängt wiederum von den 18 verwirklichten Gründungsstadien (s. Rz. 12) ab: Für die Vorgründungsgesellschaft gelten die Vorschriften für die Personengesellschaften, während die Vorgesellschaft wie die spätere Kapitalgesellschaft behandelt wird.5 Bei der in Liquidation befindlichen Handelsgesellschaft ist der Liquidator nach §§ 149, 161 Abs. 2 HGB (OHG, KG), § 91 AktG (AG), § 71 Abs. 1, 4, § 41 GmbHG (GmbH), § 89 Satz 1, § 33 Abs. 1 Satz 1 GenG (Genossenschaft), bei in Insolvenz befindlichen Handelsgesellschaften der Insolvenzverwalter (§ 155 Abs. 1 Satz 2 InsO) für die Erfüllung der Buchführungspflicht zuständig.6 Buchführungspflicht und -zuständigkeit fallen insoweit auseinander.7 Im Fall der Rechtsnachfolge (Kauf, Umwandlung, Gesamtrechtsnachfolge) geht die Buchführungspflicht auf 19 den Rechtsnachfolger über, wenn dieser seinerseits Kaufmann ist oder durch die Rechtsnachfolge Kaufmann wird.8 Die Buchführungspflicht ist keine höchstpersönliche Pflicht. Der Buchführungspflichtige kann sie traditio- 20 nell durch Hinzuziehung Dritter erfüllen,9 ohne allerdings die Verantwortung auf diese abwälzen zu können.10 Die Einschaltung Dritter zur Erfüllung der Buchführungspflicht ist intern (als Buchhalter, Handlungsgehilfe) oder extern (als mit der Buchhaltung beauftragter Steuerberater) möglich. Der Buchführungspflichtige muss aber einen sachverständigen Gehilfen oder Dritten mit der Buchführung betrauen und in Auswahl und Überwachung die notwendige Sorgfalt walten lassen. Er kann seine handelsrechtliche Verantwortung nicht vollständig auf die beauftragte Person überwälzen. Die abschließende Verantwortlichkeit für die Konformität mit den handelsrechtlichen Vorschriften verbleibt beim Buchführungspflichtigen selbst.11

V. Funktionen der Buchführung (Abs. 1 Satz 2) 1. Dokumentation der Geschäftsvorfälle Der „Hauptzweck der Buchführung“ als Dokumentation der Geschäftsvorfälle12 lässt sich aus der gesetzli- 21 chen Konkretisierung der Ausgestaltungsanforderungen an die Buchführung ableiten: Die Buchführung hat zunächst die Aufgabe, einem sachverständigen Dritten innerhalb angemessener Zeit einen Überblick über die Geschäftsvorfälle und die Lage des Unternehmens zu vermitteln (§ 238 Abs. 1 Satz 2 HGB). Dazu ist eine vollständige und chronologische Erfassung aller Geschäftsvorfälle ebenso erforderlich, wie das Vorhandensein einwandfreier (ggf. Eigen-)Belege für jede Buchung. Die Masse der abgewickelten Geschäftsvorfälle muss dergestalt aufbereitet sein, dass eine systematische Dokumentation vorliegt. Ein Ziel der Buchführung ist eine klare, übersichtliche und nachprüfbare Darstellung der (Vermögens-)Situation des Unternehmens.13 Der eigenständige Dokumentationszweck der Buchführung14 ist zugleich Anknüpfungs1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14

Pöschke in Großkomm.5, § 238 HGB Rz. 24. Claussen in Kölner Komm. AktG3, § 238 HGB Rz. 8. Fleischer, WM 2006, 2021 (2025 f.); Hefermehl in G/H/E/K, § 91 Rz. 6; Mertens in GmbHG8, § 41 Rz. 5. Zutreffend zur AG Pöschke in Großkomm.5, § 238 HGB Rz. 24. Störk/Lewe in Beck BilKomm.12, § 238 HGB Rz. 43. BGH v. 29.5.1979 – VI ZR 104/78, BGHZ 74, 316 (318); Heni, ZInsO 1999, 609 (613 f.); Mundt/Kunz, DStR 1997, 620 (624). Pöschke in Großkomm.5, § 238 HGB Rz. 30. Winnefeld, Bilanz-Handbuch5, Kap. A Rz. 211. Kruse, GoB3, 82. Drüen in Tipke/Kruse, Vor § 140 AO Rz. 4, 17 (Stand Okt. 2012). Kruse, GoB3, 83. So bereits Kruse, GoB3, 201. Quick/Wolz in BKT, Bilanzrecht, § 238 HGB Rz. 26 (Stand Jan. 2020). Pöschke in Großkomm.5, § 238 HGB Rz. 3.

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§ 238 Rz. 21 | Buchführungspflicht punkt weiterer gesetzlicher Regelungen (zB § 14 DepotG, § 283b StGB) wie auch Grundlage für die Beurteilung eines Unternehmens. 2. Gläubigerschutz 22 Daneben ist Ziel der Buchführung der Schutz der Gläubiger des Kaufmanns.1 Allerdings hängt das Maß der

Verwirklichung des Gläubigerschutzes der Buchführung von den materiellen Ansatz- und Bewertungsregeln ab. Ob die Unterbewertung des Vermögens durch Bildung stiller Reserven in Höhe der Differenz als „Risikopuffer“ tatsächlich dem Gläubigerschutz dient, ist zweifelhaft.2 Fraglos werden jedoch durch die Dokumentation der Geschäftsvorfälle (s. Rz. 21) die Gläubigerinteressen mehr geschützt als im Fall eines gesetzlichen Verzichts. Fragwürdig erscheint der Versuch, aus dem Zweck der Buchführungspflicht des § 238 HGB Argumente für eine bestimmte (statische oder dynamische) Bilanzauffassung zu gewinnen.3 Einerseits sind derart abstrakte Buchführungszwecke keine tragfähige Grundlage für zwingende Konkretisierungsvorgaben hinsichtlich bilanzieller Einzelfragen (s. Rz. 30), andererseits gilt das Primat einzelner (gesetzlicher) Konkretisierungen von GoB (s. Rz. 1). Darum ist der Zweck der Buchführung nicht abhängig vom „Zweck der Bilanz“ und die umstrittenen Bilanzauffassungen wirken nicht auf die (formellen) Buchführungspflichten vor.4

3. Selbstinformation des Kaufmanns als Instrument 23 Die Information des Kaufmanns selbst wird vielfach an erster Stelle der Funktionen der Buchführung ge-

nannt.5 Die Buchführung soll dem Kaufmann bzw. seinem Handlungsorgan oder gesetzlichen Vertreter jederzeit einen Einblick in die Lage des Unternehmens verschaffen. Sie erleichtert die Kontrolle des Unternehmens und beeinflusst die Entscheidung über den Einsatz von Vermögenswerten. Der Jahresabschluss insgesamt ist eine wesentliche Ist- bzw. Soll-Größe bei der Unternehmensplanung.6 Allerdings ist die Buchführungspflicht kein Zwang des Kaufmanns zur Selbstinformation,7 vielmehr ist die Selbstinformationsfunktion der Buchführung Instrument der Gläubigerschutzfunktion.8 Nur ein hinreichend informierter Kaufmann kann dergestalt über seine Aktiva verfügen, dass er seine Solvenz nicht gefährdet und der Gläubiger die Nichterfüllung seiner Forderungen aufgrund Zahlungsunfähigkeit nicht befürchten muss. 4. Vorlage und Beweiswert der Buchführung

24 Historisch war die Funktion der Buchführungsvorschriften, die frühere besondere Beweiskraft der Buch-

führung als Privileg des Kaufmanns durch Vorgaben an ihre Ausgestaltung abzusichern.9 Allerdings sind nach §§ 258–260 vorzulegende oder zum Beweis herangezogene Handelsbücher im geltenden zivilprozessualen Erkenntnisverfahren nur als Privaturkunden iSd. § 416 ZPO anzusehen. Im Zivilprozess kommt ihnen keine besondere (formelle) Beweiskraft (mehr) zu,10 aber weiterhin – wie §§ 258–260 HGB belegen – ein besonderer Beweiswert.11 Im Zusammenhang mit dem sonstigen Beweisaufnahme- und Verhandlungsergebnis unterliegt ihr Inhalt der freien Beweiswürdigung iSv. § 286 ZPO.12 Hierbei sprechen Handelsbücher, die ordnungsgemäß geführt werden, uU für eine hohe Wahrscheinlichkeit der Korrektheit einzelner Einträge und des Nichtvorliegens von ausweisungspflichtigen, aber nicht ausgewiesenen Vorgängen.13 Jedoch stellen sie keinen prima-facie-Beweis (Beweis des ersten Anscheins) dahingehend dar, dass der Beweis bestimmter widersprechender Tatsachen erforderlich ist, um ihre Glaubwürdigkeit zu erschüttern.14 Im Steuerverfahren kommt einer formell ordnungsmäßigen Buchführung die (widerlegbare) Rechtsvermutung zugunsten der Richtigkeit der Buchführung als Gesamtwerk nach Maßgabe des § 158 AO zu.15 1 Pöschke in Großkomm.5, § 238 HGB Rz. 2; Störk/Lewe in Beck BilKomm.12, § 238 HGB Rz. 90. 2 Kruse, GoB3, 201 ff., 206. 3 So aber Pöschke in Großkomm.5, § 238 HGB Rz. 2, der aus dem Zweck des Gläubigerschutzes eine Festschreibung der statischen Bilanzauffassung im Handelsrecht ableiten will (ebenda, Rz. 3). 4 AA Pöschke in Großkomm.5, § 238 HGB Rz. 2. 5 Zuletzt Hoffmann/Lüdenbach, NWB Kommentar Bilanzierung11, § 238 HGB Rz. 13. 6 BKT, Bilanzen15, 8. 7 AA Leffson, Die GoB7, 55; ebenso ADS6, § 238 HGB Rz. 38: „Verpflichtung des Kaufmanns zur Selbstinformation“. 8 So auch Pöschke in Großkomm.5, § 238 HGB Rz. 3, § 242 HGB Rz. 2: „Gläubigerschutz durch Selbstkontrolle“. 9 Kruse, GoB3, 200. 10 Feskom in Zöller, ZPO33, § 416 Rz. 11. 11 Pöschke in Großkomm.5, § 258 HGB Rz. 1. 12 Merkt in Baumbach/Hopt, HGB39, § 238 Rz. 3; BGH v. 27.8.1986 – 3 StR 223/8, NJW 1987, 965. 13 Merkt in Baumbach/Hopt, HGB39, § 238 Rz. 3. 14 BGH v. 28.10.1954 – IV ZR 122/54, BB 1954, 1044; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB39, § 238 Rz. 3. 15 Näher zu Voraussetzungen und Grenzen der Beweiskraft der Buchführung Seer in Tipke/Kruse, § 158 AO Rz. 2 ff. (Stand Okt. 2017).

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B. Buchführungspflicht (Abs. 1) | Rz. 28 § 238

VI. Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (Abs. 1 Satz 2, 3) 1. GoB als Zentralbegriff und Maßstab der Buchführung Der Kaufmann hat seine Bücher nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) zu führen. 25 Neben der Normierung von Einzelgrundsätzen (s. Rz. 37 ff.) lässt das Gesetz in weiten Teilen offen, welche genauen Maßstäbe an die Buchführung zu stellen sind. Die GoB wurden von Praxis, Rspr. und Wissenschaft entwickelt1 und sind auch heute stetiger Veränderung unterworfen. GoB als Regeln zur buchmäßigen Abbildung der wirtschaftlichen Realität sind planmäßig entwicklungsoffen.2 Auch das System der GoB selbst ist flexibel, so dass die Buchführungspflicht rechtsform- und branchenunabhängig ausgestaltet ist.3 Dem trägt bereits der Aufbau des Dritten Buchs des HGB mit dem Aufbauprinzip vom Allgemeinen zum Besonderen4 Rechnung. Neben den GoB für den Einzelabschluss stehen Grundsätze ordnungsmäßiger Konzernrechnungslegung5 (s. Vor §§ 290–315e Rz. 83 ff.) Die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung iwS umfassen auch die Grundsätze ordnungsmäßiger In- 26 ventur, die Grundsätze ordnungsmäßiger Erfolgsrechnung und die Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung, also auf die Rechnungslegung bezogene GoB.6 Die GoB sind damit ein Zentralbegriff des Rechnungslegungsrechts.7 GoB sind revisibel und unterliegen der revisionsgerichtlichen Kontrolle8 und Fortbildung. Demgegenüber haben Standardisierungsausschüsse keine Kompetenz der rechtlich bindenden Konkretisierung von GoB.9 Auch das DRSC hat nicht den Auftrag (vgl. § 342 Abs. 1 HGB) einer institutionellen Ermittlung direkter GoB für den Einzelabschluss.10 Die Auslegungsvorschläge sachverständiger Gremien können allein aufgrund ihrer fachlichen Überzeugungskraft auf die Ermittlung der GoB einwirken.11 2. Rechtsnatur der GoB Die wichtigsten GoB sind Rechtsnormen12 (zB formelle GoB in §238 Abs. 2, § 243 Abs. 2, § 247 Abs. 1 27 HGB, materielle GoB in § 242 Abs. 1, § 252 Abs. 1 Nr. 1–3, § 253 HGB),13 die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung an sich sind ein unbestimmter Rechtsbegriff.14 Er ist erforderlich, weil kodifizierte Rechtssätze in weiten Bereichen weder ausreichend einzelfallbezogen noch flexibel sein können, um die vielfältigen Formen und Fragen moderner Buchführung hinreichend zu konkretisieren. Der auf rechtsstaatliche Erwägungen gestützten Forderung nach näherer gesetzlicher Konkretisierung und einer Normierung der bilanzrechtlichen Grundbegriffe und Grundtatbestände im HGB15 ist einerseits das Bedürfnis nach entwicklungsoffenen Abbildungsregeln der wirtschaftlichen Realität auch bei technischer, wirtschaftlicher und rechtlicher Weiterentwicklung16 und andererseits die erprobte Möglichkeit der methodisch abgesicherten Gewinnung und Fortentwicklung von GoB entgegenzuhalten. Die Grundform jedes GoB ist stets die „Natur der Sache“17 und die sich daraus entwickelnde Verkehrs- 28 anschauung. Die folgenden Stadien von Handelsbräuchen über Gewohnheitsrecht bis hin zu kodifizier-

1 Zur Entstehungsgeschichte Beisse in GS Knobbe-Keuk, 385 (388 ff.). 2 Zur möglichen Neuinterpretation der GoB durch das BilMoG Fülbier/Gassen, DB 2007, 2605 (2612); Kirsch, StuB 2008, 453; Moxter, WPg. 2009, 7; Stibi/Fuchs, DB 2009, 9 (10). 3 Winnefeld, Bilanz-Handbuch5, Kap. A Rz. 55; differenzierend Ballwieser in FS Budde, 43 (46 ff.). 4 Merkt in Baumbach/Hopt, HGB39, Einl. v. § 238 Rz. 25; Morck/Drüen in Koller/Kindler ua., HGB9, Einl. vor § 238 Rz. 2. 5 Graf in Haufe BilKomm.10, § 238 HGB Rz. 60 ff. 6 Merkt in Baumbach/Hopt, HGB39, § 238 Rz. 12. 7 Beisse in GS Knobbe-Keuk, 385 (386). 8 Moxter, Grundsätze ordnungmäßiger Rechnungslegung, 9 f. 9 Moxter, Grundsätze ordnungmäßiger Rechnungslegung, 10 f.; Pöschke in Großkomm.5, § 238 HGB Rz. 45. 10 Buchholz, Grundzüge des Jahresabschlusses nach HGB und IFRS10, 16 f. 11 Pöschke in Großkomm.5, § 238 HGB Rz. 45 mwN. 12 Moxter, Grundsätze ordnungmäßiger Rechnungslegung, 9 ff. 13 Pöschke in Großkomm.5, § 238 HGB D. 43; Leffson, GoB7, 21 f.; differenzierend Kruse, GoB3, 100. 14 BVerfGE v. 10.10.1961 – 2 BvL 1/59 Rz. 27; BKT, Bilanzen15, 105; Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht9, 43; Pöschke in Großkomm.5, § 238 HGB Rz. 42; Schmidt/Usinger in Beck BilKomm.12, § 243 HGB Rz. 12; näher und differenzierend Kruse, GoB3, 6 f., 104 ff.; aA Großfeld/Luttermann, Bilanzrecht4, Rz. 62, nach deren Ansicht „der Gedanke vom unbestimmten Rechtsbegriff abwegig ist“, weil „Rechnungslegung ... auf getreue Rechenschaft (ziele)“. 15 Weber-Grellet, DB 2016, 1279 (1283), der vorzugsweise für eine Normierung im Steuerrecht unter Aufgabe des Maßgeblichkeitsgrundsatzes (s. Rz. 3) plädiert. 16 Marx, FR 2016, 389 (392). 17 Ausführlich Kruse, GoB3, 88 ff.

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§ 238 Rz. 28 | Buchführungspflicht tem Recht können die GoB durchlaufen, müssen es aber nicht zwingend. Die Entwicklung ist dabei ergebnisoffen, sie können sowohl erstarken als sich auch im Laufe der Zeit überholen.1 Veränderungen oder Neuerungen der abzubildenden wirtschaftlichen Realität können den Entwicklungsprozess (erneut) in Gang setzen. 29 Insgesamt lässt sich daraus ableiten, dass die Buchführung ordnungsgemäß ist, wenn sie den gesetzlichen

Vorschriften, dem Gewohnheitsrecht und mangels solcher der Verkehrsanschauung und der Natur der Sache entspricht. Die Rspr. hat dieses Prinzip durch die Formulierung angenommen, dass die Buchführung dann ordnungsgemäß sei, wenn sie den Vorschriften des Gesetzes und den allg. Regeln einer kaufmännischen Buchführung entspreche.2 Die durch das BiRiLiG erfolgte Kodifizierung zahlreicher GoB hat die Problematik entschärft,3 macht allerdings die Herleitung der GoB aus anderem Rechtsgrund im offenen4 und entwicklungsoffenen System der GoB5 nicht obsolet. Dank der gesetzlichen Fixierungen konnte der interpretationsbedürftige Rechtsraum zumindest einengt werden. Zur Auslegung der gesetzlichen Regelungen ist jedoch auf die allgemeinen Grundsätze zurückzugreifen. Dabei sind kollidierende Prinzipien schonend auszugleichen.6

30 Im Rahmen der Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs der GoB werden im Schrifttum zur Ge-

winnung der GoB traditionell die deduktive und die induktive Methode unterschieden.7 Nach der induktiven Methode werden die GoB vorrangig empirisch, also auf Grundlage der Ansichten der Kaufleute, ermittelt.8 Diese Methode wird heute weitgehend abgelehnt,9 weil es Kaufleuten an der Normsetzungskompetenz sowie an der erforderlichen Neutralität in Bilanzfragen fehlt und sich darüber hinaus die von ordentlichen und ehrenwerten Kaufleuten vertretenen Ansichten nur schwer bestimmen lassen.10 Entsprechend der deduktiven Methode11 sind die GoB nicht durch Beobachtung (empirisch), sondern deduktiv, also im Wege des Nachdenkens zu ermitteln.12 Maßgeblich sind die Zwecke des Jahresabschlusses.13 Zum Teil werden die Metazwecke der Bilanzwahrheit und Bilanzklarheit herangezogen, die indes zu abstrakt sind, um aus ihnen konkreten Buchführungs- und Bilanzregeln ableiten zu können.14 Bei der deduktiven Methode lässt sich die betriebswirtschaftliche und die handelsrechtliche deduktive Methode unterscheiden.15 Die Aussagekraft beider Spielarten der deduktiven Methoden leidet daran, dass weder ein betriebswirtschaftlich theoretisch eindeutiges, allgemein anerkanntes Zwecksystem noch ein eindeutiger primärer Jahresabschlusszweck als Deduktionsgrund gelegt werden kann.16 Zum Teil werden induktive und deduktive als sich ergänzende Methoden im Entwicklungsprozess von GoB verstanden, wobei die induktive im Konfliktfall der deduktiven weichen müsse.17

31 Da die Konkretisierung von GoB ein Verfahren der Rechtsfindung und Rechtsanwendung ist,18 lässt sich die

Gewinnung und Ausfüllung der GoB nicht von der Gesetzesauslegung trennen.19 Nach der (neueren) hermeneutischen Methode werden GoB unter Heranziehung der üblichen Normauslegungsmethoden ermittelt.20 Hierdurch kann eine ganzheitliche Auslegung der handelsrechtlichen Bilanzierungsvorschriften unter Berücksichtigung von Wortlaut, Bedeutungszusammenhang, historischer Entstehungsgeschichte, subjektiven Ansichten des Gesetzgebers, objektiv-teleologischen bzw. betriebswirtschaftlichen Aspekten und Lehrmei1 Drüen in Tipke/Kruse, § 145 AO Rz. 7 (Stand Okt. 2010); zu einer Rechtsfortbildung durch GoB Beisse in GS Knobbe-Keuk, 385 (402 f.). 2 BFH v. 25.4.1978 – VIII R 96/75, BStBl. II 1978, 525; v. 6.12.1983 – VIII R 110/79, BStBl. II 1984, 227 (229). 3 Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht9, 42. 4 Demgegenüber betonen Bieg/Waschbusch in Beck HdR, A 100 Rz. 56 (Stand Mai 2010), dass die GoB ieS. ein geschlossenes System bilden, indem sich die einzelnen Grundsätze nicht widersprechen, sondern ergänzen. 5 Reddig in Kirchhof, EStG19, § 5 Rz. 43; Marx, FR 2016, 389 (392). 6 Pöschke in Großkomm.5, § 238 HGB Rz. 44a. 7 BKT, Bilanzen15, 107. 8 Graf in MünchKomm. BilR, § 238 HGB Rz. 51; BKT, Bilanzen15, 107. 9 Reddig in Kirchhof, EStG19, § 5 Rz. 39 f. 10 BKT, Bilanzen15, 107. 11 Grundlegend Leffson, Die GoB7, 28 ff. 12 Graf in MünchKomm. BilR, § 238 HGB Rz. 52. 13 BKT, Bilanzen15, 107 f. 14 AA Großfeld/Luttermann, Bilanzrecht4, Rz. 62: „Bilanzwahrheit und Bilanzklarheit sind materiell die GoB; aus ihnen sind alle Buchführungs- und Bilanzregeln abzuleiten“. 15 Vgl. im Einzelnen Graf in MünchKomm. BilR, § 238 HGB Rz. 52. 16 BKT, Bilanzen15, 107 f. 17 Schmidt/Usinger in Beck BilKomm.12, § 243 HGB Rz. 17; Pöschke in Großkomm.5, § 238 HGB Rz. 44. 18 Reddig in Kirchhof, EStG19, § 5 Rz. 42; Pöschke in Großkomm.5, § 238 HGB Rz. 43. 19 Zuletzt Marx, FR 2016, 389 (392) mwN. 20 Graf in MünchKomm. BilR, § 238 HGB Rz. 53.

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B. Buchführungspflicht (Abs. 1) | Rz. 36 § 238

nungen1 und Verfassungsbestimmungen erreicht werden.2 Darüber hinaus werden im Rahmen der hermeneutischen Methode auch die Methoden der Induktion sowie der betriebswirtschaftlichen Deduktion berücksichtigt.3 Somit gewährleistet die hermeneutische Methode eine intersubjektiv nachprüfbare, ausgewogene und ganzheitliche Ermittlung von GoB.4 Gleichwohl gibt es auch Kritik an der hermeneutischen Methode und insgesamt keine allseits akzeptierte Methode zur Ermittlung der GoB.5 International anerkannte Rechnungslegungsstandards verfolgen gegenüber den prinzipienorientierten 32 deutschen GoB ein Rahmenkonzept, das den Anspruch erhebt, die Grundsätze für die Aufstellung und die Darstellung des Jahresabschlusses möglichst vollständig wiederzugeben.6 Die innerhalb dieses Rahmens schriftlich niedergelegten Grundsätze der Bilanzierung7 entsprechen nicht ohne weiteres deutschen GoB.8 Bei einer reinen IAS/IFRS-Buchführung sind damit technisch Anpassungsbuchungen zur Erfüllung der gesetzlichen Pflichten erforderlich.9 Im offenen System der GoB können IAS/IFRS-Rechnungslegungsstandards zumindest als Auslegungs“anregung“ für GoB dienen.10 3. Anforderungen an Buchführung und Aufzeichnungen (Abs. 1 Satz 2, 3) a) Allgemeines § 238 Abs. 1 HGB schreibt kein bestimmtes Buchführungssystem vor,11 sondern fixiert nur abstrakt den 33 Rahmen, in dem sich das Buchführungssystem und die Aufzeichnungen bewegen müssen. Innerhalb dieser Grenzen kann der Kaufmann die ihm nach seinen Verhältnissen als geeignet erscheinende Buchführungsform (gebunden, Loseblatt oder offene Posten) und Buchführungstechnik (von Hand, per Buchungsmaschine oder mittels EDV) frei wählen. Ebenso wenig trifft § 238 Abs. 1 HGB selbst eine Aussage in Bezug auf die Buchführungsart (einfache, dop- 34 pelte oder kameralistische Buchführung).12 Den Erfordernissen der §§ 238 ff. HGB wird allerdings grds. nur eine doppelte Buchführung gerecht.13 So ist im System der einfachen Buchführung die Ableitung der nach § 242 Abs. 2 HGB vorgeschriebenen GuV-Rechnung nur mittels umständlicher Nebenrechnungen möglich.14 Mit Einführung von §§ 241a, 242 Abs. 4 HGB hat der Gesetzgeber verdeutlicht, dass eine Befreiung von den als Einheit verstandenen Buchführungs- und Jahresabschlusspflichten nur in den normierten Fällen vorgesehen ist. Darum muss die Buchführung als tatsächliche Vorstufe und Grundlage von Bilanz und GuV „jahresabschlusstauglich“ sein. Im System der doppelten Buchführung wird jeder Geschäftsvorfall zweifach verzeichnet, einmal als Haben 35 und einmal als Soll-Buchung, sog. Doppik. Der Vorteil der doppelten Buchführung gegenüber einer nur einfachen Buchführung besteht in der Kontrollmechanik der doppelten Aufzeichnung, weil die Summe der Soll- und die Summe der Habenbuchungen sich entsprechen müssen. Durch Abschluss dieser (Bestandsund Erfolgs-)Konten werden die erfassten Geschäftsvorfälle des Wirtschaftsjahres dann zur Bilanz und GuV-Rechnung komprimiert.15 Der Kontenrahmen als Grundlage der Verbuchung muss mit den Gliederungsanforderungen des Gesetzes 36 für die Bilanz und die GuV-Rechnung in Einklang stehen, gesetzliche Vorgaben gibt es nicht. Der Kontenrahmen muss jedoch zu dem anfallenden Buchungsmaterial angemessen sein. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15

Marx, FR 2016, 389 (392) betont zu Recht die erforderliche Kooperation von „Rechtswissenschaft und Ökonomie“. BKT, Bilanzen15, 109. BKT, Bilanzen15, 112. BKT, Bilanzen15, 111 ff., mwN zu weiteren Modellen für GoB-Systeme. ADS6, § 243 HGB Rz. 19a f.; Schmidt/Usinger in Beck BilKomm.12, § 243 HGB Rz. 18. Wawrzinek/Lübbig in Beck'sches IFRS-Handbuch5, § 2 Rz. 17. Dazu Heuser/Theile, IFRS-Handbuch6, Kap. 2 Rz. 2.25, Kap. 6 Rz. 6.8. Helmschrott/Buhleier, WPg. 1997, 11; Moxter, WPg. 2009, 7. Kuhn in FS Beisse, 299 (303 ff.). Ähnlich Kirsch, StuB 2008, 453 (459); kritisch Moxter, WPg. 2009, 7 (12). ADS6, § 239 HGB Rz. 5; Pöschke in Großkomm.5, § 239 HGB Rz. 6; Quick/Wolz in BKT, Bilanzrecht, § 238 HGB Rz. 33 (Stand Jan. 2020). Zu den einzelnen Buchführungssystemen Quick/Wolz in BKT, Bilanzrecht, § 238 HGB Rz. 34 ff. (Stand Jan. 2020); Störk/Lewe in Beck BilKomm.12, § 238 HGB Rz. 118 ff. ADS6; § 242 HGB Rz. 39; Haas/Kersting in Baumbach/Hueck, GmbHG22, § 41 Rz. 9; zu den Erfordernissen, unter denen eine kameralistische Buchführung nach § 238 Abs. 1 HGB genügt, Drüen in Tipke/Kruse, § 145 AO Rz. 18 (Stand Okt. 2010). Böcking/Gros/Wirthin in Ebenroth/Boujong ua., HGB4, § 238 Rz. 24; Winnefeld, Bilanz-Handbuch5, Kap. A Rz. 714; zur Frage der rechtlichen Notwendigkeit einer doppelten Buchführung Pöschke in Großkomm.5, § 239 HGB Rz. 7. Quick/Wolz in BKT, Bilanzrecht, § 238 HGB Rz. 34 (Stand Jan. 2020).

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§ 238 Rz. 37 | Buchführungspflicht b) Formelle und materielle Ordnungsmäßigkeit der Buchführung 37 Formell ist die Buchführung ordnungsmäßig, wenn sie in ihrer Form den handelsrechtlichen Vorschriften

entspricht, sie inhaltlich so beschaffen ist, dass jederzeit ein Abschluss aus ihr erstellt werden kann und für alle Buchungen einwandfreie Belege vorliegen. Materiell ordnungsmäßig ist die Buchführung, wenn sämtliche Geschäftsvorfälle in ihrer Auswirkung auf Gewinn und Verlust vollständig und richtig verbucht wurden.

c) Überschaubarkeit für sachverständige Dritte (Abs. 1 Satz 2) 38 § 238 Abs. 1 Satz 2 HGB konkretisiert die GoB dadurch, dass die Buchführung so beschaffen sein muss, dass

sie „einem sachverständigen Dritten innerhalb angemessener Zeit einen Überblick über die Geschäftsvorfälle und über die Lage des Unternehmens vermitteln kann“.

39 Da die Buchführungspflicht keinen Selbstzweck verfolgt (s. Rz. 21), müssen Bücher und Aufzeichnungen

überprüfbar sein. Die Belege müssen daher zumindest so geordnet sein, dass eine Systematik erkennbar ist. Maßstab ist der „sachverständige Dritte“, damit kein Laie, sondern zB Buchhalter, Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer und Steuerberater.1 Sachkunde ist nicht allein aufgrund handels- oder steuerrechtlicher Kenntnisse anzunehmen.2

40 Der Umfang der Sachkunde des Dritten sowie Art und Umfang der Bücher und Aufzeichnungen determi-

nieren die Angemessenheit der Frist, in der sich dieser den notwendigen Überblick verschaffen kann. Ein Überblick kann jedenfalls nicht in angemessener Zeit vermittelt werden, wenn zeitintensive Vorbereitungshandlungen oder weitere Auskünfte des Buchführungspflichtigen der Überprüfbarkeit zwingend vorgeschaltet sind.3 Sachverstand des Dritten wird nicht in Bezug auf den Gewerbezweig vorausgesetzt. Insoweit ist es ausreichend, wenn ein in dieser Hinsicht Sachverständiger fachspezifische Angaben erläutern kann.4 d) Verfolgbarkeit der Geschäftsvorfälle (Abs. 1 Satz 3)

41 Neben einem Überblick über die Geschäftsvorfälle muss die ordnungsmäßige Buchführung auch gewährleis-

ten, dass sich die Geschäftsvorfälle „in ihrer Entstehung und Abwicklung verfolgen lassen“ (§ 238 Abs. 1 Satz 3 HGB). Der Zusammenhang zwischen Buchung und Beleg muss deutlich werden (Belegprinzip). Der Beleg ist der Nachweis der Identität des geschäftlichen Vorfalls mit der Buchung. Diese Identität muss innerhalb eines schlüssig nachvollziehbaren Systems für alle Geschäftsvorfälle sichergestellt werden.5 Der Beleg als Verbindungsglied von Geschäftsvorfall und Buchführung muss dabei den Geschäftsvorfall entweder selbst angeben oder auf die entsprechenden Geschäftsunterlagen verweisen.6 Darüber hinaus ist festzuhalten, wer auf Seiten des Buchführungspflichtigen entschieden hat, dass es sich um einen aufzeichnungspflichtigen Geschäftsvorfall handelt.7

42 Wird das Rechnungswesen auf EDV-Anlagen verarbeitet, so kann die Belegfunktion nicht mit einem Stück

Papier hergestellt werden. An die Stelle des schriftlichen Einzelbelegs treten die EDV-Listungen oder Dauerbelege. Grundsätzlich ergeben sich aus einer EDV-Buchführung keine Besonderheiten, weil das Buchführungssystem vom Kaufmann frei wählbar ist. Allerdings muss insbes. die Ordnungsmäßigkeit durch Belege dem Grad einer manuellen Buchführung entsprechen.8 So muss jeder Geschäftsvorfall bis zum (elektronischen) Ursprungsbeleg lückenlos verfolgbar sein.9 Der Buchführungspflichtige hat alle erforderlichen Unterlagen zu erstellen, um einem sachverständigen Dritten die Prüfung dieses Zusammenhangs zu ermöglichen. Die Art der zusätzlichen Belege (Disketten, CD-ROMs, DVDs, Mikrofilme etc.) werden durch die Art der EDV-Buchführung bestimmt.10 Dabei ist zu beachten, dass ein gesteigerter Grad der Verschlüsselung der EDV-Buchführung auch gesteigerte Anforderungen an das Belegprinzip stellt. Insbesondere Datenflusspläne oder Protokolle müssen den genauen Verarbeitungsverlauf wiedergeben können. Im Fall einer Buchführung mittels individueller EDV erstrecken sich die Aufbewahrungspflicht und Verfahrensdokumentation insbes. auch auf den Bereich der Softwareentwicklung. 1 Störk/Lewe in Beck BilKomm.12, § 238 HGB Rz. 100 f.; kritisch ADS6, § 238 HGB Rz. 45. 2 Ebenso Pöschke in Großkomm.5, § 238 HGB Rz. 58. 3 Quick/Wolz in BKT, Bilanzrecht, § 238 HGB Rz. 32 (Stand Jan. 2020); Störk/Lewe in Beck BilKomm.12, § 238 HGB Rz. 102. 4 Drüen in Tipke/Kruse, § 145 AO Rz. 22 (Stand Okt. 2010). 5 ADS6, § 238 HGB Rz. 33a. 6 Pöschke in Großkomm.5, § 238 HGB Rz. 59. 7 ADS6, § 238 HGB Rz. 34. 8 IDW RS FAIT 1, WPg. 2002, 1157 (1160). 9 Schuppenhauer, WPg. 2000, 128 (129 ff.). 10 ADS6, § 239 HGB Rz. 55.

12 | Drüen

C. Dokumentation und Aufbewahrung von Briefkopien (Abs. 2) | Rz. 46 § 238

Detaillierte Anforderungen enthalten die vom BMF als Verwaltungsanweisung veröffentlichten Grundsätze 43 zur ordnungsgemäßen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (GoBD)1 und die IDW-Stellungnahmen zu GoB bei Einsatz von EDV.2 Das Fehlen dieser präzisierten Voraussetzungen führt jedoch nicht notwendig zur Nicht-Ordnungsmäßigkeit der Buchführung.3 Da es sich bei den GoBD lediglich um von der Finanzverwaltung abgeleitete Grundsätze handelt,4 ist die Buchführung auch weiterhin an den generellen GoB zu messen.5 Nur soweit diese „Auslegungsvorschläge“6 die allgemeinen GoB für die speziellen Anforderungen EDV-gestützter Buchführung bereichsspezifisch konkretisieren, sind sie als GoB anzusehen und verbindlich.7 Eine andere Frage ist, ob steuerrechtlich eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen in Betracht kommt, wenn die GoBD nicht beachtet wurden (s. § 239 Rz. 32).

C. Dokumentation und Aufbewahrung von Briefkopien (Abs. 2) Die Dokumentationspflicht ist ein Teilaspekt des Belegprinzips und wird in § 238 Abs. 2 HGB konkreti- 44 siert. Der Kaufmann ist verpflichtet, Kopien der abgesandten Handelsbriefe zurückzubehalten. Handelsbriefe sind nur Schriftstücke, die ein Handelsgeschäft betreffen (§ 257 Abs. 2 HGB). Sie müssen darüber hinaus rechtsverbindliche Erklärungen enthalten, die der Kaufmann nach außen hin abgegeben hat.8 Inhalt des Briefs muss die Vorbereitung, Durchführung oder Rückgängigmachung eines Handelsgeschäfts sein.9 Aufzubewahren sind insbes. Verträge oder Vertragsangebote, Aufträge, Auftragsbestätigungen, Lieferscheine, Frachtbriefe, Rechnungen, Reklamationen samt Stellungnahmen, Gutschriften, Zahlungsbelege, Überweisungsträger, Kontoauszüge und -abschlüsse und Barquittungen.10 Rechtlich nicht verpflichtende schriftliche Erklärungen zu Handelsgeschäften des Kaufmanns sind gleichfalls zu dokumentieren, soweit sie zu Handelsgeschäften führen können.11 Ausgehende Korrespondenz ist ungeachtet der Form (Kopie, zweiter Ausdruck, gespeicherte Datei) auf- 45 zubewahren.12 Im Gegensatz zum Steuerrecht (§ 147 Abs. 2 AO) verlangt das HGB keine dauerhafte Reproduzierbarkeit, um den Einsatz von elektronischen Speichermedien zu ermöglichen.13 Das Aufbewahren unmittelbar lesbarer Kopien ist nicht erforderlich, es genügt das Festhalten auf einem dauerhaften Datenträger (§ 257 Abs. 3 Satz 1 HGB). „Briefe“ sind nicht nur Briefe im herkömmlichen Sinne, sondern auch Fernschreiben, Telefaxe, Telegramme, E-Mails14 und andere durch Datenfernübertragung übersendete Nachrichten. § 238 Abs. 2 HGB fordert nur die vollinhaltliche Wiedergabe15 abgesandter Handelsbriefe. Diktate, Tonbänder und Stenographie-Blöcke sind als Vorstufe ebenso wenig aufzubewahren wie Vorlagen oder Entwürfe des Handelsbriefs. Die Aufbewahrungsfrist für abgesandte Handelsbriefe beträgt nach § 257 Abs. 4 HGB sechs Jahre, die Frist 46 beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Brief abgesandt wurde (§ 257 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 und 5 HGB). Darüber hinaus besteht eine steuerliche Aufbewahrungspflicht mindestens solange und soweit die Unterlagen für die Besteuerung von Bedeutung sind (§ 147 Abs. 3 Satz 2 AO) und die reguläre Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen ist.

1 BMF v. 14.11.2014 – IV A 4 - S 0316/13/10003 – DOK 2014/0353090, BStBl. I 2014, 1450; neugefasst durch BMF v. 28.11.2019 – IV A 4 - S 0316/19/10003:001, FMNR520000019, BStBl. I 2019, 1269; zuvor Grundsätze ordnungsmäßiger DV-gestützter Buchführungssysteme (GoBS): AVW, GoBS und Qualitätssicherung gemäß DIN EN ISO 9001, 1999; BMF v. 7.11.1995 – IV A 8 - S 0316 – 52/95, BStBl. I 1995, 738. 2 IDW RS FAIT 1, WPg. 2002, 1157; IDW RS FAIT 2, WPg. 2003, 1258; IDW RS FAIT 3, WPg. 2006, 1465. 3 AA Claussen in Kölner Komm. AktG3, § 238 HGB Rz. 21. 4 Zur Kritik an den GoBD Störk/Lewe in Beck BilKomm.12, § 239 HGB Rz. 24 mwN. 5 Drüen in Tipke/Kruse, § 145 AO Rz. 35 (Stand Okt. 2010). 6 Allgemein Pöschke in Großkomm.5, § 238 HGB Rz. 45. 7 Störk/Lewe in Beck BilKomm.12, § 239 HGB Rz. 25 mwN zu den Verlautbarungen des Fachausschusses für Informationstechnologie (FAIT). 8 Pöschke in Großkomm.5, § 257 HGB Rz. 23. 9 Störk/Philipps in Beck BilKomm.12, § 257 HGB Rz. 15. 10 Seiler, NJW-CoR 1999, 166 (168); ähnlich Störk/Lewe in Beck BilKomm.12, § 238 HGB Rz. 141. 11 Mit Einschränkungen Höllig, DB 1965, 1061 (1062). 12 Seiler, NJW-CoR 1999, 166 (169). 13 Pöschke in Großkomm.5, § 238 HGB Rz. 63; Schulze-Osterloh, WM 1977, 606; dazu auch IDW RS FAIT 3, WPg. 2006, 1465. 14 Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 257 Rz. 12; Störk/Lewe in Beck BilKomm.12, § 238 HGB Rz. 141. 15 ADS6, § 238 HGB Rz. 67.

Drüen | 13

§ 238 Rz. 47 | Buchführungspflicht

D. Folgen einer Verletzung der Buchführungspflicht 47 Die Verletzung der Buchführungspflicht kann im Einzelfall strafrechtliche1 Insolvenzdelikte (§§ 283–283b

StGB) erfüllen2 oder Kreditbetrug (§ 265b StGB) sein.3 Eine Strafbarkeit liegt nicht vor, wenn die Buchführung oder Bilanzierung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist.4 Eine unrichtige Darstellung führt uU zu einer Strafbarkeit nach § 331 HGB.5 Dabei führt nicht jede Verletzung von Rechnungslegungsvorschriften zugleich zu einer Verletzung des § 331 HGB, weil dieser voraussetzt, dass Interessen der Gläubiger, der Arbeitnehmer oder der Gesellschafter betroffen sind und das Vertrauen auf die Richtigkeit der dargestellten wirtschaftlichen Verhältnisse des Unternehmens enttäuscht wird.6 Im Innenverhältnis führt die Verletzung der Buchführungspflicht durch den Geschäftsführer (§ 43 Abs. 2 GmbHG) bzw. Vorstand (§ 93 Abs. 2 AktG) zu einer schadensersatzrelevanten Pflichtverletzung gegenüber denjenigen, deren vermögensrechtliche Interessen sie wahrnehmen,7 nicht jedoch gegenüber Dritten. In besonders gelagerten Fällen kann eine Missachtung der GoB die Nichtigkeit des Jahresabschlusses zur Folge haben.8 Nach § 335 HGB kann bei Verletzung der Pflichten zur Offenlegung ein Zwangsgeld festgesetzt werden. Schließlich ziehen Verletzungen der Buchführungspflicht auch steuerrechtliche Folgen nach sich. Neben der (partiellen) Verwerfung der Buchführung und Hinzuschätzungen des Gewinns (§§ 158, 162 AO) kommen Zwangsmittel in Betracht (§ 328 AO) und bestimmte Ordnungswidrigkeiten können mit einem Bußgeld geahndet werden (§§ 378, 379 AO).9

§ 239 Führung der Handelsbücher (1) 1Bei der Führung der Handelsbücher und bei den sonst erforderlichen Aufzeichnungen hat sich der Kaufmann einer lebenden Sprache zu bedienen. 2Werden Abkürzungen, Ziffern, Buchstaben oder Symbole verwendet, muss im Einzelfall deren Bedeutung eindeutig festliegen. (2) Die Eintragungen in Büchern und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen müssen vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorgenommen werden. (3) 1Eine Eintragung oder eine Aufzeichnung darf nicht in einer Weise verändert werden, dass der ursprüngliche Inhalt nicht mehr feststellbar ist. 2Auch solche Veränderungen dürfen nicht vorgenommen werden, deren Beschaffenheit es ungewiss lässt, ob sie ursprünglich oder erst später gemacht worden sind. (4) 1Die Handelsbücher und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen können auch in der geordneten Ablage von Belegen bestehen oder auf Datenträgern geführt werden, soweit diese Formen der Buchführung einschließlich des dabei angewandten Verfahrens den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entsprechen. 2Bei der Führung der Handelsbücher und der sonst erforderlichen Aufzeichnungen auf Datenträgern muss insbesondere sichergestellt sein, dass die Daten während der Dauer der Aufbewahrungsfrist verfügbar sind und jederzeit innerhalb angemessener Frist lesbar gemacht werden können. 3Absätze 1 bis 3 gelten sinngemäß. A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bedeutung und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 2

III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3 4

1 Zu zivilrechtlichen Schadenersatzpflichten näher Pöschke in Großkomm.5, § 238 HGB Rz. 67. 2 Vgl. BGH v. 15.7.1981 – 3 StR 230/81, BGHSt 30, 186; v. 20.10.2011 – 1 StR 354/11, NStZ 2012, 511; Pöschke in Großkomm.5, § 238 HGB Rz. 65 ff.; eingehend Blumers, Bilanzierungstatbestände und Bilanzierungsfristen im Handelsrecht und Strafrecht, 1983. 3 Zu weiteren Straftatbeständen, die bei Verletzung der Buchführungspflicht erfüllt sein können, Maul, Handelsrechtliche Rechnungslegung, 1978, 19. 4 BGH v. 20.10.2011 – 1 StR 354/11, NStZ 2012, 511; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB39, § 238 Rz. 19. 5 Zu bußgeldbewerten Ordnungswidrigkeiten vgl. § 334 HGB; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB39, § 238 Rz. 19. 6 BGH v. 16.5.2017 – 1 StR 306/16, NStZ 2018, 540 Rz. 38 zur unzutreffenden Buchung von Eigenkapital. 7 Fleischer, WM 2006, 2021 (2025 ff.); Quick/Wolz in BKT, Bilanzrecht, § 238 HGB Rz. 61 (Stand Jan. 2020); Merkt in Baumbach/Hopt, HGB39, § 238 Rz. 20; BGH v. 9.5.1974 – II ZR 50/72, NJW 1974, 1468; v. 8.7.1985 – II ZR 198/84, NJW 1986, 55. 8 Merkt in Baumbach/Hopt, HGB39, § 238 Rz. 20. 9 ADS6, § 238 HGB Rz. 62; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB39, § 238 Rz. 22.

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A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 2 § 239 B. Allgemeine Anforderungen an die Buchführung (Abs. 1) I. Handelsbücher (Abs. 1 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . II. Führung in lebender Sprache (Abs. 1 Satz 1) . . . III. Verwendung von Abkürzungen, Ziffern, Buchstaben oder Symbolen (Abs. 1 Satz 2) . . . . . . . . C. Qualitative Anforderungen an die Buchführung (Abs. 2) I. Allgemeines (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Grundsatz der Wahrheit (Abs. 2) . . . . . . . . . . . III. Grundsatz der Klarheit (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . IV. Grundsatz der zeitgerechten und geordneten Verbuchung (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5 6 9 12 13 16 19

D. Unveränderlichkeit der Eintragungen und Aufzeichnungen (Abs. 3) I. Feststellbarkeit des ursprünglichen Inhalts (Abs. 3 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Feststellbarkeit der zeitlichen Abfolge der Eintragungen (Abs. 3 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Loseblatt-, Offene-Posten- und EDV-Buchführung (Abs. 4) I. Form der Buchführung (Abs. 4 Satz 1) 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Loseblattbuchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Offene-Posten-Buchführung . . . . . . . . . . . . 4. EDV-Buchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verfügbarkeit und Lesbarkeit (Abs. 4 Satz 2) . . F. Ort der Buchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23 28

29 30 31 32 33 34

Literatur: Offerhaus, Die neuen handelsrechtlichen Buchführungsvorschriften, BB 1976, 1622; Biener, Die Neufassung handelsrechtlicher Buchführungsvorschriften, DB 1977, 527; Schulze-Osterloh, Die neuen handels- und steuerrechtlichen Buchführungsvorschriften nach dem 1. WiKG und dem EGAO 1977 sowie nach der AO 1977, WM 1977, 606; Schuppenhauer, EDV-Buchführung im Ausland, Wpg. 1984, 514; Kammerl, Vollständige und richtige Aufzeichnungen nach § 239 Abs. 2 HGB und die Organisation der Geschäftstätigkeit, DB 1991, 2352; Schmidt, Möglichkeiten der Führung und Aufbewahrung von Buchführungsunterlagen inländischer Gesellschaften im Ausland, StuB 1999, 689; Schuppenhauer, Grundsätze ordnungsmäßiger Datenverarbeitung im Rechnungswesen (GoDV 2000), Wpg. 2000, 128; Budde/Steuber, Die verfassungsrechtlichen Grundsätze der Bestimmtheit sowie der Klarheit und die Rechnungslegung nach HGB, in Beisse (Hrsg.), Deutsches Bilanzrecht – in der Krise oder im Aufbruch?, 2001, 57; Goldshteyn/Thelen, Ordnungsmäßigkeit einer Buchführung und Haftungsrisiken bei Verstößen gegen die GoBD, DB 2015, 1126; Herrfurth, Die neuen GoBD zur DV-gestützten Buchführung und zum Datenzugriff, StuB 2015, 250; Roderburg/Richter, Verlagerung der elektronischen Buchführung ins Ausland, IStR 2016, 456; Hafner, Neue GoBD: Kommt jetzt die Finanzverwaltung 4.0?, BB 2020, 363; Henn, Die GoBD 2019 (GoBD 2.0) – ein sinnvolles Update?, DB 2019, 1816; Schütte/Götz, GoBD 2019 – Eine Übersicht über die wesentlichen Neuerungen, DStR 2020, 90.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand Handelsbücher sind dazu bestimmt, die Handelsgeschäfte und die Lage des Vermögens der Gesellschaft er- 1 sichtlich zu machen. § 239 HGB umschreibt, wie die Handelsbücher beschaffen sein sollen und zu führen sind und konkretisiert damit die in § 238 HGB aufgestellten Grundsätze.1

II. Bedeutung und Zweck Die Beschränkungen nach § 239 Abs. 1 HGB (Sprache und Zeichen), die Mindestanforderungen an die Auf- 2 zeichnungen und Buchungen nach § 239 Abs. 2 HGB, das Veränderungsverbot nach § 239 Abs. 3 HGB sowie letztlich die Beschränkung nach § 239 Abs. 4 HGB auf mit den GoB entsprechenden Formen der Buchführung dienen der Konkretisierung der Vorgaben von § 238 HGB.2 § 239 HGB bezweckt neben dieser Konkretisierung auch einen sachgerechten Ausgleich von Buchführungspflichten und wirtschaftlichen Interessen der kaufmännischen Praxis, um Effizienz und Rationalisierung der Buchführung zu gewährleisten.3 Da die Buchführung kein Selbstzweck ist (s. § 238 Rz. 5), sollen die gesetzlichen Vorschriften über die Ausgestaltung der Buchführung einen Rahmen schaffen, innerhalb dessen die Buchführungszwecke (s. § 238 Rz. 20 ff.) für den Kaufmann unter zumutbaren Buchführungslasten erfüllbar sind.

1 Störk/Lewe in Beck BilKomm.12, § 239 HGB Rz. 1; Pöschke in Großkomm.5, § 239 HGB Rz. 1. 2 Pöschke in Großkomm.5, § 239 HGB Rz. 1. 3 Vgl. Bieg/Waschbusch in Beck HdR, A 100 Rz. 100 (Grundsatz der Wirtschaftlichkeit) (Stand März 2020); Pöschke in Großkomm.5, § 239 HGB Rz. 1.

Drüen | 15

§ 239 Rz. 3 | Führung der Handelsbücher

III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 3 § 239 HGB baut konkretisierend auf der Grundnorm des § 238 HGB auf (s. Rz. 1). Die Rechtsfolgen eines

Verstoßes gegen § 239 HGB1 entsprechen denen bei Verstoß gegen § 238 HGB (s. § 238 Rz. 46). § 239 HGB entspricht weitgehend inhaltlich den steuerrechtlichen Ordnungsvorgaben des § 146 Abs. 1, 3–5 AO. Allerdings verlangt § 146 Abs. 5 Satz 3 AO für das Steuerrecht weitergehend die maschinelle Auswertbarkeit im Rahmen der Außenprüfung.2 § 239 HGB wird als handelsrechtliche Ordnungsvorschrift nicht von internationalen Rechnungslegungsstandards überlagert, weil diese gerade keine Ordnungsvorgaben für die Buchführung enthalten.

IV. Rechtsentwicklung 4 § 239 HGB entspricht § 43 HGB aF3 Seit dem EGAO 19774 beschränkt sich das Gesetz auf eine Umschrei-

bung der Anforderungen in inhaltlicher Hinsicht durch § 239 Abs. 2 HGB und normiert ausdrücklich die Zulässigkeit von Handelsbüchern als geordnete Ablage von Belegen und von EDV-Buchführung nach § 239 Abs. 4 HGB.5 Gerade durch die Eröffnung maschinen- und EDV-gestützter Buchführung bringt das Gesetz den vom Gesetzgeber verfolgten Rationalisierungszweck6 (s. Rz. 2) zum Ausdruck.

B. Allgemeine Anforderungen an die Buchführung (Abs. 1) I. Handelsbücher (Abs. 1 Satz 1) 5 Handelsbücher sind die Grund- und Hauptbücher sowie, falls erforderlich, Nebenbücher (Hilfsbücher).7

Das Grundbuch (Journal, Memorial oder Primanota) nimmt die aufgezeichneten Geschäftsvorfälle in ihrer zeitlichen Reihenfolge anhand von Belegen auf. Diese Buchungen werden in dem Hauptbuch nach sachgerechten Kategorien auf Sachkonten verteilt. Nebenbücher (oder Hilfsbücher) dienen dazu, bestimmte Geschäftsvorfälle zu sammeln und regelmäßig auf ein entsprechendes Sachkonto des Hauptbuchs zu übertragen. Sie sind immer dann zu führen, wenn die Fülle des Buchungsstoffs dazu führt, dass die Aufzeichnungen in den Hauptbüchern unübersichtlich werden. Die Gesamtheit aller Handelsbücher unterliegt der Richtigkeits- und Aufbewahrungspflicht. Handelsbücher sind Urkunden iSd. § 267 StGB.

II. Führung in lebender Sprache (Abs. 1 Satz 1) 6 Das Erfordernis einer lebenden Buchführungssprache ist Ausfluss des Grundsatzes der Klarheit (s. Rz. 16).

Eine lebende Sprache ist eine gegenwärtig gesprochene Sprache, daher nicht Latein8 oder Altgriechisch9, ebenso wenig Programmier- oder Kunstsprachen wie Esperanto.10 Grds. ist jede lebende Sprache zulässig. Die Buchführung muss nicht in Deutsch erstellt werden.11 Die weite Formulierung des § 239 Abs. 1 Satz 1 HGB wird nur durch die Ausrichtung der Buchführung auf einen sachverständigen Dritten (s. § 238 Rz. 38) begrenzt. Die Sprache braucht allerdings nicht wie Englisch oder eine andere gängige Fremdsprache12 so weit verbreitet zu sein, dass jederzeit ein Dolmetscher zur Übersetzung erreichbar ist.13

1 Dazu Störk/Lewe in Beck BilKomm.12, § 239 HGB Rz. 45. 2 Zu den steuerrechtlichen Anforderungen als Vorbedingung der sog. digitalen Außenprüfung näher Drüen in Tipke/ Kruse, § 147 AO Rz. 40 ff., 60, 69 ff. (Stand Apr. 2018). 3 Biener/Berneke, Bilanzrichtlinien-Gesetz, 1986, 49; Claussen in Kölner Komm. AktG3, § 239 HGB Rz. 1. 4 Einführungsgesetz zur AO v. 14.12.1976, BGBl. I 1976, 3341. 5 Pöschke in Großkomm.5, § 239 HGB Rz. 1. 6 Begründung RegE, BT-Drucks. 7/261, 51 ff.; dazu Biener DB 1977, 527 f.; Schulze-Osterloh, WM 1977, 606, 609 f. 7 Ausführlich Winnefeld, Bilanz-Handbuch5, Kap. A Rz. 740 ff. 8 AA für das Beispiel eines vatikanischen Unternehmens Hoffmann/Lüdenbach, NWB Kommentar Bilanzierung11, § 239 HGB Rz. 2. 9 Störk/Lewe in Beck BilKomm.12, § 239 HGB Rz. 5. 10 Graf in Haufe BilKomm.10, § 239 HGB Rz. 12; Quick/Wolz in BKT, Bilanzrecht, § 239 HGB Rz. 11 (Stand Jul. 2018). 11 Hoffmann/Lüdenbach, NWB Kommentar Bilanzierung11, § 239 HGB Rz. 2. 12 Dazu Hoffmann/Lüdenbach, NWB Kommentar Bilanzierung11, § 239 HGB Rz. 2. 13 Drüen in Tipke/Kruse, § 146 AO Rz. 52 (Stand Apr. 2018); ähnlich Störk/Lewe in Beck BilKomm.12, § 239 HGB Rz. 5; aA Quick/Wolz in BKT, Bilanzrecht, § 239 HGB Rz. 11 (Stand Jul. 2018); Böcking/Gros in Wiedmann/Böcking/Gros, BilR4, § 239 HGB Rz. 2.

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C. Qualitative Anforderungen an die Buchführung (Abs. 2) | Rz. 15 § 239

Zweck der Vorschrift ist es, dem Buchführungspflichtigen zu ermöglichen, die Bücher in seiner Mutterspra- 7 che zu führen.1 Bei multinationalen Konzernen kann ua. aus Gründen der Vereinfachung der Konsolidierung und der periodischen Berichterstattung eine englischsprachige Buchführung angezeigt sein. Im Gegensatz zu den Handelsbüchern ist der Jahresabschluss stets in deutscher Sprache aufzustellen (§ 244 HGB). Die Buchführung in ausländischer Währung, etwa bei häufigen Fremdwährungstransaktionen, ist zulässig.2 8 Dies entbindet jedoch nicht von der Pflicht, den Jahresabschluss nach § 244 HGB in Euro aufzustellen.3

III. Verwendung von Abkürzungen, Ziffern, Buchstaben oder Symbolen (Abs. 1 Satz 2) Die Verwendung von Abkürzungen, Ziffern, Buchstaben und Symbolen ist grds. zulässig. Die Schriftzeichen 9 müssen jedoch für einen sachverständigen Dritten (s. § 238 Rz. 38) verständlich und nachvollziehbar sein. Verständlichkeit für jedermann ist nicht erforderlich.4 Sachverstand wird hinsichtlich der Buchführung selbst, nicht in Bezug auf die verwendeten Schriftzeichen vorausgesetzt. Die Buchführung in Kurzschrift ist nicht zulässig. Abkürzungen sind zulässig, wenn sie entweder aus sich selbst heraus verständlich sind oder ein Abkür- 10 zungsverzeichnis ihre Bedeutung eindeutig festlegt.5 Zeichen und Abkürzungen können auch betriebsindividueller Art sein, ein Abkürzungsverzeichnis ist dann zwingend.6 Ziffern, Buchstaben und andere Symbole müssen in ihrer Bedeutung ebenfalls eindeutig festgelegt sein, die falls erforderlich durch ein entsprechendes Verzeichnis nachzuweisen ist. Insbesondere beim Einsatz von EDV-Buchführung ist das Eindeutigkeitserfordernis zu beachten. Die in der 11 eingesetzten Software verwendete Programmiersprache ersetzt die Schriftzeichen der lebenden Sprache. Diese muss dergestalt dokumentiert und erläutert sein, dass ein eindeutiges Verständnis möglich ist.7 Die technischen Besonderheiten der verwendeten EDV- und IT-Systeme bestimmen Inhalt, Form und Umfang dieser Unterlagen.8

C. Qualitative Anforderungen an die Buchführung (Abs. 2) I. Allgemeines (Abs. 2) Die Eintragungen in den Büchern und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen müssen vollständig, richtig, 12 zeitgerecht und geordnet vorgenommen werden.

II. Grundsatz der Wahrheit (Abs. 2) Das Gebot vollständiger und richtiger Buchführung ergibt sich aus dem Wahrheitsgrundsatz. Danach müs- 13 sen Buchführung und Bilanz die Wirklichkeit mit Hilfe der für die Abbildung geltenden Normen darstellen.9 Vollständigkeit meint die lückenlose Aufzeichnung aller buchungspflichtigen Geschäftsvorfälle.10 Eine 14 räumliche Zuweisung enthält der Grundsatz der Vollständigkeit nicht, so dass auch eine Buchführung außer Haus zulässig sein kann (s. Rz. 34). Das Vollständigkeitsgebot für den Jahresabschluss ist in § 246 Abs. 1 HGB niedergelegt. Richtigkeit meint sachliche Richtigkeit. Die Buchung muss im Rückgriff auf das Belegprinzip (s. § 238 15 Rz. 40) auf richtigen Aufzeichnungen beruhen und den Geschäftsvorfall wahrheitsgetreu darstellen.11 Das Biener, DB 1977, 527 (528); Graf in Haufe BilKomm.10, § 239 HGB Rz. 6; Kruse, GoB3, 50. Quick/Wolz in BKT, Bilanzrecht, § 239 HGB Rz. 14 (Stand Jul. 2018). Störk/Lewe in Beck BilKomm.12, § 239 HGB Rz. 7. Pöschke in Großkomm.5, § 239 HGB Rz. 4. ADS6, § 239 HGB Rz. 15; Quick/Wolz in BKT, Bilanzrecht, § 239 HGB Rz. 13 (Stand Jul. 2018). Störk/Lewe in Beck BilKomm.12, § 239 HGB Rz. 8. Pöschke in Großkomm.5, § 239 HGB Rz. 31. Drüen in Tipke/Kruse, § 145 AO Rz. 26 ff. (Stand Okt. 2010). Ausgesprochen kritisch zum Begriff der Bilanzwahrheit Leffson, Die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung7, 193 ff., 200. 10 Pöschke in Großkomm.5, § 239 HGB Rz. 9; Quick/Wolz in BKT, Bilanzrecht, § 239 HGB Rz. 22 (Stand Jul. 2018). 11 Quick/Wolz in BKT, Bilanzrecht, § 239 HGB Rz. 25 (Stand Jul. 2018). 1 2 3 4 5 6 7 8 9

Drüen | 17

§ 239 Rz. 15 | Führung der Handelsbücher Gebot der Richtigkeit schließt das Verbot der Veränderung oder Verfälschung des Beleginhalts, etwa durch Verbuchung von falschen Werten, Verbuchung unter falschem Namen oder durch Verbuchung erdichteter Geschäftsvorfälle, ein.1

III. Grundsatz der Klarheit (Abs. 2) 16 Neben sachlicher Richtigkeit verlangt der Grundsatz der Klarheit auch förmliche Richtigkeit der Buchfüh-

rung.2 Die Buchungen müssen übersichtlich und deutlich sein, so dass ein sachverständiger Dritter den einzelnen Geschäftsvorfall (s. Rz. 22a) ohne Schwierigkeiten nachvollziehen kann.3

17 Bei konventioneller Buchführungstechnik setzt dies einen ordnungsmäßigen Buchungstext voraus, der in

lesbarer Form zumindest das Datum, einen Beleghinweis und die Angabe des Gegenkontos enthält.4 Ist kein Beleg vorhanden, muss die Nachvollziehbarkeit durch den sachverständigen Dritten durch den Buchungstext selbst gewährleistet sein.

18 Durch den Einsatz von EDV-Buchführung verändern sich die Anforderungen an die Ausgestaltung der Bu-

chungen.5 Statt mittels eines konventionellen Belegs wird der Zusammenhang zwischen Buchung und Geschäftsvorfall durch Sammelbelege oder verfahrensmäßigen Nachweis hergestellt. Damit sind erhöhte Anforderungen an die Verfahrensdokumentation zu stellen.6 Die Rückverfolgung der Buchung zum Geschäftsvorfall muss anhand von Zuordnungs- und Identifikationsmerkmalen gewährleistet sein.7

IV. Grundsatz der zeitgerechten und geordneten Verbuchung (Abs. 2) 19 Neben dem Gebot vollständiger und richtiger Buchführung enthält § 239 Abs. 2 HGB das Gebot zeitgerech-

ter und geordneter Verbuchung der Geschäftsvorfälle. Der Begriff ist steuerrechtlicher Herkunft,8 es kann daher auf steuerrechtliche Konkretisierungen zurückgegriffen werden.9

20 Zeitgerechte Verbuchung bedeutet, dass in einem Geschäftsbuch ohne schuldhaftes Zögern (unverzüglich)

im Anschluss an den Geschäftsvorfall gebucht werden muss.10 Das Erfordernis der zeitlichen Nähe trägt auch zur Richtigkeit der Buchungen bei,11 denn mit zunehmendem Zeitabstand verschwimmen die Fakten im Gedächtnis. Der Zeitpunkt des Auftretens eines Geschäftsvorfalls bestimmt sich nach der Leistungserbringung, nicht nach der Belegerstellung.

21 Eine bestimmte Erfassungsfrist ist nicht vorgeschrieben. Mit Ausnahme der Bargeschäfte12 enthält der

Grundsatz der zeitgerechten Verbuchung kein Gebot täglicher Verbuchung.13 Verzögerungen dürfen allerdings die Glaubwürdigkeit der Eintragungen nicht beeinträchtigen.14 Der Buchungsstoff darf gesammelt werden, sofern die Belege bis zur Verbuchung sicher und übersichtlich aufbewahrt werden.15 Der erlaubte Zeitraum bis zur Verbuchung richtet sich nach der Anzahl und Häufigkeit der Geschäftsvorfälle. So entspricht bei kleineren Betrieben mit wenigen Geschäftsvorfällen ein Buchungsrückstand bis zu einem Monat noch dem Erfordernis einer zeitgerechten Verbuchung. Die Rspr. lässt hingegen für den Regelfall nur einen Buchungsrückstand von 10 Tagen zu.16 Stets entscheidend sind die Umstände des Einzelfalls. Insbesondere kommt es darauf an, ob die Vollständigkeit der in der Zeit bis zur Verbuchung angefallenen Belege gesichert

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16

ADS6, § 239 Rz. 23; Pöschke in Großkomm.5, § 239 HGB Rz. 9. Pöschke in Großkomm.5, § 239 HGB Rz. 12. Zust. Pöschke in Großkomm.5, § 239 HGB Rz. 12. ADS6, § 238 HGB Rz. 37. Ausführlich zu den zur Erfüllung der Belegfunktion notwendigen Angaben bei EDV-Buchführung IDW, Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung bei Einsatz von Informationstechnologie (RS FAIT 1), Wpg. 2002, 1157 (1160). IDW, RS FAIT 1, Wpg. 2002, 1157 (1160). Schuppenhauer, Wpg. 2000, 128 (130). Dazu Drüen in Tipke/Kruse, § 146 AO Rz. 9 (Stand Apr. 2018). Pöschke in Großkomm.5, § 239 HGB Rz. 13. BFH v. 22.1.1988 – III R 171/82, BStBl. II 1988, 535 (536); v. 11.3.1988 – III R 62/87; BFH/NV 1989, 22. BFH v. 19.10.2005 – XI R 4/04, BStBl. II 2006, 509 (510). ADS6, § 239 HGB Rz. 27; Pöschke in Großkomm.5, § 239 HGB Rz. 15. BFH v. 24.3.1970 – I R 38/68, BStBl. II 1970, 540. BFH v. 26.3.1968 – IV 63/63, BStBl. II 1968, 527 (531); v. 7.7.1977 – IV R 205/72, BStBl. II 1978, 307 (309). ADS6, § 239 HGB Rz. 26. BFH v. 26.3.1968 – IV 63/63, BStBl. II 1968, 527 (532); v. 11.3.1988 – III R 62/87, BFH/NV 1989, 22; zur Kritik Störk/Lewe in Beck BilKomm.12, § 239 HGB Rz. 12 mwN.

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D. Unveränderlichkeit der Eintragungen und Aufzeichnungen (Abs. 3) | Rz. 24 § 239

ist.1 Sind Sicherungsvorkehrungen gegen die Gefahr des Verlusts der Belege getroffen, so kann auch bei größeren Betrieben ein Buchungsrückstand von einem Monat unschädlich sein.2 Geordnete Verbuchung bedeutet, dass der Buchungsstoff sachlich richtig in kontenmäßiger Ordnung er- 22 fasst wird. Voraussetzung dieser kontenmäßigen Ordnung ist ein Kontenplan.3 Eines bestimmten Kontenrahmens muss sich der Buchführungspflichtige nicht bedienen. Ausreichend ist jede sinnvolle Ordnung der Buchungen, die einen sachverständigen Dritten in der Frist des § 238 Abs. 1 Satz 2 HGB den erforderlichen Überblick erlangen lässt4 und die Selbstinformation des Kaufmanns laufend ermöglicht.5 Insbesondere ist eine chronologische Ordnung genügend, aber nicht erforderlich.6 Dies ermöglicht eine Speicherbuchführung, welche die Daten elektronisch auf maschinell lesbaren Datenträgern erfasst.7 Aufgrund der regelmäßig einheitlichen Verarbeitung vergleichbarer Vorgänge kommt der Verfahrensdokumentation auch in dieser Hinsicht entscheidende Bedeutung zu.8 Bereits aus dem Gebot, dass ein sachverständiger Dritter den einzelnen Geschäftsvorfall ohne Schwierigkei- 22a ten nachvollziehen kann (s. Rz. 16) folgt eine Pflicht zur Einzelerfassung der einzelnen Geschäftsvorfälle.9 Dafür spricht auch das Gebot der Abstützung jeder Buchung durch einen Buchungsbeleg.10 Der BFH hat aus der Pflicht zur Ersichtlichmachung der Handelsgeschäfte und der Lage des Vermögens unter Beachtung der GoB gefolgert, dass grds. jedes einzelne Handelsgeschäft – einschließlich der sich auf die jeweiligen Handelsgeschäfte beziehenden Kassenvorgänge – einzeln aufzuzeichnen ist.11 Demnach erfordern die GoB grds. eine einzelne Erfassung eines jeden Geschäftsvorfalls und zusammengefasste oder verdichtete Buchungen setzen voraus, dass sie eindeutig in ihre Einzelpositionen aufgegliedert werden können.12 Der Steuergesetzgeber hat die Rspr. ab 29.12.2016 aufgegriffen und in § 146 Abs. 1 Satz 1 AO13 eine ausdrückliche gesetzliche Einzelaufzeichnungspflicht mit Ausnahmen (§ 146 Abs. 1 Satz 3 AO) und Rückausnahmen (§ 146 Abs. 1 Satz 4 AO) sowie verschärfte Regelungen für Kasseneinnahmen und -ausgaben (§ 146 Abs. 1 Satz 2 AO) festgeschrieben.14 Letzteres dient dem Ziel effektiver finanzbehördlicher Kontrolle von Barzahlungen durch ein verschärftes Kassenordnungsrecht (§ 146a AO) und Kassenaufsichtsrecht (§ 146b AO). Abgesehen von diesen Besonderheiten der steuerrechtlichen Verifikation, gilt die Forderung, dass aufzeichnungspflichtige Geschäftsvorfälle einzeln festzuhalten und sich die einzelnen Vorgänge in ihrer Entstehung und Abwicklung verfolgen lassen müssen,15 auch ohne Änderung von § 239 Abs. 2 HGB zugleich für das Handelsrecht.

D. Unveränderlichkeit der Eintragungen und Aufzeichnungen (Abs. 3) I. Feststellbarkeit des ursprünglichen Inhalts (Abs. 3 Satz 1) Zur Gewährleistung des Grundsatzes der Klarheit und des Dokumentationszwecks der Buchführung dürfen 23 nach § 239 Abs. 3 HGB Veränderungen von Eintragungen und Aufzeichnungen nur im Rahmen eines kontrollierten und nachvollziehbaren Verfahrens vorgenommen werden.16 Organisatorisch und technisch ist Vorsorge zu treffen, um bewusste Manipulationen, aber auch unbeabsichtigte Änderungen an den Buchführungsunterlagen zu erkennen und auszuschließen.17 Nachträgliche Veränderungen, die dazu führen, dass der ursprüngliche Inhalt nicht mehr nachvollziehbar 24 ist, sind unzulässig (zB Durchstreichungen, Rasuren, Überkleben, Auslöschen, Radierungen oder Über1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17

ADS6, § 239 HGB Rz. 26. BFH v. 26.8.1975 – VIII R 109/70, BStBl. II 1976, 210 (212). ADS6, § 239 HGB Rz. 32. Störk/Lewe in Beck BilKomm.12, § 239 HGB Rz. 13. ADS6, § 239 HGB Rz. 32. Pöschke in Großkomm.5, § 239 HGB Rz. 16. Vgl. Pöschke in Großkomm.5, § 239 HGB Rz. 34. Ausführlich Drüen in Tipke/Kruse, § 147 AO Rz. 10, 44 (Stand Apr. 2018). ADS6, § 239 Rz. 12. Merkt in Baumbach/Hopt, HGB39, § 239 Rz. 2. BFH v. 12.5.1966 – IV 472/60, BStBl. III 1966, 371; BFH v. 16.12.2014 – X R 42/13, BStBl. II 2015, 519; BFH v. 16.12.2014 – X R 29/13, BFH/NV 2015, 790. Zur Finanzrspr. zuletzt FG Münster v. 28.6.2018 – 6 K 1929/15 AO, juris Rz. 28. Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen v. 22.12.2016, BGBl. I 2016, 3152. Zu Einzelheiten Drüen in Tipke/Kruse, § 146 AO Rz. 26 ff. (Stand Apr. 2018). BR-Drucks. 407/16, 13. ADS6, § 239 Rz. 36. Quick/Wolz in BKT, Bilanzrecht, § 239 HGB Rz. 31 (Stand Jul. 2018).

Drüen | 19

§ 239 Rz. 24 | Führung der Handelsbücher schreibungen mit Tipp-Ex1). Stattdessen ist der ursprüngliche Inhalt von Eintragungen durch treffende Bezeichnungen kenntlich zu machen.2 25 Eintragungen sind mit und auf dauerhaftem Schreibmaterial (Tinte, Tintenstift, Kugelschreiber, Maschi-

nenschrift einschl. Durchschriften mit Kohlepapier) vorzunehmen, eine Buchführung mit Bleistift ist nicht zulässig.3 Das eingesetzte Schreibmaterial muss ausschließen, dass die Eintragungen beseitigt oder verändert werden können und gewährleisten, dass das Geschriebene innerhalb der Aufbewahrungsfrist leserlich ist (regelmäßig nicht bei der Verwendung von Thermopapier).4

26 Die Art der Aufzeichnungen muss strukturell so angelegt sein, dass möglichst wenig Raum für Manipulatio-

nen bleibt. Bei konventionellen Buchführungssystemen dürfen die Aufzeichnungen keine unausgefüllten Zwischenräume enthalten.5 EDV-Buchführungssysteme6 müssen software- oder hardwareseitig mit Sicherungen und Sperren versehen sein, die nach erstmaliger Speicherung eine nachträgliche Manipulation bereits eingegebener Daten verhindern.7 Jegliche Form eines digitalen „Radierens“ muss ausgeschlossen sein. Auch die eingesetzten EDV-Datenträger müssen so beschaffen sein, dass eine nachträgliche manipulative Löschung oder Veränderung der vorhandenen Daten ausgeschlossen ist. Änderungen müssen als solche erkennbar sein. Gleiches gilt bei Übertragung der Daten auf einen anderen Datenträger.8

27 Sind nachträgliche Veränderungen notwendig, muss der Buchführungspflichtige diese anhand von Pro-

tokollen (Umbuchungs- oder Fehlerlisten) dokumentieren. Falsche Buchungen sind unter Angabe des Zeitpunkts der Korrektur durch Stornobuchungen auszugleichen9 und mittels Stornierungsbeleg dauerhaft festzuhalten.10

II. Feststellbarkeit der zeitlichen Abfolge der Eintragungen (Abs. 3 Satz 2) 28 Nachträgliche Veränderungen, die dazu führen, dass die zeitliche Abfolge der Eintragungen nicht mehr

nachvollziehbar ist, sind ebenfalls unzulässig. Im Übrigen kann auf die Ausführungen unter Rz. 23 ff. verwiesen werden.

E. Loseblatt-, Offene-Posten- und EDV-Buchführung (Abs. 4) I. Form der Buchführung (Abs. 4 Satz 1) 1. Allgemeines 29 § 239 Abs. 4 HGB schreibt keine bestimmte Form der Bücher und Aufzeichnungen vor.11 Die Vorschrift

ist zugleich die gesetzliche Grundlage für die Loseblatt- bzw. Offene-Posten-Buchführung und die EDVBuchführung. Die verwendete Buchführungsform muss lediglich in ihrer Art und Weise den GoB entsprechen.12 2. Loseblattbuchführung

30 Bei der Loseblattbuchführung – als Vorstufe moderner EDV-gestützter Buchführungssysteme – können, an-

ders als bei der Verwendung gebundener Bücher, den Aufzeichnungen einzelne Seiten hinzugefügt oder entnommen werden. Deshalb ist es insbes. erforderlich, dass die Aufzeichnungen in der richtigen Reihenfolge vorliegen und diese beibehalten bleibt. Dies kann zB durch fortlaufende Nummerierung und Bildung von

1 ADS6, § 239 HGB Rz. 40 f. 2 Ähnlich Leffson, Die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung7, 169, der sich zugleich für eine Beschränkung der Umbuchungskorrekturen auf das unbedingt erforderliche Maß ausspricht. 3 Pöschke in Großkomm.5, § 239 HGB Rz. 18. 4 ADS6, § 239 HGB Rz. 40. 5 Pöschke in Großkomm.5, § 239 HGB Rz. 18. 6 Ausführlich Drüen in Tipke/Kruse, § 145 AO Rz. 26 ff. (Stand Okt. 2010). 7 Pöschke in Großkomm.5, § 239 HGB Rz. 35; Schuppenhauer, Wpg. 2000, 128 (132). 8 Näher Drüen in Tipke/Kruse, § 146 AO Rz. 61 (Stand Apr. 2018). 9 Störk/Lewe in Beck BilKomm.12, § 239 HGB Rz. 16. 10 Pöschke in Großkomm.5, § 239 HGB Rz. 35. 11 ADS6, § 239 HGB Rz. 5; Pöschke in Großkomm.5, § 239 HGB Rz. 6. 12 Pöschke in Großkomm.5, § 239 HGB Rz. 19.

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E. Loseblatt-, Offene-Posten- und EDV-Buchführung (Abs. 4) | Rz. 33 § 239

Anschlusssalden gewährleistet werden.1 Das verwendete Ordnungsprinzip muss Übersichtlichkeit und Vollständigkeit, etwa durch chronologische Ablage der Belege, gewährleisten.2 3. Offene-Posten-Buchführung Bei der vorrangig im Kontokorrentbereich eingesetzten Offene-Posten-Buchführung werden die einzelnen 31 Geschäftsvorfälle buchmäßig erfasst und eingetragen. Die Rechnungen selbst werden als (offene bzw. erledigte) Posten zusammengefasst und erfüllen damit Buchfunktion. Sie müssen daher übersichtlich und in der richtigen Reihenfolge geordnet abgelegt werden und die Vollständigkeit der Ablage muss sichergestellt sein.3 Insbesondere bei der Offene-Posten-Buchführung kommt dem Ordnungsprinzip entscheidende Bedeutung zu. Klarheit muss auch hier gewährleistet sein,4 dies geschieht vor allem durch zweifache Kopie der Rechnungen, die sowohl eine chronologische Erfassung als auch Auskunft über die Höhe der Forderungen bzw. Verbindlichkeiten ermöglicht.5 4. EDV-Buchführung Unter EDV-Buchführung ist jede computergestützte Buchführung zu verstehen, bei der die erzeugten Bu- 32 chungen (elektronisch) auf Datenträgern gespeichert und dann auf Sichtgeräten und/oder als Druckausgabe, einzeln oder sachgerecht gruppiert, wieder lesbar gemacht werden. § 239 Abs. 4 Satz 1 HGB erklärt diese Form der Datenspeicherung für zulässig, soweit sowohl für die Buchführung selbst als auch für das Verfahren die GoB gewahrt sind. Aus Sicht der Finanzverwaltung hat das BMF Grundsätze zur ordnungsgemäßen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (GoBD)6 veröffentlicht, die weitreichende und die Unternehmenspraxis zum Teil herausfordernde Anforderungen aufstellen.7 Die neue Fassung ersetzt ab 1.1.2020 die Vorfassung und soll die Grundsätze auf einen zeitgemäßen Stand bringen.8 Die neuen GoBD tragen der fortschreitenden Digitalisierung in den Unternehmen Rechnung und sehen Erleichterungen bei den Anforderungen an die maschinelle Auswertbarkeit von Daten vor.9 Nunmehr können für die Buchführung cloudbasierte Systeme verwendet oder Dokumente mittels mobiler Endgeräte gescannt werden.10 Ebenso wie IDW-Stellungnahmen zu GoB bei Einsatz von EDV11 sind diese nicht qua Autorität rechtsverbindlich (s. § 238 Rz. 42). Überdies gibt es keine eigenständigen GoB für die EDV-Buchführung.12 Nur soweit diese fachkundigen Stellungnahmen die allgemeinen GoB für die speziellen Anforderungen EDV-gestützter Buchführung bereichsspezifisch konkretisieren, sind sie als GoB anzusehen und verbindlich.13 Darum lösen Abweichungen von den GoBD nicht automatisch eine Berichtspflicht des Abschlussprüfers wegen Verstoßes gegen „gesetzliche Vorschriften“ nach § 321 Abs. 1 Satz 3 HGB aus.14 Die Verwendung solcher technischer Systeme macht aus Sicht der Finanzverwaltung eine Verfahrensdokumentation erforderlich, die eine erleichterte Überprüfbarkeit der Buchführung gewährleistet.15 Im Besteuerungsverfahren kann sich die Frage stellen, ob und in welcher Form eine Verfahrensdokumentation verpflichtend zu erstellen ist und eine fehlende Dokumentation zu einer Steuerschätzung führen kann.16

II. Verfügbarkeit und Lesbarkeit (Abs. 4 Satz 2) § 239 Abs. 4 Satz 2 HGB setzt Verfügbarkeit und potentielle Lesbarkeit der Daten innerhalb der Aufbewah- 33 rungsfrist voraus.17 Die Ausführungen zu der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung gelten für die EDV1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17

Quick/Wolz in BKT, Bilanzrecht, § 239 HGB Rz. 42 (Stand Jul. 2018). Dazu im Einzelnen Drüen in Tipke/Kruse, § 146 AO Rz. 66 (Stand Apr. 2018). Ausführlich Pöschke in Großkomm.5, § 239 HGB Rz. 21. FinMin. NRW v. 10.6.1963 – S 2153 – 1 – V B 1, BStBl. II 1963, 93 (94). Quick/Wolz in BKT, Bilanzrecht, § 239 HGB Rz. 43 (Stand Jul. 2018). BMF v. 14.11.2014 – IV A 4 - S 0316/13/10003 – DOK 2014/0353090, BStBl. I 2014, 1450. Dazu Goldshteyn/Thelen, DB 2015, 1126; Herrfurth, StuB 2015, 250. BMF v. 28.11.2019 – IV A 4 - S 0316/19/10003:001, FMNR520000019, BStBl. I 2019, 1269. Hafner, BB 2020, 363. Zu den wesentlichen Änderungen im Einzelnen Schütte/Götz, DStR 2020, 90 (91 ff.); Henn, DB 2019, 1816. IDW RS FAIT 1, Wpg. 2002, 1157; IDW RS FAIT 2, Wpg. 2003, 1258; IDW RS FAIT 3, Wpg. 2006, 1465. Pöschke in Großkomm.5, § 239 HGB Rz. 27. Störk/Lewe in Beck BilKomm.12, § 239 HGB Rz. 25 mwN zu den Verlautbarungen des Fachausschusses für Informationstechnologie (FAIT). Störk/Lewe in Beck BilKomm.12, § 239 HGB Rz. 45. BMF v. 28.11.2019 – IV A 4-S 0316/19/10003:001, FMNR520000019, BStBl. I 2019, 1269, Rz. 151 ff. Drüen in Tipke/Kruse, § 147 AO Rz. 10 ff., 63 f. (Stand Apr. 2018). Pöschke in Großkomm.5, § 239 HGB Rz. 29.

Drüen | 21

§ 239 Rz. 33 | Führung der Handelsbücher Buchführung sinngemäß, die mangelnde physische Existenz von Büchern alten Stils führt jedoch zu einigen Besonderheiten. So sind erhöhte Anforderungen an die Verfahrensdokumentation zu stellen (s. Rz. 18), auch die Unveränderlichkeit der Eintragungen muss durch gesonderte technische Systeme sichergestellt werden (s. Rz. 26).1

F. Ort der Buchführung 34 § 239 HGB trifft keine Aussage über den Ort der Buchführung. Auch die Außer-Haus-Buchhaltung, bei der

die Bücher von einer Datenverarbeitungsgesellschaft an einem anderen Platz geführt werden, ist grds. zulässig. Insbesondere enthält das Gebot der Vollständigkeit keine räumliche Direktion und fordert nur eine vollständige (und unveränderte) Belegsammlung.2 Welche zeitliche Vorgaben bei der Erfassung der Geschäftsvorfälle durch externe Stellen einzuhalten sind, hängt von dem Umfang und der Komplexität des Buchführungsstoffs ab.3

35 Der Ort der Datenverarbeitung kann handelsrechtlich im Ausland liegen.4 Formelle und materielle Anfor-

derungen richten sich jedoch nach deutschem Recht.5 Ebenfalls ist zu beachten, dass die Möglichkeit der Vorlage der Handelsbücher nach §§ 258 ff. HGB im Bedarfsfall sichergestellt sein muss.6 Grundaufzeichnungen müssen vom Kaufmann im Inland geführt werden,7 damit im Unternehmen selbst zugänglich und innerhalb einer angemessenen Frist nachprüfbar sein.8 Die Selbstinformation des Buchführungspflichtigen und Nachvollziehbarkeit durch einen sachverständigen Dritten9 setzen der Erfüllung der handelsrechtlichen Buchführungs- und Aufbewahrungspflichten im Ausland weiche Grenzen.

36 Steuerrechtlich sind Bücher und Aufzeichnungen dagegen grds. im Inland zu führen und aufzubewahren

(§ 146 Abs. 2 AO). Eine Verlagerung der elektronischen Buchführung in Mitgliedstaaten der EU oder Drittstaaten ist nur unter weiteren Voraussetzungen mit Zustimmung der Finanzbehörde nach § 146 Abs. 2a AO zulässig.10

§ 240 Inventar (1) Jeder Kaufmann hat zu Beginn seines Handelsgewerbes seine Grundstücke, seine Forderungen und Schulden, den Betrag seines baren Geldes sowie seine sonstigen Vermögensgegenstände genau zu verzeichnen und dabei den Wert der einzelnen Vermögensgegenstände und Schulden anzugeben. (2) 1Er hat demnächst für den Schluss eines jeden Geschäftsjahrs ein solches Inventar aufzustellen. 2Die Dauer des Geschäftsjahrs darf zwölf Monate nicht überschreiten. 3Die Aufstellung des Inventars ist innerhalb der einem ordnungsmäßigen Geschäftsgang entsprechenden Zeit zu bewirken. (3) 1Vermögensgegenstände des Sachanlagevermögens sowie Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe können, wenn sie regelmäßig ersetzt werden und ihr Gesamtwert für das Unternehmen von nachrangiger Bedeutung ist, mit einer gleichbleibenden Menge und einem gleichbleibenden Wert angesetzt werden, sofern ihr Bestand in seiner Größe, seinem Wert und seiner Zusammensetzung nur geringen Veränderungen unterliegt. 2Jedoch ist in der Regel alle drei Jahre eine körperliche Bestandsaufnahme durchzuführen.

1 Ausführlich zu den technischen Anforderungen an die EDV-Buchführung Quick/Wolz in BKT, Bilanzrecht, § 239 HGB Rz. 48 ff. (Stand Jul. 2018); zur Verfahrensdokumentation nach den GoBD aus Sicht der Finanzverwaltung Henn, DB 2016, 254. 2 ADS6, § 239 HGB Rz. 21. 3 ADS6, § 239 HGB Rz. 30. 4 Offerhaus, BB 1976, 1622 (1624); aA Biener, DB 1977, 527 (528); Schulze-Osterloh, WM 1977, 606 (610); zur Auslagerung von rechnungslegungsrelevanten Prozessen und Funktionen einschließlich Cloud Computing IDW, RS FAIT 5, IDW Life 1/2016, 35. 5 Schmidt, StuB 1999, 689. 6 Schuppenhauer, Wpg. 1984, 514. 7 Störk/Lewe in Beck BilKomm.12, § 238 HGB Rz. 133 ff. 8 Schmidt, StuB 1999, 689. 9 ADS6, § 239 HGB Rz. 21. 10 Dazu zuletzt Roderburg/Richter, IStR 2016, 456.

22 | Drüen

A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 1 § 240

(4) Gleichartige Vermögensgegenstände des Vorratsvermögens sowie andere gleichartige oder annähernd gleichwertige bewegliche Vermögensgegenstände und Schulden können jeweils zu einer Gruppe zusammengefasst und mit dem gewogenen Durchschnittswert angesetzt werden. A. I. II. III. IV. B. I. II. III. IV. C. D. I. II.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inventaraufstellungspflicht (Abs. 1, Abs. 2) Allgemeines (Abs. 1, Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . Eröffnungsinventar (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . Schlussinventar (Abs. 2 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . Aufstellungsfrist (Abs. 2 Satz 2, 3) . . . . . . . . . . . Grundsätze ordnungsmäßiger Inventur und Inventarisierung – GoI (Abs. 1) . . . . . . . . . . . Inventurvereinfachungsverfahren (Abs. 3 und 4) Verfahrensüberblick (Abs. 3 und 4) . . . . . . . . . . Festbewertung (Abs. 3) 1. Allgemeines, Anwendungsfälle und Anwendungsvoraussetzungen im Überblick (Abs. 3 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 2 3 4 5 8 9 12 13 23

2. Regelmäßiger Ersatz (Abs. 3 Satz 1) . . . . . . 3. Nachrangige Bedeutung des Werts (Abs. 3 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Geringe Veränderungen des Bestands (Abs. 3 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Körperliche Bestandsaufnahme und Anpassung des Festwertes (Abs. 3 Satz 2) . . . . . . . III. Gruppen- oder Sammelbewertung (Abs. 4) 1. Allgemeines, Anwendungsfälle und Anwendungsvoraussetzungen im Überblick . . . . . 2. Gleichartigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Annähernde Gleichwertigkeit . . . . . . . . . . . 4. Anwendung des gewogenen Durchschnittswerts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Berücksichtigung des Niederstwertprinzips E. Rechtsfolgen einer Pflichtverletzung . . . . . . .

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24

Literatur: Schulze zur Wiesch, Grundsätze ordnungsgemäßer Inventur, 1961; Hoffmann, Die Aufgaben der Inventur, DB 1964, 1197; Spörlein, Die Inventur nach Handelsrecht und nach Steuerrecht, 5. Aufl. 1964; Weisse, Inventur in Recht und Praxis, 1964; Arbeitskreis Ludewig der Schmalenbach-Gesellschaft, Die Vorratsinventur: Herkömmliche und moderne Systeme und Verfahren, 1967; Wehe, Die Inventur, BB 1968, 1375; Nestle, Die Inventur zum Jahresende, BB 1973, 1620; AWV, Rationalisierung der Inventur unter Berücksichtigung neuer Techniken und Verfahren, 1976; Fülling, Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung für Vorräte, 1976; Harrmann, Aufnahmetechniken bei der körperlichen Bestandsaufnahme von Vorräten, DB 1978, 2377; Peter/v. Bornhaupt/Körner, Ordnungsmäßigkeit der Buchführung nach dem Bilanzrichtlinien-Gesetz, 8. Aufl. 1987; Quick, Grundsätze ordnungsgemäßer Inventurprüfung, 1991; Scherrer, Gestaltungsmöglichkeiten der Inventur, DSWR 1995, 324; Quick, Inventur, 2000; Burghardt/Gliesche/Wolz, Formulierung von Grundsätzen ordnungsmäßiger RFID-gestützter Inventur, DB 2006, 2245; Weidenbach-Koschnike, Kann eine RFID-gestützte Inventur handelsrechtlich zulässig sein?, BC 2007, 303; Hildebrandt, Führt die Nutzung von elektronischer Datenverarbeitung zur Abschaffung der Lifo-Bewertung?, DB 2011, 1999; Broemel/Endert, Das Festwertverfahren in Handels- und Steuerbilanz, BBK 2013, 507; Marx, Bestandsaufnahme und Bewertung des Vorratsvermögens, Steuer und Studium 2016, 346; Köhler, Die Inventur und das Inventar als Grundlagen der Bilanz, StBp 2017, 169.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand §§ 240, 241 HGB verpflichten den Kaufmann zur Durchführung einer Inventur und zur Aufstellung eines 1 Inventars zum Beginn des Handelsgewerbes (Eröffnungsinventar) sowie zum Schluss eines jeden Geschäftsjahres (Schlussinventar).1 Darüber hinaus werden die Dauer des Geschäftsjahres sowie die Voraussetzungen für Festbewertung und Gruppen- bzw. Sammelbewertung festgelegt.2 Die Inventur ist die lückenlose Aufnahme und Aufzeichnung aller Aktiv- und Passivwerte als Grundlage des Inventars als Bestandsverzeichnis.3

1 Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 240 Rz. 1; Pöschke in Großkomm.5, § 240 HGB Rz. 1. 2 Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 240 Rz. 1. 3 Drüen in Tipke/Kruse, § 145 AO Rz. 49 (Stand Okt. 2010); Pöschke in Großkomm.5, § 240 HGB Rz. 1.

Drüen | 23

§ 240 Rz. 2 | Inventar

II. Bedeutung und Zweck 2 Das Inventar hat eine Dokumentations- und Beweissicherungsfunktion.1 Der Zweck der Inventaraufstel-

lung liegt ebenso wie bei Bilanz und Buchführung im Gläubiger- und Gesellschafterschutz2 durch Selbstkontrolle des Kaufmanns.3 Wenngleich die erforderliche Vermögensübersicht bereits Bilanz und Buchführung enthalten, dient das Inventar dem Zweck des Gläubigerschutzes, weil es gegenüber der Bilanz eine Nachweisfunktion erfüllt.4 Weitere Zwecke der Aufstellung eines Inventars sind Dokumentation, Beweissicherung und Beweisführung sowie Vorbereitung von Jahresabschluss bzw. Konzernabschluss.5 Die verschiedenen Vereinfachungen bei der Inventur in § 240 Abs. 3 und 4 HGB sowie nach § 241 HGB sollen einen sachgerechten Ausgleich schaffen, damit die genannten Zwecke der Inventur mit angemessenen Inventurlasten des Kaufmanns erfüllbar sind (allg. s. § 239 HGB Rz. 2) und der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit (s. Rz. 22) gewahrt wird.

III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 3 § 240 HGB konkretisiert die Anforderungen der GoB. Die Normen, welche die Pflichten zur Aufstellung

eines Inventars und der Vornahme einer Inventur begründen, sind öffentlich-rechtliche Vorschriften.6 Diese Qualifikation unterstreicht den Zweck des Gläubigerschutzes (s. Rz. 2). Auch § 283 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. b, § 283b Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b StGB, welche die verspätete Inventaraufstellung als Insolvenzdelikt unter Strafe stellen (s. Rz. 39), verdeutlichen die gläubigerschützende Bedeutung der §§ 240, 241 HGB. Das Steuerrecht baut ohne eine § 240 HGB entsprechende Vorschrift auf ihr auf über die Maßgeblichkeit der GoB7 und die abgeleitete Buchführungspflicht des § 140 AO (s. § 238 HGB Rz. 3). Alle Arten der Inventur nach §§ 240, 241 HGB sind auch steuerrechtlich zulässig.8 Unterlässt der Kaufmann die Bestandsaufnahme und die Aufstellung des Inventars, verstößt er gegen die GoB, was zugleich steuerrechtliche Folgen hat (s. § 238 HGB Rz. 47). Bei der originären steuerrechtlichen Buchführungspflicht gilt § 240 HGB entsprechend (§ 141 Abs. 1 Satz 2 AO)9.

IV. Rechtsentwicklung 4 § 240 HGB wurde durch das Bilanzrichtliniengesetz eingefügt und findet auf alle Rechtsformen Anwen-

dung. Die Pflicht in § 240 Abs. 1 und Abs. 2 HGB zur Aufstellung eines Inventars entspricht mit Ausnahme von wenigen redaktionellen Änderungen den Bestimmungen in § 239 Abs. 1 und 2, § 240 HGB aF. Die Möglichkeit, statt der Einzelbewertung den Festwert nach § 240 Abs. 3 HGB heranzuziehen, fand sich bereits in § 239 Abs. 2a HGB aF sowie in § 240 Abs. 4 Nr. 2 HGB aF.10 Die Bewertungsvereinfachungen für das Vorratsvermögen in § 240 Abs. 3 und Abs. 4 HGB sind eine Fortführung der schon in § 153 Abs. 1 Satz 3 AktG 1965 enthaltenen Regelungen.11 Das BilMoG führte nicht zur Änderungen von § 240 HGB.

B. Inventaraufstellungspflicht (Abs. 1, Abs. 2) I. Allgemeines (Abs. 1, Abs. 2) 5 Für jeden Kaufmann besteht die Pflicht, zu Beginn des Handelsgewerbes ein sog. Eröffnungsinventar und

zum Schluss eines jeden Geschäftsjahres ein sog. Schlussinventar aufzustellen. Das Inventar dokumentiert alle einzelnen Vermögensgegenstände sowie Schulden mit entsprechenden Werten und Mengen.12 Für die 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

Braun in Kölner Komm. RLR, § 240 HGB Rz. 4. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 240 HGB Rz. 2. Pöschke in Großkomm.5, § 240 HGB Rz. 1. Pöschke in Großkomm.5, § 240 HGB Rz. 1. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 240 Rz. 2. Pöschke in Großkomm.5, § 240 HGB Rz. 1. Störk/Philipps in Beck BilKomm.12, § 240 HGB Rz. 4. Näher Drüen in Tipke/Kruse, § 145 AO Rz. 48 ff. (Stand Okt. 2010); speziell zur Gruppenbewertung Störk/Philipps in Beck BilKomm.12, § 240 HGB Rz. 141. Pöschke in Großkomm.5, § 240 HGB Rz. 68. Braun in Kölner Komm. RLR, § 240 HGB Rz. 1. Braun in Kölner Komm. RLR, § 240 HGB Rz. 1. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 240 Rz. 3.

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B. Inventaraufstellungspflicht (Abs. 1, Abs. 2) | Rz. 11 § 240

Aufstellung des Inventars ist keine besondere gesetzliche Form vorgesehen.1 Grundlage des Inventars ist die Inventur (s. Rz. 1). Die Pflicht zur Inventaraufstellung setzt aus diesem Grund zugleich eine allgemeine Inventurpflicht voraus.2 Für die Erfassung und Bewertung besonderer Vermögensgegenstände gelten gesetzliche Erleichterungen: Nach § 240 Abs. 3 HGB sind Festwerte zulässig, § 240 Abs. 4 HGB erlaubt die Gruppen- oder Sammelbewertung und § 241 HGB sieht weitere Inventurvereinfachungsverfahren vor. Die Funktion des Inventars besteht vor allem in der Dokumentation und Beweissicherung (s. Rz. 2). Durch 6 das Aufführen sämtlicher Vermögensgegenstände soll deren Unterschlagung oder Veruntreuung erschwert werden.3 Darüber hinaus soll die Dokumentation der Schulden entsprechend dem Zweck des Gläubigerund Gesellschafterschutzes (s. Rz. 2) eine Überschätzung des Reinvermögens verhindern.4 Das Inventar soll die Aufstellung des Jahres- und Konzernabschlusses vorbereiten. Abweichungen bezüglich der erfassten Mengen und Bewertungen im Hinblick auf die jeweilige Bilanz sind allerdings möglich.5 Maßgeblich ist der Grundsatz der Einzelerfassung und -bewertung.6 Die Inventaraufstellungspflicht und auch die Inventurpflicht gelten in persönlicher Hinsicht für jeden Kauf- 7 mann unabhängig von der Rechtsform oder Branche. § 241a HGB enthält für kleine Einzelkaufleute Befreiungen von beiden Pflichten (s. § 241a Rz. 13).

II. Eröffnungsinventar (Abs. 1) Nach § 240 Abs. 1 HGB hat jeder Kaufmann die Pflicht, zu Beginn des Handelsgewerbes ein sog. Eröff- 8 nungsinventar zu erstellen, das Ausgangspunkt für die Eröffnungsbilanz nach § 242 Abs. 1 HGB ist, ohne deren Bestandteil zu sein. Der Stichtag, auf den das Eröffnungsinventar zu erstellen ist, entspricht dem Beginn des Handelsgewerbes, so dass ein Gleichlauf mit dem Stichtag für die Eröffnungsbilanz besteht.

III. Schlussinventar (Abs. 2 Satz 1) Nach § 240 Abs. 2 Satz 1 HGB muss der Kaufmann am Ende eines jeden Geschäftsjahres ein sog. Schlussin- 9 ventar erstellen.7 Maßgeblich hinsichtlich des Stichtags ist der Bilanzstichtag für das Geschäftsjahr. Das Schlussinventar stellt die Grundlage für die Schlussbilanz nach § 242 HGB dar8, wobei es regelmäßig einer Überleitung vom Inventar auf die Bilanzposten bedarf.9 Zum Inhalt des Inventars bestimmt § 240 Abs. 1 HGB, dass der Kaufmann seine Grundstücke, seine Forde- 10 rungen und Schulden, den Betrag seines baren Geldes sowie seine sonstigen Vermögensgegenstände genau zu verzeichnen hat. Diese Aufzählung ist lediglich beispielhaft und nicht abschließend.10 Der Kaufmann muss dabei die genaue Menge, den Wert und die exakte Bezeichnung des Vermögensgegenstands angeben (§ 240 Abs. 1 HGB). Der Begriff des Vermögensgegenstands ist nicht gesetzlich definiert. Die Begriffsbestimmung hat entsprechend den allgemeinen Regelungen für den Jahresabschluss zu erfolgen.11 Erfasst sind handelsrechtlich – im Gegensatz zum weitergehenden steuerrechtlichen Begriff des Wirtschaftsguts – grds. lediglich aktive Vermögensgegenstände,12 während die Gegenstände der Passivseite regelmäßig als Schulden bzw. Verbindlichkeiten einzuordnen sind.13 Für die Form und die Gliederung des Inventars ist auf die allgemeinen Ordnungsmäßigkeitsgrundsätze 11 zurückzugreifen.14 Eine Ordnung des Inventars entsprechend der Gliederung der Bilanz ist empfehlenswert, weil das Inventar die Grundlage für die zu erstellende Bilanz ist und so der Arbeitsaufwand reduziert werden kann. IdR ist das Inventar kein einheitliches Verzeichnis. Vielmehr setzt es sich meistens aus verschiedenen

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14

Braun in Kölner Komm. RLR, § 240 HGB Rz. 2. ADS6, § 240 HGB Rz. 2. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 240 Rz. 3. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 240 Rz. 3. Braun in Kölner Komm. RLR, § 240 HGB Rz. 4; Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 240 Rz. 2. Braun in Kölner Komm. RLR, § 240 HGB Rz. 4. Drüen in Tipke/Kruse, § 145 AO Rz. 49 (Stand Okt. 2010). Braun in Kölner Komm. RLR, § 240 HGB Rz. 6. ADS6, § 240 HGB Rz. 66. Braun in Kölner Komm. RLR, § 240 HGB Rz. 7. Braun in Kölner Komm. RLR, § 240 HGB Rz. 7. Störk/Philipps in Beck BilKomm.12, § 240 HGB Rz. 2 f. Merkt in Baumbach/Hopt, HGB39, § 240 Rz. 3. Näher ADS6, § 240 HGB Rz. 63 f.

Drüen | 25

§ 240 Rz. 11 | Inventar Teilen, die einzelnen Gruppen von Vermögensgegenständen bzw. Schulden zugeordnet werden können, zusammen. Eine Pflicht zur Unterzeichnung des Inventars ist gesetzlich nicht vorgeschrieben.1 Dennoch ist bezüglich der einzelnen Teile des Inventars eine Unterzeichnung durch die jeweils verantwortliche Person zum Zweck der Dokumentation zu fordern.2

IV. Aufstellungsfrist (Abs. 2 Satz 2, 3) 12 In § 240 Abs. 2 HGB ist die Aufstellungsfrist für das Inventar geregelt. Danach muss der Kaufmann das

Inventar „innerhalb der einem ordnungsmäßigen Geschäftsgang entsprechenden Zeit“ (Satz 3) aufstellen. Das Inventar ist jedoch spätestens innerhalb der Aufstellungsfristen hinsichtlich des Jahresabschlusses aufzustellen (§ 243 Abs. 3 HGB oder kürzere Fristen in Abhängigkeit von der jeweiligen Rechtsform).3 Die Aufstellung des Inventars hat zeitnah zum Abschlussstichtag zu erfolgen.4 Maßgeblich für das Schlussinventar ist nach § 240 Abs. 2 Satz 1 HGB das Geschäftsjahr, dessen Dauer nach § 240 Abs. 2 Satz 2 HGB zwölf Monate nicht überschreiten darf. Grundsätzlich sind auch kürzere Geschäftsjahre möglich.5 Eine Mindestdauer schreibt das Gesetz nicht vor.6

C. Grundsätze ordnungsmäßiger Inventur und Inventarisierung – GoI (Abs. 1) 13 Die Grundsätze ordnungsmäßiger Inventur und Inventarisierung (GoI) sind Grundlage des Inventurver-

fahrens und dienen der zweckgerechten Aufstellung des Inventars. Die Inventur ist der Vorgang der Bestandsaufnahme, der für die Erstellung des Inventars erforderlich ist (s. Rz. 1). Neben der körperlichen Bestandsaufnahme (Inventur ieS) sollen darüber hinaus alle Vermögensgegenstände sowie Schulden zum maßgeblichen Zeitpunkt erfasst werden.7 Forderungen und Schulden werden durch sog. Buchinventur erfasst. Eine ordnungsgemäße Inventur erfordert eine ausreichende Planung, Überwachung und Dokumentation,8 für die das IDW praxisleitende Standards – allerdings ohne Rechtsnormcharakter (s. § 238 HGB Rz. 42) – entwickelt hat.9 Erforderlich ist eine zeitliche, räumliche und personelle Planung10 sowie die Aufstellung von Inventurrichtlinien und die Implementierung entsprechender Kontrollmaßnahmen.11

14 Bei der Inventur und der Erstellung des Inventars sind die sog. Grundsätze ordnungsmäßiger Inventur und

Inventarisierung (GoI) einzuhalten, die aus den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) abgeleitet werden.12 Maßgeblich für das Inventurverfahren sind daher auch die allgemeinen Ordnungsmäßigkeitsgrundsätze der §§ 238, 239 HGB. Zu den GoI zählen der Grundsatz der Vollständigkeit, der Grundsatz der Richtigkeit der Bestandsaufnahme, der Grundsatz der Einzelerfassung und Einzelbewertung, der Nachprüfbarkeitsgrundsatz sowie der Grundsatz der Klarheit und der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit (s. Rz. 16 ff.).

15 Im Einzelnen lassen sich verschiedene Inventurverfahren unterscheiden: In Bezug auf die Art der Erfassung

der Vermögensgegenstände und Schulden wird zwischen körperlicher Bestandsaufnahme, Buchinventur, Risikoinventur und Vertragsinventur unterschieden. Hinsichtlich des Zeitpunkts bzw. des Zeitraums der Erfassung wird zwischen Stichtagsinventur, ausgeweiterter Stichtagsinventur, der permanenten Inventur sowie der vor- und nachverlegten Stichtagsinventur differenziert. Bei der Stichtagsinventur handelt es sich um die körperliche Bestandsaufnahme der am Bilanzstichtag vorhandenen Vermögensgegenstände.13 Die Stichtagsinventur als Inventur am Abschlussstichtag ist der gesetzliche Normalfall,14 von dem gesetzliche Abweichungen zur Vereinfachung zugelassen sind (s. Rz. 25). Eine Differenzierung entsprechend der Vollständigkeit der Erfassung ermöglicht eine Unterscheidung zwischen vollständiger Bestandsaufnahme (sog. Vollaufnah-

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14

Merkt in Baumbach/Hopt, HGB39, § 240 Rz. 5. Braun in Kölner Komm. RLR, § 240 HGB Rz. 10; ebenso ADS6, § 240 HGB Rz. 65. Braun in Kölner Komm. RLR, § 240 HGB Rz. 8. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 240 Rz. 17; ADS6, § 240 HGB Rz. 61. Braun in Kölner Komm. RLR, § 240 HGB Rz. 9 (Rumpfgeschäftsjahre). Dazu ADS6, § 240 HGB Rz. 69. Braun in Kölner Komm. RLR, § 240 HGB Rz. 11. Braun in Kölner Komm. RLR, § 240 HGB Rz. 11. IDW, HFA 1/1990 Zur körperlichen Bestandsaufnahme im Rahmen von Inventurverfahren, WPg. 1990, 143. Näher Störk/Philipps in Beck BilKomm.12, § 240 HGB Rz. 35 ff. Zur Prüfung vgl. IDW, PS 301 Prüfung der Vorratsinventur, WPg. 2003, 715. Dazu Pöschke in Großkomm.5, § 240 HGB Rz. 8 ff.; Braun in Kölner Komm. RLR, § 240 HGB Rz. 13. Drüen in Tipke/Kruse, § 145 AO Rz. 50 (Stand Okt. 2010). Graf in Haufe BilKomm.10, § 240 HGB Rz. 16.

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C. Grundsätze ordnungsmäßiger Inventur und Inventarisierung – GoI (Abs. 1) | Rz. 22 § 240

me) sowie der Stichprobeninventur nach § 241 Abs. 1 HGB. Darüber hinaus besteht auch die Möglichkeit, verschiedene Verfahren zu kombinieren.1 Der Grundsatz der Vollständigkeit erfasst alle dem Kaufmann wirtschaftlich zuzurechnenden Vermögens- 16 gegenstände und Schulden.2 Ausgangspunkt sind hierbei die rechtlichen Eigentumsverhältnisse, wobei eine wirtschaftliche Betrachtung nach § 246 Abs. 1 Satz 2 HGB den Ausschlag gibt.3 Im Inventar sind nur die Vermögensgegenstände des Kaufmanns und keine fremden Vermögensgegenstände aufzuführen. Auf die Art des Vermögensgegenstands kommt es im Rahmen der Inventurpflicht und der Pflicht zur Auf- 17 stellung des Inventars nicht an. Die Pflicht zur Aufnahme erstreckt sich somit auch auf immaterielle Vermögensgegenstände sowie derivative Geschäfte, auch wenn letztere keine Vermögensgegenstände darstellen.4 Der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit ermöglicht für Vermögensgegenstände mit nur geringem Wert den Verzicht auf die Aufnahme oder die Durchführung eines vereinfachten Inventurverfahrens. Hinsichtlich der Erfassung von Schulden ist grds. auch eine Inventur der Risiken erforderlich. Keine Vermögensgegenstände sind Rechnungsabgrenzungsposten, Sonderposten mit Rücklageanteil sowie Bilanzierungshilfen. Der Grundsatz der Richtigkeit erfordert die zutreffende Erfassung der Vermögensgegenstände nach Art, 18 Menge und Wert.5 Hinsichtlich der Erfassung der Menge ist die Zuverlässigkeit von Zähl-, Maß- und Wiegevorgängen erforderlich. Der Wert wird durch die sachgerechte Ermittlung der Anschaffungs- sowie Herstellungskosten und weiterer bewertungsrelevanter Umstände erfasst. Doppelerfassungen müssen vermieden werden.6 Dies folgt nicht aus dem Grundsatz der Vollständigkeit,7 sondern aus dem Grundsatz der Richtigkeit.8 Der Grundsatz der Klarheit setzt die Verständlichkeit und Nachvollziehbarkeit sämtlicher Unterlagen vo- 19 raus. Sie müssen in einer lebenden Sprache abgefasst und zudem hinreichend übersichtlich sein (vgl. § 238 HGB). Darüber hinaus sind auch die Vorgaben des § 239 Abs. 2 und 3 HGB einzuhalten. Der Grundsatz der Einzelerfassung stellt die Grundlage des Grundsatzes der Einzelbewertung nach § 252 20 Abs. 1 Nr. 3 HGB (s. § 253 Rz. 90 ff.) dar. Bereits bei der Inventur muss eine Einzelerfassung sämtlicher Vermögensgegenstände und Schulden erfolgen.9 Schließlich sind im Inventar Art, Menge und Wert der erfassten Posten aufzuführen. Einschränkungen des Grundsatzes der Einzelerfassung ergeben sich im Rahmen der Fest- und Gruppen- bzw. Sammelbewertung hinsichtlich der Objektabgrenzung sowie der Häufigkeit der körperlichen Bestandsaufnahme.10 Der Grundsatz der Nachprüfbarkeit ist eine konkretisierende „Verlängerung“ der allgemeinen Forderung 21 nach Überschaubarkeit für sachverständige Dritte (§ 238 Abs. 1 Satz 2 HGB) bei der Inventur. Der Grundsatz der Nachprüfbarkeit erfordert eine sachgerechte Dokumentation des Verfahrens der Inventuraufnahme und des Ergebnisses der Inventur.11 Erforderlich ist, dass ein sachverständiger Dritter in angemessener Zeit ein ausreichendes Bild hinsichtlich Art, Menge und Wert der erfassten Vermögensgegenstände gewinnen kann.12 Im Rahmen der Durchführung der Inventur und schließlich bei der Aufstellung des Inventars sind die ein- 22 zelnen Vermögensgegenstände und Schulden nach § 240 Abs. 1 HGB grds. einzeln zu erfassen und auch einzeln zu bewerten. Die Grundsätze der Einzelerfassung und Einzelbewertung gelten indes nicht absolut und werden durch den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit eingeschränkt.13 Dieser Grundsatz erlaubt Einschränkungen gegenüber der von § 240 Abs. 1 HGB geforderten Genauigkeit der Bestandsaufnahme und der übrigen Inventurgrundsätze (s. Rz. 16 ff.).14 Dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit dienen insbes. die gesetzlich geregelten Erleichterungen des Inventurverfahrens (s. Rz. 2). Der Arbeitsaufwand bei der Inventur 1 Braun in Kölner Komm. RLR, § 240 HGB Rz. 12. 2 Störk/Philipps in Beck BilKomm.12, § 240 HGB Rz. 19. 3 Braun in Kölner Komm. RLR, § 240 HGB Rz. 14; Störk/Philipps in Beck BilKomm.12, § 240 HGB Rz. 20; zuvor bereits in diesem Sinne ADS6, § 240 HGB Rz. 20. 4 Braun in Kölner Komm. RLR, § 240 HGB Rz. 16. 5 Störk/Philipps in Beck BilKomm.12, § 240 HGB Rz. 23; näher Winnefeld, Bilanz-Handbuch5, Kap. B Rz. 31. 6 Braun in Kölner Komm. RLR, § 240 HGB Rz. 16; Pöschke in Großkomm.5, § 240 Rz. 18. 7 ADS6, § 240 HGB Rz. 20. 8 Pöschke in Großkomm.5, § 240 Rz. 11, 18. 9 Braun in Kölner Komm. RLR, § 240 HGB Rz. 20. 10 Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 240 Rz. 14. 11 Ähnlich Störk/Philipps in Beck BilKomm.12, § 240 HGB Rz. 25. 12 Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 240 Rz. 14. 13 Störk/Philipps in Beck BilKomm.12, § 240 HGB Rz. 27 f. 14 ADS6, § 240 HGB Rz. 25.

Drüen | 27

§ 240 Rz. 22 | Inventar muss unter Beachtung des allgemeinen Wesentlichkeitsgrundsatzes in einem angemessenen Verhältnis zum erwarteten Arbeitsergebnis stehen.1 Stets muss der Inventuraufwand zumutbar sein.2

D. Inventurvereinfachungsverfahren (Abs. 3 und 4) I. Verfahrensüberblick (Abs. 3 und 4) 23 Die gesetzlich geregelten Inventurvereinfachungsverfahren sind wichtige Einschränkungen des Grundsatzes

der Einzelerfassung und des Grundsatzes der Einzelbewertung.3 Sie dienen einer Reduktion der Inventurlasten (s. Rz. 2) zur Wahrung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit (s. Rz. 22). Eine Vereinfachung bezüglich der Aufnahme und Bewertung der Vermögensgegenstände sehen die in § 240 Abs. 3 HGB geregelte Festbewertung, die in § 241 Abs. 1 HGB normierte Stichprobenbewertung sowie die vor- und nachverlegte Stichtagsinventur nach § 241 Abs. 3 HGB vor. Die Gruppen- oder Sammelbewertung nach § 240 Abs. 4 HGB und das Verfahren ohne körperliche Bestandsaufnahme nach § 241 Abs. 2 HGB stellen Vereinfachungsverfahren hinsichtlich der Aufnahme des Vermögensgegenstands dar.

II. Festbewertung (Abs. 3) 1. Allgemeines, Anwendungsfälle und Anwendungsvoraussetzungen im Überblick (Abs. 3 Satz 1) 24 Nach § 240 Abs. 3 Satz 1 HGB können Vermögensgegenstände des Sachanlagevermögens sowie Roh-, Hilfs-

und Betriebsstoffe mit gleichbleibender Menge und gleichbleibendem Wert angesetzt werden (Festbewertung).4 Zweck dieser Festbewertung ist die Vereinfachung der Bestandaufnahme und Bewertung hinsichtlich bestimmter, näher umschriebener Vermögensgegenstände.5 Folge, aber nicht der eigentliche Zweck des Verfahrens ist eine Substanzerhaltung durch Verrechnung zu gegenwartsnahen Preisen.6 Die gleichbleibende Menge ist sog. Festmenge, der gleichbleibende Wert der sog. Festwert. § 240 Abs. 3 Satz 1 HGB normiert ein Wahlrecht. Danach ist es unter bestimmten Voraussetzungen möglich, auf eine gesonderte Bestandsaufnahme zu verzichten und Vermögenswerte mit gleichbleibender Menge sowie Wert im Inventar anzusetzen.7 Von einer jährlichen Bestandaufnahme und der im Regelfall erforderlichen Einzelbewertung kann demnach im Rahmen der Festbewertung abgesehen werden. § 256 Satz 2 HGB eröffnet diese Form der Bewertung auch beim Jahresabschluss.8 Im Anhang sind die Bewertungsmethoden und Abweichungen nach § 284 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 3 HGB zu erläutern (zu Einzelheiten s. § 284 Rz. 39 ff.).9

25 Anwendungsfälle der Festbewertung sind beispielhaft: Hotelgeschirr, Schreib- und Rechenmaschinen, Werk-

zeuge, Büromöbel, Laboreinrichtungen, Gerüst- und Schalungsteile, Signal- und Gleisanlagen, Kantinenvorräte, Ersatzteile und Brennstoffe.10

26 Die Anwendung des § 240 Abs. 3 HGB setzt voraus, dass es sich um Vermögensgegenstände des Sachanlage-

vermögens oder um Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe handelt. Hinsichtlich der Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe dienen die Anschaffungs- und Herstellungskosten als Anhaltspunkte für die Bewertung.11 Orientierungsgröße für die Festbewertung des abnutzbaren Sachanlagevermögens sind die um planmäßige Abschreibungen geminderten Anschaffungs- oder Herstellungskosten.12 Darüber hinaus müssen die Vermögensgegenstände regelmäßig ersetzt werden, in ihrem Gesamtwert von nachrangiger Bedeutung sein und dürfen hinsichtlich Größe, Wert und Zusammensetzung nur geringe Veränderungen aufweisen. Eine körperliche Bestandaufnahme muss idR alle drei Jahre durchgeführt werden, selbst wenn die vorgenannten Voraussetzungen erfüllt sind. 1 ADS6, § 240 HGB Rz. 25; Braun in Kölner Komm. RLR, § 240 HGB Rz. 22. 2 Störk/Philipps in Beck BilKomm.12, § 240 HGB Rz. 27. 3 Näher Drüen in Tipke/Kruse, § 145 AO Rz. 48 ff. (Stand Okt. 2010), insbes. zu technischen Hilfsmitteln in Rz. 53 f. (Stand Feb. 2015). 4 Merkt in Baumbach/Hopt, HGB39, § 240 Rz. 7. 5 ADS6, § 240 HGB Rz. 74; Braun in Kölner Komm. RLR, § 240 HGB Rz. 24. 6 ADS6, § 240 HGB Rz. 74; allgemein Drüen in Großkomm.5, § 256 HGB Rz. 1. 7 Braun in Kölner Komm. RLR, § 240 HGB Rz. 24. 8 Drüen in Großkomm.5, § 256 HGB Rz. 16. 9 Störk/Philipps in Beck BilKomm.12, § 240 HGB Rz. 73; ADS6, § 240 HGB Rz. 110. 10 Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 240 Rz. 26; weitere Anwendungsfälle bei Störk/Philipps in Beck BilKomm.12, § 240 HGB Rz. 125 f. 11 Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 240 Rz. 19. 12 ADS6, § 240 HGB Rz. 100; Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 240 Rz. 19.

28 | Drüen

D. Inventurvereinfachungsverfahren (Abs. 3 und 4) | Rz. 30 § 240

2. Regelmäßiger Ersatz (Abs. 3 Satz 1) Zunächst ist ein regelmäßiger Ersatz der Vermögensgegenstände erforderlich. Ist dies der Fall, so liegt ein 27 gleichbleibender mengen- und preismäßiger Bestand am jeweiligen Stichtag durch Ausgleich von Zu- und Abgängen sowie Abschreibungen vor.1 Nicht zwingend ist indes ein umgehender bzw. in zeitlichen Abschnitten (Monat, Jahr) erfolgender Ersatz. Vielmehr reicht ein Ersatz des Verbrauchs bis zum Ende des Jahres aus.2 3. Nachrangige Bedeutung des Werts (Abs. 3 Satz 1) Darüber hinaus müssen die Vermögensgegenstände hinsichtlich ihres Gesamtwerts für das Unternehmen 28 von nur nachrangiger Bedeutung sein. Das Gesetz verzichtet auf eine Quantifizierung dieser Nachrangigkeit. Eine Orientierung bietet der Anteil des Festwerts am Eigenkapital, am Wert der übergeordneten Bilanzposition oder (maßgeblich) an der Bilanzsumme.3 Die vielfach geforderte Quantifizierung der nachrangigen Bedeutung von Festwerten hat zwar den Vorteil intersubjektiv nachprüfbarer Maßgrößen,4 allerdings variieren bereits die vorgeschlagenen zahlenmäßigen Konkretisierungen zwischen einzelnem Festwert5 und Bilanzsumme mit 5 % oder 10 %.6 Nach aA ist die Summe aller Festwerte maßgeblich,7 wobei eine Nachrangigkeit gegeben sei, wenn diese 5 % der Bilanzsumme nicht übersteige.8 Die Abgrenzung muss indes unter Berücksichtigung des Wesentlichkeitsgrundsatzes individuell für den Einzelfall erfolgen. Maßgeblich ist eine Interessenabwägung zwischen Arbeitsvereinfachung und Informationsverlust, wobei die einzelnen Bilanzrelationen zu überprüfen und heranzuziehen sind.9 4. Geringe Veränderungen des Bestands (Abs. 3 Satz 1) § 240 Abs. 3 Satz 1 HGB setzt schließlich voraus, dass der Bestand nur geringen Veränderungen hinsicht- 29 lich Größe, Wert und Zusammensetzung ausgesetzt ist. Nach hM können verschiedene Vermögensgegenstände zusammengefasst werden, wobei stets ein Funktionszusammenhang gegeben sein muss.10 Die Auslegung des Begriffs „gering“ hat unter Heranziehung der Wesentlichkeit zu erfolgen.11 Das Merkmal „Größe“ ist als Menge der Vermögensgegenstände zu verstehen.12 „Wert“ meint die Preise, welche die Grundlage der Ermittlung des Festwerts darstellen.13 Wann eine Veränderung als gering anzusehen ist, muss im jeweiligen Einzelfall entschieden werden. Maßgeblich ist der jeweilige Stichtag, so dass unterjährige Schwankungen nicht zu beanstanden sind. Vermögensgegenstände mit hohen Preisschwankungen können nicht für eine Festbewertung herangezogen werden.14 Dasselbe gilt für abnutzbare Sachanlagen mit stark unterschiedlichen Restnutzungsdauern.15 Die Vermögensgegenstände, für die ein Festwert angesetzt wird, müssen nicht identisch oder gleichartig sein. Maßgeblich ist die Funktionsgleichheit, die auch wesentliche Preisgleichheit erfordert.16 5. Körperliche Bestandsaufnahme und Anpassung des Festwertes (Abs. 3 Satz 2) Nach § 240 Abs. 3 Satz 2 HGB hat eine Kontrolle im Wege der körperlichen Bestandsaufnahme spätestens 30 im Abstand von drei Jahren zu erfolgen. Dabei sind vor allem mengenmäßige Veränderungen zu überprüfen. Darüber hinaus ist eine körperliche Aufnahme erforderlich, wenn der Festwert erstmalig gebildet wird oder wenn dieser notwendig angepasst wird.17

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17

Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 240 Rz. 21. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 240 Rz. 21. Braun in Kölner Komm. RLR, § 240 HGB Rz. 28. So ADS6, § 240 HGB Rz. 80 mwN. Dafür ADS6, § 240 HGB Rz. 79 mwN. Pöschke in Großkomm.5 § 240 HGB Rz. 48 mwN. Explizit Störk/Philipps in Beck BilKomm.12, § 240 HGB Rz. 86 f. Dazu Pöschke in Großkomm.5 § 240 HGB Rz. 48 mwN. ADS6, § 240 HGB Rz. 81; Braun in Kölner Komm. RLR, § 240 HGB Rz. 28; Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 240 Rz. 22; zustimmend Pöschke in Großkomm.5 § 240 HGB Rz. 49. ADS6, § 240 HGB Rz. 92; Braun in Kölner Komm. RLR, § 240 HGB Rz. 29. Braun in Kölner Komm. RLR, § 240 HGB Rz. 29. ADS6, § 240 HGB Rz. 82 ff. Pöschke in Großkomm.5 § 240 HGB Rz. 50. Pöschke in Großkomm.5 § 240 HGB Rz. 50. ADS6, § 240 HGB Rz. 85 f. ADS6, § 240 HGB Rz. 89. Braun in Kölner Komm. RLR, § 240 HGB Rz. 30.

Drüen | 29

§ 240 Rz. 31 | Inventar 31 Insbesondere bei wesentlichen Veränderungen bezüglich Menge, Preis oder Zusammensetzung des angesetz-

ten Postens hat eine Anpassung des Festwerts zur erfolgen.1 Die Berücksichtigung von mengenmäßigen Veränderungen erfolgt im Rahmen einer Fortschreibung des Festwerts durch Zugänge und Zuschreibungen bzw. Abgänge und Abschreibungen.2 In Anknüpfung an die von der Finanzverwaltung in den Einkommensteuer-Richtlinien3 vorgesehene Abweichungstoleranz kann der Festwert bei Mehrmengen beibehalten werden, sofern die Werterhöhung höchstens 10 % beträgt.4 Im Handelsrecht sind im Interesse der erstrebten Vereinfachung grds. keine strengeren Maßstäbe anzulegen.5 Allerdings darf im jeweiligen Einzelfall der Einblick in die Finanz-, Vermögens- oder Ertragslage nicht beeinträchtigt werden.Bei Mindermengen ist stets eine Anpassung durch Abschreibung oder Abgang erforderlich.6 Nach hM bedürfen laufende Preissteigerungen handelsbilanziell mit Blick auf das Lifo-Verfahren und das Realisationsprinzip7 regelmäßig keiner Berücksichtigung durch Erhöhung des Festwerts.8 Dagegen können nicht geringfügige Preissenkungen den Ansatz eines niedrigeren beizulegenden Werts erfordern.9

III. Gruppen- oder Sammelbewertung (Abs. 4) 1. Allgemeines, Anwendungsfälle und Anwendungsvoraussetzungen im Überblick 32 § 240 Abs. 4 HGB normiert die sog. Gruppen- oder Sammelbewertung als Bewertungsvereinfachungsverfah-

ren für die Inventur, das nach § 256 Satz 2 HGB ebenfalls beim Jahresabschluss zulässig ist.10 In diesem Verfahren ist hinsichtlich bestimmter Vermögensgegenstände der Ansatz mit einem Durchschnittswert möglich. Die Bestandsaufnahme hat nach den allgemeinen Inventuranforderungen zu erfolgen.11 Im Rahmen der Bewertung ist allerdings ein Verzicht auf die Einzelbewertung bei Heranziehung eines gewogenen Durchschnittswerts möglich.12 Im Anhang bedarf es der Erläuterung nach § 284 Abs. 2 Nr. 3 HGB.

33 Typische Anwendungsfälle der Gruppen- oder Sammelbewertung sind ua. Vorräte und Wertpapiere des An-

lage- oder Umlaufvermögens sowie Garantie-, Urlaubs- und versicherungstechnische Rückstellungen (hinsichtlich Schulden).13

34 Der Anwendungsbereich des § 240 Abs. 4 HGB ist eröffnet, wenn es sich um gleichartige Vermögensgegen-

stände des Vorratsvermögens, andere gleichartige oder annähernd gleichwertige bewegliche Vermögensgegenstände des Anlage- oder Umlaufvermögens und gleichartige oder annähernd gleichwertige Schulden handelt.14 2. Gleichartigkeit

35 Gleichartigkeit bedeutet keine Gleichheit der jeweiligen Vermögensgegenstände.15 Das Merkmal ist auf die

Beschaffenheit bzw. Funktion der Vermögensgegenstände und Schulden bezogen.16 Zum Teil wird zusätzlich eine annähernde Gleichwertigkeit als ungeschriebene Voraussetzung der Gleichartigkeit gefordert.17 Diese Forderung findet im Gesetz keine Stütze,18 widerspricht der in § 240 Abs. 4 HGB ausdrücklich vorgenom-

1 Braun in Kölner Komm. RLR, § 240 HGB Rz. 31. 2 ADS6, § 240 HGB Rz. 103 f.; Braun in Kölner Komm. RLR, § 240 HGB Rz. 31. 3 R 5.4 Abs. 3 Satz 2 EStR zur bestandsmäßigen Erfassung des beweglichen Anlagevermögens: „Übersteigt der für diesen Bilanzstichtag ermittelte Wert den bisherigen Festwert um mehr als 10 %, ist der ermittelte Wert als neuer Festwert maßgebend.“ 4 ADS6, § 240 HGB Rz. 102; Störk/Philipps in Beck BilKomm.12, § 240 HGB Rz. 105. 5 Pöschke in Großkomm.5 § 240 HGB Rz. 50. 6 ADS6, § 240 HGB Rz. 102. 7 ADS6, § 240 HGB Rz. 106; Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 240 Rz. 25. 8 Braun in Kölner Komm. RLR, § 240 HGB Rz. 31. 9 Störk/Philipps in Beck BilKomm.12, § 240 HGB Rz. 107; strikter Braun in Kölner Komm. RLR, § 240 HGB Rz. 31. 10 Drüen in Großkomm.5, § 256 HGB Rz. 16. 11 Braun in Kölner Komm. RLR, § 240 HGB Rz. 33. 12 ADS6, § 240 HGB Rz. 112 f. 13 Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 240 Rz. 32. 14 Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 240 Rz. 27. 15 Braun in Kölner Komm. RLR, § 240 HGB Rz. 36. 16 ADS6, § 240 HGB Rz. 120; Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 240 Rz. 28; Störk/Philipps in Beck BilKomm.12, § 240 HGB Rz. 136. 17 ADS6, § 240 HGB Rz. 121 mwN, daran trotz Kritik festhaltend Rz. 123. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 240 Rz. 28. 18 Pöschke in Großkomm.5 § 240 HGB Rz. 61; Störk/Philipps in Beck BilKomm.12, § 240 HGB Rz. 136.

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E. Rechtsfolgen einer Pflichtverletzung | Rz. 39 § 240

menen Differenzierung beider Begriffe und ist nicht sachgerecht.1 Denn die annähernde Gleichwertigkeit als besondere gesetzliche Voraussetzung der Gruppenbewertung „anderer beweglicher Vermögensgegenstände“ kann nicht vor die Klammer gezogen werden, um contra legem eine allgemeine Voraussetzung der Gleichartigkeit zu begründen, die § 240 Abs. 4 HGB für Vermögensgegenstände des Vorratsvermögens gerade nicht verlangt. 3. Annähernde Gleichwertigkeit Die annähernde Gleichwertigkeit bei anderen beweglichen Vermögensgegenständen setzt voraus, dass im 36 Rahmen einer Einzelerfassung und Einzelbewertung annähernd derselbe Wert ermittelt wird, wie bei der Gruppen- oder Sammelbewertung.2 Für das AktG 1965 wurde ein Spielraum von 20 % zwischen höchstem und niedrigstem Preis bei einem geringen Wert der jeweiligen einzelnen Vermögensgegenstände in der Gruppe noch als vertretbar angesehen.3 Für die Praxis sind derartige pauschale Wertgrenzen zwar hilfreich, allerdings überzeugen sie in theoretischer Hinsicht kaum und können darum allenfalls als „Orientierungsmarke“ fungieren.4 Sachgerecht ist eine differenzierte Beurteilung im Einzelfall anhand einer prognostizierten Fehlerauswirkung im Hinblick auf die Beurteilung der Finanz-, Vermögens- oder Ertragslage.5 4. Anwendung des gewogenen Durchschnittswerts Die zu einer Gruppe zusammengefassten Vermögenswerte und Schulden sind mit dem gewogenen Durch- 37 schnittswert anzusetzen.6 Der einfache Durchschnittswert ist unzulässig.7 Zulässig ist die Bewertung sowohl mit dem einfach gewogenen als auch mit dem gleitend gewogenen Durchschnittswert.8 Im Rahmen des einfachen gewogenen Durchschnittswerts werden die jeweiligen Mengen von Anfangsbestand und Zugänge des Jahres mit den jeweils zugehörigen Preisen multipliziert, anschließend die Werte addiert und die sodann erhaltene Summe durch die Summe aus Anfangsbestandmenge und Zugangsmenge dividiert.9 Demgegenüber wird beim gleitenden gewogenen Durchschnittswert nach jedem neuen Zugang ein neuer Durchschnittspreis gebildet und jeder Abgang mit dem neuen Durchschnittspreis bewertet.10 5. Berücksichtigung des Niederstwertprinzips Nach § 253 Abs. 3 HGB ist auch das Niederstwertprinzip zu berücksichtigen, wenn zB die Inventur Quali- 38 tätsminderungen oder vergleichbare Beeinträchtigungen der Verwendbarkeit ergibt.11

E. Rechtsfolgen einer Pflichtverletzung Das Handelsrecht sieht keine besonderen Sanktionen bei Verletzung der in § 240 HGB normierten Pflichten 39 vor. Allerdings kommt uU eine Verwirklichung der Straftatbestände der §§ 283, 283b StGB in Betracht.12 Im Rahmen der Abschlussprüfung nach §§ 316 ff. HGB kann eine Verletzung der Pflichten des § 240 HGB die Versagung oder Einschränkung des Bestätigungsvermerks zur Folge haben (§ 322 Abs. 3, 4 HGB).13

1 Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 240 Rz. 28; Braun in Kölner Komm. RLR, § 240 HGB Rz. 36. 2 Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 240 Rz. 29. 3 Störk/Philipps in Beck BilKomm.12, § 240 HGB Rz. 137; zur Kritik ADS6, § 240 HGB Rz. 127; Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 240 Rz. 29. 4 Zutreffend Pöschke in Großkomm.5, § 240 HGB Rz. 62. 5 Braun in Kölner Komm. RLR, § 240 HGB Rz. 37. 6 Braun in Kölner Komm. RLR, § 240 HGB Rz. 38. 7 Störk/Philipps in Beck BilKomm.12, § 240 HGB Rz. 138. 8 Braun in Kölner Komm. RLR, § 240 HGB Rz. 38; Störk/Philipps in Beck BilKomm.12, § 240 HGB Rz. 139 mit Berechnungsbeispielen. 9 Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 240 Rz. 30; Braun in Kölner Komm. RLR, § 240 HGB Rz. 38. 10 Braun in Kölner Komm. RLR, § 240 HGB Rz. 38; ADS6, § 240 HGB Rz. 129 ff. zu Einzelheiten der Ermittlung des Durchschnittswerts mit Beispielen sowie Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 240 Rz. 30. 11 Braun in Kölner Komm. RLR, § 240 HGB Rz. 39; ADS6, § 240 HGB Rz. 136 f. 12 Pöschke in Großkomm.5 § 240 HGB Rz. 67. 13 Pöschke in Großkomm.5 § 240 HGB Rz. 67.

Drüen | 31

§ 241 | Inventurvereinfachungsverfahren

§ 241 Inventurvereinfachungsverfahren (1) 1Bei der Aufstellung des Inventars darf der Bestand der Vermögensgegenstände nach Art, Menge und Wert auch mit Hilfe anerkannter mathematisch-statistischer Methoden auf Grund von Stichproben ermittelt werden. 2Das Verfahren muss den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entsprechen. 3Der Aussagewert des auf diese Weise aufgestellten Inventars muss dem Aussagewert eines auf Grund einer körperlichen Bestandsaufnahme aufgestellten Inventars gleichkommen. (2) Bei der Aufstellung des Inventars für den Schluss eines Geschäftsjahrs bedarf es einer körperlichen Bestandsaufnahme der Vermögensgegenstände für diesen Zeitpunkt nicht, soweit durch Anwendung eines den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entsprechenden anderen Verfahrens gesichert ist, dass der Bestand der Vermögensgegenstände nach Art, Menge und Wert auch ohne die körperliche Bestandsaufnahme für diesen Zeitpunkt festgestellt werden kann. (3) In dem Inventar für den Schluss eines Geschäftsjahrs brauchen Vermögensgegenstände nicht verzeichnet zu werden, wenn 1. der Kaufmann ihren Bestand auf Grund einer körperlichen Bestandsaufnahme oder auf Grund eines nach Absatz 2 zulässigen anderen Verfahrens nach Art, Menge und Wert in einem besonderen Inventar verzeichnet hat, das für einen Tag innerhalb der letzten drei Monate vor oder der ersten beiden Monate nach dem Schluss des Geschäftsjahrs aufgestellt ist, und 2. auf Grund des besonderen Inventars durch Anwendung eines den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entsprechenden Fortschreibungs- oder Rückrechnungsverfahrens gesichert ist, dass der am Schluss des Geschäftsjahrs vorhandene Bestand der Vermögensgegenstände für diesen Zeitpunkt ordnungsgemäß bewertet werden kann. A. I. II. III.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Stichprobeninventur (Abs. 1) I. Allgemeines und Voraussetzungen (Abs. 1) . . .

1 2 3 4 5

II. Anerkannte mathematisch-statistische Methoden (Abs. 1 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Wahrung der GoB (Abs. 1 Satz 2) . . . . . . . . . . . IV. Gesicherter Aussagewert (Äquivalenz) (Abs. 1 Satz 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Permanente Inventur (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . D. Vor- und nachverlegte Stichtagsinventur (Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

6 7 8 10 17

Literatur: Scherrer/Obermeier, Stichprobeninventur, 1981; AWV, Stichprobeninventur in Vertriebseinrichtungen des Handels, 1984; AWV, Sequentialtest für die Inventur mit Stichproben bei ordnungsmäßiger Lagerbuchführung, 1985; Bruse/Riedlinger, Stichprobeninventuren, DB 1987, 2001; Burkel, Zur Problematik der Lagerinventur mittels Stichprobenverfahren. Die unveränderte Zulässigkeit der Stichprobeninventur nach § 241 Abs. 1 HGB, BB 1987, 29; AWV, Systemgestützte Werkstattinventur, 1989; Gans/Quick, Inventurvereinfachungen: Die Stichprobeninventur, insbesondere das Sequentialtestverfahren, DStR 1995, 1162; Eckmann/Peters, Durchführung der Stichprobeninventur, DB 1996, 488; Jaspers/Meinor, Kostensenkung durch Stichprobeninventur – Zeitliche Gestaltung der Stichtagsinventur durch Kombination mit der Stichprobeninventur, WPg. 2005, 1077; Jaspers, Inventur von Vertriebseinrichtungen des Handels mit Hilfe von Stichprobenverfahren, WPg. 2010, 692; Köhler, Grundlagen der Verfahren der Stichprobeninventur, StBp. 2013, 185; Köhler, Inventur- und Bewertungsvereinfachungsverfahren, StBp 2018, 3; sowie Literatur zu § 240 HGB.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand 1 § 241 HGB regelt verschiedene Inventurvereinfachungsverfahren gegenüber den regulären Inventuranfor-

derungen des § 240 HGB. In Abs. 1 wird die Stichprobeninventur, in Abs. 2 die permanente Inventur und in Abs. 3 die vor- oder nachverlegte Inventur eröffnet und näher geregelt. Zulässig ist auch eine Kombination aus unterschiedlichen Vereinfachungsverfahren hinsichtlich verschiedener Vermögensgegenstände unter Berücksichtigung der jeweiligen Effizienz des Verfahrens.1 Das gilt auch für die Kombination verschie1 Braun in Kölner Komm. RLR, § 241 HGB Rz. 4.

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A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 4 § 241

dener Inventurverfahren miteinander.1 Ebenso besteht die Möglichkeit zur Kombination zwischen Stichprobeninventur und vollständiger körperlicher Erfassung.2 Darüber hinaus ist der Wechsel der Inventurverfahren und somit auch der Inventurvereinfachungsverfahren zulässig, weil das Gebot der Bewertungsmethodenstetigkeit (§ 284 Abs. 2 Nr. 3 HGB; zum Ausweis von Unterschiedsbeträgen s. § 284 Rz. 72 ff.) nicht für das Inventurverfahren gilt.3

II. Bedeutung und Zweck Zweck dieser Verfahren ist die Vereinfachung der Inventur gegenüber den regulären Voraussetzungen nach 2 § 240 Abs. 1 und 2 HGB.4 § 241 HGB ermöglicht eine Abweichung vom Grundsatz der körperlichen Aufnahme.5 Eine solche körperliche Bestandsaufnahme am Ende eines Geschäftsjahrs führt unter Umständen zu erheblichen Kosten und organisatorischen Schwierigkeiten im laufenden Geschäft. Das hat den Gesetzgeber zu handels- und steuerrechtlichen Inventurerleichterungen in Abkehr von den reinen Inventurgrundsätzen bewogen.6 Diese Vereinfachungen sind aufgrund technischer Probleme erforderlich sowie aus ökonomischen Gründen sinnvoll.7 Die Grundform der Inventur stellt die Einzelerfassung im Wege der Vollaufnahme aller Vermögensgegenstände zum Bilanzstichtag dar.8 Die Stichprobeninventur verlangt demgegenüber keine Vollaufnahme bzw. -erhebungen, wodurch das Inventurverfahren erleichtert wird.9 Die permanente und die vor- oder nachverlegte Inventur sind Ausnahmen vom sog. Prinzip der Stichtagsbezogenheit.10 Die Vereinfachungen sind auf das Inventursystem bezogen11 und verteilen den inventurbezogenen Arbeitsaufwand auf das Geschäftsjahr.12 Im Gegensatz zum Festwertverfahren (§ 240 Abs. 3 HGB) kann im Rahmen von § 241 HGB nicht auf die Einzelerfassung verzichtet werden. Diese wird lediglich zu einem anderen Zeitpunkt oder in einem anderen Verfahren als nach allgemeinen Grundsätzen vorgenommen.13

III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften § 241 HGB legt die Voraussetzungen für vereinfachte Verfahren im Rahmen der Aufstellung des Inventars 3 fest.14 Die Inventurvereinfachungsverfahren nach § 241 HGB ergänzen modifizierend die in § 240 Abs. 1 und 2 HGB normierten Vorgaben zur Inventur und zum Inventar.15 Daneben enthält bereits § 240 HGB in Abs. 3 und Abs. 4 Inventurerleichterungen durch Festbewertung sowie Gruppen- und Sammelbewertung (s. § 240 HGB Rz. 24 ff.). Insgesamt sollen die Vereinfachungen einen sachgerechten Ausgleich schaffen, damit die Zwecke der Buchführung mit angemessenen Inventurlasten des Kaufmanns erfüllbar sind (s. § 240 HGB Rz. 2). Der sachliche Anwendungsbereich der Vorschrift beschränkt sich nach ihrem Wortlauft auf Vermögensgegenstände.16 § 241 HGB ist nicht analog auf Schulden anwendbar.17 Im Verhältnis zum Steuerrecht gilt dasselbe wie für die Inventur-Grundnorm des § 240 HGB (s. § 240 HGB Rz. 5).

IV. Rechtsentwicklung § 241 HGB wurde durch das BiRiLiG eingefügt und entspricht weitgehend § 39 Abs. 2–4 HGB aF.18

1 ADS6, § 240 HGB Rz. 45 f. Braun in Kölner Komm. RLR, § 241 HGB Rz. 4. 2 IDW, HFA 1/1990, WPg. 1990, 143 ff. 3 ADS6, § 241 HGB Rz. 42; Braun in Kölner Komm. RLR, § 241 HGB Rz. 3; Störk/Philipps in Beck BilKomm.12, § 241 HGB Rz. 63. 4 Pöschke in Großkomm.5, § 241 HGB Rz. 1. 5 Braun in Kölner Komm. RLR, § 241 HGB Rz. 2. 6 ADS6, § 241 HGB Rz. 1. 7 Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 241 Rz. 1. 8 Pöschke in Großkomm.5, § 241 HGB Rz. 1. 9 Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 241 Rz. 1; Pöschke in Großkomm.5, § 241 HGB Rz. 1. 10 Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 241 Rz. 1; Pöschke in Großkomm.5, § 241 HGB Rz. 1. 11 Pöschke in Großkomm.5, § 241 HGB Rz. 1. 12 ADS6, § 241 HGB Rz. 1. 13 Pöschke in Großkomm.5, § 241 HGB Rz. 1. 14 Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 241 Rz. 1. 15 Pöschke in Großkomm.5, § 241 HGB Rz. 1. 16 Braun in Kölner Komm. RLR, § 241 HGB Rz. 5. 17 Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 241 Rz. 2; Pöschke in Großkomm.5, § 241 HGB Rz. 1. 18 Braun in Kölner Komm. RLR, § 241 HGB Rz. 1; aA ADS6, § 241 HGB Rz. 2.

Drüen | 33

4

§ 241 Rz. 5 | Inventurvereinfachungsverfahren

B. Stichprobeninventur (Abs. 1) I. Allgemeines und Voraussetzungen (Abs. 1) 5 Unter Stichprobeninventur ist die Bestandserhebung von Vermögensgegenständen ohne Vollerhebung zu

verstehen.1 Unter bestimmten Voraussetzungen kann auf mathematisch-statistische Verfahren zur Bestandsermittlung bezüglich Art, Menge und Wert der Vermögensgegenstände zurückgegriffen werden.2 Zunächst erfolgt eine zufällige Auswahl einer vorher bestimmten Zahl von Wirtschaftsgütern aus dem Gesamtbestand (Stichprobe). Bei der Stichprobeninventur handelt es sich mithin nicht um eine eigenständige Inventurmethode, sondern um ein auf Statistik gegründetes Verfahren, um die herkömmliche Totalaufnahme durch ein effizienteres Verfahren zu ersetzen.3 Zweck dieses aufgrund von Stichproben erstellten Inventars ist die Rationalisierung und die damit einhergehende Ersparnis von Kosten und Zeit, weil nicht jede einzelne Bestandsposition erfasst wird.4 Im Wege mathematisch-statistischer Verfahren ist es schließlich möglich, auf Grundlage der Wertverhältnisse hinsichtlich der Vermögensgegenstände eine Aussage bezüglich der Wertverhältnisse der Grundgesamtheit zu treffen.5 Der Aussagewert eines auf diese Weise erstellten Inventars muss nach § 241 Abs. 1 Satz 3 HGB einem durch volle körperliche Bestandsaufnahme entstandenen Inventar entsprechen.6 Demnach müssen folgende Anwendungsvoraussetzungen erfüllt sein: Die Stichprobeninventur muss nach § 241 Abs. 1 HGB eine anerkannte mathematisch-statistische Methode verwenden, das Verfahren muss den GoB entsprechen und der Aussagewert muss derjenigen einer körperlichen Inventur gleichkommen (Aussageäquivalenz).7

II. Anerkannte mathematisch-statistische Methoden (Abs. 1 Satz 1) 6 Mit Hilfe anerkannter mathematisch-statistischer Methoden ist es möglich, die Genauigkeit von durch Stich-

proben geschätzten Gesamtwerten durch wahrscheinlichkeits-theoretische Methoden der Intervallschätzung zu erhöhen und zu verifizieren.8 Die durch Stichproben gewonnen Werte werden im Rahmen dieser Methoden auf die Grundgesamtheit hochgerechnet, so dass ein Schluss von Ergebnissen der Stichprobe auf die Grundgesamtheit möglich ist.9 Daraus folgt eine für Dritte nachprüfbare Quantifizierung der Aussagesicherheiten und der Bestandswerte auf Grundlage einer Zufallsauswahl.10 Darüber hinaus kann auch dem Vorwurf einer selektiven Auswahl der jeweiligen Stichprobe vorgebeugt werden. Eine hinreichende Zahl der auszuwählenden Stichprobenelemente ist Voraussetzung für die Anwendung mathematisch-statistischer Methoden.11

III. Wahrung der GoB (Abs. 1 Satz 2) 7 Im Rahmen der Stichprobeninventur müssen die allgemeinen Inventurgrundsätze beachtet werden, um die

GoB zu wahren (s. § 240 HGB Rz. 14 ff.).12 Danach müssen die Grundsätze der Vollständigkeit, der Richtigkeit, der Einzelerfassung und der Nachprüfbarkeit erfüllt werden.13

IV. Gesicherter Aussagewert (Äquivalenz) (Abs. 1 Satz 3) 8 Das Erfordernis der Aussageäquivalenz (s. Rz. 5) ist sowohl auf den Einzelnachweis im Inventar als auch auf

den Gesamtwert des Inventars bezogen.14 In Bezug auf den Gesamtwert des auf Stichproben begründeten Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 241 Rz. 3. Braun in Kölner Komm. RLR, § 241 HGB Rz. 6. Drüen in Tipke/Kruse, § 145 AO Rz. 52 (Stand Feb. 2015); Jaspers, WPg. 2010, 692. Drüen in Tipke/Kruse, § 145 AO Rz. 52 (Stand Feb. 2015). Quick, Grundsätze ordnungsmäßiger Inventurprüfung, 163; Braun in Kölner Komm. RLR, § 241 HGB Rz. 6. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 241 Rz. 3. Scherrer/Obermeier, Stichprobeninventur, 5; näher IDW, HFA 1/1990, WPg. 1990, 143 ff. Braun in Kölner Komm. RLR, § 241 HGB Rz. 8. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 241 Rz. 4. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 241 Rz. 5. Braun in Kölner Komm. RLR, § 241 HGB Rz. 8; Scherrer/Obermeier, Stichprobeninventur, 26; IDW, HFA 1/1990, WPg. 1990, 143 ff. 12 Braun in Kölner Komm. RLR, § 241 HGB Rz. 12; IDW, HFA 1/1990, WPg. 1990, 143 ff. 13 Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 241 Rz. 8; vgl. IDW, HFA 1/1981 idF 1990, WPg. 1990, 650 (ohne Einzelerfassung); ADS6, § 241 HGB Rz. 9; Störk/Philipps in Beck BilKomm.12, § 241 HGB Rz. 17 ff. (ohne Einzelerfassung). 14 IDW, HFA 1/1990, WPg. 1990, 143 ff.; Braun in Kölner Komm. RLR, § 241 HGB Rz. 9. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

34 | Drüen

C. Permanente Inventur (Abs. 2) | Rz. 13 § 241

Inventars ist ein Sicherheitsgrad von mindestens 95 % erforderlich, wobei ein statistischer Schätzfehler (relativer Stichprobenfehler) von maximal 1 % des Grundgesamtwerts zulässig ist.1 Erforderlich ist, dass alle nach Stichprobenverfahren (Stichprobenplan) ausgewählten Stichprobenglieder voll- 9 ständig aufgenommen und ausgewertet werden.2 Der in § 240 HGB vorausgesetzte Einzelnachweis bzw. die geforderte Einzelerfassung der Vermögensgegenstände nach Art, Menge und Wert ist im Rahmen bestimmter Stichprobenverfahren lediglich durch eine bestandszuverlässige Lagerbuchführung möglich.3 Dabei ist erforderlich, dass Bestände sowie deren Bewegungen art-, mengen- und unter Umständen wertmäßig exakt erfasst werden.4 Zur Sicherung der Bestandzuverlässigkeit der Lagerbuchführung ist ein geeignetes internes Kontrollsystem erforderlich.5 Durch die Stichprobeninventur kann diese Zuverlässigkeit bestätigt werden.6

C. Permanente Inventur (Abs. 2) Nach § 241 Abs. 2 HGB muss bei der Aufstellung des Inventars für den Schluss eines Geschäftsjahres (Bi- 10 lanzstichtag) eine körperliche Bestandsaufnahme der Vermögensgegenstände für diesen Zeitpunkt nicht vorgenommen werden, soweit durch Anwendung eines den GoB entsprechenden anderen Verfahrens (Fortschreibungsverfahren) gesichert ist, dass der Bestand nach Art, Menge und Wert auch ohne körperliche Bestandsaufnahme für diesen Zeitpunkt festgestellt werden kann.7 Hierbei kann die permanente Inventur, welche die körperliche und die buchmäßige Bestandsaufnahme kombiniert, als ein solches Verfahren angesehen werden, das den GoB entspricht.8 Die systemgesteuerte Werkstattinventur und die sog. Einlagerungsinventur sind in diesem Zusammenhang ebenfalls als den GoB entsprechende Verfahren zu nennen.9 Es handelt sich dabei um Sonderformen der permanenten Inventur. Die permanente Inventur stellt eine Buchinventur mit körperlicher Aufnahme dar.10 Art, Menge und Wert 11 der Wirtschaftsgüter zum Bilanzstichtag werden aus der Lagerbuchhaltung in die Bilanz übernommen.11 Die Inventaraufstellung und die körperliche Bestandsaufnahme erfolgen nicht zum identischen Zeitpunkt. Die körperliche Bestandaufnahme wird unterjährig vorgenommen.12 Dadurch wird der Inventuraufwand zeitlich auf das Geschäftsjahr verteilt (s. Rz. 2). Hinsichtlich der bei der körperlichen Bestandsaufnahme bestimmten Arten, Mengen und Werte von Ver- 12 mögensgegenständen erfolgt eine Fortschreibung auf den Bilanzstichtag, indem der festgestellte Ist-Bestand auf Grundlage der Buchungsunterlagen fortgerechnet wird.13 Das setzt eine Aufzeichnung der Ab- und Zugänge zuverlässig nach Tag, Art, Menge und Wert voraus, die im Wege körperlicher Bestandaufnahme regelmäßig zu kontrollieren ist.14 Erforderlich ist eine Dokumentation der Bestandsbewegungen durch Belege (sog. Belegfunktion).15 Darüber hinaus ist mindestens einmal zwischen den jeweiligen Inventurstichtagen ein Vergleich der fort- 13 geschriebenen Soll-Bestände jedes Vermögensgegenstands mit den Ist-Beständen auf Grundlage einer körperlichen Bestandsaufnahme vorzunehmen.16 In der Dokumentation, die zu den Inventurunterlagen gehört, sind sowohl die Durchführung, das Ergebnis als auch der Zeitpunkt der körperlichen Aufnahme aufzuführen.17 Eine Korrektur der Bestandsbuchführung hat nach den Ergebnissen der Ist-Aufnahme zu erfolgen.18 1 IDW, HFA 1/1990, WPg. 1990, 143 ff.; Braun in Kölner Komm. RLR, § 241 HGB Rz. 10. 2 Drüen in Tipke/Kruse, § 145 AO Rz. 52 (Stand Feb. 2015) mwN. 3 Braun in Kölner Komm. RLR, § 241 HGB Rz. 11; Störk/Philipps in Beck BilKomm.12, § 241 HGB Rz. 25 f. „systemnotwendig“. 4 Braun in Kölner Komm. RLR, § 241 HGB Rz. 11. 5 ADS6, § 241 HGB Rz. 15, 13; Störk/Philipps in Beck BilKomm.12, § 241 HGB Rz. 25 ff. 6 ADS6, § 241 HGB Rz. 18; Braun in Kölner Komm. RLR, § 241 HGB Rz. 11. 7 Braun in Kölner Komm. RLR, § 241 HGB Rz. 17. 8 IDW, HFA 1/1990, WPg. 1990, 143 ff.; Braun in Kölner Komm. RLR, § 241 HGB Rz. 17. 9 Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 241 Rz. 15 f. 10 Braun in Kölner Komm. RLR, § 241 HGB Rz. 18. 11 Drüen in Tipke/Kruse, § 145 AO Rz. 51 (Stand Okt. 2010) mwN sowie zum Anwendungsbereich für automatisch gesteuerte Lager mit Freiplatzsystem. 12 Braun in Kölner Komm. RLR, § 241 HGB Rz. 18; Quick, Inventur, 47. 13 Braun in Kölner Komm. RLR, § 241 HGB Rz. 19. 14 Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 241 Rz. 14; IDW, HFA 1/1990, WPg. 1990, 143 ff. 15 Braun in Kölner Komm. RLR, § 241 HGB Rz. 19. 16 IDW, HFA 1/1990, WPg. 1990, 143 ff.; Braun in Kölner Komm. RLR, § 241 HGB Rz. 20. 17 Braun in Kölner Komm. RLR, § 241 HGB Rz. 21. 18 IDW, HFA 1/1990, WPg. 1990, 143 ff.; Braun in Kölner Komm. RLR, § 241 HGB Rz. 21.

Drüen | 35

§ 241 Rz. 14 | Inventurvereinfachungsverfahren 14 Aufgrund von möglichen unkontrollierbaren Bestandsabgängen ist die permanente Inventur nicht bei Ver-

mögensgegenständen mit Gefahr von Schwund, Verdunstung oder Verderb zulässig.1 Dasselbe gilt aus Sicherheitsgründen für besonders wertvolle Vermögensgegenstände. Somit erfolgt die permanente Inventur meist bezüglich des beweglichen Anlagevermögens und bei Gegenständen des Vorratsvermögens.2 Erforderlich ist hierbei ein fortlaufendes Verzeichnis, in dem sämtliche Zu- und Abgänge erfasst sind (sog. Lagerkarteien oder Lagerbücher).3

15 Im Rahmen der Einlagerungsinventur wird die körperliche Bestandsaufnahme grds. lediglich bei der Ein-

lagerung angewendet.4 Dabei müssen die für die permanente Inventur aufgeführten Bedingungen hinsichtlich der zuverlässigen Bestandsermittlung und -bewertung auf Grundlage von Aufzeichnungen gesichert werden.5 Diese Art der Inventur ist möglich, weil bei vollautomatischen Lagersystemen menschliche Eingriffe nicht zu erwarten sind.

16 Die systemgestützte Werkstattinventur stellt eine weitere Sonderform der permanenten Inventur dar. Bei

dieser Form der Inventur erfolgt eine Übernahme der im computergestützten Produktionsplanungs- und Steuerungssystem (PPS) zum Inventurstichtag festgestellten Bestände in das Inventar.6 Werkstattbestände sind hierbei Aufträge in unterschiedlichen Phasen eines Produktionsprozesses.7 Wie im Rahmen der Einlagerungsinventur sind die für die permanente Inventur aufgeführten Bedingungen hinsichtlich der zuverlässigen Bestandsermittlung und -bewertung sicherzustellen.8

D. Vor- und nachverlegte Stichtagsinventur (Abs. 3) 17 Bei der vor- oder nachverlegten Stichtagsinventur wird die Inventur nicht auf den Bilanzstichtag, sondern aus

Vereinfachungsgründen ganz oder teilweise auf einen früheren Stichtag (vorverlegte) oder auf einen späteren Stichtag (nachverlegte Stichtagsinventur) bezogen.9 Eine Abweichung vom Bilanzstichtag ist hierbei bis zu zwei Monate später und bis zu drei Monate früher möglich.10 Im Gegensatz zur Stichtagsinventur und zur permanenten Inventur erfolgt die Aufnahme des Mengengerüsts der Vermögensgegenstände in das Inventar nicht zum Abschlussstichtag.11 Der Bestand ist nach Art, Menge und Wert in einem besonderen Inventar zu erfassen (§ 241 Abs. 3 Nr. 1 HGB). Nach § 241 Abs. 3 Nr. 2 HGB muss bezüglich des Bestands durch ein Fortschreibungs- oder Rückrechnungsverfahren unter Beachtung der GoB eine ordnungsgemäße Bewertung auf den Bilanzstichtag erfolgen.12 Im Rahmen dieses Inventurverfahrens ist die wertmäßige Fortschreibung oder Rückrechnung ausreichend. Sie muss nicht artikelgenau und mengenmäßig vorgenommen werden. Innerhalb des gegebenen Zeitraums ist eine Wahl des Inventurstichtags grds. nach Belieben möglich.13 Dieses Verfahren wird auch als Inventur mit Wertrückrechnung oder Wertfortschreibung bezeichnet.14

18 Im Rahmen der Bewertung muss das Anschaffungskosten- und Niederstwertprinzip berücksichtig werden.15

Wegen der Gefahr fehlerhafter Bewertungen ist dieses Inventurverfahren mit Wertfortschreibung für Vermögensgegenstände mit erheblichen Preisschwankungen, Schwund bzw. Verderb nicht anzuwenden.16

19 Von der vor- und nachverlegten Stichtagsinventur zu trennen ist die ausgeweiteten Stichtagsinventur,17 bei

der die Vornahme der körperlichen Inventur wenige Tage (maximal 10) vor oder nach dem Inventurstichtag erfolgt.18 Wegen der geringen Zeitdifferenz zum Schluss des Geschäftsjahrs müssen dabei die genannten An1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18

Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 241 Rz. 14; IDW, HFA 1/1990, WPg. 1990, 143 ff. Braun in Kölner Komm. RLR, § 241 HGB Rz. 23; Quick, Grundsätze ordnungsmäßiger Inventurprüfung, 152 f. Braun in Kölner Komm. RLR, § 241 HGB Rz. 23. Quick, Inventur, 56. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 241 Rz. 15. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 241 Rz. 16; Vgl. IDW, HFA 1/1990, WPg. 1990, 148; ADS6, § 241 HGB Rz. 31; Bruse/Riedlinger, DB 1987, 2001. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 241 Rz. 16. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 241 Rz. 16. Drüen in Tipke/Kruse, § 145 AO Rz. 50 (Stand Okt. 2010); Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 241 Rz. 17. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 241 Rz. 17. Braun in Kölner Komm. RLR, § 241 HGB Rz. 26; Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 241 Rz. 18. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 241 Rz. 18; Drüen in Tipke/Kruse, § 145 AO Rz. 50 (Stand Okt. 2010). Quick, Inventur, 37 f.; Braun in Kölner Komm. RLR, § 241 HGB Rz. 28. ADS6, § 241 HGB Rz. 32. Störk/Philipps in Beck BilKomm.12, § 241 HGB Rz. 54; Braun in Kölner Komm. RLR, § 241 HGB Rz. 29. Braun in Kölner Komm. RLR, § 241 HGB Rz. 30; Winnefeld, Bilanz-Handbuch5, Kap. B Rz. 105. ADS6, § 241 HGB Rz. 34. ADS6, § 240 HGB Rz. 38; Braun in Kölner Komm. RLR, § 241 HGB Rz. 31.

36 | Drüen

A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 2 § 241a

forderungen der vor- oder nachverlegten Stichtagsinventur nicht erfüllt werden.1 Dennoch muss sichergestellt sein, dass Veränderungen des Bestands durch Belege oder Aufzeichnungen ordnungsgemäß berücksichtigt werden.2

§ 241a Befreiung von der Pflicht zur Buchführung und Erstellung eines Inventars 1

Einzelkaufleute, die an den Abschlussstichtagen von zwei aufeinander folgenden Geschäftsjahren nicht mehr als jeweils 600.000 Euro Umsatzerlöse und jeweils 60.000 Euro Jahresüberschuss aufweisen, brauchen die §§ 238 bis 241 nicht anzuwenden. 2Im Fall der Neugründung treten die Rechtsfolgen schon ein, wenn die Werte des Satzes 1 am ersten Abschlussstichtag nach der Neugründung nicht überschritten werden. A. I. II. III.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Befreiung von der Buchführungs- und Bilanzierungspflicht I. Normadressat (Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 2 3 6

II. Ermittlung und Erfüllung der Schwellenwerte (Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Beginn und Ende der Befreiung nach § 241a HGB (Satz 1, 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsfolgen der Befreiung nach § 241a HGB (Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Verhältnis zur steuerrechtlichen Buchführungspflicht nach §§ 140, 141 AO . . . . . . . . .

9 11 13 15

7

Literatur: Arbeitskreis Bilanzrecht der Hochschullehrer Rechtswissenschaft, Stellungnahme zu dem Entwurf eines BilMoG: Grundkonzept und Aktivierungsfragen, BB 2008, 155; Kersting, Handels- und gesellschaftsrechtliche Auswirkungen der Befreiung „kleiner“ Kaufleute und Personenhandelsgesellschaften von der Buchführungs- und Bilanzierungspflicht, BB 2008, 790; Kußmaul/Meyering, BilMoG-Regierungsentwurf: Wen entlastet § 241a HGB-E?, DB 2008, 1445; Schulze-Osterloh, Ausgewählte Änderungen des Jahresabschlusses nach dem Referentenentwurf eines Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes, DStR 2008, 63; Richter, BilMoG: Befreiung von der handelsrechtlichen Buchführungspflicht gem. § 241a HGB, FR 2009, 804; Ebner, Insolvenzstrafrechtliche Konsequenzen der Einführung der §§ 241a, 242 Abs. 4 HGB zum 29.5.2009, wistra 2010, 92; Marten/Maccari, Die Abschaffung der Buchführungspflicht gemäß § 241a HGB: Zur möglichen Wirkung einer Deregulierungsmaßnahme, in Baumhoff/Dücker/Köhler (Hrsg.), Besteuerung, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, FS Krawitz, 2010, 650; Brähler/Krenzin/Scholz, Bürokratieabbau durch das BilMoG – Eine empirische Untersuchung der Befreiung kleiner Einzelkaufleute von der Bilanzierungspflicht; StuW 2013, 173; Zwirner/Kähler, Befreiung von der Pflicht zur Buchführung und Erstellung eines Inventars nach § 241a HGB, DStR 2015, 2732.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand § 241a HGB befreit Einzelkaufleute, die grds. nach § 238 Abs. 1 Satz 1 HGB der Buchführungspflicht un- 1 terliegen, von den handelsrechtlichen Buchführungs- und Inventarisierungsvorschriften, wenn sie bestimmte Schwellenwerte hinsichtlich des Jahresüberschusses und der Umsatzerlöse nicht überschreiten.3

II. Bedeutung und Zweck § 241a HGB bezweckt nach dem Willen des Gesetzgebers die Entlastung von Einzelkaufleuten, die nur ein 2 relativ geringes Umsatzvolumen aufweisen.4 Der Gesetzgeber geht davon aus, dass diese Einzelkaufleute 1 Braun in Kölner Komm. RLR, § 241 HGB Rz. 31. 2 Drüen in Tipke/Kruse, § 145 AO Rz. 50 (Stand Okt. 2010). 3 Drüen in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 140 AO Rz. 11a (Stand Okt. 2012); Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 241a Rz. 1; Pöschke in Großkomm.5, § 241a HGB Rz. 1. 4 Pöschke in Großkomm.5, § 241a HGB Rz. 2.

Drüen | 37

§ 241a Rz. 2 | Befreiung von der Pflicht zur Buchführung und Erstellung eines Inventars idR auf eine zahlungsorientierte Überschuss-Rechnung nach § 4 Abs. 3 EStG als kostengünstigere Rechnungslegung zurückgreifen.1 § 241a HGB soll kleine Einzelkaufleute unterjährig von Buchführungsangelegenheiten entlasten, indem sie sich auf die Erfassung und Verwahrung von Belegen beschränken können.2 Durch die weitgehende Reduzierung von Beratungserfordernissen können kleine Kaufleute in erheblichem Maße Kosten und Zeit sparen. Umstritten ist, ob die bezweckte umfassende Deregulierung mit erheblichen Einsparungspotentialen3 tatsächlich durch § 241a HGB erreicht wird.4 Jedenfalls hält der Gesetzgeber durch Anhebung der Schwellenwerte seit 2016 (s. Rz. 6) an dem Deregulierungsziel fest.

III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 3 § 241a HGB ist eine Befreiungsvorschrift. Trotz der Kaufmannseigenschaft besteht keine Pflicht zur Buch-

führung,5 wenn der Kaufmann nach § 241a HGB hiervon befreit ist.6 Rechtsfolge des § 241a ist ein Wahlrecht für Einzelkaufleute.7 Da es sich bei § 241a HGB nach dem eindeutigen Wortlaut um eine Kann-Bestimmung handelt, besteht kein Verbot der Buchführung und Bilanzierung, wenn die angegebenen Schwellenwerte eingehalten werden.8 Der Kaufmann muss die Befreiung von §§ 238–241 HGB nicht in Anspruch nehmen.9 § 241a HGB ergänzt § 242 Abs. 4 HGB mit der Befreiung von der Pflicht zur Aufstellung von Eröffnungsbilanz und Jahresabschlüssen.10 § 242 Abs. 4 HGB setzt voraus, dass der Einzelkaufmann die Voraussetzungen des § 241a HGB erfüllt und die eröffnete Befreiung in Anspruch nimmt.

4 § 241a HGB hat denkbare Rückwirkungen auf die Kaufmannseigenschaft, die der Gesetzgeber teilweise

nicht intendiert hat und die umstritten sind.11 Die Buchführungspflicht ist Kaufmannspflicht (s. § 238 HGB Rz. 5). Der Gesetzgeber hat durch § 241a HGB bewusst die bisher bestehende Verknüpfung zwischen Kaufmannseigenschaft und der daran anknüpfenden handelsrechtlichen Buchführungspflicht teilweise aufgegeben.12 § 241a HGB bewirkt eine Abkoppelung der Kaufmannseigenschaft von der Buchführungspflicht und hat eine neue Kategorie des nichtbuchführungspflichtigen Kaufmanns eingeführt.13 Für den von der Buchführungs- und Inventarpflicht befreiten Einzelkaufmann bleibt die Kaufmannseigenschaft erhalten.14 § 241a HGB lässt die von ihm nicht erfassten Pflichten des Kaufmanns unberührt.15 Dagegen hat die Einführung des § 241a HGB keinen Rückschlag auf die Definition des Kaufmanns und des in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetriebes nach § 1 HGB.16

5 Die handelsrechtliche Befreiung steht entwicklungsgeschichtlich (s. Rz. 6) und systematisch in engem Ver-

hältnis zu §§ 140, 141 AO (s. Rz. 15 f.).

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15

16

Vgl. BR-Drucks. 344/08, 70; Pöschke in Großkomm.5, § 241a HGB Rz. 2. Claussen in Kölner Komm. RLR, § 241a HGB Rz. 3. Vgl. Begründung RegE BilMoG, BT-Drucks. 16/10067, 1. Pöschke in Großkomm.5, § 241a HGB Rz. 2; zur Empirie Brähler/Krenzin/Scholz, StuW 2013, 173. AA Kußmaul/Meyering in Petersen/Zwirner, BilMoG, 2009, 381, wonach dennoch eine „formelle“ Buchführungspflicht bestehe. Drüen in Tipke/Kruse, § 140 AO Rz. 20a (Stand Okt. 2012). Merkt, in Baumbach/Hopt, HGB39, § 241a Rz. 1; Störk/Lawall in Beck BilKomm.12, § 241a HGB Rz. 6; Claussen in Kölner Komm. RLR, § 241a HGB Rz. 9 bezeichnet § 241a HGB als „Rechtswohltat“. Claussen in Kölner Komm. RLR, § 241a HGB Rz. 9. Pöschke in Großkomm.5, § 241a HGB Rz. 8 mwN, auch zur Frage einer partiellen Inanspruchnahme der Befreiung. BT-Drucks. 16/10067, 47; Drüen in Tipke/Kruse, § 140 AO Rz. 11a (Stand Okt. 2012); Pöschke in Großkomm.5, § 241a HGB Rz. 1. Dazu Pöschke in Großkomm.5, § 241a HGB Rz. 12 mwN. BT-Drucks. 16/10067, 46; Ernst/Naumann, Das neue Bilanzrecht 2009, 49. Drüen in Tipke/Kruse, § 140 AO Rz. 11a (Stand Okt. 2012); ähnlich Kersting, BB 2008, 790 (792): „Kaufmann minderen Rechts“. Kritisch Schulze-Osterloh, DStR 2008, 71: „§ 241a HGB als Fremdkörper“. Pöschke in Großkomm.5, § 241a HGB Rz. 12; aA nur im Ansatz Claussen in Kölner Komm. RLR, § 241a HGB Rz. 3, der § 241a HGB rechtsdogmatisch als Ausnahme von der herkömmlichen Kaufmannsdefinition des § 1 HGB ansieht. Pöschke in Großkomm.5, § 241a HGB Rz. 12; insoweit auch Claussen in Kölner Komm. RLR, § 241a HGB Rz. 3, unter Hinweis auf fortbestehende „außergesetzliche Kaufmannspflichten“ und die „Grundsätze eines ordentlichen Kaufmannes“, wozu er ua. die Organisation eines zweckentsprechenden Einkaufs, eines Verkaufs und einer Fertigung und die „Pflicht zur angemessenen Menschenführung“ rechnet. Pöschke in Großkomm.5, § 241a HGB Rz. 12; aA Claussen in Kölner Komm. RLR, § 241a HGB Rz. 2.

38 | Drüen

B. Befreiung von der Buchführungs- und Bilanzierungspflicht | Rz. 9 § 241a

IV. Rechtsentwicklung § 241a HGB wurde im Zuge der Bilanzrechtsmodernisierung eingeführt.1 Einen direkten Vorläufer der 6 Vorschrift gibt es – abgesehen von Wesentlichkeitsgrundsätzen – ebenso wenig wie europarechtliche Vorgaben zur Freistellung von Kleinunternehmen von der Pflicht zur Bilanzierung.2 Die Schwellenwerte des § 241a HGB orientieren sich bewusst an den steuerrechtlichen Buchführungsgrenzen des § 141 Abs. 1 AO.3 Im Referentenentwurf für das BilMoG war noch neben der Befreiung für Einzelkaufleute die Befreiung für (kleine) Personengesellschaften vorgesehen.4 Der Regierungsentwurf beschränkte die Anwendung der Befreiung nach § 241a HGB schließlich auf Einzelkaufleute.5 Im Bundesrat wurde anschließend erneut eine Befreiung für kleine Personengesellschaften verlangt.6 Dem folgte die Bundesregierung nicht, weil sie es für tunlich hielt, zunächst der Wissenschaft eine fundierte Auseinandersetzung hinsichtlich der mit der Befreiung für Personenhandelsgesellschaften und Genossenschaften verbundenen gesellschaftsrechtlichen Folgefragen zu ermöglichen.7 § 241a HGB beschränkt in seiner Endfassung die Deregulierungsfunktion ausschließlich auf Einzelkaufleute.8 Die Befreiung für Einzelkaufleute nach § 241a HGB ist erstmals für das Geschäftsjahr anzuwenden, das nach dem 31.12.2007 begonnen hat (Art. 66 Abs. 1 EGHGB). Der Gesetzgeber hat an seinem Entlastungswillen für Einzelkaufleute festgehalten und durch das Bürokratieentlastungsgesetz v. 28.7.20159 die Schwellenwerte des § 241a HGB für die Umsatzerlöse von 500.000 € auf 600.000 € und für den Jahresüberschuss von 50.000 € auf 60.000 € angehoben. Die Erhöhung ist erstmals auf Geschäftsjahre anzuwenden, die nach dem 31.12.2015 beginnen (Art. 76 Satz 1 EGHGB). Parallel wurden auch die steuerrechtlichen Buchführungsgrenzen des § 141 Abs. 1 AO ab 2016 erhöht.10

B. Befreiung von der Buchführungs- und Bilanzierungspflicht I. Normadressat (Satz 1) Nach § 241a HGB müssen Einzelkaufleute, die an den Abschlussstichtagen von zwei aufeinander folgenden 7 Geschäftsjahren nicht mehr als 600.000 € Umsatzerlöse und 60.000 € Jahresüberschuss aufweisen, die §§ 238–241 HGB nicht anwenden. Die Befreiung nach § 241a HGB ist begrenzt auf „Einzelkaufleute“, während Formkaufleute (§ 6 Abs. 2 8 HGB) und Personengesellschaften (s. Rz. 6) nicht in den persönlichen Anwendungsbereich der Norm fallen.11 Einzelkaufleute sind natürliche Personen mit Kaufmannsstatus. Dazu muss der Unternehmer ein Handelsgewerbe betreiben, das nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert (§ 1 Abs. 1 und 2 HGB). Auf die Art des Unternehmensgegenstands des Einzelkaufmanns und seine Finanzierungsaktivitäten12 kommt es nicht an.13 § 241a HGB gilt auch für den Kann-Kaufmann nach § 2 HGB14 und eingetragene Land- und Forstwirte nach § 3 Abs. 2 HGB.15

II. Ermittlung und Erfüllung der Schwellenwerte (Satz 1) Die Schwellenwerte des § 241a HGB von 600.000 € für den Umsatz und 60.000 € hinsichtlich des Jahresüber- 9 schusses sind auf den Umsatz sowie Jahresüberschuss des Geschäftsjahres bezogen und müssen kumulativ

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts (BilMoG) v. 25.5.2009, BGBl. I 1102. Claussen in Kölner Komm. RLR, § 241a HGB Rz. 1. BT-Drucks. 16/10067, 46. Claussen in Kölner Komm. RLR, § 241a HGB Rz. 1. RegE des BilMoG, BT-Drucks. 16/10067, 146. Stellungnahme des Bundesrats, BR-Drucks. 344/08, 1. BT-Drucks. 16/10067, 47; Ernst/Naumann, Das neue Bilanzrecht 2009, 51. Claussen in Kölner Komm. RLR, § 241a HGB Rz. 2. BürokratieEntlG v. 28.7.2015, BGBl. I 1400. Dazu Drüen in Tipke/Kruse, § 141 AO Rz. 1 ff. (Stand Okt. 2015). Störk/Lawall in Beck BilKomm.12, § 241a HGB Rz. 2. Eine im Gesetzgebungsverfahren erwogene Ausnahme von der Befreiung bei kapitalmarktorientierten Einzelkaufleuten wurde nicht umgesetzt. 13 Pöschke in Großkomm.5, § 241a HGB Rz. 3; unrichtig der überholte Bezug auf „nicht kapitalmarktorientierte Einzelkaufleute“ bei Claussen in Kölner Komm. RLR, § 241a HGB Rz. 5. 14 Claussen in Kölner Komm. RLR, § 241a HGB Rz. 4. 15 Störk/Lawall in Beck BilKomm.12, § 241a HGB Rz. 2.

Drüen | 39

§ 241a Rz. 9 | Befreiung von der Pflicht zur Buchführung und Erstellung eines Inventars erfüllt sein.1 Für die Ermittlung dieser Begriffe sind beim Jahresüberschuss die § 252 Abs. 1 Nr. 5, § 266 Abs. 3 Nr. A V, § 275 Abs. 2 Nr. 20 oder Abs. 3 Nr. 19 HGB und bei den Umsatzerlösen die Grundsätze in § 277 HGB maßgeblich.2 § 241a HGB knüpft die Befreiung an starre gesetzlich vorgegebene Schwellenwerte,3 die trotz des mit ihnen einhergehenden „Fallbeileffekts“4 weder eingegrenzt noch ausgeweitet werden können.5 10 Die Ermittlung der Schwellenwerte erfolgt ohne eine Pflicht zu deren Entnahme aus einer handelsrecht-

lichen GuV nach § 275 Abs. 2 Nr. 1 HGB, weil dies dem Zweck der Befreiungsnorm (s. Rz. 2) und der Gesetzesbegründung6 zuwiderlaufen würde.7 Eine Ermittlung der Umsatzerlöse und des Jahresüberschusses aufgrund einer Überschlagsrechnung unter Beachtung von handelsrechtlichen allgemeinen Grundsätzen ist ausreichend.8 Sofern sich Einzelkaufleute hinsichtlich der Schwellenwerte dauerhaft im Grenzbereich befinden, sollten sie im Wege der realistischen Prognosen und Planung prüfen, ob sie trotz ihres Finanzierungsbedarfs und etwaiger Kreditaufnahmen von § 241a HGB Gebrauch machen wollen.9

III. Beginn und Ende der Befreiung nach § 241a HGB (Satz 1, 2) 11 Bei einem laufenden Unternehmen tritt die Befreiung nach § 241a HGB zu Beginn des folgenden Ge-

schäftsjahres ein, nachdem die Schwellenwerte zweifach unterschritten wurden.10 Im Fall von Neugründungen tritt die Befreiung aufgrund der besonderen Anordnung in § 241a Satz 2 HGB bereits dann ein, wenn die Voraussetzungen des § 241a Satz 1 HGB am ersten Abschlussstichtag nach der Neugründung vorliegen. Somit ist der erste Abschlussstichtag nach der Gründung abzuwarten und zu prüfen, ob beide Schwellenwerte nicht überschritten werden.11 Für das Rumpfgeschäftsjahr der Neugründung sind Umsatzerlöse und Gewinne auf volle zwölf Monate hochzurechnen, um das Unterschreiten der Schwellenwerte sachgerecht beurteilen zu können.12

12 Das erstmalige Überschreiten eines Schwellenwerts führt zum Ende der Befreiung nach § 241a HGB.13 Mit

Ende der Befreiung von der Buchführungspflicht nach § 241a HGB ist der Kaufmann wieder handelsrechtlich zur Buchführung verpflichtet.14 Aufgrund der Tatsache, dass ein Entfallen der Befreiung nur für die Zukunft möglich ist,15 finden ab Beginn des der Überschreitung folgenden Geschäftsjahres die regulären kaufmännischen Abschluss- und Buchführungspflichten Anwendung.16 Die Schwellenwerte der § 241a HGB sind nicht rückwirkend,17 sondern zukunftsgerichtet zu beurteilen. Denn das Wahlrecht des § 241a HGB ist nicht rückwirkend anzuwenden, sondern kann nur für die Zukunft ausgeübt oder versagt werden.18 Für die Prognose des Unter- oder Überschreitens der Schwellenwerte bedarf es einer „überschlägigen“ Berechnung, ohne dass das Gesetz Einzelheiten dafür regelt.19

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7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19

Claussen in Kölner Komm. RLR, § 241a HGB Rz. 6. Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach dem BilMoG, 2009, 3. Kritisch insgesamt Schulze-Osterloh, DStR 2008, 71; Richter, FR 2009, 804 f. Kußmaul/Meyering, DB 2008, 446. Claussen in Kölner Komm. RLR, § 241a HGB Rz. 5. BT-Drucks. 16/10067, 46 f.: „Es ist nicht erforderlich, dass ein Jahresabschluss nach Maßgabe der handelsrechtlichen Vorschriften aufgestellt werden muss, um festzustellen, dass eine gesetzliche Verpflichtung dazu nicht besteht. Es genügt hier, wenn nach überschlägiger Ermittlung unter Berücksichtigung der handelsrechtlichen Vorschriften zum Jahresabschluss ein Überschreiten der Schwellenwerte nicht zu erwarten ist. In entsprechender Weise ist fortdauernd zu überwachen, ob die Befreiungsvoraussetzungen vorliegen.“ Claussen in Kölner Komm. RLR, § 241a HGB Rz. 7, 13. BR-Drucks. 43/08, 100; Drüen in Tipke/Kruse, § 140 Rz. 20a (Stand Okt. 2012). Dies ratend Claussen in Kölner Komm. RLR, § 241a HGB Rz. 8. Drüen in Tipke/Kruse, § 140 AO Rz. 20a (Stand Okt. 2012); weitere Einzelheiten zum Beginn der Befreiung nach § 241a HGB s. Richter, FR 2009, 804, 807 ff. Drüen in Tipke/Kruse, § 140 AO Rz. 20a (Stand Okt. 2012). Pöschke in Großkomm.5, § 241a HGB Rz. 7; aA Störk/Lawall in Beck BilKomm.12, § 241a HGB Rz. 5. Schulze-Osterloh, DStR 2008, 71. Steuerlich über § 140 AO; Drüen in Tipke/Kruse, § 140 AO Rz. 20a (Stand Okt. 2012). Zutreffend Pöschke in Großkomm.5, § 241a HGB Rz. 10 mwN. Schulze-Osterloh, DStR 2008, 71; Drüen in Tipke/Kruse, § 140 AO Rz. 20a (Stand Okt. 2012). Dafür aber Zwirner/Kähler, DStR 2015, 2732 f. Merkt, in Baumbach/Hopt, HGB39, § 241a Rz. 2; Störk/Lawall in Beck BilKomm.12, § 241a HGB Rz. 8. Graf in Haufe BilKomm.10, § 241a HGB Rz. 20 f.

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C. Verhältnis zur steuerrechtlichen Buchführungspflicht nach §§ 140, 141 AO | Rz. 17 § 241a

IV. Rechtsfolgen der Befreiung nach § 241a HGB (Satz 1) Die Rechtsfolge des § 241a HGB ist ein Wahlrecht (s. Rz. 3) der Befreiung von den Kaufmannspflichten der 13 §§ 238–241 HGB. § 241a HGB dispensiert nicht von der Pflicht zur Aufbewahrung des § 257 HGB, so dass auch Einzelkaufleute, die nach § 241a HGB von der Buchführungspflicht befreit sind, ihre an Stelle der Bücher tretenden Aufzeichnungen (s. Rz. 14) aufzubewahren haben.1 § 241a HGB regelt nicht, was an die Stelle der Vorgaben der §§ 238 ff. HGB tritt, so dass im Ausgangspunkt 14 handelsrechtlich „alles offen ist“.2 In der Praxis tritt – entsprechend der Intention des Gesetzgebers (s. Rz. 2) – eine primär zahlungsorientierte betriebliche Einnahmen-Ausgaben-Rechnung nach Maßgabe des § 4 Abs. 3 EStG.3 Eine handelsrechtliche Pflicht dazu begründet § 241a HGB indes nicht. Vielmehr ist der Kaufmann hinsichtlich seiner Dokumentation frei, solange er beurteilen kann, ob er die Schwellenwerte des § 241a HGB überschreitet. Dafür sind auch im Fall einer an § 4 Abs. 3 EStG ausgerichteten Überschussrechnung handelsrechtliche Prinzipien (insbes. die Erfolgsneutralität von Anschaffungskosten und eine periodengerechte Gewinnermittlung) maßgebend.4

C. Verhältnis zur steuerrechtlichen Buchführungspflicht nach §§ 140, 141 AO Die Befreiungsvorschrift des § 241a HGB steht entwicklungsgeschichtlich und systematisch in engen Zusam- 15 menhang zu der steuerrechtlichen Buchführungspflicht. Das zeigt bereits die Bezugnahme auf § 141 AO im Gesetzgebungsverfahren bei Einführung des § 241a HGB und die jüngste parallele Anhebung der Schwellenwerte ab 2016 (s. Rz. 6). § 241a HGB korrespondiert betragsmäßig mit den Schwellenwerten der steuerrechtlichen Buchführungspflicht nach § 141 Abs. 1 AO.5 Voraussetzungen und Rechtsfolgen beider Regelungen sind aber nicht deckungsgleich,6 vielmehr bestehen sachliche und zeitliche Diskrepanzen.7 Neben den Bezugsgrößen Umsatz und Gewinn8 ist bereits der Beurteilungszeitraum abweichend, weil das Handelsrecht – außer bei Neugründungen – auf einen Zwei-Jahreszeitraum abstellt, während eine steuerrechtliche Buchführungspflicht nach § 141 Abs. 2 AO grds. auch bei einmaligem Überschreiten der Buchführungsgrenzen eingreift.9 Für § 241a HGB sind verfahrensrechtliche Vorkehrungen hinsichtlich Beginn und Ende der Befreiung entsprechend § 141 Abs. 2 AO gesetzlich nicht vorgesehen. Steuerrechtlich endet die Buchführungspflicht nicht wie nach § 241a HGB automatisch nach zweimaligem Unterschreiten der Schwellenwerte, sondern erst mit dem Ablauf des Wirtschaftsjahres, das auf das Wirtschaftsjahr folgt, in dem die Finanzbehörde die Voraussetzungen nach § 141 Abs. 1 AO als nicht mehr gegeben feststellt.10 Insgesamt besteht danach keine Kongruenz zwischen der Befreiung nach § 241a HGB und der Buchführungspflicht nach § 141 AO,11 sondern lediglich eine „Annäherung“ durch das BilMoG.12 Das Zusammenwirken von § 241a HGB mit § 140 AO ist einfach: § 140 AO knüpft akzessorisch an das 16 Handelsrecht an. Die handelsrechtliche Befreiung nach § 241a HGB führt zugleich dazu, dass auch keine abgeleitete steuerrechtliche Buchführungspflicht nach § 140 HGB besteht.13 Endet die handelsrechtliche Befreiung nach § 241a HGB, ist der Kaufmann auch steuerrechtlich über § 140 AO zur Buchführung verpflichtet, ohne dass es einer Mitteilung der Finanzbehörde bedarf.14 Schwieriger ist das Zusammenwirken von § 241a HGB mit § 141 AO: Trotz der handelsrechtlichen Befrei- 17 ung nach § 241a HGB kann im Einzelfall eine originär steuerrechtliche Buchführungspflicht nach § 141

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Störk/Philipps in Beck BilKomm.12, § 257 HGB Rz. 1. So Störk/Lawall in Beck BilKomm.12, § 241a HGB Rz. 7. Pöschke in Großkomm.5, § 241a HGB Rz. 11; Störk/Lawall in Beck BilKomm.12, § 241a HGB Rz. 7. Pöschke in Großkomm.5, § 241a HGB Rz. 5. Claussen in Kölner Komm. RLR, § 241a HGB Rz. 11. Claussen in Kölner Komm. RLR, § 241a HGB Rz. 11 f.; Rätke in Klein, AO14, § 141 Rz. 2; Störk/Lawall in Beck BilKomm.12, § 241a HGB Rz. 10. Briesemeister in Prinz/Kanzler, Handbuch Bilanzsteuerrecht3, Rz. 50 ff.; Richter, FR 2009, 804, 806 f. Claussen in Kölner Komm. RLR, § 241a HGB Rz. 11. Dazu und zum Folgenden Drüen in Tipke/Kruse, § 141 AO Rz. 1a (Stand Okt. 2015). Claussen in Kölner Komm. RLR, § 241a HGB Rz. 11. Bereits BT-Drucks. 16/10067, 46 räumte ein, dass beide Vorschriften „in Randbereichen nicht kongruent“ seien. Claussen in Kölner Komm. RLR, § 241a HGB Rz. 12. Drüen in Tipke/Kruse, § 140 AO Rz. 11a (Stand Okt. 2012); Pöschke in Großkomm.5, § 241a HGB Rz. 4; Rätke in Klein, AO14, § 140 Rz. 5. Drüen in Tipke/Kruse, § 140 AO Rz. 20a (Stand Okt. 2012).

Drüen | 41

§ 241a Rz. 17 | Befreiung von der Pflicht zur Buchführung und Erstellung eines Inventars AO bestehen.1 § 241a HGB hat keine Auswirkung auf die originäre Buchführungspflicht2 und sperrt diese nicht. So tritt handelsrechtlich nach zweifacher Unterschreitung der Schwellenwert die Befreiung nach § 241a HGB ein, während steuerrechtlich die Buchführungspflicht wegen der Mitteilung nach § 141 Abs. 2 AO fortbestehen kann.3 Die Befreiung des Kaufmanns nach § 241a HGB kann, muss aber wegen divergierender Voraussetzungen nicht mit einer Freistellung von einer steuerrechtlichen Buchführungspflicht nach § 141 AO einhergehen (s. Rz. 15). Das Auseinanderlaufen beider Regelungen beeinträchtigt indes das gesetzgeberische Deregulierungsziel (s. Rz. 2) und ist rechtspolitisch fragwürdig. Bei der Rechtsanwendung ist der fehlende Gleichlauf aber mangels eines verfassungsrechtlichen Ansatzpunkts hinzunehmen.

Zweiter Unterabschnitt Eröffnungsbilanz. Jahresabschluß Erster Titel Allgemeine Vorschriften

§ 242 Pflicht zur Aufstellung (1) 1Der Kaufmann hat zu Beginn seines Handelsgewerbes und für den Schluss eines jeden Geschäftsjahrs einen das Verhältnis seines Vermögens und seiner Schulden darstellenden Abschluß (Eröffnungsbilanz, Bilanz) aufzustellen. 2Auf die Eröffnungsbilanz sind die für den Jahresabschluss geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden, soweit sie sich auf die Bilanz beziehen. (2) Er hat für den Schluss eines jeden Geschäftsjahrs eine Gegenüberstellung der Aufwendungen und Erträge des Geschäftsjahrs (Gewinn- und Verlustrechnung) aufzustellen. (3) Die Bilanz und die Gewinn- und Verlustrechnung bilden den Jahresabschluß. (4) 1Die Absätze 1 bis 3 sind auf Einzelkaufleute im Sinn des § 241a nicht anzuwenden. 2Im Fall der Neugründung treten die Rechtsfolgen nach Satz 1 schon ein, wenn die Werte des § 241a Satz 1 am ersten Abschlussstichtag nach der Neugründung nicht überschritten werden. A. I. II. III.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verhältnis zu anderen Vorschriften a) Verhältnis zu anderen Vorschriften des HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verhältnis zu steuerlichen Vorschriften c) Verhältnis zum PublG . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Eröffnungsbilanz und Jahresbilanz (Abs. 1) I. Eröffnungsbilanz (Abs. 1 Satz 1) 1. Aufstellungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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II. C. D. E.

2. Aufstellungszeitpunkt a) Einzelkaufmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Personenhandelsgesellschaften . . . . . . . c) Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . d) Umwandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Aufstellungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Vorschriften zur Aufstellung der Eröffnungsbilanz (Abs. 1 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Sanktionen bei Pflichtverletzung . . . . . . . . . Jahresbilanz (Abs. 1 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . Gewinn- und Verlustrechnung (Abs. 2) . . . . . Bestandteile des Jahresabschlusses (Abs. 3) . . Größenabhängige Befreiung von den Aufstellungspflichten (Abs. 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Literatur: Blumers, Bilanzierungsfristen, DB 1986, 2033; Schellein, Rechnungslegung der Personenhandelsgesellschaften, WPg. 1988, 693; Sarx, Bilanzierungsfragen im Rahmen einer Eröffnungsbilanz, DStR 1991, 692; Rodewald, Auf1 Pöschke in Großkomm.5, § 241a HGB Rz. 4; Rätke in Klein, AO14, § 141 Rz. 2; ebenso BMF, AEAO § 141 Rz. 1 Satz 2. 2 Claussen in Kölner Komm. RLR, § 241a HGB Rz. 12. 3 Drüen in Tipke/Kruse, § 141 AO Rz. 1a (Stand Okt. 2015) mwN.

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§ 241a Rz. 17 | Befreiung von der Pflicht zur Buchführung und Erstellung eines Inventars AO bestehen.1 § 241a HGB hat keine Auswirkung auf die originäre Buchführungspflicht2 und sperrt diese nicht. So tritt handelsrechtlich nach zweifacher Unterschreitung der Schwellenwert die Befreiung nach § 241a HGB ein, während steuerrechtlich die Buchführungspflicht wegen der Mitteilung nach § 141 Abs. 2 AO fortbestehen kann.3 Die Befreiung des Kaufmanns nach § 241a HGB kann, muss aber wegen divergierender Voraussetzungen nicht mit einer Freistellung von einer steuerrechtlichen Buchführungspflicht nach § 141 AO einhergehen (s. Rz. 15). Das Auseinanderlaufen beider Regelungen beeinträchtigt indes das gesetzgeberische Deregulierungsziel (s. Rz. 2) und ist rechtspolitisch fragwürdig. Bei der Rechtsanwendung ist der fehlende Gleichlauf aber mangels eines verfassungsrechtlichen Ansatzpunkts hinzunehmen.

Zweiter Unterabschnitt Eröffnungsbilanz. Jahresabschluß Erster Titel Allgemeine Vorschriften

§ 242 Pflicht zur Aufstellung (1) 1Der Kaufmann hat zu Beginn seines Handelsgewerbes und für den Schluss eines jeden Geschäftsjahrs einen das Verhältnis seines Vermögens und seiner Schulden darstellenden Abschluß (Eröffnungsbilanz, Bilanz) aufzustellen. 2Auf die Eröffnungsbilanz sind die für den Jahresabschluss geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden, soweit sie sich auf die Bilanz beziehen. (2) Er hat für den Schluss eines jeden Geschäftsjahrs eine Gegenüberstellung der Aufwendungen und Erträge des Geschäftsjahrs (Gewinn- und Verlustrechnung) aufzustellen. (3) Die Bilanz und die Gewinn- und Verlustrechnung bilden den Jahresabschluß. (4) 1Die Absätze 1 bis 3 sind auf Einzelkaufleute im Sinn des § 241a nicht anzuwenden. 2Im Fall der Neugründung treten die Rechtsfolgen nach Satz 1 schon ein, wenn die Werte des § 241a Satz 1 am ersten Abschlussstichtag nach der Neugründung nicht überschritten werden. A. I. II. III.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verhältnis zu anderen Vorschriften a) Verhältnis zu anderen Vorschriften des HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verhältnis zu steuerlichen Vorschriften c) Verhältnis zum PublG . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Eröffnungsbilanz und Jahresbilanz (Abs. 1) I. Eröffnungsbilanz (Abs. 1 Satz 1) 1. Aufstellungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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II. C. D. E.

2. Aufstellungszeitpunkt a) Einzelkaufmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Personenhandelsgesellschaften . . . . . . . c) Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . d) Umwandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Aufstellungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Vorschriften zur Aufstellung der Eröffnungsbilanz (Abs. 1 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Sanktionen bei Pflichtverletzung . . . . . . . . . Jahresbilanz (Abs. 1 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . Gewinn- und Verlustrechnung (Abs. 2) . . . . . Bestandteile des Jahresabschlusses (Abs. 3) . . Größenabhängige Befreiung von den Aufstellungspflichten (Abs. 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Literatur: Blumers, Bilanzierungsfristen, DB 1986, 2033; Schellein, Rechnungslegung der Personenhandelsgesellschaften, WPg. 1988, 693; Sarx, Bilanzierungsfragen im Rahmen einer Eröffnungsbilanz, DStR 1991, 692; Rodewald, Auf1 Pöschke in Großkomm.5, § 241a HGB Rz. 4; Rätke in Klein, AO14, § 141 Rz. 2; ebenso BMF, AEAO § 141 Rz. 1 Satz 2. 2 Claussen in Kölner Komm. RLR, § 241a HGB Rz. 12. 3 Drüen in Tipke/Kruse, § 141 AO Rz. 1a (Stand Okt. 2015) mwN.

42 | Drüen und Kahle/Wildermuth

A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 5 § 242 stellung von GmbH-Eröffnungsbilanzen, BB 1993, 1693; Mösbauer, Grenzen der Buchführungs- und Abschlußpflicht, DB 1995, 397; Joswig, Gründungsbilanz von Kapitalgesellschaften, DStR 1996, 1907; Kersting, Befreiung von der Buchführungs- und Bilanzierungspflicht, BB 2008, 790; Richter, Handelsrechtliche Buchführungspflicht, FR 2009, 804; IDW, RS HFA 7, Handelsrechtliche Rechnungslegung bei Personenhandelsgesellschaften, FN-IDW 2012, 189; Scheller/Baier/ Göcke, Die Betriebsstätte einmal aus anderer Sicht, Stbg 2014, 256; Wiechers/Wolf, Erstellung, Aufstellung und Feststellung des Jahresabschlusses, BBK 2015, 506; Bisle, Umwandlung einer GmbH in eine Einzelunternehmen. Praxishinweise zu wiederkehrenden Fragen bei der Verschmelzung einer GmbH auf eine natürliche Person, NWB 2017, 2137; Gutfleisch/Wächtershäuser, Pflichten des GmbH-Geschäftsführers beim Jahresabschluss und Sanktionen bei Nichterfüllung. Eine Zusammenfassung für den Praktiker, BBK 2017, 1100; Gutfleisch/Wächtershäuser, Strafbarkeit unrichtiger und verschleiernder Darstellungen im Jahresabschluss nach § 331 Nr. 1 HGB. Anwendung der Zentralnorm des Bilanzstrafrechts, BBK 2018, 683.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand Nach § 242 Abs. 1 Satz 1 HGB ist jeder Kaufmann dazu verpflichtet, zu Beginn seines Handelsgewerbes eine 1 Eröffnungsbilanz und zum Schluss eines jeden Geschäftsjahres eine Bilanz nach handelsrechtlichen Vorschriften aufzustellen. Die Aufstellung einer Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) zum Schluss eines jeden Geschäftsjahres wird – im Unterschied zur Rechtslage vor dem BiRiLiG1 – durch § 242 Abs. 2 HGB nunmehr ausdrücklich vorgegeben.2 Der auf den Schluss eines jeden Geschäftsjahres aufzustellende Jahresabschluss besteht gem. § 242 Abs. 3 HGB aus der Bilanz (§ 242 Abs. 1 Satz 1 HGB) und der GuV (§ 242 Abs. 2 HGB). Nach § 242 Abs. 4 HGB besteht für Einzelkaufleute die Möglichkeit, neben der größenabhängigen Befreiung von der Pflicht zur Buchführung und zur Erstellung eines Inventars (§§ 238–241 HGB) auch von der Befreiungswirkung des § 241a HGB in Bezug auf die Pflicht zur Aufstellung einer Eröffnungsbilanz und eines Jahresabschlusses Gebrauch zu machen. Die Vorschrift des § 242 HGB bildet die Generalnorm zur Aufstellung eines handelsrechtlichen Abschlus- 2 ses (Eröffnungsbilanz, Bilanz) für alle Kaufleute, unabhängig von der Rechtsform und der Branche. Sie tritt neben die Generalnorm zur Buchführung (§ 238 HGB); zusammen bilden die §§ 238, 242 HGB die Grundlage für die Pflicht zur Rechnungslegung für alle Kaufleute. Neben der Aufstellungspflicht hält § 242 HGB Legaldefinitionen für die Begriffe Eröffnungsbilanz (Abs. 1), 3 Bilanz (Abs. 1), GuV (Abs. 2) sowie Jahresabschluss (Abs. 3) bereit. Diese Begriffe sind damit für alle nachfolgenden Vorschriften definiert.

II. Bedeutung und Zweck Die Pflicht zur Aufstellung einer Eröffnungsbilanz zu Beginn des Handelsgewerbes sowie eines Jahres- 4 abschlusses zum Schluss eines jeden Geschäftsjahres stellt eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung des Kaufmanns dar.3 Als öffentlich-rechtliche Verpflichtung ist die Aufstellung der Eröffnungsbilanz sowie des Jahresabschlusses eine höchstpersönliche Verpflichtung des Kaufmanns bzw. dessen gesetzlicher Vertreter und nicht delegationsfähig.4 Davon ausgenommen sind jedoch Hilfspersonen, deren sich der Kaufmann bzw. dessen gesetzliche Vertreter bedienen.5 Die Zwecke der Eröffnungsbilanz sowie des Jahresabschlusses sind nach überwiegender Auffassung in der 5 Dokumentations-, Informations- und Ausschüttungsbemessungsfunktion zu sehen.6

1 G. v. 19.12.1985, BGBl. I 1985, 2355. 2 Vgl. zum deklaratorischen Charakter der Vorschrift Ellerich/Swart in HdR5, § 242 HGB Rz. 12 (Stand Nov. 2017). 3 Vgl. ADS6, § 242 HGB Rz. 1; Böcking/Gros in Wiedmann/Böcking/Gros, BilR4, § 242 HGB Rz. 1; Noodt in Haufe BilKomm.10, § 242 HGB Rz. 1; Wiechers/Wolf, BBK 2015, 506 (508). 4 Vgl. ADS6, § 242 HGB Rz. 29. 5 Vgl. ADS6, § 242 HGB Rz. 29; Hentschel in Beck HdR, B 101 Rz. 4 (Stand Jan. 2009); Förschle/Kropp in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. B Rz. 19; Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 242 HGB Rz. 12. 6 Vgl. etwa Leffson, Buchführung7, 41 ff.; Ballwieser in Beck HdR, B 105 Rz. 70 ff. (Stand Aug. 2019); Moxter, Rechnungslegung, 3 ff.; Coenenberg/Haller/Schultze, Jahresabschluss25, 18 ff.; Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 242 HGB Rz. 4; Baetge/Zülch in HdJ, I/2 Rz. 30 (Stand Sept. 2010). Zu den Funktionen der Eröffnungsbilanz vgl. auch Förschle/Kropp in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. B Rz. 13 ff.; Schiffers in Schiffers/Theile, Bilanzrecht der GmbH, Rz. 4013.

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§ 242 Rz. 5 | Pflicht zur Aufstellung Als Elementarzweck der Buchführung und Bilanzierung gilt die Dokumentationsfunktion. Die Buchführung als Grundlagenfunktion für den Jahresabschluss soll dem Kaufmann – und bei Bedarf einem sachverständigen Dritten – innerhalb einer angemessenen Zeit einen Überblick über die Geschäftsvorfälle und damit eine Auskunft über die Lage des Unternehmens verschaffen können (§ 238 Abs. 1 Satz 2 HGB).1 Wenngleich ein expliziter Hinweis in § 242 HGB wie auch in § 238 Abs. 1 Satz 1 HGB auf die „Lage des Unternehmens“ fehlt, hat auch der Jahresabschluss – wenngleich auch nur mittelbar über die Buchführung – ein Bild über die Lage des Unternehmens zu vermitteln (Informationsfunktion).2 Diese Zielvorstellung wird dadurch erreicht, dass die nach § 242 Abs. 1 Satz 1 HGB aufzustellenden Bilanzen die Informationen über die Lage des Unternehmens auf einen Stichtag, nämlich auf den Beginn des Handelsgewerbes (Eröffnungsbilanz) und auf den Schluss eines jeden Geschäftsjahres (Jahresbilanz), komprimieren. Die Aufstellung einer Bilanz zu Beginn und zum Schluss eines jeden Geschäftsjahres gem. § 242 Abs. 1 Satz 1 HGB steht neben der Rechenschaft gegenüber Dritten zugleich aus Gründen der Selbstinformation und Selbstkontrolle im Interesse des Kaufmanns.3 Schließlich trägt der verpflichtende Charakter der Bilanzaufstellung dazu bei, dass im Interesse des Gläubigerschutzes gehandelt wird.4 6 Die handelsrechtliche Aufstellungspflicht gem. § 242 Abs. 1 HGB hat auch für die steuerliche Gewinn-

ermittlung Bedeutung. So verlangt das Steuerrecht über § 140 AO die Anwendung der handelsrechtlichen Buchführungspflichten auch für steuerliche Zwecke. Daneben knüpft die steuerliche Gewinnermittlung über § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG an die nach handelsrechtlichen Grundsätzen aufgestellten Abschlüsse (Eröffnungsbilanz, Bilanz) und über § 60 EStDV an die handelsrechtlichen Jahresabschlussunterlagen an.5

7 Darüber hinaus kann der Jahresabschluss weitere Funktionen haben, wie die Bemessungsfunktion für Aus-

schüttungen bzw. Entnahmen oder die Offenlegungsfunktion zu den wirtschaftlichen Verhältnissen nach § 18 KWG bei Kreditaufnahmen.6

III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Geltungsbereich 8 Persönlicher Geltungsbereich. Die Pflicht zur Aufstellung einer Eröffnungsbilanz zu Beginn des Handels-

gewerbes sowie eines Jahresabschlusses zum Schluss eines jeden Geschäftsjahres erstreckt sich – vorbehaltlich der Befreiung nach § 242 Abs. 4 HGB – auf alle Kaufleute iSd. §§ 1 ff. HGB. Die Aufstellungspflicht hängt damit, wie auch die Buchführungspflicht (§ 238 HGB), maßgeblich von der Kaufmannseigenschaft ab. Zur Aufstellung verpflichtet ist danach, wer ein Handelsgewerbe betreibt (§ 1 Abs. 1 HGB). Für die Aufstellungspflicht ist nicht entscheidend, aufgrund welcher Rechtsnorm die Kaufmannseigenschaft erlangt wurde.7 Die Branche ist ebenfalls unerheblich. Allerdings werden die an alle Kaufleute gestellten Anforderungen rechtsformspezifisch, in Abhängigkeit von Größenmerkmalen und Geschäftszweigen, weiter ausdifferenziert.

9 Sachlicher Geltungsbereich. Die Aufstellungspflicht des § 242 HGB umfasst das Bilanzierungsobjekt „Han-

delsgewerbe“.8 Ein Handelsgewerbe wird als erkennbar planmäßige, auf Dauer angelegte, selbstständige, auf Gewinnerzielung ausgerichtete oder jedenfalls wirtschaftliche Tätigkeit am Markt unter Ausschluss freiberuflicher, wissenschaftlicher und künstlerischer Tätigkeit definiert, die nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert.9 Die Verpflichtung zur Aufstellung gem. § 242 Abs. 1 HGB umfasst die gesamte unternehmerische Tätigkeit bzw. das gesamte Unternehmensvermögen. Einzelkaufleute, die mehrere Handelsgewerbe betreiben und für diese jeweils verschiedene Firmen führen, haben alle Firmen in einen einheitlichen Jahresabschluss und damit auch in eine Eröffnungsbilanz einzubeziehen (personenbezogen).10 Es ist nicht für jede Firma eines Einzelkaufmanns ein gesonderter Jahresabschluss bzw. eine Eröffnungsbilanz aufzustellen. Im Ergebnis richtet

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Vgl. ADS6, § 242 HGB Rz. 3; Baetge/Zülch in HdJ, I/2 Rz. 31 (Stand Sept. 2010). Vgl. ADS6, § 242 HGB Rz. 3; Baetge/Zülch in HdJ, I/2 Rz. 34 (Stand Sept. 2010). Vgl. ADS6, § 242 HGB Rz. 2; Böcking/Gros in Wiedmann/Böcking/Gros, BilR4, § 242 HGB Rz. 3. Vgl. ADS6, § 242 HGB Rz. 2; Böcking/Gros in Wiedmann/Böcking/Gros, BilR4, § 242 HGB Rz. 3. Vgl. etwa Böcking/Gros in Wiedmann/Böcking/Gros, BilR4, § 242 HGB Rz. 2. Vgl. ADS6, § 242 HGB Rz. 29; Kuhn in Heidel/Schall3, § 242 HGB Rz. 11. Vgl. Morck/Drüen in Koller/Kindler ua., HGB9, § 242 Rz. 1. Vgl. Hoffmann/Lüdenbach, NWB Kommentar Bilanzierung11, § 242 HGB Rz. 1. Vgl. Hopt in Baumbach/Hopt, HGB39, § 1 HGB Rz. 12, 23. Vgl. ADS6, § 242 HGB Rz. 35; Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 242 HGB Rz. 10. Förschle/Kropp, in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. B Rz. 20 f.

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A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 11 § 242

sich die Aufstellungspflicht gem. § 242 Abs. 1 Satz 1 HGB somit an den Kaufmann und seine gesamte unternehmerische Tätigkeit und nicht an die Firma, unter der der Kaufmann auftritt.1 Zu einem Handelsgewerbe können auch mehrere Zweigniederlassungen iSv. § 13 HGB (im steuerlichen Sinne Betriebsstätten, § 12 Nr. 2 AO) gehören.2 Für diese Zweigniederlassungen besteht keine gesonderte Pflicht zur Rechnungslegung nach §§ 242 ff. HGB.3 Die Zweigniederlassungen sind somit in einen einheitlichen Jahresabschluss einzubeziehen.4 § 242 HGB enthält hinsichtlich seines sachlichen Anwendungsbereichs auch keine territoriale Begrenzung. Für den Fall, dass das Bilanzierungsobjekt „Handelsgewerbe“ auch Zweigniederlassungen im Ausland umfasst, sind diese somit ebenfalls von der Aufstellungspflicht des § 242 Abs. 1 Satz 1 HGB erfasst und in den Jahresabschluss einzubeziehen.5 Die handelsrechtlichen Grundsätze zum Bilanzierungsobjekt „Handelsgewerbe“ gelten für die steuerlichen Pflichten, die sich aus außersteuerlichen Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten ergeben, gleichermaßen (§ 140 AO). Die handelsrechtliche Verpflichtung umfasst alle (Teil-)Betriebe im steuerlichen Sinne.6 Im Gegensatz zu den handelsrechtlichen Aufstellungspflichten, die auf die gesamte unternehmerische Tätigkeit abstellen (personenbezogen), stellt die originäre steuerliche Verpflichtung zur Bilanzierung gem. § 141 Abs. 1 Satz 1 AO nicht auf das gesamte Unternehmen, sondern auf jeden einzelnen Betrieb des Steuerpflichtigen (betriebsbezogen) ab.7 Zeitlicher Geltungsbereich. § 242 Abs. 1–3 HGB idF des BiRiLiG8 gilt gem. Art. 23 Abs. 1 EGHGB zwin- 10 gend seit dem Geschäftsjahr 1987, wahlweise bereits seit dem Geschäftsjahr 1986. Die im Wege des BilMoG9 eingefügte Befreiungsvorschrift in § 242 Abs. 4 HGB ist gem. Art. 66 Abs. 1 EGHGB erstmals für Geschäftsjahre nach dem 31.12.2007 anzuwenden. Die im Wege des Bürokratieentlastungsgesetzes10 erhöhten Schwellenwerte in § 241a HGB sind für die Befreiung von der Aufstellungspflicht nach § 242 Abs. 4 HGB gem. Art. 76 EGHGB erstmals auf das nach dem 31.12.2015 beginnende Geschäftsjahr anzuwenden. 2. Verhältnis zu anderen Vorschriften a) Verhältnis zu anderen Vorschriften des HGB § 238 HGB. Die Pflicht zur Aufstellung eines Abschlusses zu Beginn des Handelsgewerbes (Eröffnungs- 11 bilanz) sowie eines Abschlusses jeweils zum Schluss eines Geschäftsjahres (Bilanz) knüpft an die Buchführungspflicht nach § 238 Abs. 1 Satz 1 HGB an. Beide (General-)Normen zusammen bilden die Grundlage für die Rechnungslegungspflicht für alle Kaufleute und verfolgen das Ziel, einen Einblick in die Lage des Unternehmens zu ermöglichen.11 § 240 HGB. Das verpflichtend aufzustellende Eröffnungsinventar zu Beginn des Handelsgewerbes (§ 240 Abs. 1 HGB) sowie Schlussinventar zum Ende eines jeden Geschäftsjahres (§ 240 Abs. 2 Satz 1 HGB) bilden die Grundlage für die nach § 242 Abs. 1 Satz 1 HGB aufzustellende Eröffnungsbilanz sowie die zum Schluss eines jeden Geschäftsjahres aufzustellende Bilanz.12 § 243 ff. HGB. Die Aufstellung eines Jahresabschlusses (§ 242 Abs. 3 HGB) jeweils zum Schluss eines Geschäftsjahres nach handelsrechtlichen Vorschriften hat unter Berücksichtigung der allgemeinen Vorschriften (§§ 243–245 HGB), der Ansatz-, Bewertungs-, Gliederungs- und Ausweisvorschriften (§§ 246–256a HGB) sowie der Vorschriften über die Aufbewahrung und Vorlage (§§ 257–261 HGB) zu erfolgen. Für die Eröffnungsbilanz zu Beginn des Handelsgewerbes gelten die Vorschriften des Jahresabschlusses, soweit sie sich auf die Bilanz beziehen (§ 242 Abs. 1 Satz 2 HGB). § 264 ff. HGB. Neben den für alle Kaufleute geltenden Vorschriften zur Bilanzierungspflicht in § 242 HGB finden auf Kapitalgesellschaften und Personenhandelsgesellschaften iSd. § 264a HGB die weitergehenden Vorschriften der §§ 264 ff. HGB Anwendung; sie haben jedoch keine Ausstrahlungswirkung auf die für alle

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So ausdrücklich klarstellend § 1 Abs. 5 PublG. Für das Verhältnis zum PublG s. Rz. 13. Vgl. Hoffmann/Lüdenbach, NWB Kommentar Bilanzierung11, § 242 HGB Rz. 1. Vgl. Scheller/Baier/Göcke, Stbg 2014, 256 (257). Vgl. Hoffmann/Lüdenbach, NWB Kommentar Bilanzierung11, § 242 HGB Rz. 1. Vgl. Scheller/Baier/Göcke, Stbg 2014, 256 (257). Vgl. Winkeljohann/Kropp/Siemers in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. C Rz. 164. Vgl. Cöster in Koenig3, § 141 AO Rz. 11; Drüen in Tipke/Kruse, § 141 AO Rz. 8 (Stand Okt. 2015). S. auch Mösbauer, DB 1995, 397 (398); Förschle/Kropp in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. B Rz. 160. G. v. 19.12.1985, BGBl. I 1985, 2355. G. v. 25.5.2009, BGBl. I 2009, 1102. G. v. 28.7.2015, BGBl. I 2015, 1400. Vgl. Kirsch/Harms/Siegel in BKT, Bilanzrecht, § 242 HGB Rz. 1, 5 (Stand Feb. 2010). Vgl. Sarx, DStR 1991, 692 (692).

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§ 242 Rz. 11 | Pflicht zur Aufstellung Kaufleute geltenden Vorschriften. Nach der Generalklausel des § 264 Abs. 2 HGB sollen die §§ 264 ff. HGB unter Beachtung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Kapitalgesellschaften und Personenhandelsgesellschaften iSd. § 264a HGB vermitteln. Die weitergehenden Vorschriften beziehen sich insbes. auf die Pflichtbestandteile des Jahresabschlusses, die Form- und Gliederung von Bilanz und GuV, die Bilanzansatzund Bewertungsvorschriften wie auch die zusätzlichen Erläuterungs- und Angabepflichten. §§ 336 ff. HGB. Für Genossenschaften gelten nach §§ 336 ff. HGB weitergehende Aufstellungspflichten hinsichtlich des Umfangs der in den Jahresabschluss (§ 242 Abs. 3 HGB) verpflichtend einzubeziehenden Bestandteile. §§ 340 ff. HGB. Für Kreditinstitute iSd. § 1 Abs. 1 KWG und Finanzdienstleistungsinstitute iSd. § 1 Abs. 1a KWG gelten nach §§ 340 ff. HGB weitergehende Aufstellungspflichten hinsichtlich des Umfangs der in den Jahresabschluss (§ 242 Abs. 3 HGB) verpflichtend einzubeziehenden Bestandteile. §§ 341 ff. HGB. Für Unternehmen, die den Betrieb von Versicherungsgeschäften zum Gegenstand haben und nicht Träger der Sozialversicherung sind (Versicherungsunternehmen), sowie Pensionsfonds gelten nach §§ 341 ff. HGB weitergehende Aufstellungspflichten hinsichtlich des Umfangs der in den Jahresabschluss (§ 242 Abs. 3 HGB) einzubeziehenden Bestandteile. b) Verhältnis zu steuerlichen Vorschriften 12 § 140 AO. Für Zwecke der Besteuerung verlangt auch das Steuerrecht die Führung von Büchern und Auf-

zeichnungen. Die Verpflichtung eines jeden Kaufmanns zur Aufstellung einer Eröffnungsbilanz und einer Bilanz nach handelsrechtlichen Grundsätzen gem. § 242 Abs. 1 Satz 1 HGB gilt nach § 140 AO auch für steuerliche Zwecke. § 140 AO verzahnt den handelsrechtlichen Aufstellungsgrundsatz (§ 242 Abs. 1 Satz 1 HGB) mit den für steuerliche Zwecke notwendigen Aufzeichnungspflichten, indem er die Erfüllung der in außersteuerlichen Gesetzen1 verankerten Pflichten auch für steuerliche Zwecke verlangt.2 § 141 AO. Für bestimmte Einzelkaufleute sieht § 242 Abs. 4 iVm. § 241a HGB neben einer größenabhängigen Befreiung von der Buchführung (§ 238 HGB) und der Erstellung eines Inventars (§ 240 HGB) auch eine Befreiung von der Aufstellung eines handelsrechtlichen Abschlusses (Eröffnungsbilanz, Bilanz) vor. Die originären steuerlichen Aufzeichnungspflichten bleiben hiervon jedoch unberührt (§ 141 Abs. 1 Satz 1 AO).3 Zwar stimmen die normierten Schwellenwerte der §§ 241a HGB, 141 AO seit der Annäherung durch das BilMoG betragsmäßig überein, dennoch sind die §§ 241a HGB, 141 AO „in Randbereichen nicht vollständig kongruent“4. Im Ergebnis kann es deshalb trotz handelsrechtlicher Befreiung von der Aufstellungspflicht (§ 242 Abs. 4 iVm. § 241a HGB) zu einer originär steuerlichen Pflicht, Bücher zu führen und aufgrund jährlicher Bestandsaufnahmen regelmäßig Abschlüsse5 zu erstellen, kommen.6 Mangels Verweis auf § 242 Abs. 2 und 3 HGB ist für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten gem. § 141 AO keine doppelte Buchführung mit zusätzlicher GuV erforderlich; eine einfache Buchführung reicht mithin aus.7 Die originär steuerlichen Pflichten stellen im Gegensatz zu den handelsrechtlichen Aufstellungspflichten jedoch nicht auf die gesamte unternehmerische Tätigkeit (personenbezogen), sondern auf den einzelnen (Teil-) Betrieb oder die inländische Betriebsstätte als Besteuerungsobjekt ab (betriebsbezogen).8 Unter den Voraussetzungen des § 141 Abs. 1 Satz 1 AO kann sich so auch für einzelne (Teil-)Betriebe oder inländische Betriebsstätten eine originäre steuerliche Pflicht zur Buchführung und zur Erstellung von Abschlüssen ergeben,

1 Die außersteuerliche Buchführungspflicht kann sich nach der Rspr. des BFH sowohl aus in- als auch aus ausländischen Rechtsnormen ergeben, vgl. BFH v. 14.11.2018 – I R 81/16, BStBl. II 2019, 390. 2 Vgl. Briesemeister in Prinz/Kanzler, Handbuch Bilanzsteuerrecht3, Rz. 31 f.; Reddig in Kirchhof, EStG19, § 5 EStG Rz. 18, 23. 3 Vgl. Rätke in Klein, AO14, § 141 Rz. 2. 4 BT-Drucks. 16/10067, 46. Für einen Überblick über die unterschiedlichen Schwellenwerte vgl. Winnefeld, BilanzHandbuch5, Kap. A Rz. 1124 ff. Kritisch hierzu Richter, FR 2009, 804 (806 ff.); Müller/Reinke, Stbg 2008, 336 (339 f.). 5 Unter Abschlüssen sind ieS die Eröffnungs- und Jahresbilanz gem. § 242 Abs. 1 Satz 1 HGB und iwS der Jahresabschluss gem. § 242 Abs. 3 HGB zu verstehen, vgl. Weber-Grellet in Schmidt, EStG39, § 5 Rz. 6. 6 Vgl. Rätke in Klein, AO14, § 141 Rz. 2; Briesemeister in Prinz/Kanzler, Handbuch Bilanzsteuerrecht3, Rz. 50. Vgl. für einen Überblick möglicher Fallgruppen aufgrund sachlicher und zeitlicher Abweichungen Richter, FR 2009, 804 (808). 7 Vgl. Reddig in Kirchhof, EStG19, § 5 EStG Rz. 20; Wied in Blümich, § 4 EStG Rz. 73 (Stand Nov. 2017). S. auch Cöster in Koenig, AO3, § 141 Rz. 27 mwN; Drüen in Tipke/Kruse, § 141 AO Rz. 35 (Stand Okt. 2015). 8 Vgl. Cöster in Koenig, AO3, § 141 Rz. 11; Drüen in Tipke/Kruse, § 141 AO Rz. 8 (Stand Okt. 2015); Mösbauer, DB 1995, 397 (398); Förschle/Kropp in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. B Rz. 160.

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A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 13 § 242

sofern nicht bereits eine handelsrechtliche und damit steuerliche Pflicht zur Rechnungslegung nach § 140 AO bestand.1 § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG. Die Handelsbilanz ist über § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG mit der steuerlichen Gewinnermittlung verknüpft; § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG transformiert die Bilanzierungspflicht gem. § 242 HGB zu einer steuerlichen Verpflichtung.2 Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 EStG haben Gewerbetreibende, die ihren Gewinn durch einen Betriebsvermögensvergleich ermitteln (§§ 140, 141 AO oder freiwillig), für den Schluss des Wirtschaftsjahres das Betriebsvermögen anzusetzen, das nach handelsrechtlichen GoB auszuweisen ist (materielle Maßgeblichkeit).3 Die handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung bilden somit auch nach BilMoG die Grundlage für die steuerliche Gewinnermittlung. Die (enge) Verknüpfung der beiden Rechenwerke wurde durch das BilMoG jedoch abgeschwächt. Mit der Streichung der umgekehrten Maßgeblichkeit (§ 5 Abs. 1 Satz 2 EStG aF) und der Einfügung eines neuen § 5 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 EStG können steuerliche Wahlrechte unabhängig von der Handelsbilanz ausgeübt werden.4 § 5b EStG. Für Steuerpflichtige, die ihren Gewinn nach § 4 Abs. 1, § 5 oder § 5a EStG ermitteln, besteht die Verpflichtung, den Inhalt der Handelsbilanz nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz elektronisch zu übermitteln (§ 5b Abs. 1 Satz 1 EStG).5 Enthält die Handelsbilanz Ansätze oder Beträge, die den steuerlichen Vorschriften nicht entsprechen, so sind diese Ansätze und Beträge gem. § 5b Abs. 1 Satz 2 EStG durch Zusätze oder Anmerkungen den steuerlichen Vorschriften anzupassen und ebenso elektronisch zu übermitteln (sog. „Überleitungsrechnung“).6 § 5b Abs. 1 Satz 1 EStG gilt gem. § 5b Abs. 1 Satz 5 EStG auch für die Eröffnungsbilanz. § 60 EStDV. Der Kaufmann ist verpflichtet, seiner Steuererklärung die handelsrechtlichen Jahresabschlussunterlagen beizufügen (§ 60 Abs. 3 EStDV). Das Steuerrecht greift somit über § 60 EStDV auf die nach handelsrechtlichen Grundsätzen aufgestellten Bestandteile des Jahresabschlusses (Bilanz, GuV, Anhang) sowie des Lage- und Prüfungsberichts zurück. Im Fall der Eröffnung eines Betriebs umfassen die Pflichtunterlagen auch eine Abschrift der Eröffnungsbilanz (§ 60 Abs. 1 Satz 1 EStDV). c) Verhältnis zum PublG Neben die handelsrechtliche Pflicht zur Aufstellung eines Abschlusses (Eröffnungsbilanz, Bilanz) treten fer- 13 ner die Vorschriften des PublG für große Unternehmen ausgewählter Rechtsformen.7 Im Wesentlichen handelt es sich hierbei um Einzelkaufleute und Personenhandelsgesellschaften außerhalb des § 264a HGB, die die Größenmerkmale (§ 5 Abs. 1 Nr. 1–3 PublG) überschreiten.8 Das PublG begründet aber keine eigene Rechnungslegungspflicht; es geht vielmehr davon aus, dass die unter das PublG fallenden Unternehmen einen Jahresabschluss nach § 242 HGB aufstellen (§ 5 Abs. 1 Satz 1 PublG).9 Die unter das PublG fallenden Unternehmen haben in Ergänzung zu den Vorschriften für alle Kaufleute die Vorschriften, die das HGB für die Bilanz und die GuV der Kapitalgesellschaften bereithält, sinngemäß anzuwenden.10

1 Vgl. Förschle/Kropp in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. B Rz. 160. 2 Vgl. Drüen in Tipke/Kruse, § 140 AO Rz. 3 (Stand Okt. 2012); Briesemeister in Prinz/Kanzler, Handbuch Bilanzsteuerrecht3, Rz. 65. 3 Vgl. BMF v. 12.3.2010 – IV C 6 - S 2133/09/10001 – DOK 2010/0188935, BStBl. I 2010, 239; Weber-Grellet in Schmidt, EStG39, § 5 Rz. 28; Anzinger in HHR, § 5 EStG Rz. 257 f. (Stand Apr. 2018); Kahle in HdJ, VII/1 Rz. 41 ff. (Stand Feb. 2019). 4 Vgl. BMF v. 12.3.2010 – IV C 6 - S 2133/09/10001 – DOK 2010/0188935, BStBl. I 2010, 239; Weber-Grellet in Schmidt, EStG39, § 5 Rz. 60 ff.; Kahle in HdJ, VII/1 Rz. 177 ff. (Stand Feb. 2019). 5 Vgl. BMF v. 28.9.2011 – IV C 6 - S 2133-b/11/10009 – DOK 2011/0770620, BStBl. I 2011, 855; aktualisiert durch BMF v. 5.6.2012 – IV C 6 - S 2133-b/11/10016, BStBl. 2012, 598 – DOK 2012/0492960. Vgl. auch Briesemeister/ Schäperclaus in Prinz/Kanzler, Handbuch Bilanzsteuerrecht3, Rz. 1260 ff. 6 Vgl. hierzu etwa Schindler in Kirchhof, EStG19, § 5b EStG Rz. 6; Weber-Grellet in Schmidt, EStG39, § 5b Rz. 3. 7 Ein Unternehmen gilt dann als groß iSd. PublG, wenn gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1–3 PublG an drei aufeinanderfolgenden Abschlussstichtagen jeweils mindestens zwei der drei nachfolgenden Kriterien überschritten werden: Bilanzsumme größer 65 Mio. €, Umsatzerlöse größer 130 Mio. € und durchschnittliche Arbeitnehmerzahl im Geschäftsjahr größer 5.000. 8 Vgl. Schulze-Osterloh in HdJ, I/1 Rz. 81 (Stand Sept. 2016). 9 Vgl. Kuhn in Heidel/Schall3, § 242 HGB Rz. 20. Für einen Überblick über die Rechnungslegungspflicht nach dem PublG vgl. WP Handbuch16, F Rz. 1540 ff. 10 Vgl. zur Reichweite der Verweisung in § 5 Abs. 1 Satz 2 PublG Schulze-Osterloh in HdJ, I/1 Rz. 83 (Stand Sept. 2016).

Kahle/Wildermuth | 47

§ 242 Rz. 14 | Pflicht zur Aufstellung

IV. Rechtsentwicklung 14 Bis zum Inkrafttreten des BiRiLiG1 war die Pflicht zur Aufstellung eines Abschlusses zu Beginn des Han-

delsgewerbes (Eröffnungsbilanz) sowie zum Schluss eines jeden Geschäftsjahres (Bilanz) in § 39 HGB aF gesetzlich kodifiziert. Erst durch Einfügung des neuen Dritten Buches des HGB durch das BiRiLiG ergibt sich die Aufstellungspflicht des Kaufmanns aus § 242 HGB. Mit der Aufnahme der Bilanzierungspflicht für alle Kaufleute wurde zugleich die Verpflichtung zur Aufstellung einer GuV zum Ende eines jeden Geschäftsjahres erstmals in das HGB aufgenommen. Im Zuge der durch das BilMoG2 erwirkten Erleichterungen in Bezug auf die Buchführungs- und Inventarpflicht (§ 241a HGB) wurde § 242 Abs. 4 HGB neu eingefügt, der die Befreiung von Einzelkaufleuten von der Aufstellungspflicht gem. § 242 Abs. 1 Satz 1 HGB regelt. Mit dem Bürokratieentlastungsgesetz3 wurde die Anwendung der Befreiung von der Aufstellungspflicht durch die Anhebung der Schwellenwerte in § 241a HGB auf eine größere Anzahl von Einzelkaufleuten ausgedehnt.

B. Eröffnungsbilanz und Jahresbilanz (Abs. 1) I. Eröffnungsbilanz (Abs. 1 Satz 1) 1. Aufstellungspflicht 15 Den Ausgangspunkt der handels- und steuerrechtlichen Gewinnermittlung bildet die Eröffnungsbilanz. Ne-

ben der Pflicht zur Buchführung (§ 238 HGB) hat jeder Kaufmann – mit Ausnahme von § 242 Abs. 4 HGB – zu Beginn seines Handelsgewerbes für das erste Geschäftsjahr bzw. Rumpfgeschäftsjahr einen Abschluss (Eröffnungs- bzw. Gründungsbilanz) gem. § 242 Abs. 1 Satz 1 HGB aufzustellen. Dieser soll das Verhältnis seines Vermögens und seiner Schulden darstellen und somit einen Vermögensstatus auf den Zeitpunkt des Beginns seiner gewerblichen Tätigkeit angeben.4 Zugleich bildet er die Basis für die laufende Buchführung und die zukünftigen Jahresabschlüsse.5

16 Die Eröffnungsbilanz beinhaltet nach dem Vollständigkeitsprinzip (§ 246 Abs. 1 Satz 1 HGB) alle Ver-

mögensgegenstände und Schulden, die zum Betriebsvermögen gehören. Das Privatvermögen des Einzelunternehmers bzw. des Gesellschafters einer Personenhandelsgesellschaft darf nicht in die Bilanz und die auf das Privatvermögen entfallenden Aufwendungen und Erträge nicht in die GuV aufgenommen werden (§ 5 Abs. 4 PublG). Für die Abgrenzung zwischen Betriebsvermögen und Privatvermögen gibt es jedoch keine expliziten handelsrechtlichen Regelungen.

17 Bei Einzelunternehmen ist die Zuordnung unproblematisch für die Vermögensgegenstände oder Schulden,

die nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise (§ 246 Abs. 1 Satz 2 HGB) eindeutig nur dem Betrieb (notwendiges Betriebsvermögen) oder der privaten Sphäre (notwendiges Privatvermögen) dienen. Werden Vermögensgegenstände nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise sowohl gewerblich als auch privat genutzt, ist eine eindeutige Zuordnung oftmals schwierig. In diesen Fällen steht dem Kaufmann ein Widmungswahlrecht zu,6 sofern seine Zurechnung nicht willkürlich ist.7 Eine Orientierung bieten auch die steuerlichen Zuordnungskriterien.8

18 Bei Personenhandelsgesellschaften (OHG, KG) müssen nach dem Vollständigkeitsprinzip (§ 246 Abs. 1

Satz 1 HGB) alle Vermögensgegenstände und Schulden, die im Gesamthandsvermögen stehen, in der Eröffnungsbilanz ausgewiesen werden. Auf die betriebliche Nutzung kommt es nicht an;9 entscheidend ist die Haftungswirkung für die Gesamthandsgläubiger.10 Steuerliches Sonderbetriebsvermögen ist handelsrecht-

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G. v. 19.12.1985, BGBl. I 1985, 2355. G. v. 25.5.2009, BGBl. I 2009, 1102. G. v. 28.7.2015, BGBl. I 2015, 1400. Vgl. Sarx, DStR 1991, 692 (692); Förschle/Kropp in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. B Rz. 13. Vgl. Sarx, DStR 1991, 692 (692). Vgl. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 242 HGB Rz. 10. Vgl. ADS6, § 242 HGB Rz. 18; Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 242 HGB Rz. 10. Vgl. R 4.2 EStR 2012; Kanzler in Prinz/Kanzler, Handbuch Bilanzsteuerrecht3, Rz. 480 ff. Vgl. Kirsch/Harms/Siegel in BKT, Bilanzrecht, § 242 HGB Rz. 47 (Stand. Feb. 2010); Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 242 HGB Rz. 10; IDW, RS HFA 7, IDW-FN 2012, 189 Rz. 10. Vgl. ADS6, § 242 HGB Rz. 18; Winnefeld, Bilanz-Handbuch5, Kap. N Rz. 31.

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B. Eröffnungsbilanz und Jahresbilanz (Abs. 1) | Rz. 23 § 242

lich hingegen nicht bilanzierungsfähig. Zur steuerlichen Abgrenzung des Betriebsvermögens bei Personenhandelsgesellschaften s. Anh. 2 zu §§ 238–263 HGB Rz. 49. Bei Kapitalgesellschaften ist die Abgrenzung unproblematisch, da es sich um juristische Personen handelt. 19 In der Eröffnungsbilanz der Kapitalgesellschaft sind das gesamte in ihrem (wirtschaftlichen) Eigentum stehende Vermögen und die entsprechenden Schulden anzusetzen.1 Die Verpflichtung zur handelsrechtlichen Rechnungslegung und damit zur Aufstellung einer Eröffnungs- 20 bilanz und eines Jahresabschlusses trifft den Einzelunternehmer als Geschäftsinhaber persönlich.2 Bei Personenhandelsgesellschaften trifft die Verpflichtung im Außenverhältnis die vertretungsberechtigten Gesellschafter; intern handelt es sich um eine Maßnahme der Geschäftsführung gem. §§ 114, 116 Abs. 1, § 161 Abs. 2 HGB und damit um eine Verpflichtung der geschäftsführenden Gesellschafter.3 Die Verpflichtung zur Aufstellung obliegt bei Kapitalgesellschaften als Maßnahme der Geschäftsführung den gesetzlichen Vertretern (§ 264 Abs. 1 Satz 1 HGB).4 Anlass für eine Eröffnungsbilanz kann neben dem (Neu-)Beginn eines Handelsgewerbes auch die Erweite- 21 rung eines Kleingewerbes, die Übernahme eines bestehenden Handelsgewerbes unter Lebenden oder von Todes wegen oder die Umwandlung zur Neugründung (Verschmelzung, Aufspaltung, Abspaltung, Ausgliederung) sein.5 Eine Eröffnungsbilanz ist allerdings idR nicht erforderlich, wenn lediglich ein Gesellschafterwechsel bei einer Personen- oder einer Kapitalgesellschaft stattfindet und die Gesellschaft unverändert weitergeführt wird.6 Die Verpflichtung zur Aufstellung einer Eröffnungsbilanz entfällt auch bei der Umwandlung zur Aufnahme, da diese als ein laufender Geschäftsvorfall zu behandeln ist.7 Ein Formwechsel begründet ebenso keine Pflicht zur Aufstellung einer Eröffnungsbilanz.8 Dasselbe gilt infolge von Rechtsänderungen zur Bilanzierung (zB BilMoG).9 Die Eröffnungsbilanz schließt die notwendigen rechnungslegungsbezogenen Arbeiten zu Beginn eines Han- 22 delsgewerbes ab.10 Der exakte Zeitpunkt der Aufstellung für die Eröffnungsbilanz ist jedoch nicht allgemein zu bestimmen, er ist vielmehr abhängig von der Kaufmannsart und der Rechtsform des Unternehmens.11 Die handelsrechtliche Verpflichtung, eine Eröffnungsbilanz aufzustellen, gilt über § 140 AO auch für Zwecke 23 der Besteuerung. Danach hat der Einzelkaufmann bzw. haben die Geschäftsführer (Personenhandelsgesellschaften) oder die gesetzlichen Vertreter (Kapitalgesellschaften) eine steuerliche Eröffnungsbilanz aufzustellen.12 Aufgrund der ertragsteuerlichen Behandlung des „kreuzenden“ Formwechsels (§§ 190 ff. UmwG) als Vermögensübertragung (§§ 9, 25 UmwStG), ist – im Gegensatz zum Handelsrecht – auch bei einem Formwechsel eine steuerliche Eröffnungsbilanz aufzustellen.13

1 Vgl. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 242 HGB Rz. 8. 2 Vgl. Bitz/Schneeloch/Wittstock, Jahresabschluss6, 120; Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 242 HGB Rz. 10. 3 Vgl. Winkeljohann/Kropp/Siemers in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. C 15 ff.; Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 242 HGB Rz. 11; Kahle/Hiller in Prinz/Kahle, Beck HdB PersG5, § 5 Rz. 150 ff. 4 Vgl. hierzu auch Franke/Wächtershäuser, BBK 2017, 1100 ff. 5 Vgl. Hüffer in Ulmer, § 242 HGB Rz. 22 ff.; Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 242 HGB Rz. 2. Für einen Überblick über die Aufstellungsanlässe vgl. auch Sarx, DStR 1991, 692 (692 f.); Förschle/Kropp in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. B Rz. 30 ff.; Winkeljohann/Kropp/Siemers in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. C Rz. 42. 6 Vgl. Störk/Philipps in Beck BilKomm.12, § 242 HGB Rz. 4. 7 Vgl. Forst/Hannweber/Schaaf in Prinz/Kanzler, Handbuch Bilanzsteuerrecht3, Rz. 1854. 8 Vgl. etwa Deubert/Hoffmann in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. L Rz. 30; Hörtnagl in Schmitt/Hörtnagl/Stratz8, § 17 UmwG Rz. 84. S. hierzu auch IDW, RS HFA 41, IDW-FN 2012, 539 Rz. 3. 9 Vgl. Hoffmann/Lüdenbach, NWB Kommentar Bilanzierung11, § 242 HGB Rz. 5; aA Zwirner, DB 2010, 1844 ff. 10 Vgl. ADS6, § 242 HGB Rz. 10; Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 242 HGB Rz. 19. 11 Vgl. Morck/Drüen in Koller/Kindler ua., HGB9, § 242 Rz. 1; Reiß in Ensthaler8, § 242 HGB Rz. 3. 12 Vgl. etwa für die steuerliche Eröffnungsbilanz des Einzelkaufmanns Förschle/Kropp in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. B Rz. 158 ff.; für die steuerliche Eröffnungsbilanz der Personenhandelsgesellschaften Winkeljohann/Kropp/Siemers in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. C Rz. 163 ff.; für die steuerliche Eröffnungsbilanz der Kapitalgesellschaften Winkeljohann/Büssow in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. D Rz. 268 ff. sowie für die steuerliche Eröffnungsbilanz bei Umwandlungen (Verschmelzung, Spaltung) zur Neugründung Klingberg in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. K Rz. 113. 13 Vgl. Klingberg in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. L Rz. 190; Forst/Schaaf/Hannweber in Prinz/Kanzler, Handbuch Bilanzsteuerrecht3, Rz. 1955.

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§ 242 Rz. 24 | Pflicht zur Aufstellung 2. Aufstellungszeitpunkt a) Einzelkaufmann 24 Nach § 242 Abs. 1 Satz 1 HGB ist die Eröffnungsbilanz zu Beginn des vollkaufmännischen Handelsgewerbes

aufzustellen. Ein Einzelkaufmann betreibt dann ein vollkaufmännisches Handelsgewerbe, wenn er gewerblich tätig ist und sein Unternehmen einen nach Art und Umfang in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert (§ 1 Abs. 2 HGB). Beginn des vollkaufmännischen Handelsgewerbes und damit Beginn der Buchführungspflicht sowie Zeitpunkt für die Aufstellung der Eröffnungsbilanz ist regelmäßig die erste nach außen gerichtete Vorbereitungshandlung.1 Bei umfangreichen Vorbereitungshandlungen ist die Feststellung dieses Zeitpunktes zT schwierig; hier wird es als zulässig erachtet, auf den Abschluss der Vorbereitungshandlungen abzustellen, spätestens jedoch auf den ersten nach außen gerichteten GuV-wirksamen Geschäftsvorfall.2 Kleingewerbetreibende, die die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 HGB nicht erfüllen und auch nicht im Handelsregister eingetragen sind, jedoch in die Größenordnung eines Handelsgewerbes (§ 1 Abs. 2 HGB) hineinwachsen (Erweiterung eines Kleingewerbes), haben die Eröffnungsbilanz auf den Zeitpunkt aufzustellen, zu dem die Voraussetzungen eines Handelsgewerbes erfüllt sind.3 Es wird hierbei auf die hinreichende Dokumentation der entsprechenden Geschäftsvorfälle ankommen.4 Ein Kaufmann, der die Kaufmannseigenschaft iSd. HGB erst durch die Eintragung in das Handelsregister (konstitutive Wirkung) erlangt, hat auf den Tag der Eintragung eine Eröffnungsbilanz aufzustellen.5 Wer hingegen bereits vor der Eintragung mit einer unternehmerischen Tätigkeit begonnen hat, die einen kaufmännischen Geschäftsbetrieb erfordert, hat die Eröffnungsbilanz auf den früheren Zeitpunkt aufzustellen.6 Der Erwerb der Kaufmannseigenschaft und damit der Beginn der handelsrechtlichen Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten ist gem. § 140 AO auch für steuerliche Zwecke maßgebend.7 Setzt die Pflicht zur Buchführung und Bilanzierung aus steuerlichen Gründen nicht bereits nach handelsrechtlichen Vorschriften ein (§ 140 AO), so ist bei Überschreiten der Grenzwerte des § 141 Abs. 1 Satz 1 AO auf Anordnung des Finanzamts eine steuerliche Eröffnungsbilanz auf den Beginn des Wirtschaftsjahres aufzustellen, das auf die wirksame Bekanntgabe der Mitteilung folgt (§ 141 Abs. 2 Satz 1 AO).8 Es steht dem Einzelkaufmann jedoch auch frei, auf den früheren Tag der Geschäftseröffnung eine steuerliche Eröffnungsbilanz aufzustellen.9 b) Personenhandelsgesellschaften

25 Die geschäftsführenden Gesellschafter haben die Eröffnungsbilanz auf den Tag des ersten Geschäftsvorfalls

aufzustellen, wenn der Zweck der Gesellschaft von Beginn an auf den gemeinsamen Betrieb eines vollkaufmännischen Handelsgewerbes gerichtet ist,10 da die Personengesellschaft bereits von Beginn an als Handelsgesellschaft anzusehen ist (§ 1 Abs. 2 HGB). Personengesellschaften, die zunächst nur eine kleingewerbliche Tätigkeit ausgeübt haben, im Verlauf jedoch die Kriterien für das Erfordernis eines kaufmännischen Geschäftsbetriebs erfüllen, haben die Eröffnungsbilanz auf den Zeitpunkt zu erstellen, ab dem die Anmeldepflicht zum Handelsregister besteht; der Zeitpunkt der Eintragung ist demnach nicht maßgeblich.11 1 Vgl. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 242 HGB Rz. 13; ADS6, § 242 HGB Rz. 19; Sarx, DStR 1991, 692 (692); Briesemeister in Prinz/Kanzler, Handbuch Bilanzsteuerrecht3, Rz. 29. 2 Vgl. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 242 HGB Rz. 13; Ellerich/Swart in HdR5, § 242 HGB Rz. 7 (Stand Nov. 2017). Vgl. zur weiteren Diskussion ADS6, § 242 HGB Rz. 19. 3 Vgl. Kirsch/Harms/Siegel in BKT, Bilanzrecht, § 242 HGB Rz. 32 (Stand Feb. 2010). 4 Vgl. Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 242 HGB Rz. 22. 5 Vgl. Kirsch/Harms/Siegel in BKT, Bilanzrecht, § 242 HGB Rz. 32 (Stand Feb. 2010); Förschle/Kropp in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. B Rz. 54. 6 Vgl. Förschle/Kropp in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. B Rz. 56; Störk/Philipps in Beck BilKomm.12, § 242 HGB Rz. 3. 7 Vgl. Drüen in Tipke/Kruse, § 140 AO Rz. 18 (Stand Okt. 2012); Cöster in Koenig3, § 140 AO Rz. 26; Briesemeister in Prinz/Kanzler, Handbuch Bilanzsteuerrecht3, Rz. 33. 8 Vgl. Drüen in Tipke/Kruse, § 141 AO Rz. 47 (Stand Okt. 2015); Briesemeister in Prinz/Kanzler, Handbuch Bilanzsteuerrecht3, Rz. 48; Förschle/Kropp in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. B Rz. 163. 9 Vgl. Förschle/Kropp in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. B Rz. 163. 10 Vgl. Winkeljohann/Kropp/Siemers in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. C Rz. 34; Ellerich/ Swart in HdR5, § 242 HGB Rz. 7 (Stand Nov. 2017). 11 Vgl. Kirsch/Harms/Siegel in BKT, Bilanzrecht, § 242 HGB Rz. 34 (Stand Feb. 2010); Winkeljohann/Kropp/Siemers in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. C Rz. 36.

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B. Eröffnungsbilanz und Jahresbilanz (Abs. 1) | Rz. 27 § 242

Für eine Personengesellschaft ohne vollkaufmännisches Handelsgewerbe kann die Kaufmannseigenschaft schließlich auch dadurch begründet werden, dass sie von der Möglichkeit zur Eintragung in das Handelsregister Gebrauch macht (§ 6 Abs. 1 iVm. § 105 Abs. 2 Satz 1 HGB). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Aufstellung der Eröffnungsbilanz ist dann der Tag der Eintragung in das Handelsregister.1 Wegen § 140 AO gelten die handelsrechtlichen Rechnungslegungspflichten bezüglich des maßgeblichen Aufstellungszeitpunkts für die handelsrechtliche Eröffnungsbilanz auch für die steuerliche Eröffnungsbilanz. Eine originär steuerliche Pflicht zur Aufstellung einer steuerlichen Eröffnungsbilanz (§ 141 Abs. 1 AO) ist bei Überschreiten der steuerlichen Grenzwerte und auf Anordnung des Finanzamts auf den Beginn des Wirtschaftsjahres aufzustellen, das auf die Bekanntgabe der Mitteilung folgt.2 c) Kapitalgesellschaften Die Gründung einer Kapitalgesellschaft besteht aus mehreren Phasen.3 Die erste Phase des Gründungsvor- 26 gangs erstreckt sich über den Zeitraum vom Gründungsbeschluss bis zum Abschluss des notariell zu beurkundenden Gesellschaftsvertrags. Die zu gründende Gesellschaft wird als Vorgründungsgesellschaft bezeichnet und geht nach Abschluss des Gesellschaftsvertrags in die Vorgesellschaft über. Die Vorgesellschaft erlangt durch Eintragung in das Handelsregister ihre Eigenschaft als Kapitalgesellschaft. In formaler Hinsicht existiert die Kapitalgesellschaft somit erst mit der Eintragung in das Handelsregister (§ 11 Abs. 1 GmbHG, § 41 Abs. 1 AktG).4 Der für die Aufstellung der Eröffnungsbilanz maßgebende Zeitpunkt liegt nach Auffassung der hM zwischen dem Tag der notariellen Beurkundung des Gesellschaftsvertrags und damit dem Tag der Errichtung der Vorgesellschaft und dem Tag der Eintragung in das Handelsregister.5 Nimmt bereits die Vorgesellschaft eine über die Gründungsmaßnahmen hinausgehende Geschäftstätigkeit auf, ist die Eröffnungsbilanz auf den Tag der Errichtung aufzustellen.6 Buchführungspflicht und Aufstellungspflicht fallen in diesem Fall zusammen. Betreibt die Vorgesellschaft hingegen kein Handelsgewerbe, ist die Eröffnungsbilanz auf den Tag der Eintragung im Handelsregister aufzustellen.7 Als Formkaufmann ist die Kapitalgesellschaft stets zur Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich verpflichtet (§ 5 Abs. 1 EStG iVm. § 8 Abs. 1 KStG); die handelsrechtlichen Rechnungslegungspflichten sind daher auch für die Besteuerung von Bedeutung (§ 140 AO).8 Die steuerliche Eröffnungsbilanz ist nach Möglichkeit auf den Tag der Errichtung der Vorgesellschaft aufzustellen.9 Die Aufstellung der steuerlichen Eröffnungsbilanz auf einen späteren Zeitpunkt ist ebenso zulässig, sofern weder eine handelsrechtliche noch eine steuerliche Rechnungslegungspflicht besteht.10 d) Umwandlungen Bei Umwandlungsfällen zur Neugründung (Verschmelzung nach § 2 Nr. 2 UmwG, Spaltungen nach § 123 27 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 Nr. 2 UmwG) ist die Eröffnungsbilanz beim übernehmenden Rechtsträger auf den Beginn des Handelsgewerbes aufzustellen. Als maßgeblicher Stichtag der Eröffnungsbilanz ist der Übergang des rechtlichen Eigentums durch Eintragung der Umwandlung in das Handelsregister (§§ 20 Abs. 1, 131 Abs. 1 UmwG) oder der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums denkbar. Nach richtiger Auffassung ist bei den Umwandlungen zur Neugründung die Eröffnungsbilanz zum Zeitpunkt des Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums auf den übernehmenden Rechtsträger aufzustellen.11 1 Vgl. Kirsch/Harms/Siegel in BKT, Bilanzrecht, § 242 HGB Rz. 34 (Stand Feb. 2010); Förschle/Kropp/Siemers in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap C Rz. 35. 2 Vgl. Winkeljohann/Kropp/Siemers in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. C Rz. 166 mwN. 3 Vgl. zum Begriff der Gründung Joswig, DStR 1996, 1907 (1907). 4 Vgl. Morck/Drüen in Koller/Kindler ua., HGB9, § 242 Rz. 1. 5 Vgl. Winnefeld, Bilanz-Handbuch5, Kap. N Rz. 26; Winkeljohann/Hermesmeier in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. D Rz. 68 mwN. 6 Vgl. Rodewald, BB 1993, 1693 (1695); Joswig, DStR 1996, 1907 (1909 f.); Ellerich/Swart in HdR5, § 242 HGB Rz. 8c (Stand Nov. 2017); Kirsch/Harms/Siegel in BKT, Bilanzrecht, § 242 HGB Rz. 38 ff. (Stand Feb. 2010); Böcking/Gros in Wiedmann/Böcking/Gros, BilR4, § 242 HGB Rz. 6; Winnefeld, Bilanz-Handbuch5, Kap. N Rz. 26. 7 Vgl. Joswig, DStR 1996, 1907 (1909); Kirsch/Harms/Siegel in BKT, Bilanzrecht, § 242 HGB Rz. 37 (Stand Feb. 2010); Ellerich/Swart in HdR5, § 242 HGB Rz. 8b (Stand Nov. 2017); für das Datum der Anmeldepflicht als Stichtag Winkeljohann/Hermesmeier in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. D Rz. 75. 8 Vgl. Winkeljohann/Büssow in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. D Rz. 268. 9 Vgl. Winkeljohann/Büssow in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. D Rz. 269. 10 Vgl. Winkeljohann/Büssow in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. D Rz. 269. 11 Vgl. Deubert/Hoffmann in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. K Rz. 12; Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 242 HGB Rz. 14; Bula/Thees in Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen5, § 10 Rz. 86, § 19 Rz. 71;

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§ 242 Rz. 27 | Pflicht zur Aufstellung Die Aufstellung einer steuerlichen Eröffnungsbilanz in den Fällen der Umwandlung zur Neugründung hat auf den steuerlichen Übertragungsstichtag zu erfolgen.1 Beim Formwechsel (§ 190 ff. UmwG) hat der neu entstandene Rechtsträger eine steuerliche Eröffnungsbilanz ebenso auf den steuerlichen Übertragungsstichtag aufzustellen (§ 25 Satz 2 iVm. § 9 Satz 2 Halbs. 1 UmwStG).2 Dies ist – vorbehaltlich § 9 Satz 3 UmwStG, § 25 Satz 2 iVm. § 9 Satz 3 UmwStG – der Tag der Wirksamkeit des Formwechsels, also der Tag der Eintragung im Handelsregister. 3. Aufstellungsfrist 28 Eine Aufstellungsfrist ist für die Eröffnungsbilanz mangels Praktikabilität nicht gesondert gesetzlich gere-

gelt.3 Die gesetzliche Vorgabe des § 242 Abs. 1 Satz 1 HGB, die Aufstellung habe „zu Beginn seines Handelsgewerbes“ zu erfolgen, soll lediglich eine gewisse Zeitnähe zum Ausdruck bringen, eine konkrete Frist ist darin jedoch nicht zu sehen.4 Es wird allgemein als ausreichend angesehen, wenn die Eröffnungsbilanz unter Berücksichtigung der Verhältnisse des betreffenden Unternehmens aufgestellt wird.5 Allerdings kann die abstrakte Regelung des § 243 Abs. 3 HGB, wonach die Aufstellung des Jahresabschlusses innerhalb „der einem ordnungsmäßigen Geschäftsgang entsprechenden Zeit“ zu erfolgen hat, aufgrund § 242 Abs. 1 Satz 2 HGB auch für die Eröffnungsbilanz von Einzelkaufleuten und Personenhandelsgesellschaften in Anspruch genommen werden.6 Für Kapitalgesellschaften und Personenhandelsgesellschaften iSd. § 264a HGB gelten demnach die Aufstellungsfristen für den Jahresabschluss auch für die Eröffnungsbilanz (§ 242 Abs. 1 Satz 2 iVm. § 264 Abs. 1 HGB).7

29 Einzelkaufleute, die nicht von der Aufstellungspflicht gem. § 242 Abs. 4 HGB ausgenommen sind, haben

danach ihre Eröffnungsbilanz nach Möglichkeit innerhalb von drei Monaten, jedoch maximal von sechs Monaten aufzustellen.8

30 Personenhandelsgesellschaften außerhalb von § 264a HGB haben nach § 242 Abs. 1 Satz 2 HGB iVm.

§ 243 Abs. 3 HGB eine Aufstellungsfrist für die Eröffnungsbilanz von sechs Monaten einzuhalten.9

31 Für Kapitalgesellschaften und Personenhandelsgesellschaften iSd. § 264a HGB gelten die Aufstellungsfris-

ten für den Jahresabschluss gem. § 242 Abs. 1 Satz 2 HGB iVm. § 264 Abs. 1 Satz 2 von drei Monaten.10 Kleine Kapitalgesellschaften (ebenso Kleinstkapitalgesellschaften iSd. § 267a HGB) und kleine Personenhandelsgesellschaften iSd. § 264a HGB haben gem. § 264 Abs. 1 Satz 3 HGB eine Frist von sechs Monaten einzuhalten, sofern dies einem ordnungsmäßigen Geschäftsgang entspricht.11

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Philipp, Verschmelzung, 146 f.; IDW, RS HFA 42 Rz. 40. AA (Umwandlungsstichtag) Moszka in Semler/Stengel4, § 24 UmwG Rz. 18; Hörtnagl in Schmitt/Hörtnagl/Stratz8, § 24 UmwG Rz. 8. Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 04.03, 12.02 iVm. 04.03. S. auch van Lishaut in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut3, § 4 UmwStG Rz. 15; Rödder in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut3, § 12 UmwStG Rz. 41. Vgl. etwa Klingberg in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. L Rz. 191, 211; Birkemeier in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut3, § 9 UmwStG Rz. 52; Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz8, § 25 UmwStG Rz. 42. S. auch BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 09.01. Vgl. Förschle/Kropp in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. B Rz. 63; Winnefeld, Bilanz-Handbuch5, Kap. N Rz. 28. Vgl. (noch zur Vorgängernorm § 39 HGB aF) Blumers, Bilanzierungstatbestände, 51 ff. Ebenso Förschle/Kropp in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. B Rz. 63. Vgl. BVerfG v. 15.3.1978 – 2 BvR 927/76, NJW 1978, 1423 (1424). S. auch Förschle/Kropp in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. B Rz. 63. Vgl. ADS6, § 242 HGB Rz. 27; Hüffer in Ulmer, § 242 HGB Rz. 28; Böcking/Gros in Wiedmann/Böcking/Gros, BilR4, § 242 HGB Rz. 8; Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 242 HGB Rz. 15; Ellerich/Swart in HdR5, § 242 HGB Rz. 6a (Stand Nov. 2017). Vgl. Hüffer in Ulmer, § 242 HGB Rz. 30; Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 242 HGB Rz. 15; Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 242 HGB Rz. 12. Vgl. Hüffer in Ulmer, § 242 HGB Rz. 29. Tendenziell für eine Frist von sechs Monaten Ellerich/Swart in HdR5, § 242 HGB Rz. 6b (Stand Nov. 2017); ADS6, § 242 HGB Rz. 27. Vgl. Winkeljohann/Kropp/Siemers in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap C Rz. 40. Vgl. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 242 HGB Rz. 15; Kirsch/Harms/Siegel in BKT, Bilanzrecht, § 242 HGB Rz. 43 (Stand Feb. 2010). Vgl. nur Hüffer in Ulmer, § 242 HGB Rz. 30; Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 242 HGB Rz. 15; Ellerich/Swart in HdR5, § 242 HGB Rz. 6 (Stand Nov. 2017). Die Fristverlängerung mangels ordnungsmäßigen Geschäftsgangs ablehnend Langseder, Beck'sches Handbuch der GmbH5, § 9 Rz. 52; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB39, § 242 HGB Rz. 1; Winnefeld, Bilanz-Handbuch5, Kap. N Rz. 28. Ebenso bereits Blumers, DB 1986, 2033 (2036) („unverzüglich zu erstellen“).

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B. Eröffnungsbilanz und Jahresbilanz (Abs. 1) | Rz. 37 § 242

Für Einzelkaufleute und Personenhandelsgesellschaften außerhalb des § 264a HGB, die die Größenkriterien 32 des § 1 Abs. 1 PublG erfüllen, verkürzt sich die Aufstellungsfrist für die Eröffnungsbilanz auf drei Monate (§ 5 Abs. 1 PublG). Bedeutung erlangt die kurze Aufstellungsfrist nach dem PublG insbes. in Einbringungsund Übernahmefällen.1 Eine eigenständige steuergesetzlich normierte Aufstellungsfrist für die steuerliche Eröffnungsbilanz exis- 33 tiert ebenso nicht. Für die steuerliche Eröffnungsbilanz erlangen deshalb die handelsrechtlichen Aufstellungsfristen (§ 243 Abs. 3 iVm. § 242 Abs. 1 Satz 2 HGB) zugleich Gültigkeit, da die handelsrechtlichen Pflichten auch für Zwecke der Besteuerung zu erfüllen sind (§ 140 AO) sowie § 141 Abs. 1 Satz 2 AO auf die handelsrechtlichen Bilanzierungsgrundsätze verweist.2 Darüber hinaus hat sie in jedem Fall vor der Aufstellung der Steuerbilanz am nächstfolgenden Bilanzstichtag zu erfolgen, da sie als Ausgangspunkt des Betriebsvermögensvergleichs (§ 4 Abs. 1 Satz 1 EStG) gilt sowie gem. § 60 Abs. 1 Satz 1 EStDV als Abschrift den Steuererklärungen beizufügen ist.3 4. Vorschriften zur Aufstellung der Eröffnungsbilanz (Abs. 1 Satz 2) Nach § 242 Abs. 1 Satz 2 HGB sind auf die Eröffnungsbilanz die für den Jahresabschluss geltenden Vor- 34 schriften entsprechend anzuwenden, soweit sie sich auf die Bilanz beziehen. Damit betrifft der Verweis nur (1) die Vorschriften über die Aufstellung des Jahresabschlusses und (2) die Vorschriften, die die Bilanz als eigenständigen Pflichtbestandteil des Jahresabschlusses (§ 242 Abs. 3 HGB) betreffen. Für die GuV bleibt demnach kein Anwendungsbereich.4 Die Anordnung, die Vorschriften über den Jahresabschluss entsprechend anzuwenden, umfasst die allgemei- 35 nen Vorschriften (§§ 243–245 HGB), die Ansatz-, Bewertungs-, Gliederungs- und Ausweisvorschriften (§§ 246–256a HGB) sowie die Vorschriften über die Aufbewahrung und Vorlage (§§ 257–261 HGB).5 Für Kapitalgesellschaften und Personengesellschaften iSd. § 264a HGB sind zusätzlich die ergänzenden 36 Vorschriften der §§ 264 ff. HGB zu beachten.6 Die Aufstellung eines Anhangs und eines Lageberichts steht allerdings dem Wortlaut des § 242 Abs. 1 Satz 1 HGB („Eröffnungsbilanz“) entgegen und ist deshalb nicht notwendig.7 Die entsprechenden Angaben und Davon-Vermerke sind vielmehr direkt in der Eröffnungsbilanz vorzunehmen.8 Für die Eröffnungsbilanz besteht grundsätzlich keine gesetzliche Prüfungspflicht, da die Vorschriften über 37 die Prüfung (§§ 316 ff. HGB) keine „für den Jahresabschluss geltenden Vorschriften“ gem. § 242 Abs. 1 Satz 2 HGB darstellen.9 Eine Prüfung auf freiwilliger Basis (zB durch Gesellschaftsvertrag oder Gesellschafterbeschluss) steht dem allerdings nicht entgegen. Die gesetzliche Prüfung der Bilanzwerte der Eröffnungsbilanz erfolgt bei den der Prüfungspflicht unterliegenden Gesellschaften im Rahmen der Prüfung des ersten Jahresabschlusses.10

1 Vgl. für Einzelkaufleute Förschle/Kropp in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap B Rz. 66; für Personenhandelsgesellschaften Winkeljohann/Kropp/Siemers in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap C Rz. 41. 2 Vgl. Joswig, DStR 1996, 1907 (1911). 3 Vgl. Förschle/Kropp in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. B Rz. 64; Winkeljohann/Büssow in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. D Rz. 268; Joswig, DStR 1996, 1907 (1909). S. auch Drüen in Tipke/Kruse, § 141 AO Rz. 36 (Stand Okt. 2015). 4 Vgl. Winnefeld, Bilanz-Handbuch5, Kap. N Rz. 29; Schiffers in Schiffers/Theile, Bilanzrecht der GmbH, Rz. 4018. 5 Vgl. für eine Übersicht etwa ADS6, § 242 HGB Rz. 26; Förschle/Kropp in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. B Rz. 25. 6 Zur KapCo-Gesellschaft vgl. im Einzelnen Kahle/Hiller in Prinz/Kahle, Beck HdB PersG5, § 5 Rz. 160 ff. 7 Vgl. Hüffer in Ulmer, § 242 HGB Rz. 32; Kirsch/Harms/Siegel in BKT, Bilanzrecht, § 242 HGB Rz. 68 f. (Stand Feb. 2010); Pöschke in Großkomm.5, § 242 HGB Rz. 33. AA Winkeljohann/Hermesmeier in Winkeljohann/Förschle/ Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. D Rz. 11, die die Aufstellung eines Anhangs für zweckmäßig halten. So wohl auch Schiffers in Schiffers/Theile, Bilanzrecht der GmbH, Rz. 4019. 8 Vgl. Kirsch/Harms/Siegel in BKT, Bilanzrecht, § 242 HGB Rz. 68 (Stand Feb. 2010). 9 So die ganz hM, vgl. etwa für den Einzelkaufmann Förschle/Kropp in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. B Rz. 24, 143; für Personenhandelsgesellschaften Winkeljohann/Kropp/Siemers in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. C Rz. 148; für Kapitalgesellschaften Winkeljohann/Schellhorn in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. D Rz. 254. Ebenso Kirsch/Harms/Siegel in BKT, Bilanzrecht, § 242 HGB Rz. 64 (Stand Feb. 2010); Pöschke in Großkomm.5, § 242 HGB Rz. 33; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB39, § 242 HGB Rz. 1. 10 Vgl. Kirsch/Harms/Siegel in BKT, Bilanzrecht, § 242 HGB Rz. 65 (Stand Feb. 2010); Kuhn in Heidel/Schall3, § 242 HGB Rz. 6.

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§ 242 Rz. 38 | Pflicht zur Aufstellung 38 Eine gesetzliche Prüfungspflicht ergibt sich allerdings für die AG und KGaA aus § 33 AktG.1 Nach § 33

Abs. 1 AktG haben die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats den Hergang der Gründung zu prüfen. Eine zusätzliche Prüfung durch einen externen Gründungsprüfer hat – vorbehaltlich der Ausnahmen in § 33a AktG – nur unter den Umständen des § 33 Abs. 2 Nr. 1–4 AktG zu erfolgen (§ 33 Abs. 2–5 AktG). Wenngleich im Unterschied zur AG der Hergang der Gründung der GmbH deutlich weniger geprüft wird, besteht auch bei der GmbH für die Gründergesellschafter die Pflicht zur Aufstellung eines Sachgründungsberichts im Fall von Sacheinlagen (§ 5 Abs. 4 Satz 2 GmbHG).2

39 Für die Eröffnungsbilanz besteht auch keine Offenlegungspflicht nach § 325 HGB, weil die Offenlegungs-

vorschriften nicht zu den Vorschriften gem. § 242 Abs. 1 Satz 2 HGB gehören.3 Eine Offenlegung der Werte der Eröffnungsbilanz bei publizitätspflichtigen Gesellschaften erfolgt jedoch indirekt über die Offenlegung des ersten Jahresabschlusses.4

40 Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 EStDV ist mit der Steuererklärung im Fall der Eröffnung eines Betriebs eine Ab-

schrift der Eröffnungsbilanz beim Finanzamt einzureichen.

5. Sanktionen bei Pflichtverletzung 41 Für Einzelkaufleute und Personengesellschaften sind gesetzliche Strafen im HGB nicht ausdrücklich vor-

gesehen. Sanktionen können sich jedoch aufgrund besonderer Vorschriften (zB §§ 17 ff. PublG) oder bei besonderen Umständen (zB Bankrott) ergeben.5

42 Bei Kapitalgesellschaften und Personenhandelsgesellschaften iSd. § 264a HGB können bereits unrichtige

Darstellungen in der Eröffnungsbilanz und im Jahresabschluss mit Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren oder Geldstrafen gem. § 331 HGB geahndet werden.6 Zuwiderhandlungen gegen die gesetzlichen Vorschriften in Bezug auf Form, Inhalt, Bewertung, Gliederung oder weitere Angaben in der Eröffnungsbilanz und im Jahresabschluss (§§ 243 ff. HGB) werden als Ordnungswidrigkeiten mit Geldbußen bis zu 50.000 € geahndet (§ 334 Abs. 3 HGB). Für den Fall, dass der Jahresabschluss wesentliche Gliederungs- und/oder Bewertungsmängel aufweist, kann dieser gem. § 256 Abs. 4 und 5 AktG nichtig sein,7 was nach § 253 Abs. 1 Satz 1 AktG auch die Nichtigkeit des darauf beruhenden Gewinnverwendungsbeschlusses zur Folge hat.8 Etwaig getätigte Gewinnausschüttungen sind daraufhin zurückzufordern.9

43 Im Fall einer Nichtaufstellung kann der Jahresabschluss nicht geprüft und somit auch nicht festgestellt wer-

den (§ 316 Abs. 1 Satz 2 HGB). Darüber hinaus können – im Wesentlichen – aus der Nichtaufstellung erwachsende Verstöße gegen die Offenlegungspflichten bei Kapitalgesellschaften (§ 325 HGB) mit einem Ordnungsgeld gem. § 335 Abs. 1 HGB belegt werden.

44 Für bestimmte Branchen (zB Kreditinstitute oder Versicherungen) oder Rechtsformen (zB Genossenschaf-

ten) können Sondervorschriften zu den Folgen bei Nichtbeachtung der Aufstellungspflichten hinsichtlich des Jahresabschlusses bestehen.

45 Die unterlassene oder verspätete Aufstellung kann auch zu strafrechtlichen Konsequenzen führen. Unabhän-

gig von der Rechtsform und den o.g. Folgen gelten §§ 283–283b StGB.10

1 Vgl. hierzu ausführlich Maul in Drinhausen/Eckstein, Handbuch der AG3, § 2 Rz. 23 ff. 2 Vgl. Schiffers in Schiffers/Theile, Bilanzrecht der GmbH, Rz. 4048. 3 So die ganz hM, vgl. etwa für den Einzelkaufmann Förschle/Kropp in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. B Rz. 24, 147; für Personenhandelsgesellschaften Winkeljohann/Kropp/Siemers in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. C Rz. 154; für Kapitalgesellschaften Winkeljohann/Schellhorn in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. D Rz. 261. Ebenso Kirsch/Harms/Siegel in BKT, Bilanzrecht, § 242 HGB Rz. 67 (Stand Feb. 2010); Pöschke in Großkomm.5, § 242 HGB Rz. 33; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB39, § 242 HGB Rz. 1. 4 Vgl. Kirsch/Harms/Siegel in BKT, Bilanzrecht, § 242 HGB Rz. 67 (Stand Feb. 2010); Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 242 HGB Rz. 26. 5 Vgl. Grottel/Hoffmann in Beck BilKomm.12, § 331 HGB Rz. 1. 6 Vgl. hierzu auch Gutfleisch/Wächtershäuser, BBK 2018, 683 ff. 7 Vgl. Koch in MünchKomm. AktG4, § 256 AktG Rz. 50, 55; Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 242 HGB Rz. 41. Die Regelungen des § 256 AktG gelten auch für die GmbH, vgl. etwa Vetter in Henssler/Strohn4, § 256 AktG Rz. 4. 8 Vgl. Koch in MünchKomm. AktG4, § 253 AktG Rz. 9; ebenso Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 242 HGB Rz. 41. 9 Vgl. Wiechers/Wolf, BBK 2015, 506 (512). 10 Vgl. für eine Übersicht über die einzelnen Straftatbestände in Bezug auf die Verstöße gegen die Aufstellungspflicht der Eröffnungsbilanz für den Einzelkaufmann Förschle/Kropp in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. B Rz. 69 ff.; für die organschaftlich handelnden Personen der Personenhandelsgesellschaften Winkeljohann/ Kropp/Siemers in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. C Rz. 70 f.; für die verantwortlichen Per-

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C. Gewinn- und Verlustrechnung (Abs. 2) | Rz. 51 § 242

Die Verletzung handelsrechtlicher Aufstellungspflichten hat zumeist auch die Verletzung steuerlicher Pflich- 46 ten zur Folge. Steuerrechtlich kann die Nichtbeachtung der Aufstellungspflicht die Schätzung der Besteuerungsgrundlagen nach § 162 AO zur Folge haben. Darüber hinaus kann die Verletzung der Aufstellungspflicht als Steuerstraftat (§ 370 AO) oder Ordnungswidrigkeit (§§ 378, 379 AO) geahndet werden.1 Schließlich besteht auch die Möglichkeit, die Eröffnungsbilanz mit Zwangsmitteln zu erzwingen (§§ 328 ff. iVm. 140 AO).

II. Jahresbilanz (Abs. 1 Satz 1) Neben der Aufstellung einer Eröffnungsbilanz zu Beginn des Handelsgewerbes ist der Kaufmann – vor- 47 behaltlich des § 242 Abs. 4 HGB – dazu verpflichtet, „für den Schluss eines jeden Geschäftsjahres einen das Verhältnis seines Vermögens und seiner Schulden darstellenden Abschluss [..] aufzustellen“ (§ 242 Abs. 1 Satz 1 HGB). Im Gegensatz zur Eröffnungsbilanz, die das Vermögen zu Beginn der gewerblichen Tätigkeit zeigt, bildet die Jahresbilanz das Vermögen und die Schulden des Kaufmanns zum Bilanzstichtag ab. Zusammen bilden sie die bedeutsamsten Bilanzen in der Praxis.2 Die Verpflichtung gilt auch für den Fall, dass sich das Handelsgewerbe so weit reduziert, dass das Unternehmen nach Art und Umfang keinen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb mehr erfordert. Die Jahresbilanz ist sodann für das letzte (Rumpf-)Geschäftsjahr auf den Zeitpunkt, ab dem die Kaufmannseigenschaft nicht mehr vorliegt, innerhalb der einem ordnungsmäßigen Geschäftsgang entsprechenden Zeit (§ 243 Abs. 3 HGB) aufzustellen.3 Das Ende des Geschäftsjahres ist der letzte Tag des jeweiligen Geschäftsjahres um 24.00 Uhr.4 Der Zeitraum 48 für ein Geschäftsjahr umfasst idR 12 Monate. Ein längerer Zeitraum ist nicht zulässig (§ 240 Abs. 2 Satz 2 HGB). Bei einem Rumpfgeschäftsjahr kann der Zeitraum jedoch kürzer als 12 Monate sein. Auf eine Übereinstimmung des Geschäftsjahres mit dem Kalenderjahr kommt es nicht an.5 Die Aufstellungsfrist richtet sich nach §§ 243 Abs. 3, 264 Abs. 1 HGB. Für die Bilanzierung der einzelnen Vermögensgegenstände und Schulden sind die bis zum Bilanzstichtag an- 49 gefallenen Geschäftsvorfälle zu berücksichtigen (Stichtagsprinzip). Die Bewertung hat sich nach den Verhältnissen am jeweiligen Bilanzstichtag zu richten.6 Die Verhältnisse am Tag der Bilanzerstellung sind somit nicht maßgeblich. Erkenntnisse, die zwischen dem Bilanzstichtag und dem Tag der Bilanzerstellung gewonnen werden, sind in werterhellende und wertbegründende Tatsachen zu unterscheiden.7 Wertaufhellende Tatsachen sind Erkenntnisse, die sich über die am Bilanzstichtag bestehenden Umstände bis zur Aufstellung der Bilanz ergeben. Sie sind bei der Aufstellung der Jahresbilanz zu berücksichtigen. Demgegenüber sind wertbegründende Tatsachen solche Erkenntnisse, die ihre Ursache nach dem Bilanzstichtag haben. Sie sind bei der Aufstellung der Jahresbilanz nicht zu berücksichtigen.8 Form und Inhalt der Jahresbilanz richten sich nach §§ 243 ff., 264 ff. HGB.

Gem. § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG ist für den Schluss des Wirtschaftsjahres das Betriebsvermögen anzusetzen, das 50 nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen ist, sofern nicht durch steuerliche Wahlrechtsausübung ein anderer Ansatz gewählt wird. Aufgrund dieses Maßgeblichkeitsprinzips bildet die Jahresbilanz gem. § 242 Abs. 1 Satz 1 HGB die Grundlage für die steuerliche Gewinnermittlung.

C. Gewinn- und Verlustrechnung (Abs. 2) Der Kaufmann wird nach § 242 Abs. 2 HGB – vorbehaltlich § 242 Abs. 4 HGB – dazu verpflichtet, neben 51 einer Bilanz auch eine GuV, dh. eine Gegenüberstellung der Aufwendungen und Erträge zum Schluss eines jeden Geschäftsjahres, aufzustellen. Sie ist ein Pflichtbestandteil des Jahresabschlusses (§ 242 Abs. 3 HGB).

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sonen bei Kapitalgesellschaften Winkeljohann/Hermesmeier in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. D Rz. 91 ff. Vgl. auch Blumers, DStR 1983, 707 ff. Vgl. Förschle/Kropp in Winkeljohann/Förschle/Deubert, Sonderbilanzen5, Kap. B Rz. 76. Vgl. Blumers, DStR 1983, 707 (708). Vgl. Störk/Philipps in Beck BilKomm.12, § 242 HGB Rz. 5; Reiß in Ensthaler8, § 242 HGB Rz. 4. Vgl. Störk/Philipps in Beck BilKomm.12, § 242 HGB Rz. 5. Vgl. Ellerich/Swart in HdR5, § 242 HGB Rz. 13 (Stand Nov. 2017). Vgl. Störk/Philipps in Beck BilKomm.12, § 242 HGB Rz. 6. Vgl. Scheffler, Besteuerung von Unternehmen, Bd. 2 Steuerbilanz9, 49. Vgl. Störk/Philipps in Beck BilKomm.12, § 242 HGB Rz. 6.

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§ 242 Rz. 51 | Pflicht zur Aufstellung Für die Aufstellungsfrist gilt § 243 Abs. 3 HGB. Im Gegensatz zu der stichtagsbezogenen Bilanz stellt die GuV jedoch ein zeitraumbezogenes Informationsinstrument dar;1 sie zeigt die Ursachen der Entstehung des Jahresergebnisses nach Art, Höhe und Quelle auf.2 Die Pflicht zur Aufstellung einer Bilanz sowie einer GuV zum Schluss eines jeden Wirtschaftsjahres beinhaltet implizit für alle Kaufleute die Verpflichtung zur doppelten Buchführung; beide Rechenwerke (Bilanz, GuV) sind mithin rechnungstechnisch verknüpft.3 52 § 242 Abs. 2 HGB enthält im Vergleich zu den Vorgaben über den Inhalt der Bilanz (§ 247 HGB) keine

expliziten Vorgaben zum Inhalt der GuV. Die Aufstellungsgrundsätze sind vielmehr aus für den gesamten Jahresabschluss geltenden GoB (§ 243 Abs. 1 HGB) abzuleiten; sie muss demnach klar und übersichtlich gegliedert (§ 243 Abs. 2 HGB), vollständig (§ 246 Abs. 1 Satz 1 HGB) sowie unsaldiert (§ 246 Abs. 2 HGB) sein.4

53 Für Einzelkaufleute und Personenhandelsgesellschaften sind in Ermangelung besonderer Aufstellungsvor-

schriften die allgemeinen Aufstellungsgrundsätze wie Klarheit und Übersichtlichkeit, Vollständigkeit und das Saldierungsverbot maßgebend. Die GuV kann somit grundsätzlich nach Staffelform oder Kontoform unter Anwendung des Gesamtkosten- oder Umsatzkostenverfahrens aufgestellt werden. In praxi führen die allgemeinen Aufstellungsgrundsätze regelmäßig zu einer Übernahme der für Kapitalgesellschaften und Personenhandelsgesellschaften iSd. § 264a HGB (§ 275 HGB) geltenden Anforderungen, um der Informationsfunktion der GuV ausreichend Rechnung zu tragen.5 Für kleine und mittelgroße Einzelkaufleute und Personenhandelsgesellschaften gelten sodann die Erleichterungen des § 276 HGB analog.

54 Kapitalgesellschaften und Personenhandelsgesellschaften iSd. § 264a HGB haben neben den allgemeinen

Aufstellungsgrundsätzen die speziellen Vorgaben der §§ 275–278 HGB zu beachten. So haben diese Gesellschaften gem. § 275 Abs. 1 Satz 1 HGB die GuV in Staffelform, allerdings wahlweise nach dem Gesamtkosten- oder dem Umsatzkostenverfahren aufzustellen (§ 275 Abs. 2, 3 HGB). Für kleine und mittelgroße Kapitalgesellschaften sowie kleine und mittelgroße Personenhandelsgesellschaften iSd. § 264a HGB gelten die Erleichterungen nach § 276 HGB.

55 Einzelkaufleute und Personenhandelsgesellschaften, die dem PublG unterfallen, haben ihre GuV nach den

für Kapitalgesellschaften geltenden Vorschriften gem. § 5 Abs. 1 Satz 2 PublG aufzustellen. Entsprechende Erleichterungen ergeben sich für diese Unternehmen aus § 5 Abs. 5 iVm. § 9 Abs. 2 PublG.

56 Über § 60 EStDV erlangt die GuV auch steuerrechtlich an Bedeutung. Für den Fall, dass Bücher geführt

werden, ist die GuV zusammen mit der Bilanz beim Finanzamt einzureichen (§ 60 Abs. 1 Satz 2 EStDV). Für die Ermittlung des steuerlichen Gewinns wird jedoch regelmäßig keine eigene steuerliche GuV, sondern vielmehr auf Basis der handelsrechtlichen GuV (§ 5 Abs. 1 Satz 1 EStG) eine Überleitungsrechnung aufgestellt.6 Entscheidet sich der Steuerpflichtige zur Erstellung einer eigenständigen Steuerbilanz, sieht § 60 Abs. 2 Satz 2 EStDV nur die Einreichung der Steuerbilanz und nicht auch einer GuV vor.

D. Bestandteile des Jahresabschlusses (Abs. 3) 57 § 242 Abs. 3 HGB enthält die Legaldefinition für den Jahresabschluss. Danach setzt sich der für den Schluss

eines jeden Geschäftsjahres aufzustellende Jahresabschluss (§ 242 Abs. 1 Satz 1 HGB) aller Kaufleute aus den Pflichtbestandteilen Bilanz und GuV zusammen. Die Dauer des Geschäftsjahres richtet sich nach § 243 Abs. 2 Satz 2 HGB. Für die persönliche Verpflichtung zur Aufstellung eines Jahresabschlusses s. Rz. 17.

58 Für Kapitalgesellschaften und Personenhandelsgesellschaften iSd. § 264a HGB sind neben den für alle

Kaufleute geltenden Grundsätzen die ergänzenden Vorschriften der §§ 264–289a HGB zu beachten. So erweitert § 264 Abs. 1 Satz 1 HGB – vorbehaltlich etwaiger Erleichterungs- und Befreiungsvorschriften (zB für Kleinstkapitalgesellschaften) – die unverzichtbaren Bestandteile des Jahresabschlusses (Legaldefinition, § 242 Abs. 3 HGB), die für alle Kaufleute gelten, bei diesen Gesellschaften um einen Anhang. Mittelgroße

Vgl. ADS6, § 242 HGB Rz. 36; Winnefeld, Bilanz-Handbuch5, Kap. G Rz. 20. Vgl. Winnefeld, Bilanz-Handbuch5, Kap. G Rz. 1; Kleindiek, in MünchKomm. BilR, § 242 HGB Rz. 29. Vgl. Winnefeld, Bilanz-Handbuch5, Kap. G Rz. 2. Vgl. hierzu ausführlich Schmidt/Kliem in Beck BilKomm.12, § 247 HGB Rz. 620 ff. Ebenso Schellein, WPg. 1988, 693 (694); Hüffer in Ulmer, § 242 HGB Rz. 11; Winnefeld, Bilanz-Handbuch5, Kap. G Rz. 52; Kleindiek, in MünchKomm. BilR, § 242 HGB Rz. 34. 5 So die hM, vgl. etwa ADS6, § 242 HGB Rz. 37 f.; Hüffer in Ulmer, § 242 HGB Rz. 11; Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 242 HGB Rz. 24; Pöschke in Großkomm.5, § 242 HGB Rz. 10. 6 Vgl. Winnefeld, Bilanz-Handbuch5, Kap. G Rz. 7. Vgl. auch Schmidt/Kliem in Beck BilKomm.12, § 247 HGB Rz. 664 ff. 1 2 3 4

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E. Größenabhängige Befreiung von den Aufstellungspflichten (Abs. 4) | Rz. 62 § 242

und große Kapitalgesellschaften iSd. § 267 HGB sowie Personenhandelsgesellschaften iSd. § 264a HGB sind darüber hinaus verpflichtet, einen Lagebericht aufzustellen (§ 264 Abs. 1 HGB). Für kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften iSd. § 264d HGB, die für den in praxi „eher selten[en]“1 Fall nicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses verpflichtet sind, erweitert § 264 Abs. 1 Satz 2 HGB die verpflichtend einzubeziehenden Bestandteile des Jahresabschlusses um eine Kapitalflussrechnung sowie einen Eigenkapitalspiegel; fakultativ kann eine Segmentberichterstattung erstellt werden. Für Genossenschaften (§§ 336 ff. HGB), Kreditinstitute (§§ 340 ff. HGB) und Versicherungsunternehmen 59 (§§ 341 ff. HGB) sind neben den für alle Kaufleute geltenden Grundsätzen die ergänzenden rechtsformbzw. branchenspezifischen Grundsätze zu beachten. Für die Aufstellung des Jahresabschlusses zum Schluss eines jeden Geschäftsjahres gelten die Aufstellungs- 60 fristen gem. § 243 Abs. 3 HGB. Einzelkaufleute und Personenhandelsgesellschaften haben danach den Jahresabschluss in einem Zeitraum, „der einem ordnungsmäßigen Geschäftsgang“ entspricht, aufzustellen. Für Kapitalgesellschaften und Personenhandelsgesellschaften iSd. § 264a HGB gilt nach § 264 Abs. 1 Satz 3 HGB eine Frist von drei Monaten. Kleine Gesellschaften iSd. § 267 HGB haben eine Aufstellungsfrist von sechs Monaten, sofern dies einem ordnungsmäßigen Geschäftsgang entspricht (§ 264 Abs. 1 Satz 4 HGB). Unternehmen, die unter das PublG fallen, haben gem. § 5 Abs. 1 PublG drei Monate Zeit. Für Sanktionen bei Pflichtverletzungen s. Rz. 38 ff. Die Pflichtbestandteile des handelsrechtlichen Jahresabschlusses erlangen auch für die steuerliche Gewinn- 61 ermittlung Bedeutung. Denn nach § 60 Abs. 1 EStDV sind – vorbehaltlich § 5b Abs. 1 Satz 1 EStG – die nach handelsrechtlichen Grundsätzen aufgestellte Bilanz und GuV der Steuererklärung beizufügen, sofern die Handelsbilanz nicht gegen steuerliche Vorschriften verstößt (sog. Einheitsbilanz). Ein etwaiger Anhang, Lagebericht sowie Prüfungsbericht ist als Abschrift ebenso der Steuererklärung beizufügen (§ 60 Abs. 3 Satz 1 EStDV). Verzichtet der Steuerpflichtige auf die Aufstellung einer eigenständigen Steuerbilanz (§ 60 Abs. 2 Satz 2 EStDV), sind die Ansätze oder Beträge der Handelsbilanz, die den steuerlichen Vorschriften nicht entsprechen, durch Zusätze oder Anmerkungen den steuerlichen Vorschriften anzupassen (§ 60 Abs. 2 Satz 1 EStDV), was regelmäßig in Form einer sog. Mehr- oder Weniger-Rechnung geschieht. Für steuerliche Zwecke gelten mangels explizit normierter steuerlicher Aufstellungsfristen die Aufstellungsfristen gem. § 243 Abs. 3 iVm. § 242 Abs. 1 Satz 2 HGB.2 In begrenztem Umfang greifen für die Steuerbilanz auch die Abgabefristen für die Steuererklärungen (ESt./KSt.) gem. § 149 Abs. 2 AO, da sie den Steuererklärungen als „Unterlage“ gem. § 150 Abs. 4 Satz 1 AO beizufügen ist.3

E. Größenabhängige Befreiung von den Aufstellungspflichten (Abs. 4) Die handelsrechtliche Verpflichtung zur Aufstellung einer Eröffnungsbilanz sowie eines Jahresabschlusses 62 (Bilanz und GuV) gilt nicht uneingeschränkt. Der durch das BilMoG neu eingefügte § 242 Abs. 4 HGB ermöglicht es Einzelkaufleuten, sich von allen die Aufstellung betreffenden Vorschriften zu befreien, sofern in zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren die Umsatzerlöse des Einzelunternehmers nicht mehr als 600.000 € und der Jahresüberschuss nicht mehr als 60.000 € betragen (§ 242 Abs. 4 Satz 1 iVm. § 241a HGB). Im Fall der Neugründung entfällt die Pflicht zur Aufstellung eines Jahresabschlusses für Einzelkaufleute bereits dann, wenn die effektiven Umsatz- und Jahresüberschussgrenzen nach dem ersten Geschäftsjahr nach der Neugründung nicht überschritten werden (§ 242 Abs. 4 Satz 2 HGB).4 Diese Regelung kann in praxi gestalterisch dazu genutzt werden, um sich gezielt von den handelsrechtlichen Buchführungs- und Aufstellungspflichten zu lösen, zB durch die Verschmelzung einer GmbH auf ihren Alleingesellschafter.5 Personenhandelsgesellschaften und Kapitalgesellschaften werden von § 242 Abs. 4 HGB nicht erfasst.6

1 Störk/Schellhorn in Beck BilKomm.12, § 264 HGB Rz. 5. So auch die Regierungsbegründung zum BilMoG, vgl. BTDrucks. 16/10067, 43. Zustimmend auch Zwirner/Petersen/König, DB 2012, 61 (62). 2 Vgl. Schmidt/Usinger in Beck BilKomm.12, § 243 HGB Rz. 94; Böcking/Gros in Ebenroth/Boujong ua., HGB4, § 243 Rz. 21. 3 Vgl. Schmidt/Usinger in Beck BilKomm.12, § 243 HGB Rz. 94; Böcking/Gros in Ebenroth/Boujong ua., HGB4, § 243 Rz. 21. 4 Vgl. BT-Drucks. 16/10067. In Bezug auf die Berücksichtigung der effektiven Größenkriterien in Analogie zu § 267 HGB vgl. Störk/Lawall in Beck BilKomm.12, § 241a HGB Rz. 5, § 267 HGB Rz. 8. 5 Vgl. hierzu auch Bisle, NWB 2017, 2137. 6 Vgl. BT-Drucks. 16/10067, 47.

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§ 242 Rz. 63 | Pflicht zur Aufstellung 63 Die Befreiung der betroffenen Einzelunternehmer von der Aufstellungspflicht nach § 242 Abs. 1 HGB folgt aus

dem Regelungszusammenhang mit den Befreiungen von der Buchführungspflicht (§ 238 HGB) sowie von der Pflicht zur Aufstellung eines Inventars (§ 240 HGB) gem. § 241a iVm. §§ 238–241 HGB.1 Ohne die Befreiung von der Aufstellung einer Eröffnungsbilanz und eines Jahresabschlusses wären die Einzelkaufleute trotz § 241a HGB zur Buchführung faktisch verpflichtet.2 Die Inanspruchnahme der Befreiung nach § 242 Abs. 4 HGB setzt jedoch nicht voraus, dass die Befreiung nach § 241a HGB auch tatsächlich in Anspruch genommen wird.3 Führt der Einzelkaufmann trotz Unterschreiten der Schwellenwerte des § 241a HGB freiwillig Bücher, ist daraus keine Aufstellungspflicht abzuleiten.4 § 242 Abs. 4 HGB „ergänzt“5 § 241a HGB lediglich für den Fall, dass die Befreiung nach § 241a HGB auch tatsächlich in Anspruch genommen wird. Die freiwillige Aufstellung einer Eröffnungsbilanz sowie eines Jahresabschlusses bleibt davon allerdings ebenso unberührt.6

64 Für die Beurteilung, ob ein Wahlrecht zur Befreiung von der Aufstellungspflicht nach § 242 Abs. 4 iVm.

§ 241a HGB besteht, reicht die Erkenntnis, „wenn nach überschlägiger Ermittlung unter Berücksichtigung der handelsrechtlichen Vorschriften zum Jahresschluss ein Überschreiten der Schwellenwerte nicht zu erwarten ist.“7 Die Aufstellung eines Jahresabschlusses zur Beurteilung ist damit nicht erforderlich;8 sie würde auch der vom Gesetzgeber intendierten Kosteneinsparung zuwiderlaufen.9

65 Die wirksame Ausübung der Befreiung von der Aufstellungspflicht nach § 242 Abs. 4 iVm. § 241a HGB er-

streckt sich auch auf die steuerliche Buchführungs- und Aufzeichnungspflicht gem. § 140 AO. Die steuerliche Aufstellungspflicht gem. § 141 AO bleibt von den Befreiungen des § 242 Abs. 4 HGB hingegen unberührt,10 wodurch es zu einer handelsrechtlichen Befreiung und einer steuerlichen Aufstellungspflicht kommen kann.

66 Liegt weder eine handelsrechtliche noch eine steuerrechtliche Bilanzierungspflicht vor, ist der Einzelkauf-

mann lediglich verpflichtet, seine Einkünfte durch die Aufstellung einer Einnahmen-Überschuss-Rechnung nach § 4 Abs. 3 EStG zu ermitteln.11 Die für steuerliche Zwecke aufzustellende Einnahmen-ÜberschussRechnung ist damit auch für handelsrechtliche Zwecke wie die Ausschüttungsbemessung nutzbar.12 Nicht zuletzt aufgrund der neuerlichen Anhebung der Schwellenwerte in § 241a HGB durch das Bürokratieentlastungsgesetz v. 28.7.201513 wird die Bedeutung der Einnahmen-Überschuss-Rechnung in Zukunft wohl weiter zunehmen.14

§ 243 Aufstellungsgrundsatz (1) Der Jahresabschluß ist nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung aufzustellen. (2) Er muß klar und übersichtlich sein. (3) Der Jahresabschluß ist innerhalb der einem ordnungsmäßigen Geschäftsgang entsprechenden Zeit aufzustellen. 1 Vgl. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 242 HGB Rz. 4; Böcking/Gros in Wiedmann/Böcking/Gros, BilR4, § 242 HGB Rz. 1. 2 Vgl. Störk/Philipps in Beck BilKomm.12, § 242 HGB Rz. 14; Ellerich/Swart in HdR5, § 242 HGB Rz. 16 (Stand Nov. 2017); Morck/Drüen in Koller/Kindler ua., HGB9, § 242 Rz. 5; Winnefeld, Bilanz-Handbuch5, Kap. A Rz. 1120. 3 So auch Reiß in Ensthaler8, § 242 HGB Rz. 17. Für ein Wahlrecht vgl. auch Störk/Lawall in Beck BilKomm.12, § 241a HGB Rz. 6. AA Störk/Philipps in Beck BilKomm.12, § 242 HGB Rz. 14; Ellerich/Swart in HdR5, § 242 HGB Rz. 17 (Stand Nov. 2017); Pöschke in Großkomm.5, § 242 HGB Rz. 47. 4 Vgl. Reiß in Ensthaler8, § 242 HGB Rz. 17. 5 BT-Drucks. 16/10068, 47. 6 Vgl. Pöschke in Großkomm.5, § 242 HGB Rz. 47. 7 BT-Drucks. 16/10067, 46. Vgl. auch Noodt, in Haufe BilKomm.10, § 242 HGB Rz. 13; Zülch/Hoffmann, DB 2009, 745 (745, „begründete Schätzung“). 8 Vgl. BT-Drucks. 16/10067, 46. 9 Vgl. BT-Drucks. 16/10067, 46; BT-Drucks. 18/4948, 19. 10 Vgl. Oser/Roß ua., WPg. 2008, 675 (675 f.); Wenk/Jagosch, DStR 2009, 2330 (2331); Kirsch/Harms/Siegel in BKT, Bilanzrecht, § 242 HGB Rz. 110 (Stand Feb. 2010). 11 Vgl. BT-Drucks. 16/10067, 46. Zustimmend Zülch/Hoffmann, DB 2009, 745; Wenk/Jagosch, DStR 2009, 2330 (2331); Kirsch/Harms/Siegel in BKT, Bilanzrecht, § 242 HGB Rz. 110 (Stand Feb. 2010). 12 Vgl. Richter, FR 2009, 804 (805). 13 G. v. 28.7.2015, BGBl. I 2015, 1400. 14 So bereits nach Einfügung des § 241a HGB sowie der Ergänzung des § 242 HGB um einen neuen Abs. 4 durch das BilMoG Herzig, DB 2008, 1339 (1341); Oser/Roß ua., WPg. 2008, 675 (676). AA Kußmaul/Meyering, DB 2008, 1445 (1447).

58 | Kahle/Wildermuth und Malke/Schulz

Aufstellungsgrundsatz | § 243 A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anwendungsbereich 1. Persönlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . 2. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . B. Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (Abs. 1) I. Begriff und Rechtsnatur der GoB . . . . . . . . . . . II. Kategorisierung von GoB 1. Kodifizierte und nicht kodifizierte GoB . . . . 2. Gewinnanspruchs-GoB und InformationsGoB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. GoB-Systembildung 1. Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 4 6 10 18 19 24

2. Ausschüttungsstatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. (Potenzielle) Einflüsse der IFRS auf die GoB . . V. Bedeutung der GoB für die steuerliche Gewinnermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Grundsatz der Klarheit und Übersichtlichkeit (Abs. 2) I. Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Einzelfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Aufstellungsfrist (Abs. 3) I. Überblick und Zweck der Vorschrift . . . . . . . . II. Rechtsprechung und Meinungsstand in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Stichtagsprinzip und Fast Close . . . . . . . . . . . . IV. Folgen bei Verstoß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25 35 38 40 44 52 58 66 71

Literatur: Döllerer, Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, deren Entstehung und Ermittlung, BB 1959, 1217; Moxter, Die handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung und das neue Bilanzrecht, ZHR 1980, 254; Schneider, Rechtsfindung durch Deduktion von Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung aus gesetzlichen Jahresabschlußzwecken?, StuW 1983, 141; Beisse, Zum Verhältnis von Bilanzrecht und Betriebswirtschaftslehre, StuW 1984, 1; Ballwieser, Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung und neues Bilanzrecht, ZfB-Ergänzungsheft 1/1987, 3; Beisse, Rechtsfragen der Gewinnung von GoB, BFuP 1990, 499; Beisse, Gläubigerschutz – Grundprinzip des deutschen Bilanzrechts, in Beisse/Lutter/Närger (Hrsg.), FS Beusch, 1993, 77; Beisse, Zum neuen Bild des Bilanzrechtssystems, in Ballwieser/Böcking/Drukarczyk/Schmidt (Hrsg.), Bilanzrecht und Kapitalmarkt, FS Moxter, 1994, 3; Ballwieser, Zur Frage der Rechtsform-, Konzern- und Branchenunabhängigkeit der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, in Förschle/ Kaiser/Moxter (Hrsg.), Rechenschaftslegung im Wandel, FS Budde, 1995, 43; Moxter, Zum Verhältnis von handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Bilanzierung und True-and-fair-view-Gebot bei Kapitalgesellschaften, in Förschle/Kaiser/Moxter (Hrsg.), Rechenschaftslegung im Wandel, FS Budde, 1995, 419; Euler, Das System der Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung, 1996; Schneider, Betriebswirtschaftliche Analyse von Bundesfinanzhofurteilen als Grundlage einer Deduktion handelsrechtlicher GoB, in Baetge/Börner/Forster/Schruff (Hrsg.), Rechnungslegung, Prüfung und Beratung – Herausforderungen für den Wirtschaftsprüfer –, FS Ludewig, 1996, 922; Beisse, Wandlungen der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung. Hundert Jahre „GoB“, in Schön (Hrsg.), GS Knobbe-Keuk, 1997, 385; Hüttche/Diemer, Fast Close – Ordnungsmäßigkeit eines verkürzten Aufstellungszeitraums, BB 2000, 2035; Eggemann/ Petry, Fast Close – Verkürzung von Aufstellungs- und Veröffentlichungszeiten für Jahres- und Konzernabschlüsse, BB 2002, 1635; Hommel/Schmidt/Wüstemann, Adolf Moxter und die Grundsätze ordnungsmäßiger Rechnungslegung – Kontinuität und Zukunft eines Forschungsleitbildes, WPg.-Sonderheft 2004, S84; Hommel/Schulte, Schätzungen von Rückstellungen in Fast-Close-Abschlüssen, BB 2004, 1671; Moxter, IFRS als Auslegungshilfe für handelsrechtliche GoB?, WPg. 2009, 7; Wüstemann/Wüstemann, Betriebswirtschaftliche Bilanzrechtsforschung und Grundsätze ordnungsmäßiger Gewinnrealisierung für Werkverträge, ZfB 2009, 31; Wüstemann/Wüstemann, Das System der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, in Baumhoff/Dücker/Köhler (Hrsg.), Besteuerung, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, FS Krawitz, 2010, 751; Kahle, Entwicklung der Steuerbilanz, DB 2014, Beilage Nr. 4 zu Heft 22; Moxter, Von den überkommenen betriebswirtschaftlichen Bilanztheorien zur modernen Bilanztheorie, in Dobler/Hachmeister/Kuhner/Rammert (Hrsg.), Rechnungslegung, Prüfung und Unternehmensbewertung, FS Ballwieser, 2014, 507; Polka, Fast Close im Mittelstand – Ein potenzieller Optimierungsmotor?!, BC 2014, 197; Polka, Fast Close im Mittelstand – Ein unerkannter Optimierungsmotor? Durchführung der Prozessanalyse zum Fast Close, BC 2014, 369; Polka, Fast Close im Mittelstand – Praxisbeispiele zur beschleunigten Berichterstattung, Anlagevermögen und Einkauf, BC 2014, 409; Polka, Fast Close im Mittelstand – Die Umsetzung in der Praxis, BC 2014, 505; Marx, Bedeutung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung im geltenden Steuerbilanzrecht, FR 2016, 389; Heyd, Jahres- und Konzernabschlusserstellung: Erfolgsfaktoren für Fast-Close-Prozesse, BC 2017, 527; Ballwieser, Fragwürdige Bilanzen – 1948, heute und in Zukunft?, DB 2018, 1; Kahle, Aktuelle Entwicklungen der Bilanzierung von Rückstellungen, DStR 2018, 976; Meyering/Gröne, Die GoB als verkanntes Problem bei einer Aufgabe der Maßgeblichkeit. Kritische Analyse der Konsequenzen der Aufgabe für die deutsche Steuer- und Handelsbilanz, StuW 2018, 28; Weber-Grellet, 100 Jahre Bilanzrechtsprechung durch RFH und BFH, BB 2018, 2347; Dahlhoff, Produktivität im externen Rechnungswesen, BC 2019, 158 (Teil 1), 266 (Teil 2), 423 (Teil 3); Kahle, Aktuelle Fragen der Unternehmensbesteuerung, FR 2019, 337; Moxter/Engel-Ciric, Grundsätze ordnungsgemäßer Bilanzierung, 2019; Nöcker, Steuerbilanzrecht im Wandel der BFH-Rechtsprechung? Darstellung an ausgewählten Entscheidungen, StuB 2019, 9; Prinz, Entwicklungen und aktuelle Tendenzen bei der Maßgeblichkeit. Fluch und Segen zugleich?!, StuB 2019, 1; Weber-Grellet, Adolf Moxter, das Bilanzsteuerrecht und der Bundesfinanzhof, BB 2019, 2411.

Malke/Schulz | 59

§ 243 Rz. 1 | Aufstellungsgrundsatz

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsinhalt 1 § 243 HGB enthält den Aufstellungsgrundsatz. Indem § 243 Abs. 1 HGB fordert, dass der handelsrechtliche

Jahresabschluss „nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung“ (GoB) aufzustellen ist, bringt die Norm zum Ausdruck, dass der handelsrechtliche Jahresabschluss dem „Geiste der traditionellen GoB“1 zu entsprechen hat. Der Aufstellungsgrundsatz gem. § 243 Abs. 1 HGB verweist damit „auf ein System von Prinzipien, Folgeprinzipien und Einzelnormen“2. So dürfte es der wohl noch immer hM entsprechen, dass die in Bezug genommenen GoB, jedenfalls bezogen auf die bilanzielle Gewinnermittlung (Ansatz- und Bewertungsnormen), zentral vom Gläubigerschutzgedanken und mithin vom Vorsichtsprinzip geleitet werden.3 Ebendiese Wertungsentscheidung des deutschen Gesetzgebers, dem traditionellen Gläubigerschutzprinzip innerhalb der Gewinnermittlung den Vorrang einzuräumen, findet ihren Niederschlag in § 243 Abs. 1 HGB.4 Die Norm gilt daher als die „Generalnorm des allgemeinen Bilanzrechts“5.

2 § 243 Abs. 2 HGB enthält einen speziellen (Informations-)GoB, den Grundsatz der Klarheit und Über-

sichtlichkeit des handelsrechtlichen Jahresabschlusses.6 Dieser GoB dient, wie alle Informations-GoB, der Informationsfunktion des handelsrechtlichen Jahresabschlusses (vgl. Rz. 40 ff.).

3 § 243 Abs. 3 HGB enthält die Frist, innerhalb derer der handelsrechtliche Jahresabschluss aufzustellen ist

(sog. Aufstellungsfrist).

II. Anwendungsbereich 1. Persönlicher Anwendungsbereich 4 Der persönliche Anwendungsbereich des Aufstellungsgrundsatzes gem. § 243 HGB ergibt sich aus dessen

Stellung innerhalb des HGB: Die Norm ist Bestandteil der „Vorschriften für alle Kaufleute“ (§§ 238 ff. HGB). Damit gilt § 243 HGB für alle bilanzierungspflichtigen Einzelkaufleute, Personenhandelsgesellschaften sowie Kapitalgesellschaften.7 Dieser (relativ) weite Geltungsbereich unterscheidet § 243 HGB von anderen Generalnormen, wie etwa die sog. Einblicks-Generalnorm iSd. § 264 Abs. 2 HGB, die für Kapitalgesellschaften (bzw. Personenhandelsgesellschaften iSd. § 264a HGB) gilt.

5 Außerhalb des persönlichen Anwendungsbereichs des § 243 HGB liegen indes nicht bilanzierungspflichti-

ge Einzelkaufleute iSd. §§ 241a, 242 Abs. 4 HGB.8

2. Sachlicher Anwendungsbereich 6 Der in § 243 Abs. 1 HGB enthaltene Begriff „Jahresabschluss“ ist nach zutreffender Ansicht dem Jahres-

abschluss iSd. § 242 Abs. 3 HGB gleichzusetzen.9 Jener besteht mindestens10 aus der Bilanz sowie der Gewinn- und Verlustrechnung.

1 So Beisse in GS Knobbe-Keuk, 385 (400). 2 Beisse in GS Knobbe-Keuk, 385 (400). Zum Systemcharakter der GoB vgl. auch Beisse in FS Moxter, 3 ff.; Beisse, BFuP 1990, 499 ff.; Wüstemann/Wüstemann in FS Krawitz, 751 (757 f.). 3 Vgl. grundlegend Beisse in FS Beusch, 79 ff.; Beisse, BB 1990, 2007 (2008); Beisse in FS Moxter, 3 (15); Beisse, BFuP 1990, 499 (500 f.); Wüstemann/Bischof/Kierzek in HdJ, I/3 Rz. 292 (Stand Jun. 2007); Wüstemann/Wüstemann in FS Krawitz, 751 (758). 4 Beisse in FS Moxter, 3 (15); vgl. auch Beisse in GS Knobbe-Keuk, 385 (399): „Kernstück des allgemeinen Bilanzrechts“. 5 Beisse in GS Knobbe-Keuk, 385 (400); vgl. auch Beisse, BB 1999, 2180 (2182). 6 Vgl. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 243 Rz. 1; Nägel in Heymann-HGB3, § 243 HGB Rz. 10 ff.; Pöschke in Großkomm.5, § 243 HGB Rz. 20 ff.; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB39, § 243 Rz. 4 ff. 7 Vgl. Pöschke in Großkomm.5, § 243 HGB Rz. 4. 8 Vgl. Pöschke in Großkomm.5, § 243 HGB Rz. 4. 9 Vgl. Pöschke in Großkomm.5, § 243 HGB Rz. 5; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB39, § 243 Rz. 1; Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 243 HGB Rz. 1. 10 Bei Kapitalgesellschaften und Personenhandelsgesellschaften iSd. § 264a HGB hat der Jahresabschluss darüber hinaus einen Anhang zu enthalten (§ 264 Abs. 1 Satz 1 HGB); ausgenommen sind Kleinstkapitalgesellschaften (§ 264 Abs. 1 Satz 5 iVm. § 267a HGB). Bei kapitalmarktorientierten Kapitalgesellschaften (gem. § 264d HGB) ist der Jahresabschluss zudem um eine Kapitalflussrechnung sowie um einen Eigenkapitalspiegel zu erweitern; dies gilt aber nur, wenn diese nicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses verpflichtet sind (§ 264 Abs. 1 Satz 2 HGB). Kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften können den Jahresabschluss zudem um eine Segmentberichterstat-

60 | Malke/Schulz

B. Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (Abs. 1) | Rz. 13 § 243

Der GoB-Verweis in § 243 Abs. 1 HGB umfasst sämtliche GoB.1 Es sind mithin nicht nur die kodifizierten, 7 sondern auch die nicht-kodifizierten GoB bei der Aufstellung des Jahresabschlusses verbindlich zu berücksichtigen.2 Die zentralen (oberen) GoB sind seit dem BiRiLiG3 gesetzlich verankert.4 Sie müssen folglich „nicht mehr aus der Generalklausel des § 243 Abs. 1 [HGB] hergeleitet werden“5. Die in § 243 Abs. 1 HGB in Bezug genommenen GoB sind im Rahmen des gesamten Jahresabschlusses zu 8 berücksichtigen, nicht etwa nur bei dem Ansatz oder der Bewertung einzelner Bilanzposten.6 Neben § 243 Abs. 1 HGB verweisen auch andere Normen auf die handelsrechtlichen GoB. Im Wege des 9 Maßgeblichkeitsprinzips (§ 5 Abs. 1 EStG) strahlen die GoB in die steuerrechtliche Gewinnermittlung ein (s. Rz. 38). De lege lata wird das Maßgeblichkeitsprinzip jedoch bekanntlich an zahlreichen Stellen durchbrochen; sein Fortbestand de lege ferenda erscheint weiterhin diskutabel.7

B. Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (Abs. 1) I. Begriff und Rechtsnatur der GoB Der in § 243 Abs. 1 HGB genannte Begriff „Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung“ (GoB) wird weder 10 in der Norm selbst noch in anderen Normen mit GoB-Verweis (z.B. § 238 Abs. 1, § 256 HGB) definiert.8 Es handelt sich bei den GoB mithin um einen unbestimmten Rechtsbegriff.9 GoB lassen sich im Allgemeinen definieren als „überindividuelle Verhaltensnormen, die eine zweckgerechte 11 Rechnungslegung sicherstellen sollen“10. GoB stellen mit der hM Rechtsnormen dar;11 sie haben mithin normativen Charakter. GoB gelten nach hM als rechtsform-, branchen- und konzernunabhängig.12

12

Das herrschende Verständnis der GoB als Rechtsnormen bedingt, dass ihre Ermittlung bzw. Auslegung 13 Rechtsfindung ist.13 Hierzu ist auf den tradierten Kanon der juristischen Methodenlehre abzustellen.14

1 2 3 4 5 6 7 8 9

10

11

12 13 14

tung ergänzen (§ 264 Abs. 1 Satz 2 HGB). Der Lagebericht als solcher ist nicht Bestandteil des Jahresabschlusses (§ 264 Abs. 1 Satz 1 HGB). Vgl. zum Ganzen Pöschke in Großkomm.5, § 243 HGB Rz. 5. Vgl. Beisse in FS Moxter, 3 (19); vgl. auch Pöschke in Großkomm.5, § 243 HGB Rz. 7. Vgl. Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 243 HGB Rz. 5. Vgl. Bilanzrichtlinien-Gesetz (BiRiLiG) v. 19.12.1985, BGBl. I 1985, 2355. Vgl. Beisse in GS Knobbe-Keuk, 385 (400); Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 243 HGB Rz. 3, 6; Weber-Grellet in Schmidt, EStG39, § 5 Rz. 58; Meyering/Gröne, StuW 2018, 28 (30). Pöschke in Großkomm.5, § 243 HGB Rz. 7. Vgl. Ballwieser in FS Budde, 43. Zum Diskussionsstand s. Kahle, DB 2014, Beil. Nr. 4 zu Heft 22, 1 ff.; Kahle, FR 2019, 337 ff.; Weber-Grellet, DB 2016, 1279 ff.; Meyering/Gröne, StuW 2018, 28 ff.; Prinz, StuB 2019, 1 ff. Vgl. Baetge/Zülch in HdJ, I/2 Rz. 1 f. (Stand Sept. 2010). Vgl. Pöschke in Großkomm.5, § 243 HGB Rz. 16; Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 243 HGB Rz. 3 mwN; Böcking/ Gros in Ebenroth/Boujong ua., HGB4, § 243 Rz. 1; Morck/Drüen in Koller/Kindler ua., HGB9, § 243 Rz. 1; Kirsch/ Brötzmann/Wätjen in BKT, Bilanzrecht, § 243 HGB Rz. 21 (Stand Okt. 2018); Schmidt/Usinger in Beck BilKomm.12, § 243 HGB Rz. 12; Weber-Grellet in Schmidt, EStG39, § 5 Rz. 58; Plaumann, Auslegungshierarchie des HGB, 79 mwN; Meyering/Gröne, StuW 2018, 29 ff. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 243 HGB Rz. 6; ähnlich Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 243 HGB Rz. 2: „Gesamtsystem von Regeln, die eine zweckadäquate Rechnungslegung sicherstellen sollen“. Vgl. auch bereits BFH v. 31.5.1967 – I 208/63, BStBl. III 1967, 607: „Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung sind die Regeln, nach denen der Kaufmann zu verfahren hat, um zu einer dem gesetzlichen Zweck entsprechenden Bilanz zu gelangen, nicht aber die Regeln, die tatsächlich eingehalten werden“. Vgl. grundlegend Döllerer, BB 1959, 1217. Zur Rechtsnormeigenschaft der GoB vgl. auch Moxter, Grundsätze ordnungsgemäßer Rechnungslegung, 9 und passim; Moxter/Engel-Ciric, Grundsätze ordnungsgemäßer Bilanzierung, 22 ff.; Beisse, BFuP 1990, 499 (500); Wüstemann/Wüstemann in FS Krawitz, 751 (755); Wüstemann/Wüstemann, ZfB 2009, 31 (35); Krumm in Blümich, § 5 EStG Rz. 209 (Stand Okt. 2018). Vgl. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 243 HGB Rz. 72 ff.; Ballwieser in FS Budde, 43 ff.; zur Diskussion s. auch Plaumann, Auslegungshierarchie des HGB, 98 ff.; Kirsch/Brötzmann/Wätjen in BKT, Bilanzrecht, § 243 HGB Rz. 5, 25 (Stand Okt. 2018). Vgl. Beisse, BFuP 1990, 499 (502). Vgl. auch Wüstemann/Kierzek/Bischof in HdJ, I/3 Rz. 82 (Stand Jun. 2007); Krumm in Blümich, § 5 EStG Rz. 209 (Stand Okt. 2018). Vgl. Wüstemann/Wüstemann, ZfB 2009, 31 (35); Wüstemann/Wüstemann in FS Krawitz, 751 (755).

Malke/Schulz | 61

§ 243 Rz. 14 | Aufstellungsgrundsatz 14 Die induktive Methode, als die früher vorherrschende Methode,1 setzt die GoB der Übung bzw. Anschau-

ung ordentlicher und ehrenwerter Kaufleute gleich. Versteht man die GoB indes richtigerweise als Rechtsnormen, kann die Entscheidung darüber, „was“ GoB sind, nicht allein in die Hände der Bilanzierungspraxis gelegt werden; hierüber haben vielmehr der Gesetzgeber sowie die Rspr. zu befinden. Ohnedies versagt die induktive Methode bei neuartigen Bilanzierungsfragen, für die sich noch keine Bilanzierungsübung herausgebildet hat.2

15 Einer Deduktion von GoB iS einer streng formal-logischen Ableitung aus übergeordneten Zwecksetzungen3

(deduktive Methode) steht entgegen, dass sich das kodifizierte deutsche Bilanzrecht weiterhin nicht explizit zu „dem“ übergeordneten Zweck des handelsrechtlichen Jahresabschlusses als Deduktionsgrundlage bekennt.4 Diese fehlende Zielvorgabe ist insbes. von Schneider aufgegriffen worden, um das auf den tradierten GoB basierende System der handels- und steuerrechtlichen Gewinnermittlung im Ganzen abzulehnen.5

16 Die heute wohl herrschende Methode zur Gewinnung bzw. Auslegung von GoB ist die teleologisch-herme-

neutische Methode.6 In diesem Zusammenhang wird auch von einem hermeneutischen Zirkel (oder auch Interdependenzthese) gesprochen, weil der Jahresabschlusszweck, dessen Kenntnis für eine am Gesetzeszweck orientierte Auslegung zwingend bekannt sein muss, im Gesetz eben nicht explizit vorgeben wird, sondern erst unter wechselseitiger Berücksichtigung der Einzelnormen entwickelt werden muss.7 Hierbei fließt die wirtschaftliche Betrachtungsweise ein, die jedoch, als Ausprägung der (juristischen) teleologischen Methode, nicht mit einer rein betriebswirtschaftlichen Sichtweise gleichzusetzen ist.8

17 Die Konkretisierung der GoB erfordert grundlegende Wertungsentscheidungen, weil eine Balance gefunden

werden muss zwischen den widerstreitenden Schutzinteressen, nämlich dem Schutz der Gewinnanspruchsberechtigten vor Gewinnverkürzung auf der einen Seite und dem Schutz der Gläubiger, Gesellschafter usw. vor einem Abfluss überhöhter Gewinne auf der anderen Seite.9 Diese Wertungsentscheidung obliegt dem deutschen Gesetzgeber, hilfsweise der höchstrichterlichen Judikatur.10

II. Kategorisierung von GoB 1. Kodifizierte und nicht kodifizierte GoB 18 Die in § 243 Abs. 1 HGB in Bezug genommene Gesamtheit der GoB lässt sich unter formellen (s. diese Rz.)

sowie materiellen (s. Rz. 19) Gesichtspunkten kategorisieren.11 Aus formeller Sicht ist zwischen kodifizierten und nicht kodifizierten GoB zu unterscheiden.12 Zu den kodifizierten GoB zählen vor allem die „fundamentalen“ GoB, namentlich das Vorsichtsprinzip sowie das aus diesem abgeleitete Realisationsprinzip und das Imparitätsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB). Weitere GoB, die nach hM jedoch nicht den Status von Fundamentalprinzipien aufweisen, sind etwa das Vollständigkeitsgebot (§ 246 Abs. 1 Satz 1 HGB), das 1 Zur induktiven Methode vgl. Baetge/Zülch in HdJ, I/2 Rz. 20 (Stand Sept. 2010). 2 Zur Kritik an der induktiven Methode vgl. zB Kirsch/Brötzmann/Wätjen in BKT, Bilanzrecht, § 243 HGB Rz. 29 f. (Stand Okt. 2018); Schmidt/Usinger in Beck BilKomm.12, § 243 HGB Rz. 13; Plaumann, Auslegungshierarchie des HGB, 84 f.; Meyering/Gröne, StuW 2018, 28 (30). 3 Zur deduktiven Methode vgl. Baetge/Zülch in HdJ, I/2 Rz. 21 f. (Stand Sept. 2010). 4 Vgl. Beisse in FS Moxter, 3 (19 f.); Kahle in HdJ, VII/1 Rz. 53 (Stand Feb. 2019); Schulz, Harmonisierung der steuerlichen Gewinnermittlung in der Europäischen Union, 14 mwN. 5 Vgl. Schneider in FS Ludewig, 922 ff.; Schneider, StuW 1983, 141 ff.; hiergegen: Beisse, StuW 1984, 1 ff. und Mellwig, BB 1983, 1613 ff. 6 Vgl. Wüstemann/Wüstemann, ZfB 2009, 31 (35). Zur Hermeneutik vgl. Euler, Das System der Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung, 11 ff.; Baetge/Zülch in HdJ, I/2 Rz. 23 ff. (Stand Sept. 2010); Plaumann, Auslegungshierarchie des HGB, 86 ff.; Kirsch/Brötzmann/Wätjen in BKT, Bilanzrecht, § 243 HGB Rz. 33 ff. (Stand Okt. 2018); Tiedchen in HHR, § 5 EStG Rz. 314 f. (Stand Nov. 2018); aA offenbar Reddig in Kirchhof, EStG19, § 5 Rz. 41 f., der die deduktive Methode als hM bezeichnet. 7 Vgl. zB Rößler, Abgrenzung und Bewertung von Vermögensgegenständen, 10 f.; Kahle in HdJ, VII/1 Rz. 53 (Stand Feb. 2019); Schulz, Harmonisierung der steuerlichen Gewinnermittlung in der Europäischen Union, 14, jeweils mwN. 8 Vgl. Beisse, BB 1980, 637 (643 f.); Moxter, Grundsätze ordnungsgemäßer Rechnungslegung, 915 f.; Krumm in Blümich, § 5 EStG Rz. 209 mwN (Stand Okt. 2018); Wüstemann/Kierzek, ZfbF 2007, 882 (888); Wüstemann/Wüstemann, ZfB 2009, 31 (35). 9 Vgl. Moxter, Grundsätze ordnungsgemäßer Rechnungslegung, 9 f.; Moxter in FS Ballwieser, 507 (512); Moxter/Engel-Ciric, BB 2014, 489. 10 Vgl. Moxter in FS Ballwieser, 507 (512); Moxter, Grundsätze ordnungsgemäßer Rechnungslegung, 9 f. 11 Vgl. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 243 HGB Rz. 8; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB39, § 243 Rz. 1. 12 Vgl. zB auch Meyering/Gröne, StuW 2018, 28 (31).

62 | Malke/Schulz

B. Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (Abs. 1) | Rz. 23 § 243

Verrechnungsverbot (§ 246 Abs. 2 Satz 1 HGB), das Prinzip wirtschaftlicher Betrachtungsweise (§ 246 Abs. 1 Sätze 2, 3 HGB), das Bilanzidentitätsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB), das Fortführungsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB), das Einzelbewertungsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB), das Stichtagsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB), das Wertaufhellungsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB), das Periodisierungsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 5 HGB), das Stetigkeitsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 5, § 265 Abs. 1 Satz 1 HGB) sowie das Anschaffungskostenprinzip (§ 253 Abs. 1 Satz 1 HGB).1 Auch der in § 243 Abs. 2 HGB verankerte Grundsatz der Klarheit und Übersichtlichkeit des handelsrechtlichen Jahresabschlusses (s. Rz. 40 ff.) ist ein geschriebener (Informations-)GoB. Nicht kodifiziert, aber allgemein als GoB anerkannt, sind beispielsweise der Grundsatz der Bilanzwahrheit (Bilanzrichtigkeit), der Grundsatz der Wesentlichkeit sowie der Grundsatz der Objektivierung.2 2. Gewinnanspruchs-GoB und Informations-GoB Um GoB (materiell) zu systematisieren, ist der jeweils verfolgte Regelungs- bzw. Schutzzweck heranzuzie- 19 hen; dies führt zur Trennung von Gewinnanspruchs-GoB und Informations-GoB.3 Der allgemeine GoBVerweis in § 243 Abs. 1 HGB bezieht sich sowohl auf Gewinnanspruchs-GoB als auch auf InformationsGoB.4 Als Gewinnanspruchs-GoB wird die Gesamtheit jener Grundsätze bezeichnet, die die Bilanzierung im ei- 20 gentlichen Sinne betreffen (Ansatz- und Bewertungsregeln), indem sie die „Vermögens- und Gewinnhöhe“5 beeinflussen. Ihr Primärzweck liegt mithin in der Gewinnanspruchs- bzw. Zahlungsbemessung; sie sollen einen Gewinn bestimmen, der dem Unternehmen unter Vorsichtsgesichtspunkten „entziehbar“ (also gewissermaßen „ausschüttbar“ bzw. „entnehmbar“) ist. Informations-GoB hingegen dienen der Konkretisierung von Informationsansprüchen. In ihrem Schutz- 21 bereich liegen „jene an Jahresabschlussinformationen Interessierten, die rechtliche durchsetzbare Informationsansprüche haben“6. Zugleich gilt es, die genuinen Schutzinteressen des Unternehmens zu wahren. Die Formel des Gesetzgebers zum Zeitpunkt des BilMoG7, die Bilanzrechtsmodernisierung intendiere eine 22 Stärkung der Informationsfunktion des handelsrechtlichen Jahresabschlusses,8 ist in der Literatur zum Teil dahingehend (miss-)verstanden worden, die Informationsfunktion habe die Gewinnanspruchsbemessung als Primärziel abgelöst. Dass diese Auffassung im Ergebnis nicht überzeugt, zeigt sich schon darin, dass das Vorsichtsprinzip und mithin das Realisationsprinzip sowie das Imparitätsprinzip unverändert den konzeptionellen Nukleus des deutschen Bilanzrechts bilden.9 Mit diesen tradierten GoB lässt sich aber nur ein dominantes Ziel vereinbaren, nämlich das der Gewinnanspruchsbemessung.10 Die Vorrangigkeit der Gläubigerschutzperspektive im Rahmen der Gewinnermittlung heißt allerdings wei- 23 terhin nicht, dem handelsrechtlichen Jahresabschluss seien andere Zwecke, wie insbes. die Vermittlung entscheidungsnützlicher Informationen, fremd.11 Letztere Aufgabe wird indes durch die handelsrechtlichen Informationsnormen erfüllt (Informations-GoB). Damit hat die Abkopplungsthese12 uE auch nach dem BilMoG Bestand, dh. die Vermittlung entscheidungsnützlicher Informationen ist in erster Linie durch Angaben im Anhang und die gesetzlichen Gliederungs- und Erläuterungsvorschriften sicherzustellen.13

1 Vgl. die Übersicht bei Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 243 HGB Rz. 9. 2 Vgl. Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 243 HGB Rz. 7 ff.; Böcking/Gros in Ebenroth/Boujong ua., HGB4, § 243 Rz. 8; Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 243 Rz. 12; Reddig in Kirchhof, EStG19, § 5 Rz. 45. 3 Zur Unterscheidung von Gewinnanspruchs-GoB und Informations-GoB vgl. auch Wüstemann/Wüstemann in FS Krawitz, 751 (758). Beisse spricht von „Bemessungsnormen“ und „Informationsnormen“; vgl. Beisse in FS Moxter, 3 (24 f.). 4 Vgl. Wüstemann, Institutionenökonomik und internationale Rechnungslegungsordnungen, 17 f. 5 Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 243 HGB Rz. 8. 6 Hommel/Schmidt/Wüstemann, WPg.-Sonderheft 2004, S84 (S93). 7 Vgl. Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) v. 25.5.2009, BGBl. I 2009, 1102. 8 Vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung v. 30.7.2008, BT-Drucks. 16/10067. 9 Vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung v. 30.7.2008, BT-Drucks. 16/10067, 35: „Die bisher bestehenden handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung bleiben weiterhin gültig [...]. [D]ie Auslegung der handelsrechtlichen Vorschriften [hat] weiterhin im Lichte der handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung zu erfolgen, letztlich also aus den eigenen handelsrechtlichen Wertungen heraus.“ 10 Vgl. Wüstemann/Wüstemann in FS Krawitz, 751 (insbes. 758 f.); Marx, FR 2016, 389 (390). 11 Vgl. Beisse in FS Moxter, 3 (15); Wüstemann/Wüstemann in FS Krawitz, 751 (758). 12 Vgl. zB Moxter in FS Budde, 419 ff.; zustimmend: Ballwieser, DB 2018, 1 (3); zur Kritik an der Abkopplungsthese s. Merkt in Baumbach/Hopt, HGB39, § 264 Rz. 12 mwN. 13 Vgl. Wüstemann/Wüstemann in FS Krawitz, 751 (758 f.).

Malke/Schulz | 63

§ 243 Rz. 24 | Aufstellungsgrundsatz

III. GoB-Systembildung 1. Übersicht 24 In der Literatur sind verschiedene GoB-Systeme entwickelt worden. Am wohl bekanntesten dürften die

„klassischen“ GoB-Lehren Leffsons, Baetges und Moxters sein.1 Hiervon dürfte die sog. Ausschüttungsstatik Moxters (s. Rz. 25 ff.) den größten Einfluss auf die höchstrichterliche Rspr. gehabt haben.2 Dass sich die jüngere BFH-Rspr. in einzelnen Bilanzierungsfragen von der ausschüttungsstatischen Lehre zu lösen scheint (etwa bei der Bestimmung des weiterhin umstrittenen Passivierungszeitpunkts von Rückstellungen3), ist uE nicht als grundsätzliche Abkehr von dieser Bilanzrechtstheorie zu verstehen.4 Für die praktische Anwendung des § 243 Abs. 1 HGB dürfte die Ausschüttungsstatik weiterhin den besten Orientierungspunkt geben.5 2. Ausschüttungsstatik

25 Nach der ausschüttungsstatischen Lehre, die von Moxter sowie von ehemaligen (Vorsitzenden) Richtern des

BFH, allen voran Döllerer und Beisse, begründet wurde,6 bilden die handelsrechtlichen GoB iSd. § 243 Abs. 1 HGB ein geschlossenes System, dh. ein „umfassendes, widerspruchsfreies Gefüge von Grundsätzen und Einzelnormen“7. Dieses System wird konstituiert aus kodifizierten sowie nicht-kodifizierten Grundsätzen und Einzelnormen, wobei hierarchisch zwischen „oberen“ (fundamentalen) und „unteren“ (speziellen) GoB differenziert wird.

26 Das zentrale Konstruktionsprinzip der Ausschüttungsstatik ist das Vorsichtsprinzip.8 Es findet seine Aus-

prägung in dem Realisationsprinzip sowie dem Imparitätsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB). Entsprechend wird dem Vorsichtsprinzip innerhalb der ausschüttungsstatischen Bilanzrechtstheorie der Rang eines Fundamentalprinzips zuerkannt (oberer GoB).9 Ein weiteres Fundamentalprinzip ist das sog. Objektivierungsprinzip.10

27 Diese beiden Fundamentalprinzipien – Vorsichtsprinzip und Objektivierungsprinzip – bilden die Grund-

pfeiler des ausschüttungsstatischen GoB-Systems; aus ihnen sind alle weiteren GoB als Subprinzipien (untere GoB) abzuleiten.11 Dadurch bleibt das System konzeptionell geschlossen. Auch nach dem BilMoG bilden das Vorsichtsprinzip bzw. das Realisationsprinzip sowie das Imparitätsprinzip „die tragende[n] Grundsätze der handelsrechtlichen Rechnungslegung“12.

28 Nach der Ausschüttungsstatik liegt der dominante Sinn und Zweck der (Gewinnanspruchs-)GoB in der

Gewinnanspruchsbemessung (Ausschüttungsbemessung) zum Zweck des Gläubigerschutzes.13 Dieser Bilanzprimärzweck ergibt sich im Wege der Hermeneutik unter Berücksichtigung der im HGB kodifizierten GoB (s. Rz. 16).14

29 Durch die Beachtung der GoB im Rahmen der Gewinnermittlung (und nicht erst im Rahmen der Gewinn-

verwendung) soll ein Ausgleich geschaffen werden zwischen den verschiedenen Schutzbedürfnissen, die

1 Vgl. die Übersicht und kritische Würdigung bei Ballwieser, ZfB-Ergänzungsheft 1/1987, 3 ff.; zur Diskussion beider Systeme s. auch Meyering/Gröne, StuW 2018, 28 (31). 2 Zur Entwicklung dieser Bilanzrechtstheorie vgl. anschaulich Hommel/Schmidt/Wüstemann, WPg.-Sonderheft 2004, S84 (S90 ff.). 3 Vgl. BFH v. 6.2.2013 – I R 8/12, BStBl. II 2013, 686; BFH v. 17.10.2013 – IV R 7/11, BStBl. II 2014, 302; dazu kritisch Euler/Hommel, BB 2014, 2475 ff.; Kahle, DStR 2018, 976 ff. 4 Nach Ansicht von Weber-Grellet folgt der BFH indes nicht „einer bestimmten Bilanztheorie“, sondern vielmehr der „wirtschaftlichen Betrachtungsweise“; Weber-Grellet, BB 2018, 2347 (2351); so auch Nöcker, StuB 2019, 9. 5 Nach Meyering/Gröne, StuW 2018, 28 (31) indes „scheint das auf Leffson zurückgehende GoB-System eher dem gesetzgeberischen Willen zu entsprechen“. 6 Zur Entwicklung s. Weber-Grellet, BB 2019, 2411 ff. 7 Beisse, BFuP 1990, 499 (500), im Original ohne Fettdruck. 8 Vgl. Beisse, BB 1999, 2182; Moxter/Engel-Ciric, BB 2014, 489 ff. 9 Vgl. Moxter, WPg. 2009, 7 (10); Ballwieser, ZfB-Ergänzungsheft 1/1987, 3 (11 f.). 10 Vgl. Moxter, WPg. 2009, 7 (10). Zum Objektivierungsprinzip vgl. eingehend Euler, Das System der Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung, 120 ff.; Moxter, Grundsätze ordnungsgemäßer Rechnungslegung, 9 f.; Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 243 HGB Rz. 40 ff. 11 Vgl. Beisse in FS Moxter, 3 (19); Wüstemann/Kierzek, ZfbF 2007, 882 (887 f.). 12 Kahle, DB 2014, Beil. Nr. 4 zu Heft 22, 1 (5) mwN. 13 Vgl. Moxter, WPg. 2009, 7 (10); Wüstemann/Kierzek, ZfbF 2007, 882 (888). 14 Vgl. Hommel/Schmidt/Wüstemann, WPg.-Sonderheft 2004, S84 (S91).

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B. Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (Abs. 1) | Rz. 33 § 243

mit dem handelsrechtlichen Jahresabschluss verknüpft sind.1 So gilt es zum einen, die Gewinnberechtigten vor Gewinnverkürzungen zu schützen. Aus dieser Sicht dienen die GoB der Ermittlung einer Ausschüttungsmindestgrenze.2 Zum anderen müssen gleichermaßen die Gläubiger, Gesellschafter, Beschäftigten usw. vor einem überhöhten Mittelentzug geschützt werden, insoweit dieser den Unternehmensfortbestand gefährden könnten (GoB als Ausschüttungsobergrenze). Diese widerstreitenden Schutzbedürfnisse – im Wesentlichen durch Konkretisierung des Vorsichtsprinzips – auszutarieren, ist die Aufgabe des deutschen Gesetzgebers, hilfsweise der Judikatur.3 Wird die Ausschüttungsbemessung als Primärziel der handelsrechtlichen Bilanzierung anerkannt, so folgt, 30 dass der nach GoB ermittelte Gewinn einem vorsichtig bemessenen, verlustantizipierenden und liquiden bzw. liquiditätsnahen (Umsatz-)Gewinn zu entsprechen hat.4 Daraus ergibt sich, dass der Zeitpunkt der Ertragsrealisation nach herrschender Auslegung des kodifizierten Realisationsprinzips (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 Halbs. 2 HGB) an den Umsatzakt gebunden wird.5 Der Ertrag ist erst dann zu vereinnahmen, wenn die wirtschaftliche Erfüllung des Leistenden iSd. Risikoabbaus „so gut wie sicher“6 ist. Eine ertragswirksame Vereinnahmung von Zeitwertänderungen am ruhenden Vermögen (ohne Umsatzakt) ist unter Geltung dieses Realisationsverständnisses ausgeschlossen. Dies unterscheidet die Ausschüttungsstatik grundlegend von der Zeitwertstatik, die den IFRS zunehmend das konzeptionelle Gepräge gibt.7 Damit stellt etwa die durch das BilMoG eingeführte Bewertung zum beizulegenden Zeitwert (§ 255 Abs. 4 HGB) einen Fremdkörper innerhalb des tradierten GoB-Systems dar.8 Das Realisationsprinzip wird durch das Imparitätsprinzip iS eines Verlustantizipationsprinzips ergänzt und 31 zugleich eingeschränkt. So sind nach § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB „alle vorhersehbaren Risiken und Verluste, die bis zum Abschlussstichtag entstanden sind, zu berücksichtigen, selbst wenn diese erst zwischen dem Abschlussstichtag und dem Tag der Aufstellung des Jahresabschlusses bekannt geworden sind“. Indem die „Chancen und Risiken von Umsatzprozessen“9 als Ausdruck vorsichtiger Gewinnermittlung ungleich (eben imparitätisch) behandelt werden, führt das Imparitätsprinzip im Allgemeinen „zu einem geringeren Gewinn, als er sich bei alleiniger Gültigkeit des Realisationsprinzips ergeben würde“10. Die Gewinnermittlungsprinzipien (Realisationsprinzip und Imparitätsprinzip) werden nach ausschüt- 32 tungsstatischer Bilanzauffassung durch die sog. Vermögensermittlungsprinzipien begrenzt.11 Letztere sollen in erster Linie der Objektivierung des Bilanzinhalts dienen. So werden nach geltendem Recht keine Einnahmen oder Ausgaben bilanziert, statt dessen hat die handelsrechtliche Bilanz (im Wesentlichen) Vermögensgegenstände, Schulden und Rechnungsabgrenzungsposten abzubilden (§ 246 Abs. 1 Satz 1 HGB).12 Dieser „Vergegenständlichung“13 der Bilanz entspricht es, dass der entziehbare Gewinn im Wege eines Vermögensvergleichs bemessen wird (bilanzieller Reinvermögenszugang). Obgleich die handelsrechtlichen Ansatz- und Bewertungsnormen dem Gläubigerschutz verpflichtet sind, stel- 33 len auch sie bestimmte Informationen für den Jahresabschlussadressaten bereit. Allerdings sind diese Informationen potenziell durch das Vorsichts- bzw. Imparitätsprinzip verzerrt.14 Nach der sog. Abkopplungsthese wird diese (vermeintliche) Schwäche dadurch geheilt, dass die Informationsfunktion im Konfliktfall hinter die Ausschüttungsbemessungsfunktion zurücktritt.15 Die Bereitstellung relevanter Informationen ist vielmehr 1 Vgl. Moxter, Grundsätze ordnungsgemäßer Rechnungslegung, 4 f.; Hommel/Schmidt/Wüstemann, WPg.-Sonderheft 2004, S84 (S91). 2 Vgl. Hommel/Schmidt/Wüstemann, WPg.-Sonderheft 2004, S84 (S91). 3 Vgl. Moxter/Engel-Ciric, BB 2014, 489; Moxter/Engel-Ciric, Grundsätze ordnungsgemäßer Bilanzierung, 22 ff. 4 Vgl. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 243 Rz. 54. 5 Das Realisationsprinzip geht nach herrschender Auslegung aber nicht so weit, für die Gewinnverwirklichung den Zahlungseingang abzuwarten (iS eines Barrealisationsprinzips), wofür es jedoch zumindest aus steuertheoretischer Sicht überzeugende Argumente gäbe. Zur Diskussion vgl. insbes. Kahle, DB 2014, Beil. Nr. 4 zu Heft 22, 1 (15 ff.) mwN. 6 Wörner, FR 1984, 489 (494). Zum Prinzip des quasi-sicheren Anspruchs (Gewinns) vgl. eingehend Wüstemann/ Kierzek, ZfbF 2007, 882 ff. 7 Vgl. Hommel in FS Ballwieser, 347 (353 ff.). 8 Zur Diskussion s. Kahle/Schulz in BKT, Bilanzrecht, § 255 Abs. 4 HGB Rz. 330 ff. (Stand Aug. 2017). 9 Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 243 Rz. 34. 10 Ballwieser, BFuP 1990, 481. 11 Vgl. Euler, Das System der Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung, 109 ff.; Hommel in FS Ballwieser, 347 (350 ff.); Hommel/Schmidt/Wüstemann, WPg.-Sonderheft 2004, S84 (S92). 12 Vgl. Euler/Hommel, BB 2014, 2475 (2476); Hommel in FS Ballwieser, 347 (351). 13 Beisse in FS Moxter, 3 (16); vgl. zB auch Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 243 Rz. 44. 14 Vgl. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 243 Rz. 55. 15 Vgl. Moxter in FS Budde, 419 ff.; Wüstemann/Wüstemann in FS Krawitz, 755 (758).

Malke/Schulz | 65

§ 243 Rz. 33 | Aufstellungsgrundsatz durch die gesetzlichen Gliederungs- und Erläuterungsvorschriften sowie den Anhang (§§ 284, 285 HGB) sicherzustellen (Informations-GoB). 34 Das ausschüttungsstatische GoB-System gilt als konzeptionell geschlossen. Es ist aber keineswegs unabän-

derlich, sondern vielmehr offen, beweglich und mithin auch revisibel, wenn die Gewinnung neuer GoB oder die Weiterentwicklung bestehender GoB mit Blick auf neuartige Bilanzierungssachverhalte geboten ist.1 Bilanzierungsfragen, die nicht explizit im HGB geregelt sind, müssen aus dem GoB-System heraus gelöst werden. Dies geschieht durch fortschreitende Detailkonkretisierung, indem untere GoB unter Beachtung der oberen (fundamentalen) GoB neu entwickelt bzw. weiter differenziert werden. Neu gewonnene GoB haben sich widerspruchsfrei in das bestehende GoB-System einzufügen.

IV. (Potenzielle) Einflüsse der IFRS auf die GoB 35 Es ist zwar nicht zu bestreiten, dass im Zuge des BilMoG einige GoB partiell neu interpretiert wurden. Das

Vorsichtsprinzip und somit auch das Realisationsprinzip sowie das Imparitätsprinzip bilden jedoch nach zutreffender Ansicht auch nach dem BilMoG den Dreh- und Angelpunkt der bilanziellen Gewinnermittlung. Schon angesichts der abweichenden Primärzwecke erschiene es wenig überzeugend, in den IFRS die maßgebende Interpretationsquelle für handelsrechtliche GoB zu sehen.2 Eine breitflächige Einstrahlung der IFRS in das deutsche Bilanzrecht ist seitens des deutschen Gesetzgebers erkennbar nicht gewollt.3

36 Auch aus dem Urteil des EuGH in der Rs. BIAO4 ergibt sich keine zwingende Auslegung der GoB auf Basis

der IFRS oder gar eine IFRS-Maßgeblichkeit.5 Die IFRS sind hiernach nur als eine denkbare Rechtserkenntnisquelle zu betrachten; sie haben für das nationale (deutsche) Bilanzrecht keinen verpflichtenden Charakter. Wohl nur bei handelsrechtlichen Vorschriften, die erkennbar an die IFRS angelehnt sind, ist eine Bezugnahme auf die IFRS iS eines Rechtsvergleichs zu erwägen.6

37 Der BFH hat in seinem Urteil vom 25.8.2010 zutreffend herausgestellt, „dass die International Accounting

Standards bzw. die IFRS die steuerrechtliche Gewinnermittlung nicht bestimmen“7. Auch in seinem Urteil vom 14.4.2011 hat der BFH einer Auslegung der GoB auf Basis der IFRS im Ergebnis eine klare Absage erteilt.8

V. Bedeutung der GoB für die steuerliche Gewinnermittlung 38 Über den sog. Maßgeblichkeitsgrundsatz (§ 5 Abs. 1 EStG) wirken die GoB iSd. § 243 HGB in die steuerliche

Gewinnermittlung ein.9 Maßgeblich sind die Gewinnanspruchs-GoB, nicht die Informations-GoB (s. Rz. 19 ff.).10 Nach der bekannten Teilhaberthese sollten die Gewinnansprüche des Fiskus – iS eines stillen Teilhabers – nicht anders bemessen werden als die Gewinnansprüche anderer Teilhaber (zB Anteilseigner) am betreffenden Unternehmen.11 Aus dieser Sicht erscheint eine Maßgeblichkeit der vorsichtsgeprägten GoB konzeptionell wohlbegründet.12

39 Spiegelt man die tradierten GoB indessen an den theoretischen Leitlinien, denen eine steuerliche Gewinn-

ermittlung idealerweise folgen sollte, so zeigt sich, dass deren Maßgeblichkeit weder zu einer verbesserten Entscheidungsneutralität noch zu einer verbesserten Gleichmäßigkeit der Besteuerung führt.13 Vielmehr steht das Vorsichtsprinzip beiden Postulaten diametral entgegen und sollte demnach aus der steuerlichen Gewinnermittlung de lege ferenda verbannt werden. Zugleich sollte das tradierte Realisationsprinzip in Richtung eines Barrealisationsprinzips umgedeutet werden (Gewinnrealisierung bei Marktleistungsabgabe

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

Vgl. Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 243 HGB Rz. 3. Vgl. Moxter, WPg. 2009, 7 ff.; Kahle, StuB 2013, 759 f. Vgl. Hennrichs in Tipke/Lang, Steuerrecht23, § 9 Rz. 53. Vgl. EuGH v. 7.1.2003 – Rs. C-306/99 (BIAO), DB 2003, 181 ff.; hierzu grundlegend Hennrichs, NZG 2005, 783 ff. Zum Diskussionsstand vgl. Kahle, DB 2014, Beil. Nr. 4 zu Heft 22, 1 (15). Vgl. Prinz, GmbHR 2009, 1027 (1031 f.). BFH v. 25.8.2010 – I R 103/09, BStBl. II 2011, 215. Vgl. dazu auch Kahle, DB 2014, Beil. Nr. 4 zu Heft 22, 1 (14 f.). Vgl. BFH v. 14.4.2011 – IV R 46/09, BStBl. II 2011, 696; hierzu Kahle, DB 2014, Beil. Nr. 4 zu Heft 22, 1 (14 f.). Vgl. BFH v. 20.11.2019 – XI R 46/17, DStR 2020, 378. Zum Status quo des Maßgeblichkeitsprinzips vgl. Kahle, FR 2019, 337 ff. Vgl. Kahle in HdJ, VII/1 Rz. 269 (Stand Feb. 2019). Vgl. Kahle, DB 2014, Beil. Nr. 4 zu Heft 22, 1 (5) mit zahlreichen Schrifttumsnachweisen. Zur Kritik an der Teilhaberthese vgl. Wagner in FS Ballwieser, 917 (924 ff.). Vgl. Kahle, DB 2014, Beil. Nr. 4 zu Heft 22, 1 (4 ff.).

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C. Grundsatz der Klarheit und Übersichtlichkeit (Abs. 2) | Rz. 45 § 243

und Zahlungsmittelzufluss).1 Grundvoraussetzung für die Aufgabe des bilanziellen Vorsichtsprinzips wäre jedoch insb. die Gewährung eines sofortigen Verlustausgleichs (oder ökonomisch gleichwertiger Verlustnutzungsmöglichkeiten). Hält man indessen einen sofortigen Verlustausgleich auch in Zukunft (allein schon aus fiskalischen Gründen) für unrealistisch, erscheint die Maßgeblichkeit der GoB als zweitbester Ansatz weiterhin vertretbar.2

C. Grundsatz der Klarheit und Übersichtlichkeit (Abs. 2) I. Regelungszweck Nach § 243 Abs. 2 HGB muss der handelsrechtliche Jahresabschluss „klar und übersichtlich sein“. Dieser 40 Grundsatz der Klarheit und Übersichtlichkeit ist kein Selbstzweck, sondern dient der übergeordneten Informationsaufgabe des handelsrechtlichen Jahresabschlusses.3 Diese dient im Allgemeinen dazu, den Informationsadressaten interessengerechte Entscheidungen zu ermöglichen, wobei sich das Interesse der Anteilseigner in erster Linie auf die Breite, die zeitliche Struktur sowie die Wahrscheinlichkeit ihres finanziellen Zielstroms richten dürfte.4 Sachverständige Dritte können sich aber nur dann in angemessener Zeit ein Bild von der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens zeichnen (vgl. § 238 Abs. 1 HGB), wenn die Inhalte des Jahresabschlusses klar und übersichtlich sind.5 Der Grundsatz der Klarheit und Übersichtlichkeit gilt (personell) für alle Bilanzierungspflichtigen im An- 41 wendungsbereich des § 243 HGB (s. Rz. 4 ff.); er bezieht sich sachlich auf alle Elemente des Jahresabschlusses bzw. Konzernabschlusses, die pflicht- oder wahlweise aufzustellen sind.6 Auch wenn der Lagebericht (§ 289 HGB) selbst keinen Bestandteil des Jahresabschlusses bildet, sollte dieser 42 gleichwohl klar und übersichtlich iSd. § 243 Abs. 2 HGB sein.7 Aus steuerrechtlicher Sicht hat § 243 Abs. 2 HGB nach hM zwar (formal) keine eigenständige Relevanz,8 es 43 versteht sich jedoch, dass auch eine Steuerbilanz klar und übersichtlich sein sollte.9

II. Einzelfragen So einleuchtend die Forderung nach „Klarheit“ und „Übersichtlichkeit“ in § 243 Abs. 2 HGB auf den ersten 44 Blick erscheint, so vage bleibt sie ohne weiteren Konkretisierungsmaßstab. Denn beide Begrifflichkeiten können zwar durch weitere Synonyme (Transparenz, Eindeutigkeit, Konkretheit, Nachvollziehbarkeit und dergleichen mehr) umschrieben werden; sie gewinnen dadurch aber nicht zwingend an inhaltlicher Schärfe. Das Gebot der Klarheit und Übersichtlichkeit des handelsrechtlichen Jahresabschlusses ist vielmehr anhand 45 des Systems der Informations-GoB zu konkretisieren.10 Um die externen Jahresabschlussleser bei ihrer Ergebnisanalyse zu unterstützen, muss der Geschäftsjahresgewinn insbes. hinreichend erläutert und aufgegliedert werden.11 Die nach § 243 Abs. 2 HGB verlangte „Klarheit“ sowie „Übersichtlichkeit“ obliegt mithin in erster Linie den gesetzlichen Gliederungs- und Erläuterungsvorschriften (Informations-GoB).12

1 Vgl. bereits Schneider, WPg. 1971, 607 ff.; zur Diskussion auch Kahle/Schulz, BFuP 2011, 455 ff. 2 Vgl. Kahle, DB 2014, Beil. Nr. 4 zu Heft 22, 1 (18 ff.); Kahle, FR 2019, 337 (339 f.); zur Diskussion s. auch Meyering/Gröne, StuW 2018, 28 ff. 3 Vgl. auch zB Pöschke in Großkomm.5, § 243 HGB Rz. 22 mwN. 4 Vgl. Moxter in FS Ballwieser, 507 (515 ff.). 5 Vgl. Böcking/Gros in Ebenroth/Boujong ua., HGB4, § 243 Rz. 13; Kirsch/Brötzmann/Wätjen in BKT, Bilanzrecht, § 243 HGB Rz. 86 ff. (Stand Okt. 2018); Pöschke in Großkomm.5, § 243 HGB Rz. 22. 6 Vgl. Böcking/Gros in Ebenroth/Boujong ua., HGB4, § 243 Rz. 11. 7 Vgl. Pöschke in Großkomm.5, § 243 HGB Rz. 20; Böcking/Gros in Ebenroth/Boujong ua., HGB4, § 243 Rz. 11; Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 243 HGB Rz. 24; Kirsch/Brötzmann/Wätjen in BKT, Bilanzrecht, § 243 HGB Rz. 81 (Stand Okt. 2018). 8 Vgl. Böcking/Gros in Ebenroth/Boujong ua., HGB4, § 243 Rz. 14; Schmidt/Usinger in Beck BilKomm.12, § 243 HGB Rz. 70. 9 Vgl. Sigloch/Weber in Michalski/Heidinger/Leible/Schmidt, GmbHG3, §§ 41–42a Rz. 579. 10 Vgl. Hommel/Schmidt/Wüstemann, WPg.-Sonderheft 2004, S84 (S94 ff.). 11 Vgl. eingehend Dexheimer, BB 2002, 451 ff. 12 Vgl. Winnefeld, Bilanz-Handbuch5, Rz. 80.

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§ 243 Rz. 46 | Aufstellungsgrundsatz 46 Sämtliche in der Bilanz bzw. GuV enthaltenen Posten müssen eindeutig, sachlich zutreffend, verständlich,

nachvollziehbar und konsistent bezeichnet werden, und diese Bezeichnungen sollten auch im Zeitverlauf konsequent beibehalten werden.1

47 Diese Anforderungen (s. Rz. 46) gelten für andere – je nach Rechtsform – zusätzlich bzw. freiwillig auf-

gestellte Elemente des Jahresabschlusses bzw. Konzernabschlusses analog, zB für die Erläuterungen im Anhang: Auch diese „müssen so hinreichend geordnet sein, dass sie sich den entsprechenden Positionen des Zahlenwerks (Bilanz; GuV) klar und eindeutig zuordnen lassen“2.

48 Materielle Grundsätze, die aus dem Grundsatz der Klarheit und Übersichtlichkeit hergeleitet werden, sind

bspw. das Vollständigkeitsgebot (§ 246 Abs. 1 HGB),3 das Bruttoprinzip bzw. Verrechnungsverbot (§ 246 Abs. 2 HGB),4 das Gebot der Einzelbewertung (§ 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB),5 das Gebot der hinreichenden Aufgliederung (§ 247 Abs. 1 HGB)6 sowie das Gebot der Ausweisstetigkeit.7

49 Die Klarheit und Übersichtlichkeit des handelsrechtlichen Jahresabschlusses wird im Allgemeinen durch

§ 247 Abs. 1 HGB konkretisiert,8 der ein Gebot des gesonderten Ausweises und der hinreichenden Aufgliederung enthält. Hierdurch wird die Mindestaufgliederung der Bilanz festgelegt.9 Im Einzelnen sind „das Anlage- und das Umlaufvermögen, das Eigenkapital, die Schulden sowie die Rechnungsabgrenzungsposten gesondert auszuweisen und hinreichend aufzugliedern“ (§ 247 Abs. 1 HGB). § 247 HGB gilt für alle Kaufleute. Für einzelne Rechtsformen existieren speziellere Gliederungsvorschriften, die § 247 Abs. 1 HGB im Rang vorgehen.

50 Für Kapitalgesellschaften gilt die Bilanzgliederung nach § 266 HGB. Mittelgroße und große Kapitalgesell-

schaften iSd. § 267 Abs. 2 und 3 HGB haben ihre Bilanz nach den in § 266 Abs. 2 (Aktivseite) und Abs. 3 HGB (Passivseite) vorgegebenem Schemata aufzugliedern. Bei kleinen Kapitalgesellschaften iSd. § 267 Abs. 1 HGB genügt eine verkürzte Bilanz (§ 266 Abs. 1 Satz 2 HGB); eine weitere Verkürzung der Bilanz wird Kleinstkapitalgesellschaften iSd. § 267a HGB gewährt (§ 266 Abs. 1 Satz 3 HGB). Für Einzelheiten wird auf die entsprechende Kommentierung in diesem Werk (s. § 267a Rz. 19 f.) verwiesen.

51 Für die Gewinn- und Verlustrechnung enthalten die § 275 ff. HGB spezielle Gliederungs- und Erläute-

rungsvorgaben. Auch diese haben den Sinn und Zweck, die gebotene Klarheit und Übersichtlichkeit des handelsrechtlichen Jahresabschlusses iSd. § 243 Abs. 2 HGB sicherzustellen. Für Einzelheiten wird auf die entsprechende Kommentierung in diesem Werk (s. § 275 Rz. 1 ff.) verwiesen.

D. Aufstellungsfrist (Abs. 3) I. Überblick und Zweck der Vorschrift 52 Gem. § 243 Abs. 3 HGB ist der Jahresabschluss (zu den Bestandteilen des Jahresabschlusses s. Rz. 6) „inner-

halb der einem ordnungsmäßigen Geschäftsgang entsprechenden Zeit“ aufzustellen (sog. Aufstellungsfrist). Ob eine Buchführung ordnungsmäßig ist, ist demnach nicht allein davon abhängig, ob die Aufzeichnung in den Büchern ordnungsgemäß erfolgt ist, sondern auch davon, ob die Bilanz in einem ordnungsgemäßen Zeitrahmen aufgestellt wurde.10

53 Die Vorschrift ist grds. für alle bilanzierungspflichtigen Kaufleute iSd. §§ 1 ff. HGB maßgeblich.

1 2 3 4 5 6 7

8 9 10

Vgl. Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 243 HGB Rz. 13. Kleindiek in MünchKomm. BilR, Rz. 23 mwN. Vgl. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 243 HGB Rz. 61. Vgl. Pöschke in Großkomm.5, § 243 HGB Rz. 12; Nägel in Heymann-HGB3, § 243 Rz. 14; Winnefeld, Bilanz-Handbuch5, Rz. 81, 85, 370; Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 243 HGB Rz. 61; Reddig in Kirchhof, EStG19, § 5 Rz. 56. Vgl. Pöschke in Großkomm.5, § 243 HGB Rz. 14. Vgl. Kirsch/Brötzmann/Wätjen in BKT, Bilanzrecht, § 243 HGB Rz. 11, 82, 93 (Stand Okt. 2018). Küting/Tesche, DStR 2009, 1491 (1492). Auch die Verpflichtung, den Jahresabschluss in deutscher Sprache aufzustellen (§ 244 HGB), wird als Folgeprinzip des Grundsatzes der Klarheit und Übersichtlichkeit (§ 243 Abs. 2 HGB) betrachtet; dasselbe gilt für die Verpflichtung, Jahresabschlüsse und Buchungsunterlagen geordnet aufzubewahren (§ 257 Abs. 1 HGB); vgl. Winnefeld, Bilanz-Handbuch5, Rz. 81. Vgl. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 243 HGB Rz. 2. Vgl. zB Schubert/Waubke in Beck BilKomm.12, § 247 Rz. 1; Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 243 HGB Rz. 61; Kirsch/Brötzmann/Wätjen in BKT, Bilanzrecht, § 243 HGB Rz. 93 (Stand Okt. 2018). Vgl. BFH v. 12.12.1972 – VIII R 112/69, BStBl. II 1973, 555.

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D. Aufstellungsfrist (Abs. 3) | Rz. 59 § 243

Für bestimmte Kaufleute erfolgt in Sondervorschriften eine Konkretisierung der Aufstellungsfrist. Diese ge- 54 hen als leges speciales der Generalnorm in § 243 Abs. 3 HGB vor. Es ergeben sich demnach, differenziert nach Größe, Rechtsform und Branche, die folgende Fristen – Bezugspunkt ist jeweils das dem Abschlussstichtag nachfolgende Geschäftsjahr: – Große und mittelgroße (§ 267 Abs. 2 und 3 HGB) Kapitalgesellschaften und diesen gleichgestellte Personenhandelsgesellschaften iSd. § 264a HGB (§ 264 Abs. 1 Satz 3 HGB): 3 Monate; – Kleine (§ 267 Abs. 1, § 267a HGB) Kapitalgesellschaften und diesen gleichgestellte Personenhandelsgesellschaften iSd. § 264a HGB (§ 264 Abs. 1 Satz 4 HGB): 6 Monate; – Unternehmen, die unter das PublG fallen (§ 5 Abs. 1 Satz 1 PublG): 3 Monate; – Institute iSd. KWG (§ 26 Abs. 1 Satz 1 KWG): 3 Monate; – Versicherungsunternehmen (§ 341a Abs. 1 und 5 HGB): 4 bzw. 10 Monate; – Genossenschaften (§ 336 Abs. 1 Satz 2 HGB): 5 Monate. Für den Fall, dass ein Unternehmen zusätzlich einen Konzernabschluss aufzustellen hat, greifen weitere Aufstellungsfristen, insbes. nach § 290 Abs. 1, § 340i Abs. 1, § 341i Abs. 3 HGB, § 13 Abs. 1 PublG. Sofern keine Sondervorschrift kodifiziert ist, greift die Generalnorm des § 243 Abs. 3 HGB. Die Vorschrift 55 hat damit im Wesentlichen Bedeutung für den handelsrechtlichen Abschluss von Einzelkaufleuten und Personengesellschaften, für die die oben dargestellten Konkretisierungen nicht maßgeblich sind. § 243 Abs. 3 HGB ist zudem relevant für den steuerrechtlichen Abschluss,1 denn auch hier fehlt es an einer 56 gesetzlich normierten Sondervorschrift. Die Fristen zur Abgabe der Einkommen-/Körperschaftsteuererklärungen nach § 149 Abs. 2 AO (mit Verlängerungsmöglichkeit nach § 109 Abs. 1 AO) sind nur von eingeschränkter Bedeutung, da die Steuerbilanz lediglich als „Unterlage“ gilt, die einer Steuererklärung beizufügen ist (§ 150 Abs. 4 Satz 1 AO).2 Gleichwohl ist nach Meinung der Literatur und der Rspr. die Steuerbilanz in der einem ordnungsgemäßen Geschäftsgang entsprechenden Zeit aufzustellen, da nur dies einer ordnungsgemäßen Buchführung nach § 243 Abs. 1 HGB entspricht.3 Für Steuerpflichtige, die ihren Gewinn nach § 4 Abs. 1, § 5 oder § 5a EStG ermitteln, dh. für diejenigen, die ihren Gewinn nach den entsprechenden handelsoder steuerrechtlichen Bestimmungen aufzustellen haben oder freiwillig aufstellen, besteht hierbei grds. die Verpflichtung, den Inhalt der Bilanz sowie der Gewinn- und Verlustrechnung (und etwaiger weiterer Anlagen wie Anhang) nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung zu übermitteln (§ 5b EStG, sog. E-Bilanz).4 Die Aufstellungsfrist des § 243 Abs. 3 HGB ist Ausfluss des Schutzprinzips zugunsten der Gläubiger und, 57 sofern vorhanden, der weiteren Gesellschafter. Hierdurch wird gewährleistet, dass diese Personen jährlich Rechenschaft über den Stand des Geschäfts bekommen.5 Sie dient zudem dem Zweck, dem Kaufmann selbst Einblick in den Stand seines Geschäfts zu geben, wobei es ihm zeitlich ermöglicht werden soll, den Jahresabschluss neben dem laufenden Geschäftsbetrieb fristgerecht aufzustellen.6

II. Rechtsprechung und Meinungsstand in der Literatur Der in § 243 Abs. 3 HGB enthaltene Wortlaut „innerhalb der einem ordnungsgemäßen Geschäftsgang ent- 58 sprechenden Zeit“ stellt einen unbestimmten Rechtsbegriff dar. Mithin ist die Aufstellungsfrist in den Fällen, in denen die in Rz. 54 aufgeführten Sondervorschriften nicht greifen, auszulegen. Eine allgemeingültige Zeitspanne für einen ordnungsgemäßen Geschäftsgang gibt es nach dem Gesetzes- 59 wortlaut gerade nicht. Auch die historische Untersuchung der Gesetzesvorschrift führt zu keinem sinnvollen Ergebnis. Teleologisch jedoch zeigt sich, dass der Gesetzgeber ganz bewusst keine feste Frist normiert hat. Somit hat sich die Frist nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls zu bestimmen, dh. die Besonderhei-

1 Zur Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz und Entwicklungstendenzen s. Rz. 38 f. sowie Schmidt/ Usinger in Beck BilKomm.12, § 243 HGB Rz. 111 ff.; Meyering/Gröne, StuW 2018, 28 ff. 2 Vgl. Rätke in Klein, AO14, §§ 152 aF, 152 nF Rz. 16; Seer in Tipke/Kruse, § 150 AO Rz. 54 (Stand Apr. 2017), § 152 AO Rz. 10 (Stand Jul. 2017); aA Heuermann in HHSp, § 150 AO Rz. 41a, 42 (Stand Aug. 2010). 3 Vgl. BFH v. 6.12.1983 – VIII R 110/79, BStBl. II 1984, 227; Schmidt/Usinger in Beck BilKomm.12, § 243 HGB Rz. 94. 4 Zu Einzelheiten s. auch BMF v. 28.9.2011 – IV C 6 - S 2133-b/11/10009, BStBl. I 2011, 855; v. 2.7.2019 – IV C 6 S 2133-b/19/10001, BStBl. I 2019, 887. 5 Vgl. Schmidt/Usinger in Beck BilKomm.12, § 243 HGB Rz. 91 – auch zu Besonderheiten bei einer Liquidation. 6 Vgl. ADS6, § 243 HGB Rz. 43.

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§ 243 Rz. 59 | Aufstellungsgrundsatz ten und Anforderungen des Unternehmens sind zu berücksichtigen, wobei der jeweilige Bilanzadressat mit seinem Informationsinteresse ein besonderes Gewicht hat.1 60 Gegebenenfalls könnten IFRS für die Auslegung herangezogen werden (s. auch oben Rz. 35). Allerdings ist

auch hier keine explizite Frist zur Erstellung des Abschlusses enthalten. Aus den Prinzipien „Timeliness“ (F. QC 29) und „Relevance“ (F.QC 5) lässt sich lediglich schlussfolgern, dass die Abschlusserstellung in angemessener zeitlicher Nähe zum Abschlussstichtag erfolgen sollte, um dem Bilanzleser entscheidungsrelevante Informationen zur Verfügung zu stellen.2

61 Eine Vorgabe für die GoB ergibt sich hieraus nicht.3 IFRS gelten nach deutschem Recht nur für kapital-

marktorientierte Mutterunternehmen, die nach § 315e Abs. 1 und 2 HGB ihren Konzernabschluss nach IFRS aufstellen müssen, für Mutterunternehmen, die von ihrem Wahlrecht nach § 315e Abs. 3 HGB beim Konzernabschluss Gebrauch machen, oder für publizitätspflichtige Unternehmen, die ihren Einzelabschluss nach IFRS offenlegen möchten gem. § 325 Abs. 2a HGB. Die GoB hingegen gelten für alle Kaufleute, die nach §§ 238 ff. HGB verpflichtet sind, Bücher zu führen.4 Insofern entfalten die IFRS und ihr Framework keine rechtliche Bindungswirkung bei der Auslegung der GoB (s. Rz. 35 ff.). Hinzu kommt, dass IFRS eine andere Zielsetzung haben5 und zu unbestimmt sind, um Auslegungshilfe zu sein.6

62 Die Rspr. hingegen bietet Anhaltspunkte für die Ermittlung der ordnungsgemäßen Aufstellungsfrist. Auch

hier hat sich jedoch keine einheitliche Frist herausgebildet, da der jeweilige Einzelfall betrachtet wird und unterschiedliche Zwecke zu unterschiedlichen Ergebnissen führen.7

63 Für steuerrechtliche Zwecke hat der BFH entschieden, dass eine Bilanz, die nach Ablauf von 12 Monaten

nach Abschluss des Geschäftsjahres aufgestellt wurde, nicht mehr innerhalb der einem ordnungsmäßigen Geschäftsgang entsprechenden Frist aufgestellt worden ist.8 Hieraus ergibt sich eine Einschränkung des Zeitraums „der einem ordnungsmäßigen Geschäftsgang entsprechenden Zeit“ auf einen Zeitpunkt bis spätestens 12 Monate nach Ablauf des Geschäftsjahres.9

64 Für handelsrechtliche Zwecke wird zwischen dem normalen Geschäftsgang und Krisensituationen unter-

schieden. Nach der hM10 wird im normalen Geschäftsgang für Einzelkaufleute und Personengesellschaften, die nicht den in Rz. 54 aufgeführten Sondervorschriften unterliegen, eine Aufstellungsfrist von 6–9 Monaten – teilweise auch bis 12 Monate – als ordnungsgemäß eingestuft. Begründet wird dies einerseits damit, dass die Einzelkaufleute bzw. Gesellschafter der relevanten Personengesellschaften größere Rechte, insbes. Mitspracherechte, haben als bei anderen Gesellschaftsformen (zB großen Kapitalgesellschaften), die einen längeren Zeitraum als 3–6 Monate im Einzelfall vertretbar erscheinen lassen. Andererseits wird dieser längere Zeitraum wiederum durch die Urteile des BFH11 begrenzt, wonach eine Bilanz, die nach Ablauf von 12 Monaten nach Abschluss des Geschäftsjahres aufgestellt wurde, nicht mehr innerhalb der einem ordnungsmäßigen Geschäftsgang entsprechenden Zeit aufgestellt worden ist.12 Diese Begrenzung stellt sicher, dass die 1 Ausführlich hierzu ADS6, § 243 HGB Rz. 40 ff.; Schmidt/Usinger in Beck BilKomm.12, § 243 HGB Rz. 92. Vgl. zu den Überlegungen im Gesetzgebungsverfahren zudem BVerfG v. 15.3.1978 – 2 BvR 927/76, NJW 1978, 1423; Pöschke in Großkomm.5, § 243 HGB Rz. 31. 2 Vgl. Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 243 HGB Rz. 33; Ruppelt in BeckOK HGB27, § 243 HGB Rz. 60; Wawrzinek/Lübbig in Beck IFRS HdB5, § 2 Rz. 57 ff., 83. Zur Entwicklung bzgl. Fast-Close-Abschlüssen vgl. unten Rz. 66 f. 3 Ein Ausnahmefall kann sich bei der Bewertung ergeben, wenn die internationale Vergleichbarkeit einen verbesserten Einblick in die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage eines Unternehmens gibt. Hier kann vom Grundsatz der Bewertungsstetigkeit abgewichen werden – zugunsten der IFRS-Regeln. Allein die Verbesserung des handelsrechtlichen Ergebnisses stellt aber keinen Grund für eine Ausnahme dar; s. hierzu Störk/Büssow in Beck BilKomm.12, § 252 HGB Rz. 77. 4 Vgl. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 243 HGB Rz. 1; Ruppelt in BeckOK HGB27, § 243 HGB Rz. 51. 5 Der handelsrechtliche Einzelabschluss verfolgt die Informationsfunktion unter Beachtung der Schutzfunktion der Gewinnanspruchsbemessung, der IFRS-Abschluss allein die Informationsfunktion, vgl. Moxter, WPg. 2009, 7 (10). 6 Vgl. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 243 HGB Rz. 82 ff.; Böcking/Gros in Ebenroth/Boujong ua., HGB4, § 243 Rz. 28; ausführlich Moxter, WPg. 2009, 7 ff.; Ruppelt in BeckOK HGB27, § 243 HGB Rz. 59. 7 So auch BVerfG v. 15.3.1978 – 2 BvR 927/76, NJW 1978, 1423; ADS6, § 243 HGB Rz. 38; Nägel in Heymann-HGB3, § 243 Rz. 22 f.; Pöschke in Großkomm.5, § 243 HGB Rz. 33. 8 Vgl. BFH v. 25.4.1978 – VIII R 96/75, BStBl. II 1978, 525; v. 6.12.1983 – VIII R 110/79, BStBl. II 1984, 227. 9 Zwei bzw. fünf Jahre wurden hingegen als zu lang eingestuft: BFH v. 5.3.1965 – VI 154/63 U, BStBl. III 1965, 285; v. 25.4.1978 – VIII R 96/75, BStBl. II 1978, 525; hierzu auch ADS6, § 243 HGB Rz. 38; Pöschke in Großkomm.5, § 243 HGB Rz. 32; Schmidt/Usinger in Beck BilKomm.12, § 243 HGB Rz. 93. 10 Ausführlich zum Meinungsstand Pöschke in Großkomm.5, § 243 HGB Rz. 32. 11 Vgl. BFH v. 25.4.1978 – VIII R 96/75, BStBl. II 1978, 525; v. 6.12.1983 – VIII R 110/79, BStBl. II 1984, 227. 12 Im Ergebnis ähnlich ADS6, § 243 HGB Rz. 43; Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 243 HGB Rz. 28; Morck/Drüen in Koller/Kindler ua., HGB9, § 243 Rz. 5; Pöschke in Großkomm.5, § 243 HGB Rz. 33, der allerdings eine längere Frist

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D. Aufstellungsfrist (Abs. 3) | Rz. 68 § 243

Wertansätze nicht unzulässigerweise nach dem Ergebnis mehrerer inzwischen abgelaufener Wirtschaftsjahre gebildet werden.1 In Summe wird diese Frist von maximal 12 Monaten im normalen Geschäftsgang dem Zweck des § 243 Abs. 3 HGB gerecht, da es sich einerseits um einen zumutbaren Zeitrahmen für den Rechnungslegungspflichtigen handelt, um den Jahresabschluss neben dem laufenden Geschäftsbetrieb aufzustellen, und andererseits die Informationsinteressen der Gläubiger und ggf. anderen Gesellschafter gewahrt werden.2 Schmidt/Usinger weisen zudem darauf hin, dass eine darüber hinausgehende Fristverlängerung per Gesellschaftsvertrag nicht wirksam ist.3 Auch Ungewissheiten bei Schätzungen (zB von Rückstellungen), die sich erst zu einem späteren Zeitpunkt klären, führen zu keiner Fristverlängerung.4 Hiervon unbenommen ist in besonderen Krisensituationen eine deutlich kürzere Frist erforderlich. In Kri- 65 sensituationen sind nach diversen Entscheidungen im strafrechtlichen Bereich5 Aufstellungsfristen von nur 2–3 Monaten als ordnungsgemäß eingestuft worden; während Aufstellungsfristen von mehr als 7 Monaten als nicht mehr ordnungsgemäß eingeschätzt wurden.6 Der Kaufmann hat in einem solchen Fall „unverzüglich“ iSd. § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB zu handeln, dh. den Jahresabschluss zeitnah und ohne schuldhaftes Zögern nach Ablauf des Abschlussstichtags aufzustellen. Hintergrund ist zum einen, dass der Kaufmann sich auf diese Art und Weise möglichst schnell einen Überblick über die Lage des Unternehmens verschaffen soll, und zum anderen, dass das besondere Interesse der Gläubiger gewahrt wird.7

III. Stichtagsprinzip und Fast Close Die Aufstellungsfrist für den handelsrechtlichen Jahresabschluss bezieht sich auf einen davor liegenden Ab- 66 schlussstichtag. Dieser Abschluss- bzw. Bilanzstichtag ist der letzte Tag (24 Uhr) des Geschäftsjahres iSd. § 240 Abs. 2 HGB. Das Geschäftsjahr darf hierbei einen 12-Monats-Zeitraum nicht überschreiten; bei einem Rumpfgeschäftsjahr ergibt sich ein kürzerer Zeitraum. Grundsätzlich darf der Stichtag frei festgesetzt bzw. geändert werden. Sofern das (handelsrechtliche) Geschäfts- bzw. (steuerrechtliche) Wirtschaftsjahr jedoch nicht dem Kalenderjahr entsprechen soll, ist das Einvernehmen des Finanzamts einzuholen (§ 4a EStG). Für die Aufstellung des Jahresabschlusses ist generell der Kenntnisstand zum Zeitpunkt des Abschlussstich- 67 tags maßgebend (Stichtagsprinzip, § 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB). Folglich sind alle Geschäftsvorfälle zu berücksichtigen, die bis zum Abschlussstichtag stattgefunden haben, bewertet nach den Verhältnissen des Stichtags.8 Dies beinhaltet auch sog. wertaufhellende Tatsachen, dh. Erkenntnisse über vor dem Abschlussstichtag zugetragene Geschäftsvorfälle, die erst nach dem Abschlussstichtag, aber vor Aufstellung der Bilanz bekannt werden (ausdrücklich § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB für Risiken und Verluste). Wertbegründende Tatsachen, dh. Erkenntnisse über nach dem Abschlussstichtag zugetragene Geschäftsvorfälle, bleiben dagegen ausdrücklich unberücksichtigt (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB).

In der Literatur finden sich zu den wertaufhellenden Tatsachen zudem weitere Diskussionspunkte. In die- 68 sem Zusammenhang wird zwischen wesentlichen und unwesentlichen Risiken und Wertminderungen unter-

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als 6 Monate nur im Ausnahmefall – mit Beweislast des Aufstellers – als zulässig erachtet; Ruppelt in BeckOK HGB27, § 243 HGB Rz. 37; Schmidt/Usinger in Beck BilKomm.12, § 243 HGB Rz. 93; aA Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 243 HGB Rz. 78, der eine Zeit von 12 Monaten angesichts der Schutzfunktion der Rechnungslegung als zu lang erachtet; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB39, § 243 Rz. 11, der stets von einer entsprechenden Anwendung der Sechsmonatsfrist für kleine Kapitalgesellschaften ausgeht, als Begründung jedoch die Rspr. zum Konkursstrafrecht heranzieht (OLG Düss. v. 27.9.1979 – 5 Ss 391-410/79 I, NJW 1980, 1292); auch Nägel in Heymann-HGB3, § 243 Rz. 23 spricht sich für eine Frist von 6 Monaten aus, vor dem Hintergrund der Vergleichbarkeit von Einzelkaufleuten und Personengesellschaften mit kleinen Kapitalgesellschaften. Vgl. BFH v. 12.12.1972 – VIII R 112/69, BStBl. II 1973, 555. Vgl. ADS6, § 243 HGB Rz. 43. Vgl. Schmidt/Usinger in Beck BilKomm.12, § 243 HGB Rz. 93. Vgl. Schubert/Andrejewski in Beck BilKomm.12, § 253 HGB Rz. 156. Vgl. BVerfG v. 15.3.1978 – 2 BvR 927/76, NJW 1978, 1423; BGH v. 19.4.1956 – 4 StR 409/55, BB 1957, 274; v. 31.1.1961 – 1 StR 463/60, BeckRS 1961, 00103; OLG Düss. v. 27.9.1979 – 5 Ss 391-410/79 I, NJW 1980, 1292. Vgl. ADS6, § 243 HGB Rz. 39. Vgl. ADS6, § 243 HGB Rz. 39, 44; Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 243 HGB Rz. 29; Ruppelt in BeckOK HGB27, § 243 HGB Rz. 39; Schmidt/Usinger in Beck BilKomm.12, § 243 HGB Rz. 93. S. hierzu die Kommentierung zu § 252 HGB sowie Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 243 HGB Rz. 52; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB39, § 243 Rz. 13, § 252 Rz. 11; Störk/Büssow in Beck BilKomm.12, § 252 HGB Rz. 34 ff.; Störk/ Philipps in Beck BilKomm.12, § 242 HGB Rz. 6, jeweils mit Beispielen. Die in der Vergangenheit kodifizierte Ausnahme vom Stichtagsprinzip in § 253 Abs. 3 Satz 3 HGB aF zum Ausgleich von Wertschwankungen in nächster Zukunft mittels Abschreibungen wurde durch das BilMoG gestrichen; s. hierzu Merkt in Baumbach/Hopt, HGB39, § 243 Rz. 12, § 253 Rz. 21.

Malke/Schulz | 71

§ 243 Rz. 68 | Aufstellungsgrundsatz schieden. Sofern es sich um unwesentliche Risiken und Wertminderungen handelt, wird es als zulässig erachtet, bereits den Tag als Stichtag zu nehmen, an dem die Bewertung des betroffenen Bilanzpostens abgeschlossen wurde, unabhängig von weiteren unwesentlichen Tatsachen nach diesem Tag.1 Dem ist uE zuzustimmen, soweit die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage nicht beeinträchtigt wird, da dies eine wesentliche Vereinfachung im Jahresabschlussprozess darstellen kann. Sofern es sich um wesentliche Risiken und Wertminderungen handelt, wird in der Literatur eine Ausdehnung der Berücksichtigungsfähigkeit befürwortet, und zwar über den Tag der Aufstellung der Bilanz hinaus bis hin zum Tag der Feststellung der Bilanz. Eine Nichtberücksichtigung würde zwar – aufgrund des anderslautenden Gesetzeswortlauts – wohl nicht zu einer bilanzrechtlichen Fehlerhaftigkeit des Jahresabschlusses führen; gleichwohl läge eine Verletzung der Verantwortung der entsprechenden Organe bei Kapitalgesellschaften vor (§§ 93, 116 AktG, §§ 43, 52 Abs. 1 GmbHG). Folglich ist in solchen Fällen eine Änderung des Jahresabschlusses geboten, ggf. durch eine erneute Aufstellung des Abschlusses.2 Sofern sich die Feststellung noch im ordnungsgemäßen Geschäftsgang bewegt,3 ist dieser Vorgehensweise uE zuzustimmen. 69 Eine weitere bedeutsame Tendenz ist die beschleunigte Aufstellung, Prüfung und Veröffentlichung von Jah-

res- und Konzernabschlüssen, die als „Fast Close“ bezeichnet wird. Sie wird insbes. von international aufgestellten, börsennotierten Konzernen genutzt, um den gestiegenen Anforderungen der Kapitalmärkte an aktuellen Informationen über die Unternehmenslage Rechnung zu tragen und gleichzeitig der internen Steuerung mittels aktueller und relevanter Informationen in einem schnelllebigen, komplexen Unternehmensumfeld zu dienen. Auch für den Mittelstand stellt sie eine interessante Alternative dar.4 Eine rasche Abschlusserstellung kann zeitliche Freiräume für das Management schaffen, um Plausibilitätsprüfungen und Qualitätssicherungsmaßnahmen frühzeitig durchzuführen und mögliche Fragen für Analystenkonferenzen, Pressetermine und die Hauptversammlung vorzubereiten.5 Zudem kann die Veröffentlichung des Abschlusses bereits kurz nach dem Abschlussstichtag einen strategischen Wettbewerbsvorteil darstellen.6 Gleichzeitig haben diese Abschlüsse weiterhin den GoB zu entsprechen (§ 243 Abs. 1 HGB) und ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage zu vermitteln (§ 264 Abs. 2 HGB).7 Abstriche bei der Qualität sind daher nicht akzeptabel. Fehlerhafte Abschlüsse oder fehlerhafte Gewinnprognosen gegenüber dem Kapitalmarkt wären die Folge.8 Relativ unwichtig bei einem Fast Close werden wertaufhellende Tatsachen, da der Fast-Close-Abschluss nah am Stichtag veröffentlicht wird und daher dem reinen Stichtagsprinzip näher ist.9 Im Gegenzug werden zum einen die Anforderungen an die angewandten Schätzverfahren und zum anderen an die ggf. notwendigen Anhangangaben nach § 264 Abs. 2 Satz 2 HGB höher.10

70 Für den Übergang zu einem Fast Close ist es wichtig, die Abschlussarbeiten gleichmäßiger über das gesam-

te Geschäftsjahr zu verteilen. In diesem Zusammenhang ist es zielführend, Bearbeitungsschleifen, hohen Korrekturaufwand und andere nicht wertschöpfende Tätigkeiten zu vermeiden, die Systemunterstützung im Hinblick auf eine Verringerung manueller Tätigkeiten und potenzieller Fehlerquellen zu optimieren und eine engere Verzahnung mit der Abschlussprüfung herzustellen.11 Zentrale Maßnahmen zur Beschleunigung sind dabei ua. die Vorverlagerung von Abschlussarbeiten, die Kürzung von Prozessen sowie die Festlegung konzernweiter bilanzpolitischer Maßnahmen, zB die Nutzung von Bewertungsvereinfachungen bzw. die Vorabverständigung mit dem Management und dem Abschlussprüfer zu komplizierten bzw. ungelösten Bilanzierungsfragen.12 Eine Möglichkeit ist, im Vorfeld zu einem vorgezogenen Bilanzstichtag einen dem Jahres1 Vgl. ADS6, § 252 HGB Rz. 77; Ruppelt in BeckOK HGB27, § 243 HGB Rz. 43. 2 Vgl. ADS6, § 252 HGB Rz. 78; Kropff, WPg. 2000, 1137; Ruppelt in BeckOK HGB27, § 243 HGB Rz. 43; Störk/Büssow in Beck BilKomm.12, § 252 HGB Rz. 39; aA Küting/Kaiser, WPg. 2000, 577. 3 Vgl. Grottel/Hoffmann in Beck BilKomm.12, Vor § 325 HGB Rz. 70 ff., 85, 131, 146 f., 151, 155 f., 160, zum Feststellungs-/Änderungsverfahren bei verschiedenen Rechtsformen. 4 Vgl. im Detail Polka, BC 2014, 197 ff.; 369 ff.; 409 ff.; 505 ff.; Dahlhoff, BC 2019, 423 ff. 5 Vgl. Heyd, BC 2017, 527. 6 Vgl. Eggemann/Petry, BB 2002, 1635 ff.; Polka, BC 2014, 197 ff., mit weiteren Gründen für die Erstellung eines Fast Close; Dahlhoff, BC 2019, 423 (425 f.); Ruppelt in BeckOK HGB27, § 243 HGB Rz. 38. 7 Denkbar ist auch, dass der Jahresabschluss bereits vor dem Bilanzstichtag aufgestellt wird, sofern er die o.g. Voraussetzungen erfüllt, vgl. Polka, BC 2014, 197 (198 f.). 8 Vgl. detaillierter zu den Risiken Dahlhoff, BC 2019, 266 (268 f.), 423 (426). 9 Vgl. Hüttche/Diemer, BB 2000, 2035 (2036). 10 Vgl. Schubert/Andrejewski in Beck BilKomm.12, § 253 HGB Rz. 156. Zur Schätzung von Rückstellungen in FastClose-Abschlüssen s. Hommel/Schulte, BB 2004, 1671 ff. 11 Vgl. Eggemann/Petry, BB 2002, 1635 (1637) – auch mit weiteren Details zu den verschiedenen Handlungsfeldern; s. auch Polka, BC 2014, 369 ff., der weitere Anhaltspunkte für die Durchführung der Prozessanalyse gibt sowie Dahlhoff, BC 2019, 423 ff. 12 S. Polka, BC 2014, 409 ff.; 505 ff.; Dahlhoff, BC 2019, 423 (425, 426).

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D. Aufstellungsfrist (Abs. 3) | Rz. 74 § 243

abschluss qualitativ gleichwertigen Abschluss zu erstellen, dessen Ergebnisse auf den finalen Abschlussstichtag fortgeschrieben werden (sog. Hard Close).1 Diese Maßnahme eignet sich insbes. für vorhersehbare Positionen, deren Schätzung für den Überleitungszeitraum nur noch angepasst werden muss, was mit einer entsprechenden Zeitersparnis einhergeht.2 Zudem können hierdurch offene Bilanzierungsfragen vorab aufgedeckt werden. In jedem Fall ist die Sicherstellung der Qualität aller Daten und Verarbeitungsprozesse entscheidend für eine erfolgreiche Umsetzung des Fast-Close-Konzepts.3 Ein effizientes Projektmanagement mit klar definiertem Ziel, Schwachstellenanalyse, Implementierung, Kontrolle und kontinuierlicher Verbesserung von Maßnahmen hilft bei der Umsetzung des Fast Close. Steht das Management hinter dem Projekt, begleitet es und stellt notwendige Ressourcen bereit, kann gewährleistet werden, dass qualifizierte Mitarbeiter bei der Ist-Analyse sowie Erarbeitung und Umsetzung von Veränderungsvorschlägen umfassend eingebunden sind und innovative IT-Lösungen erarbeitet und unterstützend eingesetzt werden können.4 Qualifizierte Mitarbeiter, eine sinnvolle Automatisierung von Prozessen und die Nutzung dadurch entstehender zeitlicher Freiräume für die Konzentration auf für das Unternehmen wesentliche/kritische Sachverhalte sind entscheidend für einen effizienten Jahresabschlussprozess bei gleichzeitig hoher Qualität, die von internen und externen Adressaten des Jahresabschlusses erwartet wird und gegenüber den Abschlussprüfern sicherzustellen ist.5

IV. Folgen bei Verstoß Aus dem Gesetzestext des § 243 Abs. 3 HGB lässt sich keine konkrete Sanktionierung bei einer Überschrei- 71 tung der Frist zur Aufstellung des Jahresabschlusses entnehmen, wenngleich eine Fristüberschreitung den GoB nach § 243 Abs. 1 HGB widerspricht.6 Hieraus ergibt sich für Kapitalgesellschaften und diesen gleichgestellten Personenhandelsgesellschaften iSd. § 264a HGB7 jedoch keine Straftat nach § 331 HGB.8 Zudem lässt sich uE auch keine Ordnungswidrigkeit nach § 334 HGB herleiten, da § 334 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a HGB § 243 Abs. 3 HGB gerade nicht auflistet.9 Für Unternehmen, die sich in einer insolvenzrechtlichen Krisensituation befinden, gelten hingegen andere 72 Regeln. In diesen Fällen können Fristenüberschreitungen sehr wohl mit Geld- oder Freiheitsstrafen gem. §§ 283, 283b StGB geahndet werden, denn hier stehen die Interessen der Gläubiger im Vordergrund.10 Auch für publizitätspflichtige Unternehmen, bei denen eine nicht rechtzeitige Aufstellung des Jahres- 73 abschlusses zur Verletzung der Offenlegungspflicht (§§ 325 ff. HGB) führt, greifen Sanktionen. Demnach hat das Bundesamt für Justiz bei einer Verletzung der Publizitätspflicht gegen die Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs einer Kapitalgesellschaft oder dieser gleichgestellten Personenhandelsgesellschaft iSd. § 264a HGB11 ein Ordnungsgeldverfahren nach § 335 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB einzuleiten.12 Die Steuerbilanz/E-Bilanz gilt lediglich als „Unterlage“, die einer Steuererklärung beizufügen ist (s. Rz. 56). 74 Ihre Vorlage/Übermittlung ist zwar erzwingbar nach §§ 328 ff. AO; ein Verspätungszuschlag bei verspätetem Beifügen/Übermitteln darf jedoch nicht erhoben werden.13 Allerdings kann die Nichtvorlage der Steuerbilanz/E-Bilanz aufgrund verspäteter Erstellung/Übermittlung gegen die steuerrechtlichen Mitwirkungs1 2 3 4 5 6 7 8 9

10 11 12 13

Vgl. Hüttche/Diemer, BB 2000, 2035 f. Vgl. Ruppelt in BeckOK HGB27, § 243 HGB Rz. 38. Vgl. Eggemann/Petry, BB 2002, 1635 (1638). S. ausführlich zu einer entsprechenden Projektauf- und -umsetzung Heyd, BC 2017, 527 ff. Vgl. ausführlich zu den Kriterien Quantität, Qualität und Geschwindigkeit im externen Rechnungswesen Dahlhoff, BC 2019, 158 ff., 266 ff., 423 ff. Vgl. BFH v. 6.12.1983 – VIII R 110/79, BStBl. II 1984, 227. Vgl. § 335b HGB. So auch Pöschke in Großkomm.5, § 243 HGB Rz. 37. Sehr strittig; glA Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 243 HGB Rz. 30; Pöschke in Großkomm.5, § 243 HGB Rz. 37; Schmidt/Usinger in Beck BilKomm.12, § 243 HGB Rz. 95, die dies weitergehend damit begründen, dass eine analoge Auslegung des § 334 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a HGB gegen das Analogieverbot iSd. Art. 103 Abs. 2 GG, § 3 OWiG verstößt; aA ADS6, § 243 HGB Rz. 45; Morck/Drüen in Koller/Kindler ua., HGB9, § 243 Rz. 6; Ruppelt in BeckOK HGB27, § 243 HGB Rz. 48, die aufgrund der GoB-Verletzung § 334 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a HGB analog anwenden. Vgl. ADS6, § 243 HGB Rz. 47; Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 243 HGB Rz. 31. Vgl. § 335b HGB. S. hierzu auch Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 243 HGB Rz. 31; Pöschke in Großkomm.5, § 243 HGB Rz. 37. Vgl. Rätke in Klein, AO14, §§ 152 aF, 152 nF Rz. 16; Seer in Tipke/Kruse, § 150 AO Rz. 54, 56 (Stand Apr. 2017); § 152 Rz. 10 (Stand Jul. 2017); aA Heuermann in HHSp, § 150 AO Rz. 41a (Stand Aug. 2010), § 152 Rz. 11 (Stand Apr. 2016). Dies gilt ebenfalls, sofern der länderbezogene Bericht multinationaler Unternehmensgruppen nach §138a AO fehlt. S. Rätke in Klein, AO14, §§ 152 aF, 152 nF Rz. 16.

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§ 243 Rz. 74 | Aufstellungsgrundsatz pflichten nach §§ 140 ff. AO verstoßen und damit eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen durch das Finanzamt gem. § 162 AO nach sich ziehen.1

Anhang zu § 243 HGB: Das Maßgeblichkeitsprinzip A. Maßgeblichkeitsprinzip der handelsrechtlichen GoB für die Steuerbilanz I. Inhalt und Reichweite des Maßgeblichkeitsprinzips 1. Inhalt des Maßgeblichkeitsprinzips . . . . . 2. Reichweite des Maßgeblichkeitsprinzips . . 3. Einfluss wesentlicher GoB auf die steuerliche Gewinnermittlung . . . . . . . . . . . . . . . II. Ziele der Handels- und Steuerbilanz im Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rechtfertigung der Maßgeblichkeit de lege lata 1. Begründungsansätze des Maßgeblichkeitsprinzips de lege lata . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kritik am Maßgeblichkeitsprinzip de lege lata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Wahlrechtsausübung I. Reichweite des Wahlrechtsvorbehalts nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 EStG 1. Systematisierung von Wahlrechten . . . . . 2. Autonome steuerbilanzielle Wahlrechtsausübung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Aufzeichnungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . III. Wesentliche steuerliche Wahlrechte 1. Außerplanmäßige Abschreibung . . . . . . . 2. Absetzung für außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzung (AfaA) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Abweichungen vom Realisationsprinzip (§§ 6b, 6c EStG, R 6.6 EStR) . . . . . . . . . . 4. Investitionsabzugsbeträge nach § 7g EStG 5. Bildung eines Ausgleichspostens (§ 4g EStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Erhöhte AfA (§§ 7g, 7h, 7i und 7b EStG) . 7. Wahlrechte bei Umwandlungsvorgängen . IV. Übereinstimmende Wahlrechtsausübung (formelle Maßgeblichkeit) 1. Einbezug von Fremdkapitalzinsen in die Herstellungskosten (§ 255 Abs. 3 Satz 2 HGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einbezug der allgemeinen Verwaltungskosten in die Herstellungskosten (§ 255 Abs. 2 Satz 3 HGB und § 6 Abs. 1 Nr. 1b EStG) .

1 5

C. I.

8

II.

17

III. IV.

22 24

28 30 32

V. VI. VII. VIII. IX.

36

X.

43

XI. XII.

46 51 58 60 62

XIII.

XIV. 66 68

D. I. II.

3. Behandlung von Investitionszuschüssen . . 74 4. Bewertungsvereinfachungsverfahren . . . . . 76 5. Abschreibungsmethoden . . . . . . . . . . . . . 78 Wesentliche (mögliche) Durchbrechungen des Maßgeblichkeitsprinzips Selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens . . . . . . . . 83 Bewertung mit dem beizulegenden Zeitwert (§ 255 Abs. 4 HGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 Bewertungseinheiten (§ 254 HGB) . . . . . . . . 89 Währungsumrechnung bei einer Restlaufzeit von einem Jahr oder weniger (§ 256a Satz 2 HGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 Derivativer Geschäfts- oder Firmenwert . . . . 94 Verbrauchsfolgeverfahren (§ 6 Abs. 1 Nr. 2a EStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 Rechnungsabgrenzungsposten (§ 250 HGB) . 100 Bestimmte Verbindlichkeiten, insbes. Rangrücktrittsvereinbarung (§ 5 Abs. 2a EStG) . . 102 Rückstellungsobergrenze (R 6.11 Abs. 3 EStR 2012) 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 2. Implikationen der Finanzgerichtsurteile . . 110 Weitere Besonderheiten bei der Rückstellungsbewertung (§ 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG) . . . . . . . . 112 Pensionsrückstellungen (§ 6a EStG) . . . . . . . 114 Bilanzsteuerrechtliche Berücksichtigung von Verpflichtungsübernahmen, Schuldbeitritten und Erfüllungsübernahmen (§§ 4f und 5 Abs. 7 EStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 Entstrickungsentnahme (§ 4 Abs. 1 Satz 3–7 EStG; § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG iVm. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Halbs. 2 EStG) und Verstrickungseinlage (§ 4 Abs. 1 Satz 8 Halbs. 2 EStG iVm. § 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 Anschaffungsnaher Herstellungsaufwand (§ 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG) . . . . . . . . . . . . . . . . 127 Reformalternativen: Maßgeblichkeitsprinzip de lege ferenda Einführung einer IFRS-Maßgeblichkeit . . . . . 132 Einführung eines eigenständigen Bilanzsteuerrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136

Literatur: Döllerer, Maßgeblichkeit der Handelsbilanz in Gefahr, BB 1971, 1333; Bareis, Zur Reform des Maßgeblichkeitsprinzips, WPg 1972, 498; Ballwieser, Ist das Maßgeblichkeitsprinzip überholt?, BFuP 1990, 477; Schneeloch, Bilanz1 Vgl. Rüsken in Klein, AO14, § 162 Rz. 24 ff.; Seer in Tipke/Kruse, § 162 AO Rz. 37, 43 (Stand Okt. 2017). Liegen lediglich formelle Mängel bei der Buchführung vor, die die sachliche Richtigkeit der Bilanz nicht beeinträchtigen (§ 158 AO), ist die Schätzung unzulässig, s. die vorstehenden Nachweise, zudem: ADS6, § 243 HGB Rz. 46; Ruppelt in BeckOK HGB27, § 243 HGB Rz. 49; Störk/Philipps in Beck BilKomm.12, § 242 HGB Rz. 12.

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A. Maßgeblichkeitsprinzip der handelsrechtlichen GoB für die Steuerbilanz | Rz. 1 Anh. zu § 243 politik und Grundsätze der Maßgeblichkeit, DStR 1990, 96; Wassermeyer, Die Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz und die Umkehr dieses Grundsatzes, in: Doralt, Probleme des Steuerbilanzrechts – Deutsche Steuerjuristische Gesellschaft, 1991, 29; Weber-Grellet, Maßgeblichkeitsgrundsatz in Gefahr?, DB 1997, 385; Mössner, Ist die Maßgeblichkeit tot?, Stbg 1998, 145; Hennrichs, Der steuerrechtliche sog. Maßgeblichkeitsgrundsatz gemäß § 5 EStG – Stand und Perspektiven, StuW1999, 138; Moxter, Missverständnisse um das Maßgeblichkeitsprinzip, DStZ 2000, 157; Kahle, Europarechtliche Einflüsse auf den Maßgeblichkeitsgrundsatz, StuW 2001, 126; Kahle, Maßgeblichkeitsprinzip auf Basis der IAS?, WPg 2002, 178; Hennrichs, Bilanzgestützte Kapitalerhaltung, HGB-Jahresabschluss und Maßgeblichkeitsprinzip – Dinosaurier der Rechtsgeschichte?, StuW 2005, 256; Bareis, Maßgeblichkeit der Handels- für die Steuerbilanz de lege lata und de lege ferenda, in: Schmiel/Breithecker, Steuerliche Gewinnermittlung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, 2008, 31; Dziadkowski, Ist die Maßgeblichkeit noch zu retten? Eine Rückschau auf das Verhältnis von Handelsbilanz und Steuerbilanz, in: Kirchhof, FS Reiss, 2008, 469; Kirsch, Nutzen des steuerlichen Maßgeblichkeitsprinzips i.d.F. des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes, DStZ 2008, 561; Arbeitskreis Bilanzrecht der Hochschullehrer Rechtswissenschaft, Zur Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die steuerliche Gewinnermittlung gemäß § 5 Abs. 1 EStG i.d.F. durch das BilMoG – Stellungnahme zum Entwurf des BMF-Schreibens (BMF v. 12.10.2009 – IV C 6 - S 2133/09/10001), DB 2009, 2570; Schanz/Schanz, Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz in Europa und in den USA, StuW 2009, 311; Anzinger/Schleiter, Die Ausübung steuerlicher Wahlrechte nach dem BilMoG – eine Rückbesinnung auf den Maßgeblichkeitsgrundsatz, DStR 2010, 395; Prinz, Materielle Maßgeblichkeit handelsrechtlicher GoB – ein Konzept für die Zukunft im Steuerbilanzrecht?, DB 2010, 2069; Fischer/Kalina-Kerschbaum, Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die steuerliche Gewinnermittlung – Kritische Anmerkungen zum Entwurf eines BMFSchreibens, DStR 2010, 399; Künkele/Zwirner, Eigenständige Steuerbilanzpolitik durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) – Abschaffung der umgekehrten Maßgeblichkeit, StuB 2010, 335; Meurer, BMF: Maßgeblichkeit der handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung für die steuerliche Gewinnermittlung – Änderung des § 5 Abs. 1 EStG durch das BilMoG, BB 2010, 820; Geberth/Blasius, § 5 Abs. 1 EStG – Neukonturierung des Maßgeblichkeitsprinzips – Anm. zum BMF-Schreiben v. 12.3.2010, FR 2010, 398 und FR 2010, 408; Günkel, Die Maßgeblichkeit nach der Bilanzrechtsreform (BilMoG), in: Kessler/Förster/Watrin, Unternehmensbesteuerung – FS Herzig, 2010, 509; Zwirner, Neues BMF-Schreiben unterstreicht die Bedeutung einer eigenständigen Steuerbilanzpolitik – BMF-Schreiben v. 12.3.2010 zur Maßgeblichkeit der handelsrechtlichen GoB für die steuerliche Gewinnermittlung, DStR 2010, 591; Ballwieser, Möglichkeiten und Grenzen der Erstellung einer Einheitsbilanz – Zur Rolle und Entwicklung des Maßgeblichkeitsprinzips, in: Mellinghoff/Schön/Viskorf, Steuerrecht im Rechtsstaat, FS Spindler, 2011, 577; Gräbe, Das Maßgeblichkeitsprinzip vor dem Hintergrund des BilMoG, 2012; Scheffler, Bestandsaufnahme zur Reichweite des Maßgeblichkeitsprinzips, DK 2016, 482; Hiller/Eichholz/Baschnagel, Reformbedarf des Maßgeblichkeitsprinzips – Quo vadis Maßgeblichkeit?, StuB 2016, 694; Prinz, Differenziertes Maßgeblichkeitsverständnis im Steuerbilanzrecht, StuB 2017, 689; Kahle, Ausgewählte Fragen der Bilanzierung von Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten, DStR 2017, 904; Kahle, Aktuelle Entwicklungen der Bilanzierung von Rückstellungen, DStR 2018, 976; Marx, Streitfragen der Passivierung steuerbilanzieller Rückstellungen, SteuerStud 2018, 253; Sopp/Richter/Meyering, Felix Austria und seine Maßgeblichkeit – Was Deutschland hinsichtlich der Zukunft der Maßgeblichkeit von Österreich lernen kann, StuW 2018, 234; Prinz, Entwicklungen und aktuelle Tendenzen bei der Maßgeblichkeit – Fluch und Segen zugleich?!, StuB 2019, 1.

A. Maßgeblichkeitsprinzip der handelsrechtlichen GoB für die Steuerbilanz I. Inhalt und Reichweite des Maßgeblichkeitsprinzips 1. Inhalt des Maßgeblichkeitsprinzips „Ein wesentliches Kennzeichen des deutschen Bilanzrechtes ist, dass die Bilanzierung und Bewertung in der 1 Steuerbilanz auf der Handelsbilanz aufbauen“.1 Das Abstellen der Steuer- auf die Handelsbilanz wird über das Maßgeblichkeitsprinzip (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 EStG) erreicht.2 Entsprechend diesem Prinzip haben Gewerbetreibende, die aufgrund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet sind, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu erstellen, oder die ohne eine solche Verpflichtung Bücher führen und regelmäßig Abschlüsse erstellen,3 für den Schluss des Wirtschaftsjahres das Betriebsvermögen anzusetzen, welches sich 1 Scheffler, Besteuerung von Unternehmen, Bd. 2 Steuerbilanz9, 1. Zur historischen Entwicklung des Maßgeblichkeitsprinzips, vgl. ua. Bertl/Eberhartinger/Hirschler in Brähler/Lösel (Hrsg.), FS Djanani, 740 ff. mwN; Freidank/Velte, StuW 2010, 185 f.; Kahle, Das Maßgeblichkeitsprinzip des § 5 Abs. 1 EStG, in HdJ, VII/1 Rz. 301 ff. mwN. (Stand Feb. 2019); Weber-Grellet in Schmidt, EStG39, § 5 Rz. 26 ff. 2 Zu den Tatbestandsvoraussetzungen des Maßgeblichkeitsprinzips vgl. Kahle in HdJ, VII/1 Rz. 11 ff. (Stand Feb. 2019). Einen Überblick über die Entwicklung des Maßgeblichkeitsprinzips geben Schneider in Herzig/Bauer (Hrsg.), Betriebswirtschaftliche Steuerlehre und Steuerberatung, FS Rose, Wiesbaden 1991, 176 ff.; Kanzler, FR 1998 234 ff.; Dziadkowski in FS Reiss, 470 ff.; Dziadkowski, IStR 2011 917 f.; Schneider in Baumhoff/Dücker/Köhler (Hrsg.), Besteuerung, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, FS Krawitz, Wiesbaden 2010, 707 ff.; Freidank/Velte, StuW 2010, 185 ff. 3 Entsprechend dem Wortlaut der Norm führen (gesellschafts-)vertragliche Buchführungspflichten nicht zur Anwendung des Maßgeblichkeitsprinzips, vgl. Kahle in HdJ, VII/1 Rz. 16 (Stand Feb. 2019).

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Anh. zu § 243 Rz. 1 | Das Maßgeblichkeitsprinzip nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung ergibt. Maßgeblich sind die die „abstrakten“ GoB, nicht jedoch die in der Handelsbilanz ausgewiesenen Bilanzansätze. Im Kern geht das Maßgeblichkeitsprinzip dabei auf das Reichseinkommensteuergesetz aus dem Jahr 1934 zurück.1 Zwar tritt das Maßgeblichkeitsprinzip seiner Bezeichnung nach als systemtragendes Prinzip zu Tage, allerdings wurde das Maßgeblichkeitsprinzip zunehmend ausgehöhlt (zB aufgrund der Rückstellungsbewertung, der autonomen Wahlrechtsausübung, etc.).2 „§ 5 EStG bestimmt nicht selbständig einen Gewinnbegriff, sondern verweist hinsichtlich der Methode der Gewinnermittlung auf § 4 Abs. 1 EStG, wonach Gewinn der Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluss des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres, vermehrt um den Wert der Entnahmen und vermindert um den Wert der Einlagen, ist.“3 2 § 5 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 EStG beinhaltet die sog. materielle Maßgeblichkeit.4 Danach sind die abstrakten

handelsrechtlichen GoB für die steuerliche Gewinnermittlung zu übernehmen. Dies gilt auch dann, wenn der Steuerpflichtige keine Handelsbilanz erstellt.5 Über die materielle Maßgeblichkeit werden in der Steuerbilanz jedoch nur die abstrakten handelsrechtlichen GoB und nicht etwa die konkreten Ansätze und Werte in der Handelsbilanz erfasst.6 Durch die materielle Maßgeblichkeit ist auch die handelsrechtliche Zuordnung in Anlage- bzw. Umlaufvermögen im Grundsatz für die Steuerbilanz maßgeblich.7 Im Zuge des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG)8 ist die Maßgeblichkeit der handelsrechtlichen GoB auf die sog. materielle Maßgeblichkeit reduziert worden, dh. eine Maßgeblichkeit konkreter Wertansätze oder auch eine umgekehrte Maßgeblichkeit steuerlicher Ansätze für die Handelsbilanz besteht nicht mehr.9

3 Auch wird seit Einführung des BilMoG die materielle Maßgeblichkeit teilweise außer Kraft gesetzt (§ 5 Abs. 1

Satz 1 Halbs. 2 EStG), denn hiernach sind handelsrechtliche Wahlrechte steuerrechtlich grds. autonom auszuüben,10 sofern für steuerliche Zwecke besondere Verzeichnisse iSd. § 5 Abs. 1 Satz 2 und 3 EStG geführt werden.11 Aufgrund dieser deutlichen Einschränkung des Maßgeblichkeitsprinzips wird auf die handelsrechtlich maßgeblichen GoB also nur noch dann zurückgegriffen, wenn eine steuerliche Regelung nicht vorhanden oder unvollständig ist.12 Uneingeschränkt findet das Maßgeblichkeitsprinzip damit lediglich noch in zwei Fällen Anwendung:13 – Zum einen, wenn aufgrund gänzlich fehlender Wahlrechte Handels- und Steuerbilanzansätze zwingend übereinstimmen. – Zum anderen, wenn die Handelsbilanz ein Ansatzwahlrecht vorsieht, die Steuerbilanz aber einen zwingenden Ansatz vorschreibt und dieser Ansatz in der Handelsbilanz durch dortige Wahlrechtsausübung erreicht wird. Im Gegensatz zur materiellen Maßgeblichkeit verpflichtet die von der Rspr. entwickelte und seit jeher umstrittene sog. formelle Maßgeblichkeit zur Übernahme der konkreten handelsrechtlichen Werte in gleicher 1 In der ursprünglichen Fassung war in § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG 1934 das Maßgeblichkeitsprinzip verankert, § 5 Abs. 1 Satz 2 EStG 1934 enthielt den heutigen Abs. 6 und § 5 Abs. 2 EStG 1934 den heutigen § 4 Abs. 2 EStG, vgl. WeberGrellet, DStR 2016, Beihefter zu Heft 9, 20. Zur Rechtsentwicklung des Maßgeblichkeitsprinzps vgl. Prinz in Prinz/ Kanzler, Handbuch Bilanzsteuerrecht3, Rz. 345 ff. mwN. 2 Eine Definition des Wahlrechtsbegriffs ist dabei allerdings nicht vorhanden, vgl. Prinz in Prinz/Kanzler, Handbuch Bilanzsteuerrecht3, Rz. 332. 3 Kahle in HdJ, VII/1 Rz. 41 (Stand Feb. 2019). 4 Vgl. Weber-Grellet in Schmidt, EStG39, § 5 Rz. 28. Auf die formellen GoB findet § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG keine Anwendung. Hier enthalten bspw. §§ 145, 146 AO und in § 5 Abs. 1a Satz 1 EStG eigenständige Regelungen. 5 Vgl. Wassermeyer, DStJG 14 (1991), 29 ff.; Bärenz, Zum Einfluss des Gemeinschaftsrechts auf das Steuerbilanzrecht, 150. 6 Vgl. Prinz in Prinz/Kanzler, Handbuch Bilanzsteuerrecht3, Rz. 334. 7 Vgl. Kahle in HdJ, VII/1 Rz. 43 mwN (Stand Feb. 2019). 8 Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz – BilMoG) v. 25.5.2009, BGBl. I 2009, 1102. 9 Vgl. im Einzelnen zB Kahle, StuB 2011, 163 ff.; Kahle/Schulz/Vogel, Ubg 2011, 178 ff.; Kahle in HdJ, VII/1 Rz. 4 (Stand Feb. 2019). 10 Vgl. Herzig/Briesemeister, Ubg 2009, 163; Herzig/Briesemeister, DB 2009, 978; Herzig/Briesemeister, DB 2010, 917; Herzig, DB 2010, 3; Förster/Schmidtmann, BB 2009, 1344; Dörfler/Adrian, Ubg 2009, 390; Ortmann-Babel/Bolik, BB 2010, 2101; Kahle/Günter, StuW 2012, 45; aA Hennrichs, Ubg 2009, 541; Hennrichs, GmbHR 2010, 21; Anzinger/Schleiter, DStR 2010, 398. Die Auffassung einer autonomen Wahlrechtsausübung dürfte auch auf Basis von BFH v. 3.2.1969 – GrS 2/68, BStBl. II 1969, 291 als begründet angesehen werden, vgl. Hoffmann, StuB 2012, 850. 11 Vgl. Arbeitskreis Bilanzrecht der Hochschullehrer Rechtswissenschaft, DB 2009, 2571; Weber-Grellet, DB 2009, 2403; Zwirner, DStR 2010, 593; Ortmann-Babel/Bolik, BB 2010, 2099. 12 Vgl. Kulosa in Schmidt, EStG39, § 6 Rz. 5. 13 Vgl. Kirsch, DStZ 2008, 565 f.

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A. Maßgeblichkeitsprinzip der handelsrechtlichen GoB für die Steuerbilanz | Rz. 6 Anh. zu § 243

Höhe in die Steuerbilanz.1 Auch nach dem BilMoG schließt § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG die Existenz der sog. formellen Maßgeblichkeit nicht aus.2 Während der Anwendungsbereich der materiellen Maßgeblichkeit in den letzten Jahren ausgedünnt wurde, ergibt sich eine zunehmende Bedeutung der formellen Maßgeblichkeit. Die in § 5 Abs. 1 Satz 2 EStG aF enthaltene umgekehrte Maßgeblichkeit, welche die Ausübung steuerlicher Wahlrechte in Übereinstimmung mit der handelsrechtlichen Jahresbilanz auszuüben vorschrieb, wurde durch das BilMoG abgeschafft.3 Für die Neufassung des § 5 Abs. 1 EStG ist dabei keine eigene zeitliche Anwendungsregel vorgesehen, viel- 4 mehr ist die allgemeine zeitliche Anwendungsregel des § 52 Abs. 1 EStG einschlägig (Anwendung für den Veranlagungszeitraum 2009).4 Die geänderten HGB-Regelungen waren dabei erst ein Jahr später verpflichtend anzuwenden – für Geschäftsjahre die nach dem 31.12.2009 beginnen (Art. 66 Abs. 3 Satz 1 EGHGB). 2. Reichweite des Maßgeblichkeitsprinzips Die Verweisung des § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG beinhaltet sowohl eine Bezugnahme auf alle Regelungen der 5 §§ 238 ff. HGB als auch eine Bezugnahme auf einige ungeschriebene GoB (über die Generalklausel des § 243 Abs. 1 HGB).5 Soweit keine eigenständige steuerliche Regelung besteht, sind die GoB damit auch für die steuerbilanzielle Gewinnermittlung anzuwenden.6 § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG bezieht sich dabei auf die Bilanzierung dem Grunde nach (Bilanzansatz).7 Eine wesentliche Einschränkung ergibt sich allerdings bei der Definition von Vermögenswert im Handelsbilanzrecht und Wirtschaftsgut im Steuerbilanzrecht, welche den Bilanzansatz, entsprechend dem materiellen Maßgeblichkeitsprinzip, an einer entscheidenden Stelle einschränkt.8 Fraglich ist auch, ob sich § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG auch auf die Bewertungsregeln (Bilanzierung der Höhe nach) bezieht. Denn § 5 Abs. 6 EStG kodifiziert schließlich einen eigenständigen Bewertungsvorbehalt.9 Zudem ist in § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG davon die Rede, dass das Betriebsvermögen anzusetzen ist, welches „nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen ist“. Somit ergibt sich die Frage, ob unter „Ausweisen“ nur die Bilanzierung nach dem Grunde oder auch die Bilanzierung nach der Höhe gemeint ist. Die Haltung des BFH zu dieser Fragestellung war wechselhaft. So vertrat das oberste Gericht in einem Be- 6 schluss vom 12.6.1978 die Ansicht, dass für die Bewertung grds. keine Maßgeblichkeit besteht.10 In späteren Urteilen wurde diese Frage explizit offengelassen.11 Seit dem Urteil vom 15.7.1998 vertritt der BFH die Ansicht, dass die handelsrechtlichen Bewertungsvorschriften steuerbilanziell jedenfalls dann Anwendung finden, soweit steuerliche Bewertungsvorschriften lückenhaft sind.12 Dieses Urteil deckt sich mit der heute hM, wonach von der Maßgeblichkeit auch die Bilanzierung der Höhe nach (Bewertung) erfasst ist.13 Mit Blick auf § 141 Abs. 1 Satz 2 AO wird diese Auffassung weiter untermauert. Denn danach gelten die §§ 238, 240, 1 Vgl. zB BFH v. 17.9.1969 – I 189/65, BStBl. II 1970, 107; krit. zB Sarrazin, DB 1987, 1597; zur Abschaffung der sog. formellen Maßgeblichkeit in späterer Gestalt der sog. umgekehrten Maßgeblichkeit zB Weber-Grellet, DB 2016, 1279. Zur Erläuterung auch Kahle in HdJ, VII/1 Rz. 2 (Stand Feb. 2019). 2 Vgl. Krengel, Der Maßgeblichkeitsgrundsatz nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, 133 ff.; aA Weber-Grellet, DB 2016, 1279. 3 Vgl. Künkele/Zwirner, DStR 2009, 1277 f. Daher wird ausgeführt, dass zT nur noch eine Rest-Maßgeblichkeit besteht, vgl. Herzig/Briesemeister, DB 2009, 931. 4 Vgl. Kahle in HdJ, VII/1 Rz. 207 (Stand Feb. 2019), mit Bezug auf: Dörfler/Adrian, Ubg 2009, 388. 5 Vgl. Krieger in Knobbe-Keuk/Klein/Moxter (Hrsg.), Handelsrecht und Steuerrecht, FS Döllerer, 340; Beisse, BB 1990, 2011; Beisse, DStZ 1998, 310; Clemm, BFuP 1990, 547; Haller, RIW 1992, 44; Mathiak in Budde/Moxter/Offerhaus (Hrsg.), Handelsbilanzen und Steuerbilanzen, FS Beisse, 325 ff.; Hauser/Maurer, WPg 1998, 276; Hennrichs, StuW 1999, 140 f.; Hennrichs, DStJG 24 (2001), 303 f.; Döring/Heger, DStR 2009, 2064; Schulze-Osterloh, DStR 2011, 535; aA Weber-Grellet, DB 1994, 2405 f.; Weber-Grellet, StbJb 1995, 103; Schulze-Osterloh, StuW 1989, 247 f. Zur Analyse auch Hiller, Bewertungsmaßstäbe im Bilanzsteuerrecht, 43 ff. mwN. 6 Vgl. BFH v. 7.8.2000 – GrS 2/99, BStBl. II 2000, 632; Söffing in Förschle/Kaiser/Moxter (Hrsg.), Rechenschaftslegung im Wandel, FS Budde, 641. 7 Vgl. BFH v. 3.2.1969 – GrS 2/68, BStBl. II 1969, 291; BFH v. 24.6.1969 – I R 15/68, BStBl. II 1969, 581; BFH v. 21.10.1993 – IV R 87/92, BStBl. II 1994, 176. Diverse Abweichungen von der Gültigkeit der GoB im Bilanzsteuerrecht stellen sich auch durch die Rspr. des BFH ein, vgl. Schulze-Osterloh, ZHR 2015, 9 ff. 8 Vgl. zur Diskussion Schulze-Osterloh, ZHR 2015, 27. 9 Vgl. Hörhammer/Schumann in Prinz/Kanzler, Handbuch Bilanzsteuerrecht3, Rz. 2618. 10 Vgl. BFH v. 12.6.1978 – GrS 1/77, BStBl. II 1978, 620. 11 Vgl. BFH v. 11.4.1989 – VIII R 302/84, BStBl. II 1989, 697. 12 Vgl. BFH v. 15.7.1998 – I R 24/96, BStBl. II 1998, 728. So auch BFH v. 28.10.1964 – IV 208/64 U, BStBl. III 1965, 59; BFH v. 17.9.1969 – I 189/65, BStBl. II 1970, 107. 13 Vgl. Bordewin, DStR 1988, 668 f.; Söffing, DB 1988, 241; Küting/Kessler, DStR 1989, 656; Robisch, DStR 1993, 998; Prinz in Prinz/Kanzler, Handbuch Bilanzsteuerrecht3, Rz. 334; Wassermeyer, DStJG 14 (1991), 39; Frank/Wittmann,

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Anh. zu § 243 Rz. 6 | Das Maßgeblichkeitsprinzip 241, 242 Abs. 1 und die §§ 243 bis 256 HGB für die Steuerbilanz sinngemäß, sofern sich nicht aus den Steuergesetzen etwas anderes ergibt.1 Die genannte Norm schließt die handelsrechtlichen Bewertungsregeln (zB § 255 HGB) mit ein. Zwar ergänzt § 141 AO lediglich die steuerrechtliche Buchführungspflicht für Nichtkaufleute. Aus ökonomischer Sicht sollte diese Regelung allerdings in jedem Fall auch auf Kaufleute ausstrahlen.2 7 Entsprechend der BFH-Rspr.3 müssen lediglich handelsrechtliche Ansatzgebote und Ansatzverbote steuer-

lich beachtet werden.4 Handelsrechtliche Aktivierungswahlrechte führen zu steuerlichen Aktivierungsgeboten und spiegelbildlich führen handelsrechtliche Passivierungswahlrechte zu steuerlichen Passivierungsverboten, es sei denn, das Einkommensteuerrecht räumt ein gleichartiges Wahlrecht ein.5 Mit Blick auf die in Handels- und Steuerrecht enthaltenen Regelungen lassen sich sechs Fallkonstellationen unterscheiden, die jeweils zu einer unterschiedlichen Reichweite des Maßgeblichkeitsprinzips führen.6 1. Handelsbilanz: zwingende Vorschrift – Steuerbilanz: keine Vorschrift Handelsrechtliche Ansatz- und Bewertungsgebote und -verbote sind auch für steuerliche Zwecke zu beachten, sofern keine eigenständige steuerliche Regelung vorhanden ist.7 Dieser Fall führt zur Anwendung/Geltung der materiellen Maßgeblichkeit. 2. Handelsbilanz: zwingende Vorschrift – Steuerbilanz: Wahlrecht „Eine handelsrechtlich verbindliche Vorschrift ist in diesem Fall für die Steuerbilanz nicht bindend; das steuerliche Wahlrecht kann unabhängig von der Handelsbilanz ausgeübt werden. Je nachdem, wie das steuerliche Wahlrecht ausgeübt wird, stimmen die Handels- und Steuerbilanz überein oder weichen voneinander ab“.8 Durch die autonome Wahlrechtsausübung in der Steuerbilanz (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 EStG) kommt es zu einer Durchbrechung des Maßgeblichkeitsprinzips. 3. Handelsbilanz: zwingende Vorschrift – Steuerbilanz: zwingende Vorschrift In diesem Fall muss wiederum eine Unterscheidung vorgenommen werden, ob identische oder verschiedene Vorschriften in Handels- und Steuerbilanz etabliert sind. Liegen identische Vorschriften vor, so hat das Maßgeblichkeitsprinzip lediglich deklaratorische Bedeutung.9 Liegen unterschiedliche Regelungen vor, so kommt es zu einer Durchbrechung des Maßgeblichkeitsprinzips. 4. Handelsbilanz: Wahlrecht – Steuerbilanz: zwingende Vorschrift Ist im Rahmen der steuerbilanziellen Bewertung eine zwingende Vorschrift etabliert, so ist diese im Rahmen der Steuerbilanz verpflichtend anzuwenden, was zu einer Einschränkung des Maßgeblichkeitsprinzips führt. Kann das steuerliche Wahlrecht entsprechend den Vorschriften in der Steuerbilanz ausgeübt werden, so kommt es zu einem Gleichlauf beider Bilanzen, anderenfalls weichen Handels- und Steuerbilanz voneinander ab. 5. Handelsbilanz: Wahlrecht – Steuerbilanz: keine Vorschrift „Nach Auffassungen im Schrifttum wird ein in der Handelsbilanz ausgeübtes Wahlrecht für die Steuerbilanz maßgeblich, wenn eine steuerrechtliche Vorschrift nicht entgegensteht. Soweit also die Maßgeblichkeit der handelsrechtlichen GoB durch das Steuerrecht nicht begrenzt wird, schlägt ein handelsrechtlich ausgeübtes Wahlrecht auf die Steuerbilanz durch.“10 Der BFH lehnt diese Ansicht sowohl für den Ansatz11 als auch für die Bewertung12 ab. „Der BFH legt den Maßgeblichkeitsgrundsatz deswegen so aus, dass nur handelsrechtliche Ansatzgebote und Ansatzverbote steuerlich beachtet werden müssen.“13

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Stbg 2010, 362; Weber-Grellet, StbJb 1995, 39. aA Wittig, DStR 1986, 528; Schulze-Osterloh, FR 1986, 548; Weilbach, BB 1986, 1679; Weilbach, DB 1989, 1300; Hummel, FR 2010, 163. Im Gegensatz zum Maßgeblichkeitsprinzip, welches auf die GoB verweist, werden in § 141 Abs. 1 Satz 2 AO einzelne Normen benannt. Die in § 141 Abs. 1 Satz 2 AO enthaltenen Normen stehen jedoch stellenweise in Widerspruch zu den GoB, vgl. Schulze-Osterloh, DStR 2011, 535. Vgl. Schön, StuW 1995, 374; Mathiak in Budde/Moxter/Offerhaus (Hrsg.), Handelsbilanzen und Steuerbilanzen, FS Beisse, 328 f.; Hennrichs, StuW 1999, 140. Zur Erörterung auch Kahle in HdJ, VII/1 Rz. 48 (Stand Feb. 2019). Vgl. BFH v. 26.2.1975 – I R 72/73, BStBl. II 1976, 13. Vgl. BFH v. 3.2.1969 – GrS 2/68, BStBl. II 1969, 291. In Anlehnung an Kahle in HdJ, VII/1 Rz. 210 ff. mwN (Stand Feb. 2019). Vgl. BFH v. 26.2.1975 – I R 72/73, BStBl. II 1976, 13. Kahle in HdJ, VII/1 Rz. 215 ff. (Stand Feb. 2019). Vgl. Kahle in HdJ, VII/1 Rz. 227 (Stand Feb. 2019). Kahle in HdJ, VII/1 Rz. 237 (Stand Feb. 2019). Vgl. BFH v. 3.2.1969 – GrS 2/68, BStBl. II 1969, 291; BFH v. 28.4.1971 – I R 39/70, 40/70, BStBl. II 1971, 603. Vgl. BFH v. 21.10.1993 – IV R 87/92, BStBl. II 1994, 176. Kahle in HdJ, VII/1 Rz. 238 (Stand Feb. 2019), mit Bezug auf: BFH v. 26.2.1975 – I R 72/73, BStBl. II 1976, 13.

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A. Maßgeblichkeitsprinzip der handelsrechtlichen GoB für die Steuerbilanz | Rz. 10 Anh. zu § 243

6. Handelsbilanz: Wahlrecht – Steuerbilanz: Wahlrecht Auch in diesem Fall kann es – aufgrund der autonomen Wahlrechtsausübung in der Steuerbilanz (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 EStG) – zu einer Durchbrechung des Maßgeblichkeitsprinzips kommen. Ein Gleichlauf zwischen Handels- und Steuerbilanz entsteht nur, wenn die Wahlrechte gleich ausgeübt werden können und die Wahlrechtsausübung insofern auch synchron passiert. 3. Einfluss wesentlicher GoB auf die steuerliche Gewinnermittlung Über das Maßgeblichkeitsprinzip nehmen die GoB wesentlichen Einfluss auf die steuerbilanzielle Gewinn- 8 ermittlung.1 Das Vorsichtsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB), welches sich im Imparitätsprinzip und Realisationsprinzip konkretisiert,2 dient der angemessenen Berücksichtigung von Chancen und Risiken und der zeitlichen Zuordnung von Aufwand und Ertrag. Als GoB findet das Realisationsprinzip über § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG auch Anwendung im Bilanzsteuerrecht.3 In Ermangelung einer eigenständigen steuerlichen Regelung wird damit auf die GoB abgestellt.4 Dem Realisationsprinzip werden dabei zwei Facetten zuteil. Als Ertragsrealisationsprinzip regelt das Realisationsprinzip den Zeitpunkt, wann Einnahmen ertragswirksam zugehen.5 Außerdem wird die Zuordnung von Aufwendungen zu den Umsätzen (Alimentationsprinzip) festgelegt.6 Das Realisationsprinzip ist Ausdruck vorsichtiger Gewinnermittlung,7 weil es die Gewinnentstehung an 9 die Leistungserbringung knüpft. Die Gewinne werden dann ausgewiesen, wenn der Wertsprung durch Absatz am Markt realisiert wurde.8 „Das Realisationsprinzip bindet die Gewinnentstehung an die verwirklichten Umsätze, also an die Konkretisierung und Liquidierung des Vermögenszuwachses durch Erfüllung der Leistungsverpflichtung“.9 Als realisiert gilt der Gewinn eines Unternehmens dann, wenn die Gegenleistung „so gut wie sicher“ ist.10 Ein so verstandenes Realisationsprinzip ist darauf gerichtet, den typisierenden und entziehbaren Gewinn zu ermitteln.11 Somit ist das Realisationsprinzip dem Vorsichtsprinzip zugeordnet12 und dient dem Schutz der Vermögenssubstanz. In der Erfassung des Gewinns zum Zeitpunkt des Gefahrenübergangs kommt die kompromisshafte Gewinnermittlung zum Ausdruck.13 Dem Bilanzsteuerrecht ist kein allgemeiner Gewinnrealisierungstatbestand zu entnehmen, sondern vielmehr 10 sind die Realisierungstatbestände in verschiedenen Einzelnormen aufgenommen. Beisse systematisiert die verschiedenen Realisierungstatbestände in zwei Gruppen.14 Zum einen in „Realisierungstatbestände im engeren Sinne“, worunter er solche Fälle subsumiert, bei denen auch in der Handelsbilanz ein Gewinn aus1 Zur eingehenden Erörterung auch Kahle in HdJ, VII/1 Rz. 51 ff. mwN (Stand Feb. 2019). 2 Vgl. BFH v. 7.12.1973 – III R 158/72, BStBl. II 1974, 195; BFH v. 12.5.1993 – XI R 1/93, BStBl. II 1993, 786; Moxter, Bilanzlehre – Einführung in die Bilanztheorie, Bd. I3, 114; Leffson, Die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung7, 465. Weilbach wertet das Vorsichtsprinzip als „Grundprinzip ökonomischen Verhaltens“, vgl. Weilbach, BB 1985, 1504 (Überschrift in Fettdruck). Zum Vorsichtsprinzip auch Kahle in HdJ, VII/1 Rz. 76 ff. mwN (Stand Feb. 2019). 3 Das Realisationsprinzip dient somit zur Konkretisierung des Markteinkommens, vgl. Wittmann, StuW 1993, 38. 4 Vgl. Beisse, DStJG 4 (1981), 15; Lüders, Der Zeitpunkt der Gewinnrealisierung im Handels- und Steuerbilanzrecht, 11, 85; Hoffmann, StuB 2009, 899. Daneben wird im Einkommensteuerrecht stellenweise argumentiert, dass das Realisationsprinzip in § 2 Abs. 1 Satz 1 EStG zum Ausdruck kommt, da diese Norm sich auf die „erzielten Einkünfte“ bezieht, vgl. Wittmann, StuW 1993, 39. 5 Vgl. Hommel/Berndt, BB 2009, 2190. 6 Vgl. Moxter, Grundsätze ordnungsgemäßer Rechnungslegung, 102; Brösel/Haaker, BFuP 2013, 231 ff. mwN. Dabei kann es als hM angesehen werden, dass das Realisationsprinzip als umfassendes Abgrenzungskriterium und damit als Gewinnrealisationsprinzip zu verstehen. Stellenweise ist dieses Argument auch beim BFH zu finden, zB BFH v. 14.7.1988 – IV R 78/85, BStBl. II 1989, 189. AA findet sich bei Siegel, der das Realisationsprinzip nur auf die Erträge bezieht, vgl. ua. Siegel, BFuP 1994, 1 ff. Das Alimentationsprinzip wird dabei (in wichtigen Fällen) durch das Imparitätsprinzip verdrängt, vgl. Schulze-Osterloh in Moxter/Müller/Windmöller/v. Wysocki (Hrsg.), FS Forster, 663 ff. 7 Vgl. statt vieler Moxter, BB 1984, 1780; Kahle in HdJ, VII/1 Rz. 81 ff. mwN (Stand Feb. 2019). 8 Vgl. Leffson, Die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung7, 265 f.; Moxter, StuW 1983, 304; Moxter in Havermann (Hrsg.), FS Goerdeler, 365; Moxter in Lanfermann (Hrsg.), FS Havermann, 497; Moxter in Budde/Moxter/ Offerhaus (Hrsg.), FS Beisse, 353; Groh, DB 1999, 978 ff.; Euler, BB 2002, 877. Zu verfassungsrechtlichen Überlegungen vgl. Schlotter, FR 2007, 951 ff. 9 Moxter, Bilanzlehre – Einführung in die Bilanztheorie, Bd. II3, 17. 10 Vgl. BFH v. 11.12.1985 – I B 49/85, BFH/NV 1986, 595 (auch direktes Zitat). Durch die Bindung an den Gefahrenübergang folgt das Konzept des quasisicheren Anspruchs, vgl. statt vieler Euler, Grundsätze ordnungsmäßiger Gewinnrealisierung, 67 ff. 11 Vgl. Moxter, ZVglRwiss 2004, 270. 12 Vgl. Christiansen, DStR 2009, 2215 mwN. 13 Vgl. Moxter, Grundsätze ordnungsgemäßer Rechnungslegung, 43 f.; Klein, DB 1970, 1746. 14 Vgl. Beisse, DStJG 4 (1981), 18 f.

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Anh. zu § 243 Rz. 10 | Das Maßgeblichkeitsprinzip gewiesen wird (insbes.: Veräußerung).1 Zum anderen in „Entstrickungstatbestände“, bei denen der Gewinnausweis aufgrund von steuerlichen Überlegungen vorgenommen wird (insbes.: Entnahme und Betriebsaufgabe).2 11 Eine besondere Bedeutung für die Konkretisierung des Realisationsprinzips hat das Anschaffungskosten-

prinzip (§ 253 Abs. 1 HGB iVm. § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG),3 welches auch im Bilanzsteuerrecht in § 6 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG zum Ausdruck kommt.4 Das Anschaffungswertprinzip5 bezieht sich auf die Zugangs- und die Folgebewertung. Zum einen dürfen bei der erstmaligen Bewertung die Anschaffungskosten nicht überschritten werden und zum anderen gilt dieser Grundsatz auch für spätere Bewertungszeitpunkte (Höchstbewertungsgrenze).6 Nur durch das Anschaffungskostenprinzip wird die Voraussetzung geschaffen, dass bei Realisation der Wertsprung stattfinden kann.7

12 Das Anschaffungskostenprinzip begrenzt die Höhe der Aktivierung auf die vom Unternehmen erbrachte

Gegenleistung.8 Somit ergibt sich im Zugangszeitpunkt eine bloße Vermögensumschichtung (Aktivtausch).9 In seiner ersten Ausprägung dient das Anschaffungskostenprinzip dazu, die Erfolgsneutralität des Beschaffungsvorgangs sicherzustellen.10 Für andere Bewertungszeitpunkte sind für die steuerliche Gewinnermittlung Werte über den Anschaffungskosten nicht maßgeblich. Somit wird über die Bewertung eine Wertsteigerung erst dann ausgewiesen, wenn diese als realisiert gilt.11 Vermögensgegenstände (bzw. Wirtschaftsgüter) sind hiernach mit ihren Ausgaben solange zu aktivieren, bis diese Vermögensgegenstände (bzw. Wirtschaftsgüter) abgehen und durch Forderungen oder liquide Mittel ersetzt werden.

13 Die Erfassung einer Vermögensminderung wird handelsrechtlich durch das Imparitätsprinzip sicher-

gestellt.12 In der Handelsbilanz durchbricht das Imparitätsprinzip das Realisationsprinzip, denn hier müssen nicht realisierte Verluste berücksichtigt werden.13 In der Handelsbilanz geht die aktive Erfassung einer Wertminderung der passivischen Erfassung vor.14

14 Auch in der Steuerbilanz findet das Imparitätsprinzip (partielle) Anwendung.15 Das Imparitätsprinzip kann

dabei in zwei Unterarten unterschieden werden: Imparitätsprinzip dem Grunde nach und Imparitätsprinzip der Höhe nach. Somit hat das Imparitätsprinzip handelsrechtliche Ansatz- und Bewertungskonsequen-

1 Vgl. Beisse, DStJG 4 (1981), 18 (auch direktes Zitat). Dabei wird beim Verkauf der Preis, welchen die Vertragsparteien vereinbaren, als angemessen angesehen, da „sich fremde Dritte grds. nichts zu schenken pflegen“, Krumm, Steuerliche Bewertung als Rechtsproblem, 112. Dies macht aber auch deutlich, dass die Ersatzrealisationstatbestände hinsichtlich des vereinbaren Preises besonderer Überprüfung bedürfen, da hier die Vertragsparteien nicht voneinander unabhängig sind und stellenweise auch keine Austauschpreise vereinbaren. 2 Vgl. Beisse, DStJG 4 (1981), 18. Beide Grundtypen werden bei den Anwendungsbereichen der jeweiligen Bewertungsmaßstäbe betrachtet. Nicht zur Gewinnrealisierung im engeren Sinne gehört die Wertaufholung (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 bzw. Nr. 2 Satz 3 EStG). 3 Vgl. statt vieler Kirsch, StuB 2008, 458; Wüstemann/Wüstemann in Baumhoff/Dücker/Köhler (Hrsg.), FS Krawitz, 2010, 769. 4 Vgl. Lüders, Der Zeitpunkt der Gewinnrealisierung im Handels- und Steuerbilanzrecht, 85; Krumm, Steuerliche Bewertung als Rechtsproblem, 110. 5 Im Folgenden ist aus sprachlicher Vereinfachung nur noch die Rede vom Anschaffungskostenprinzip. Die Ausführungen beziehen sich allerdings sowohl auf das Anschaffungskosten-, wie auch für das Herstellungskostenprinzip. 6 Vgl. Lüders, Der Zeitpunkt der Gewinnrealisierung im Handels- und Steuerbilanzrecht, 51; Das Prinzip ist somit „im derzeitigen Einkommensteuersystem [Basis] für die Ableitung einer zweckadäquaten Wertkonvention“, Pieper, Steuerliche Herstellungskosten, 55. 7 Vgl. Gelhausen, Das Realisationsprinzip im Handels- und im Steuerbilanzrecht, 44; Pusecker/Schruff, BB 1996, 735; Krawitz, DStR 1997, 887. 8 Vgl. statt vieler Siegel, BFuP 1994, 8. 9 Vgl. Moxter, Bilanzlehre – Einführung in die Bilanztheorie, Bd. II3, 41. 10 Vgl. BFH v. 26.3.1992 – IV R 74/90, BStBl. II 1993, 96. 11 Vgl. Moxter, StuW 1983, 304; Moxter, Bilanzlehre – Einführung in die Bilanztheorie, Bd. I3, 114; Baldauf, Gewinnrealisierung, 2009, 8; Stute/Kurt, PiR 2012, 253. 12 Vgl. Kahle in HdJ, VII/1 Rz. 101 ff. mwN (Stand Feb. 2019). „Imparität“ bedeutet Ungleichbehandlung von Verlusten und Gewinnen in der Gestalt, dass nicht realisierte Vermögensminderungen auszuweisen sind, wohingegen nicht realisierte Vermögensmehrungen nicht ausgewiesen werden dürfen, vgl. statt vieler Moxter, Grundsätze ordnungsgemäßer Rechnungslegung, 33. Die Benennung geht auf Lion zurück, vgl. Lion, Das Bilanzsteuerrecht, 67. 13 Vgl. Moxter, StuW 1989, 236; Moxter in Rückle (Hrsg.), FS Loitlsberger, 476 ff.; Moxter in Kirchhof/Offerhaus/ Schöberle (Hrsg.), FS Klein, 829 ff.; Moxter, Grundsätze ordnungsgemäßer Rechnungslegung, 55 ff.; Hoffmann, StuB 2013, 161. 14 Vgl. Herzig, StbJb 2001, 293; Hoffmann, DStR 2000, 1339. 15 Vgl. BFH v. 23.6.1997 – GrS 2/93, BStBl. II 1997, 735; BFH v. 17.2.1998 – VIII R 28/95, BStBl. II 1998, 505; BFH v. 27.6.2001 – I R 45/97, BStBl. II 2003, 121; Beisse, DStJG 4 (1981), 15 f.

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A. Maßgeblichkeitsprinzip der handelsrechtlichen GoB für die Steuerbilanz | Rz. 16 Anh. zu § 243

zen.1 Das Imparitätsprinzip ist in der Steuerbilanz stellenweise schwächer ausgeprägt als in der Handelsbilanz (zB Verbot zum Ansatz von Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften). Stellenweise findet das Vorsichtsprinzip aber auch eine höhere steuerliche Geltung (Verbot zum Ansatz von selbsterstellten immateriellen Vermögensgegenständen).2 Im Unterschied zur Handelsbilanz tritt das Imparitätsprinzip in seiner Bedeutung hinter das Realisations- 15 prinzip zurück, da insbes. das Imparitätsprinzip dem Grunde nach eingeschränkt ist (zB Wahlrecht zur Vornahme einer Teilwertabschreibung oder Verbot zum Ansatz von Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften).3 Hiernach ist eine Wertminderung durchzuführen, wenn der Wert eines Wirtschaftsguts durch außergewöhnliche Umstände unter die (fortgeführten) Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten gesunken ist (Niederstwertprinzip). Hierfür bedarf es eines Vergleichswertes, damit diese Wertminderung nachgewiesen werden kann. Eine volle Geltung des Imparitätsprinzips kann dabei nur durch den Einzelbewertungsgrundsatz erreicht 16 werden. § 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB schreibt vor, dass Vermögensgegenstände und Schulden am bilanziellen Abschlusstag einzeln zu bewerten sind. Diese Regelung gilt über § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG auch im Steuerrecht.4 Das Einzelbewertungsprinzip beinhaltet ein Kompensationsverbot, wonach es nicht erlaubt ist, auf die Bewertung eines Aktivums zu verzichten, weil ein Passivum zu hoch bewertet ist.5 Somit dient das Einzelbewertungsprinzip der Vereinfachung, Objektivierung und der vorsichtigen Gewinnermittlung.6 Dabei wirkt das Imparitätsprinzip auch verlustbegrenzend, da fiktive Gewinne oder bloß entgangene Gewinne nicht berücksichtigt werden dürfen.7 Daneben haben noch weitere GoB wesentlichen Einfluss auf die Steuerbilanz, die hier nur schlaglichtartig genannt werden können: – Der Grundsatz der Vollständigkeit (§ 246 Abs. 1 Satz 1 HGB) führt aus, dass der Jahresabschluss sämtliche Vermögensgegenstände, Schulden, Rechnungsabgrenzungsposten sowie Aufwendungen und Erträge enthalten muss, sofern keine anderen gesetzlichen Regelungen (zB § 248 Abs. 2 HGB) diesem Ausweis entgegenstehen.8 – Das Stichtagsprinzip tritt dem Wortlaut nach in § 252 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 4 HGB in Erscheinung und schreibt eine stichtagsbezogene Betrachtung zum Abschlussstichtag vor. – Die Annahme der Unternehmensfortführung (Going-concern-Prämisse) geht davon aus, dass die Bilanzierung nicht von einer Unternehmenszerschlagung ausgeht (§ 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB). Diese Annahme gilt allerdings nur, soweit nicht tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten entgegenstehen.9 – Der Grundsatz der Stetigkeit (§ 252 Abs. 1 Nr. 6 HGB) schreibt die Beibehaltung der angewandten Bewertungsmethoden vor.10 – Das Wertaufhellungsprinzip verlangt, dass alle bis zur Aufstellung des Jahresabschlusses bekannt gewordenen Risiken und zum Stichtag vorhandenen Risiken und Verluste zu berücksichtigen sind (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 Halbs. 1 HGB).11 In Abgrenzung hierzu haben wertbegründende Tatsachen außer Betracht zu bleiben.12 – Neben den kodifizierten Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung gibt es auch wesentliche nicht kodifizierte, zB der Grundsatz der Wesentlichkeit13 und der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit. Beide Grundsätze zielen darauf ab, dass der mit der Abschlusserstellung verbundene Aufwand nicht höher sein soll, als der Nutzen, der durch die Bereitstellung der Daten im Jahresabschluss generiert wird.

1 Vgl. statt vieler Gräbe, Das Maßgeblichkeitsprinzip vor dem Hintergrund des BilMoG, 131; Moxter in Bitter/Lutter/ Priester/Schön/Ulmer (Hrsg.), FS Schmidt, 197 f. 2 Vgl. Prinz, StuB 2017, 690. 3 Vgl. Schulze-Osterloh, DStJG 19 (2000), 80. 4 Vgl. BFH v. 1.10.1975 – I R 207/73, BStBl. II 1976, 202; BFH v. 12.10.1995 – I R 179/94, BStBl. II 1996, 402. Zur Frage der Reichweite dieses Grundsatzes, vgl. Kahle in HdJ, VII/1 Rz. 129 ff. mwN (Stand Feb. 2019); Freidank/ Velte, StuW 2010, 356 ff. 5 Vgl. Moxter, Bilanzlehre – Einführung in die Bilanztheorie, Bd. II3, 36. 6 Vgl. Moxter, Grundsätze ordnungsgemäßer Rechnungslegung, 2003, 23. 7 Vgl. Herzig/Rieck, WPg 1999, 314. 8 Vgl. Kahle in HdJ, VII/1 Rz. 111 ff. mwN (Stand Feb. 2019). 9 Vgl. Kahle in HdJ, VII/1 Rz. 123 ff. mwN (Stand Feb. 2019). 10 Vgl. Kahle in HdJ, VII/1 Rz. 118 ff. mwN (Stand Feb. 2019). 11 Vgl. BFH v. 19.10.2005 – XI R 64/04, BStBl. II 2006, 374. Zur Erörterung auch Kahle in HdJ, VII/1 Rz. 138 ff. mwN (Stand Feb. 2019). 12 Vgl. BFH v. 26.4.1989 – I R 147/84, BStBl. II 1991, 213; BFH v. 25.7.1995 – VIII R 38/93, BStBl. II 1996, 153; BFH v. 27.11.1997 – IV R 95/96, BStBl. II 1998, 375. 13 Vgl. Kahle in HdJ, VII/1 Rz. 169 ff. mwN (Stand Feb. 2019).

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Anh. zu § 243 Rz. 17 | Das Maßgeblichkeitsprinzip

II. Ziele der Handels- und Steuerbilanz im Vergleich 17 Inwieweit die Ziele von Handels- und Steuerbilanz übereinstimmen ist fraglich.1 Eine Bezugnahme auf die

handelsrechtlichen GoB setzt aber implizit die Verfolgung ähnlicher Ziele voraus.2 Die handels- und steuerbilanziellen Zielsetzungen weisen einige Gemeinsamkeiten auf,3 dennoch lassen sich die Ziele von Steuerund Handelsbilanz voneinander abgrenzen.4 Mit der Aufstellung einer Handelsbilanz werden verschiedene Ziele verfolgt. Diese reichen vom Gläubigerschutz, über die Ermittlung eines ausschüttungsfähigen Gewinns, die Dokumentation von Geschäftsvorfällen (welches sich aus der Buchführungspflicht ableitet),5 die Wahrung der kodifizierten Ausschüttungssperren, die Bereitstellung von Informationen, die Bewertung von Anteilen bis hin zur Beeinflussung unternehmerischer Entscheidungen.6 Im Gegensatz zur steuerbilanziellen Zielsetzung soll mit der Aufstellung einer Handelsbilanz eine Vielzahl an Zielen erreicht werden.7 Leffson spricht insofern vom „Problem des Zielpluralismus“.8

18 Das Dokumentationsziel kann dabei als Voraussetzung für die Ermittlung eines ausschüttbaren Gewinns

und somit als Basis für die Kapitalerhaltung aufgefasst werden.9 Die handelsrechtliche Frage, in welcher Höhe der Gewinn ausgeschüttet werden kann, ist dabei sowohl für die Unternehmenserhaltung als auch für den Gläubigerschutz von wesentlicher Bedeutung.10 Zum Teil divergieren die verschiedenen handelsrechtlichen Bilanzierungsziele11 und müssen entsprechend den Anforderungen der Jahresabschlussadressaten gewichtet werden.12 In der Handelsbilanz wird stellenweise der Gläubigerschutz den anderen Zielen untergeordnet,13 denn Gläubigerschutz ergibt sich erst aus der Gesamtschau von handels- und gesellschaftsrechtlichen Normen.14 Die handelsrechtliche Gewinnermittlung ist damit auf den Interessensausgleich der unterschiedlichen Jahresabschlussadressaten gerichtet.15 Insofern bedarf es eines Kompromisses (bzw. einer Abwägung), welcher Rechnungslegungszweck in welchem Umfang den handelsrechtlichen Gewinn bestimmen sollte. Nach hM wird es als primäre handelsbilanzielle Aufgabe angesehen, einen ausschüttbaren Gewinn zu ermitteln.16

19 Ziel der Aufstellung einer Steuerbilanz ist es hingegen, den „vollen Gewinn“ zu ermitteln, der als Maßstab

für die Leistungsfähigkeit einer gleichmäßigen Besteuerung zugeführt werden soll.17 Somit ist die Steuerbilanz als Mittel zur Gewinnermittlung definiert.18 In diesem Zusammenhang spricht man vom Fiskalzweck der Steuerbilanz. Was unter einem „vollen Gewinn“ zu subsumieren ist, lässt die BFH-Rspr.19 allerdings offen.20 Als Richtschnur für die Erfassung eines „vollen Gewinns“ wird der Grundsatz herangezogen, dass sich der Steuerpflichtige weder reicher noch ärmer rechnen darf, als er wirklich ist. Daher könnte ein Totalgewinn, der sich nach Einstellung der werbenden Tätigkeit eines Unternehmens ergibt, als „voller Gewinn“

1 Zur Analyse auch Hiller, Bewertungsmaßstäbe im Bilanzsteuerrecht, 53 ff. mwN. 2 Vgl. Kuntschik, Steuerliche Gewinnermittlung und IAS/IFRS am Beispiel immaterieller Vermögenswerte, 59; Lenz, Grundsätze steuerlicher Gewinnermittlung unter dem Einfluss der IAS/IFRS, 67. 3 Vgl. Moxter, BB 2000, 2146; Pietsch, Fair Value und steuerliche Gewinnermittlung, 269. 4 Zur zunehmenden Divergenz beider Bilanzen vgl. Schneider, DB 1999, 105; Weber-Grellet, DStR 1998, 1343; Böcking/Gros, DStR 2007, 2339 ff. 5 Vgl. Leffson, GoB, 1987, 157. 6 Vgl. statt vieler Moxter, Bilanzlehre – Einführung in die Bilanztheorie, Bd. I3, 81 ff. 7 Vgl. Pezzer, DStJG 14 (1991), 17. 8 Vgl. Leffson, Die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung7, 59 ff. Ähnlich drücken es Kühnenberger/Keßler aus, die im Jahresabschluss ein „Vielzweckinstrument“ sehen, der zT konfliktäre Ziele verfolgt, vgl. Kühnberger/Keßler, WPg 2000, 1008; Schnorr, StuW 2004, 315. 9 Vgl. Moxter, Bilanzlehre – Einführung in die Bilanztheorie, Bd. I3, 82. 10 Vgl. Coenenberg, ZfbF 1968, 456; Moxter, BB 1997, 196; Watrin, DB 2001, 396; Euler, BB 2002, 878. 11 Vgl. Bippus, DStZ 1998, 647; Pietsch, Fair Value und steuerliche Gewinnermittlung, 209. 12 Vgl. Sieben, ZfbF 1974, 157; Havermann, WPg 1988, 613; Schön, StuW 1995, 376; Schreiber in Kleineidam (Hrsg.), FS Fischer, 888 f. 13 Vgl. Beisse in Ballwieser/Böcking/Drukarczyk/Schmidt (Hrsg.), FS Moxter, 15. 14 Vgl. Moxter in Budde/Moxter/Offerhaus (Hrsg.), FS Beisse, 348 f. 15 Vgl. Eichhorn, Das Maßgeblichkeitsprinzip bei Rechnungslegung nach International Accounting Standards, 43. 16 Statt vieler: Moxter in Havermann (Hrsg.), FS Goerdeler, 373 f. 17 Vgl. BFH v. 3.2.1969 – GrS 2/68, BStBl. II 1969, 291 (auch Zitat); vgl. hierzu Bärenz, Zum Einfluss des Gemeinschaftsrechts auf das Steuerbilanzrecht, 183 f. Vgl. auch Flämig, DB 1968, 2047; Moxter, Bilanzlehre – Einführung in die Bilanztheorie, Bd. I3, 108; Weber-Grellet in Raupach/Uelner (Hrsg.), FS Schmidt, 170; Weber-Grellet, BB 1999, 2660; Kuntschik, Steuerliche Gewinnermittlung und IAS/IFRS am Beispiel immaterieller Vermögenswerte, 61; Hennrichs, StuW 2005, 26; Weber-Grellet in Schmidt, EStG39, § 5 Rz. 27. 18 Vgl. BFH v. 7.4.2010 – I R 77/08, BStBl. II 2010, 739. 19 Vgl. BFH v. 3.2.1969 – GrS 2/68, BStBl. II 1969, 291. 20 Vgl. Lenz, Grundsätze steuerlicher Gewinnermittlung unter dem Einfluss der IAS/IFRS, 66.

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A. Maßgeblichkeitsprinzip der handelsrechtlichen GoB für die Steuerbilanz | Rz. 22 Anh. zu § 243

aufzufassen sein.1 Einer Besteuerung des Totalgewinns steht allerdings die Notwendigkeit eines sukzessiven Steuereingangs für die Staatstätigkeit entgegen.2 Die Ermittlung eines „vollen Gewinns“ muss dabei objektiv3 und vollständig sein. Um den „vollen Gewinn“ erfassen zu können, müssen zunächst die Bilanzierungs- und Bewertungsregeln für diese Erfassung geklärt werden. Dabei wird an das HGB angeknüpft. Aus ökonomischer Sicht muss es jedoch unbestimmt bleiben, was unter einem „vollen“ Gewinn zu subsumieren ist, denn Gewinn stellt „kein[en] in der Realität zu beobachtende[n] Sachverhalt dar“,4 vielmehr ist der Gewinn nur als Konvention feststellbar. Neben dem Fiskalzweck (Zahlungsbemessungsfunktion) der Steuerbilanz gibt es noch weitere Nebenfunk- 20 tionen (bspw. Lenkungs-, Dokumentations- und Informationsfunktion), die mit der Aufstellung einer Steuerbilanz verfolgt werden. Der dominierende Zweck der Steuerbilanz besteht allerdings in der Ermittlung des steuerlichen Gewinns,5 welcher als Anknüpfungspunkt für die Generierung von Staatseinnahmen herangezogen wird.6 Daneben verfolgt die Steuerbilanz auch wirtschaftspolitische und somit außerfiskalische Ziele,7 denn dem Steuerpflichtigen soll (zB durch die Ausübung steuerbilanzieller Wahlrechte) die Möglichkeit eröffnet werden, den steuerbilanziellen Gewinn zu beeinflussen.8 Zwischen der Hauptaufgabe und den Nebenfunktionen der Steuerbilanz können somit Zielkonflikte entstehen.9 Auch hier bedarf es – wie in der handelsrechtlichen Rechnungslegung – einer entsprechenden Gewichtung der Ziele. In Abgrenzung zur handelsrechtlichen Zielsetzung ist es kein Ziel der Steuerbilanz, das Schuldendeckungs- 21 potential zu schützen und Informationen für Kapitalgeber zur Verfügung zu stellen.10 Die Widmung für einen spezifischen Zweck kann im Rahmen der steuerbilanziellen Wertfindung auch leichter vorgenommen werden, denn der Kreis der Bilanzadressaten beschränkt sich bei der Steuerbilanz auf den Fiskus und den Steuerpflichtigen.11 Dabei ist für den Fiskus insbes. der Steuerzugriff von Bedeutung.12

III. Rechtfertigung der Maßgeblichkeit de lege lata 1. Begründungsansätze des Maßgeblichkeitsprinzips de lege lata Durch das Maßgeblichkeitsprinzip soll die Anknüpfung der steuerlichen Gewinnermittlung an die handels- 22 rechtlichen GoB eine Vereinfachung für den Steuerpflichtigen darstellen.13 Moxter führt in diesem Zusammenhang allerdings aus, dass das Maßgeblichkeitsprinzip „nicht allein, nicht einmal primär, ein Vereinfachungsprinzip“ darstellt.14 Vielmehr wird im handelsbilanziellen Gewinn ein Gewinn gesehen, der mit dem steuerbilanziellen Gewinn korrespondiert.15 Eine solche Ansicht würde unterstellen, dass die Ziele der handels- und steuerbilanziellen Gewinnermittlung im Einklang stehen.16

1 Vgl. Lenz, Grundsätze steuerlicher Gewinnermittlung unter dem Einfluss der IAS/IFRS, 66. 2 Vgl. Schlotter, Teilwertabschreibung und Wertaufholung zwischen Steuerbilanz und Verfassungsrecht, 150. Stellenweise wird beim Bezug auf den Totalerfolg ein Verstoß gegen das Sozialstaatsprinzip gesehen, vgl. Giloy, FR 1979, 134. 3 Vgl. Moxter, Bilanzlehre – Einführung in die Bilanztheorie, Bd. I3, 117 ff.; Moxter in Knobbe-Keuk/Klein/Moxter (Hrsg.), FS Döllerer, 450. 4 Schreiber, StuW 2002, 109. 5 Vgl. Beisse, StuW 1984, 8; Weber-Grellet in Raupach/Uelner (Hrsg.), FS Schmidt, 170. Stellenweise werden die Nebenfunktionen, die mit der Aufstellung einer Steuerbilanz erreicht werden sollen, kritisiert, vgl. Flämig, DB 1968, 2047. 6 Vgl. Stobbe, Die Verknüpfung handels- und steuerrechtlicher Rechnungslegung, 28. 7 Vgl. Schneider, Steuerbilanzen, 16 ff.; Robisch/Treisch, WPg 1997, 165. 8 Vgl. Sittel, Der Grundsatz der umgekehrten Maßgeblichkeit, 68 f. 9 Vgl. Stobbe, Die Verknüpfung handels- und steuerrechtlicher Rechnungslegung, 30. 10 Vgl. Ahmann in Raupach/Uelner (Hrsg.), FS Schmidt, 275; Weber-Grellet, DStR 1998, 1344; Siegel, StuB 1999, 196; Hennrichs, DStJG 24 (2001), 314. 11 Vgl. Sittel, Der Grundsatz der umgekehrten Maßgeblichkeit, 69; Lenz, Grundsätze steuerlicher Gewinnermittlung unter dem Einfluss der IAS/IFRS, 67. 12 Vgl. Weber-Grellet, StuB 2002, 703. 13 Vgl. Euler, StuW 1998, 15; Pannen, Meßtheoretische Grundprobleme des Maßgeblichkeitsprinzips, 61 ff.; Freidank/ Velte, StuW 2010, 186; Schmiel in Schröder/Clausen/Behr (Hrsg.), Essener Beiträge zur empirischen Wirtschaftsforschung, 224. Krit. zu diesem Argument Schneider, BB 1978, 1577; Schneider in Schmiel/Breithecker (Hrsg.), Steuerliche Gewinnermittlung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, 284 f. Hiller, Bewertungsmaßstäbe im Bilanzsteuerrecht, 51 ff. mwN. 14 Vgl. Moxter, BB 1997, 195 ff. (auch direktes Zitat). 15 Vgl. Euler, ZfbF 1991, 193. 16 Vgl. Beisse in Ballwieser/Böcking/Drukarczyk/Schmidt (Hrsg.), Bilanzrecht und Kapitalmarkt, FS Moxter, 21.

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Anh. zu § 243 Rz. 23 | Das Maßgeblichkeitsprinzip 23 Eine wesentliche Begründung für das Maßgeblichkeitsprinzip liefert Döllerer mit dem von ihm entwickelten

„Teilhabergedanken (Teilhaberthese)“.1 Nach dem Teilhabergedanken ist der Fiskus als stiller Teilhaber des Unternehmens anzusehen. Gemäß diesem Grundsatz darf der Staat nicht mehr Beitrag (in Form von Steuern) von einem Steuerpflichtigen einfordern, als ein Anteilseigner vom Steuerpflichtigen einfordern kann.2 Der Teilhabergedanke begründet somit auf einem rechtsethischen Aspekt3, indem unter Berücksichtigung des Kapitalerhaltungsgrundsatzes Steuern von einem Unternehmen eingefordert werden können. Nach Döllerer würde sich ein Wertungswiderspruch ergeben, wenn das Handelsbilanzrecht Anteilseignern einen für das Unternehmen einziehbareren Betrag zubilligt, der Fiskus aber von einer höheren Bemessungsgrundlage für die Erfüllung seines Steueranspruches ausgehen würde.4 Außerdem soll ein Gewinn, der durch die GoB ermittelt wird, einen Schutz vor übermäßiger Besteuerung bieten.5 Eine Bindung der Steuerbilanz an die Handelsbilanz kann sich somit aufgrund verfassungsrechtlicher Überlegungen ergeben.6 Diesem Argument folgend würde das Maßgeblichkeitsprinzip eine Schranke vor „sozialpolitischen, ideologischen, regionalpolitischen, haushaltspolitischen oder ähnlichen Erwägungen“7 bieten.

2. Kritik am Maßgeblichkeitsprinzip de lege lata 24 Fraglich ist dabei, inwiefern die Argumente für das Maßgeblichkeitsprinzip überzeugen. Insbes. relativiert

sich der Teilhabergedanke aufgrund der zahlreichen Durchbrechungen des Maßgeblichkeitsprinzips. Hierdurch wird der Staat zu einem „bevorrechtigten“ Teilhaber.8 Insofern wird die Teilhaberthese durch die unterschiedlichen Zielsetzungen von Handels- und Steuerbilanz verwässert.9 Eine zentrale Kritik an der Teilhaberthese von Döllerer10 ergibt sich aus dem Verfassungsrecht, denn das für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit relevante Vergleichspaar sind nicht Fiskus und Steuerpflichtiger, wie es die Teilhaberthese vertritt, sondern vielmehr der Vergleich verschiedener Steuerpflichtiger.11

25 Auch das Abweichen von der materiellen Maßgeblichkeit stellt eine Relativierung des Maßgeblichkeitsprin-

zips dar und eröffnet steuerbilanzpolitische Spielräume.12 Das Vereinfachungsargument vermag auch aus diesem Grund nicht mehr vollumfänglich zu überzeugen.13 Die autonome Wahlrechtsausübung stellt ebenfalls eine Relativierung der Teilhaberthese dar,14 denn durch eine separate Wahlrechtsausübung kann ein 1 Vgl. Döllerer, BB 1971, 1334; Döllerer, BB 1988, 238. Zur Erörterung auch Kahle in HdJ, VII/1 Rz. 268 (Stand Feb. 2019). 2 Vgl. Döllerer, BB 1971, 1334; Döllerer in Baetge (Hrsg.), Der Jahresabschluss im Widerstreit der Interessen – Vortragsreihe des Instituts für Revisionswesen an der Westfälischen Wilhlems-Universität Münster, 158 ff.; Döllerer, BB 1988, 238; Euler, ZfbF 1990, 1039; Euler, ZfbF 1991, 191; Euler, StuW 1998, 19; Hommel, Grundzüge ordnungsmäßiger Bilanzierung für Dauerschuldverhältnisse, 19 f.; Moxter, BB 1997, 195; Moxter, DStZ 2000, 159 ff.; Hauser/ Maurer, WPg 1998, 269 f.; Grotherr/Jorewitz in Freidank (Hrsg.), Die deutsche Rechnungslegung und Wirtschaftsprüfung im Umbruch, FS Strobel, 123; Crezelius, DB 1994, 690 f.; Böcking/Gros, DStR 2007, 2340 f.; Marx, BB 2011, 1005 f. So kann das Maßgeblichkeitsprinzip als Schutz gegen eine übermäßige Besteuerung angesehen werden. Der Teilhaberthese kann ebenfalls zur Begründung der formellen Maßgeblichkeit herangezogen werden, vgl. Stobbe, DStR 2008, 2433. 3 Vgl. Moxter, BB 1997, 197. 4 Vgl. Döllerer, BB 1988, 238 f. 5 Vgl. zu diesen Argumenten Ballwieser, BFuP 1990, 492 f.; Ballwieser in FS Spindler, 580 ff.; Beisse in Beisse/Lutter (Hrsg.), FS Beusch, 85 f.; Biener in Ballwieser/Böcking/Drukarczyk/Schmidt (Hrsg.), Bilanzrecht und Kapitalmarkt, FS Moxter, 130 ff.; Mössner, Stbg 1998, 149 f. 6 Vgl. Schön, StuW 1995, 375 f.; aA Ahmann in Raupach/Uelner (Hrsg.), Ertragsbesteuerung – Zurechnung, Ermittlung, Gestaltung, FS Schmidt, 286 ff.; Weber-Grellet, StuB 2002, 701. 7 Söffing in Förschle/Kaiser/Moxter (Hrsg.), Rechenschaftslegung im Wandel, FS Budde, 655. 8 Vgl. Freidank/Velte, StuW 2010, 187. 9 Zu der verschiedenen Zielsetzung vgl. auch Wagner, DB 1998, 2074 f.; Wagner, BB 2002, 1887 f. Auch durch die Abschaffung der formellen Maßgeblichkeit wird die Teilhaberthese geschwächt, vgl. Herzig, ST 2011, 620. 10 Vgl. Döllerer, BB 1971, 1334. 11 Vgl. Hennrichs, StuW 1999, 144; Wagner, BB 2002, 1887. Zur Kritik auch Bärenz, Zum Einfluss des Gemeinschaftsrechts auf das Steuerbilanzrecht, 172. 12 Vgl. Ernsting, StbJb 2011, 223. 13 Vgl. Wassermeyer, DStJG (14) 1991, 45 f.; Schulze-Osterloh, StuW 1991, 291; Theile, GmbHR 1999, 1241; Herzig/ Bär, DB 2003, 3. 14 Vgl. Herzig, DStR 2010, 1901; Herzig/Briesemeister/Schäperclaus, DB 2011, 2; Herzig, ST 2011, 620; Gros, DK 2008, 472; Gros, Rechnungslegung in Deutschland und den USA, 185; Grützner, StuB 2009, 485; Thiel in Heidel/Herlinghaus/Hirte/Hüttemann (Hrsg.), FS Meilicke, 736. Im BFH v. 31.1.2013 wird augeführt „Spezielle steuerrechtliche Vorschriften sind dabei auch dann eigenständig auszulegen und anzuwenden, wenn sie im Handelsrecht eine Entsprechung finden (vgl. BFH v.15.7.1998 – I R 24/96, BFHE 186, 388 = BStBl. II 1998, 728, unter II.4.), und zwar

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B. Wahlrechtsausübung | Rz. 29 Anh. zu § 243

Gewinnausweis, im Vergleich zum Ausweis des ausschüttungsfähigen Gewinns nach Handelsrecht, phasenverschoben vorgenommen werden. Dies würde insofern der Teilhaberthese entgegenstehen. Auch erscheint es als fraglich, ob das Maßgeblichkeitsprinzip gegen eine übermäßige Besteuerung schützen 26 kann, da das Maßgeblichkeitsprinzip der Steuerrechtsprechung lediglich eine Richtung weist, welche von der Rspr. des BFH und internationaler Rechnungslegungstendenzen eingeengt wird.1 Im Maßgeblichkeitsprinzip ein „Bollwerk“ gegen eine übermäßige Besteuerung zu sehen, ist insofern kritikwürdig, denn ein wirksamer Schutz gegen eine übermäßige Besteuerung bietet nur das Verfassungs-, nicht jedoch das Handelsbilanzrecht.2 Schlussendlich kann auch gegen die Anknüpfung der Steuerbilanz an die Handelsbilanz angeführt werden, 27 dass durch eine Anknüpfung „an relativ unbestimmte Grundsätze“ ein Verstoß gegen die Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung entstehen kann.3 Zwar ist eine Anknüpfung an die Handelsbilanz nicht per se mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip unvereinbar, jedoch kann auch kein „Zwang zur Maßgeblichkeit“ aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip gefolgert werden.4 Da die Durchbrechungen des Maßgeblichkeitsprinzips zu einem guten Stück fiskalisch motiviert sind, sind diese jedoch nicht dafür geeignet, das Maßgeblichkeitsprinzip vom Grundsatz her in Frage zu stellen.5 Vielmehr führen sie zu der Überlegung, ob es, gesetzt der Gesetzgeber hält an den Durchbrechungen weiterhin fest, nicht besser ist, auf eine Maßgeblichkeit komplett zu verzichten.

B. Wahlrechtsausübung I. Reichweite des Wahlrechtsvorbehalts nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 EStG 1. Systematisierung von Wahlrechten Im Rahmen der Gewinnermittlung entsprechend dem Leistungsfähigkeitsprinzip muss entschieden werden, 28 welche Aufwendungen in welchem Umfang die zu besteuernde Größe mindern dürfen.6 „Unter Bilanzpolitik kann die bewusste Gestaltung der Bilanz durch die Ausübung von bilanziellen Wahlrechten und Ermessensspielräumen zu dem Zweck verstanden werden, bestimmte unternehmenspolitische Ziele zu erreichen“.7 Wahlrechte eröffnen dem Bilanzierer die Möglichkeit, Einfluss auf die Bilanz zu nehmen und die zu versteuernde Größe – im Rahmen der zulässigen Wahlrechtsausübung – über den Zeitablauf zu verteilen. Handelsrechtliche Wahlrechte sind grds. unvereinbar mit GoB.8 Die Steuerbilanzpolitik zielt damit in erster Linie auf die Minimierung der temporären Steuerlast – unter 29 Berücksichtigung der rechtlich zulässigen Möglichkeiten und der Unternehmensfortführung – ab.9 Hierdurch können steuerbilanzielle Wahlrechte in Konflikt mit der Gleichmäßigkeit der Besteuerung ge-

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unter Berücksichtigung des systematischen Zusammenhangs in dem sie im Steuerrecht stehen (BFH v. 7.4.2010 – I R 77/08, BFHE 228, 533 = BStBl. II 2010, 739 Rz. 13)“, BFH v. 31.1.2013 – GrS 1/10, BStBl. II 2013, 317 (hier Rz. 74). Zur autonomen Wahlrechtsausübung im Rahmen der Teilwertabschreibung vgl. Hiller/Biebinger, DStZ 2016, 613 f. mwN. Vgl. Schneider in Schmiel/Breithecker (Hrsg.), Steuerliche Gewinnermittlung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, 284; Schneider in Baumhoff/Dücker/Köhler, Besteuerung, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, FS Krawitz, 714; Bareis in Schmiel/Breithecker (Hrsg.), Steuerliche Gewinnermittlung nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, 35. Vgl. Weber-Grellet, BB 1999, 2662; Lauth, DStR 2000, 396. Vgl. Weber-Grellet, DB 2008, 2451 (auch direktes Zitat). Vgl. Beiser, ÖStZ 2000, 422 (auch direktes Zitat). Vgl. Günkel in FS Herzig, 511. Vgl. Hundsdoerfer, Die einkommensteuerliche Abgrenzung von Einkommenserzielung und Konsum, 32. Schneeloch, DStR 1990, 96 mwN. Vgl. Ballwieser in Förschle/Kaiser/Moxter (Hrsg.), Rechenschaftslegung im Wandel, FS Budde, 47 ff.; Ballwieser, BFuP 1990, 485; Kropff in Fischer (Hrsg.), FS Baetge, 87. Auch Schulze-Osterloh, StuW 1989, 248, differenzierend in Hinblick auf Wahlrechte zur Anwendung eines bestimmten Bewertungsverfahrens Schulze-Osterloh, Rechtsgrundlagen des Jahres- und Konzernabschlusses, in HdJ, I/1 Rz. 18a f. (Stand Sept. 2016). AA zB Beisse in Ballwieser/ Böcking/Drukarczyk/Schmidt (Hrsg.), Bilanzrecht und Kapitalmarkt, FS Moxter, 25, 26 und 29; Clemm, BFuP 1990, 558. Vgl. Hinz, SteuerStud 1990, 369. So kann durch eine Wahlrechtsausübung der relative Steuerbarwert minimiert werden. Zur Diskussion um die „Möglichkeiten“ der Steuerbilanzpolitik vgl. Scheffler in Prinz/Kanzler, Handbuch Bilanzsteuerrecht3, Rz. 2720 ff. mwN.

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Anh. zu § 243 Rz. 29 | Das Maßgeblichkeitsprinzip raten.1 Auch aufgrund des Objektivierungsprinzips können steuerbilanzielle Wahlrechte kritisiert werden, da diese der Gesetzesbestimmtheit nicht entsprechen.2 Wahlrechte lassen sich dabei in zweierlei Hinsicht systematisieren: Zum einen lässt sich eine Unterteilung mit Blick auf den Anlass oder den Grund der Wahlrechtsniederlegung vornehmen. Zum anderen lassen sich Wahlrechte hinsichtlich einer (möglichen) Entsprechung zwischen Handels- und Steuerrecht systematisieren. Unterteilt nach dem Anlass oder dem Grund der Wahlrechtsniederlegung lassen sich folgende drei Unterkategorien benennen.3 Es können 1. Vereinfachungswahlrechte, 2. Abbildungs- bzw. Anpassungswahlrechte und 3. gesellschafts- und wirtschaftspolitisch motivierte Wahlrechte unterschieden werden. 2. Autonome steuerbilanzielle Wahlrechtsausübung 30 Steuerliche Wahlrechte können autonom von der handelsbilanziellen Vorgehensweise ausgeübt werden (§ 5

Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 EStG).4 Eine autonome Wahlrechtsausübung ist kritisch zu beurteilen,5 da diese zur Bilanzpolitik genutzt werden kann. Nach dieser Definition müssen auch die Ermessensspielräume und Wahlrechte eingeschränkt werden, denn diese gefährden eine objektive Wertfindung und können gegen die Gleichmäßigkeit der Besteuerung wirken.6 Weitere Spielräume können sich mit Blick auf die Stetigkeitsgrundätze ergeben. Zwar sind die Ansatzstetigkeit (§ 246 Abs. 3 Satz 1 HGB) und die Bewertungsstetigkeit (§ 252 Abs. 1 Nr. 6 HGB) auch über das Maßgeblichkeitsprinzip für die steuerliche Gewinnermittlung zu beachten, allerdings sieht § 5 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 EStG eine Abkopplung von den GoB vor. Hierdurch fallen steuerliche Wahlrechte nach wohl hM nicht in den Anwendungsbereich des Grundsatzes der Stetigkeit.7

31 Vor dem Hintergrund einer praktikablen Gewinnermittlung können Vereinfachungswahlrechte akzeptiert

werden, wenn diese die Bemessungsgrundlage nicht verfälschen.8 Demgegenüber sind Abbildungs- und Anpassungswahlrechte für die Steuerbilanz nicht geeignet; gesellschafts- und wirtschaftspolitisch motivierende Wahlrechte können akzeptiert werden, falls diese „im Interesse der Allgemeinheit liegen“.9 Wahlrechte stellen daher im Prinzip einen „Fremdkörper“10 im Bilanzsteuerrecht dar. Nur wenn eine besondere Begründung hinsichtlich der Niederlegung eines Wahlrechts besteht, können diese akzeptiert werden.11 Eine Einteilung der Wahlrechte hinsichtlich einer (möglichen) Entsprechung zwischen Handels- und Steuerrecht kann in drei Bereiche erfolgen. Es können 1. einseitige handelsrechtliche Wahlrechte (zB Wahlrecht zum Ansatz selbst erstellter immaterieller Vermögensgegenstände nach § 248 Abs. 2 HGB), 1 Vgl. Fredersdorf, StbJb 1959, 115; Tipke, Steuergerechtigkeit in Theorie und Praxis, 123; Moxter, BB 1997, 195; Moxter, DStR 2003, 1586 ff.; Scheffler, BBK 2010, Beil. 1, 2. Zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit steuerlicher Wahlrechte vgl. Belser, Verfassungsrechtliche Zulässigkeit steuerlicher Wahlrechte, 1 ff. mwN. Kummer kommt allerdings zu dem Resultat, dass Wahlrechte einen „willkommene[n] Beitrag zu der [...] Weiterentwicklung des Steuersystems im Einklang mit der gewollten Wirtschaftsordnung [darstellen]“, Kummer, Steuerliche Wahlrechte, 234. Zur Diskussion auch Barke, DStZ 2015, 302. 2 Vgl. Weber-Grellet, BB 1999, 2661; Herzig, WPg 2000, 113. Zur krit. Auseinandersetzung mit der objektiven Werttheorie vgl. Engels, Betriebswirtschaftliche Bewertungslehre im Licht der Entscheidungstheorie, 6 ff. 3 Vgl. Bauer, BB 1981, 768 f. 4 Vgl. Weber-Grellet in Schmidt, EStG39, § 5 Rz. 60. Hierzu auch Kahle in HdJ, VII/1 Rz. 177 ff. (Stand Feb. 2019). 5 Vgl. Lemm, Forderungsbilanzierung bei alternativer Auslegung des Realisationsprinzip, 28 f.; Pezzer, DStJG 14 (1991), 6 f.; Haustein, Steuerliche Gewinnermittlung im Wandel, 37; Scheffler, StuB 2009, 844. Bauer führt an, dass das Wahlrecht für sich genommen noch keinen Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip darstellt, vgl. Bauer, Das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit als Grundlage der Gewinnermittlungsarten im Einkommenssteuerrecht, 144 ff., 262 f. (hier im Zusammenhang mit der Teilwertabschreibung). Zur Diskussion auch Prinz, StuB 2019, 3. 6 Vgl. Pietsch, Fair Value und steuerliche Gewinnermittlung, 269; Böcking/Dreisbach/Gros, DK 2008, 214. Dabei darf bei allem notwendigen Objektivierungserfordernis nicht aus dem Blick genommen werden, dass auch eine objektive bzw. objektivierte Wertermittlung auf individuelle Lebenssachverhalte rekurriert, vgl. auch Krumm, Steuerliche Bewertung als Rechtsproblem, 145. 7 Vgl. Ortmann-Babel/Bolik, BB 2010, 2102; Geberth/Blasius, FR 2010, 413; Zwirner/Künkele, DStR 2013, 2079 f.; Barke, DStZ 2015, 311; Herrfurth, StuB 2014, 124; aA Weber-Grellet, DB 2009, 2403; Grieser/Faller, DStR 2012, 732. 8 Vgl. Thiel/Lüdtke-Handjery, Bilanzrecht – Handelsbilanz Steuerbilanz5, Rz. 300. 9 Thiel/Lüdtke-Handjery, Bilanzrecht – Handelsbilanz Steuerbilanz5, Rz. 301 f. (hier Rz. 302). 10 Pezzer, DStJG 14 (1991), 6. 11 Vgl. Weber-Grellet, DB 1994, 2406.

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B. Wahlrechtsausübung | Rz. 35 Anh. zu § 243

2. einseitige steuerrechtliche Wahlrechte (zB im Bereich der Sonder- und Teilwertabschreibungen und steuerfreien Rücklagen nach §§ 6b, 4 Abs. 8, § 4g EStG oder R 6.6 EStR)1 und 3. duale Wahlrechte (zB im Bereich der Abschreibung und Abschreibungsmethoden oder beim Lifo-Verfahren)2 unterschieden werden.3

II. Aufzeichnungspflichten „Voraussetzung für die Ausübung steuerlicher Wahlrechte ist, dass die Wirtschaftsgüter, die nicht mit dem 32 handelsrechtlich maßgeblichen Wert in der steuerlichen Gewinnermittlung ausgewiesen werden, in besondere, laufend zu führende Verzeichnisse aufgenommen werden“ (§ 5 Abs. 1 Satz 2 EStG). Aus diesem Verzeichnis sind gem. § 5 Abs. 1 Satz 3 EStG der Tag der Anschaffung bzw. Herstellung, die damit zusammenhängenden Anschaffungs- oder Herstellungskosten und die vorgenommenen Abschreibungen ersichtlich zu machen.4 Die korrekte Verzeichnisführung muss für jedes Wirtschaftsgut einzeln beurteilt werden, sofern der steuerliche vom handelsrechtlichen Wert abweicht.5 Die Verzeichnisführung ist dabei Tatbestandsvoraussetzung für die Ausübung der steuerlichen Wahlrechte, was zur Folge hat, dass bei einem nicht vollständig geführten Verzeichnis die Finanzverwaltung den Gewinn so ermitteln hat, als wäre das Wahlrecht nicht ausgeübt worden.6 „Wenn das Verzeichnis nicht oder nicht vollständig geführt wird, muss der Gewinn hinsichtlich des betreffenden Wirtschaftsguts so ermittelt werden, als ob das Wahlrecht nicht ausgeübt worden wäre“.7 Die Verzeichnisführung wird dabei stellenweise als „‘Einstieg’ in die selbstständige“ Steuerbilanz gewertet, 33 welche auch die Aufnahme von Wahlrechten, die vor 2010 ausgeübt wurden, umfasst.8 Von den gesonderten Aufzeichnungspflichten sind adie Wahlrechte im Bereich des Sonderbetriebsvermögens von Mitunternehmerschaften und die umwandlungssteuerlichen Aufzeichnungspflichtigen nicht betroffen.9 Dabei ist keine besondere Form der Verzeichnisführung vorgeschrieben,10 weswegen alle betroffenen Wirt- 34 schaftsgüter in ein einheitliches Verzeichnis aufgenommen werden können.11 Die Aufnahme aller in § 5 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 EStG geforderter Angaben im Anlagenspiegel wird dabei als ausreichend angesehen, um die Verzeichnisführung zu erfüllen.12 Das BMF versteht die Pflicht zur laufenden Verzeichnisführung nicht als sofortige und unverzügliche Verzeichnisführung.13 Dabei wird es in zeitlicher Hinsicht als ausreichend angesehen, wenn die Erstellung der Verzeichnisse im Rahmen der Erstellung der Steuererklärung geschieht.14 „Es ist nicht abschließend geklärt, bis zu welchem Zeitpunkt das Verzeichnis geführt werden muss. In Fällen erhöhter steuerlicher Abschreibungen dürfte die Verzeichnisführungspflicht nur für den Zeitraum der Inanspruchnahme der erhöhten Absetzung bestehen“.15 Die Führung von Verzeichnissen betrifft dabei nur nach dem 29.5.2009 erfolgten Wahlrechtsausübungen, nicht aber Fälle „alter Wahlrechtsausübungen“.16 Die Rahmenbedingungen zur Verzeichnisführung können dabei ebenfalls zur Gestaltung genutzt werden. 35 „Über den Zeitpunkt, zu dem [d]er [Steuerpflichtige] das Verzeichnis erstellt, kann er bestimmen, in wel1 Vgl. BMF v. 12.3.2010 – IV C 6-S 2133/09/10001, BStBl. I 2010, 239, Rz. 13–15. Daneben gibt es weitere Rücklagen bzw. Reinvestitionsrücklagen, die hier nicht näher erörtert werden. Zu den Einzelheiten sei auf Sievert/Kamradt in Prinz/Kanzler, Handbuch Bilanzsteuerrecht3, Rz. 5250 ff. mwN verwiesen. 2 Vgl. BMF v. 12.3.2010 – IV C 6-S 2133/09/10001, BStBl. I 2010, 239, Rz. 16–18. 3 Vgl. Herzig, DB 2012, 1345 ff. 4 Vgl. Weber-Grellet in Schmidt, EStG39, § 5 Rz. 61 ff.; Ott, StuB 2009, 470. 5 Vgl. Ortmann-Babel/Bolik, BB 2010, 2099. 6 Vgl. BMF v. 12.3.2010 – IV C 6-S 2133/09/10001, BStBl. I 2010, 239 Rz. 21. 7 Kahle in HdJ, VII/1 Rz. 203 (Stand Feb. 2019), mit Bezug auf: BMF v. 12.3.2010 – IV C 6 – S 2133/09/10001, BStBl. I 2010, 239 Rz. 21. 8 Vgl. Weber-Grellet in Schmidt, EStG39, § 5 Rz. 61, aA Ortman-Babel, DStR 2009, 934. 9 Vgl. Prinz in Prinz/Kanzler, Handbuch Bilanzsteuerrecht3, Rz. 371. Zum Umfang des Betriebsvermögens bei Mitunternehmerschaften vgl. Kahle in Prinz/Kanzler, Handbuch Bilanzsteuerrecht3, Rz. 1356 ff. 10 Vgl. Hörhammer/Rosenbaum, DStZ 2013, 348. 11 Vgl. Krumm in Blümich, § 5 EStG Rz. 203a (Stand März 2018). 12 Vgl. BMF v. 12.3.2010 – IV C 6 – S 2133/09/10001, BStBl. I 2010, 239 Rz. 20. 13 Vgl. BMF v. 12.3.2010 – IV C 6 – S 2133/09/10001, BStBl. I 2010, 239 Rz. 20. 14 Vgl. BMF v. 12.3.2010 – IV C 6 – S 2133/09/10001, BStBl. I 2010, 239 Rz. 20. Dieser Zeitpunkt erscheint dabei ausreichend bemessen zu sein. 15 Kahle in HdJ, VII/1 Rz. 204 (Stand Feb. 2019), mit Bezug auf: Ortmann-Babel/Bolik, BB 2010, 2100 f. 16 Vgl. Ortmann-Babel/Bolik/Gageur, DStR 2009, 934 f.

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Anh. zu § 243 Rz. 35 | Das Maßgeblichkeitsprinzip chem Jahr er das steuerliche Wahlrecht in Anspruch nehmen möchte“.1 Der Steuerpflichtige kann in den Folgejahren prüfen, „inwieweit die Steuerfolgen aus einer bewussten Beendigung der Verzeichnisführung seine (möglicherweise im Zeitablauf veränderlichen) steuerbilanzpolitischen Zielsetzungen unterstützt.“2

III. Wesentliche steuerliche Wahlrechte 1. Außerplanmäßige Abschreibung 36 Der Teilwert findet im Rahmen der Teilwertabschreibung (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 EStG und § 6 Abs. 1

Satz 1 Nr. 2 Satz 2 EStG) seinen Hauptanwendungsbereich.3 Durch eine Teilwertabschreibung können Steuerpflichtige, die ihre Gewinnermittlung mittels Vermögensvergleich (§ 4 Abs. 1 EStG und § 5 EStG) vornehmen,4 vom Buchwert auf den niedrigeren Teilwert herabgehen.5 Der Teilwert stellt insofern einen Korrekturbewertungsmaßstab gegenüber den fortgeführten Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten dar.6 Voraussetzung zur Vornahme einer Teilwertabschreibung ist, dass die Wertminderung voraussichtlich dauerhaft anhalten wird.

37 Im Handelsrecht muss hinsichtlich der Bewertung von Anlage- und Umlaufvermögen unterschieden wer-

den.7 Im Anlagevermögen hat eine außerplanmäßige Abschreibung bei einer dauerhaften Wertminderung zu erfolgen (§ 253 Abs. 3 Satz 5 HGB).8 Gem. § 253 Abs. 3 Satz 6 HGB kann eine außerplanmäßige Abschreibung bei Finanzanlagevermögen auch bei einer nichtdauerhaften Wertminderung vorgenommen werden. Im Umlaufvermögen greift das strenge Niederstwertprinzip (§ 253 Abs. 4 HGB). Hier muss eine Abschreibung auch bei einer vermutlich nicht dauerhaften Wertminderung erfolgen.

38 Im Gegensatz hierzu sieht die Steuerbilanz ein Abwertungswahlrecht im Anlage- und Umlaufvermögen

vor.9 Dieses Wahlrecht wird jedoch stellenweise abgelehnt.10 Die hM hält allerdings, unter Maßgabe einer Wortlautauslegung von § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 EStG und § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 EStG, eine autonome Wahlrechtsausübung für zulässig.11 Eine autonome Wahlrechtsausübung bejaht auch die Finanz1 Kahle in HdJ, VII/1Rz. 206 (Stand Feb. 2019), mit Bezug auf: Ortmann-Babel/Bolik, BB 2010, 2099; Scheffler/Binder, StuB 2012, 896. 2 Ortmann-Babel/Bolik, BB 2010, 2099. 3 Vgl. Kulosa in Schmidt, EStG39, § 6 Rz. 359 ff. Zur Analyse Hiller, Bewertungsmaßstäbe im Bilanzsteuerrecht, 172 ff.; Hiller/Biebinger, DStZ 2016, 612 ff.; Hiller, DStZ 2016, 813 ff. Zum Teilwert als Bewertungsmaßstab vgl. Hiller/Biebinger, DStZ 2017, 442 ff. 4 Vgl. BFH v. 24.11.1955 – IV 231/53 U, BStBl. III 1956, 38; BFH v. 21.6.2006 – XI R 49/05, BStBl. II 2006, 712. Die hM vertritt dabei die Ansicht, dass die Anwendung der Teilwertabschreibung nicht im Rahmen von § 4 Abs. 3 EStG zum Tragen kommt, vgl. BFH v. 24.11.1955 – IV 231/53 U, BStBl. III 1956, 38; BFH v. 24.11.1959 – I 47/58 U, BStBl. III 1960, 188. AA Groh, FR 1986, 396; Kanzler, FR 2005, 1250; Kanzler, FR 2007, 698. 5 Vgl. Jaeger, Der Teilwert, Bochum 1984, 46. Auch Wohlgemuth, Bewertungsmaßstäbe der Folgebewertung nach HGB und EStG, in HdJ I/11, Rz. 68 (Stand Mai 2014). 6 Durch die Teilwertabschreibung kommt somit das Imparitätsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB) auch in der Steuerbilanz zur Anwendung. 7 Vgl. Meyering/Gröne/Portheine, DStZ 2014, 303. Lediglich für die Konkretisierung einer dauerhaften Wertminderung nimmt die Rspr. hier eine Unterscheidung vor. Unterschied ist auch, dass in der handelsrechtlichen Literatur im Zweifel von einer dauerhaften Wertminderung ausgegangen wird, vgl. Meyering/Gröne/Portheine, DStZ 2014, 307. 8 Vgl. Schneider, ZBB 2000, 124. Durch das BilRuG wurde in § 253 Abs. 3 Satz 3 HGB aufgenommen, dass in Fällen in denen die Nutzungsdauer nicht bestimmt werden kann, eine Nutzungsdauer von zehn Jahren anzunehmen ist. Dies gilt entsprechend für einen entgeltlich erworbenen Geschäfts- oder Firmenwert (§ 253 Abs. 3 Satz 4 HGB). 9 Vgl. BMF-Schreiben vom 12.3.2010 – IV C 6 – S 2133/09/10001, BStBl. I 2010, 239 Rz. 15. Bis zur Einführung des BilMoG wurde aus den Abschreibungswahlrechten der § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG und § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG (über § 5 Abs. 1 EStG) eine Abschreibungspflicht, vgl. BFH v. 31.1.1991 – IV R 31/90, BStBl. II 1991, 627; Kahle/Heinstein, DStZ 2007, 143; Schulze-Osterloh, DStR 2011, 536. Somit bestand hinsichtlich des Abwertungszeitpunkts eine deckungsgleiche Anwendung von außerplanmäßigen Abschreibungen in Handels- und Steuerbilanz, vgl. Kahle/Heinstein, DStZ 2007, 143; Günkel/Fenzl, DStR 1999, 651. 10 Vgl. Schulze-Osterloh, DStR 2011, 534 ff.; Fischer/Kalina-Kerschbaum, DStR 2010, 400; Anzinger/Schleiter, DStR 2010, 395 ff.; Hennrichs, Ubg 2009, 538 ff.; Schenke/Risse, DB 2009, 1957; Weber-Grellet, DB 2009, 2402. Schlussendlich hat der Fiskus ein Interesse an einem Abwertungswahlrecht, denn die Teilwertabschreibung reduziert die Bemessungsgrundlage und damit die Steuerbelastung, vgl. Meyering/Gröne/Portheine, DStZ 2014, 303. 11 Vgl. Herzig/Briesemeister, Ubg 2009, 163; Herzig/Briesemeister, DB 2009, 978; Ernsting, FR 2010, 1070; Dörfler/ Adrian, Ubg 2009, 390; Künkele/Zwirner, DStR 2010, 2265; Kahle/Günter, StuW 2012, 45; Scheffler, StuB 2010, 295; Günter, Stbg 2009, 396; Zwirner/Künkele, NWB 2012, Beil. zu Heft 7, 2; Theile, DStR 2009, 2384 ff. Zur Diskussion Geberth/Blasius, FR 2010, 410 ff. mwN. Als zwischenzeitlich „unstreitig“ bezeichnen Zwirner/Künkele diese Frage, vgl. Zwirner/Künkele, DStR 2013, 2078 (auch direktes Zitat).

88 | Hiller

B. Wahlrechtsausübung | Rz. 41 Anh. zu § 243

verwaltung.1 Somit ist das Imparitätsprinzip für die steuerbilanzielle Bewertung nicht mehr verpflichtend anzuwenden.2 Vielmehr hängt dessen Anwendung von einer positiven Wahlrechtsausübung im Rahmen der Teilwertabschreibung ab. Ein autonomes Wahlrecht kann dabei zur Steuerbilanzpolitik genutzt werden.3 So kann sich bei Unterlas- 39 sung der Durchführung einer Teilwertabschreibung in bestimmten Fällen ein steuerlicher Vorteil ergeben. Solche Vorteile entstehen, wenn bei Unterlassung einer Teilwertabschreibung eine Verlustverrechnungsbeschränkung gem. §§ 10d, 15a EStG oder § 8c KStG verhindert wird.4 Außerdem kann es bei einer Teilwertabschreibung auf Beteiligungen, die nach § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG keine Steuerminderung bewirkt, zu einer Zuschreibungsfalle kommen, wenn bei einer späteren Wertaufholung 5 % des Zuschreibungsbetrages zu versteuern sind (§ 8b Abs. 3 Satz 3 KStG iVm. § 8b Abs. 3 Satz 1 KStG).5 In diesen Fällen ist es für einen Steuerpflichtigen uU vorteilhaft, eine Teilwertabschreibung zu unterlassen.6 Zudem muss die Höhe der Teilwertabschreibung nicht nachgewiesen werden, sofern der Steuerpflichtige die Teilwertabschreibung unterlässt.7 In Bezug auf das Umlaufvermögen kommt die Teilwertabschreibung an eine definitorische Grenze.8 Denn 40 per Definition dient das Umlaufvermögen dem Betrieb nur vorübergehend. Eine dauerhafte Wertminderung kann somit nur relativ, im Verhältnis zur Nutzungsdauer des Bewertungsobjekts, ausgelegt werden.9 Aus diesem Grund besteht handelsrechtlich im Umlaufvermögen, unabhängig von der Dauerhaftigkeit des Wertverfalls, eine Abschreibungspflicht (§ 253 Abs. 4 HGB).10 In der Steuerbilanz sind Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens dann vermutlich dauerhaft in ihrem Wert gesunken, wenn eine Wertminderung bis zur Bilanzsaufstellung (bzw. bis zum Abgang des Wirtschaftsguts) anhält.11 Tritt zwischen Bilanzaufstellung und Bilanzstichtag eine Werterholung ein, kann selbst in diesem Fall eine dauerhafte Wertminderung angenommen werden, wenn es sich um börsennotierte Aktien handelt (wertbegründende Auslegung).12 Stellenweise werden allerdings auch Zweifel vorgetragen, ob im Umlaufvermögen überhaupt eine dauerhafte Wertminderung vorliegen kann.13 Ende 2016 hat der Große Senat des BFH den Sanierungserlass des Bundesfinanzministeriums gekippt, da 41 ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung vorlag.14 Mit dem Gesetz gegen schädliche Steuerpraktiken im Zusammenhang mit Rechteüberlassungen vom 27.6.2017 wurden sodann Steuerbefreiungstatbestände für sog. Sanierungsgewinne gesetzlich niedergelegt. Die dort enthaltenen Steuerbefreiungstatbestände für Sanierungsgewinne sind gesetzlich kodifiziert (§ 3a EStG und § 7b GewStG). Neben einer gesetzlich niedergelegten Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen (§ 3a EStG nF und § 8 Abs. 1 KStG iVm. § 3a EStG nF und § 7b GewStG nF) werden nach § 3a Abs. 5 EStG nF ebenfalls die Sanierungsgewinne, die durch ein Insolvenzplanverfahren entstehen, steuerfrei gestellt.15 1 Vgl. BMF-Schreiben v. 12.3.2010 – IV C 6 – S 2133/09/10001, BStBl. I 2010, 239 Rz. 13, Rz. 15. 2 Vgl. Künkele/Zwirner, StuB 2010, 337. 3 Herzig kommt zu dem Schluss, dass 82 % der Steuerpflichtigen das Wahlrecht zur Teilwertabschreibung gezielt nutzen, vgl. Herzig, DB 2012, 1347, mit Bezug auf die Untersuchungen Keitz/Wenk/Jagosch, DB 2011, 2445 ff.; Keitz/ Wenk/Jagosch, DB 2011, 2503 ff.; Theile/Nagafi/Zyczkowski, BBK 2011, 912 ff.; Philipps, StuB 2011, 203 ff.; Froschhammer/Haller, KoR 2012, 17 ff.; Gassen/Pierk/Weil, DB 2011, 1061 ff. 4 Vgl. Herzig/Briesemeister, Ubg 2009, 162 f.; Theile, DStR 2009, Beihefter zu Heft 18, 27 f.; Hoffmann, DB 2010, Heft 12, M01. Vgl. auch Ronig, BBK 2015, 177. 5 Vgl. Herzig/Briesemeister, Ubg 2009, 163; Roser, GmbHR 2011, 847; Starke/Günther, Ubg 2013, 93; Grieser/Faller, DStR 2012, 731 mwN; Dörfler/Adrian, Ubg 2009, 391; Dörfler/Adrian, SteuK 2009, 8 ff.; Host, DB 2012, 545; Kaminski, Stbg 2011, 532. Nach der BFH-Rspr. muss eine Wertaufholung zunächst mit steuerlich nicht wirksamen Teilwertabschreibungen verrechnet werden, vgl. BFH v. 19.8.2009 – I R 2/09, BStBl. II 2010, 760. 6 Vgl. Happe, SteuK 2012, 348. 7 Vgl. Kaminski, Stbg 2011, 532. 8 Vgl. Groh, DB 1999, 982. 9 Vgl. Groh, DB 1999, 982. 10 Ausnahme bei Finanzanlagen (§ 253 Abs. 3 Satz 6 HGB). 11 Vgl. BMF v. 2.9.2016 – IV C 6 – S 2171-b/09/10002:002, DStR 2016, 2107, Rz. 16. Vormals BMF v. 16.7.2014 – IV C 6 – S 2171-b/09/10002, BStBl. I 2014, 1162 Rz. 22; BMF v. 25.2.2000 – IV C S 2171 b – 14/00, BStBl. I 2000, 372, Rz. 23; Hahne, DStR 2008, 542; Dietrich, DStR 2000, 1632; Groh, DB 1999, 982; Cattelaens, DB 1999, 1187. 12 Vgl. BMF v. 2.9.2016 – IV C 6 – S 2171-b/09/10002:002, DStR 2016, 2107 Rz. 16. 13 Vgl. Albert, StuB 1999, 594; dort wird das Abstellen auf eine dauerhafte Wertminderung als „sachwidrig“ bezeichnet. 14 Vgl. BFH v. 28.11.2016 – GrS 1/15, BStBl. II 2017, 393. Zur Darstellung des Urteilssachverhalts vgl. Holzner, DStRK 2017, 91. Zur Diskussion Hiller/Baschnagel, DStZ 2017, 353 ff.; Hiller/Baschnagel, DStZ 2018, 17 ff.; Hiller/Baschnagel, DStZ 2018, 537 ff. 15 Vgl. auch Levedag in Schmidt, EStG39, § 3a Rz. 1 ff.

Hiller | 89

Anh. zu § 243 Rz. 42 | Das Maßgeblichkeitsprinzip 42 § 3a Abs. 1 Satz 3 EStG nF regelt dabei: „Insbesondere ist der niedrigere Teilwert, der nach § 6 Abs. 1 Nr. 1

Satz 2 und Nr. 2 Satz 2 angesetzt werden kann, im Sanierungsjahr und im Folgejahr anzusetzen“. Damit wird das Wahlrecht zur Vornahme einer Teilwertabschreibung eingeschränkt und es besteht eine Pflicht zur Teilwertabschreibung im Sanierungs- bzw. Folgejahr.1 „Es ist daher sachlich gerechtfertigt, eine pauschalierende Regelung zu treffen, wonach einerseits der Sanierungsgewinn in voller Höhe steuerfrei gestellt wird und andererseits sämtliche Möglichkeiten einer Verlustverrechnung ausgeschlossen werden.“2 2. Absetzung für außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzung (AfaA)

43 § 7 Abs. 1 Satz 7 EStG regelt die Absetzung für außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnut-

zung (AfaA). Eine AfaA ist zulässig, wenn die Verwendbarkeit eines Wirtschaftsguts aufgrund von außergewöhnlichen wertbeeinflussenden Verhältnissen beeinträchtigt ist.3 So reichen ein gewöhnlicher Verschleiß, mangelnde Ertragsfähigkeit oder eine allgemeine Wertminderung nicht, um eine AfaA vornehmen zu können.4 Somit werden von einer AfaA nicht alle Formen der Wertminderung erfasst.5

44 Zwar hat die Absetzung für außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzung (AfaA) keine han-

delsrechtliche Entsprechung durch das Niederstwertprinzip (§ 253 Abs. 3 Satz 5 HGB), kann jedoch bei positiver Wahlrechtsausübung zur Vornahme einer AfaA ein Gleichlauf zwischen Handels- und Steuerrecht erreicht werden. Die AfaA ist steuerlich von der Teilwertabschreibung abzugrenzen.6 Zur Vornahme einer AfaA sind alle Steuerpflichtigen berechtigt, wohingegen eine Teilwertabschreibung nur bei Gewinnermittlung durch einen Betriebsvermögensvergleich durchführbar ist.7 In Abgrenzung hierzu ist eine Teilwertabschreibung bei jeder Form von Wertsenkung zulässig, sofern diese dauerhaft ist.8 Sollte der Anwendungsbereich beider Abschreibungsmethoden gleichzeitig eröffnet sein, so ergibt sich ein Vorrang der AfaA vor der Teilwertabschreibung.9

45 Wesentlicher Unterschied beider Abschreibungen ist auch, dass die AfaA einen Abschlag von den bisherigen

Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten vornimmt,10 wohingegen der Teilwert einen eigenständigen Bewertungsmaßstab darstellt.11 Die AfaA lässt sich damit aus dem Realisationsprinzip ableiten,12 wohingegen sich die Teilwertabschreibung aus dem Imparitätsprinzip ergibt.13 Die nachstehende Tabelle liefert dabei einen Überblick über die Unterscheidungen zwischen AfaA und Teilwertabschreibung.14 Instrument: AfaA

Teilwertabschreibung

Vergleichskriterium: Norm

§ 7 Abs. 1 Satz 7 EStG

§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 EStG § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 EStG

Berechtigung zur Vornahme

bei allen Einkunftsarten zulässig

zulässig nur bei Betriebsvermögensvergleich

Bewertungsobjekte

nur abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens

alle Wirtschaftsgüter

Steuerpflichtige

Steuerpflichtige, die den Gewinn nach Bestandsvermögensvergleich ermitteln und Einnahme-Überschussrechner

Steuerpflichtige, die den Gewinn nach Bestandsvermögensvergleich ermitteln

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14

Vgl. Prinz, StuB 2017, 691. BR-Drucks. 59/1/17 v. 27.2.2017, 16. Vgl. auch Kulosa in Schmidt, EStG39, § 7 Rz. 181 ff. Vgl. BFH v. 8.7.1980 – VIII R 176/78, BStBl. II 1980, 743; BFH v. 27.1.1993 – IX R 146/90, BStBl. II 1993, 702. Vgl. Lenzen, WPg 1964, 347. Vgl. Glade, DB 2000, 844; Karrenbrock, SteuerStud 2011, 437. Vgl. BFH v. 24.11.1955 – IV 231/53 U, BStBl. III 1956, 38; BFH v. 21.6.2006 – XI R 49/05, BStBl. II 2006, 712; Plückebaum, DB 1962, 1385. Vgl. BFH v. 8.7.1980 – VIII R 176/78, BStBl. II 1980, 743; Mayr, ÖStZ 2001, 230; Günkel, StbJb 2000, 206 f. Vgl. ua. Mayr, ÖStZ 2001, 230. Vgl. Glade, DB 2000, 845 f. Die AfaA ist somit an keinen anderen Bewertungsmaßstab gebunden, vgl. Kahle/Heinstein, DStZ 2007, 142. Vgl. Glade, DB 2000, 845; Gabert, Der Bewertungsmaßstab des Teilwerts im Bilanzsteuerrecht, 92; Schlotter, Teilwertabschreibung und Wertaufholung zwischen Steuerbilanz und Verfassungsrecht, 57. Vgl. Groh, DB 1999, 984; Glade, DB 2000, 844; Plückebaum, DB 1962, 1387; Mayr, ÖStZ 2001, 228. Vgl. Dauber, Das Realisationsprinzip als Grundprinzip der steuerrechtlichen Gewinnermittlung, 237. Vgl. Hiller/Biebinger, DStZ 2016. 620.

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B. Wahlrechtsausübung | Rz. 49 Anh. zu § 243 Instrument: AfaA Vergleichskriterium: GoB-Prinzip

Teilwertabschreibung

Realisationsprinzip

Imparitätsprinzip

Abwertungsursachen

außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzung

alle Wertminderungen

Abwertungszeitraum

dauerhafte Wertminderung

dauerhafte Wertminderung

Höhe der erfassbaren Wertminderung

ausgehend von den fortgeführten Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten

Differenz zwischen Restbuchwert und Teilwert

Wertaufholungsursachen

Wegfall des ursprünglichen Grundes zur AfA

Wegfall des ursprünglichen Grundes zur Teilwertabschreibung und/oder Wegfall einer dauerhaften Wertminderung

3. Abweichungen vom Realisationsprinzip (§§ 6b, 6c EStG, R 6.6 EStR) Die Folgebewertung von Wirtschaftsgütern in der Steuerbilanz ist nicht frei von der Bildung stiller Reserven. 46 IdR kommt es zu einem Auflösen der stillen Reserven, wenn ein Wirtschaftsgut veräußert oder aus dem Betriebsvermögen entnommen wird. Der Teilwert stellt dabei den grundsätzlichen Bewertungsmaßstab für die Bewertung von Entnahmen dar (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Halbs. 1 EStG). Im Rahmen der Veräußerung ist das Entgelt die Grundlage für die Ermittlung der stillen Reserven. Steuerliche Normen und Verwaltungsvorschriften verhindern dabei – im Falle einer Wahlrechtsausübung – die Hebung der stillen Reserven.1 „Die Gewinnermittlungsvorschriften des § 6b und § 6c EStG verfolgen den Zweck, den durch eine Veräuße- 47 rung von Anlagevermögen entstandenen Gewinn zu Reinvestitionszwecken zu neutralisieren und bestimmte Reinvestitionen zu erleichtern.“2 § 6b EStG ermöglicht es Steuerpflichtigen, vorläufig die Besteuerung von Veräußerungsgewinnen zu verhindern, die durch die Veräußerung bestimmter Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens entstehen und diese stillen Reserven auf andere Wirtschaftsgüter zu übertragen.3 Eine Besteuerung hat möglicherweise zur Folge, dass ökonomisch sinnvolle Umstrukturierungen (in Form des Verkaufs von Wirtschaftsgütern und Kauf von neuen Wirtschaftsgütern) nicht durchgeführt werden, um die Hebung stiller Reserven und die damit verbundene Besteuerung zu vermeiden (Lock-in-Effekt). Ziel von § 6b EStG ist es, Lock-in-Effekte zu vermeiden. Dieses Ziel verfolgt § 6b EStG auf zwei Arten: Zum einen ist die erfolgsneutrale Übertragung der stillen Reserven durch Abzug von den Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten eines neuen Wirtschaftsguts möglich und zum anderen kann die Bildung einer Rücklage und ein damit zusammenhängender späterer Abzug von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines neuen Wirtschaftsguts gewählt werden.4 Durch dieses System werden die im abgehenden Wirtschaftsgut gespeicherten stillen Reserven auf ein neues Wirtschaftsgut übertragen und durch die reduzierte AfA-Bemessungsgrundlage des neuen Wirtschaftsguts werden die stillen Reserven (über die Nutzungsdauer des neuen Wirtschaftsguts) einer Besteuerung zugeführt und somit eine Stundung der Besteuerung der stillen Reserven erreicht.5 Nach § 6c Abs. 1 Satz 1 EStG ist § 6b EStG (mit Ausnahme des § 6b Abs. 4 Nr. 1 EStG) entsprechend anzu- 48 wenden, wenn der Steuerpflichtige seinen Gewinn nach Einnahmenüberschussrechnung oder im Falle von Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft nach Durchschnittssätzen ermittelt. Die genaueren Anwendungsgrundsätze von § 6c Abs. 1 Satz 1 EStG werden dabei in § 6c Abs. 2 EStG benannt.6 Auch R 6.6 EStR enthält Regelungen, welche die Gewinnrealisierung – durch Aufdeckung stiller Reserven – 49 im Falle von Ersatzbeschaffungen vermeiden. Dem Steuerpflichtigen steht dabei ein Wahlrecht zu. Voraussetzung für die Anwendung von R 6.6 EStR ist dabei, dass ein Wirtschaftsgut (sowohl Anlage- wie Umlaufvermögen) durch höhere Gewalt oder infolge oder zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs gegen Entschädigung aus dem Betriebsvermögen ausscheidet und innerhalb einer bestimmten Frist ein funktionsgleiches Wirtschaftsgut (Ersatzwirtschaftsgut) angeschafft oder hergestellt wird, auf dessen Anschaffungs1 2 3 4

Vgl. ebenfalls BMF v. 12.3.2010 – IV C 6-S 2133/09/10001, BStBl. I 2010, 239 Rz. 12. Schießl, StuB 2017, 567. Vgl. auch Loschelder in Schmidt, EStG39, § 6b Rz. 1 ff. Die Norm wirft dabei eine Reihe von Zweifels- und Auslegungsfragen auf vgl. ua. Adrian, StuB 2018, 298 ff.; Kanzler, NWB 2018, 1668 ff.; Strahl, StuB 2018, 492 ff.; Adrian, StuB 2017, 739 ff.; Geserich, NWB 2017, 2901. 5 Im Falle von nichtabnutzbaren Wirtschaftsgütern ist die Steuerstundung bis zum Tag des Abgangs aus dem Vermögen des Steuerpflichtigen befristet. 6 Vgl. zu § 6c EStG insbes. Loschelder in Schmidt, EStG39, § 6c Rz. 1 ff.

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Anh. zu § 243 Rz. 49 | Das Maßgeblichkeitsprinzip oder Herstellungskosten die aufgedeckten stillen Reserven übertragen werden. Im Falle der Wahlrechtsausübung durch den Steuerpflichtigen kommt es zu einer Abweichung von der Handels- und Steuerbilanz. 50 Für die Bildung von steuerlichen Rücklagen besteht eine Ausnahme von den Dokumentationserfordernis-

sen des § 5 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 EStG. „Soweit sich die Angaben aus der Buchführung iSd. § 6b Abs. 4 EStG ergeben, ist diese Dokumentation ausreichend.“1 4. Investitionsabzugsbeträge nach § 7g EStG

51 Im Rahmen des am 25.5.2007 verabschiedeten Gesetzes zur Unternehmensteuerreform 2008 wurde die In-

vestitionsförderung für kleine und mittlere Unternehmen nach § 7g EStG neu geregelt.2 Die bisherige Ansparabschreibung in § 7g Abs. 3–6 EStG aF wurde von dem neu eingeführten Investitionsabzugsbetrag nach § 7g Abs. 1–4 EStG mit Wirkung für alle nach dem 17.8.2007 endenden Wirtschaftsjahre ersetzt. Der Abzugsbetrag führt zu einem steuerlichen Vorziehen von Abschreibungspotenzial in ein Wirtschaftsjahr vor Anschaffung bzw. Herstellung eines nach § 7g EStG begünstigten Wirtschaftsguts.3 Im Rahmen des Gesetzes zur Umsetzung der Protokollerklärung zum Gesetz zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften („JStG 2016“)4 wurden die Vorschriften zur Inanspruchnahme von Investitionsabzugsbeträgen gem. § 7g Abs. 1–4 EStG mit Wirkung für nach dem 31.12.2015 endende Wirtschaftsjahre nochmals in zentralen Punkten geändert. Am 20.3.2017 hat das BMF nun in Abstimmung mit den obersten Finanzbehörden der Länder ein umfangreiches Schreiben veröffentlicht, in dem es zu Zweifelsfragen zu den Investitionsabzugsbeträgen nach § 7g Abs. 1–4 und 7 EStG in der aktuellen Fassung des Gesetzes Stellung nimmt.5

52 § 7g EStG gewährt sog. kleinen und mittleren Betrieben – im Zusammenhang mit einer Anschaffung oder

Herstellung von abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens – Investitionsabzugsbeträge und Sonderabschreibungen. Gem. § 7g EStG können höchstens 40 % der tatsächlichen Aufwendungen für begünstigte Wirtschaftsgüter, die innerhalb der dreijährigen Investitionsfrist angeschafft oder hergestellt werden, berücksichtigt werden. § 7g Abs. 1 Satz 4 EStG enthält dabei eine Höchstbetragsregelung. Hiernach darf die Summe der Beträge, die im Wirtschaftsjahr des Abzugs und in den drei vorangegangenen Wirtschaftsjahren insgesamt abgezogen und nicht nach § 7g Abs. 2 EStG hinzugerechnet oder nach § 7g Abs. 3 oder 4 EStG rückgängig gemacht werden, je Betrieb den Höchstbetrag von 200.000 € nicht übersteigen.6

53 Der Steuerpflichtige hat dabei ein Wahlrecht dem Grunde und der Höhe nach, ob Investitionsabzugsbeträge

gebildet werden. Es steht dem Steuerpflichtigen außerdem frei, ob er den Investitionsabzugsbetrag überhaupt in Anspruch nimmt und falls ja, so muss er den Höchstbetrag nicht in vollem Umfang ausschöpfen.7 § 7g Abs. 1 Satz 3 EStG erlaubt auch eine Inanspruchnahme des Investitionsabzugsbetrag, wenn dadurch ein Verlust entsteht oder sich erhöht.

54 Investitionsabzugsbeträge können ua. nur in Anspruch genommen werden, wenn der Steuerpflichtige die

Summen der Abzugsbeträge und der nach den Absätzen 2–4 hinzurechnenden oder rückgängig zu machenden Beträge nach amtlich vorgeschriebenen Datensätzen durch Datenfernübertragung übermittelt. Der Steuerpflichtige kann ohne weitere Angaben Abzugsbeträge für begünstigte künftige Investitionen im beweglichen Anlagevermögen bis zu einem Höchstbetrag von (unverändert) 200.000 € gewinnmindernd abziehen.

55 Der Gewinn des Wirtschaftsjahres, in dem ein oder mehrere begünstigte Wirtschaftsgüter angeschafft oder

hergestellt werden, kann gem. § 7g Abs. 2 Satz 1 EStG um 40 % der jeweiligen Anschaffungs- oder Herstellungskosten, höchstens jedoch in Höhe der insgesamt geltend gemachten und bislang noch nicht hinzugerechneten oder rückgängig gemachten Abzugsbeträge, erhöht werden. Entsprechendes gilt für nachträglich anfallende Anschaffungs- oder Herstellungskosten. Mit der Ausübung des Wahlrechts nach § 7g Abs. 2 Satz 1 EStG entscheidet der Steuerpflichtige, ob und in welchem Umfang in Anspruch genommene Investitionsabzugsbeträge getätigten Investitionen zugeordnet werden. Teilhinzurechnungen sind ebenfalls möglich.8 1 2 3 4 5 6

Vgl. BMF v. 12.3.2010 – IV C 6 - S 2133/09/10001, BStBl. I 2010, 239 Rz. 22. Vgl. in diesem Zusammenhang auch Adrian in Prinz/Kanzler, Handbuch Bilanzsteuerrecht3, Rz. 3566 ff. Zur Auswirkung auf die latenten Steuern (§ 274 HGB) vgl. ua. Weidmann, DStR 2011, 2108; Ott, StuB 2015, 403. Vgl. BT-Drucks. 18/4902. Vgl. BMF v. 20.3.2017 – IV C 7 – S 3804/08/10001, BStBl. I 2017, 423. Der BFH hat hierzu entschieden, dass ein für ein bestimmtes Wirtschaftsgut in einem Vorjahr gebildeter Investitionsabzugsbetrag in einem Folgejahr innerhalb des dreijährigen Investitionszeitraums bis zum gesetzlichen Höchstbetrag aufgestockt werden kann (BFH v. 12.11.2014 – X R 4/13, BStBl. II 2016, 38). 7 Vgl. Kulosa, DStR 2008, 133. 8 Vgl. BFH v. 12.11.2014 – X R 4/13, BStBl. II 2016, 38.

92 | Hiller

B. Wahlrechtsausübung | Rz. 61 Anh. zu § 243

Zum Ausgleich der Gewinnerhöhung durch die Hinzurechnung von Investitionsabzugsbeträgen aufgrund 56 begünstigter Investitionen können die jeweiligen Anschaffungs- oder Herstellungskosten im Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung um bis zu 40 % gewinnmindernd herabgesetzt werden (§ 7g Abs. 2 Satz 2 EStG). Die Minderung ist beschränkt auf die wirtschaftsgutbezogene Hinzurechnung nach § 7g Abs. 2 Satz 1 EStG. Auch die Bemessungsgrundlage für die AfA gem. § 7 Abs. 1 EStG, erhöhte Absetzungen und Sonder- 57 abschreibungen gem. § 7g Abs. 5 EStG sowie die Anschaffungs- oder Herstellungskosten iSd. § 6 Abs. 2, 2a EStG (geringwertige Wirtschaftsgüter/Sammelposten) verringert sich entsprechend. Mit dieser Regelung wird sichergestellt, dass die gewinnmindernde Herabsetzung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten von bis zu 40 % nicht höher ist als der tatsächlich in Anspruch genommene Investitionsabzugsbetrag. Es wird verhindert, dass für geplante Investitionen nur ein geringer Investitionsabzugsbetrag von zB 1 € in Anspruch genommen wird, bei der Investition jedoch 40 % der Anschaffungs- oder Herstellungskosten gewinnmindernd geltend gemacht werden.1 5. Bildung eines Ausgleichspostens (§ 4g EStG) § 4g EStG ermöglicht bei Überführungen den Aufschub der Besteuerung (Wahlrecht).2 Sofern ein Steuer- 58 pflichtiger vom Wahlrecht Gebrauch macht, kann der Steuerpflichtige in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen dem Buchwert und dem nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Halbs. 2 EStG anzusetzenden Wert eines Wirtschaftsguts des Anlagevermögens auf Antrag einen Ausgleichsposten bilden.3 Der Ausgleichsposten ist nach § 4 g Abs. 2 EStG im Wirtschaftsjahr der Bildung und in den vier folgenden Wirtschaftsjahren zu jeweils einem Fünftel gewinnerhöhend aufzulösen. Die Bildung und die damit zusammenhängende Auflösung des Ausgleichspostens bewirkt eine (zinslose) 59 Streckung der Besteuerung der stillen Reserven und steht insofern im Einklang mit den aktuellen EuGHUrteilen zur Entstrickung.4 Kritikwürdig aus europarechtlicher Sicht ist, dass die Wahlrechtsausübung nur für im Inland unbeschränkt steuerpflichtige natürliche Personen, Personengesellschaften und Körperschaften iSd. KStG möglich ist und auch nur für Wirtschaftsgüter des Anlage- und nicht für Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens.5 6. Erhöhte AfA (§§ 7g, 7h, 7i und 7b EStG) Wesentliche Unterschiede im Wertansatz zwischen Handels- und Steuerrecht werden auch durch unter- 60 schiedliche Sonderabschreibungen induziert. So eröffnet § 7g Abs. 5 EStG ein Wahlrecht zur Durchführung einer Sonderabschreibung bei abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens. Hiernach dürfen bis zu insgesamt 20 % der Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten im Jahr der Anschaffung oder Herstellung und in den vier folgenden Wirtschaftsjahren in Anspruch genommen werden. Die Vornahme dieser Sonderabschreibung ist dabei an bestimmte Größenmerkmale geknüpft. Außerdem ist es notwendig, dass das Wirtschaftsgut, für welches die Sonderabschreibung vorgenommen wird, im Jahr der Anschaffung oder Herstellung und im darauffolgenden Wirtschaftsjahr in einer inländischen Betriebsstätte des Betriebs des Steuerpflichtigen ausschließlich oder fast ausschließlich betrieblich genutzt wird (§ 7g Abs. 6 Nr. 2 EStG).

Daneben eröffnen auch § 7h EStG – erhöhte Absetzungen bei Gebäuden in Sanierungsgebieten und 61 städtebaulichen Entwicklungsbereichen – und § 7i EStG – erhöhte Absetzungen bei Baudenkmalen – Wahlrechte zur erhöhten AfA, welche ebenfalls unabhängig von der Abschreibung im Handelsrecht ausgeübt werden können. Die erhöhte AfA ersetzt dabei die planmäßige AfA. Mit dem Gesetz zur Förderung des Mietwohnungsneubaus wurde § 7b EStG eingeführt. Diese Norm eröffnet eine Sonderabrechnung von

1 „Überkompensationsverbot“ auf Vorschlag des Bundesrates, vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 16/5377, 12 und ua. Melchior, DStR 2007, 1230. Zur Erörterung auch Adrian in Prinz/Kanzler, Handbuch Bilanzsteuerrecht3, Rz. 3465 ff. 2 Vgl. Kupsch/Schulte-Krumpen in Brähler/Lösel (Hrsg.), FS Djanani, 478 ff. Zu § 4g EStG vgl. auch Heinicke in Schmidt, EStG39, § 4g Rz. 1 ff. 3 § 4g EStG ist bei Gewinnrealisierungen des UmwStG gem. § 4g Abs. 1 Satz 5 nicht anwendbar. 4 So National Grid Indus B.V. (EuGH v. 29.11.2011 – C-371/10, DStR 2011, 2334); Kommision – Portugal (EuGH v. 6.9.2012 – C-38/10, IStR 2012, 763); DMC (EuGH v. 23.1.2014 – C-164/12, IStR 2014, 106, mit Kommentaren Mitschke, IStR 2014, 111; Sydow, DB 2014, 265); Fall Verder LabTec (EuGH v. 21.5.2015 – C-657/13, DStR 2015, 1166). 5 Vgl. ua. auch Kahle/Beinert, FR 2015, 585.

Hiller | 93

Anh. zu § 243 Rz. 61 | Das Maßgeblichkeitsprinzip jährlich bis zu 5 % (zusätzlich zur regulären Abschreibung) und zielt auf die Förderung des Mietwohnungsneubaus ab.1 7. Wahlrechte bei Umwandlungsvorgängen 62 Durch einen Umwandlungsvorgang kommt es idR zu einer Übertragung von Vermögen von einem Rechts-

träger auf einen anderen Rechtsträger, welche handels- und steuerrechtliche Werterfassung bedingt.2 Im Umwandlungsfall können die Wertansatzmöglichkeiten sowohl zwischen Handels- und Steuerbilanz als auch zwischen übertragendem und übernehmendem Rechtsträger variieren. Vermögensübertragungen stellen für den übertragenden Rechtsträger – nach Auffassung der Finanzverwaltung – regelmäßig einen Veräußerungsvorgang dar, während es sich beim übernehmenden Rechtsträger um einen Anschaffungsvorgang handelt.3 In der Steuerbilanz sind die übergehenden Wirtschaftsgüter – sofern ein Buchwert- bzw. Zwischenwertansatz nicht gewählt wird oder werden kann – mit ihrem gemeinen Wert anzusetzen. Durch diese Wahlrechte zum Ansatz des Buch-, Zwischen oder gemeinen Wertes kann es zu einem Auseinanderfallen von Handels- und Steuerbilanz kommen.

63 Bis zur Einführung des SEStEG galt der die materielle, formelle und umgekehrte Maßgeblichkeit einschließen-

de Maßgeblichkeitsgrundsatz auch im Umwandlungsfall.4 Dieses von der Finanzverwaltung bis dahin vertretene Konzept der umwandlungssteuerlichen Maßgeblichkeit knüpfte insbes. an die formelle Maßgeblichkeit an.5 Durch das SEStEG wurde das umwandlungssteuerliche Maßgeblichkeitsprinzip aufgegeben.6 Im aktuellen UmwStG findet sich zwar keine ausdrückliche Kodifizierung der Nichtgeltung des Maßgeblichkeitsgrundsatzes, jedoch geht diese aus der Gesetzesbegründung hervor.7 Dieser gesetzgeberische Wille ergibt sich auch aus dem Regelansatz zum gemeinen Wert beim übertragenden Rechtsträger, mit dem bereits eine Durchbrechung des Anschaffungskostenprinzips einhergehen kann. Die Wertansätze in der steuerlichen Schlussbilanz des übertragenden Rechtsträgers werden somit unabhängig von den Wertansätzen in der Handelsbilanz ermittelt.8

64 Dabei war es strittig, ob es beim übernehmenden Rechtsträger eine sog. nachlaufende Maßgeblichkeit gibt.

Danach müssten bestimmte Wirtschaftsgüter, die im Rahmen des Umwandlungsvorgangs in der Handelsbilanz höher als in der Steuerbilanz bewertet wurden, zum nächsten Bilanzstichtag aufgrund der dann wieder geltenden Maßgeblichkeit des § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG zugeschrieben werden.9 Im UmwStE 2011 wurde dabei die Abkehr auch von einer solchen phasenverschobenen Maßgeblichkeit bestätigt.10 Nach BilMoG war eine andere Auffassung auch schwerlich möglich, da die phasenverschobene Wertaufholung eine formelle Maßgeblichkeit voraussetzte,11 welche seitdem nicht mehr vorhanden ist. Auf die materielle Maßgeblichkeit kann sich eine phasenverschobene Wertverknüpfung nicht stützen, da Letztere gleiche Wertansätze verlangt.12

1 Vgl. Feldgen in Korn, EStG, § 7b Rz. 1 ff. (Stand Jul. 2019). Zu den Details vgl. ua. Rätke, BBW 2019, 878 ff.; Mohaupt, BBK 2019, 2153; Morawitz, BBK 2020, 87 ff.; Karrenbrock/Keiper, NWB 2020, 264 ff.; 2 Vgl. zur Diskussion auch Prinz in Prinz/Kanzler, Handbuch Bilanzsteuerrecht3, Rz. 415. 3 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 – S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 00.02. Vgl. zur Kritik zB Hageböke, Ubg 2011, 689 ff.; Bünning, BB 2012, 243 f. 4 Zur Analyse auch Kahle/Hiller/Vogel, FR 2012, 789 ff. mwN. 5 Vgl. Prinz, StuB 2007, 126. Ob allerdings tatsächlich nach altem Recht eine umfassende umwandlungssteuerliche Maßgeblichkeit herrschte, ist fraglich, vgl. Prinz, StuB 2007, 129, mit Verweis auf BFH v. 19.10.2005 – I R 38/04, BStBl. II 2006, 568. 6 Vgl. BT-Drucks. 16/2710, 34; BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 – S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314, Rz. 03.04, 11.05; Prinz, StuB 2007, 125; Rödder, DStR 2011, 1060; Kahle/Hiller/Vogel, FR 2012, 789 ff.; Duscha, NWB Beil. 2/ 2019, 18. 7 Vgl. BT-Drucks. 16/2710, 34; Prinz, StuB 2007, 129. Spätestens mit der Einführung des BilMoG wäre das umwandlungssteuerliche Maßgeblichkeitsprinzip ohnehin nicht mehr haltbar gewesen. 8 Die Aufgabe des umwandlungssteuerlichen Maßgeblichkeitsgrundsatzes war auch deshalb notwendig geworden, da ansonsten die Regelrechtsfolge der Aufdeckung der gemeinen Werte im In- und Auslandsfall uU nicht möglich gewesen wäre. Vgl. Prinz, StuB 2007, 125. Das umwandlungssteuerliche Entstrickungskonzept, das regelmäßig den Ansatz des gemeinen Wertes verlangt, hätte ohne Möglichkeit zur handelsrechtlichen Aufstockung nicht umgesetzt werden können. Vgl. Prinz, StuB 2007, 129. Zudem kennen zahlreiche EU-ausländische Staaten ein Maßgeblichkeitsprinzip deutscher Prägung nicht, wodurch bei Beibehaltung der umwandlungssteuerlichen Maßgeblichkeit grenzüberschreitende Umwandlungen vor gravierende bilanzielle Hürden gestellt worden wären. Weiterhin wäre ansonsten in bestimmten Fällen eine Anknüpfung an ausländisches Handelsbilanzrecht notwendig geworden, was aber schwer umsetzbar gewesen wäre. Vgl. Rödder/Schumacher, DStR 2007, 372. 9 Vgl. ua. Teiche, DStR 2008, 1758. 10 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 – S 1978-b/08/10001, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 04.04; Bogenschütz, Ubg 2011, 397; Rödder, DStR 2011, 1060; Schumacher/Neitz-Hackstein, Ubg 2011, 413, 36. 11 Vgl. Teiche, DStR 2008, 1761. 12 Vgl. Teiche, DStR 2008, 1761.

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B. Wahlrechtsausübung | Rz. 68 Anh. zu § 243

Zudem besteht ein steuerlicher Bewertungsvorbehalt aufgrund von § 5 Abs. 6 EStG, unter welchen auch 65 die umwandlungssteuerrechtlichen Vorschriften etwa der §§ 3, 4, 11, 12 UmwStG zu subsumieren sind.1 Danach tritt der übernehmende Rechtsträger etwa gem. § 4 Abs. 2 Satz 1 UmwStG ohnehin in die Wertaufholungsverpflichtung des übertragenden Rechtsträgers ein. Für eine phasenverschobene Wertaufholung aufgrund des Maßgeblichkeitsgrundsatzes gibt es daher keine Rechtsgrundlage.2 Zusammenfassend bestehen seither autonom auszuübende echte steuerliche Wahlrechte beim übertragenden bzw. übernehmenden Rechtsträger.3

IV. Übereinstimmende Wahlrechtsausübung (formelle Maßgeblichkeit) 1. Einbezug von Fremdkapitalzinsen in die Herstellungskosten (§ 255 Abs. 3 Satz 2 HGB) Zinsen für Fremdkapital gehören gem. § 255 Abs. 3 Satz 1 HGB nicht zu den Herstellungskosten. Wird das 66 Fremdkapital allerdings zur Finanzierung der Herstellung eines Vermögensgegenstands verwendet, dürfen die Zinsen angesetzt werden, soweit sie auf den Zeitraum der Herstellung entfallen. Insoweit gelten4 sie nach § 255 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 HGB als Herstellungskosten des Vermögensgegenstands. Werden solche Fremdkapitalzinsen handelsbilanziell in die Herstellungskosten des handelsrechtlichen Ver- 67 mögensgegenstands einbezogen, so sind sie nach Auffassung der Finanzverwaltung – mangels angenommener steuerrechtlicher Regelung – iSd. formellen Maßgeblichkeit auch in die Herstellungskosten des entsprechenden steuerrechtlichen Wirtschaftsguts einzubeziehen.5 Zwar schließen sich dieser Auffassung gewichtige Literaturstimmen an.6 Bemerkenswert ist hierbei allerdings, dass der BFH neuerdings bei nicht bilanzierenden Steuerpflichtigen, die ihren Gewinn durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln – unter Bezugnahme auf das Prinzip der Gesamtgewinngleichheit7 – wohl ein steuerrechtlich eigenständiges Wahlrecht annimmt.8 2. Einbezug der allgemeinen Verwaltungskosten in die Herstellungskosten (§ 255 Abs. 2 Satz 3 HGB und § 6 Abs. 1 Nr. 1b EStG) Die Herstellungskosten haben umfassende Anwendungsbereiche in der Handels- und Steuerbilanz und kön- 68 nen als originäre Bewertungsmaßstäbe angesehen werden. Insbes. sind die Herstellungskosten für die Zugangsbewertung von Vermögensgegenständen (bzw. Wirtschaftsgütern) relevant (§ 255 Abs. 2 und 3 HGB sowie § 255 Abs. 2, 2a und 3 HGB).9 Werden gem. § 255 Abs. 2 Satz 3 HGB (a) angemessene Teile der Kosten der allgemeinen Verwaltung sowie (b) angemessene Aufwendungen für soziale Einrichtungen des Betriebs, für freiwillige soziale Leistungen und für die betriebliche Altersversorgung handelsbilanziell nicht in die Berechnung der Herstellungskosten einbezogen, so sollen diese gem. § 6 Abs. 1 Nr. 1b EStG10 iS einer formellen Maßgeblichkeit auch steuerbilanziell nicht in die Berechnung der Herstellungskosten einbezogen werden. Insofern ist eine Analogie zum Einbezug von Fremdkapitalzinsen (§ 255 Abs. 3 HGB) festzustellen.11

1 2 3 4

5 6 7 8 9 10

11

Vgl. Ley/Bodden, FR 2007, 272; Haritz/Paetzold, FR 1998, 355. In diesem Sinne auch Teiche, DStR 2008, 1763; Haritz/Paetzold, FR 1998, 358. Vgl. Prinz, StuB 2007, 129. Die Formulierung „gelten“ stellt klar, dass es sich hierbei originär nicht um Herstellungskosten im betriebswirtschaftlichen Sinn handelt. Folglich ist nicht von einem Bewertungswahlrecht, sondern von einem Einbeziehungswahlrecht einer Bewertungshilfe auszugehen. Bei Inanspruchnahme dieses Wahlrechts haben anhangspflichtige Bilanzierende gem. § 284 Abs. 2 Nr. 4 HGB eine Anhangsangabe zu machen, vgl. Schubert/Hutzler in Beck BilKomm.12, § 255 Rz. 502. Vgl. BMF v. 12.3.2010 – IV C 6-S 2133/09/10001, BStBl. I 2010, 239 Rz. 6. Vgl. Weber-Grellet, DB 1994, 2408; Kulosa in Schmidt, EStG39, § 6 Rz. 206. Zur Analyse auch Sopp/Richter/Meyering, StuW 2018, 242. Dazu eingehend BFH v. 22.6.2010 – VIII R 3/08, BStBl. II 2010, 1035 mwN. Vgl. BFH v. 23.5.2012 – IX R 2/12, BStBl. II 2012, 67 Rz. 11; noch aA BFH v. 7.11.1989 – IX R 190/85, BStBl. II 1990, 460; Kulosa in Schmidt, EStG39, § 6 Rz. 206. Zur Analyse der Herstellungskosten vgl. Hiller, Bewertungsmaßstäbe im Bilanzsteuerrecht, 97 ff. mwN. Voraussichtlich gültig nach Verkündung des Gesetzes zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens, dem der Bundesrat bereits am 17.6.2016 zustimmte, vgl. BR-Drucks. 255/16 Beschluss. Vgl. hierzu auch Hiller/Eichholz, DStZ 2016, 459 ff.; Velte, StuB 2016, 407 ff.; Kulosa in Schmidt, EStG39, § 6 Rz. 199 f.; Sopp/Richter/Meyering, StuW 2018, 242 f. Zur den hier angesprochenen Kosten vgl. Müller/Kreipl in Haufe BilKomm.10, § 255 HGB Rz. 136 ff.

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Anh. zu § 243 Rz. 69 | Das Maßgeblichkeitsprinzip 69 Die Frage hinsichtlich des Einbezugs der allgemeinen Verwaltungskosten in die Herstellungskosten war da-

bei in den letzten Jahren umstritten. Im BMF-Schreiben v. 12.3.2010 brachte das BMF erstmals zum Ausdruck, dass die in § 255 Abs. 2 Satz 3 HGB aufgeführten Kosten zwingend zu den steuerlichen Herstellungskosten zählen.1 Damit nahm die Finanzverwaltung Abstand von R 6.3 Abs. 4 EStR 2008, wo ein Wahlrecht zum Einbezug vorgesehen war. Nach anhaltender Kritik im Schrifttum2 wurde durch BMF-Schreiben vom 22.6.2010 die Rz. 8 des BMF-Schreibens vom 12.3.2010 suspendiert.3 Der Vollkostenansatz wurde von der Finanzverwaltung mit einem BFH-Urteil aus dem Jahr 1993 begründet.4

70 Ein Ableiten des Vollkostenansatzes aus dem BFH-Urteil vom 21.10.1993 überzieht jedoch den Entschei-

dungstenor, da hier die Frage hinsichtlich der steuerlichen Aktivierung von Material- und Fertigungsgemeinkosten erörtert wurde.5 Im Urteil wird zwar einerseits ausgeführt, dass der „Ansatz mit den Herstellungskosten bedeutet, daß die Wirtschaftsgüter grds. mit den vollen Herstellungskosten anzusetzen sind. Das Gesetz lässt nach seinem klaren Wortlaut nicht zu, daß die Wirtschaftsgüter nur mit einem Teil ihrer Anschaffungs- oder Herstellungskosten angesetzt werden dürfen, es somit im Belieben des Steuerpflichtigen liege, Teile der Herstellungskosten zu aktivieren, von der Aktivierung anderer Teile der Herstellungskosten aber abzusehen.“6 Im Urteil wurde die Frage, ob Kosten der allgemeinen Verwaltung und soziale Aufwendungen zu aktivieren sind, unbeantwortet gelassen.

71 Rechtsicherheit schaffte der Gesetzgeber durch die Einführung von § 6 Abs. 1 Nr. 1b EStG. Diese Norm

wurde durch das Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens eingeführt und vom Gesetzgeber mit „einer erheblichen Vereinfachung der Herstellungskostenermittlung [begründet], da [...] Aufwendungen [...] nicht mehr gesondert ermittelt und durch entsprechende Schlüssel den am Bilanzstichtag zu bewertenden teilfertigen und fertigen Erzeugnissen zugeordnet werden müssen; dieser Aufwand entstände dann, wenn handelsrechtlich auf die Ausübung des Aktivierungswahlrechts nach § 255 Abs. 2 Satz 3 HGB verzichtet wird.“7

72 Nach der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Finanzausschusses8 entspricht dies der langjährigen

Verwaltungspraxis, die auch in R 6.3 Abs. 4 EStR 2008 festgehalten war und nach der auch über R 6.3 Abs. 1 EStR 2012 hinweg weiter verfahren werden darf.9 „Die Änderung führt in der steuerlichen Gewinnermittlung zu einer erheblichen Vereinfachung der Herstellungskostenermittlung, da die Verwaltungsgemeinkosten sowie die Aufwendungen für soziale betriebliche Einrichtungen und die betriebliche Altersvorsorge nicht mehr [wie eigentlich gem. R 6.3 Abs. 1 EStR 2012 vorgesehen] gesondert ermittelt und durch entsprechende Schlüssel den am Bilanzstichtag zu bewertenden teilfertigen und fertigen Erzeugnissen zugeordnet werden müssen [...], wenn handelsrechtlich auf die Ausübung des Aktivierungswahlrechtes [...] verzichtet wird [...]. Dadurch wird „eine einheitliche Bewertung in der Handels- und der Steuerbilanz erreicht und sichergestellt“.10

73 Nach der hier vertretenen Auffassung verbleiben danach folgende Alternativen11 der Aktivierung von Her-

stellungskosten:

1 Vgl. BMF v. 12.3.2010 – IV C 6 – S 2133/09/10001, BStBl. I 2010, 239 Rz. 8. Zur Entwicklung vgl. Spingler/Dietter, Ubg 2013, 201 ff. 2 Vgl. Herzig/Briesemeister, DB 2010, 921; Günkel/Teschke, Ubg 2010, 401 ff.; Kaminski, DStR 2010, 771 ff.; Richter, GmbHR 2010, 507; Scheffler, StuB 2010, 295 ff. 3 Vgl. BMF v. 22.6.2010 – IV C 6 – S 2133/09/10001, BStBl. I 2010, 597. Zur Entwicklung vgl. Merker, SteuerStud 2013, 324; Spieker, DB 2013, 782. 4 Vgl. BFH v. 21.10.1993 – IV R 87/92, BStBl. II 1994, 176, zum Urteil Küting/Lorson, DStR 1994, 729 ff. 5 Vgl. Ernsting, FR 2010, 1071; Freidank/Velte, StuW 2010, 365; Philipps, BBK 2010, 472; Prinz, DB 2010, 2069; Zehetmair, Perspektiven der steuerlichen Gewinnermittlung nach BilMoG im Spannungsfeld der Internationalisierung der Rechnungslegung, 175. 6 BFH v. 21.10.1993 – IV R 87/92, BStBl. II 1994, 176 Rz. 7. 7 Vgl. BT-Drucks. 18/8434, 125. Zur Kritik Prinz, StuB 2019, 4. 8 Vgl. BT-Drucks. 18/8434, 125. 9 Vgl. BMF v. 25.3.2013 – IV C 6 - S 2133/09/10001:004, BStBl. I 2013, 296. 10 BT-Drucks. 18/8434,125. 11 AA Philipps, BBK 2016, 645, der auch eine dritte Variante, nämlich handelsbilanziell lediglich den Ansatz der Vollkosten, steuerbilanziell aber den umfangreicheren Ansatz der Vollkosten zuzüglich allgemeiner Verwaltungskosten und der Aufwendungen für soziale Einrichtungen sowie der Aufwendungen für betriebliche Altersversorgung als zulässig erachtet.

96 | Hiller

B. Wahlrechtsausübung | Rz. 74 Anh. zu § 243 Rechtsquelle: Handelsrecht

Steuerrecht entsprechend § 6 Abs. 1 Nr. 1b EStG

Kostenarten:

Steuerrecht entsprechend R 6.3. EStR 2012 (durch Kodifizierung der gesetzlichen Regelung in § 6 Abs. 1 Nr. 1b EStG mittlerweile überholt)

Materialeinzelkosten

Pflicht

Pflicht

Pflicht

Fertigungseinzelkosten

Pflicht

Pflicht

Pflicht

Sondereinzelkosten der Fertigung

Pflicht

Pflicht

Pflicht

Materialgemeinkosten

Pflicht

Pflicht

Pflicht

Fertigungsgemeinkosten

Pflicht

Pflicht

Pflicht

Verwaltungskosten des Materialund Fertigungsbereichs

Pflicht

Pflicht

Pflicht

Werteverzehr selbst erstellter immaterieller Anlagegüter, soweit durch die Fertigung veranlasst

Pflicht

Verbot

Verbot

Werteverzehr des sonstigen Anlagevermögens, soweit durch die Fertigung veranlasst

Pflicht

Pflicht

Pflicht

= Herstellungskostenuntergrenze HGB idF des BilMoG und Steuerrecht Aufwendungen für soziale Einrich- Wahlrecht tungen des Betriebs

Wahlrecht

Pflicht

Aufwendungen für freiwillige soziale Leistungen

Wahlrecht

Wahlrecht

Pflicht

Aufwendungen für die betriebliche Altersversorgung

Wahlrecht

Wahlrecht

Pflicht

Fremdkapitalzinsen

Wahlrecht (unter bestimmten Voraussetzungen)

Ansatz analog zur Ansatz analog zur HandelsHandelsbilanz (formel- bilanz (formelle Maßgeblichle Maßgeblichkeit) keit)

Allgemeine Verwaltungskosten

Wahlrecht

Wahlrecht

Pflicht

= Herstellungskostenobergrenze Vertriebskosten

Verbot

Verbot

Verbot

Forschungskosten

Verbot

Verbot

Verbot

Handelsrechtlich nicht bilanzierungspflichtige Steuerpflichtige, die ihren Gewinn steuerrechtlich nach einer übrigen Gewinnermittlungsart ermitteln, können dieses Bewertungswahlrecht in ihrer Gewinnermittlung explizit selbständig ausüben.1 3. Behandlung von Investitionszuschüssen Investitionszulagen und steuerbare Investitionszuschüsse werden idR von öffentlichen Institutionen zur För- 74 derung bestimmter Maßnahmen vergeben. Steuerlich muss dabei zwischen steuerfreien Investitionszulagen und steuerbaren Investitionszuschüssen unterschieden werden.2 Da Zuwendungen von öffentlicher Seite steuerpflichtig sind,3 muss eine Reduzierung der Anschaffungskosten erfolgen, da über ein geringeres Abschreibungsvolumen die Steuerlast erhöht wird.4 Steuerbare Investitionszuschüsse5 können wahlweise sofort als Betriebseinnahme erfasst werden oder die Anschaffungskosten des Wirtschaftsguts mindern (erfolgsneutrale Behandlung des Zuschusses).6 Steuerlich scheidet die Bildung eines Passivpostens durch R 6.5 Abs. 2

1 2 3 4 5

Vgl. BT-Drucks. 18/8434, 125. Vgl. Meyering, StuW 2009, 48. Vgl. BFH v. 17.9.1987 – III R 225/83, BStBl. II 1988, 324. Vgl. BFH v. 17.9.1987 – III R 225/83, BStBl. II 1988, 324. Diese liegen vor, wenn ein Eigeninteresse des Investitionszuschussgebers besteht, und eine Rückforderung des Zuschusses bei zweckfremder Nutzung möglich ist, vgl. BFH v. 29.4.1982 – IV R 177/78, BStBl. II 1982, 591. 6 Vgl. BFH v. 22.1.1992 – X R 23/89, BStBl. II 1992, 488; BFH v. 19.7.1995 – I R 56/94, BStBl. II 1996, 28; BFH v. 5.6.2003 – IV R 56/01, BStBl. II 2003, 801. Zur Behandlung von Zuschüssen vgl. Broemel/Endert, BBK 2014, 655 ff.

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Anh. zu § 243 Rz. 74 | Das Maßgeblichkeitsprinzip EStR (handelsrechtlich nach § 265 Abs. 5 Satz 2 HGB) allerdings aus. Handelsrechtlich besteht ebenfalls ein Wahlrecht.1 75 Strittig ist dabei, ob beide Erfassungswege tatsächlich gleichrangig anzuwenden sind. So wird stellenweise

angeführt, dass die Minderung der Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten die Grundregel darstellt und die Erfassung als Betriebseinnahme das Wahlrecht darstellt.2 Stellenweise wird jedoch genau der umgekehrte Fall angenommen.3 4. Bewertungsvereinfachungsverfahren

76 Abweichend vom Einzelbewertungsgrundsatz können Wirtschaftsgüter des Sachanlagevermögens sowie

Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe nach dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit gem. § 5 Abs. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG iVm. § 240 Abs. 3, § 256 Satz 2 HGB, R 5.4 Abs. 3 EStR mit einem Festwert angesetzt werden.4 Voraussetzung hierfür ist, dass sie regelmäßig ersetzt werden, ihr Gesamtwert für das Unternehmen von nachrangiger Bedeutung ist (max. 10 % der Bilanzsumme) und ihr Bestand in seiner Größe, seinem Wert und seiner Zusammensetzung nur geringen Veränderungen (ohne Berücksichtig von Sonderabschreibungen) unterliegt. Eine körperliche Bestandsaufnahme ist hierfür idR lediglich alle drei Jahre durchzuführen.5

77 Entsprechend können ferner gleichartige (gleiche Warengattung oder Funktion; keine wesentlichen Quali-

tätsunterschiede) oder annähernd gleichwertige (idR max. 20 % Preisunterschied)6 bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlage- oder Umlaufvermögens sowie gleichartige Wirtschaftsgüter des Vorratsvermögens gem. § 5 Abs. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG iVm. § 240 Abs. 4, § 256 Satz 2 HGB, R 6.8 Abs. 4 EStR zu einer Gruppe zusammengefasst und mit dem gewogenen Durchschnittswert bewertet werden. Wird in der Handelsbilanz vereinfachend ein Fest- oder Gruppenwert gebildet (zB für eine spezielle Kino-, Theater-7 oder Brauereibestuhlung8), so ist auch dieser nach Auffassung der Finanzverwaltung – mangels steuerrechtlich bestehender Bewertungsvorschrift – im Sinne der Maßgeblichkeit in die Steuerbilanz zu übernehmen.9 Diese Auffassung entspricht ua. auch der des BFH.10 5. Abschreibungsmethoden

78 Abnutzbare Vermögensgegenstände des Anlagevermögens sind planmäßig abzuschreiben. Dabei trifft § 253

Abs. 3 HGB keine Festlegung hinsichtlich der Abschreibungsmethoden, was bedeutet, dass das HGB jede Abschreibungsmethode zulässt, die den GoB entspricht (§ 243 Abs. 1 HGB) und dem Bilanzierer ein Ermessen für die Wahl der Abschreibungsmethode eröffnet. Handelsrechtlich können damit die lineare Abschreibung, die geometrisch-degressive Abschreibung, eine Kombination aus geometrisch-degressiver und linearer Abschreibung sowie der Abschreibung nach Inanspruchnahme (Werteverzehr bzw. leistungsabhängige Abschreibung) zum Einsatz kommen.

79 Für steuerliche Zwecke regelt § 7 EStG die zulässigen Abschreibungsverfahren, die den handelsrechtlichen

Abschreibung bei Abweichungen vorgehen (§ 5 Abs. 6 EStG).11 Die lineare Abschreibung ist dabei für abnutzbare Wirtschaftsgüter vorgesehen (§ 7 Abs. 1 Satz 1 und 2 EStG).12 Für neu hergestellte oder angeschaffte Gebäude ist eine lineare AfA vorgesehen (§ 7 Abs. 4 EStG), wobei der Abschreibungssatz zwischen 2 % und 3 % liegt und somit gesetzlich normiert ist. Für die übrigen Fälle führt das BMF die Nutzungsdauer in den AfA-Tabellen aus, weswegen Abweichungen zwischen handels- und steuerrechtlicher Bewertung entstehen können. Die Wahl der Abschreibungsmethode und auch die Wechsel von der Abschreibungsmethode kann dabei unabhängig von der Handelsbilanz getroffen werden.13 Die Wahlrechtsausübung ermöglicht es

1 Vgl. IDW HFA 2/1996 in der Fassung von 2010. 2 Vgl. BFH v. 14.7.1988 – IV R 78/85, BStBl. II 1989, 189. 3 Vgl. BFH v. 22.1.1992 – X R 23/89 BStBl. II 1993, 488. Ebenfalls BMF v. 12.3.2010 – IV C 6 - S 2133/09/10001, BStBl. I 2010, 239 Rz. 23. 4 Vgl. auch Kahle in HdJ, VII/1 Rz. 241 (Stand Feb. 2019). 5 Vgl. BMF v. 8.3.1993 – IV B 2 – S 2174 a – 1/93, BStBl. I 1993, 276. 6 Vgl. Störk/Philipps in Beck BilKomm.12, § 240 Rz. 137. 7 Vgl. BFH v. 5.10.1966 – II 2/64, BStBl. III 1967, 686. 8 Vgl. BFH v. 17.5.1968 – VI R 227/67, BStBl. II 1968, 567. 9 Vgl. BMF v. 12.3.2010 – IV C 6 - S 2133/09/10001, BStBl. I 2010, 239 Rz. 7. 10 Vgl. BFH v. 26.8.1993 – IV R 127/91, BStBl. II 1994, 232 Rz. 7. 11 Zur Diskussion auch Scheffler, DK 2016, 485. 12 Für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die nach dem 31.12.2008 und vor dem 1.1.2011 angeschafft oder hergestellt wurden ist gem. § 7 Abs. 2 EStG eine degressive Abschreibung möglich (Wahlrecht). 13 Vgl. BMF v. 12.3.2010 – IV C 6 - S 2133/09/10001, BStBl. I 2010, 239 Rz. 18.

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B. Wahlrechtsausübung | Rz. 82 Anh. zu § 243

dem Steuerpflichtigen aber auch einen Gleichlauf zwischen handels- und steuerrechtlicher Abschreibung zu erreichen. Ein Gleichlauf zwischen handels- und steuerrechtlicher Bewertung kann auch hinsichtlich der Sofort- 80 abschreibung gem. § 6 Abs. 2 EStG erreicht werden.1 Diese Norm eröffnet die Möglichkeit einer Sofortabschreibung auf sog. geringwertige Wirtschaftsgüter (GWG). Voraussetzung für die Vornahme einer Softabschreibung ist, dass die Anschaffungs- oder Herstellungskosten – vermindert um einen darin enthaltenen Vorsteuerbetrag – 800 € (bzw. bis einschließlich Veranlagungszeitraum 2016: 410 €) nicht übersteigen.2 Außerdem muss es sich beim GWG um ein abnutzbares bewegliches Wirtschaftsgut des Anlagevermögens handeln, welches zu einer selbständigen Nutzung fähig ist. Die Möglichkeit zur Sofortabschreibung wird dabei „handelsrechtlich auch im Jahresabschluss unter GoB-Aspekten und pragmatischen Wirtschaftlichkeitsüberlegungen akzeptiert [...]. Die Anhebung der GWG-Obergrenze auf 800 € (netto) ab 2018 verstärkt die Bedeutung dieses Wahlrechts für Handels- und Steuerbilanz gleichermaßen.“3 Der Stetigkeitsgrundsatz ist bei der Behandlung geringwertiger Wirtschaftsgüter unbeachtlich.4 Hinsichtlich der Verzeichnisführung bestehen dabei Besonderheiten. Soweit die Angaben bereits im Anla- 81 genverzeichnis oder in einem Verzeichnis für geringwertige Wirtschaftsgüter (§ 6 Abs. 2 Satz 4 EStG) ersichtlich sind, ist diese Dokumentation ausreichend.5 In Gesamtschau ergibt sich damit folgendes Bild hinsichtlich der wesentlichen Abweichungen in Handels- 82 und Steuerrecht.6 Handelsrecht

Steuerrecht

selbst erstellte immaterielle Vermögensgegenstände

Aktivierungswahlrecht gem. § 248 Abs. 2 Aktivierungsverbot gem. § 5 Abs. 2 EStG HGB, ausgenommen selbstgeschaffene Marken, Drucktitel, Verlagsrechte, Kundenlisten oder vergleichbare immaterielle Wirtschaftsüger des Anlagevermögens

Disagio (RAP)

Aktivierungswahlrecht gem. § 250 Abs. 3 HGB

Aktivierungspflicht gem. § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG

Bewertung mit dem beizulegenden Zeitwert

Handelsbestand bei Kreditinstituten gem. § 340e Abs. 3 Satz 1 HGB; Vermögensgegenstände, die Teil eines Deckungsvermögens sind gem. § 246 Abs. 2 Satz 2 und 3 HGB; Rückstellungen für Altersversorgungsverpflichtungen gem. § 253 Abs. 1 Satz 3 HGB

nach § 6 Abs. 1 Nr. 2b EStG haben lediglich Steuerpflichtige, die in den Anwendungsbereich des § 340 HGB fallen, eine Bewertung mit dem beizulegenden Zeitwert durchzuführen

steuerfreie Rücklagen

Passivierungsverbot

Passivierungswahlrecht gem. § 6b EStG, R 6.6 EStR

langfristige unverzinsliche Verbindlichkeiten

mit ihrem Erfüllungsbetrag anzusetzen mit einer Laufzeit größer als einem Jahr gem. § 253 Abs. 1 HGB, dh. idR erfolgt kei- abzuzinsen gem. § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG ne Abzinsung, auch nicht bei unverzinslichen Verbindlichkeiten

Drohverlustrückstellungen

Passivierungsgebot, § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB

Passivierungsverbot gem. § 5 Abs. 4a EStG

Jubiläumskostenrückstellungen

Passivierungsgebot, § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB

Einschränkungen gem. § 5 Abs. 4 EStG; hiernach dürfen Jubiläumskostenrückstellung nur gebildet werden, wenn das Dienstverhältnis mindestens 10 Jahre bestand, das Dienstjubiläum eine Mindestzugehörigkeit zum Unternehmen von 15 Jahren erfordert, die Zusage schriftlich

1 Vgl. auch Kulosa in Schmidt, EStG39, § 6 Rz. 651 ff. 2 Gem. BFH v. 17.12.1974 – VIII R 66/71, BStBl. II 1975 II, 365 wird die Vorsteuer damit nicht in die jeweils gültige Wertgrenze einbezogen und zwar unabhängig von der Frage, ob der Steuerpflichtige zum Vorsteuerabzug berechtigt ist oder nicht. 3 Prinz, StuB 2017, 691. 4 Vgl. Kahle in HdJ, VII/1 Rz. 190 (Stand Feb. 2019). 5 Vgl. BMF v. 12.3.2010 – IV C 6-S 2133/09/10001, BStBl. I 2010, 239 Rz. 20. 6 Vgl. zur näheren Erörterung der nachstehenden Fälle auch Hörhammer/Schumann in Prinz/Kanzler, Handbuch Bilanzsteuerrecht3, Rz. 2586 ff. mwN.

Hiller | 99

Anh. zu § 243 Rz. 82 | Das Maßgeblichkeitsprinzip Handelsrecht

Steuerrecht erteilt wurde und der Zuwendungsberechtige seine Anwartschaft nach dem 21.12.1992 erwirbt.

Rückstellungen wegen Auflösung bei Wegfall des Grundes gem. Verletzung fremder Pa- § 249 Abs. 2 Satz 2 HGB tente

Rückstellungen für künftige aktivierungspflichtige Aufwendungen

Passivierungspflicht, soweit künftige Anschaffungs-/Herstellungskosten eines Vermögensgegenstands höher sind als der Zeitwert gem. § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB

Dürfen erst angesetzt werden, wenn Rechtsinhaber Ansprüche geltend gemacht hat und mit einer Inanspruchnahme ernsthaft zu rechnen ist. Auflösung innerhalb von drei Jahren, wenn keine Geltendmachung gem. § 5 Abs. 3 Satz 2 EStG erfolgt. Passivierungsverbot gem. § 5 Abs. 4b EStG.1

Rückstellungen für la- Passivierungspflicht, § 274 Abs. 1 HGB tente Steuern ggf. saldiert mit aktiven latenten Steuern (gilt nur für nur KapG und gleichgestellte PersG)

Passivierungsverbot

Rückstellungensbewertung

Rückstellungen sind mit einem von der deutschen Bundesbank ermittelten durchschnittlichen Marktzinssatz der vergangenen sieben Jahre oder alternativ mit einer pauschalen Abzinsung mit dem durchschnittlichen Marktzinssatz bei angenommener Laufzeit von 15 Jahren abzuzinsen (§ 253 Abs. 2 HGB)

Abzinsung mit 5,5 % gem. § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e EStG

Pensionsrückstellungen

Rückstellungen mit einer Restlaufzeit von Abzinsung mit 6,0 % gem. § 6a Abs. 3 mehr als einem Jahr sind abzuzinsen mit Satz 3 EStG dem ihrer Restlaufzeit entsprechenden durchschnittlichen Marktzinssatz, der sich im Falle von Rückstellungen für Altersversorgungsverpflichtungen aus den vergangenen zehn Geschäftsjahren und im Falle sonstiger Rückstellungen aus den vergangenen sieben Geschäftsjahren ergibt (§ 253 Abs. 2 Satz 1 HGB). Rückstellungen für Altersversorgungsverpflichtungen oder vergleichbare langfristig fällige Verpflichtungen werden pauschal mit dem durchschnittlichen Marktzinssatz abgezinst, der sich bei einer angenommenen Restlaufzeit von 15 Jahren ergibt (§ 253 Abs. 2 Satz 2 HGB).

Rechnungsabgrenzungsposten für als Aufwand berücksichtigte Zölle, Verbrauchssteuern und Umsatzsteuer

Aktivierungsverbot

Aktivierungspflicht gem. § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG und § 5 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 EStG

Derivativer Geschäftsoder Firmenwert

Aktivierungspflicht und planmäßige Abschreibung über die Nutzungsdauer. Im Zweifel Abschreibungsdauer 10 Jahre gem. § 253 Abs. 4 Satz 4 HGB iVm. § 253 Abs. 4 Satz 3 HGB.

Aktivierungspflicht und planmäßige Abschreibung über 15 Jahre gem. § 7 Abs. 1 Satz 3 HGB

1 Vgl. zur Diskussion Kahle, DStZ 2017, 908 f.

100 | Hiller

C. Wesentliche (mögliche) Durchbrechungen des Maßgeblichkeitsprinzips | Rz. 85 Anh. zu § 243 Handelsrecht

Steuerrecht

Verbrauchsfolgeverfahren

Lifo und Fifo Verfahren sind gem. § 256 Abs. 1 Satz 1 HGB zulässig

Nur Lifo Verfahren (und in Ausnahmefällen auch andere Verfahren) zulässig gem. § 6 Abs. 1 Nr. 2a EStG

außerplanmäßige Abschreibung

Im Anlagevermögen hat eine außerplanmäßige Abschreibung bei einer dauerhaften Wertminderung gem. § 253 Abs. 3 Satz 5 HGB zu erfolgen.

Autonomes Wahlrecht zur Vornahme einer Teilwertabschreibung gem. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 und § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 EStG

Abschreibung bei Finanzanlagen auch bei vorübergehender Wertminderung

Wahlrecht gem. § 253 Abs. 3 Satz 6 HGB

Verbot zur Vornahme einer Teilwertabschreibung

Aktive latente Steuern Aktivierungswahlrecht, § 274 Abs. 1 Satz 2 Aktivierungsverbot HGB unter Berücksichtigung aktiver latenter Steuern auf Verlustvorträge ggf. saldiert mit passiven latenten Steuern

C. Wesentliche (mögliche) Durchbrechungen des Maßgeblichkeitsprinzips I. Selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens Immaterielle Vermögenswerte bzw. Wirtschaftsgüter haben eine zunehmende Bedeutung für Unternehmen. 83 Aus diesem Grund wurde durch den BilMoG-Gesetzgeber ein Wahlrecht zur Aktivierung von selbst geschaffenen immateriellen Vermögenswerten des Anlagevermögens in § 248 Abs. 2 Satz 1 HGB aufgenommen. Hiernach besteht ein Wahlrecht selbst geschaffene immaterielle Vermögenswerte des Anlagevermögens in der Handelsbilanz zu aktiveren.1 Ein Aktivierungsverbot besteht für Aufwendungen für selbst erstellte Marken, Drucktitel, Verlagsrechte, Kundenlisten oder vergleichbare immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens (§ 248 Abs. 2 Satz 2 HGB) sowie für Vertriebs- und Forschungskosten (§ 255 Abs. 2 Satz 4 HGB). Im Falle der Aktivierung richtet sich die Bewertung nach § 255 Abs. 2a HGB. Außerdem ist aus Gründen des Gläubigerschutzes die Bildung einer Ausschüttungssperre gem. § 268 Abs. 8 HGB iVm. § 301 AktG vorgeschrieben. Außerdem sind nach § 285 Nr. 22 HGB – im Falle der positiven Wahlrechtsausübung – der Gesamtbetrag der Forschungs- und Entwicklungskosten des Geschäftsjahres sowie der davon auf die selbst geschaffenen immateriellen Vermögensgegenstände des Anlagevermögens entfallende Betrag anzugeben. Zwar gelten die Regelungen von § 248 HGB nach § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG grds. über das Maßgeblichkeits- 84 prinzip auch in der Steuerbilanz, da hinsichtlich § 248 Abs. 1 HGB und § 248 Abs. 2 Satz 2 HGB keine Abweichungen zwischen Handels- und Steuerrecht bestehen. Im Gegensatz zur handelsrechtlichen Handhabung besteht in der Steuerbilanz für die Aktivierung immaterieller Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens gem. § 5 Abs. 2 EStG ein Aktivierungsverbot,2 sofern die immateriellen Wirtschaftsgüter nicht entgeltlich erworben wurden. Das handelsrechtliche Aktivierungswahlrecht führt zu einem Aktivierungsverbot in der Steuerbilanz.3 Nicht betroffen von dem steuerlichen Aktivierungsverbot sind immaterielle Wirtschaftsgüter des Umlaufver- 85 mögens.4 Außerdem sind Aufwendungen zur Einführung eines betriebswirtschaftlichen Softwaresystems (ERP-Software) ebenfalls zu aktivieren.5

1 Vgl. Scheffler, DK 2016, 484. 2 Vgl. Weber-Grellet in Schmidt, EStG39, § 5 Rz. 161 ff.; Adrian in Prinz/Kanzler, Handbuch Bilanzsteuerrecht3, Rz. 3152 ff. 3 Vgl. BMF v. 12.3.2010 – IV C 6-S 2133/09/10001 BStBl. I 2010, 239 Rz. 3. 4 Vgl. BFH v. 20.9.1995 – X R 225/93, BStBl. II 1997, 320. 5 Vgl. BMF v. 18.11.2005 – IV B 2 – S 2172 – 37/05, BStBl. I 2005, 1025; Adrian in Prinz/Kanzler, Handbuch Bilanzsteuerrecht3, Rz. 3199 ff. (insbes. Rz. 3203).

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Anh. zu § 243 Rz. 86 | Das Maßgeblichkeitsprinzip

II. Bewertung mit dem beizulegenden Zeitwert (§ 255 Abs. 4 HGB) 86 § 255 Abs. 4 HGB enthält eine Definition des beizulegenden Zeitwerts.1 Nach dieser Definition entspricht

der beizulegende Zeitwert dem Marktpreis (§ 255 Abs. 4 Satz 1 HGB).2 Der Vorteil einer handelsrechtlichen fair-value-Bewertung wird darin gesehen, dass der fair value stichtagsnahe anstatt tendenziell schon überholte Werte liefert.3 Ziel der Ermittlung des beizulegenden Zeitwertes ist es, den Wert so marktnah und objektiv wie möglich zu ermitteln. § 255 Abs. 4 HGB beinhaltet dabei ein dreistufiges Ermittlungsschema.4 Die Ermittlung im Rahmen der Handelsbilanz folgt einer Hierarchie: 1. Stufe: Marktpreis auf einem aktiven Markt abstellen (§ 255 Abs. 4 Satz 1 HGB; sog. Mark-to-MarketBewertung). Dieser Wert stellt einen objektiven Wert dar.5 2. Stufe: Allgemein anerkannte Bewertungsmethoden (§ 255 Abs. 4 Satz 2 HGB). Diese Bewertungsalternative gilt als „second-best-Lösung“6 und ist als Näherungslösung anzusehen. 3. Stufe: Sollte der beizulegende Zeitwert weder aus einem aktiven Markt ableitbar noch anhand allgemein anerkannter Bewertungsmethoden bestimmbar sein, so sind die Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten fortzuführen. Der zuletzt verlässlich bestimmte beizulegende Zeitwert auf einem aktiven Markt gilt hierbei als Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten (§ 255 Abs. 4 Satz 4 HGB).

87 Mit dem beizulegenden Zeitwert werden handelsrechtlich Finanzinstrumente des Handelsbestands bei Kre-

ditinstituten (§ 340e Abs. 3 Satz 1 HGB); Vermögensgegenstände, die Teil eines Deckungsvermögens sind (§ 246 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 HGB) und Rückstellungen für Altersversorgungsverpflichtungen (§ 253 Abs. 1 Satz 3 HGB) bewertet.7 Die Bewertung mit dem beizulegenden Zeitwert ist verpflichtend durchzuführen, denn ein Bewertungswahlrecht ist nicht vorhanden.8 Bei Finanzinstrumenten des Handelsbestands verringert sich der beizulegende Zeitwert um einen Risikoabschlag (§ 340e Abs. 3 Satz 1 HGB).

88 Im Vergleich zu den handelsrechtlichen Anwendungsfällen wird bilanzsteuerlich der Anwendungsbereich

für die Bewertung mit dem beizulegenden Zeitwert eingeschränkt.9 Hiernach haben gem. § 6 Abs. 1 Nr. 2b EStG lediglich Steuerpflichtige, die in den Anwendungsbereich des § 340 HGB fallen, eine Bewertung mit dem beizulegenden Zeitwert durchzuführen.10 Ohne eine gesonderte steuerbilanzielle Niederlegung in § 6 Abs. 1 Nr. 2b EStG könnte der beizulegende Zeitwert keine Anwendung über das Maßgeblichkeitsprinzip in der Steuerbilanz finden. Da § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG das Anschaffungskostenprinzip in der Steuerbilanz normiert, kann dieses Prinzip als Bewertungsvorbehalt iSv. § 5 Abs. 6 EStG interpretiert werden, was einen Ansatz des beizulegenden Zeitwertes über das Maßgeblichkeitsprinzip ausschließt.11

III. Bewertungseinheiten (§ 254 HGB) 89 § 254 HGB befasst sich mit der Bildung von Bewertungseinheiten in der Handelsbilanz. Hiernach ist die

Zusammenfassung von Grund- und Sicherungsgeschäften zum Ausgleich gegenläufiger Wertentwicklungen möglich, sofern Vermögensgegenstände, Schulden, schwebende Geschäfte oder mit hoher Wahrscheinlichkeit erwartete Transaktionen zu gegenläufigen Wertänderungen oder Zahlungsströmen führen. Sollte es – aufgrund dieser gegenläufigen Wertentwicklungen oder Zahlungsströme – zur Bildung einer Bewertungs1 Zur Erörterung der Zeitwertbewertung vgl. Hiller, DStZ 2016, 199 ff. mwN; Brinkmann in Haufe BilKomm.10, § 255 HGB Rz. 204 ff. 2 Vgl. zur Darstellung des beizulegenden Zeitwerts Hiller, DStZ 2016, 199 ff. 3 Vgl. Kulosa in Schmidt, EStG39, § 6 Rz. 427 f.; Haaker/Freiberg, PiR 2009, 51. Zum Überblick auch Ehmcke in Blümich, EStG, § 6 Rz. 877 ff. (Stand Aug. 2019). 4 Vgl. Hiller, DStZ 2016, 201 ff. mwN; Hiller, Ubg 2016, 346 ff. 5 Vgl. Gemeindehardt/Bode, StuB 2008, 173; Helke/Wiechens/Klaus, DB 2009, Beil. 5, 37; Henkel/Eller, KoR 2009, 289. 6 Vgl. Gemeindehardt/Bode, StuB 2008, 174 (auch direktes Zitat). 7 Eine Anwendungsausnahme von der Bewertung mit dem beizulegenden Zeitwert besteht für Kleinstkapitalgesellschaften (§ 267a HGB), die eine Bewertung zum beizulegenden Zeitwert nur dann vornehmen dürfen, wenn sie von keiner der in § 264 Abs. 1 Satz 5 HGB, § 266 Abs. 1 Satz 4 HGB, § 275 Abs. 5 HGB und § 326 Abs. 2 HGB normierten Erleichterungen Gebrauch machen (fair-Value-Vorbehalt), vgl. Kußmaul/Huwer/Palm, StuB 2013, 479 ff. 8 Daneben findet der beizulegende Zeitwert weitere Anwendungsfälle bei der Kapitalkonsolidierung nach der Erwerbermethode im Konzernabschluss (§ 301 Abs. 1 Satz 2 HGB) und bei den Erläuterungspflichten im Anhang (§ 285 Nr. 18 und 19 HGB), vgl. hierzu Wulf, DStZ 2010, 409. 9 Vgl. zum persönlichen und sachlichen Anwendungsbereich Hiller, DStZ 2016, 200 f. 10 Vgl. Kulosa in Schmidt, EStG39, § 6 Rz. 427 f.; Ernst/Seidler, ZGR 2008, 647. 11 Vgl. Herzig, DB 2008, 7; Herzig, DB 2008, 1343; Arbeitskreis Bilanzrecht der Hochschullehrer Rechtswissenschaft, BB 2008, 211; Rödder, StbJb 2009, 234; Schmidt, KoR 2008, 5.

102 | Hiller

C. Wesentliche (mögliche) Durchbrechungen des Maßgeblichkeitsprinzips | Rz. 93 Anh. zu § 243

einheit kommen (Wahlrecht),1 so sind § 249 Abs. 1, § 252 Abs. 1 Nr. 3 und 4, § 253 Abs. 1 Satz 1 und § 256a HGB in dem Umfang und für den Zeitraum nicht anzuwenden. In der Handelsbilanz ist dabei sowohl die Anwendung der sog. Durchbuchungs- bzw. „Bruttomethode“ als auch die Anwendung der „Einfrierungs-“ bzw. „Nettomethode“ möglich.2 Hinsichtlich der Reichweite zur Bildung von Bewertungseinheiten in der Steuerbilanz bestehen unterschied- 90 liche Ansichten.3 Zwar besteht in der Steuerbilanz ein grundsätzliches Verrechnungsverbot für Posten der Aktiv- und Passivseite der Bilanz. Von diesem Verrechnungsverbot sind gem. § 5 Abs. 1a Satz 2 EStG iVm. § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG die in der Handelsbilanz gebildeten Bewertungseinheiten allerdings ausgenommen („konkrete Maßgeblichkeit“).4 Unter Verweis auf den Wortlaut von § 5 Abs. 1a Satz 2 EStG, welcher von der „Absicherung finanzwirtschaftlicher Risiken“ spricht, wurde in den vergangenen Jahren die Diskussion geführt, ob in der Steuerbilanz ein eingeschränkter Anwendungsbereich (im Vergleich zur Handelsbilanz) für die Bildung von Bewertungseinheiten besteht.5 Durch die unterschiedliche Formulierung in § 5 Abs. 1a Satz 2 EStG und in § 254 HGB werden „[d]ie Kon- 91 turen der Maßgeblichkeit [...] verwischt“, obgleich ohne handelsbilanziell gebildete Bewertungseinheit ein steuerliches Netting nicht möglich ist.6 Würde man von einem unterschiedlichen Anwendungsbereich ausgehen, dann würden hieraus Bewertungsunterschiede zwischen Handels- und Steuerrecht resultieren. Da die „Absicherung finanzwirtschaftlicher Risiken“ mE nicht alleine auf monetäre Risiken beschränkt bleiben kann, sondern auch warenwirtschaftliche Risiken beinhaltet sind, lässt sich aus § 5 Abs. 1a Satz 2 EStG kein eingeschränkter Anwendungsbereich im Vergleich zur handelsrechtlichen Regelung ableiten.7 Damit kommt es zu einem Abstellen auf die handelsrechtliche Bewertung hinsichtlich Ansatz und Bewertung.8

IV. Währungsumrechnung bei einer Restlaufzeit von einem Jahr oder weniger (§ 256a Satz 2 HGB) Auch hinsichtlich der Währungsumrechnung sind handels- und steuerliche Bewertungsunterschiede vor- 92 handen. Sieht man in der Währungsumrechnung einen Grundsatz ordnungsmäßiger Buchführung, so kann zunächst argumentiert werden, dass § 256a HGB auch für die Steuerbilanz gilt,9 da keine eigenständige steuerbilanzielle Norm vorhanden ist, welche die Währungsumrechnung regelt. Andererseits kann ebenfalls vertreten werden, dass § 256a HGB aufgrund von § 5 Abs. 6 EStG für die Steuerbilanz nicht zu beachten ist. Dem wird entgegengehalten, dass der Bewertungsvorbehalt nicht greife,10 da die Anschaffungskosten nicht im Bilanzsteuerrecht definiert sind und insofern auch bei der Bemessung auf die Währungsumrechnung nach § 256a HGB abzustellen ist. Dabei ist grds. der Tageskurs im Anschaffungszeitpunkt maßgeblich.11 Mit Bezug auf § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 und Nr. 2 Satz 1 EStG wird dabei deutlich, dass die Anschaffungs- 93 bzw. Herstellungskosten die Bewertungsobergrenze darstellen.12 Insofern muss von einer Geltung des steuerlichen Bewertungsvorbehalts ausgegangen werden,13 weswegen § 256a Satz 2 HGB nicht für die Steuerbilanz 1 Das Wahlrecht wird dabei unterschiedlich ausgelegt. Das IDW spricht von einem „faktischen“ Wahlrecht, vgl. IDW RS HFA 35 Anm. 12. Herzig/Briesemeister von einem „echten“ Wahlrecht, vgl. Herzig/Briesemeister, Ubg 2009, 159. Ebenso BFH v. 2.12.2015 – I R 83/13, BStBl. II 2016, 831. 2 Vgl. exemplarisch Lüdenbach/Freiberg, BB 2010, 2686 f. 3 Vgl. zB Meinert, DStR 2017, 1401 ff. mwN. 4 Vgl. BFH v. 2.12.2015 – I R 83/13, BStBl. II 2016, 831. 5 Vgl. Herzig/Briesemeister Ubg 2009, 158. 6 Vgl. Prinz, StuB 2017, 691 (auch direktes Zitat). Hahne spricht insofern von der Anknüpfung an die „konkrete handelsrechtliche Bilanzierungspraxis“, vgl. Hahne, StuB 2007, 18 (auch direktes Zitat). 7 Ebenso: Herzig/Briesemeister, Ubg 2009, 158; Zwirner/Böcker, BB 2012, 2938; Meurer FR 2009, 119; offenlassend Meurer, BB 2010, 821. AA ua. Hahne, StuB 2007, 21. 8 Vgl. Herzig/Breckheimer, DB 2016, 1451; Kahle in HdJ, VII/1 Rz. 5 (Stand Feb. 2019). 9 Zur Währungsumrechnung in der Steuerbilanz Hiller, StuB 2016, 490 f. Vgl. auch Günkel, Ubg. 2008, 134; Oser/ Roß/Wader/Drögemüller, WPg. 2008, 686; Künkele/Zwirner, DStR 2009, 1282. 10 Vgl. Schüttler, PiR 2011, 136; Hoffmann, PIR 2011, 55. 11 Vgl. Ehmcke in Blümich, EStG, § 6 Rz. 313 (Stand Okt. 2018), mit Verweis auf BFH v. 16.12.1977 – III R 92/75, BStBl. II 1978, 233; BFH v. 6.11.1997 – III R 190/94, BStBl. II 1998, 123. 12 Vgl. Morck/Drüen in Koller/Kindler ua., HGB9, § 256a Rz. 5; Künkele/Zwirner, DStR 2009, 1282; Zwirner/Künkele, StuB 2008, 517; Hübner/Leyh, DStR 2010, 1952; Hoffmann/Lüdenbach in NWB Kommentar Bilanzierung11, § 256a HGB Rz. 35; Grottel/Koeplin in Beck BilKomm.12, § 256a HGB Rz. 51, mit Bezug auf Dörfler/Adrian, DB Beil. 5/ 2009, 58; Lüdenbach, StuB 2017, 282. 13 Vgl. Hübner/Leyh, DStR 2010, 1951 ff. mwN; Hoffmann/Lüdenbach in NWB Kommentar Bilanzierung11, § 256a HGB Rz. 35; Lüdenbach, StuB 2017, 282; Cremer, BBK 2018, 256.

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Anh. zu § 243 Rz. 93 | Das Maßgeblichkeitsprinzip anwendbar ist.1 Eine Durchbrechung des Realisationsprinzips lässt sich deshalb nicht mit Praktikabilitätserwägungen rechtfertigen. Ein sich in der Handelsbilanz nach § 256a Satz 2 HGB einstellender unrealisierter Gewinn wird steuerbilanziell nicht abgebildet. Es bleibt in der Steuerbilanz beim Anschaffungskostenprinzip.2

V. Derivativer Geschäfts- oder Firmenwert 94 Entsprechend der Regelung in § 7 Abs. 1 Satz 3 EStG wird für einen derivativen Geschäfts- oder Firmenwert

für steuerliche Zwecke über eine betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von 15 Jahren abgeschrieben.3 Im Gegensatz hierzu wird in § 253 Abs. 3 Satz 1 und 2 HGB iVm. § 246 Abs. 1 Satz 4 HGB für handelsrechtliche Zwecke die Abschreibung über die voraussichtliche Nutzungsdauer angeordnet. Durch das BilRUG wurde dabei eine weitere Regelung in das HGB aufgenommen, wonach von einer betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer von zehn Jahren auszugehen ist, sofern die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer des derivativen Geschäfts- oder Firmenwerts nicht verlässlich bestimmt werden kann (§ 253 Abs. 3 Satz 4 HGB iVm. § 253 Abs. 3 Satz 3 HGB). Damit sind Bewertungsunterschiede im Rahmen der planmäßigen Abschreibung eines derivativen Geschäfts- oder Firmenwerts wahrscheinlich.

95 Fraglich ist ob daneben auch Bewertungsunterschiede im Falle einer Wertaufholung nach Vornahme einer

außerplanmäßigen Abschreibung resultieren. Gem. § 253 Abs. 5 Satz 1 HGB gilt im Handelsrecht ein strenges Wertaufholungsgebot. Zu jedem Bilanzstichtag muss in der Steuerbilanz ein Nachweis für die fortwährende Berechtigung der vorgenommenen Teilwertabschreibung geführt werden.4 Dieser Nachweis ist notwendig, um eine Wertaufholung zu vermeiden.5 Gelingt dieser Nachweis nicht, so muss der Wert aufgeholt werden (Wertaufholungsgebot). Die Grundsätze zum Wertaufholungsgebot sind im BMF-Schreiben vom 2.9.20166 unter Rz. 27 ff. geregelt. Das Wertaufholungsgebot stellt insofern ein „gesetzgeberisches Korrektiv“ dar.7 Von diesem Korrektiv ist handelsrechtlich der Geschäfts- oder Firmenwert explizit ausgenommen (§ 253 Abs. 5 Satz 2 HGB). Entfallen die Gründe für eine außerplanmäßige Abschreibung, ist eine Wertaufholung in diesem Fall verboten. Das Verbot zur Wertaufholung leitet sich dabei aus § 246 Abs. 1 Satz 4 HGB ab, da im Falle einer Wertaufholung nicht unterschieden werden kann, ob tatsächlich die ehemals vorgenommene Abschreibung rückgängig gemacht oder doch ein originärer Geschäfts- oder Firmenwert zum Ansatz gebracht wird.

96 Steuerlich wird diese Ansicht – aus dem Blickwinkel der sog. Einheitstheorie – kritisch gesehen, da der Ge-

schäfts- oder Firmenwert hiernach als einheitliches Wirtschaftsgut anzusehen ist, welches nicht in einen originären und in einen derivativen Anteil aufgespalten werden kann.8 Unter Bezug auf die Einheitstheorie wäre in diesem Fall nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 EStG ebenfalls eine Wertaufholung für steuerliche Zwecke angesagt. Im Ergebnis spricht mE viel für die Ansicht von Herzig, der eine Wertaufholung – unter Bezug auf § 248 Abs. 2 HGB iVm. § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG und § 5 Abs. 2 EStG – nur dann als erforderlich ansieht, wenn der Nachweis eines niedrigen Wertansatzes für den isoliert betrachteten derivativen Geschäfts- oder Firmenwert nicht gelingt.9

1 Vgl. Ehmcke in Blümich, EStG, § 6 Rz. 21a (Stand Jul. 2016); aA Dörfler/Adrian, DB Beil. 6/2009, 62; Günkel, Ubg. 2008, 134. Zur Diskussion auch Kahle/Hiller in Prinz/Kanzler, Handbuch Bilanzsteuerrecht3, Rz. 1014. 2 Vgl. auch Dathe/Schilde, BB 2016, 2859 ff. 3 Vgl. Kulosa in Schmidt, EStG39, § 7 Rz. 171 f. Steuerliche besteht somit keine Möglichkeit einen kürzeren oder längeren Abschreibungszeitraum zu wählen. Vielmehr muss die Abschreibung zwingend über einen Zeitraum von 15 Jahren vorgenommen werden. Im Falle einer tatsächlich kürzeren Nutzungsdauer könnte der Geschäfts- oder Firmenwert nur mittels Teilwertabschreibung korrekt bewertet werden, vgl. Neufang/Otto, DStR 2012, 225. Nur bei offensichtlich unzutreffenden Besteuerungsfolgen kann es Ausnahmen geben, vgl. BFH v. 28.9.1993 – VIII R 67/92, BStBl. II 1994, 449. Ausführlich auch Adrian in Prinz/Kanzler, Handbuch Bilanzsteuerrecht3, Rz. 3300 ff. mwN. 4 Vgl. BMF v. 16.7.2014 – IV C 6 – S 2171-b/09/10002, BStBl. I 2014, 1162 Rz. 26 ff. Ehemals BMF v. 25.2.2000 – IV C S 2171 b – 14/00, BStBl. I 2000, 372 Rz. 2. Auch Hiller/Biebinger, DStZ 2016, 617 f. mwN. 5 Vgl. Schneider, ZBB 2000, 127. Andererseits erwächst dem Steuerpflichtigen hierdurch auch ein gewisser Gestaltungsspielraum. Wenn der Steuerpflichtige bewusst auf den Nachweis verzichtet, muss er zuschreiben, vgl. Dietel, DB 2012, 484; Schiffers/Köster, DStZ 2014, 762. Zu den Grenzen einer solchen Gestaltung vgl. BMF v. 12.3.2010 – IV C 6 – S 2133/09/10001, BStBl. I 2010, 239. 6 Vgl. BMF v. 2.9.2016 – IV C 6 – S 2171-b/09/10002:002, BStBl. I 2016, 995 Rz. 27 ff. 7 Vgl. Helios/Schlotter, RdF 2015, 52 (auch direktes Zitat). 8 Vgl. Kulosa in Schmidt, EStG39, § 6 Rz. 313; aA Neufang/Otto DStR 2012, 226. 9 Vgl. Herzig DB 2009, 976. Ähnlich auch Ortmann-Babel/Bolik/Gageur, DStR 2009, 934.

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C. Wesentliche (mögliche) Durchbrechungen des Maßgeblichkeitsprinzips | Rz. 101 Anh. zu § 243

VI. Verbrauchsfolgeverfahren (§ 6 Abs. 1 Nr. 2a EStG) Die Bestandaufnahme hinsichtlich der Verbrauchsfolgeverfahren in Bezug auf die Regelungen in Handels- 97 und Steuerbilanz fällt ambivalent aus.1 So ist handelsbilanziell gem. § 256 Satz 1 HGB sowohl die „First-infirst-out“-Methode (Fifo), wie die „Last-in-first-out“-Methode (Lifo) zulässig. § 6 Abs. 1 Nr. 2a EStG erklärt hingegen nur die „Last-in-first-out“-Methode (Lifo) für anwendbar, weswegen Bewertungsunterschiede – im Falle einer handelsrechtlichen Anwendung der Fifo-Methode – resultieren können.2 Mit der steuerlichen Anwendung der Lifo-Methode wollte der Gesetzgeber eine Bewertungsvereinfachung erreichen und die Besteuerung von Scheingewinnen vermeiden.3 § 6 Abs. 1 Nr. 2a EStG knüpft die Anwendung des Lifo-Verfahrens in der Steuerbilanz allerdings daran, dass 98 das Verfahren den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entspricht („GoB-Entsprechungsvorbehalt“4). Mit dem BMF-Schreiben vom 12.5.2015 hat die Finanzverwaltung letztmals zur Bewertung des Vorratsvermögens nach der Lifo-Methode Stellung genommen.5 „Bei der Bewertung nach § 6 Abs. 1 Nr. 2a EStG handelt es sich um ein eigenständiges steuerliches Wahl- 99 recht, das unabhängig davon ausgeübt werden kann, ob in der Handelsbilanz das entsprechende Wahlrecht gem. § 256 Satz 1 HGB ausgeübt wird; jedoch muss dem Grunde nach auch handelsrechtlich die Anwendung des Bewertungsvereinfachungsverfahrens Lifo zulässig sein. Auch eine Einzelbewertung im IFRS-Abschluss steht der Anwendung der Lifo-Methode in der Steuerbilanz nicht entgegen.“6 Der Stetigkeitsgrundsatz ist beim Wahlrecht zur Anwendung des LIFO-Verfahrens dabei unbeachtlich.7

VII. Rechnungsabgrenzungsposten (§ 250 HGB) Unterschiede zwischen handels- und steuerlicher Bewertung lassen sich auch hinsichtlich der Bildung von 100 Rechnungsabgrenzungsposten ausmachen.8 Gem. § 5 Abs. 5 Satz 1 EStG besteht für aktive und passive Rechnungsabgrenzungsposten eine Ansatzpflicht. Eine inhaltsgleiche Regelung ist in § 250 Abs. 1 HGB (für aktive Rechnungsabgrenzungsposten) und in § 250 Abs. 2 HGB (für passive Rechnungsabgrenzungsposten) enthalten. 101 Unterschiede können sich aber in folgenden Fällen einstellen: Für Disagiobeträge besteht gem. § 250 Abs. 3 HGB ein Wahlrecht, diese direkt als Aufwand zu behandeln oder diese Beträge zu aktiveren, wohingegen nach § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG eine steuerbilanzielle Aktivierungspflicht besteht. Sollte keine Aktivierung in der Handelsbilanz vorgenommen werden, so resultieren aus einem Disagio Wertabweichungen zwischen Handels- und Steuerbilanz. Weitere Sonderregelungen sind für die steuerbilanzielle Bewertung in § 5 Abs. 5 Satz 2 EStG enthalten. Hiernach sind als Aufwand berücksichtigte Zölle und Verbrauchsteuern, soweit sie auf am Abschlussstichtag auszuweisende Wirtschaftsgüter des Vorratsvermögens entfallen, nach § 5 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 EStG verpflichtend als Rechnungsabgrenzungsposten zu aktivieren. Die als Aufwand berücksichtigte Umsatzsteuer ist gem. § 5 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 EStG ebenfalls als Rechnungsabgrenzungsposten anzusetzen.

1 Vgl. auch Hörhammer/Schumann in Prinz/Kanzler, Handbuch Bilanzsteuerrecht3, Rz. 2643 ff.; Prinz, StuB 2019, 4 f. 2 Vgl. Kulosa in Schmidt, EStG39, § 6 Rz. 411 ff.; Scheffler, DK 2016, 484 f. 3 Vgl. BT-Drucks. 11/2157, 140; BT-Drucks. 11/2536, 47. 4 Prinz, StuB 2017, 692. 5 Vgl. BMF v. 12.5.2015 – IV C 6 – S 2174/07/10001: 002 BStBl. I 2015, 462. Zum Schreiben ua. Bolik/Burek, NWB 2015, 2214 ff.; Marx, StuB 2015, 443 ff.; Prinz, DB 2015, 1196 ff. 6 Vgl. BMF v. 12.5.2015 – IV C 6 – S 2174/07/10001: 002 BStBl. I 2015, 462 Rz. 10. Auch Adrian, WPg 2015, 170; Prinz, DB 2016, 12. 7 Vgl. Kahle in HdJ, VII/1 Rz. 190 (Stand Feb. 2019). 8 Vgl. Prinz in Prinz/Kanzler, Handbuch Bilanzsteuerrecht3, Rz. 4930 ff. Aufgrund des aktuellen Zinsumfeldes – mit vergleichsweise niedrigen Zinsen – reduziert sich der Anreiz für Steuerpflichtige zur steuerbarwertoptimalen Gestaltung der Bemessungsgrundlage außerdem verliert die Frage der steuerlichen Periodisierung (im Hinblick auf die Zinseffekte der Periodisierung) an Bedeutung, vgl. ua. Spengel/Meier, FR 2016, 498. Zwar nimmt die Frage des Zinseffektes im Rahmen der Periodisierung an Bedeutung ab, der Liquiditätseffekt der Periodisierung ist nach wie vor von Bedeutung, vgl. Anzinger, DStR 2016, 1772 f.

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Anh. zu § 243 Rz. 102 | Das Maßgeblichkeitsprinzip

VIII. Bestimmte Verbindlichkeiten, insbes. Rangrücktrittsvereinbarung (§ 5 Abs. 2a EStG) 102 Entsprechend § 5 Abs. 2a EStG sind Verpflichtungen, die nur zu erfüllen sind, soweit künftig Einnahmen

oder Gewinne entstehen, erst in diesem Zeitpunkt zu passivieren.1 Hierdurch kann es zu einem Abweichen von handels- und steuerrechtlicher Wertermittlung kommen.

103 Eine besondere Relevanz hat § 5 Abs. 2a EStG im Zusammenhang mit Sanierungsgewinnen. Sanierungs-

gewinne sind Buchgewinne, die durch Sanierungsmaßnahmen wie zB einem Schuldbeitritt, einer befreienden Schuldübernahme, einer in der Praxis des Öfteren abgeschlossenen Rangrücktrittsvereinbarung oder einem Schuldenerlass bzw. Forderungsverzicht etc. entstehen können. § 5 Abs. 2a EStG kann im Zusammenhang mit einer Rangrücktrittsvereinbarung greifen.

104 Bei einer Rangrücktrittsvereinbarung liegt zivilrechtlich ein Schuldänderungsvertrag iSd. § 311 Abs. 1 BGB

vor. Hierdurch vereinbaren Gläubiger und Schuldner die nachrangige Tilgung einer Forderung des Gläubigers gegenüber anderen Forderungen Dritter. Handelsrechtlich hat der Rangrücktritt nach bisher hM keinen Einfluss auf die Passivierungspflicht einer Verbindlichkeit. Er beeinflusst lediglich (und auch nur im Haftungsfall) die Tilgungsreihenfolge innerhalb der passivierten Verbindlichkeiten, was die Aufnahme eines „Davon-Vermerk“ oder einer Erläuterung im Anhang notwendig macht. In diesem Fall würde kein Sanierungsgewinn entstehen. Steuerrechtlich gelten entsprechende Grundsätze, allerdings besteht mit § 5 Abs. 2a EStG eine steuerliche Sondervorschrift.

105 Zuletzt entschied der BFH mit Urteil vom 15.4.20152 (Streitjahr 2005), dass der Passivierungsaufschub des § 5

Abs. 2a EStG auch im Falle eines nicht hinreichend „spezifizierten“3 Rangrücktritts greift, welcher mittels Besserungsabrede eine „Tilgung und Verzinsung des Darlehens nur aus einem künftigen Bilanzgewinn oder aus einem etwaigen Liquidationsüberschuss“ – nicht aber wirtschaftlich belastend aus sonstigem freien Vermögen – erlaubt. Das Urteil wurde dabei durch das Urteil vom 10.8.20164 für die Streitjahre 2000 bis 2002 bestätigt.

106 Folgt auf einen „unglücklich“ formulierten Rangrücktritt der Passivierungsaufschub des § 5 Abs. 2a EStG, so

stellt sich schließlich die Frage, ob bzw. inwieweit die Rücktrittsverbindlichkeit in der Steuerbilanz erfolgswirksam bzw. aufgrund der Annahme einer verdeckten Einlage erfolgsneutral aufzulösen ist: Wurde der Rangrücktritt von einem fremden Dritten oder einem Gesellschafter aus betrieblichen Gründen5 vereinbart (regelmäßig wenn neben dem Gesellschafter zumindest noch ein fremder Dritter auch zurücktritt), so ist die Verbindlichkeit nach einhelliger Meinung in voller Höhe erfolgswirksam aufzulösen. Der dabei entstehende Ertrag ist dann grds. als Sanierungsgewinn zu besteuern. Wurde der Rangrücktritt dagegen aufgrund des Gesellschaftsverhältnisses6 vereinbart, so ist die Verbindlichkeit nach Auffassung des FG Berlin-Brandenburg vom 10.9.2008 sowie nach Auffassung des BFH vom 15.4.20157 als verdeckte Einlage insoweit erfolgsneutral aufzulösen, als die korrespondierende Forderung im Zeitpunkt des Rangrücktritts noch werthaltig gewesen ist.8

IX. Rückstellungsobergrenze (R 6.11 Abs. 3 EStR 2012) 1. Überblick 107 Durch die Rückstellungsbewertung nach der BilMoG-Reform kann der Fall eintreten, dass der handelsrecht-

liche Rückstellungswert unter dem steuerlichen Rückstellungswert liegt.9 Mit Ausnahme der Pensionsrück-

1 Vgl. Weber-Grellet in Schmidt, EStG39, § 5 Rz. 310 ff. 2 Vgl. BFH v. 15.4.2015 – I R 44/14, BStBl. II 2015, 769. 3 Gemeint ist damit die Spezifikation nach Maßgabe der Tatbestandsmerkmale des § 5 Abs. 2a EStG, sprich wenn der Gläubiger fortan nur noch gleichrangig mit dem Eigenkapital und nur noch aus künftigen Gewinnen, Liquidationsüberschüssen und dem sonstigen freien Vermögen des Schuldners Befriedigung erlangen kann, vgl. Gosch, BFH/PR 2015, 287; Wacker, DB 2017, 29. 4 Vgl. BFH v. 10.8.2016 – I R 25/15, BFH/NV 2017, 155. 5 Vgl. Briese, GmbHR 2015, 885. 6 Vgl. ausführlich zum Forderungsverzicht: BFH v. 29.7.1997 – VIII R 57/94, BStBl. II 1998, 652; Knebel, DB 2009, 1095; Kohlhaas, GmbHR 2009, 534. 7 Vgl. BFH v. 15.4.2015 – I R 44/14, BStBl. II 2015, 769. 8 Vgl. FG Berlin-Brandenburg v. 10.9.2008 – 12 K 8271/05 B Rz. 19 f.; so auch Neumann, GmbH-StB 2009, 195; BFH v. 15.4.2015 – I R 44/14, BStBl. II 2015, 769; zustimmend: Oser, BB 2015, 1906; (noch) aA: BFH v. 30.11.2011 – I R 100/10, BStBl. II 2012, 332; Mattern, DStRE 2009, 1382; Baschnagel, Ubg 2014, 771. 9 Vgl. zur Analyse Kahle, DStZ 2017, 909; Marx, StuB 2017, 450 ff. Zu den Unterschieden in Handels- und Steuerbilanz vgl. auch Bongaerts/Zimmermann in Prinz/Kanzler, Handbuch Bilanzsteuerrecht3, Rz. 5520 ff. mwN. Zur Dikussion auch Prinz, StuB 2019, 4.

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C. Wesentliche (mögliche) Durchbrechungen des Maßgeblichkeitsprinzips | Rz. 108 Anh. zu § 243

stellungen und Sachleistungsverpflichtungen dürfen Rückstellungen in der Steuerbilanz zwar unbestritten niedriger,1 nach Auffassung der Finanzverwaltung allerdings keinesfalls höher bewertet werden als in der Handelsbilanz (R 6.11 Abs. 3 Satz 1 EStR 2012, „Deckelung der Rückstellungen“, „Meistbegünstigung des Fiskus“2 oder „Kappungswirkung“ im Steuerbilanzrecht3). Besondere Bedeutung hat dieses Thema für die Bilanzierung langfristiger Rückstellungen, zB im Zusammenhang mit Salz-, Berg- und Kieswerken sowie im Tagebau.4 In diesen Fällen ist der handelsrechtliche Rückstellungswert häufig geringer als der steuerbilanzielle Rückstellungsbetrag. Trotz Kritik in der Literatur5 legt die Finanzverwaltung die einleitende Formulierung „höchstens insbesondere“ in § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG zwar nachvollziehbar im Einklang mit der einstigen Gesetzesbegründung zum StEntlG 1999/2000/2002,6 allerdings auch nach dem grenzziehenden Gesetzeswortlaut, aus.7 Die von ihr hier angenommene handelsrechtlich maßgebliche Rückstellungsobergrenze bestätigte der BFH mit Urteil vom 11.10.2012 für einen Vor-BilMoG-Fall hinsichtlich der Rückstellungsbewertung bei Sachleistungsverpflichtungen.8 Anders als die Finanzverwaltung sieht die herrschende Literaturmeinung die steuerlichen Vorschriften zur 108 Bewertung von Rückstellungen für Sachleistungsverpflichtungen indessen als vollständig und seit Einführung des BilMoG daher auch autonom anwendbar an;9 unvollständige Regelungen sieht sie lediglich bei der Rückstellungsbewertung von Geldleistungsverpflichtungen, für welche § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG weder die Ermittlung des Erfüllungsbetrags noch die Abzinsungsdauer bestimmt und für welche daher unbestritten das Maßgeblichkeitsprinzip Anwendung findet.10 Dementsprechend hält sie den Verweis der Finanzverwaltung auf die Gesetzesbegründung zum älteren StEntlG 1999/2000/2002 nach Einführung des BilMoG auch nicht für sachgerecht.11 Nach der herrschenden Literaturmeinung bezieht sich die Formulierung „höchstens insbesondere“ im Einleitungssatz des § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG nicht auf die Rückstellungsbewertung in der Handelsbilanz, sondern auf die direkt folgenden Buchst. a) bis f).12 Der Wortlaut des Einleitungssatzes besagt danach lediglich, dass die Bewertungsbegrenzungen für Rückstellungen in der Steuerbilanz noch von dort allgemein geregelten steuerrechtlichen Bewertungsvorschriften, insbes. denen für Verbindlichkeiten überlagert, werden.13

1 Vgl. Kahle, DStZ 2017, 909 ff.; Kahle, DB 2014, Beil. 4 zu Heft 22, 11; Hoffmann, StuB 2013, 41; Rätke, BBK 2014, 21. 2 Vgl. Kahle, DB 2014, Beil. 4 zu Heft 22, 11. 3 Vgl. Prinz, StuB 2019, 5. 4 Vgl. Prinz, WPg 2016, 960. 5 Vgl. Adrian, Ubg 2013, 466; Briesemeister/Joisten/Vossel, FR 2013, 164 ff.; Buchholz, Ubg 2012, 777; Heinz/Kemper, NWB 2012, 3545 ff.; Hoffmann, StuB 2013, 41; Hoffmann/Lüdenbach in NWB Kommentar Bilanzierung11, § 253 Rz. 77 ff.; Kahle, DB 2014, Beil. 4 zu Heft 22, 11 f.; Künkele/Zwirner, StuB 2013, 439 ff.; Ortmann-Babel/Bolik/Schönefeldt, NWB 2013, 1382 ff.; Prinz, StuB 2012, 797; Prinz, StuB 2019, 5; Prinz/Hütig, StuB 2012, 798 f.; Prinz/Fellinger, Ubg 2013, 362 ff.; Rätke, BBK 2014, 20 ff.; Rutemöller, BB 2012, 2174; Schiffers/Köster, DStZ 2013, 844; Velte, Stbg 2013, 489; Zwirner/Endert/Sepetauz, DStR 2012, 2094 ff.; Endert, BBK 2016, 975. 6 Vgl. BT-Drucks. 14/443, 23: „Ist der Ausweis für die Rückstellung in der Handelsbilanz zulässigerweise niedriger als der sich nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG ergebende Ausweis, so ist der Ausweis in der Handelsbilanz für die Steuerbilanz maßgebend“, vgl. OFD Rheinland v. 13.7.2012 – S 2133 – 2011/0003 – St 141 (Rhld.) sowie OFD Münster v. 13.7.2012 – S 2170a – 234 – St 12 – 33 (Ms), DB 2012, 1779; zustimmend Rutemöller, BB 2012, 2174. Die Auffassung der Finanzverwaltung ergibt sich damit aus einer Wortlautauslegung der Norm, vgl. Meurer, BB 2012, 2807. 7 Vgl. OFD Rheinland v. 13.7.2012 – S 2133 – 2011/0003 – St 141 (Rhld.) sowie OFD Münster v. 13.7.2012 – S 2170a – 234 – St 12 – 33 (Ms), DB 2012, 1779; krit. Rutemöller, BB 2012, 2174. 8 Vgl. BFH v. 11.10.2012 – I R 66/11, BStBl. II 2013, 676; hierzu Adrian, Ubg 2013, 463 ff.; Bahlburg, StuB 2013, 319 ff.; Hoffmann, DStR 2013, 456; Korn/Strahl, NWB 2013, 3949 f. Durch dieses Urteil sieht sich die Finanzverwaltung in ihrer Ansicht bestätigt, vgl. Hörhammer/Rosenbaum, DStZ 2013, 350. 9 Vgl. Kahle, DB 2014, Beil. 4 zu Heft 22, 12; Hoffmann/Lüdenbach in NWB Kommentar Bilanzierung11, § 253 Rz. 78; Prinz/Hütig, StuB 2012, 799; Prinz/Fellinger, Ubg 2013, 366 ff.; Ortmann-Babel/Bolik/Schönefeldt, NWB 2013, 1384; Bahlburg, StuB 2013, 322. 10 Vgl. Kahle, DB 2014, Beil. 4 zu Heft 22, 12, Fn. 181; Prinz/Fellinger, Ubg 2013, 367. Bei der steuerrechtlichen Rückstellungsbewertung ist eine sinngemäße Anwendung von § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG seit 1999 ausgeschlossen, vgl. BFH v. 11.10.2012 – I R 66/11, BStBl. II 2013, 676 Rz. 25; Prinz, FR 2012, 780. 11 Vgl. Kahle, DB 2014, Beil. 4 zu Heft 22, 12; Prinz, DB 2012, Heft 35, M1; Buchholz, Ubg 2012, 781; Ortmann-Babel/ Bolik/Schönefeldt, NWB 2013, 1384. 12 Vgl. Kahle, DB 2014, Beil. 4 zu Heft 22, 12; Reuter, Die Bewertung von Rückstellungen in der Handels- und Steuerbilanz nach dem Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002, 52; Ortmann-Babel/Bolik/Schönefeldt, NWB 2013, 1384; Prinz, DB 2012, Heft 35, M1. 13 Vgl. Kahle, DB 2014, Beil. 4 zu Heft 22, 12; Prinz/Hütig, StuB 2012, 799. Die Deckelung der Rückstellungen zeigt dabei auf „zu welchen Fehldeutungen es kommen kann, wenn sich Handels- und Steuerbilanz auseinanderentwickeln und ein klares Verständnis für die Reichweite des der Maßgeblichkeit hierbei nicht besteht.“ Kahle, DStR

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Anh. zu § 243 Rz. 109 | Das Maßgeblichkeitsprinzip 109 Den Kritikern, nach denen sich die unterschiedliche Behandlung der Pensionsrückstellungen und der übri-

gen Rückstellungen sachlich nicht rechtfertigen lässt, ist zuzustimmen.1 Durch das Gesetz zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie wurden Änderungen des HGB-Rechnungszinssatzes implementiert.2 So erfolgt in Zukunft die Abzinsung von Pensionsrückstellungen anhand des Rechnungszinssatzes der letzten zehn Geschäftsjahre (bisher galt ein Sieben-Jahres-Durchschnittszins). Im Zusammenhang mit dieser Gesetzesinitiative hätte auch über eine Streichung von § 6a EStG nachgedacht werden können. Schlussendlich kann ökonomisch nur eine Bewertung der Pensionsverpflichtungen entsprechend dem Maßgeblichkeitsprinzip auf der Grundlage von versicherungsmathematischen Methoden sein.3 Diese Neuregelung wurde jedoch nicht aufgegriffen, weswegen das Maßgeblichkeitsprinzip bei der Bewertung von Pensionsrückstellungen auch in Zukunft nicht greift. 2. Implikationen der Finanzgerichtsurteile

110 Im Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 7.12.2016 hatte das erkennende Gericht einen Sachverhalt zur beur-

teilen, in dem eine Verpflichtung zur Rekultivierung eines Abbaugrundstückes in der Steuerbilanz höher bewertet wurde als in der Handelsbilanz.4 Der Urteilsfall bezog sich dabei allerdings auf einen Sachverhalt vor BilMoG. Im Rahmen einer Betriebsprüfung wurde der steuerbilanzielle Wert von der Finanzverwaltung – unter Verweis auf das Maßgeblichkeitsprinzip – auf den handelsbilanziellen Rückstellungswert reduziert.5

111 Der Steuerpflichtige reichte unter Bezug auf § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e EStG iVm. § 5 Abs. 6 EStG und dem

Hinweis, dass das Bilanzsteuerrecht hier eigenständiges Bewertungskonzept regelt, Klage ein. Dieser Ansicht schloss sich das FG Rheinland-Pfalz nicht an. Vielmehr sah das Gericht den handelsrechtlichen Wert – gem. § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG – für maßgeblich an, da § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e EStG zwar § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG außer Kraft setze, die Bewertung entsprechend des Einleitungssatzes von § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG jedoch auf den handelsrechtlichen Wert als Obergrenze beschränkt bleibe.6 Mit Urteil vom 20.11.2019 (XI R 46/17) hat der BFH, in Revision an das Urteil des FG Rheinland-Pfalz, nunmehr die dortige Auslegung bestätigt. Der BFH stellt dabei in seinem Leitsatz heraus: „Der Handelsbilanzwert für eine Rückstellung bildet auch nach Inkrafttreten des BilMoG gegenüber einem höheren steuerrechtlichen Rückstellungswert die Obergrenze (Anschluss an die BFH-Urteile vom 11.10.2012 – I R 66/11, BFHE 239, 315 = BStBl II 2013, 676; vom 13.7.2017 – IV R 34/14, BFH/NV 2017, 1426).“7 „Aus dem Wortlaut des § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG ´höchstens insbesondere´ ergibt sich keine Durchbrechung der Maßgeblichkeit. Vielmehr lässt er einen Wortsinn zu, der einen unterhalb des Rückstellungsbetrages nach den folgenden Buchst. a bis f ergebenden Betrag aufgrund handelsrechtlicher oder steuerrechtlicher Bewertungsvorschriften erfasst. Mit dem Wortzusatz ‚insbesondere‘ hat der Gesetzgeber gerade zum Ausdruck gebracht, dass es weitere Obergrenzen gibt.“8 Im umgekehrten Fall (Wert in der Handelsbilanz größer, als Wert in der Steuerbilanz) bleibt es beim Ansatz des steuerbilanziellen Wertes. Zurecht sieht Marx in dieser Situation ein „Cherry picking“,9 welches konzeptionell kritikwürdig ist.

X. Weitere Besonderheiten bei der Rückstellungsbewertung (§ 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG) 112 Seit Einführung des BilMoG hat sich die Bewertung von Rückstellungen für Sachleistungsverpflichtungen

zwischen Handels- und Steuerbilanz – insbes. durch die „Meistbegünstigung der Finanzverwaltung“ – komplett entkoppelt.10 Neben den vorstehend erörterten Abweichungen zwischen handels- und steuerlicher

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2018, 979. Ebenfalls als „ein klares Fehlverständnis der Maßgeblichkeit“ wertet Prinz die Ansicht der Finanzverwaltung, vgl. Prinz, DB 45/2013, M1 (auch direktes Zitat). Vgl. Kahle, DB 2014, Beil. 4 zu Heft 22, 12; Prinz/Fellinger, Ubg 2013, 369 f.; Rätke, BBK 2014, 24; Klein, NWB 2010, 2044. Vgl. BT-Drucks. 84/16, 21 f. Vgl. Anzinger, DStR 2016, 1829 ff. mwN. Vgl. FG Rheinland-Pfalz v. 7.12.2016 – 1 K 1912/14, die Revision ist beim BFH unter I R 18/17 eingereicht und später an den XI. Senat abgebeben worden. Das Verfahren ist beim BFH unter Az. XI R 46/17 anhängig. In diesem Zusammenhang wertet Prinz die Ansicht der Finanzverwaltung zutreffend als „klare Fehlinterpretation der Maßgeblichkeit“, vgl. Prinz, StuB 2019, 5 (auch direktes Zitat). Vgl. FG Rheinland-Pfalz v. 7.12.2016 – 1 K 1912/14, mit Auswertung Happe, BBK 2017, 516 ff. Vgl. BFH v. 20.11.2019 – XI R 46/17 BStBl 2020 II, 195 (hier Ls). Vgl. BFH v. 20.11.2019 – XI R 46/17 BStBl 2020 II, 195 Rz. 26b. Zur Diskussion ua. Bolik, StuB 2020, 239 ff.; Marx, StuB 2020, 169 ff. Marx, StuB 2020, 172. Zur Diskussion Roser, WPg 2015, 695 ff.; Hennrichs, NZG 2017, 620; Marx, StuB 2017, 455; Prinz/Hütig, StuB 2012, 799; Kahle, DStZ 2017, 908 ff.

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C. Wesentliche (mögliche) Durchbrechungen des Maßgeblichkeitsprinzips | Rz. 115 Anh. zu § 243

Rückstellungsbewertung führt insbes. § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG zu weiteren Abweichungen. Demnach müssen bei der Bewertung von Rückstellungen folgende steuerliche Grundsätze beachtet werden.1 113 Dabei sind folgende Grundsätze zu beachten:2 – § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. a EStG: Bei Rückstellungen für gleichartige Verpflichtungen ist auf der Grundlage der Erfahrungen in der Vergangenheit aus der Abwicklung solcher Verpflichtungen die Wahrscheinlichkeit zu berücksichtigen, dass der Steuerpflichtige nur zu einem Teil der Summe dieser Verpflichtungen in Anspruch genommen wird. – § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. b EStG: Rückstellungen für Sachleistungsverpflichtungen sind mit den Einzelkosten und den angemessenen Teilen der notwendigen Gemeinkosten zu bewerten. – § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. c EStG: Künftige Vorteile, die mit der Erfüllung der Verpflichtung voraussichtlich verbunden sein werden, sind, soweit sie nicht als Forderung zu aktivieren sind, bei ihrer Bewertung wertmindernd zu berücksichtigen. – § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. d EStG: Rückstellungen für Verpflichtungen, für deren Entstehen im wirtschaftlichen Sinne der laufende Betrieb ursächlich ist, sind zeitanteilig in gleichen Raten anzusammeln. Rückstellungen für gesetzliche Verpflichtungen zur Rücknahme und Verwertung von Erzeugnissen, die vor Inkrafttreten entsprechender gesetzlicher Verpflichtungen in Verkehr gebracht worden sind, sind zeitanteilig in gleichen Raten bis zum Beginn der jeweiligen Erfüllung anzusammeln; Buchst. e ist insoweit nicht anzuwenden. Rückstellungen für die Verpflichtung, ein Kernkraftwerk stillzulegen, sind ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Nutzung bis zum Zeitpunkt, in dem mit der Stilllegung begonnen werden muss, zeitanteilig in gleichen Raten anzusammeln; steht der Zeitpunkt der Stilllegung nicht fest, beträgt der Zeitraum für die Ansammlung 25 Jahre. – § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e EStG: Rückstellungen für Verpflichtungen sind mit einem Zinssatz von 5,5 % abzuzinsen. Rückstellungen mit einer Restlaufzeit von mehr als einem Jahr sind abzuzinsen mit dem ihrer Restlaufzeit entsprechenden durchschnittlichen Marktzinssatz, der sich im Falle von Rückstellungen für Altersversorgungsverpflichtungen aus den vergangenen zehn Geschäftsjahren und im Falle sonstiger Rückstellungen aus den vergangenen sieben Geschäftsjahren ergibt (§ 253 Abs. 2 Satz 1 HGB). Rückstellungen für Altersversorgungsverpflichtungen oder vergleichbare langfristig fällige Verpflichtungen dürfen pauschal mit dem durchschnittlichen Marktzinssatz abgezinst werden, der sich bei einer angenommenen Restlaufzeit von 15 Jahren ergibt (§ 253 Abs. 2 Satz 2 HGB). Dabei lassen sich unterschiedliche Abzinsungszeiträume zwischen Handels- und Steuerbilanz kaum rechtfertigen, weswegen zT eine Begrenzung des Abzinsungszeitraum in der Handelsbilanz entsprechend § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchs. e Satz 2 EStG vorgeschlagen wird.3 – § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. f EStG: Bei der Bewertung sind die Wertverhältnisse am Bilanzstichtag maßgebend; künftige Preis- und Kostensteigerungen dürfen nicht berücksichtigt werden.

XI. Pensionsrückstellungen (§ 6a EStG) In § 6a EStG sind vom Handelsrecht abweichende Regelungen für die Bildung von steuerlichen Pensions- 114 rückstellungen enthalten, welche zu einer Einschränkung des Maßgeblichkeitsprinzips führen.4 Die Abweichungen betreffen sowohl den Anwendungsbereich – also der Frage, welche Rückstellungen erfasst sind – als auch die Frage der Bewertung. Entsprechend der Ansicht der Finanzverwaltung und Rspr. wird lediglich die unmittelbare Pensionszusage vom Anwendungsbereich des § 6a EStG erfasst.5 Vom Anwendungsbereich des § 6a EStG sind pensionsähnliche Verpflichtungen, wie zB Arbeitszeitkontenmodelle, Regelarbeitszeitkonten, Kurzarbeitszeitkonten und mittelbare Pensionszusagen, nicht erfasst.6 Bei der Bewertung von Pensionsrückstellungen greift gem. § 5 Abs. 6 EStG iVm. § 6a Abs. 3 und 4 EStG der 115 Bewertungsvorbehalt, was zu erheblichen Abweichungen zwischen der handelsrechtlichen und der steuer-

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Vgl. auch Marx, SteuerStud 2015, 28 f. Vgl. auch Kulosa in Schmidt, EStG39, § 6 Rz. 441 ff. Vgl. Kahle, DStR 2018, 980, mit Verweis auf Hennrichs, NRG 2017, 621. Vgl. Weber-Grellet in Schmidt, EStG39, § 6a Rz. 1 ff.; BMF v. 12.3.2010 – IV C 6-S 2133/09/10001, BStBl. I 2010, 239 Rz. 9 ff.; Hörhammer/Schumann in Prinz/Kanzler, Handbuch Bilanzsteuerrecht3, Rz. 2651 f. Zur Diskussion auch Scheffler, DK 2016, 486; Kahle in HdJ, VII/1 Rz. 229 (Stand Feb. 2019). 5 Vgl. BFH v. 16.12.1992 – I R 105/91, BStBl. 1993 II 792. 6 Vgl. Künkele/Zwirner, StuB 2010, 14. Arbeitszeitkonten BMF v. 11.11.1999, BStBl. 1999 I 959; Hilbert/Paul, NWB 2014, 3391.

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Anh. zu § 243 Rz. 115 | Das Maßgeblichkeitsprinzip lichen Bewertung führen kann.1 Hiernach sind Pensionsrückstellungen maximal mit dem Teilwert der Pensionsverpflichtung am Abschlusssichttag anzusetzen, wobei die Verpflichtung mit einem Zinssatz von 6 % (§ 6a Abs. 3 Satz 3 EStG) zu diskontieren ist. Durch die hohen Diskontsätze – im Vergleich zu den real existierenden niedrigen Marktzinssätzen – kommt es zu Bildung von stillen Lasten,2 die allerdings erst im Eintrittszeitpunkt der Verpflichtung aufgedeckt werden.3 Noch nicht eingetretene, aber bereits absehbare Gehalts- und Rentenentwicklungen dürfen nicht in die Bemessung der Rückstellung einbezogen werden. Außerdem ist gem. § 6a Abs. 4 EStG eine Nachholung von in der Vergangenheit unterlassenen Zuführungen verboten.4

XII. Bilanzsteuerrechtliche Berücksichtigung von Verpflichtungsübernahmen, Schuldbeitritten und Erfüllungsübernahmen (§§ 4f und 5 Abs. 7 EStG) 116 § 4f EStG und § 5 Abs. 7 EStG regeln die ertragsteuerliche Behandlung von Verpflichtungsübernahmen,

Schuldbeitritten und Erfüllungsübernahmen beim Alt- und beim Neuschuldner der Verpflichtung.5 Hintergrund der gesetzlichen Regelung war eine für den Steuerpflichtigen fiskalfreundliche Rspr. des BFH, wonach bei betrieblichen Verbindlichkeiten, die beim Veräußerer aufgrund von Rückstellungsverboten steuerbilanziell nicht bilanziert worden sind, beim Erwerber dann angesetzt werden können, wenn dieser die Verbindlichkeit im Zuge eines Betriebserwerbs gegen Schuldfreistellung übernommen hat (sog. angeschaffte Verpflichtungen).6

117 Mit dem AIFM-StAnpG wurde dann mit Anwendung für Wirtschaftsjahre, die nach dem 28.11.2013 enden,

eine gesetzliche Regelung geschaffen, mit der eine eingeschränkte Nutzung angeschaffter Verpflichtungen begründet werden kann.7 Trotz der Verankerung im Gesetz bestehen bis heute weiterhin Anwendungsfragen im Zusammenhang mit § 4f EStG und § 5 Abs. 7 EStG. Beide Normen sind Ausfluss einer asymmetrischen Bewertung von Passiva in Handels- und Steuerbilanz, die ihre Ursache in den Passivierungsrestriktionen des Bilanzsteuerrechts haben.8

118 § 4f regelt die Rechtsfolgen beim Steuerpflichtigen, der wirtschaftlich aus der Verpflichtung entlassen wird.

Sowohl § 4f EStG als auch § 5 Abs. 7 EStG sind Gewinnermittlungsvorschriften und stellen eine Durchbrechung des Realisationsprinzips (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB) dar. Im Rahmen der Übertragung von Verpflichtungen, die beim Überträger einer Passivierungsrestriktion unterworfen waren, sind gem. § 4f Abs. 1 Satz 1 EStG realisierte Verluste gleichmäßig auf 15 Jahre zu verteilen, sofern keine der in § 4f Abs. 1 Satz 3 EStG normierten Ausnahmen greift. Ziel von § 4f EStG ist die zeitlich gestreckte Verteilung der Betriebsausgaben aufgrund der entgeltlichen Übertragung passivierungsbeschränkter Verpflichtungen beim Übertragenden.9

119 § 5 Abs. 7 EStG enthält spiegelbildlich zu § 4f EStG Bilanzierungsregeln, die vom übernehmenden Steuer-

pflichtigen angewendet werden müssen. Zwar haben § 5 Abs. 7 EStG und § 4f EStG das gleiche Regelungsziel, § 5 Abs. 7 EStG kommt jedoch unabhängig von der Frage zur Anwendung, ob bei der übertragenden Person die Regeln des § 4f EStG zum Zuge kommen. „Vielmehr wird unabhängig von einer Anwendbarkeit des § 4f EStG sowie für alle Fallgruppen des § 4f EStG gleichermaßen die Anordnung getroffen, dass die ursprünglichen Passivierungsbeschränkungen, die für den Übertragenden galten, in der Steuerbilanz, die auf das Ende des Wirtschaftsjahres aufzustellen ist, in das die Übertragung der stillen Last fällt, wieder gelten (Satz 1).“10 Für die Bilanzierung von übernommenen Pensionsverpflichtungen sind gem. § 5 Abs. 7 Satz 4

1 Vgl. auch Geberth/Blasius, FR 2010, 410. 2 Der Diskontsatz wird vom FG Köln als verfassungswidrig eingestuft, vgl. FG Köln v. 12.10.2017 – 10 K 977/17, EFG 2018, 287. Aus diesem Grund hat das FG Köln das BVerfG angerufen (AZ: 2 BvL 22/17). Zur Diskussion Hey, FR 2016, 485; Doralt, FR 2017, 382 f. Prinz/Keller, DB 2016, 1039 f. 3 Vgl. Prinz/Keller, Ubg 2016, 313; Bachmann/Richter/Risse, DB 2017, 2301. 4 Vgl. Marx, SteuerStud 2018, 259. 5 Vgl. zur den Anwendungsgrundsätzen BMF v. 30.11.2017 – IV C 6 – S 2133/14/10001 BStBl. I 2017, 1619. Zum Entwurf des BMF-Schreibens Baltromejus/Hiller, SteuK 2016, 539 ff. 6 Vgl. BFH v. 16.12.2009 – I R 102/08, BStBl. II 2011, 566 Auch in Folgeentscheidungen hat der BFH diese Handhabung bestätigt, vgl. BFH v. 14.12.2011 – I R 72/10, BStBl. II 2017, 1226; BFH v. 26.4.2012 – IV R 43/09, BStBl. II 2017, 1228 sowie BFH v. 12.12.2012 – I R 69/11, BStBl. II 2017, 1232. 7 Vgl. Weber-Grellet in Schmidt, EStG39, § 4f Rz. 1. 8 Zur Diskussion auch Hörhammer/Schumann in Prinz/Kanzler, Handbuch Bilanzsteuerrecht3, Rz. 2619 ff. 9 Vgl. Briese, DStR 2016, 2131. 10 Benz/Placke, DStR 2013, 2658.

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C. Wesentliche (mögliche) Durchbrechungen des Maßgeblichkeitsprinzips | Rz. 123 Anh. zu § 243

EStG beim Erwerber Sonderregelungen vorhanden. Anzuwenden sind § 4f EStG und § 5 Abs. 7 EStG erstmals für Wirtschaftsjahre, die nach dem 28.11.2013 enden (vgl. § 52 Abs. 8 und 9 EStG).1 Durch § 4f EStG und § 5 Abs. 7 EStG kommt es zu einem Auseinanderfallen von Steuer- und Handels- 120 bilanz. Steuersystematisch sind § 4f EStG und § 5 Abs. 7 EStG zu kritisieren. Anstatt die Hebung von stillen Lasten bei Verpflichtungsübernahmen durch § 4f und § 5 Abs. 7 EStG zu sanktionieren, sollten die Normen, die zur Bildung von stillen Lasten führen und den handelsrechtlichen GoB widersprechen, beseitigt werden (zB 6a EStG).2

XIII. Entstrickungsentnahme (§ 4 Abs. 1 Satz 3–7 EStG; § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG iVm. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Halbs. 2 EStG) und Verstrickungseinlage (§ 4 Abs. 1 Satz 8 Halbs. 2 EStG iVm. § 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG) Überführungen zwischen verschiedenen Teilen eines Unternehmens erfolgen häufig erfolgsneutral. Der 121 maßgebliche Bewertungsmaßstab für diese Überführungen stellt der Buchwert dar. Für Einlagen und Entnahmen bildet der Teilwert den Regelbewertungsmaßstab.3 Sowohl hinsichtlich Bewertungsgrund als auch hinsichtlich Bewertungshöhe, finden die beschriebenen Bewertungsgrundsätze in der Entstrickungsentnahme (§ 4 Abs. 1 Satz 3–7 EStG; § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG iVm. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Halbs. 2 EStG) und in der Verstrickungseinlage (§ 4 Abs. 1 Satz 8 Halbs. 2 EStG iVm. § 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG) eine Durchbrechung.4 In § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG ist der allgemeine Entstrickungstatbestand geregelt.5 Nach dieser Norm sind Sach- 122 verhalte, bei denen das Besteuerungsrecht Deutschlands hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung oder aus der Nutzung eines Wirtschaftsguts ausgeschlossen oder beschränkt wird, einer Entnahme des Wirtschaftsguts aus dem Betriebsvermögen für betriebsfremde Zwecke gleichgestellt.6 Die Regelung zielt in erster Linie auf die Überführung von Wirtschaftsgütern in eine ausländische Betriebsstätte ab und soll zur Sicherung der Besteuerung der stillen Reserven dienen.7 Es wird eine Entnahme fingiert, die zum gemeinen Wert zu bewerten ist (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Halbs. 2 EStG). Hiermit kommt es zu einer durch die Überführung bedingten Realisation,8 ohne dass tatsächlich liquide Mittel zufließen. Bis zur Einführung des SEStEG war im Einkommensteuerrecht kein allgemeiner Entstrickungstatbestand 123 normiert.9 Allerdings kam es nach der „finalen Entnahmetheorie“ des BFH zu einer Besteuerung der stillen Reserven, falls ein Wirtschaftsgut des Anlagevermögens in eine ausländische Betriebsstätte überführt wurde.10 Diese Rspr. erfuhr heftige Kritik im Schrifttum. Zum einen zielte die Kritik darauf ab, dass ein nicht im Gesetz kodifizierter Realisationstatbestand im Rahmen der richterlichen Rechtsfortbildung geschaffen wurde.11

1 Vgl. Baltromejus/Hiller, SteuK 2016, 539 ff. 2 Vgl. Kahle, DStR 2018, 981. 3 Eine Ausnahme der Bewertung der Entnahme zum Teilwert ist § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 4 EStG. Hiernach können Wirtschaftsgüter mit dem Buchwert bewertet werden, sofern sie unmittelbar nach der Entnahme unentgeltlich für steuerbegünstige Zwecke iSd. § 10b Abs. 1 Satz 1 EStG einer nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 EStG steuerbefreiten Körperschaft, Personenvereinigung, Vermögensmasse oder einer juristischen Person des öffentlichen Rechts überlassen werden. 4 Im Falle der Überführung von Wirtschaftsgütern durch eine Kapitalgesellschaft wird die Entnahme durch die Fiktion der Veräußerung (oder respektive einer Überlassung ersetzt) vgl. § 12 Abs. 1 KStG. 5 Vgl. Kahle, StuB 2011, 903 ff.; Kahle/Franke, IStR 2009, 406; Hurschka, StuB 2006, 484 ff. 6 Ein Ausschluss des Besteuerungsrechts ist zB gegeben, wenn ein Wirtschaftsgut in eine ausländische Betriebsstätte überführt wird und die Freistellungsmethode mit diesem ausländischen Staat abgeschlossen wurde, vgl. Reiter, IStR 2012, 358. 7 Vgl. BT-Drucks. 16/2710, 26; Hagemann/Jakob/Ropohl/Viebrock, NWB 2007, 2; Prinz, GmbHR 2007, 966; Kessler/ Huck, StuW 2005, 198; Käshammer/Schümmer, IStR 2012, 632 f.; Reich, IStR 2011, 913 f. 8 Vgl. Prinz, GmbHR 2012, 198. 9 Vgl. Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften (SEStEG) v. 7.12.2006, BStBl. I 2006, 2782. Im Einzelnen Klingberg/van Lishaut, DK 2005, 703; BFH v. 9.2.1972 – I R 205/66, BStBl. II 1972, 455; BFH v. 16.12.1975 – VIII R 3/74, BStBl. II 1976, 246; BFH v. 14.6.1988 – VIII R 387/83, BStBl. II 1989, 187. 10 Vgl. BFH v. 16.7.1969 – I 266/65, BStBl. II 1970, 175; BFH v. 30.5.1972 – VIII R 111/69, BStBl. II 1972, 760; BFH v. 17.8.1972 – IV R 26/69, BStBl. II 1972, 903; BFH v. 24.11.1982 – I R 123/78, BStBl. II 1983, 113; BFH v. 18.5.1983 – I R 5/82, BStBl. II 1983, 771. Auch die Finanzverwaltung ging von einer Entstrickung aus und versuchte die Sicherstellung der Besteuerung der stillen Reserven über die Korrekturpostenmethode und die Theorie der aufgeschobenen Gewinnrealisierung sicherzustellen, vgl. Baranowski, DB 1962, 881; Neubauer, JbFSt, 1976, 318 f. 11 Vgl. Tipke, StuW 1972, 264 ff.

Hiller | 111

Anh. zu § 243 Rz. 123 | Das Maßgeblichkeitsprinzip Zum anderen wurde ausgeführt, dass eine Entnahme nicht vorliegt, da das Wirtschaftsgut im Vermögen der Betriebstätte bleibt und auch keine liquiden Mittel zugehen.1 Daher sah sich der BFH veranlasst, die finale Entnahmetheorie aufzugeben.2 Dies ist insofern konsequent, als dass nunmehr § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG regelt, wann der steuerpflichtige Gewinn entsteht.3 124 § 4 Abs. 1 Satz 8 Halbs. 2 EStG regelt den allgemeinen Verstrickungstatbestand. Unter Verstrickung wird ein

Sachverhalt subsumiert, bei dem stille Reserven erstmals von der deutschen Steuerhoheit erfasst werden.4 Um dies zu erreichen, wird eine fiktive Einlage angenommen, indem die Begründung des deutschen Besteuerungsrechts hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts einer Einlage von Wirtschaftsgütern in das Betriebsvermögen gleichgestellt wird (§ 4 Abs. 1 Satz 8 Halbs. 2 EStG). Nach dieser Fiktion soll das Wirtschaftsgut mit dem gemeinen Wert im Zeitpunkt der Zuführung (§ 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG) angesetzt werden.5 Ein Verstrickungswille ist für die Bejahung einer Verstrickungseinlage nicht notwendig.

125 In der Rechtssache National Grid Indus hat der EuGH festgestellt, dass die Festsetzung der Steuer nicht zu

beanstanden ist, wohl aber der sofortige Steuereinzug.6 Zwar ermöglicht eine Wertbestimmung zum gemeinen Wert, die stillen Reserven dem Staat zuzuordnen, in dem diese entstanden sind, jedoch ist ein sofortiger Steuereinzug unverhältnismäßig.7 Daher wird diskutiert, dem Steuerpflichtigen eine Stundung der Besteuerung unter der Voraussetzung der Einhaltung bestimmter Nachweis- und Mitwirkungspflichten und Stellung von Sicherheiten einzuräumen oder alternativ eine Sofortbesteuerung vorzunehmen, wenn der Steuerpflichtige von den zusätzlichen Pflichten befreit werden will.8 Durch die Besteuerung besteht evtl. ein Anreiz, Kapitaltransaktionen in das Ausland zu vermeiden.9 Zwar wird dieser Effekt durch eine Steuerstundung abgemildert, ganz beseitigt wird er allerdings nicht. Von der Bewertung abzugrenzen ist die Frage der Entrichtung der Steuerzahlung, welche nicht zeitgleich mit der Festsetzung der Steuer zusammenfallen muss (Steuerstundung).10

126 Mit Beschluss vom 5.12.2013 hat das FG Düsseldorf den § 4 Abs. 1 Satz 3 und 4 EStG (bzw. § 12 Abs. 1

KStG) dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt.11 Der EuGH hat in seinem Urteil zum Aktenzeichen C657/13 (Verder LabTec) die deutschen Entstrickungsregelungen als unionsrechtskonform eingestuft und keinen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AUEV) gesehen.12

XIV. Anschaffungsnaher Herstellungsaufwand (§ 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG) 127 § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG ist als „originäre steuerliche Bewertungsregel anzusehen“13 und stellt eine Durch-

brechung des Maßgeblichkeitsgrundsatzes dar.14 Mit der „Begriffsbildung“15 bzw. mit dem „Rechtsinsti1 Vgl. Kempka, Gewinnrealisierung bei der Überführung von Wirtschaftsgütern zwischen Stammhaus und Betriebsstätte, 66 f.; Kempka, StuW 1995, 245; Meilicke/Hohlfeld, BB 1972, 508; Wassermeyer, DB 2003, 2622; Debatin, BB 1990, 826 ff.; Halfar, FR 1985, 281 f. AA Keuk, StuW 1973, 74 ff. 2 Vgl. BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464; Bauschatz, DStZ 2008, 774; Buciek, SC 2008, Heft 12, 10; Herbst, Die Entstrickung stiller Reserven, 30 ff. mwN. Dieser Systemwandel in der Rspr. des BFH wurde in der Literatur überwiegend positiv aufgenommen, vgl. Prinz, DB 2009, 807 ff.; Hoffmann, DB 2008, 2286 f.; Ditz, IStR 2009, 115 ff. AA Mitschke, FR 2008, 1144 ff. 3 Vgl. Koch, BB 2008, 2452; Benecke, IStR 2010, 102. 4 Vgl. Hruschka, StuB 2006, 587; Rödder/Schumacher, DStR 2006, 1486. 5 Vgl. Ehlermann/Müller, ISR 2013, 48. 6 Vgl. EuGH v. 29.11.2011 – C-371/10, EuZW 2011, 951, Rz. 85; Ruiner, IStR 2012, 49. Zum Urteil Heuerung/Engel/ Thiedemann, EWS 2011, 518 ff.; Brinkmann/Reiter, DB 2012, 16 ff.; Linn, IStR 2011, 817 ff.; Beutel/Rehberg, IStR 2012, 94 ff. 7 Vgl. Kessler/Philipp, DStR 2011, 1889; Körner, IStR 2011, 531; Werra/Teiche, DB 2006, 1456 f. 8 Vgl. EuGH v. 6.9.2012 – C-38/10, EuZW 2012, 947; Gosch, IWB 2012, 782 f. 9 Im Zusammenhang mit der Niederlassungsfreiheit vgl. Sieker, FR 2012, 352 ff. 10 Zur Diskussion der Steuerstundung im Rahmen der Steuerentstrickung vgl. Atilgan, Die Systematik der Steuerentstrickung im deutschen Ertragsteuerrecht, 289 ff. 11 Vgl. FG Düss. v. 5.12.2013 – 8 K 3664/11 F, 73. In der Rechtssache DMC entschied der EuGH, dass eine Einziehung der Steuer über einen gestreckten Zeitraum von fünf Jahren verfassungskonform sei, vgl. EuGH v. 23.1.2014 – C164/12, IStR 2014, 106 ff.; hierzu ua. Linn, IStR 2014, 136 ff.; Mitschke, IStR 2014, 216 f.; Mitschke, IStR 2014, 522 f.; Nitzschke, IStR 2014, 367 ff. 12 Vgl. EuGH v. 21.5.2015 – C-657/13, RIW 2015, 460. 13 Kahle, StuB 2013, 496 (im Original zT Fettdruck). 14 Vgl. Wendt in FS Spindler, 894; Broemel/Endert, BBK 2014, 798; Schubert/Hutzler in Beck BilKomm.12, § 255 Rz. 389. 15 Nordmeyer in Fischer/Hömburg (Hrsg.), FS Baetge, 375. Zur Diskussion ebenfalls Hörhammer/Schumann in Prinz/ Kanzler, Handbuch Bilanzsteuerrecht3, Rz. 2637 ff.

112 | Hiller

C. Wesentliche (mögliche) Durchbrechungen des Maßgeblichkeitsprinzips | Rz. 130 Anh. zu § 243

tut“1 des anschaffungsnahen Aufwandes (§ 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG) soll eine Abgrenzung zwischen sofort abziehbaren Erhaltungsaufwand und aktivierungspflichtigen Tatbeständen erreicht werden. Der anschaffungsnahe Aufwand galt daher bisher als Indiz für das Vorliegen einer wesentlichen Verbesserung2 und war als Anschaffungsnebenkosten zu den Anschaffungskosten zu rechnen, wenn diese Aufwendungen der Versetzung in den betriebsbereiten Zustand dienen.3 Aufwendungen, die nach der erstmaligen Versetzung in einen betriebsbereiten Zustand anfallen, stellen entweder nachträgliche Anschaffungskosten bzw. nachträgliche Herstellungskosten dar, sofern es sich um anschaffungsnahen Aufwand handelt, anderenfalls liegt Erhaltungsaufwand vor.4 Vor Einführung von § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG bestand eine weitgehend inhaltsgleiche Verwaltungsanweisung 128 (R 157 Abs. 4 EStR 2001), welche einen anschaffungsnahen Herstellungsaufwand annahm, wenn in den ersten drei Jahren nach Anschaffung eines Gebäudes Aufwendungen für Instandsetzung (Rechnungsbetrag ohne Umsatzsteuer) in diesem Zeitraum insgesamt 15 % der Anschaffungskosten des Gebäudes übersteigen. Die Ansicht der Finanzverwaltung aus R 157 Abs. 4 EStR 2001 wurde im Jahr 2001 vom BFH gekippt, da nach Auffassung des erkennenden Gerichts die Herstellungskosten nicht alleine wegen ihrer zeitlichen Nähe zur Anschaffung oder ihrer Höhe angenommen werden können.5 Somit wurde die allein auf diese beiden Kriterien abstellende Auslegung des anschaffungsnahen Aufwandes aufgegeben.6 Im Jahr 2003 wurde die alte (aus R 157 Abs. 4 EStR 2001 resultierende) Auffassung wieder aufgegriffen und in § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG gesetzlich verankert.7 § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG erscheint in mehrerlei Hinsicht problematisch. So ergeben sich Abgrenzungsproble- 129 me zwischen Anschaffungs- und Herstellungskosten auf der einen Seite und anschaffungsnahen Aufwendungen auf der anderen Seite.8 Dies ist dem Umstand geschuldet, dass § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG zwar von der Allgemeingültigkeit der Definition der Anschaffungs- und Herstellungskosten ausgeht, bestimmte Sachverhalte aber einer, im Prinzip eigenständigen Definition, unterwirft und diese aus der „Definitionsnorm herausbricht“.9 Das Abweichen von der eigentlichen Definition wird dabei deutlich, da vor einem Erwerb Anschaffungskosten vorliegen können, jedoch kein anschaffungsnaher Aufwand.10 Umgekehrt ist die Definition der Anschaffungskosten nicht an eine bestimmte Höhe bzw. zeitliche Distanz zum Anschaffungsvorgang gebunden.11 § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG löst sich dabei von der eigentlichen Anschaffungskostendefinition. Auch in Bezug auf die Herstellungskosten hat der BFH entschieden, dass Herstellungskosten vorliegen, 130 wenn die Definition des § 255 HGB erfüllt ist.12 Da auch Herstellungskosten zeitraumbezogen und im Grundsatz unabhängig von einer bestimmten Höhe anfallen, kann der anschaffungsnahe Aufwand als „Teilmenge [... der] Herstellungskosten“13 aufgefasst werden. Jedoch stellt der anschaffungsnahe Aufwand keine „echte Teilmenge“ der Herstellungskosten dar, sondern es können auch anschaffungsnahe Aufwendungen angesetzt werden, die eigentlich nicht der allgemeinen Definition der Herstellungskosten entsprechen.

1 2 3 4 5 6 7

8 9 10 11 12 13

Stephan, DB 1995, 2282. Vgl. Kahle, StuB 2013, 494. Vgl. BFH v. 30.7.1991 – IX R 43/89, BStBl. II 1991, 918; BFH v. 12.2.1985 – IX R 114/83, BStBl. II 1985, 690. Eine Ableitung der anschaffungsnahen Aufwendungen aus dem Anschaffungskostenbegriff scheitert idR jedoch, da die Betriebsbereitschaft bereits besteht, vgl. Heuermann, DB 1992, 601. Vgl. BFH v. 12.9.2001 – IX R 39/97, BStBl. II 2003, 569; BFH v. 12.9.2001 – IX R 52/00, BStBl. II 2003, 574; Grützner, StuB 2003, 817. Vgl. Wendt in FS Spindler, 882; Pannen, DB 2003, 2729. Ebenfalls schloss sich die Finanzverwaltung dieser Ansicht an und gab ihre in R 157 Abs. 4 EStR 2001 Haltung auf, vgl. BMF v. 18.7.2003 – IV C 3 – S 2211 – 94/03, BStBl. I 2003, 386. Vgl. BT-Drucks. 15/1562, 32, mit der Begründung, dass die Rückkehr zur alten Rechtsansicht aus Gründen der Rechtsvereinfachung und -sicherheit erfolge. Zur Kritik an der Gesetzesbegründung Hiller, INF 2004, 664; Spindler, DB 2004, 508; Carlé in Carlé/Stahl/Strahl (Hrsg.), FS Korn, 53 f.; Pezzer, DStR 2004, 526; Hergarten, DStR 2003, 398. Vgl. zur weiteren Diskussion um die Einführung zB Vogelsang, DB 2003, 65 ff. Insbes. das Vereinfachungsargument lässt sich schnell widerlegen, denn wenn § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG nicht einschlägig ist, muss geprüft werden, ob Anschaffungskosten aufgrund der Versetzung in einen betriebsbereiten Zustand oder aufgrund eines Standardsprungs vorliegen, vgl. Kahle, StuB 2013, 496. Auch der BFH sieht die gesetzliche Verankerung insbes. im Hinblick auf EU-Recht für zulässig an, vgl. BFH v. 25.8.2009 – IX R 20/08, BStBl. II 2010, 125. Vgl. zur Altregelung Nordmeyer in Fischer (Hrsg.), FS Baetge, 393 ff. Pezzer, DStR 2004, 528. Ebenfalls Wendt, EStB 2004, 331. Von einer Erweiterung „für steuerliche Zwecke“ spricht Ronig, vgl. Ronig, BBK 2014, 803 (auch direktes Zitat). Vgl. Nordmeyer in Fischer (Hrsg.), FS Baetge, 393. Vgl. Nordmeyer in Fischer (Hrsg.), FS Baetge, 393. Vgl. BFH v. 19.9.1995 – IX R 37/93, BStBl. II 1996, 131. Nordmeyer in Fischer (Hrsg.), FS Baetge, 396.

Hiller | 113

Anh. zu § 243 Rz. 131 | Das Maßgeblichkeitsprinzip 131 Jedoch ist keine Erweiterung, die sich auf den Herstellungskostenbegriff auswirkt, gegeben, denn § 6 Abs. 1

Nr. 1a EStG ist als Fiktion aufzufassen.1 Insofern findet eine Abweichung von der allgemeinen Definition nur statt, wenn unter Bezug auf § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG Herstellungskosten angenommen (fingiert) werden, die ansonsten als Erhaltungsaufwand zu qualifizieren wären.2 Sprachlich fällt jedoch auf, dass § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG nur auf die Herstellungskosten abstellt, nicht hingegen auf die Anschaffungskosten,3 was überrascht, da die BFH-Rspr. auch eine Fiktion für das Vorliegen als Anschaffungskosten in Betracht zieht.4

D. Reformalternativen: Maßgeblichkeitsprinzip de lege ferenda I. Einführung einer IFRS-Maßgeblichkeit 132 Aktuell ergibt sich eine sehr ambivalente Bestandaufnahme im Hinblick auf das Maßgeblichkeitsprinzip.5

So sind durch die aktuellen steuerlichen Entwicklungen Ansätze erkennbar, die das Maßgeblichkeitsprinzip weiter schwächen. Auf der anderen Seite gibt es jedoch ebenfalls Entwicklungen, die eine Stärkung des Maßgeblichkeitsprinzips zur Folge haben.6

133 Da das Maßgeblichkeitsprinzip einer beachtlichen Anzahl an Kritikpunkten ausgesetzt ist, stellt sich die Fra-

ge, welche Reformalternativen auszumachen sind. Für eine einheitliche IFRS-Maßgeblichkeit könnte bei einer internationalen Betrachtung die höhere Transparenz sprechen.7 Aufgrund der stärkeren Zahlungsorientierung wird stellenweise ausgeführt, dass ein IFRS-Bezug für die Gewinnermittlung zu bevorzugen sei.8 Ob ein Bezug auf die IFRS einem Abstellen auf die GoB überlegen wäre, lässt sich dabei nur einwandfrei klären, wenn sich konkrete Bilanzierungsregeln ableiten lassen würden.9

134 Als juristisch problematisch kann die Gewinnung der IFRS angesehen werden. Diese werden von einem pri-

vaten Gremium beschlossen, was kritisiert werden kann,10 da so private Interessen auf die steuerliche Gewinnermittlung Einfluss nehmen.11 Dies erscheint vor dem Hintergrund des Rechtstaatsprinzips zumindest fraglich. Zwar werden die IFRS durch das Komitologie-Verfahren zu europäischem Recht, was die verfassungsrechtliche Legitimation begründet,12 jedoch kann im Komitologie-Verfahren nur eine Annahme bzw. Ablehnung der IFRS beschlossen werden. Eine inhaltliche Ausgestaltung ist nicht vorgesehen. Daneben wäre eine IFRS-Maßgeblichkeit auch aufgrund der Gleichmäßigkeit der Besteuerung zu kritisieren, da die IFRS nur für kapitalmarktorientierte Unternehmen anzuwenden sind und nicht für alle Steuerpflichtige gleichermaßen gelten.13

135 Die IFRS führen im Vergleich zu den GoB „weder zu einer verbesserten Messung steuerlicher Leistungs-

fähigkeit noch zu einer erhöhten Neutralität der Einkommensermittlung“.14 Außerdem kann eine IFRSMaßgeblichkeit, welche vor allem der Informationsvermittlung dient, zu Problemen führen, wenn die Regelungen, die eigentlich der Information dienen, vorrangig in Bezug auf die steuerliche Wirkung ausgeübt werden.15 Aus diesem Grund lässt sich eine steuerliche Gewinnermittlung auf Basis der IFRS nicht begrün1 Vgl. BFH v. 25.8.2009 – IX R 20/08, BStBl. II 2010, 125; Söffing, DB 2004, 946. Für die Niederlegung der in § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG enthaltenen Fiktion dürften dabei allerdings insbes. fiskalische Gründe den Ausschlag gegeben haben, vgl. Spindler, DB 2004, 510; Carlé in Carlé/Stahl/Strahl (Hrsg.), FS Korn, 60 f. 2 Vgl. Söffing, DB 2004, 947; Wendt, EStB 2004, 331. 3 Vgl. Spindler, DB 2004, 509. 4 Vgl. BFH v. 12.9.2001 – IX R 52/00, BStBl. II 2003, 574. 5 Zur Fortentwicklung des Handels- und Steuerbilanzrechts auch Kahle in HdJ, VII/1 Rz. 293 ff. mwN (Stand Feb. 2019). 6 Zum Einfluss der EU-Bilanzrichtlinie und des EuGH auf das deutsche Steuerbilanzrecht, vgl. Kahle in HdJ, VII/1 Rz. 309 ff. mwN (Feb. 2019). 7 Vgl. Spengel in Börsig/Wagenhofer (Hrsg.), IFRS in Rechnungswesen und Controlling, 140 f.; Schnorr, StuW 2004, 305 f.; Hiller, Bewertungsmaßstäbe im Bilanzsteuerrecht, 58 ff. mwN; Kahle in Prinz/Kanzler, Handbuch Bilanzsteuerrecht3, Rz. 3049. 8 Vgl. Wagner, BFuP 2005, 539 f.; Wagner, StuW 2005, 106; Kahle in HdJ, VII/1 Rz. 331 ff. mwN (Feb. 2019). 9 Vgl. Kahle, WPg 2002, 184. 10 Vgl. Ernst, StbJb 2003, 236; Dziadkowski, IStR 2011, 918; Wendt in Kube/Mellinghoff/Morgenthaler/Palm/Puhl/Seiler (Hrsg.), Leitgedanken des Rechts, Bd. 2, FS Kirchhof. 11 Vgl. Kirchhof in Hopt/Veil/Kämmerer (Hrsg.), Kapitalmarktgesetzgebung im Europäischen Binnenmarkt, 176. 12 Vgl. Schön, ET 2004, 428 f.; Schön in Schön (Hrsg.), Steuerliche Maßgeblichkeit in Deutschland und Europa, 108 f. 13 Vgl. Prinz in Kirchhof/Schmidt/Schön/Vogel (Hrsg.), Steuer- und Gesellschaftsrecht zwischen Unternehmerfreiheit und Gemeinwohl, FS Raupach, 290. 14 Spengel/Oestreicher, DStR 2009, 778. 15 Vgl. Günter, Fortentwicklung des Handels- und Steuerbilanzrechts, 225 ff. mwN.

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D. Reformalternativen: Maßgeblichkeitsprinzip de lege ferenda | Rz. 138 Anh. zu § 243

den.1 Nach mittlerweile hM scheidet eine formelle IFRS-Maßgeblichkeit damit aus.2 Daneben wird ebenfalls diskutiert, ob die Einführung einer GKB (Gemeinsame Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage) bzw. GKKB (Gemeinsamen konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage) ein „europäisches Lösungsmodell“ zur Fortentwicklung des Maßgeblichkeitsprinzips darstellt.3

II. Einführung eines eigenständigen Bilanzsteuerrechts Als weiteres Reformmodell wäre ein eigenständiges Bilanzsteuerrecht, verbunden mit der Entkopplung 136 handels- und steuerrechtlicher Normsetzung, zu diskutieren.4 Pläne zur Niederlegung eines eigenständigen Bilanzsteuerrechts gab es bereits 1974,5 jedoch existiert bis heute keine einheitliche rechtliche Grundlage.6 Mit einem eigenständigen Bilanzsteuerrecht könnte mit vielen Zweifelsfragen bei der Anknüpfung an die GoB aufgeräumt werden. Auch ein eigenständiges Bilanzsteuerrecht muss, um bessere Lösungsalternativen bieten zu können, die Frage hinsichtlich Ansatz- und Bewertungsregeln beantworten. Durch die eigenständige Wahlrechtsausübung (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 EStG), verbunden mit der selbständigen Notwendigkeit einer Verzeichnisführung, dürfte das tax-accounting in Zukunft an Bedeutung gewinnen.7 Außerdem steigt das eigenständige tax-reporting seit Einführung der E-Bilanz.8 Da das Leistungsfähigkeitsprinzip aus der Verfassung abgeleitet werden kann, das Maßgeblichkeitsprinzip 137 hingegen eher technischer bzw. durchführungstheoretischer Natur ist,9 muss im Kollisionsfall von GoB und Leistungsfähigkeitsprinzip dem Leistungsfähigkeitsprinzip ein Vorrang gegenüber den GoB eingeräumt werden.10 So steht dem Gesetzgeber bei der „Ausgestaltung und Bestimmung der Rechtweite des Maßgeblichkeitsprinzips“ ein Gestaltungsspielraum zu.11 Die Kritik am Maßgeblichkeitsprinzip alleine führt jedoch nicht zur gleichzeitigen Schlussfolgerung, dass damit automatisch ein eigenständiges Bilanzsteuerrecht geschaffen werden sollte. Ein eigenständiges Steuerbilanzrecht würde nicht grds. zu einer Vereinfachung der Ansatz- und Bewertungsfragen führen,12 weswegen ein eigenständiges Steuerbilanzrecht nicht als „Wert an sich“ gefordert werden kann.13 So müsste uU im Zweifelsfall auch ein eigenständiges Steuerbilanzrecht wiederum auf die GoB abstellen.14 Wie die Befürworter eines eigenständigen Bilanzsteuerrechts ausführen, sollte sich dieses Rechtsgebiet wie- 138 derum an den GoB orientieren. Das Argument, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip, wegen der Unterschiede zwischen Handels- und Steuerbilanz, ein eigenständiges Steuerbilanzrecht verlange,15 kann nicht überzeu1 Vgl. Kahle, IRZ 2006, 89. 2 Vgl. Schreiber, StuW 2002, 106 f.; Breithecker/Klapdor/Rokitta, StuW 2007, 159 f.; Kahle/Dahlke/Schulz, StuW 2008, 266; Kahle, IRZ 2006, 90; Wendt in Kube/Mellinghoff/Morgenthaler/Palm/Puhl/Seiler (Hrsg.), Leitgedanken des Rechts, Bd. 2, FS Kirchhof, 1971; Herzig/Bär, DB 2003, 4 f.; Herzig/Lochmann, ZfB 2006, 152 f.; Fülbier, StuW 2006, 241 f.; Freidank/Velte, StuW 2010, 193. 3 Vgl. hierzu ua. Prinz in Prinz/Kanzler, Handbuch Bilanzsteuerrecht3, Rz. 422; Kahle in Prinz/Kanzler, Handbuch Bilanzsteuerrecht3, Rz. 3076 ff.; Kahle in HdJ, VII/1 Rz. 341 ff. mwN (Stand Feb. 2019). 4 Zur Forderung eines eigenständigen Steuerbilanzrechts vgl. Herzig/Bär, DB 2003, 1; Hennrichs, StuW 2005, 264; Prinz, StuB 2019, 6 ff.; Prinz in Kirchhof/Schmidt/Schön/Vogel (Hrsg.), Steuer- und Gesellschaftsrecht zwischen Unternehmerfreiheit und Gemeinwohl, FS Raupach, 295 ff.; Prinz, DStJG (34) 2011, 164 ff.; stellenweise wird anstelle eines eigenständigen Bilanzsteuerrechts auch die Loslösung von einzelnen GoB diskutiert, vgl. Patek, BFuP 2011, 300. 5 Vgl. BT-Drucks. 7/1470. Ein solches eigenständiges Bilanzsteuerrecht hätte auch den Vorteil, dass sich Handelsund Steuerbilanz zweckgerecht weiterentwickeln können, vgl. so schon Bareis, WPg 1972, 503. 6 Vgl. Weber-Grellet, Bilanzsteuerrecht16, Rz. 5. Die Pläne zur Niederlegung eines eigenständigen Bilanzsteuerrechts wurden nicht weiterverfolgt, da das Steuerreformgesetz von 1974 auf andere Bereiche begrenzt wurde, vgl. BTDrucks. 7/2180, 1. 7 Vgl. Herzig, DStR 2010, 1905; Herzig/Vossel, KSzW 2010, 57. 8 Vgl. hierzu Günter, Fortentwicklung des Handels- und Steuerbilanzrechts, 183 f. mwN. 9 Vgl. Pezzer, DStJG (14) 1991, 18; Weber-Grellet, DB 1994, 289. Dies wurde auch in der BVerfG-Entscheidung (BverfG v. 12.5.2009 – 2 BvL 1/00, BVerfGE 123, 111) herausgestellt. Hier vertritt das BVerfG die Auffassung, dass das Maßgeblichkeitsprinzip eher auf Praktikabilitätsüberlegungen gründet, als auf Überlegungen einer gerechten Steuerlastenverteilung, hierzu krit. Hey, DStR 2009, 2564 ff.; Hüttemann in FS Spindler, 627 ff.; Hüttemann, DStZ 2011, 509. 10 Vgl. Weber-Grellet, DB 1994, 291; Weber-Grellet, BB 1994, 30; Weber-Grellet, DB 1997, 385; implizit auch WeberGrellet, StbJb 1995, 104; Pezzer, DStJG (14) 1991, 17 f.; Hennrichs, StuW 1999, 146. 11 Vgl. Bode in Prinz/Kanzler, Handbuch Bilanzsteuerrecht3, Rz. 2714. 12 Vgl. Kahle, Internationale Rechnungslegung und ihre Auswirkung auf Handels- und Steuerbilanz, 267. 13 Vgl. auch Ernst, StbJb 2003, 237 f. 14 Vgl. Groh in Meffert/Krawitz (Hrsg.), Unternehmensrechnung und -besteuerung, FS Börner, 181 mwN.; Hennrichs, StuW 1999, 152. 15 Vgl. Weber-Grellet, DB 1994, 288 f.; Weber-Grellet, ZRP 2008, 148; Weber-Grellet, DB 2010, 2298 f.

Hiller | 115

Anh. zu § 243 Rz. 138 | Das Maßgeblichkeitsprinzip gen, da das Leistungsfähigkeitsprinzip wiederum von den Wertungen des Gesetzgebers abhängt.1 Somit ist ein eigenständiges Bilanzsteuerrecht nicht vorzugswürdig. 139 Allerdings sind ebenso Tendenzen der Abkopplung der Handels- von der Steuerbilanz festzustellen. Ins-

bes. hat der Steuergesetzgeber im Rahmen der Änderungen des HGB-Rechnungszinssatzes2 die Chance verpasst, die Pensionsrückstellungsbewertung in der Steuerbilanz neu zu regeln und damit ebenfalls klarzustellen, welche Rolle das Maßgeblichkeitsprinzip im Rahmen der steuerbilanziellen Gewinnermittlung in Zukunft spielen soll.

140 Das derzeitige Verhältnis zwischen Handels- und Steuerbilanz führt zu Rechtsunsicherheit und erschwert

die steuerbilanzielle Bewertung.3 Aufgrund dessen werden insbes. zwei mögliche Reformalternativen in Bezug auf das Maßgeblichkeitsprinzip diskutiert.4 So wäre es einerseits möglich, eine IFRS-Maßgeblichkeit einzuführen. Sofern eine Maßgeblichkeit der IFRS jedoch nur für einen Teil der Unternehmen, insbes. lediglich für kapitalmarktorientierte Unternehmen, zur Anwendung käme, würde dies einen Verstoß gegen das Postulat der Gleichmäßigkeit der Besteuerung begründen.5 Darüber hinaus sprechen insbes. verfassungsrechtliche Einwände sowie gewichtige rechtspolitische Gründe gegen eine unmittelbare Maßgeblichkeit der IFRS.6 Eine andere Möglichkeit wäre es, das Maßgeblichkeitsprinzip komplett abzuschaffen und ein eigenständiges Steuerbilanzrecht zu implementieren. Die Einführung eines eigenständigen Steuerbilanzrechts wäre dabei allerdings mit Effizienzeinbußen verknüpft.7 Da ein eigenständiges Steuerbilanzrecht jedoch wiederum auf die GoB abstellen müsste, wäre die Stärkung des Maßgeblichkeitsprinzips als Reformalternative vorzuziehen.

§ 244 Sprache. Währungseinheit Der Jahresabschluß ist in deutscher Sprache und in Euro aufzustellen. A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bedeutung und Zweck 1. Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Sachlicher Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . . 2. Persönlicher Geltungsbereich . . . . . . . . . . .

1 2 3 5 6 9

IV. B. I. II. III.

3. Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . 4. Sprache und Währung im Steuerrecht . . . . . Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verpflichtende Vorgabe von Sprache und Währung Aufstellung in deutscher Sprache . . . . . . . . . . . Aufstellung in Euro 1. Euro als gesetzliches Zahlungsmittel . . . . . . 2. Begrenzte Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

10 13 14 15 18 19 21

Literatur: Csik/Schneck, Fremdwährungsumrechung in einem Weltabschluß, WPg. 1983, 293; Groh, Zur Bilanzierung von Fremdwährungsgeschäften, DB 1986, 869; Ernst, Bilanzrechtliche Regelungen anläßlich der Einführung des Euro, ZGR 1998, 20; Ballwieser/Zimmermann, Bilanzrecht und Sprache, WPg. Sonderheft 2004, 7.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand 1 § 244 HGB legt für den Jahresabschluss der nach den Vorschriften des HGB rechnungslegungspflichtigen

Kaufleute die Verwendung einer Sprache, konkret der deutschen Sprache, und einer Währung, konkret des Euro, rechtsverbindlich fest. Gäbe es eine solche ausdrückliche Norm nicht, wäre der Aufsteller in der Wahl

1 2 3 4 5 6 7

Vgl. Günter, Fortentwicklung des Handels- und Steuerbilanzrechts, 214 f. Vgl. BT-Drucks. 84/16, 21 f. Vgl. Weber-Grellet, DB 2016, 1284. Vgl. auch Meyering/Gröne, DStR 2016, 1696 ff. mwN. Vgl. Günter, Fortentwicklung des Handels- und Steuerbilanzrechts, 223 mwN. Vgl. auch Günter, Fortentwicklung des Handels- und Steuerbilanzrechts, 224 f. mwN. Vgl. Meyering/Gröne, StuW 2018, 41.

116 | Hiller und Schüppen

A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 6 § 244

von Sprache und Währung frei und nur durch allgemeine Grundsätze, insbes. die Prinzipien der Verständlichkeit und der Stetigkeit, in einem gewissen Rahmen gebunden.

II. Bedeutung und Zweck 1. Bedeutung Sprache und Währung, die bei der Aufstellung eines Jahresabschlusses angewandt werden, sind prägende, 2 unmittelbar ins Auge fallende formale Elemente eines Jahresabschlusses. Ist der bilanzierende Rechtsträger grenzüberschreitend in verschiedenen Währungszonen tätig, hat die anwendbare Währung wegen der sich dann ergebenden Effekte aus notwendigen Währungsumrechnungen auch ganz erhebliche materielle Ansatz- und Ergebnisauswirkungen. Für Tochtergesellschaften mit Mutterunternehmen mit Sitz im Ausland, deren Konzernsprache eine andere als deutsch ist, ist die Notwendigkeit der Verwendung der deutschen Sprache häufig aufwändig und lästig. Die Norm bringt für das Bilanzrecht auch die staatliche Währungshoheit zum Ausdruck1 und unterstreicht insoweit den öffentlich-rechtlichen Charakter der Rechnungslegung.

2. Zweck Normzweck ist die Verständlichkeit der Rechnungslegung als Ausprägung des Prinzips der Bilanzklarheit.2 3 Diese ist allerdings kein Selbstzweck und wäre auch bei Verwendung einer anderen allgemein verständlichen Sprache und einer allgemein gebräuchlichen Währung gegeben. Eigentliche Regelungszwecke sind die Schaffung von Rechtssicherheit und die Verbesserung der Vergleichbarkeit von Jahresabschlüssen, beides Ziele, die sich aus der öffentlich-rechtlichen Funktion der gesetzlich vorgeschriebenen externen Rechnungslegung ergeben. Die Norm ist zwingend und steht nicht zur Disposition der Rechnungsleger. Durch die ausdrückliche Rege- 4 lung erübrigen sich Regelungen in Gesellschaftsverträgen und Satzungen und sonst denkbare Diskussionen zwischen Gesellschaftern oder innerhalb der Geschäftsleitungsorgane. Da die Verwendung unterschiedlicher Währungen erfahrungsgemäß eine erhebliche relative Volatilität von Bilanzausweisen und Ergebnissen und damit eine stark eingeschränkte Vergleichbarkeit von auf unterschiedliche Währungen lautenden Zahlenwerken im Zeitablauf mit sich bringt, verbessert die einheitliche Festlegung auf den Euro zugleich die Vergleichbarkeit der Jahresabschlüsse der nach deutschem Recht rechnungslegenden Rechtsträger. 3. Kritik Die Vorgabe der dem Rechnungslegungsstatut entsprechenden nationalen Sprache und Währung ist nur 5 vordergründig selbstverständlich und nur auf den ersten Blick naheliegend. Aufgrund der schon bei Inkrafttreten des BiRiLiG 1986 bestehenden und seitdem zunehmenden Internationalität und Globalisierung der deutschen Wirtschaft ist die Sinnhaftigkeit, die Verwendung einer einheitlichen, nicht deutschen Konzernsprache kategorisch auszuschließen und die Wahl einer etwaigen anderen funktionalen Währung der Unternehmensgruppe auch für den Jahresabschluss zu verbieten, durchaus zweifelhaft.3 Den Erfordernissen der Rechtssicherheit wäre durch eine zur Disposition ausdrücklicher anderweitiger, ggf. registeröffentlicher Regelung stehende Normierung genügt. Die materielle Vergleichbarkeit wird weniger durch die verwendete Währung, sondern mehr durch das Gewicht und die Ertragsauswirkungen von Währungsgewinnen und -verlusten beeinflusst, das man ohnehin erst bei vertiefter Bilanzanalyse erkennen kann.

III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Sachlicher Geltungsbereich Die Norm betrifft ausweislich ihres klaren Wortlauts den Jahresabschluss, der nach der Legaldefinition in 6 § 242 Abs. 3 HGB grds. aus Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung besteht. Bei Kapitalgesellschaften und diesen gleichgestellten Personengesellschaften (§ 264a HGB) ist auch der Anhang Teil des Jahresabschlusses, da dieser gem. § 264 Abs. 1 Satz 1 HGB eine „Erweiterung“ darstellt und mit Bilanz und Gewinn- und Verlustrechung „eine Einheit“ bildet. Eine identische Bestimmung als „Erweiterung“ und „Einheit“ – und somit Bestandteile des Jahresabschlusses – trifft § 264 Abs. 1 Satz 2 HGB für Kapitalflussrechnung, Eigenkapitalspiegel und Segmentberichterstattung, soweit diese erstellt werden (müssen). 1 Hüffer in Großkomm.4, § 244 HGB Rz. 2. 2 Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 244 HGB Rz. 1; Pöschke in Großkomm.5, § 244 HGB Rz. 1. 3 Kritisch auch Hüffer in Großkomm.4, § 244 HGB Rz. 1.

Schüppen | 117

§ 244 Rz. 7 | Sprache. Währungseinheit 7 Gesondertes Rechnungslegungsinstrument und nicht Teil des Jahresabschlusses ist der Lagebericht (§ 264

Abs. 1 Satz 1 HGB: „sowie ... aufzustellen ...“). Nach allgemeiner Auffassung soll § 244 HGB dennoch auch für den Lagebericht gelten; soweit dies überhaupt begründet wird, wird auf „Sinn und Zweck“ der Norm verwiesen.1 Dem ist jedoch nicht zu folgen, nachdem § 239 HGB für die Führung der Handelsbücher auf entsprechende Festlegungen bewusst verzichtet und der Wortlaut des § 244 HGB eindeutig entgegensteht. Es könnte sich allenfalls um eine analoge Anwendung handeln. Angesichts der Regelung des § 239 HGB ist aber schon keine Regelungslücke ersichtlich, zudem ist § 244 HGB wegen § 334 Abs. 1 Nr. 1 HGB Tatbestandselement einer Strafnorm (das strafrechtliche Analogieverbot gilt auch im Bereich der Ordnungswidrigkeiten), so dass eine analoge Anwendung ausscheidet. Anforderungen an Berichtswährung und Sprache des Lageberichts können daher nicht § 244 HGB entnommen werden, sondern nur allgemeinen, insbes. aus § 289 HGB abzuleitenden Grundsätzen. Im Hinblick auf das auch insoweit ausdrücklich in Bezug genommene „true and fair view“-Gebot ist es in der Tat erforderlich, dass die Berichtswährung des Lageberichts mit der im Jahresabschluss verwendeten Währung übereinstimmt. Demgegenüber dürfte die Verwendung einer identischen Sprache nicht erforderlich sein, sondern mit Blick auf § 239 HGB die Verwendung einer lebenden, allgemein verständlichen Sprache ausreichen.

8 Entsprechend anwendbar ist § 244 HGB kraft ausdrücklicher Verweisung auf die Eröffnungsbilanz (§ 242

Abs. 1 Satz 2 HGB), den Konzernabschluss (§ 298 Abs. 1 Satz 1 HGB; auch bei Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards: § 315e Abs. 1 HGB)2 und den für Offenlegungszwecke erstellten IFRS-Einzelabschluss (§ 325 Abs. 2a Satz 3 HGB). Als Verweis auch auf § 244 HGB ist es ebenfalls anzusehen, wenn eine entsprechende Anwendung der „Vorschriften über den Jahresabschluss“ gesetzlich angeordnet ist, wie dies für die meisten Sonderbilanzen (Beispiel: Liquidationseröffnungsbilanz gem. § 71 Abs. 2 Satz 2 GmbHG) der Fall ist. Zur Relevanz für die Steuerbilanz s.u. Rz. 13. 2. Persönlicher Geltungsbereich

9 Der persönliche Anwendungsbereich des § 244 HGB ergibt sich aus der in § 242 Abs. 1–3 HGB normierten

Pflicht zur Aufstellung eines Jahresabschlusses und erstreckt sich auf alle inländischen Kaufleute. Mit erfasst werden daher ausländische Betriebsstätten und Zweigniederlassungen, nicht jedoch ausländische Tochtergesellschaften.3 Umgekehrt werden Betriebsstätten und Zweigniederlassungen ausländischer Rechtsträger idR nicht erfasst, während deren inländische Tochtergesellschaften Kaufmannseigenschaft haben und daher in den Anwendungsbereich fallen. Inländische Zweigstellen von ausländischen Kreditinstituten gelten nach § 53 KWG als inländische Kreditinstitute, die sich daraus ergebende Pflicht zur Aufstellung eines eigenen Jahresabschlusses führt auch zur Anwendbarkeit des § 244 HGB.4 3. Verhältnis zu anderen Vorschriften

10 Die für den Jahresabschluss geltende Norm ist abzugrenzen von der in § 239 HGB getroffenen generellen

Regelung über die Führung die Handelsbücher; für diese ist weder die Verwendung einer bestimmten Währung noch einer bestimmten Sprache vorgeschrieben; nach § 239 Abs. 1 Satz 1 HGB hat sich der Kaufmann „einer lebenden Sprache“ zu bedienen. Liberalere Sprachenregelungen finden sich auch häufig im Kapitalmarktrecht, beispielsweise in § 19 WpPG, wo in großem Umfang die Verwendung „einer in internationalen Finanzkreisen gebräuchlichen Sprache“ zugelassen wird.

11 Mehrere europäische Verordnungen und verschiedene Euro-Einführungsgesetze legen den Euro in der Bun-

desrepublik als gesetzliches Zahlungsmittel fest.5 Aus § 244 BGB ergibt sich, dass eine in einer anderen Währung als Euro ausgedrückte Geldschuld im Inland in Euro bezahlt werden kann, wenn die Zahlung in der anderen Währung nicht ausdrücklich vereinbart ist. 12 § 244 HGB regelt die Berichtswährung des Jahresabschlusses, trifft aber keine Regelung zur im Unternehmen zu verwendenden funktionalen Währung. Da Forderungen und Verbindlichkeiten in Fremdwährungen bestehen und gebucht werden, unter Umständen auch in Euro bestehende Forderungen und Verbindlichkei1 Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 244 HGB Rz. 2; Schmidt/Ries in Beck BilKomm.12, § 244 HGB Rz. 2; ADS6, § 244 HGB Rz. 1; Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 244 Rz. 2; Pöschke in Großkomm.5, § 244 HGB Rz. 4 unter Berufung auf ein Redaktionsversehen. 2 Für die Befreiung von der Aufstellung eines Konzernabschlusses durch Einbeziehung in den Konzernabschluss eins Mutterunternehmens ist aber interessanterweise nach den Gesetzesänderungen durch das ARUG II die Offenlegung des befreienden Konzernabschlusses auch in englischer Sprache zugelassen, § 291 Abs. 1 Satz 1 HGB und § 292 Abs. 1 Nr. 4 HGB. 3 Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 244 Rz. 1. 4 Braun in Kölner Komm. RLR, § 244 HGB Rz. 2. 5 Ausführlicher und mit Nachweisen Berger in Jauernig, BGB17, § 244 Rz. 5.

118 | Schüppen

B. Verpflichtende Vorgabe von Sprache und Währung | Rz. 15 § 244

ten in Fremdwährungen erfüllt werden und schließlich in den Konzernabschluss einzubeziehende Jahresabschlüsse auf andere Währungen lauten können, bedarf der Ausweis im Jahresabschluss und im Konzernabschluss der Währungsumrechnung; man kann sagen, dass aus § 244 HGB ein Umrechnungsgebot folgt1. Hierzu und zum Ausweis der sich hieraus ergebenden Effekte enthalten die §§ 256a, 284 Abs. 2 Nr. 2, § 308a HGB spezielle Regelungen (ausführlich zu Fragen der Währungsumrechnung § 256a HGB Rz. 19 ff.). 4. Sprache und Währung im Steuerrecht Aus der systematischen Stellung der Norm im Dritten Buch des HGB folgt, dass diese zunächst nur für den 13 handelsrechtlichen Jahresabschluss, nicht jedoch für eine etwaige Steuerbilanz gilt. § 140 AO, der für buchführungspflichtige Kaufleute eine Geltung der handelsrechtlichen Vorschriften auch für Besteuerungszwecke anordnet, betrifft nur Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten, nicht jedoch den Jahresabschluss.2 Insoweit lässt § 146 Abs. 3 AO – in Übereinstimmung mit § 239 HGB – die Verwendung einer (beliebigen) „lebenden Sprache“ zu. Für die Steuerbilanz, die gem. § 60 Abs. 2 Satz 2 EStDV aufgestellt werden kann, nicht muss, gelten jedoch weder § 140 AO noch § 244 HGB. Deshalb kann die Steuerbilanz in jeder lebenden Sprache erstellt werden; gem. § 87 Abs. 2 AO ist jedoch auf Verlangen der Finanzbehörde eine Übersetzung in die deutsche Sprache vorzulegen (nicht einschlägig ist insofern § 146 Abs. 3 AO,3 der nur Buchungen und Aufzeichnungen betrifft, nicht jedoch steuerliche Jahresabschlüsse). Für die Steuerbilanz gilt gem. § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG zwar die so genannte „Maßgeblichkeit“ der Handelsbilanz, diese betrifft aber nur den „Ausweis des Vermögens“. Darunter kann jedenfalls nicht die Sprache subsumiert werden, allenfalls die verwendete Währung. Der BFH hat – ohne Rückgriff auf eine ausdrückliche gesetzliche Regelung – entschieden, dass eine in einer ausländischen Währung aufgestellte Bilanz für steuerliche Zwecke unter Verwendung eines den Grundsätzen ordnungsmäßiger Bilanzierung entsprechenden Verfahrens in die inländische Währung umzurechnen ist (damals DM, heute Euro); er hat dies damit begründet, dass diese „inländischen Besteuerungszwecken dient“.4

IV. Rechtsentwicklung § 244 HGB ist als Teil der Bilanzrechtsreform durch das BiRiLiG am 1.1.1986 in Kraft getreten, eine Vorgän- 14 gerregelung gab es nicht. Die Aufstellung in Euro ist seit dem 1.1.1999 verpflichtend;5 allerdings bestand aufgrund der Übergangsregelung in Art. 42 Abs. 1 Satz 2 EGHGB ein Wahlrecht, längstens für Geschäftsjahre, die innerhalb des Jahres 2001 endeten, den Jahresabschluss noch in Deutscher Mark aufzustellen. Die europäische Transparenzrichtrichtlinie-Änderungsrichtlinie (Richtlinie 2013/50/EU v. 22.10.2013)6 14a verpflichtet die Mitgliedstaaten der EU sicherzustellen, dass Jahresfinanzberichte mit Wirkung zum 1.1.2020 in einem einheitlichen europäischen elektronischen Format (European Single Electronic Format „ESEF“) erstellt werden. Nach dem Referentenentwurf (des BMJV und des BMF) eines „Gesetzes zur weiteren Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie im Hinblick auf ein einheitliches elektronisches Format für Jahresberichte“ sollten kapitalmarktorientierte Unternehmen (genauer: Inlandsemittenten iSd. § 2 Abs. 14 WpHG, die Wertpapiere iSd. § 2 Abs. 1 WpHG begeben) durch einen § 264 Abs. 2a HGB-E verpflichtet werden, den Jahresabschluss in einem durch EU-Recht (Delegierte Verordnung (EU) 2019/815 v. 17.12.2018)7 vorgegebenen einheitlichen elektronischen Berichtsformat aufzustellen. Der Regierungsentwurf ist hiervon jedoch abgerückt und fordert nicht die Aufstellung, sondern nur mehr die Veröffentlichung des Jahresabschlusses in diesem Format (§ 328 HGB-E idF des Regierungsentwurfs).

B. Verpflichtende Vorgabe von Sprache und Währung I. Aufstellung in deutscher Sprache Eine normative Festlegung dessen, was unter „deutscher Sprache“ zu verstehen ist, existiert nicht. Da es sich 15 bei dem Jahresabschluss um in Textform zu erstellende Dokumente handelt, ist nicht auf die gesprochene 1 Pöschke in Großkomm.5, § 244 Rz. 12. 2 AA ohne Begründung Schmidt/Ries in Beck BilKomm.12, § 244 HGB Rz. 2 aE; Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 244 HGB Rz. 2 aE. 3 Unklar und unzutreffend Schmidt/Ries in Beck BilKomm.12, § 244 HGB Rz. 4. 4 BFH v. 13.9.1989 – R 117/87, NJW 1990, 1439; v. 9.8.1989 – I B 118/88, BStBl. II 1990, 175. 5 Art. 4 § 1 Nr. 1 EuroEG, BGBl. I 1998, 1242; BT-Drucks. 13/9347. 6 ABl. L 294 v. 6.11.2013, S. 13; L 14 v. 18.1.2014, S. 35. 7 ABl. L 143 v. 29.5.2019, S. 1; L 145 v. 4.6.2019, S. 85.

Schüppen | 119

§ 244 Rz. 15 | Sprache. Währungseinheit Sprache, sondern auf die Schriftsprache abzustellen. Man wird die Norm daher so verstehen müssen, dass eine im deutschen Sprachraum nach allgemeinem Sprachempfinden als solche verstandene Schriftsprache zu verwenden ist. Dies schließt die Verwendung der im österreichischen oder schweizerischen Sprachraum benutzten Schriftsprache trotz des zum Teil vom Gebiet der Bundesrepublik Deutschland abweichenden Wortschatzes ein. 16 Zulässig bleibt selbstverständlich die Anfertigung von Übersetzungen oder eine von vornherein zwei- oder

mehrsprachige Aufstellung des Jahresabschlusses. Auch in diesen Fällen ist aber aufgrund der Regelung des § 244 HGB stets die deutsche Fassung die maßgebliche.

17 Die Sprachregelung des § 244 HGB gilt nicht für den Lagebericht (s.o. Rz. 7) und grds. auch nicht im Steuer-

recht (s.o. Rz. 13).

II. Aufstellung in Euro 1. Euro als gesetzliches Zahlungsmittel 18 Der Euro ist durch europäische Verordnungen und deutsche Einführungsgesetze als gesetzliches Zahlungs-

mittel und in der Bundesrepublik geltende Währung eingeführt. Der gesetzlich festgelegte Umrechnungskurs der früheren Deutschen Mark in Euro beträgt 1 € = 1,95583 DM. Die Verwendung des Euro als gesetzliche Berichtswährung schließt es nicht aus, den Jahresabschluss zusätzlich in einer anderen Währung aufzustellen.1 Allerdings müssen in diesem Fall zur Wahrung von Bilanzklarheit und -verständlichkeit die „Vorrangigkeit“ der Euroangaben deutlich und Angaben zu Umrechnungsmethode und funktionaler Währung gemacht werden. 2. Begrenzte Bedeutung

19 Die Norm trifft keine Regelung zu Fragen der Währungsumrechnung (s.o. Rz. 12). Ebenso stellt sie keine

Entscheidung für das bilanzielle Nominalwertprinzip dar, lässt also die Frage einer etwaigen Berücksichtigung von Kaufkraftverlusten, zB durch die Berücksichtigung höherer Wiederbeschafftungspreise statt der Anschaffungs- und Herstellungskosten, unberührt.2

20 Die Entscheidung für die Währung Euro bedingt auch, dass grds. der Stückelung dieser Währung entspre-

chend Centangaben zu machen und daher zwei Stellen nach dem Komma anzugeben sind. Die Möglichkeit zur Rundung auf volle Euro (oder gar volle hundert oder volle tausend Euro) ergibt sich jedenfalls nicht aus § 244 HGB, sondern kann allenfalls aus allgemeinen Bilanzierungsgrundsätzen abgeleitet werden.3

III. Sanktionen 21 Verstöße gegen § 244 HGB führen bei prüfungspflichtigen Kaufleuten als Gesetzesverstöße zur Angabe im

Prüfungsbericht (§ 321 Abs. 1 Satz 3 HGB); da es sich um einen rechnungslegungsbezogenen Verstoß handelt, ist auch der Bestätigungsvermerk einzuschränken (§ 321 Abs. 4 HGB).4

22 Für die Mitglieder des Geschäftsführungsorgans und des Aufsichtsrats von Kapitalgesellschaften oder gleich-

gestellten Personengesellschaften handelt es sich bei vorsätzlicher Verletzung der Norm um eine Ordnungswidrigkeit (§ 334 Abs. 1 Nr. 1 HGB), die mit einer Geldbuße bis zu 50.000 € geahndet werden kann.5

1 Schmidt/Ries in Beck BilKomm.12, § 244 HGB Rz. 5. 2 ADS6, § 244 HGB Rz. 7; Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 244 Rz. 5; Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 244 HGB Rz. 7; ebenso Pöschke in Großkomm.5, § 244 HGB Rz. 8 mit Hinweis darauf, dass sich das Nominalwertprinzip über § 244 HGB auf die Gewinnermittlung auswirke. 3 Ebenso Pöschke in Großkomm.5, § 244 Rz. 14. AA wohl Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 244 HGB Rz. 7; Schmidt/Ries in Beck Bilkomm.12, § 244 HGB Rz. 6. 4 Siehe IDW PS 400 (Bestätigungsvermerk) und IDW PS 450 (Berichterstattung). 5 Nach der Änderung des § 334 durch das CSR-Richtlinie-UmsetzungsG gilt bei kapitalmarktorientierten Gesellschaften ein erhöhter Bußgeldrahmen von 2 Mio. €.

120 | Schüppen

A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 4 § 245

§ 245 Unterzeichnung 1

Der Jahresabschluß ist vom Kaufmann unter Angabe des Datums zu unterzeichnen. 2Sind mehrere persönlich haftende Gesellschafter vorhanden, so haben sie alle zu unterzeichnen. A. I. II. III.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Bedeutung und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Sachlicher und persönlicher Geltungsbereich 4 2. Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . . 8 IV. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 B. Unterzeichnung des Jahresabschlusses I. Unterzeichnungsobjekt (Satz 1) . . . . . . . . . . . . . 10

II. Art der Unterzeichnung und Datierung (Satz 1) 1. Unterzeichnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Datierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Unterzeichnungsverpflichtete (Satz 1 und Satz 2) 1. Kaufleute unterschiedlicher Rechtsform und Kollegialorgane (Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . 2. Personelle Veränderungen . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsfolgen und Sanktionen 1. Rechtswirkungen der Unterzeichnung . . . . 2. Rechtsfolgen fehlender Unterzeichnung . . . 3. Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13 15 16 19 21 22 23

Literatur: Maluk/Göbel, Die Unterzeichnung der Bilanz nach § 41 HGB, WPg. 1978, 624; Erle, Unterzeichnung und Datierung des Jahresabschlusses bei Kapitalgesellschaften, WPg. 1987, 637; Küting/Kaiser, Aufstellung oder Feststellung: Wann endet der Wertaufhellungszeitraum?, WPg. 2000, 577; Weiß, Die Pflicht zur Unterzeichnung des Jahresabschlusses der AG bei seiner Aufstellung und die Folgen ihrer Verletzung, WM 2010, 1010; Oser/Eisenhardt, Zur Unterzeichnungspflicht von Jahresabschlüssen im Fall von Meinungsverschiedenheiten zwischen den Geschäftsführern, DB 2011, 717.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand Gegenstand der Norm sind mit der Datierung und Unterzeichnung Formalien des Jahresabschlusses.

1

II. Bedeutung und Zweck Die Bestimmung zur Unterzeichnung des Jahresabschlusses ist eine bloße Ordnungsvorschrift. Ihre prakti- 2 sche Bedeutung ist vor dem Hintergrund der Bestimmung des Unterzeichnungsobjekts durch die zwar nicht unbedenkliche, aber eindeutige Rspr. (s.u. Rz. 10) gering. Zweck der Regelung ist die Dokumentation der Übernahme der Verantwortung für die Richtigkeit und 3 Vollständigkeit des Jahresabschlusses durch den/die Unterzeichnenden.1 Die Tatsache dieser Verantwortlichkeit ergibt sich allerdings nicht aus § 245 HGB, sondern aus den die Pflichtenstellung des Geschäftsführungsorgans und den die Verpflichtung zur Aufstellung des Jahresabschlusses betreffenden Normen (§§ 242, 264 HGB). Die Norm selbst ist mit ihren formalen Anforderungen auf eine Dokumentations- und Beweisfunktion beschränkt.2

III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Sachlicher und persönlicher Geltungsbereich Die Norm betrifft ausweislich ihres klaren Wortlauts den Jahresabschluss, der nach der Legaldefinition in 4 § 242 Abs. 3 HGB grds. aus Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung besteht. Bei Kapitalgesellschaften und diesen gleichgestellten Personengesellschaften (§ 264a HGB) ist auch der Anhang Teil des Jahresabschlusses, da dieser gem. § 264 Abs. 1 Satz 1 HGB eine „Erweiterung“ darstellt und mit Bilanz und Gewinn- und Verlustrechung „eine Einheit“ bildet. Eine identische Bestimmung als „Erweiterung“ und „Einheit“ – und somit 1 ADS6, § 245 HGB Rz. 1; Pöschke in Großkomm.5, § 245 HGB Rz. 1; Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 245 Rz. 1; Störk/Schellhorn in Beck BilKomm.12, § 245 HGB Rz. 1. 2 Hennrichs in BKT, Bilanzrecht, § 245 HGB Rz. 2 f.; ähnlich Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 245 HGB Rz. 1 mit Hinweis auf § 416 ZPO; Pöschke in Großkomm.5, § 245 Rz. 2.

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§ 245 Rz. 4 | Unterzeichnung Bestandteile des Jahresabschlusses – trifft § 264 Abs. 1 Satz 2 HGB für Kapitalflussrechnung, Eigenkapitalspiegel und Segmentberichterstattung, soweit diese erstellt werden (müssen). 5 Gesondertes Rechnungslegungsinstrument und nicht Teil des Jahresabschlusses ist der Lagebericht (§ 264

Abs. 1 Satz 1 HGB: „sowie ... aufzustellen ...“). Anders als für § 244 HGB (vgl. § 244 Rz. 7) besteht für § 245 HGB weitgehend Einigkeit, dass der Lagebericht nicht in den Anwendungsbereich der Norm und damit der Unterzeichnungspflicht fällt.1 Eine Unterzeichnung des Lageberichts ist zwar gleichwohl empfehlenswert2 und ganz üblich, eine Pflicht hierzu ergibt sich aber aus § 245 HGB nicht.

6 Entsprechend anwendbar ist § 245 HGB kraft ausdrücklicher Verweisung auf die Eröffnungsbilanz (§ 242

Abs. 1 Satz 2 HGB), den Konzernabschluss (§ 298 Abs. 1 Satz 1 HGB; auch bei Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards: § 315e Abs. 1 HGB) und den für Offenlegungszwecke erstellten IFRS-Einzelabschluss (§ 325 Abs. 2a Satz 3 HGB). Als Verweis auch auf § 244 HGB ist es ebenfalls anzusehen, wenn eine entsprechende Anwendung der „Vorschriften über den Jahresabschluss“ gesetzlich angeordnet ist, wie dies für die meisten Sonderbilanzen (Beispiel: Liquidationseröffnungsbilanz gem. § 71 Abs. 2 Satz 2 GmbHG) der Fall ist.

7 Der persönliche Anwendungsbereich des § 244 HGB ergibt sich aus der in § 242 Abs. 1–3 HGB normierten

Pflicht zur Aufstellung eines Jahresabschlusses und erstreckt sich daher auf alle inländischen Kaufleute (zu den rechtsformbezogenen Besonderheiten s.u. Rz. 13). 2. Verhältnis zu anderen Vorschriften

8 Für die gesetzlichen Vertreter einer kapitalmarktorientierten Kapitalgesellschaft oder gleichgestellten Per-

sonengesellschaft (genauer: einer Inlandsemittentin iSd. § 2 Abs. 14 WpHG) besteht – zusätzlich zur Unterzeichnungspflicht nach § 245 HGB – gem. § 264 Abs. 2 Satz 3 HGB die Verpflichtung, den sog. Bilanzeid zu leisten: sie haben bei der Unterzeichnung schriftlich zu versichern, dass nach bestem Wissen der Jahresabschluss ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild vermittelt und der Anhang die gesetzlich geforderten Angaben enthält. Entsprechende Versicherungen sind bezogen auf den Lagebericht (§ 289 Abs. 1 Satz 5 HGB) und den Konzernabschluss (§ 297 Abs. 2 Satz 4 HGB) abzugeben. Die unrichtige Abgabe einer solchen Versicherung ist bei vorsätzlichem Handeln (bedingter Vorsatz ist bereits schädlich) Bilanzstraftat gem. § 331 Nr. 3a HGB.

IV. Rechtsentwicklung 9 Die Vorschrift ist durch das BiRiLiG 1985 eingeführt worden und zum 1.1.1986 in Kraft getreten und wurde

seitdem nicht geändert. Sie entspricht bis auf die Verwendung des Worts „Jahresabschluss“ an Stelle von „Bilanz“ dem § 41 HGB aF.

B. Unterzeichnung des Jahresabschlusses I. Unterzeichnungsobjekt (Satz 1) 10 Unterzeichnungsobjekt ist entsprechend dem Wortlaut der Jahresabschluss (s.o. Rz. 4). Viel diskutiert und

umstritten ist aber, ob hierbei auf den aufgestellten oder erst auf den festgestellten Jahresabschluss abzustellen ist. Einigkeit besteht nur insoweit, als eine Unterzeichnung auch schon des aufgestellten Jahresabschlusses ohne Weiteres zulässig ist.3 Nach der höchstrichterlichen Rspr.4 und einer wohl als „herrschend“ zu qualifizierenden Auffassung im Schrifttum5 bezieht sich die gesetzliche Pflicht aber (nur) auf den festgestellten Abschluss.

11 Das Ziel, an die Verletzung einer als solche empfundenen Formalie, keine schwerwiegenden Rechtsfolgen zu

knüpfen, dürfte hierbei das Mittel einer auf tönernen Füßen stehende Entscheidungsbegründung geheiligt haben. Der BGH begründet seine Position explizit mit dem öffentlich-rechtlichen Charakter der Bilanzie-

1 Pöschke in Großkomm.5, § 245 HGB Rz. 4; ADS6, § 245 HGB Rz. 3; Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 245 HGB Rz. 5; Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 245 Rz. 4. 2 Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 245 HGB Rz. 5; Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 245 Rz. 4. 3 ADS6, § 245 HGB Rz. 8. 4 BGH v. 28.1.1985 – II ZR 79/84, BB 1985, 567; OLG Stuttgart v. 5.11.2008 – 20 U 8/08, DB 2009, 1521. 5 ADS6, § 245 HGB Rz. 7; Pöschke in Großkomm.5, § 245 HGB Rz. 5.

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B. Unterzeichnung des Jahresabschlusses | Rz. 15 § 245

rungspflicht;1 öffentlich-rechtlich ist aber nur die Verpflichtung zur Aufstellung der Bilanz, während die Feststellung eine im Gesellschaftsrecht wurzelnde und damit privatrechtliche Frage ist. Das OLG Stuttgart stellt darauf ab, dass der aufgestellte Abschluss bis zur Feststellung jederzeit geändert werden könne;2 das ist zwar zutreffend, ändert aber nichts daran, dass die Übernahme der Verantwortung für den Abschluss bereits bei der Aufstellung zu erfolgen hat. Es ist fernliegend anzunehmen, dass das Geschäftsführungsorgan an das zur Feststellung des Abschlusses kompetente Organ – beispielsweise der Vorstand an den Aufsichtsrat – nur einen unverbindlichen Entwurf weitergeben könne, für den keine Verantwortlichkeit besteht. Im Ergebnis ist es daher unter Berücksichtigung des Normzwecks und in Übereinstimmung mit der klaren Absicht des Gesetzgebers3 richtig, die gesetzliche Unterzeichnungspflicht bereits auf den aufgestellten Abschluss zu beziehen.4 In jedem Fall ist es im Eigeninteresse der Aufstellungsverantwortlichen unverzichtbar, den Aufstellungszeitpunkt durch Unterzeichnung des aufgestellten Abschlusses oder in anderer Weise aktenkundig zu machen.5 Ist bereits der aufgestellte Abschluss unterzeichnet (sei es „freiwillig“ oder auf der Basis der hier befürworte- 12 ten Auslegung aufgrund Gesetzesbefehls), so ist eine erneute Unterzeichnung des festgestellten Abschlusses nicht erforderlich, soweit es nicht zu Änderungen gekommen ist.6 Haben sich im Zuge des Feststellungsprocedere Änderungen ergeben, so ist in jedem Fall eine (erneute) Unterzeichnung erforderlich,7 weil die zur Unterzeichnung verpflichteten Mitglieder des Geschäftsführungs- und Vertretungsorgans auch für gesetzmäßige und aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Kompetenzordnung verbindliche Änderungen und die diese beinhaltende Letztfassung des Abschlusses die Verantwortung übernehmen müssen. Eine erneute Unterschrift ist auch erforderlich, wenn ausnahmsweise der bereits festgestellte Jahresabschluss geändert und erneut festgestellt wird.8

II. Art der Unterzeichnung und Datierung (Satz 1) 1. Unterzeichnung Die Unterschrift muss den Jahresabschluss räumlich abschließen; die verschiedenen Bestandteile sind so 13 miteinander zu verbinden, dass eine nachträgliche Trennung sichtbar würde, anderenfalls ist jeder einzelne Teil des Jahresabschlusses zu unterzeichnen.9 Allerdings ergibt sich aus den gesetzlichen Vorschriften keine zwingende Reihenfolge, in der die unterschiedlichen Bestandteile des Jahresabschlusses (oben Rz. 4) angeordnet werden müssen. Erforderlich ist eine höchstpersönliche Originalunterschrift des Unterzeichnungsverpflichteten; weder die 14 Verwendung von Faksimilestempeln oder eingescannten Unterschriften noch Stellvertretung sind zulässig.10 Das so produzierte „Original“ des Jahresabschlusses muss der Kaufmann gem. § 257 Abs. 1 HGB selbst aufbewahren. Allerdings ist die Unterzeichnung mehrerer Ausfertigungen ohne Weiteres zulässig. Zum Handelsregister ist eine öffentlich beglaubigte Abschrift oder ein Originalexemplar einzureichen.11 2. Datierung Mit Datum bezeichnet das Gesetz, dem üblichen Sprachgebrauch entsprechend, die Angabe von Tag, Monat 15 und Jahr.12 Da die Unterzeichnung „unter Angabe des Datums“ erfolgt, handelt es sich dabei zwingend um das Unterzeichnungsdatum. Nicht zulässig wäre es, stattdessen das Datum der materiellen Beendigung der Aufstellung oder der Feststellung anzugeben, wenn dieses nicht tatsächlich mit dem Tag der Unterschrift übereinstimmt. 1 BGH v. 28.1.1985 – II ZR 79/84, BB 1985, 567. 2 OLG Stuttgart v. 5.11.2008 – 20 U 8/08, DB 2009, 1521 (1522 f.). 3 Die Regierungsbegründung zum 1. WiKG, mit dem das Datierungserfordernis im damaligen § 41 HGB aF eingeführt worden ist, erläutert (BT-Drucks. 7/3442, 46), dass durch die Angabe des Tags der Unterzeichnung nachträglich rechtssicher feststellbar sein soll, wann die Aufstellung des Abschlusses erfolgt ist. 4 So im Ergebnis bereits Erle, WPg. 1987, 637 (641 f.); Maluck/Göbel, WPg. 1978, 624 f.; Schubert, WPg. 1956, 393. 5 Pöschke in Großkomm.5, § 245 HGB Rz. 6; Hennrichs in BKT, Bilanzrecht, § 245 HGB Rz. 24. 6 ADS6, § 245 HGB Rz. 8. 7 ADS6, § 245 HGB Rz. 8. 8 Störk/Schellhorn in Beck BilKomm.12, § 245 HGB Rz. 5. 9 Pöschke in Großkomm.5, § 245 HGB Rz. 11; ADS6, § 245 HGB Rz. 6; Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 245 Rz. 3; Störk/Schellhorn in Beck BilKomm.12, § 245 HGB Rz. 1. 10 Pöschke in Großkomm.5, § 245 HGB Rz. 11; ADS6, § 245 HGB Rz. 9; Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 245 Rz. 2; Störk/Schellhorn in Beck BilKomm.12, § 245 HGB Rz. 2. 11 Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 245 Rz. 6; ADS6, § 245 HGB Rz. 4. 12 Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 245 Rz. 7 unter Hinweis auf die Beweisfunktion.

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§ 245 Rz. 16 | Unterzeichnung

III. Unterzeichnungsverpflichtete (Satz 1 und Satz 2) 1. Kaufleute unterschiedlicher Rechtsform und Kollegialorgane (Satz 2) 16 Die in Satz 1 angeordnete Unterzeichnung durch „den Kaufmann“ ist nur für den eingetragenen (Einzel-)

Kaufmann ohne Weiteres klar. Sobald mehrere zur organschaftlichen Vertretung des Kaufmanns berechtigte Personen existieren, wird fraglich, ob die Unterzeichnung nach allgemeinen Vertretungsregeln genügt, also etwa bei einer GmbH mit mehreren Geschäftsführern („der Kaufmann“ ist in diesem Fall die Gesellschaft) durch einen Geschäftsführer, wenn dieser einzelvertretungsberechtigt ist.

17 Satz 2 ordnet für die OHG die Unterzeichnung durch alle persönlich haftenden Gesellschafter an. Die ganz

einhellige Ansicht in Rspr. und Schrifttum folgert hieraus, dass auch bei allen anderen Rechtsformen die Unterzeichnung durch sämtliche Mitglieder des Geschäftsführungs- und Vertretungsorgans zu erfolgen hat.1 Im Hinblick auf die mit der Unterschrift zum Ausdruck gebrachte Übernahme der Verantwortung und der gerade für die Rechnungslegung zwingend bestehenden, „ressortfesten“ Gesamtverantwortung ist dies zutreffend. Für hybride Rechtsformen wie die GmbH & Co. KG oder die KGaA folgt hieraus, dass die Unterzeichnung durch sämtliche persönlich haftenden Gesellschafter oder – wenn es sich bei diesem oder diesen wiederum um eine Gesellschaft handelt – durch sämtliche bei dieser vertretungsberechtigen Personen zu erfolgen hat.2

18 Die Unterzeichnungsverpflichtung besteht auch, wenn das Organmitglied mit der Ausübung von Bilanzie-

rungs- oder Ausweiswahlrechten oder der sonstigen Nutzung legaler Spielräume nicht einverstanden ist, wenn und solange der Jahresabschluss nicht gegen Gesetze verstößt und die zu unterzeichnende Fassung im Rahmen der gesellschaftsrechtlichen Kompetenzordnung durch eine Mehrheit wirksam beschlossen worden ist.3

2. Personelle Veränderungen 19 Immer wieder begegnen Fälle, in denen sich zwischen dem Zeitpunkt der Bilanzaufstellung und dem Zeit-

punkt der Unterzeichnung personelle Veränderungen im Geschäftsführungs- und Vertretungsorgan ergeben haben. Zur Unterzeichnung verpflichtet sind derjenige und diejenigen, die die Position im Unterzeichnungszeitpunkt innehaben.4 Bei Neueintritten in das Geschäftsführungsorgan führt dies zu der Notwendigkeit, sich mit dem die Vergangenheit vor dem eigenen Amtsantritt betreffenden Jahresabschluss intensiv vertraut zu machen. Die in der Unterzeichnung liegende Verantwortungsübernahme schließt es aus, sich gegenüber späteren zivilrechtlichen oder strafrechtlichen Vorwürfen darauf zu berufen, dass etwaige Fehler Vorgängern unterlaufen sind.

20 Demgegenüber sind ausgeschiedene Organmitglieder nicht mehr zur Unterschrift verpflichtet. Eine Unter-

zeichnungspflicht entfällt ebenfalls, wenn die betroffene Person aus wichtigen und nicht nur vorübergehenden Gründen für längere Zeit nicht zur Unterschriftsleistung in der Lage ist (schwerste Krankheiten und Unfälle, Weltreise auf Segeljolle etc.).5 Die bloße Tatsache der Freistellung von der Tätigkeit – bei Fortbestehen der Organstellung – entbindet demgegenüber nicht von der Unterschriftsverpflichtung, weil sie an die Organstellung, nicht an die tatsächliche Wahrnehmung anknüpft und durch die „Suspendierung“ ohne gleichzeitige Abberufung auch keine Entbindung von zwingenden Kernpflichten des Organmitglieds erfolgen kann.6

IV. Rechtsfolgen und Sanktionen 1. Rechtswirkungen der Unterzeichnung 21 Die Unterzeichnung hat Dokumentations- und Beweisfunktion in Bezug auf die Erfüllung der Bilanzie-

rungspflichten, stellt aber kein Anerkenntnis, beispielsweise der bilanzierten Verbindlichkeiten gegenüber

1 OLG Karlsruhe v. 21.11.1986 – 15 U 78/84, AG 1989, 35; Hüffer in Großkomm.5, § 245 HGB Rz. 10; Störk/Schellhorn in Beck BilKomm.12, § 245 HGB Rz. 2. 2 Pöschke in Großkomm.5, § 245 HGB Rz. 13; Hennrichs in BKT, Bilanzrecht, § 245 HGB Rz. 25; aA (aber inkonsequent) ADS6, § 245 HGB Rz. 11, wonach in diesem Fall Unterzeichnung in vertretungsberechtigter Zahl ausreichen soll. 3 OLG Karlsruhe v. 21.11.1986 – 15 U 78/84, AG 1989, 35 (37); Störk/Schellhorn in Beck BilKomm.12, § 245 HGB Rz. 2; ADS6, § 245 HGB Rz. 11. 4 OLG Stuttgart v. 5.11.2008 – 20U 8/08, DB 2009, 1521 (1524); Pöschke in Großkomm.5, § 245 HGB Rz. 10; ADS6, § 245 HGB Rz. 14. 5 Störk/Schellhorn in Beck Bilkomm.12, § 245 HGB Rz. 2; ADS6, § 245 HGB Rz. 13a. 6 AA ADS6, § 245 HGB Rz. 14.

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Vollständigkeit. Verrechnungsverbot | § 246

den Gläubigern, dar.1 Auch sonst hat die Unterzeichnung keine in § 245 HGB wurzelnden zivilrechtlichen Wirkungen; solche können allenfalls kraft Vereinbarung an die Unterzeichnung des Abschlusses geknüpft werden.2 Wie die Pflicht zur Aufstellung ist auch die Pflicht zur Unterzeichnung eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung.3 2. Rechtsfolgen fehlender Unterzeichnung Die Unterzeichnung hat Dokumentations- und Beweisfunktion, ihr kommt aber keine konstitutive Wirkung 22 zu. Deshalb führt auch das Fehlen der Unterschrift nicht etwa zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses.4 Zwar wäre die Nichtigkeit Folge einer fehlenden Aufstellung des Abschlusses (Beispiel: der Leiter des Rechnungswesens hat den Abschluss ohne jede Mitwirkung des Geschäftsleitungsorgans produziert und den Gesellschaftern übersandt); die ordnungsgemäße Aufstellung kann aber auch anders als durch die Unterschrift bewiesen werden. Umgekehrt kann die Feststellung trotz erfolgter Unterzeichnung anfechtbar oder unwirksam sein.5 3. Sanktionen Ein Verstoß gegen § 245 HGB stellt bei vorsätzlicher Begehung (§ 10 OWiG) eine Ordnungswidrigkeit 23 gem. § 334 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a dar. Der Bußgeldrahmen beträgt bis zu 50.000 € (§ 334 Abs. 3 HGB).6 Aufgrund der nicht konstitutiven, sondern bloß formalen Bedeutung der Unterzeichnung kann deren Fehlen 24 weder den Tatbestand einer Bilanzstraftat gem. § 331 HGB noch einer Insolvenzstraftat nach § 283 ff. StGB begründen. Allerdings kann sich eine Verschlechterung der prozessualen Situation des Betroffenen ergeben, wenn es auf den Nachweis der rechtzeitigen Aufstellung des Jahresabschlusses ankommt. Auswirkungen auf das Ergebnis der Abschlussprüfung scheiden von vornherein aus, wenn man das Unter- 25 zeichnungserfordernis erst auf den festgestellten Abschluss bezieht (s.o. Rz. 10 f.). Soweit man auf den aufgestellten Abschluss abstellt, würde die Korrektivfunktion der Abschlussprüfung dafür sorgen, dass sich keine Auswirkungen auf das Prüfungsergebnis ergeben.

Zweiter Titel Ansatzvorschriften

§ 246 Vollständigkeit. Verrechnungsverbot (1) 1Der Jahresabschluss hat sämtliche Vermögensgegenstände, Schulden, Rechnungsabgrenzungsposten sowie Aufwendungen und Erträge zu enthalten, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. 2Vermögensgegenstände sind in der Bilanz des Eigentümers aufzunehmen; ist ein Vermögensgegenstand nicht dem Eigentümer, sondern einem anderen wirtschaftlich zuzurechnen, hat dieser ihn in seiner Bilanz auszuweisen. 3Schulden sind in die Bilanz des Schuldners aufzunehmen. 4Der Unterschiedsbetrag, um den die für die Übernahme eines Unternehmens bewirkte Gegenleistung den Wert der einzelnen Vermögensgegenstände des Unternehmens abzüglich der Schulden im Zeitpunkt der Übernahme übersteigt (entgeltlich erworbener Geschäfts- oder Firmenwert), gilt als zeitlich begrenzt nutzbarer Vermögensgegenstand.

1 Pöschke in Großkomm.5, § 245 HGB Rz. 2; Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 245 HGB Rz. 3; Störk/Schellhorn in Beck BilKomm.12, § 245 HGB Rz. 6; ADS6, § 245 HGB Rz. 15. 2 Zutreffend und ausführlicher Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 245 HGB Rz. 3. 3 BGH v. 28.1.1985 – II ZR 79/84, BB 1985, 567; Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 245 Rz. 2; Pöschke in Großkomm.5, § 245 HGB Rz. 2; ADS6, § 245 HGB Rz. 1. 4 OLG Karlsruhe v. 21.11.1986 – 15 U 78/84, AG 1989, 35 (37); Pöschke in Großkomm.5, § 245 HGB Rz. 14; Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 245 HGB Rz. 20. 5 Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 245 HGB Rz. 20. 6 Für kapitalmarktorientierte Unternehmen wurde durch das CSR-RichtlinienUmsG ein deutlich erhöhter Bußgeldrahmen eingeführt, vgl. § 334 HGB Rz. 10a.

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Vollständigkeit. Verrechnungsverbot | § 246

den Gläubigern, dar.1 Auch sonst hat die Unterzeichnung keine in § 245 HGB wurzelnden zivilrechtlichen Wirkungen; solche können allenfalls kraft Vereinbarung an die Unterzeichnung des Abschlusses geknüpft werden.2 Wie die Pflicht zur Aufstellung ist auch die Pflicht zur Unterzeichnung eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung.3 2. Rechtsfolgen fehlender Unterzeichnung Die Unterzeichnung hat Dokumentations- und Beweisfunktion, ihr kommt aber keine konstitutive Wirkung 22 zu. Deshalb führt auch das Fehlen der Unterschrift nicht etwa zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses.4 Zwar wäre die Nichtigkeit Folge einer fehlenden Aufstellung des Abschlusses (Beispiel: der Leiter des Rechnungswesens hat den Abschluss ohne jede Mitwirkung des Geschäftsleitungsorgans produziert und den Gesellschaftern übersandt); die ordnungsgemäße Aufstellung kann aber auch anders als durch die Unterschrift bewiesen werden. Umgekehrt kann die Feststellung trotz erfolgter Unterzeichnung anfechtbar oder unwirksam sein.5 3. Sanktionen Ein Verstoß gegen § 245 HGB stellt bei vorsätzlicher Begehung (§ 10 OWiG) eine Ordnungswidrigkeit 23 gem. § 334 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a dar. Der Bußgeldrahmen beträgt bis zu 50.000 € (§ 334 Abs. 3 HGB).6 Aufgrund der nicht konstitutiven, sondern bloß formalen Bedeutung der Unterzeichnung kann deren Fehlen 24 weder den Tatbestand einer Bilanzstraftat gem. § 331 HGB noch einer Insolvenzstraftat nach § 283 ff. StGB begründen. Allerdings kann sich eine Verschlechterung der prozessualen Situation des Betroffenen ergeben, wenn es auf den Nachweis der rechtzeitigen Aufstellung des Jahresabschlusses ankommt. Auswirkungen auf das Ergebnis der Abschlussprüfung scheiden von vornherein aus, wenn man das Unter- 25 zeichnungserfordernis erst auf den festgestellten Abschluss bezieht (s.o. Rz. 10 f.). Soweit man auf den aufgestellten Abschluss abstellt, würde die Korrektivfunktion der Abschlussprüfung dafür sorgen, dass sich keine Auswirkungen auf das Prüfungsergebnis ergeben.

Zweiter Titel Ansatzvorschriften

§ 246 Vollständigkeit. Verrechnungsverbot (1) 1Der Jahresabschluss hat sämtliche Vermögensgegenstände, Schulden, Rechnungsabgrenzungsposten sowie Aufwendungen und Erträge zu enthalten, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. 2Vermögensgegenstände sind in der Bilanz des Eigentümers aufzunehmen; ist ein Vermögensgegenstand nicht dem Eigentümer, sondern einem anderen wirtschaftlich zuzurechnen, hat dieser ihn in seiner Bilanz auszuweisen. 3Schulden sind in die Bilanz des Schuldners aufzunehmen. 4Der Unterschiedsbetrag, um den die für die Übernahme eines Unternehmens bewirkte Gegenleistung den Wert der einzelnen Vermögensgegenstände des Unternehmens abzüglich der Schulden im Zeitpunkt der Übernahme übersteigt (entgeltlich erworbener Geschäfts- oder Firmenwert), gilt als zeitlich begrenzt nutzbarer Vermögensgegenstand.

1 Pöschke in Großkomm.5, § 245 HGB Rz. 2; Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 245 HGB Rz. 3; Störk/Schellhorn in Beck BilKomm.12, § 245 HGB Rz. 6; ADS6, § 245 HGB Rz. 15. 2 Zutreffend und ausführlicher Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 245 HGB Rz. 3. 3 BGH v. 28.1.1985 – II ZR 79/84, BB 1985, 567; Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 245 Rz. 2; Pöschke in Großkomm.5, § 245 HGB Rz. 2; ADS6, § 245 HGB Rz. 1. 4 OLG Karlsruhe v. 21.11.1986 – 15 U 78/84, AG 1989, 35 (37); Pöschke in Großkomm.5, § 245 HGB Rz. 14; Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 245 HGB Rz. 20. 5 Kleindiek in MünchKomm. BilR, § 245 HGB Rz. 20. 6 Für kapitalmarktorientierte Unternehmen wurde durch das CSR-RichtlinienUmsG ein deutlich erhöhter Bußgeldrahmen eingeführt, vgl. § 334 HGB Rz. 10a.

Schüppen und Kahle/Baltromejus/Kopp | 125

§ 246 | Vollständigkeit. Verrechnungsverbot (2) 1Posten der Aktivseite dürfen nicht mit Posten der Passivseite, Aufwendungen nicht mit Erträgen, Grundstücksrechte nicht mit Grundstückslasten verrechnet werden. 2Vermögensgegenstände, die dem Zugriff aller übrigen Gläubiger entzogen sind und ausschließlich der Erfüllung von Schulden aus Altersversorgungsverpflichtungen oder vergleichbaren langfristig fälligen Verpflichtungen dienen, sind mit diesen Schulden zu verrechnen; entsprechend ist mit den zugehörigen Aufwendungen und Erträgen aus der Abzinsung und aus dem zu verrechnenden Vermögen zu verfahren. 3Übersteigt der beizulegende Zeitwert der Vermögensgegenstände den Betrag der Schulden, ist der übersteigende Betrag unter einem gesonderten Posten zu aktivieren. (3) 1Die auf den vorhergehenden Jahresabschluss angewandten Ansatzmethoden sind beizubehalten. 2§ 252 Abs. 2 ist entsprechend anzuwenden. A. I. II. III.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften (nationales Recht, internationale Bezüge) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Vollständigkeit (Abs. 1) I. Vollständigkeit der Bilanz (Abs. 1 Sätze 1–4) 1. Vermögensgegenstände (Abs. 1 Sätze 1 u. 2) a) Definition und Abgrenzung zu Wirtschaftsgütern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Persönliche Zurechnung (Abs. 1 Satz 2) aa) Maßgeblichkeit des wirtschaftlichen Eigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Asset Backed Securities (Forderungsbesicherte Wertpapiere) . . . . . . . . . cc) Derivative Finanzinstrumente (Option/Termingeschäft/Swap) . . . . . . . dd) Factoring/Forfaitierung . . . . . . . . . ee) Gebäude/Gebäudeteile/Betriebsvorrichtungen/Scheinbestandteile/Mietereinbauten und Mieterumbauten, jeweils auf fremdem Grund und Boden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Leasinggüter (inkl. „sale-and-leaseback-Güter“) . . . . . . . . . . . . . . . . . gg) Kommissionsgüter . . . . . . . . . . . . . hh) Nießbrauchsgüter . . . . . . . . . . . . . ii) Pensionsgüter („sale-and-buy-backGüter“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . kk) Wertpapierleihe . . . . . . . . . . . . . . . ll) Sicherungsgüter (zB bei Verpfändung, Eigentumsvorbehalt, Sicherungsübereignung, Sicherungsabtretung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . mm) Total Return-Swap . . . . . . . . . . . . . nn) Treuhandverhältnisse . . . . . . . . . . . c) Sachliche Zurechnung (Betriebs- vs. Privatvermögen) aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Einzelkaufmann . . . . . . . . . . . . . . . cc) Personengesellschaft . . . . . . . . . . . dd) Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . . d) Zeitliche Entstehung aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Forderungen aus Lieferungen und Leistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Gewinnansprüche aus Kapitalgesellschaftsbeteiligungen . . . . . . . . . . . . dd) Gewinnansprüche aus Personengesellschaftsbeteiligungen . . . . . . . . .

126 | Kahle/Baltromejus/Kopp

1 4 8 14

17 32 38 42 48

51 56 66 69 72 76

78 80 81 87 88 89 90 91 92 94 95

ee) Gewinnansprüche aus Gewinnabführungsverträgen . . . . . . . . . . . e) Aktivierungspflichten, -wahlrechte, -verbote aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Nicht-Bilanzierung ausgeglichener schwebender Geschäfte . . . . . . . . . . 2. Schulden (Abs. 1 Sätze 1 und 3) a) Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Persönliche Zurechnung (Abs. 1 Satz 3) aa) Maßgeblichkeit der wirtschaftlichen Belastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Treuhandschulden . . . . . . . . . . . . . cc) Gesamtschulden . . . . . . . . . . . . . . . dd) Schuldbeitritt/Schuldmitübernahme c) Sachliche Zurechnung (Betriebs- vs. Privatvermögen) aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Einzelkaufmann . . . . . . . . . . . . . . . cc) Personengesellschaft . . . . . . . . . . . . dd) Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . . d) Zeitliche Entstehung . . . . . . . . . . . . . . . e) Passivierungspflichten, -wahlrechte, -verbote aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rangrücktritt . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Drohverlustrückstellungen . . . . . . . 3. Eigenkapital (Abs. 1 Satz 1) a) Definition, Komponenten und Abgrenzung von Fremdkapital . . . . . . . . . . . . . b) Genussrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Stille Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Debt-Equity-Swaps/Debt-MezzanineSwaps . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Variable Gesellschafterkonten bei Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechnungsabgrenzungsposten (Abs. 1 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Geschäfts- oder Firmenwert (Abs. 1 Satz 4) a) Aktivierungspflicht bei entgeltlichem Erwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Nutzungsdauer/Abschreibung . . . . . . . . c) Negativer Geschäfts- oder Firmenwert . 6. Ausnahmen von der Vollständigkeit (Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vollständigkeit der GuV (Abs. 1 Satz 1) 1. Inhalt der GuV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Aufwendungen (Begriff und Eigenschaften, Komponenten) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Erträge (Begriff und Eigenschaften, Komponenten) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

96 97 99 102 106 108 109 110 111 112 114 116 117 122 124 140 142 153 162 167 173 185 188 193 194 196 203 207 210

Vollständigkeit. Verrechnungsverbot | § 246 C. Verrechnungsverbot (Abs. 2) I. Grundsätzliches Verrechnungsverbot (Abs. 2 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ausnahmsweises Verrechnungsgebot (Abs. 2 Sätze 2 und 3) 1. Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwendungsbereich und Voraussetzungen a) Erfasste Altersversorgungsverpflichtungen und vergleichbare langfristige Verpflichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Deckungsvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . c) Insolvenzsicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zweckexklusivität . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Saldierung und Auswirkungen in der Bilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

213 217

222 226 229 233 237 241

g) Saldierung und Auswirkungen in der GuV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Nicht kodifizierte Verrechnungswahlrechte 1. Verrechnungswahlrechte in der Bilanz a) Bei Aufrechnungsmöglichkeit gem. § 387 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bei Gesamtschuldverhältnissen gem. § 421 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verrechnungswahlrechte in der GuV a) Bei Bestandsveränderungen . . . . . . . . . b) Innerhalb des Rohergebnisses . . . . . . . . c) Erlösschmälerungen . . . . . . . . . . . . . . . d) Anlagenverkäufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Steuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Ansatzstetigkeit (Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . . . .

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245 247 248 249 251 252 253 255

Literatur: Baetge/Ballwieser, Ansatz und Ausweis von Leasingobjekten in Handels- und Steuerbilanz, DBW 1978, 3; Moxter, Immaterielle Anlagewerte im neuen Bilanzrecht, BB 1979, 1102; Roland, Der Begriff des Vermögensgegenstandes im Sinne der handels- und aktienrechtlichen Rechnungslegungsvorschriften, 1980; Müller, Gedanken zum Rückstellungsbegriff in der Bilanz, ZGR 1981, 126; Herzig, Rückstellungen wegen öffentlich-rechtlicher Verpflichtungen, insbesondere Umweltschutz, DB 1990, 1341; Wrede, Beteiligungen an Personenhandelsgesellschaften in der Handelsbilanz und der Steuerbilanz, FR 1990, 293; Tiedchen, Der Vermögensgegenstand im Handelsbilanzrecht, 1991; Prahl/ Naumann, Überlegungen für eine sachgerechte Bilanzierung der Wertpapierleihe; WM 1992, 1173 ff.; Schulze-Osterloh, Der Ausweis von Aufwendungen nach dem Realisations- und dem lmparitätsprinzip, in Moxter u.a. 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§ 246 | Vollständigkeit. Verrechnungsverbot triebsvermögen einer Personengesellschaft, DStZ 2012, 833; Brösel/Haaker, Zur wirtschaftlichen Verursachung von Verbindlichkeitsrückstellungen, BFuP 2013, 227; Scharpf/Schaber, Handbuch Bankbilanz, 5. 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128 | Kahle/Baltromejus/Kopp

A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 4 § 246 erliche Wesentlichkeitsgrenze orientiert sich an GWG, BBK 2019, 201; Richter/Schlücke, Zur steuerbilanziellen Erfassung von Token im Betriebsvermögen, FR 2019, 407; Ritter, Bilanzierung von nießbrauchsbelasteten Grundstücken, NWB 2019, 58; Schroen, Sind „Bitcoin und Co.“ Wirtschaftsgüter gemäß der gefestigten BFH-Rechtsprechung?, DStR 2019, 1369; Sixt, Die bilanzielle und ertragsteuerliche Behandlung von Token beim Investor, DStR 2019, 1766; Stein, Aktuelle ertragsteuerliche Fragestellungen zum Nießbrauchsvorbehalt an Gesellschaftsanteilen, ZEV 2019, 131; Thurow, Bildung eines aktiven Rechnungsabgrenzungspostens bei unwesentlichen Beträgen, BC 2019, 96; Weber-Grellet, Bilanzsteuerrecht, 17. Aufl. 2019; Weber-Grellet, Adolf Moxter, das Bilanzsteuerrecht und der Bundesfinanzhof, BB 2019, 2411; Werthebach, Die Identifikation von Sonderbetriebsvermögen – ein systematischer Ansatz, StuW 2019, 154; Zwirner/Zieglmaier/Heyd, Bilanzierung und Besteuerung digitaler Leistungen, StuB 2019, Beilage zu Heft 9; Hötzel/ Krüger/Niermann/Scherer/Lehmann, Unternehmensfinanzierung durch die Ausgabe von Krypto-Token – Besteuerung in Deutschland und der Schweiz, IFSt.-Schrift Nr. 533 (2020); Kahle/Kopp, Grundzüge der Handels- und Steuerbilanz, 2020; Prinz, Steuerbilanzielle Rückstellungen, DB 2020, 10; Weber-Grellet, BB-Rechtsprechungsreport zu 2019 veröffentlichten bilanzsteuerrechtlichen BFH-Urteilen, BB 2020, 43.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand § 246 Abs. 1 HGB kodifiziert als zentrale Ansatzvorschrift den Grundsatz der Vollständigkeit. Gem. § 246 1 Abs. 1 Satz 1 HGB hat der Kaufmann in seinem Jahresabschluss grds. sämtliche ihm zuzurechnenden Vermögensgegenstände und aktiven Rechnungsabgrenzungsposten zu aktivieren, sämtliche ihm zuzurechnenden Schulden und passiven Rechnungsabgrenzungsposten zu passivieren (Bilanz) sowie sämtliche Erträge und Aufwendungen zu erfassen (GuV). Dies gilt nicht, soweit spezielle Verbote etwas anderes gebieten (zB kodifiziert in § 248 Abs. 1 oder Abs. 2 Satz 2 HGB sowie nicht kodifiziert, jedoch aus den GoB ableitbar für Rechte und Pflichten aus ausgeglichenen schwebenden Geschäften). Entsprechendes gilt, soweit spezielle Wahlrechte etwas anderes erlauben (zB kodifziert in § 248 Abs. 2 Satz 1, § 250 Abs. 3 HGB oder Art. 28 Abs. 1 EGHGB). Entsprechend hat der Kaufmann in seiner GuV sämtliche Erträge und Aufwendungen zu erfassen (§ 246 Abs. 1 Satz 1 HGB). § 246 Abs. 1 Sätze 2 und 3 HGB normieren den Grundsatz der wirtschaftlichen Betrachtungsweise, nämlich die personelle Zurechnung bzw. Aktivierung der Vermögensgegenstände beim wirtschaftlichen Eigentümer sowie die personelle Zurechnung bzw. Passivierung der Schulden beim rechtlichen Schuldner.1 § 246 Abs. 1 Satz 4 HGB fingiert einen entgeltlich erworbenen (derivativen) Geschäfts- oder Firmenwert als abnutzbaren Vermögensgegenstand. § 246 Abs. 2 Satz 1 HGB untersagt die Verrechnung von Vermögensgegenständen mit Schulden, von Auf- 2 wendungen mit Erträgen sowie von Grundstücksrechten mit Grundstückslasten (Verrechnungs- bzw. Saldierungsverbot). Gem. § 246 Abs. 2 Satz 2 HGB gilt dieser GoB jedoch explizit nicht für die Verrechnung von sog. (zweckgebundenem, insolvenzsicherem) Planvermögen mit den hierdurch abgesicherten Schulden sowie der Verrechnung von in diesem Zusammenhang anfallenden Aufwendungen und Erträgen. Insoweit besteht vielmehr sogar ein Verrechnungsgebot. Ein möglicher aktiver Verrechnungsüberhang ist gem. § 246 Abs. 2 Satz 3 HGB als „Aktiver Unterschiedsbetrag aus der Vermögensverrechnung“ (§ 266 Abs. 2 E HGB) zu aktivieren. § 246 Abs. 3 Satz 1 HGB normiert den Grundsatz der Ansatz(methoden)stetigkeit. Dieser ergänzt den in 3 § 252 Abs. 1 Nr. 6 HGB kodifizierten Grundsatz der Bewertungs(methoden)stetigkeit sowie den aus § 243 Abs. 2 HGB ableitbaren Grundsatz der Gliederungsstetigkeit. Von den Stetigkeitsgeboten darf der Kaufmann gem. § 246 Abs. 3 Satz 2 HGB iVm. § 252 Abs. 2 HGB nur in begründeten Ausnahmefällen abweichen.

II. Bedeutung und Zweck Primär dienen die Grundsätze der Vollständigkeit (§ 246 Abs. 1 HGB), der wirtschaftlichen Betrachtungs- 4 weise (§ 246 Abs. 1 Sätze 2 und 3 HGB) sowie des Verrechnungsverbots (§ 246 Abs. 2 Satz 1 HGB) den Jahresabschlusszwecken Dokumentation, Rechenschaft und Kapitalerhaltung. Während sich der Rechenschaftszweck in der Bereitstellung von Informationen über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage konkretisiert (§ 264 Abs. 2 Satz 1 HGB), zielt der Kapitalerhaltungszweck auf die Sicherstellung einer zutreffend

1 Freilich gehen der Anwendungsbereich und die Ausprägungen der wirtschaftlichen Betrachtungsweise über § 246 Abs. 1 Sätze 2 und 3 HGB hinaus, vgl. im Einzelnen Breidert/Moxter, WPg. 2007, 912 ff.; Prinz in FS Crezelius, 351 ff.; Lüdenbach, StuB 2019, 15 ff.; Weber-Grellet, BB 2019, 2413.

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§ 246 Rz. 4 | Vollständigkeit. Verrechnungsverbot ermittelbaren Ausschüttungsbemessungsrichtgröße zum Gläubigerschutz ab.1 Diese GoB unterstützen die Einhaltung der Dokumentations-, Rahmen- (zB der in § 243 Abs. 2 HGB kodifizierten Klarheit und Übersichtlichkeit des Jahresabschlusses) und Ansatzgrundsätze.2 Zudem sichern Vollständigkeitsgebot und Verrechnungsverbot die nach § 243 Abs. 2 HGB geforderte Übersichtlichkeit und Klarheit des Jahresabschlusses und fördern damit dessen Transparenz.3 5 Das Ansatz- und Abschreibungsgebot für einen entgeltlich erworbenen (sog. derivativen) Geschäfts- oder

Firmenwert (§ 246 Abs. 1 Satz 4 HGB) fördert insbes. eine tatsächlichere Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage sowie deren bessere Vergleichbarkeit.4

6 Das Verrechnungsgebot für in bestimmter Art und Weise rückgedeckte Altersvorsorge- oder vergleichbar

langfristig fällige Verpflichtungen (§ 246 Abs. 2 Sätze 2 und 3 HGB) nützt vor allem der tatsächlicheren Abbildung des wirtschaftlichen Gehalts eingegangener Pensionsverpflichtungen.5

7 Schließlich dient der Grundsatz der Ansatz(methoden)stetigkeit (§ 246 Abs. 3 HGB) besonders der bes-

seren intertemporalen Vergleichbarkeit aufeinander folgender Jahresabschlüsse sowie der Willkür- bzw. Manipulationsfreiheit der Rechnungslegung.6

III. Geltungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften (nationales Recht, internationale Bezüge) 8 Der Grundsatz der Vollständigkeit fordert bereits in § 239 Abs. 2 HGB, alle Eintragungen in Büchern und

sonst erforderliche Aufzeichnungen vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorzunehmen. Gem. § 240 Abs. 1 HGB hat der Kaufmann seine Vermögensgegenstände und Schulden vollständig zu inventarisieren. Hierauf aufbauend hat der Kaufmann gem. § 242 Abs. 1–3 HGB eine vollständige Eröffnungsbilanz sowie einen jährlich vollständigen Jahresabschluss aufzustellen; bei Einzelkaufleuten ist § 241a HGB zu beachten (§ 242 Abs. 4 HGB). Während § 242 HGB somit die grundlegende Erstellungspflicht vorschreibt, beantwortet § 246 HGB Inhalts- und Ausweisfragen. § 247 HGB regelt sodann die weitere inhaltliche Aufgliederung.

9 Das in § 246 Abs. 1 Satz 1 kodifizierte grundsätzliche Vollständigkeitsgebot wird durch konkrete, vorrangi-

ge Ansatzgebote ergänzt (zB für das Eigenkapital in § 247 Abs. 1 HGB oder latente Steuern in § 274 Abs. 1 HGB). Ferner wird es durch Ansatzwahlrechte (zB in § 248 Abs. 2 Satz 1, § 250 Abs. 3 HGB oder Art. 28 Abs. 1 EGHGB) und Ansatzverbote (zB kodifiziert in § 248 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 HGB oder nicht kodifiziert, jedoch aus den GoB ableitbar für Rechte und Pflichten aus ausgeglichenen schwebenden Geschäften) durchbrochen. Aufgrund des Kapitalerhaltungszwecks des Jahresabschlusses bestehen handelsrechtlich keine Passivierungsverbote.7

10 Der Vollständigkeitsgrundsatz bezieht sich auch auf den Anhang (gem. § 264 Abs. 1 HGB für bestimmte

Kaufleute vollwertiger Teil des Jahresabschlusses). Hiernach hat der anhangpflichtige Kaufmann ua. Haftungsverhältnisse (§ 251 HGB iVm. § 268 Abs. 7 HGB), nicht verbuchte Geschäftsvorfälle (gem. § 285 Nr. 3 HGB zB Leasinggeschäfte8, gem. § 285 Nr. 3a HGB zB finanzielle Verpflichtungen aus schwebenden Geschäften oder gesellschaftsrechtlichen Verpflichtungen) sowie Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden (§ 284 Abs. 2 Nr. 1 HGB) vollständig abzubilden bzw. zu erläutern.9

11 Zur verbesserten Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage sieht § 253 Abs. 1 Satz 4 HGB für

Vermögensgegenstände, die ausschließlich der Absicherung von Altersversorgungsverpflichtungen dienen, statt der Bewertung nach dem Anschaffungs- und Herstellungskostenprinzip (§ 253 Abs. 1 Satz 1

1 Vgl. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 246 Rz. 1; Hennrichs in MünchKomm. BilR, § 246 HGB Rz. 2; Thiele/ Turowski in BKT, Bilanzrecht, § 246 HGB Rz. 4 (Stand Okt. 2014). 2 Vgl. Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 246 Rz. 1; Hennrichs in MünchKomm. BilR, § 246 HGB Rz. 2; ADS6, § 246 HGB Rz. 2. 3 Vgl. ADS6, § 246 Rz. 2. 4 Vgl. Thiele/Turowski in BKT, Bilanzrecht, § 246 HGB Rz. 5.2 (Stand Okt. 2014); Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Bilanzrechts, BT-Drucks. 16/10067, 48. 5 Vgl. Thiele/Turowski in BKT, Bilanzrecht, § 246 HGB Rz. 6 (Stand Okt. 2014); Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Bilanzrechts, BT-Drucks. 16/10067, 35, 48 f.; BR-Drucks. 344/08, 104. 6 Vgl. Hennrichs in MünchKomm. BilR, § 246 HGB Rz. 2; Hennrichs, Wahlrechte, 272 mwN. 7 Vgl. Thiele/Turowski in BKT, Bilanzrecht, § 246 HGB Rz. 10 mwN (Stand Okt. 2014). 8 Gem. § 288 Abs. 1 Nr. 1 HGB besteht keine Anhangsangabepflicht außerbilanzieller Geschäfte für kleine Kapitalgesellschaften und kleine Personengesellschaften iSd. § 264a HGB. 9 Vgl. Kußmaul in HdR5, § 246 HGB Rz. 2 (Stand Nov. 2016).

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A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 16 § 246

HGB) eine Bewertung mit dem beizulegenden Zeitwert vor.1 Dies kann entgegen dem Realisationsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB) zum Ausweis nicht realisierter Gewinne führen. Übersteigt der beizulegende Zeitwert am Bilanzstichtag die Anschaffungskosten des Deckungsvermögens (sog. zweckgebundenes, insolvenzsicheres Planvermögen), regelt § 268 Abs. 8 Satz 3 HGB im Fall von Kapitalgesellschaften und Personengesellschaften iSd. § 264a HGB für diesen übersteigenden Betrag abzgl. der hierfür gebildeten passiven latenten Steuern eine Ausschüttungssperre (Gläubigerschutz). Die Verrechnung des Deckungsvermögens mit den abgesicherten Schulden ist gem. § 285 Nr. 25 HGB im Anhang zu erläutern. Der Grundsatz der Ansatz(methoden)stetigkeit (§ 246 Abs. 3 HGB) ergänzt den Grundsatz der Bewer- 12 tungs(methoden)stetigkeit (§ 252 Abs. 1 Nr. 6 HGB) sowie den Grundsatz der Gliederungsstetigkeit (§ 243 Abs. 2 HGB). In der Steuerbilanz ist das Betriebsvermögen gem. § 5 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 EStG prinzipiell nach den 13 handelsrechtlichen GoB anzusetzen (materielle Maßgeblichkeit).2 Damit gilt der Vollständigkeitsgrundsatz auch in der Steuerbilanz. Allerdings wird der Maßgeblichkeitsgrundsatz zunehmend durch steuerrechtliche Spezialvorschriften eingeschränkt bzw. durchbrochen. Zu den Einschränkungen des Maßgeblichkeitsgrundsatzes zählen zB steuerrechtlich höhere Anforderungen an die Passivierung von Rückstellungen und Verbindlichkeiten (zB gem. § 5 Abs. 2a, 3, 4 EStG), das steuerliche Aktivierungsverbot für selbst erstellte immaterielle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens gem. § 5 Abs. 2 EStG sowie die Aktivierungspflicht eines Disagios gem. § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG. Zu den Durchbrechungen der Maßgeblichkeit zählen zB steuerrechtliche Spezialvorschriften außerhalb der handelsrechtlichen Bandbreite (zB steuerrechtliches Passivierungsverbot für Drohverlustrückstellungen gem. § 5 Abs. 4a EStG).

IV. Rechtsentwicklung § 246 HGB entstand durch das BiRiLiG – Bilanzrichtliniengesetz (Gesetz zur Durchführung der Vierten, 14 Siebenten und Achten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts) v. 19.12.1985. Die damals neue Vorschrift bestand aus zwei Absätzen mit je einem Satz. Das Vollständigkeitsgebot (bislang gem. § 39 Abs. 1 und 2, § 40 Abs. 2 HGB aF nur auf die Bilanz und das Inventar, jetzt auf den gesamten Jahresabschluss bezogen und somit auch auf den Anhang) fand Eingang in § 246 Abs. 1 HGB. Das Verrechnungsverbot (bislang gem. § 153 Abs. 3 AktG 1965 nur für AGs, jetzt für alle buchführungspflichtigen Kaufleute gültig) fand Eingang in § 246 Abs. 2 HGB. Durch das BaBiRiLiG – Bankbilanzrichtlinie-Gesetz (Gesetz zur Durchführung der Richtlinie des Rates der 15 Europäischen Gemeinschaften über den Jahresabschluß und den konsolidierten Abschluß von Banken und anderen Finanzinstituten) v. 30.11.1990 – wurde § 246 Abs. 1 HGB um die Sätze 2 und 3 erweitert. Damit wurden erstmals Zurechnungsvorschriften für bestimmte Einzelsachverhalte (Eigentumsvorbehalt, Sicherungsübereignung und Verpfändung) eingeführt. Mit der Einführung des BilMoG – Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (Gesetz zur Modernisierung des Bi- 16 lanzrechts) v. 25.5.2009 – wurde § 246 HGB grundlegend überarbeitet: In § 246 Abs. 1 Satz 1 HGB wurde das grundsätzliche Vollständigkeitsgebot und in § 246 Abs. 2 Satz 1 HGB das grundsätzliche Verrechnungsverbot beibehalten. In § 246 Abs. 1 Sätze 2 und 3 HGB wurden die einzelfallbezogenen Zurechnungsregelungen durch die neue Zurechnung zum wirtschaftlichen Eigentümer ersetzt. In § 246 Abs. 1 Satz 4 HGB wurde das bislang in § 255 Abs. 4 HGB aF geregelte Ansatzwahlrecht für einen entgeltlich erworbenen (sog. derivativen) Geschäfts- oder Firmenwert durch eine nun geltende Ansatzpflicht ersetzt. An § 246 Abs. 2 Satz 1 HGB wurden die Sätze 2 und 3, eine Durchbrechung des Verrechnungsverbots für in bestimmter Art und Weise rückgedeckte Altersvorsorge- oder vergleichbar langfristig fällige Verpflichtungen mit dem entsprechenden Deckungsvermögen, angehängt. Schließlich wurde in § 246 Abs. 3 HGB erstmals klargestellt, dass das Stetigkeitsgebot nicht nur für Bewertungs-, sondern auch für Ansatzvorschriften gilt.

1 Vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Bilanzrechts, BT-Drucks. 16/10067, 35, 48 f.; BR-Drucks. 344/ 08, 104. 2 Vgl. im Einzelnen Prinz, StuB 2019, 1, 1 ff.; Kahle in HdJ, VII/1 Rz. 1 ff. (Stand März 2019); BMF v. 12.3.2010 – IV C 6 - S 2133/09/10001 – DOK 2010/0188935, BStBl. I 2010, 239.

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§ 246 Rz. 16 | Vollständigkeit. Verrechnungsverbot

B. Vollständigkeit (Abs. 1) I. Vollständigkeit der Bilanz (Abs. 1 Sätze 1–4) 1. Vermögensgegenstände (Abs. 1 Sätze 1 und 2) a) Definition und Abgrenzung zu Wirtschaftsgütern 17 Der Begriff des Vermögensgegenstands ist gesetzlich nicht definiert. Kodifizierte Anhaltspunkte liefern

zB § 240 HGB, der die Inventarisierung der Vermögensgegenstände „Grundstücke“, „Forderungen“ und „bares Geld“ regelt, § 246 Abs. 1 Satz 4 HGB, der einen entgeltlich erworbenen (sog. derivativen) Geschäftsoder Firmenwert als Vermögensgegenstand fingiert, oder § 266 HGB, der die Bilanzgliederung für Kapitalgesellschaften vorschreibt. Darüber hinaus ist der Begriff des Vermögensgegenstands nach den GoB unter Beachtung der Jahresabschlusszwecke auszulegen.1 Im Konfliktfall tritt dabei der Informationszweck hinter den Ausschüttungsbemessungszweck zum Gläubigerschutz zurück.2 Nach der entsprechenden Begründung des BilMoG ist „vom Vorliegen eines Vermögensgegenstandes [...] auszugehen, wenn das selbst erstellte Gut nach der Verkehrsauffassung einzeln verwertbar ist, sei es durch Veräußerung oder anderweitig, beispielsweise durch Verarbeitung, Verbrauch oder Nutzungsüberlassung“.3

18 In der Literatur ist die Begriffsabgrenzung des Vermögensgegenstands umstritten.4 Während körperliche

Gegenstände wie Sachen und Tiere iSd. § 90 bzw. § 90a BGB grds. als Vermögensgegenstände anerkannt werden,5 ist sich die Literatur vor allem bei der Qualifikation immaterieller Werte uneins.6 Als mögliche Abgrenzungskriterien eines Vermögensgegenstands werden ua. dessen a) selbständige Verkehrsfähigkeit, b) Einzelbewertbarkeit, c) entgeltlicher Erwerb, d) konkrete Bilanzierbarkeit oder auch e) Einlagefähigkeit angeführt.7

19 Nach der herrschenden8 und auch hier vertretenen Auffassung charakterisiert sich ein Vermögensgegen-

stand maßgeblich durch a) dessen selbständige Verkehrsfähigkeit. Diese Charakterisierung fußt auf dem Vorsichtsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB),9 das der Kapitalerhaltungs- bzw. Gläubigerschutzfunktion des Jahresabschlusses dient.10 Hinsichtlich des Gläubigerschutzes kommt es für die Annahme eines Vermögensgegenstands auf dessen Schuldendeckungsfähigkeit an. Die Schuldendeckungsfähigkeit eines Vermögensgegenstands konkretisiert sich dahingehend, dass ein Vermögensgegenstand in Geld umgewandelt werden und hierdurch zur Befriedigung der Gläubiger zur Verfügung stehen kann.11 Hiernach setzt die selbständige Verkehrsfähigkeit eines Vermögensgegenstands voraus, dass dieser einzeln veräußerbar oder notfalls auch einzeln verwertbar ist. Ein Vermögensgegenstand hat nicht einzeln beschaffbar zu sein;12 andernfalls könnte es auch überhaupt nicht zu einer Aktivierung zusammengesetzter Vermögensgegenstände (zB Gebäude, bestehend aus Rohbau, Fenstern, Türen etc.) kommen.13

1 Vgl. Jacobs in Handwörterbuch der Rechnungslegung und Prüfung3, Sp. 2501 f.; Kahle/Günter, Vermögensgegenstand und Wirtschaftsgut, in Schmiel/Breithecker, BilMoG, 70. 2 Vgl. Moxter in FS Goerdeler, 361 ff.; Ballwieser in Beck HdR, B 105 Rz. 72 f. (Stand Aug. 2019); Jacobs in Handwörterbuch der Rechnungslegung und Prüfung3, Sp. 2502; Kahle/Günter, Vermögensgegenstand und Wirtschaftsgut, in Schmiel/Breithecker, BilMoG, 70. 3 Vgl. BMJ, BilMoG-RefE, 98. 4 Vgl. zur Diskussion zB ADS6, § 246 Rz. 9 ff.; Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 246 Rz. 13 ff.; Thiele/Turowski in BKT, Bilanzrecht, § 246 HGB Rz. 31 ff. (Stand Okt. 2014); BKT, Bilanzen15, 158 ff. 5 Vgl. Hennrichs in MünchKomm. BilR, § 246 HGB Rz. 37 ff.; Noodt in Haufe BilKomm.10, § 246 HGB Rz. 5; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB39, § 246 Rz. 3; Thiele/Turowski in BKT, Bilanzrecht, § 246 HGB Rz. 51 (Stand Okt. 2014); BKT, Bilanzen15, 165; Kahle/Günter, Vermögensgegenstand und Wirtschaftsgut, in Schmiel/Breithecker, BilMoG, 71. 6 Vgl. Merkt in Baumbach/Hopt, HGB39, § 246 Rz. 4 f.; Thiele/Turowski in BKT, Bilanzrecht, § 246 HGB Rz. 52 (Stand Okt. 2014); BKT, Bilanzen15, 165. 7 Vgl. zu den einzelnen Kriterien ADS6, § 246 Rz. 15 ff. 8 Vgl. ADS6, § 246 HGB Rz. 15; Kleindiek in Großkomm.5, § 246 HGB Rz. 8; Kußmaul in HdR5, § 246 HGB Rz. 6 (Stand Nov. 2016). 9 Vgl. Merkt in Baumbach/Hopt, HGB39, § 246 Rz. 5. 10 Vgl. BGH v. 12.7.1982 – II ZR 175/81, NJW 1982, 2825. 11 Vgl. Kleindiek in Großkomm.5, § 246 HGB Rz. 8; Thiele/Turowski in BKT, Bilanzrecht, § 246 Rz. 34 (Stand Okt. 2014); BKT, Bilanzen15, 159 f.; Kahle/Günter, Vermögensgegenstand und Wirtschaftsgut, in Schmiel/Breithecker, BilMoG, 70 mwN. 12 AA zB Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 246 Rz. 14. 13 Vgl. ADS6, § 246 HGB Rz. 16.

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B. Vollständigkeit (Abs. 1) | Rz. 23 § 246

Nach der herrschenden und auch hier vertretenen Auffassung ist ein Gut einzeln veräußerbar, wenn es „die 20 abstrakte Möglichkeit der Veräußerung“ bietet1 bzw. „seiner Natur nach veräußerbar ist“2. Bei der Prüfung auf Veräußerbarkeit gilt eine rein wirtschaftliche Betrachtungsweise. Rein rechtliche Veräußerungsbeschränkungen (zB Zessionsverbote für Forderungen, gem. § 1059 Satz 1 BGB nicht übertragbare Nießbrauchsrechte, gem. § 29 UrhG nicht übertragbare Urheberrechte, bestimmte nicht übertragbare gewerbliche Konzessionen, Schutzrechte oder Lizenzen) stehen der hier geforderten Veräußerbarkeit des Vermögensgegenstands nicht entgegen. Denn Veräußerungsbeschränkungen setzen grds. Veräußerbarkeit voraus.3 Entsprechend unschädlich sind fehlende Erwerbsinteressen.4 Jeder einzeln veräußerbare Vermögensgegenstand ist regelmäßig auch einzeln pfänd- bzw. vollstreckbar5 so- 21 wie auch anders einzeln verwertbar. Das Kriterium der Einzelverwertbarkeit erweitert die Abgrenzung des Vermögensgegenstands beispielsweise auf kommerziell einzeln verarbeitbare, verbrauchbare oder zur Nutzung überlassbare Güter (zB gewerbliche Schutzrechte und ähnliche Rechte und Werte sowie Lizenzen an solchen Rechten und Werten). Entscheidend für die Annahme eines Vermögensgegenstands ist letztlich das Vorhandensein eines wirtschaftlich verwertbaren Potentials zur Schuldendeckung des Kaufmanns.6 Eine bloße Gebrauchsmöglichkeit eines Guts führt noch nicht zu dessen Einzelverwertbarkeit.7 Voraussetzung sowohl für die Einzelveräußerbarkeit als auch für die Einzelverwertbarkeit ist das oben ge- 22 nannte Kriterium b) Einzelbewertbarkeit.8 Die erforderliche Einzelbewertbarkeit ergibt sich auch aus dem Grundsatz der Einzelbewertung (§ 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB). Ein Vermögensgegenstand ist einzeln bewertbar, wenn ihm ein gedachter Erwerber bei fiktivem Erwerb des ganzen Unternehmens einen eigenen, greifbaren (ins Gewicht fallenden) Wert beimessen würde.9 Einzeln bewertbare Vermögensgegenstände sind dementsprechend individualisierbar und nicht wie Investitionen in Werbefeldzüge oder „Public Relations“ Bestandteil des Geschäfts- oder Firmenwerts.10 Als nicht zur Abgrenzung eines Vermögensgegenstands geeignet erweisen sich die oben genannten Krite- 23 rien c) entgeltlicher Erwerb, d) konkrete Bilanzierbarkeit oder auch e) Einlagefähigkeit. Denn ein unentgeltlich erworbenes Gut kann ebenso zur Schuldendeckung des Kaufmanns geeignet sein wie ein entgeltlich erworbenes. Dementsprechend besteht nach dem Vollständigkeitsgebot auch für unentgeltlich erworbene Vermögensgegenstände eine grundsätzliche Aktivierungspflicht, soweit nicht Aktivierungsverbote etwas anderes gebieten oder Aktivierungswahlrechte etwas anderes erlauben.11 Unentgeltlich erworbene Vermögensgegenstände sind nach der hier vertretenen Auffassung grds. in der Handelsbilanz mit dem Marktpreis12 bzw. unentgeltlich erworbene Wirtschaftsgüter grds. in der Steuerbilanz mit dem gemeinen Wert, im Fall der Einlage gem. § 6 Abs. 1 Nr. 5 Halbs. 1 EStG grds. mit dem Teilwert anzusetzen.13 Dass die konkrete Aktivierungsfähigkeit erst nach der abstrakten Annahme als Vermögensgegenstand zu beurteilen ist, zeigt ua. § 248 Abs. 2 Satz 2 HGB, der verschiedene abstrakt aktivierungsfähige immaterielle Vermögensgegenstände aufzählt, diese jedoch konkret für nicht aktivierungsfähig erklärt.14 Die Einlagefähigkeit stellt lediglich auf den Umfang der betrieblichen Nutzung ab. Einlagefähig können daher sowohl Vermögensgegenstände als auch bloße Aufwendungen sein. 1 Vgl. ADS6, § 246 HGB Rz. 19; Kleindiek in Großkomm.5, § 246 HGB Rz. 8; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB39, § 246 Rz. 5; Winnefeld, Bilanz-Handbuch5, Kap. D Rz. 415; kritisch Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 246 Rz. 15. 2 Vgl. Thiele/Turowski in BKT, Bilanzrecht, § 246 HGB Rz. 37 (Stand Okt. 2014); BKT, Bilanzen15, 160. 3 Vgl. Roland, Vermögensgegenstand, 155. 4 Vgl. Kleindiek in Großkomm.5, § 246 HGB Rz. 8. 5 Vgl. zur Voraussetzung der Einzelvollstreckbarkeit im Einzelnen Tiedchen, Vermögensgegenstand, 44 ff. 6 Vgl. ADS6, § 246 HGB Rz. 27 f.; Kleindiek in Großkomm.5, § 246 HGB Rz. 8; BKT, Bilanzen15, 162. 7 Vgl. ADS6, § 246 HGB Rz. 20. 8 Vgl. ADS6, § 246 Rz. 29; Kleindiek in Großkomm.5, § 246 HGB Rz. 9. 9 Vgl. Kleindiek in Großkomm.5, § 246 HGB Rz. 9; BKT, Bilanzen15, 163 f.; zur ständigen BFH-Rspr. der erforderlichen Einzelbewertbarkeit steuerlicher Wirtschaftsgüter BFH v. 26.11.2014 – X R 20/12, BStBl. II 2015, 325 (juris, Rz. 24); v. 10.8.1989 – X R 176-177/87, BStBl. II 1990, 15 (juris, Rz. 14); v. 9.7.1986 – I R 218/82, BStBl. II 1987, 14 (juris, Rz. 9). 10 Vgl. Thiele/Turowski in BKT, Bilanzrecht, § 246 Rz. 50 (Stand Okt. 2014); BKT, Bilanzen15, 165; Kahle/Günter, Vermögensgegenstand und Wirtschaftsgut, in Schmiel/Breithecker, BilMoG, 76. 11 Vgl. Kahle in BKT, Bilanzrecht, § 255 HGB Rz. 75 (Stand Aug. 2017); Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 246 Rz. 34. 12 Vgl. Kahle in BKT, Bilanzrecht, § 255 HGB Rz. 76 (Stand Aug. 2017); Ballwieser in MünchKomm. HGB3, § 255 Rz. 45; aA ADS6, § 246 Rz. 44 und 77, nach denen der Ansatz iH eines Erinnerungswerts (in regelmäßiger Höhe von 1 DM bzw. 0,50 €) erfolgt; nach Schubert/Gadek in Beck BilKomm.12, § 255 HGB Rz. 100 „ist der gesetzlichen Vorstellung des erfolgsneutralen Anschaffungsvorgangs [...] ein Ansatz zu Null Euro geboten“. 13 Vgl. Kahle in BKT, Bilanzrecht, § 255 HGB Rz. 77 (Stand Aug. 2017). 14 Vgl. zur im Schrifttum vorgenommenen Unterscheidung zwischen abstrakter Aktivierungsfähigkeit (Maßstab: Aktivierungskriterien nach den GoB) und konkreter Aktivierungsfähigkeit (Maßstab: UU von den GoB abweichende handelsrechtliche Aktivierungsvorschriften) BKT, Bilanzen15, 158.

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§ 246 Rz. 24 | Vollständigkeit. Verrechnungsverbot 24 Selbständig verkehrsfähige immaterielle Vermögensgegenstände sind Vorteile, die rechtlich so gesichert

sind, dass sie dem Berechtigten gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden können. Hierzu zählen zB ungeschützte Erfindungen, Schutzrechte, Emissionsrechte,1 Software,2 nicht jedoch bloße wirtschaftliche Gegebenheiten oder sonstige tatsächliche Verhältnisse wie zB günstige Standortfaktoren.3 Anders als vor BilMoG kommt es für die konkrete Aktivierungsfähigkeit4 immaterieller Vermögensgegenstände des Anlagevermögens seit BilMoG nicht mehr auf deren entgeltlichen Erwerb an. Während für unentgeltlich erworbene (steuerrechtlich gem. § 5 Abs. 2 EStG anders) wie entgeltlich erworbene immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens unverändert eine Aktivierungspflicht besteht, gilt für selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens seither ein Aktivierungswahlrecht (§ 248 Abs. 2 Satz 1 HGB), soweit dieses nicht durch ein in § 248 Abs. 2 Satz 2 HGB geregeltes Aktivierungsverbot durchbrochen wird.5 Für Kapitalgesellschaften und Personengesellschaften iSd. § 264a HGB gilt im Fall der gewählten Aktivierung selbst geschaffener immaterieller Vermögensgegenstände die Ausschüttungssperre des § 268 Abs. 8 HGB; für anhangpflichtige Bilanzierende eine verpflichtende Anhangangabe gem. § 285 Nr. 28 HGB.6 § 248 Abs. 2 Satz 2 HGB kodifiziert Aktivierungsverbote für selbst geschaffene Marken7, Drucktitel, Verlagsrechte, Kundenlisten oder vergleichbare immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens. Für immaterielle Vermögensgegenstände des Umlaufvermögens besteht mangels abweichender Regelungen in § 248 HGB grds. eine Aktivierungspflicht. Dies gilt sowohl für unentgeltlich erworbene (steuerrechtlich gem. § 5 Abs. 2 EStG anders), entgeltlich erworbene als auch für selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände. Hier haben sich durch das BilMoG keine Änderungen ergeben.8

25 Durch § 246 Abs. 1 Satz 4 HGB ist seit BilMoG abschließend geregelt, dass ein entgeltlich erworbener (sog.

derivativer) Geschäfts- und Firmenwert als Vermögensgegenstand fingiert wird und aktivierungspflichtig ist. Das bisher nach § 255 Abs. 4 HGB aF bestehende Aktivierungswahlrecht wurde gestrichen. Damit erübrigt sich die Diskussion, ob ein entgeltlich erworbener (sog. derivativer) Geschäfts- oder Firmenwert ein Vermögensgegenstand oder eine bloße Bilanzierungshilfe ist. Ein selbst geschaffener Geschäfts- oder Firmenwert ist weiterhin nicht aktivierungsfähig.9

26 In der Steuerbilanz ist das Betriebsvermögen gem. § 5 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 EStG prinzipiell nach den

handelsrechtlichen GoB anzusetzen (materielle Maßgeblichkeit). Hiernach fordert das Steuerrecht handelsrechtliche Vermögensgegenstände, die es steuerrechtlich als (aktive) Wirtschaftsgüter bezeichnet, auch in der Steuerbilanz anzusetzen. Aufgrund dieses Maßgeblichkeitsgrundsatzes hält der BFH die Begriffe Vermögensgegenstand und Wirtschaftsgut für grds. deckungsgleich. Insbes. erlaube es der Maßgeblichkeitsgrundsatz nicht, den Begriff des Wirtschaftsguts weiter auszulegen als den Begriff des Vermögensgegenstands.10 Entgegen der herrschenden Literaturmeinung sieht er die Abgrenzung des selbständig verkehrsfähigen Ver-

1 Vgl. zu Emissionsrechten IDW RS HFA 15, FN-IDW 4/2006, 273 ff.; Abts, StuB 2017, 171 ff. 2 Vgl. zur Bilanzierung von Software im Einzelnen Mujkanovic, StuB 2018, 49 ff.; Mujkanovic, StuB 2016, 247 ff.; Mujkanovic, StuB 2015, 575 ff.; Mujkanovic, StuB 2015, 523 ff.; Deubert/Lewe, BB 2019, 811 ff.; Zwirner/Zieglmaier/ Heyd, StuB 2019, Beil. zu Heft 9. 3 Vgl. ADS6, § 246 Rz. 36 ff. mwN.; Cremer, NWB 2018, Beil. 4, 38 ff. 4 Vgl. zur im Schrifttum vorgenommenen Unterscheidung zwischen abstrakter Aktivierungsfähigkeit (Maßstab: Aktivierungskriterien nach den GoB) und konkreter Aktivierungsfähigkeit (Maßstab: UU von den GoB abweichende handelsrechtliche Aktivierungsvorschriften) BKT, Bilanzen15, 158. 5 Vgl. zur ursprünglich geplanten Verbesserung des Informationsniveaus im handelsrechtlichen Jahresabschluss durch geplante Einführung einer Aktivierungspflicht für sämtliche (selbst geschaffenen) immateriellen Vermögensgegenstände des Anlagevermögens bei gleichzeitiger Implementierung einer die Gläubiger schützenden Ausschüttungssperre BMJ, BilMoG-RefE, 64, 97. 6 Vgl. zur Nichtanwendbarkeit der Ausschüttungssperre und verpflichtenden Anhangsangabe im Falle unentgeltlich erworbener immaterieller Vermögensgegenstände Althoff, BB 2016, 2027 (2030). Kleine Kapitalgesellschaften sowie kleine Personengesellschaften iSd. § 264a HGB sind gem. § 288 Abs. 1 Nr. 1 HGB von der Angabepflicht nach § 285 Nr. 28 HGB befreit. 7 Vgl. im Einzelnen Landgraf/Herrmann/Heßdörfer, PiR 2018, 285 ff. 8 Vgl. WP Handbuch16, F Rz. 53; zu den Änderungen durch BilMoG: Gelhausen/Kämpfer/Fey, BilMoG, 74; Fischer/ Günkel ua., Die Bilanzrechtsreform 2010/11, 112. 9 Vgl. Gelhausen/Kämpfer/Fey, BilMoG, 62 mwN. 10 Vgl. zB BFH v. 2.3.1970 – GrS 1/69, BStBl. II 1970, 382 (juris, Rz. 10); v. 26.2.1975 – I R 72/73, BStBl. II 1976, 13 (juris, Rz. 32 f.); v. 26.10.1987 – GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348 (juris, Rz. 68); v. 26.11.1998 – IV R 52/96, BStBl. II 1999, 547 (juris, Rz. 24); v. 7.8.2000 – GrS 2/99, BStBl. II 2000, 632 (juris, Rz. 45); v. 21.9.2004 – IX R 36/01, BStBl. II 2006, 12 (juris, Rz. 22); v. 7.9.2005 – VIII R 1/03, BStBl. II 2006, 298 (juris, Rz. 29); Kahle/Günter, Vermögensgegenstand und Wirtschaftsgut, in Schmiel/Breithecker, BilMoG, 77; zustimmend Weber-Grellet in Schmidt, EStG39, § 5 Rz. 93; Krumm in Blümich, § 5 EStG Rz. 303a (Stand März 2018); vorsichtiger aber BFH v. 5.6.2008 – IV R 67/05, BStBl. II 2008, 960 (juris, Rz. 30: „weitgehend übereinstimmt“).

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B. Vollständigkeit (Abs. 1) | Rz. 30 § 246

mögensgegenstands allerdings als „zu eng“ an.1 Daher legt der BFH die Begriffe des Vermögensgegenstands bzw. des Wirtschaftsguts „unter wirtschaftlicher Betrachtungsweise“2 „weit[er]“3 aus. Nach ständiger BFH-Rspr. umfassen die Begriffe Vermögensgegenstand bzw. Wirtschaftsgut „alle Gegen- 27 stände iSd. § 90 BGB (Sachen und Rechte), darüber hinaus aber auch sonstige Vorteile. Darunter sind tatsächliche Zustände sowie konkrete Möglichkeiten und Vorteile für den Betrieb zu verstehen, deren Erlangung der Kaufmann sich etwas kosten lässt und die nach der Verkehrsauffassung einer besonderen Bewertung zugänglich sind“.4 Solche Zustände, Möglichkeiten und Vorteile sind nach ständiger BFH-Rspr. einer im Verkehr besonderen Bewertung zugänglich, wenn sie ein Erwerber des gesamten Betriebs greifen und für sie im Rahmen des Gesamtpreises ein ins Gewicht fallendes besonderes Entgelt entrichten würde.5 Für die Annahme als Vermögensgegenstand bzw. Wirtschaftsgut muss nach Auffassung des BFH zum Stichtag ein realisierbarer, wirtschaftlich ausnutzbarer Vermögensvorteil vorliegen.6 Dieser Vermögensvorteil muss keinen mehrjährigen Nutzen vermitteln.7 Anders als dingliche oder obligatorische Nutzungsrechte stellen bloße Nutzungsvorteile (zB Vorteil, ein Darlehen zinslos nutzen zu können) weder Vermögensgegenstände noch Wirtschaftsgüter dar.8 Die Auslegungspraxis des BFH geht nach der hier vertretenen Auffassung zu weit.9 So nimmt der BFH – 28 nicht auf die Schuldendeckungsfähigkeit des Vermögensgegenstands bzw. Wirtschaftsguts abstellend – ua. nicht erst selbständig veräußer- bzw. verwertbare, sondern bereits selbständig bewertbare, wirtschaftlich bedeutende Wettbewerbsverbote als Vermögensgegenstände bzw. Wirtschaftsgüter an.10 Nach höchstrichterlicher Finanzrechtsprechung, herrschender und auch hier vertretener Auffassung stellt 29 sowohl der Anteil an einer Kapitalgesellschaft11 als auch der Anteil an einer Personengesellschaft12 einen handelsrechtlichen Vermögensgegenstand dar. Denn sowohl beim Anteil an einer Kapitalgesellschaft als auch beim Anteil an einer Personengesellschaft handelt es sich um ein einzeln veräußerbares und daher auch um ein einzeln bewertbares Gut. Die Zugangsbewertung erfolgt gem. § 253 Abs. 1 HGB mit den Anschaffungskosten. Liegt der beizulegende Zeitwert am Bilanzstichtag unter den Anschaffungskosten, kann bzw. muss die jeweilige Beteiligung gem. § 253 Abs. 2 oder 3 HGB auf diesen beizulegenden Zeitwert abgeschrieben werden. Entgegen den höchstrichterlich definierten und einschlägigen Tatbestandsmerkmalen des Vermögensgegen- 30 stands bzw. Wirtschaftsguts (selbständig bewertbares, greifbares, sogar einzeln veräußerbares Gut) und entgegen § 5 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 EStG lehnen allerdings sowohl der BFH als auch offenkundig die Finanzverwaltung die Annahme eines Anteils an einer Personengesellschaft als steuerrechtliches Wirtschaftsgut

1 Vgl. zB BFH v. 26.2.1975 – I R 72/73, BStBl. II 1976, 13 (juris, Rz. 33); v. 17.2.1998, VIII R 28/95, BStBl. II 1998, 505 (juris, Rz. 21); Kahle/Günter, Vermögensgegenstand und Wirtschaftsgut, in Schmiel/Breithecker, BilMoG, 78. 2 Vgl. zB BFH v. 26.11.2014 – X R 20/12, BStBl. II 2015, 325 (juris, Rz. 23); v. 14.3.2006 – I R 109/04, BFH/NV 2006, 1812 (juris, Rz. 16). 3 Vgl. zB BFH v. 26.11.2014 – X R 20/12, BStBl. II 2015, 325 (juris, Rz. 23); v. 2.3.1970 – GrS 1/69, BStBl. II 1970, 382 (juris, Rz. 10); v. 8.4.1992 – XI R 34/88, BStBl. II 1992, 893 (juris, Rz. 13). 4 Vgl. zB BFH v. 26.11.2014 – X R 20/12, BStBl. II 2015, 325 (juris, Rz. 23); v. 2.3.1970 – GrS 1/69, BStBl. II 1970, 382 (juris, Rz. 10); v. 8.4.1992 – XI R 34/88, BStBl. II 1992, 893 (juris, Rz. 13 f.); v. 5.6.2008 – IV R 67/05, BStBl. II 2008, 960 (juris, Rz. 30). 5 Vgl. Kleindiek in Großkomm.5, § 246 HGB Rz. 9; BKT, Bilanzen15, 163 f.; zur ständigen BFH-Rspr. der erforderlichen Einzelbewertbarkeit steuerlicher Wirtschaftsgüter BFH v. 26.11.2014 – X R 20/12, BStBl. II 2015, 325 (juris, Rz. 24); v. 10.8.1989 – X R 176-177/87, BStBl. II 1990, 15 (juris, Rz. 14); v. 9.7.1986 – I R 218/82, BStBl. II 1987, 14 (juris, Rz. 9). 6 Vgl. zB BFH v. 26.11.2014 – X R 20/12, BStBl. II 2015, 325 (juris, Rz. 24); v. 9.7.1986 – I R 218/82, BStBl. II 1987, 14 (juris, Rz. 9). 7 Vgl. klarstellend BFH v. 26.11.2014 – X R 20/12, BStBl. II 2015, 325 (juris, Rz. 28, 32). 8 Vgl. BFH v. 26.10.1987 – GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348 (juris, Rz. 69); Weber-Grellet in Schmidt, EStG39, § 5 Rz. 100; ADS6, § 246 Rz. 396; Böcking/Gros/Wirth in Wiedmann/Böcking/Gros, BilR4, § 246 HGB Rz. 19. 9 GlA Kahle/Günter, Vermögensgegenstand und Wirtschaftsgut, in Schmiel/Breithecker, BilMoG, 78. 10 Vgl. BFH v. 26.7.1972 – I R 146/70, BStBl. II 1972, 937 (juris, Rz. 14); v. 14.2.1973 – I R 89/71, BStBl. II 1973, 580 (juris, Rz. 6); v. 23.6.1981 – VIII R 43/79, BStBl. II 1982, 56; Kahle/Günter, Vermögensgegenstand und Wirtschaftsgut, in Schmiel/Breithecker, BilMoG, 78, 81; aA Merkt in Baumbach/Hopt, HGB39, § 246 Rz. 7. 11 Vgl. Bürkle/Knebel, DStR 1998, 1067 (1068). 12 Vgl. BFH v. 23.7.1975 – I R 165/73, BStBl. II 1976, 73 (juris, Rz. 15); v. 22.1.1981 – IV R 160/76, BStBl. II 1981, 427 (juris, Rz. 10); v. 10.12.1991 – VIII R 69/86, BStBl. II 1992, 385 (juris, Rz. 54); v. 1.7.2010 – IV R 100/06, BFH/NV 2010, 1168 (juris, Rz. 48); zustimmend Krumm in Blümich, § 5 EStG Rz. 1112a (Stand März 2018); IDW RS HFA 18, FN-IDW 1/2012, 24 ff. Rz. 2; Graf von Kanitz, WPg. 2007, 57; Kahle/Hiller in Prinz/Kahle, Beck HdB PersG5, § 5 Rz. 235; Stadler/Hartmann in Prinz/Kanzler, Handbuch Bilanzsteuerrecht3, Rz. 3629.

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§ 246 Rz. 30 | Vollständigkeit. Verrechnungsverbot ab. Vielmehr verkörpere der Anteil an einer transparent zu besteuernden Personengesellschaft sämtliche ideellen Anteile ihr gehörender Wirtschaftsgüter.1 Hierdurch entfällt für den Gesellschafter sowohl die steuerbilanzielle Aktivierung des Personengesellschaftsanteils nach dem Anschaffungs- und Herstellungskostenprinzip (§ 253 Abs. 1 Satz 1 HGB)2 als auch die Möglichkeit, auf diesen Anteil eine steuerliche Teilwertabschreibung vorzunehmen.3 31 Zwar entschied der BFH den zwingenden Ansatz der Beteiligung an einer Gewinneinkünfte (§ 2 Abs. 2

Satz 1 Nr. 1 EStG) erzielenden Personengesellschaft in der Steuerbilanz des Gesellschafters.4 Mangels Bedeutung für die steuerliche Gewinnermittlung des Gesellschafters bleibt es diesem jedoch überlassen, ob er die Personengesellschaftsbeteiligung in der Steuerbilanz a) mit einem „Merkposten“5 oder b) mit dem Spiegelbild seines dort passivierten Kapitalkontos6 ansetzt. Demgegenüber hat der Beteiligte einer Überschusseinkünfte (§ 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG) erzielenden Personengesellschaft seine Anteile an den zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Wirtschaftsgütern gem. § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO als eigene Wirtschaftsgüter in der eigenen Steuerbilanz zu bilanzieren.7

31a Nach herrschender und hier vertretener Auffassung stellen zudem sog. Token einen handelsrechtlichen Ver-

mögensgegenstand bzw. ein Wirtschaftsgut dar, da sie verkehrsfähig und damit selbständig verwertbar bzw. bewertbar sind.8 Currency-Token (zB Bitcoin, Ethereum) können über diverse (Online-)Plattformen gehandelt werden. Bei Investment-Token9 sowie Utility-Token10 besteht zumindest die abstrakte Möglichkeit der Veräußerung der mit den Token verbundenen Beteiligungs- bzw. Nutzungsrechte, was nach der hier vertretener Ansicht für die abstrakte Bilanzierungsfähigkeit als ausreichend angesehen werden kann.11

b) Persönliche Zurechnung (Abs. 1 Satz 2) aa) Maßgeblichkeit des wirtschaftlichen Eigentums 32 Handelsrechtlich werden Vermögensgegenstände nach § 246 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 HGB in der Bilanz des

Eigentümers ausgewiesen. Unterscheidet sich der wirtschaftliche vom zivilrechtlichen Eigentümer bzw. Inhaber, ist der Vermögensgegenstand gem. § 246 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 HGB in der Bilanz des wirtschaftlichen Eigentümers aufzunehmen.12 Davon abweichend regelt zB der speziellere § 340b HGB, dass Vermögensgegenstände bei echten Pensionsgeschäften gem. § 340b Abs. 1, 2, 4 HGB grds. in der Bilanz des Pensionsgebers bzw. bei unechten Pensionsgeschäften gem. § 340b Abs. 1, 3, 5 HGB grds. in der Bilanz des Pensionsnehmers aufzunehmen sind. Unabhängig davon regelt zB der ebenfalls speziellere § 6 Abs. 1 RechKredV, dass treuhänderisch gehaltene Vermögensgegenstände und Schulden prinzipiell in der Bilanz des Kreditinstituts auszuweisen sind. 1 Vgl. zB BFH v. 19.2.1981 – IV R 41/78, BStBl. II 1978, 730 (juris, Rz. 7); v. 25.2.1991 – GrS 7/89, BStBl. II 1991, 691 (juris, Rz. 101); v. 1.7.2010 – IV R 100/06, BFH/NV 2010, 1168 (juris, Rz. 48); v. 25.6.2014 – I R 29/13, BFH/NV 2015, 27 (juris, Rz. 22); BMF v. 29.4.1994 – IV B 2 - S 2241 – 9/94, BStBl. I 1994, 282 (juris, Rz. 5). 2 Vgl. noch Wrede, FR 1990, 293 (300); Schön, FR 1994, 658 (662). 3 Vgl. BFH v. 20.6.1985 – IV R 36/83, BStBl. II 1985, 654 (juris, Rz. 13); v. 1.7.2010 – IV R 100/06, BFH/NV 2010, 1168 (juris, Rz. 48). 4 Vgl. BFH v. 30.4.2003 – I R 102/01, BStBl. II 2004, 804 (juris, Rz. 15); aA Fromm, GmbHR 2005, 425. 5 Vgl. Wacker in Schmidt, EStG39, § 15 Rz. 690 mwN. 6 So zB BFH v. 1.7.2010 – IV R 100/06, BFH/NV 2010, 1168 (juris, Rz. 48); v. 25.6.2014 – I R 29/13, BFH/NV 2015, 27 (juris, Rz. 25); Wacker in Schmidt, EStG39, § 15 Rz. 690 mwN; Krumm in Blümich, § 5 EStG Rz. 1112b mwN (Stand März 2018); OFD Koblenz v. 28.2.2007 – S 2243 A – St 31 3, DStR 2007, 992. 7 Vgl. BFH v. 11.4.2005 – GrS 2/02, BStBl. II 2005, 679 (juris, Rz. 29); v. 26.4.12 – IV R 44/09, BStBl. II 2013, 142 (juris, Rz. 19); v. 25.6.14 – I R 29/13, BFH/NV 2015, 27 (juris, Rz. 22); Wendt, StbJb. 2012/2013, 29 (33 f.); Schulze zur Wiesche, DStZ 2012, 833 (834). 8 Vgl. Kirsch/von Wieding, BB 2017, 2731 (2733); Richter/Augel, FR 2017, 937 (940 f.); Richter/Schlücke, FR 2019, 407 (408); Himmer/Kaulartz, Ubg 2019, 477; Marx/Dallmann, StuB 2019, 217 (219); Prinz/Ludwig, StuB 2019, 257 (258); Sixt, DStR 2019, 1766 (1770); Hötzel/Krüger/Niermann/Scherer/Lehmann, IFSt.-Schrift Nr. 533 (2020), 26 m.w.N. 9 Investment-Token (auch als Security- oder Anlage-Token bezeichnet) transferieren eigenkapital- bzw. fremdkapitalähnliche Rechte an Unternehmen in Form von variablen Gewinnbeteiligungen (Equity Token) bzw. festen Zahlungsansprüchen (Debt Token), vgl. Krüger/Lampert, BB 2018, 1154 (1155). 10 Utility-Token ermöglichen ein Zugriffsrecht auf bestimmte Dienstleistungen oder Produkte, vergleichbar mit einem Gutschein. In Abgrenzung zum Investment-Token steht das Produkt bzw. die Dienstleistung und nicht das Unternehmen im Fokus, vgl. Himmer/Kaulartz, Ubg 2019, 477; Weitnauer, BKR 2018, 231 (232). 11 Zu Ausweis und Bewertungsfragen bei Currency-Token am Beispiel Bitcoin vgl. Kirsch/von Wieding, BB 2017, 2731 (2733); zu Investment- und Utility-Token vgl. Marx/Dallmann, StuB 2019, 217 (219 ff.); Sixt, DStR 2019, 1766 (1770). 12 Vgl. IDW ERS HFA 13 nF, FN-IDW 1–2/2007, 83 ff. Rz. 6.

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B. Vollständigkeit (Abs. 1) | Rz. 37 § 246

Steuerrechtlich gilt § 246 Abs. 1 Satz 2 HGB iVm. § 5 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 EStG entsprechend für Wirtschaftsgüter. Inhaltlich übereinstimmend1 rechnet auch die nachrangige Generalvorschrift des § 39 Abs. 1 AO Wirtschaftsgüter dem Eigentümer zu.2 Unterscheidet sich der wirtschaftliche vom zivilrechtlichen Eigentümer bzw. Inhaber, ist das Wirtschaftsgut auch gem. § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO dem wirtschaftlichen Eigentümer zuzurechnen. Davon abweichend regelt § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO exemplarisch,3 dass Wirtschaftsgüter bei Treuhandverhältnissen grds. dem Treugeber, beim Sicherungseigentum grds. dem Sicherungsgeber und beim Eigenbesitz grds. dem Eigenbesitzer zuzurechnen sind. Ausgangspunkt der Zuordnung der Vermögensgegenstände bzw. Wirtschaftsgüter ist das zivilrechtliche Eigentum bzw. die zivilrechtliche Inhaberschaft. Nach dem Abstraktionsprinzip bestimmt sich das zivilrechtliche Eigentum (bei Sachen) bzw. die Inhaberschaft (bei Rechten) nicht anhand einer schuldrechtlich vorliegenden Vereinbarung (zB anhand eines Kaufvertrags iSd. § 433 BGB), sondern anhand des sachenrechtlich bestehenden Eigentums.4 Nach der Auffassung des IDW ist wirtschaftlicher Eigentümer eines Vermögensgegenstands derjenige, dem für wesentliche Teile der wirtschaftlichen Nutzungsdauer des Vermögensgegenstands Besitz (§§ 854 ff. BGB), Gefahr, Nutzungen (§ 100 BGB) und Lasten zustehen. Dabei müssen diese Tatbestandsmerkmale nicht kumulativ vorliegen. Auch sind sie nicht gleichrangig zu verstehen. Vielmehr ist ihre Bedeutung von der Art des Vermögensgegenstands abhängig zu machen.5 Im Besonderen kommt es für die Zurechnung des wirtschaftlichen Eigentums an Immobilien, Mobilien und Kapitalanlagen maßgeblich auf die eigenen gegenüber den überlassenen Nutzungsrechten (laufende Fruchtziehungs- sowie einmalige Veräußerungsrechte) an. Darüber hinaus kommt es für die Zurechnung des wirtschaftlichen Eigentums an Kapitalanlagen auch maßgeblich auf die Gefahr bzw. die Chance und das Risiko aus der laufenden Nutzung (Gewinnbezugs- bzw. Zinsänderungsrisiko) und auf die Gefahr bzw. die Chance und das Risiko aus der Wertsteigerung, Wertminderung sowie des endgültigen Verlusts (Bonitätsrisiko) an. Können die oben genannten Tatbestandsmerkmale mit unterschiedlicher Ausprägung gleichzeitig mehreren Rechtssubjekten zugeordnet werden (zB bei „sale-and-buy-back-Geschäften“, [un]echten Pensionsgeschäften, Verkäufen mit Garantievereinbarungen), ist der wirtschaftliche Eigentümer nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu bestimmen. Dabei tritt wegen der Maßgeblichkeit der tatsächlichen Befugnisse ein nur formales Recht, über den Vermögensgegenstand verfügen oder diesen belasten zu können, in seiner Bedeutung hinter die wirtschaftliche Verfügungsmacht zurück.6 In besonderen Fällen, zB bei der Veräußerung von Vermögensgegenständen, kann es hiernach gar zu einem doppelten Ansatz des Vermögensgegenstands, sowohl beim Erwerber als bereits zivilrechtlichem und schon teilweise wirtschaftlichem Eigentümer als auch beim Veräußerer als gerade noch teilweise wirtschaftlichem Eigentümer, kommen7 – nur einer der Kritikpunkte des DIHK, BDI, BdB und GDV8 am bis heute nicht abschließend verabschiedeten Entwurf IDW ERS HFA 13 nF zu Einzelfragen zum Übergang von wirtschaftlichem Eigentum und zur Gewinnrealisierung nach HGB. Nach der Regierungsbegründung zum Gesetzesentwurf des BilMoG ist für die Zuweisung des wirtschaftlichen Eigentums insbes. die Verteilung der Chancen und Risiken ausschlaggebend.9 Nach der höchstrichterlichen Finanzrechtsprechung zum Leasing10 sowie der darauf zurückgehenden Kodifizierung in § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO11 ist wirtschaftlicher Eigentümer eines Vermögensgegenstands bzw. 1 Vgl. BT-Drucks. 16/12407, 84; Gelhausen/Fey/Kämpfer, BilMoG, 8; vorsichtiger BFH v. 14.5.2002 – VIII R 30/98, BStBl. II 2002, 741 (8. Orientierungssatz: „Die handelsrechtliche Zurechnung von Vermögensgegenständen entspricht im Wesentlichen der Regelung des § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO 1977“); Schmidt/Ries in Beck BilKomm.12, § 246 HGB Rz. 5: „Im Regelfall ist davon auszugehen ...“; Wendt, FR 2017, 531: „Folgt man [den Ausführungen in BT-Drucks. 16/10067, 47] gelten für das Steuerrecht und das Handelsrecht gerade nicht dieselben Kriterien“. 2 Vgl. Drüen in Tipke/Kruse, § 39 AO Rz. 12 (Stand Jun. 2012); Koenig in Koenig, AO3, § 39 Rz. 3; Ratschow in Klein, AO14, § 39 Rz. 4. 3 Vgl. Ratschow in Klein, AO14, § 39 Rz. 1. 4 Vgl. BFH v. 26.6.1990 – VIII R 81/85, BStBl. II 1994, 645 (juris, Rz. 47); Drüen in Tipke/Kruse, § 39 AO Rz. 20 (Stand Jun. 2012); Gelhausen/Kämpfer/Fey, BilMoG, 9. 5 Vgl. IDW ERS HFA 13 nF, FN-IDW 1–2/2007, 83 ff. Rz. 7. 6 Vgl. IDW ERS HFA 13 nF, FN-IDW 1–2/2007, 83 ff. Rz. 8; ADS6, § 246 Rz. 263; Schmidt/Ries in Beck BilKomm.12, § 246 Rz. 6. 7 Vgl. IDW ERS HFA 13 nF, FN-IDW 1-2/2007, 83 ff. Rz. 6; Gelhausen/Kämpfer/Fey, BilMoG, 10; nach Briesemeister in Prinz/Kanzler, Handbuch Bilanzsteuerrecht3, Rz. 664 mwN mit den steuerrechtlichen Zurechnungsgrundsätzen des § 39 AO unvereinbar. 8 Vgl. Stellungnahme des DIHK, BDI, BdB, GDV v. 3.9.2007; https://www.idw.de/blob/43570/9d3db2e8a6a5dfffff bdb276c51104f2/down-idwershfa13-dihk-bdi-bdb-gdv-data.pdf (letzter Abruf am 6.7.2020). 9 Vgl. BR-Drucks. 344/08, 102. 10 Vgl. BFH v. 26.1.1970 – IV R 144/66, BStBl. II 1970, 264 (juris, Rz. 69). 11 Vgl. Koenig in Koenig, AO3, § 39 Rz. 14; Ratschow in Klein, AO14, § 39 Rz. 18.

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§ 246 Rz. 37 | Vollständigkeit. Verrechnungsverbot Wirtschaftsguts, wer nach dem Gesamtbild der Verhältnisse die tatsächliche Herrschaft über ein Wirtschaftsgut in der Weise ausübt, dass er den evtl. abweichenden zivilrechtlichen Eigentümer bzw. Inhaber im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann.1 Das Tatbestandsmerkmal der tatsächlichen Herrschaft stellt maßgeblich auf den Besitz (§§ 854 ff. BGB), darüber hinaus auf die Zurechnung der Gefahren, Nutzungen und Lasten ab.2 Ausreichend ist uU mittelbarer Besitz (zB bei der kurzfristigen Vermietung einer für die Nutzungsdauer unkündbar geleasten Sache).3 Zivilrechtlich ist der Eigentümer bzw. Inhaber für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung ausgeschlossen, solange er das Wirtschaftsgut nicht wegnehmen, zerstören, beschädigen oder benutzen darf.4 Wirtschaftlich ist der Eigentümer bzw. Inhaber für die gewöhnliche Nutzungsdauer5 von der Einwirkung ausgeschlossen, a) wenn ihm für das Wirtschaftsgut kein Herausgabeanspruch zusteht6 oder b) wenn ein solcher für ihn zumindest keine wirtschaftliche Bedeutung hat.7 Von a) einem nicht vorhandenen Herausgabeanspruch ist zB auszugehen, wenn der Nutzende berechtigt oder verpflichtet ist, das Wirtschaftsgut nach Ablauf der Nutzungszeit zu beseitigen.8 Von b) einem wirtschaftlich bedeutungslosen Herausgabeanspruch ist auszugehen, wenn der zivilrechtliche Eigentümer bzw. Inhaber aa) einen entschädigungslosen Herausgabeanspruch erst nach dem technischen oder wirtschaftlichen Verbrauch des Wirtschaftsguts durchsetzen kann,9 bb) einen entschädigungslosen Herausgabeanspruch zwar vor Ablauf der Nutzungsdauer des Wirtschaftsguts durchsetzen kann, das Wirtschaftsgut aber derart auf die Bedürfnisse des Nutzers zugeschnitten ist, dass eine anderweitige wirtschaftlich sinnvolle Nutzung oder Verwendung ausscheidet10 oder cc) einen Herausgabeanspruch zwar jederzeit durchsetzen kann, allerdings nur gegen Entschädigung in voller Höhe des Verkehrswerts des Wirtschaftsguts (gem. § 951 BGB regelmäßig gegeben, jedoch abdingbar).11 Wirtschaftlicher Miteigentümer ist, wer die oben genannte tatsächliche Herrschaft mit anderen gemeinsam ausübt.12 bb) Asset Backed Securities (Forderungsbesicherte Wertpapiere) 38 Asset Backed Securities (Forderungsbesicherte Wertpapiere) sind ein Finanzierungsmodell, bei dem ein For-

derungsbegründer (Originator) handelsrechtliche Vermögensgegenstände bzw. steuerrechtliche Wirtschaftsgüter in Form von Finanzaktiva (idR ein Portfolio von Forderungen aus Lieferungen und Leistungen oder von Darlehensforderungen) gem. §§ 398 ff. BGB gegen einen Kaufpreis an eine Zweckgesellschaft (special purpose vehicle, kurz SPV) abtritt. Den Kaufpreis refinanziert die Zweckgesellschaft durch kapitalmarktorientierte Wertpapieremissionen (Securities), die durch die erhaltenen Forderungen besichert (assetbacked) werden. Ziel dieser Gestaltung ist die Umwandlung langfristiger Forderungen in liquide Mittel ohne Erhöhung der Fremdkapitalposition in der Bilanz. Ob die übertragenen Forderungen hiernach (noch) beim Forderungsbegründer oder aber bei der Zweckgesellschaft zu bilanzieren sind, richtet sich danach, wer ihr wirtschaftlicher Eigentümer (geworden) ist. 39 Nach Auffassung des IDW, des BFH und weiter Teile der Literatur kommt es bei der Bestimmung des wirtschaftlichen Eigentümers von Forderungen nicht nur auf die allgemeinen Merkmale (Besitz, Gefahr, Nutzun1 Vgl. BFH v. 18.11.1970 – I 133/64, BStBl. II 1971, 133 (juris, Rz. 20); v. 26.3.1987 – IV R 20/84, BStBl. II 1987, 561 (juris, Rz. 25); v. 28.7.1993 – I R 88/92, BStBl. II 1994, 164 (juris, Rz. 27); v. 27.11.1996 – X R 92/92, BStBl. II 1998, 97 (juris, Rz. 19 mwN); v. 12.4.2000 – X R 20/99, BFH/NV 2001, 9 (juris, Rz. 21 mwN); v. 18.7.2001 – X R 39/97, BStBl. II 2002, 284 (juris, Rz. 18); v. 14.5.2002 – VIII R 30/98, BStBl. II 2002, 741 (juris, Rz. 18); v. 14.2.2007 – XI R 18/06, BStBl. II 2009, 957 (juris, Rz. 25); v. 22.4.2015 – X R 8/13, BFH/NV 2015, 1409 (juris, Rz. 19). 2 Vgl. BFH v. 12.10.2006 – II R 26/05, BFH/NV 2007, 386 (juris, Rz. 19 f. mwN); Ratschow in Klein, AO14, § 39 Rz. 20. 3 Vgl. BFH v. 6.8.1971 – III R 89/68, BStBl. II 1972, 28 (juris, Rz. 11); Koenig in Koenig, AO3, § 39 Rz. 15. 4 Vgl. Herrler in Palandt, BGB79, § 903 Rz. 6. 5 Vgl. zum nicht ausreichenden tatsächlichen Herrschaftsausschluss des zivilrechtlichen Eigentümers bzw. Inhabers auf unbestimmte Zeit BFH v. 12.4.2000 – X R 20/99, BFH/NV 2001, 9 (3. Leitsatz). 6 Vgl. BFH v. 22.8.1984 – I R 198/80, BStBl. II 1985, 126 (juris, Rz. 19); v. 12.9.1991 – III R 233/90, BStBl. II 1992, 182 (juris, Rz. 17); v. 22.4.2015 – X R 8/13, BFH/NV 2015, 1409 (juris, Rz. 19). 7 Vgl. BFH v. 26.1.1970 – IV R 144/66, BStBl. II 1970, 264 (juris, Rz. 69 mwN); v. 12.9.1991 – III R 233/90, BStBl. II 1992, 182 (juris, Rz. 17); v. 1.10.1997 – X R 91/94, BStBl. II 1998, 203 (juris, Rz. 13); v. 22.4.2015 – X R 8/13, BFH/ NV 2015, 1409 (juris, Rz. 19). 8 Vgl. zu Bauten auf fremdem Grund und Boden BFH v. 22.8.1984 – I R 198/80, BStBl. II 1985, 126 (juris, Rz. 19); Hennrichs in MünchKomm. BilR, § 246 HGB Rz. 198; Wied in Blümich, § 4 EStG Rz. 321 ff. (Stand Nov. 2017). 9 GlA BMF v. 15.1.1976 – IV B 2 - S 2133 – 1/76, BStBl. I 1976, 66 Nr. 6 a); Koenig in Koenig, AO3, § 39 Rz. 19; kritisch Ratschow in Klein, AO14, § 39 Rz. 26: „im Zweifel […] wirtschaftliche[n], nicht die technische[n]“. 10 Vgl. BFH v. 15.2.2001 – III R 130/95, BFH/NV 2001, 1041 (juris, Rz. 34). 11 Vgl. BFH v. 18.7.2001 – X R 69/00, BFH/NV 2002, 171 (3. Leitsatz); v. 18.7.2001 – X R 23/99, BStBl. II 2002, 281 (juris, Rz. 18); v. 8.4.2003 – IX R 1/01, BFH/NV 2003, 1171 (juris, Rz. 16); v. 29.4.2008 – VIII R 98/04, BStBl. II 2008, 749 (juris, Rz. 16); Koenig in Koenig, AO3, § 39 Rz. 19; Ratschow in Klein, AO14, § 39 Rz. 26. 12 Vgl. Koenig in Koenig, AO3, § 39 Rz. 20 mwN; Ratschow in Klein, AO14, § 39 Rz. 28 mwN.

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B. Vollständigkeit (Abs. 1) | Rz. 43 § 246

gen1 und Lasten), sondern ganz wesentlich auf die Zurechnung des Forderungsausfall-2 bzw. Bonitätsrisikos („Risiko der Verwertbarkeit der Forderungen auf der Grundlage der Fähigkeit und des Willens des Drittschuldners, die Forderung bedienen zu können“; Delkredererisiko) an.3 Trägt das Bonitätsrisiko wie beim echten Factoring bzw. der echten Forfaitierung die Zweckgesellschaft, ist sie wirtschaftliche Eigentümerin geworden und damit Bilanzierende der Forderungen. Der Forderungsbegründer hat die Forderung auszubuchen. Sind der Forderungsbegründer und die Zweckgesellschaft allerdings nahestehende Personen, spricht uU auch einiges dafür, dass die übertragenen Forderungen lediglich treuhänderisch auf die Zweckgesellschaft übertragen und folglich weiterhin beim treugeberischen Forderungsbegründer zu bilanzieren sind.4 Trägt das Bonitätsrisiko dagegen wie beim unechten Factoring bzw. der unechten Forfaitierung der Forde- 40 rungsbegründer, ist er weiterhin wirtschaftlicher Eigentümer und damit Bilanzierender der Forderungen. Ein Verbleib des Bonitätsrisikos und damit des wirtschaftlichen Eigentums bzw. der Forderungsbilanzierung beim Forderungsbegründer ist insbes. in folgenden Fällen anzunehmen: a) bei im Voraus betragsmäßig vereinbartem Rückübertragungsrecht der Zweckgesellschaft (Put-Option, anders beim unechten Pensionsgeschäft), b) bei Übernahme einer Ausfallgarantie durch den Forderungsbegründer, c) bei Vereinbarung nachträglicher Preisanpassungsklauseln, d) bei Beteiligung des Forderungsbegründers am Eigenkapital der Zweckgesellschaft, e) bei Vereinbarung eines sog. Total Return-Swaps (Übertragung des Marktpreis- und Bonitätsrisikos auf den Forderungsbegründer), f) bei nicht unwesentlicher Übernahme der emittierten Asset Backed Securities (forderungsbesicherte Wertpapiere) durch den Forderungsbegründer, g) bei Vereinbarung überhöhter excess spreads (der Zweckgesellschaft zufließende Zinserträge aus den erhaltenen Forderungen abzüglich von ihr aufgewendeter Refinanzierungszinsaufwendungen) zugunsten des Forderungsbegründers oder h) bei rückwirkend vereinbarten Kaufpreisabschlägen, wenn diese unangemessen hoch sind.5 Ein im Voraus vereinbarter Kaufpreisabschlag führt unabhängig seiner Höhe zum Übergang des wirtschaftlichen Eigentums und damit zur Forderungsbilanzierung bei der Zweckgesellschaft. Ein rückwirkend vereinbarter Kaufpreisabschlag führt nur bei Angemessenheit (bei Einhaltung marktüblicher Delkrederesätze oder Orientierung an Erfahrungswerten) zum Übergang des wirtschaftlichen Eigentums und damit der Forderungsbilanzierung auf die Zweckgesellschaft.6 Beim Verbleib des Bonitätsrisikos und damit des wirtschaftlichen Eigentums bzw. der Forderungsbilanzierung beim Forderungsbegründer hat der Forderungsbegründer die zugeflossenen liquiden Mittel zu aktivieren und eine Verbindlichkeit gegenüber der Zweckgesellschaft zu passivieren. Anhangpflichtige Forderungsbegründer haben den Gesamtbetrag der besicherten Verbindlichkeiten sowie die 41 Art und Form der Sicherheiten gem. § 285 Nr. 1 Buchst. b und Nr. 2 HGB im Anhang aufgegliedert anzugeben. Korrespondierend hat die Zweckgesellschaft eine Forderung gegen den Forderungsbegründer zu aktivieren.7

cc) Derivative Finanzinstrumente (Option/Termingeschäft/Swap) Bei einem derivativen Finanzinstrument (Option/Termingeschäft/Swap) handelt es sich im Allgemeinen um 42 eine Geldanlageform, deren Wert sich aus einem Basiswert (zB einer Aktie, Anleihe oder Devise) ableitet. Eine Option berechtigt den Optionsnehmer, zum Fälligkeitszeitpunkt (Europäische Option) oder während 43 eines definierten Zeitraums vor der Fälligkeit (Amerikanische Option) eine bestimmte Menge des Basiswerts zu einem bestimmten Preis zu kaufen (Call-Option) oder zu verkaufen (Put-Option). Hierfür erhält der korrespondierend zum Verkauf bzw. Kauf verpflichtete Optionsgeber (Stillhalter) bei Vertragsabschluss eine Optionsprämie (Stillhalterprämie). Angeschaffte, dem Gebrauch bzw. der Ausübung dienende, nicht verbriefte Optionsrechte hat der Optionsnehmer als immaterielle Vermögensgegenstände bzw. Wirtschafts-

1 Vgl. zum notwendigen aber nicht hinreichenden (Forderungs)Verwertungsrecht durch Veräußerung bzw. Verpfändung und zum nicht notwendigen (Forderungs)Verwaltungs- bzw. Einzugsrecht IDW RS HFA 8, FN-IDW 11/2002, 640 ff. Rz. 10; Schmidt/Ries in Beck BilKomm.12, § 246 HGB Rz. 30. 2 Vgl. BFH v. 20.1.1999 – I R 69/97, BStBl. II 1999, 514 (juris, Rz. 36); v. 2.3.2010 – I R 44/09, BFH/NV 2010, 1622 (juris, Rz. 19); v. 26.8.2010 – I R 17/09, BFH/NV 2011, 143 (juris, Rz. 18). 3 Vgl. IDW RS HFA 8, FN-IDW 11/2002, 640 ff. Rz. 7 ff., 16 ff.; BFH v. 26.8.2010 – I R 17/09, BFH/NV 2011, 143 (1. Leitsatz); glA ADS6, § 246 HGB Rz. 326; Weber-Grellet in Schmidt, EStG39, § 5 Rz. 270 „Factoring“, „Forfaitierung“; Krumm in Blümich, § 5 EStG Rz. 1085 (Stand März 2018); Reddig in Kirchhof, EStG19, § 5 Rz. 237 „Asset Backed Securities“; aA Häuselmann, DStR 1998, 826 (829); Rist, StuB 2003, 386 (389 f.); Schmid, DStR 2010, 145 (147 ff.), nach denen zur Bestimmung des wirtschaftlichen Eigentums an Forderungen nicht auf die Verteilung des Bonitätsrisikos, sondern auf die Verfügungsmacht abgestellt werden sollte. 4 Vgl. ADS6, § 246 Rz. 326; Noodt in Haufe BilKomm.10, § 246 HGB Rz. 66. 5 Vgl. IDW RS HFA 8, FN-IDW 11/2002, 640 ff. Rz. 16; WP Handbuch16, F Rz. 1348; Noodt in Haufe BilKomm.10, § 246 HGB Rz. 64. 6 Vgl. IDW RS HFA 8, FN-IDW 11/2002, 640 ff. Rz. 22; Noodt in Haufe BilKomm.10, § 246 HGB Rz. 64. 7 Vgl. IDW RS HFA 8, FN-IDW 11/2002, 640 ff. Rz. 41.

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§ 246 Rz. 43 | Vollständigkeit. Verrechnungsverbot güter (entsprechend verbriefte Optionsscheine als Wertpapiere) des Anlagevermögens zu aktivieren. Angeschaffte, dem Verbrauch bzw. Verkauf dienende, nicht verbriefte Optionsrechte hat der Optionsnehmer als sonstige Vermögensgegenstände (entsprechend verbriefte Optionsscheine als sonstige Wertpapiere) des Umlaufvermögens zu aktivieren.1 Korrespondierend erhaltene Stillhalteprämien hat der Optionsgeber (Stillhalter) als Rückstellungen oder sonstige Verbindlichkeiten zu passivieren.2 44 Ein Termingeschäft (nicht börsengehandeltes „Forward“, börsengehandeltes „Future“) verpflichtet so-

wohl den Käufer zum Fälligkeitszeitpunkt, eine feste Zahlung zu leisten, als auch den Verkäufer, zu diesem Zeitpunkt den Basiswert bzw. einen entsprechenden Barersatz zu liefern. Anders als bei Optionsgeschäften wird bei Termingeschäften jedoch keine Stillhalteprämie bezahlt bzw. aktiviert resp. passiviert. Auch wird das schwebende (Termin)Geschäft an sich als solches grds. nicht bilanziert. Handelsrechtlich ist nach der hier vertretenen Auffassung im Fall eines drohenden Verlusts uU eine Drohverlustrückstellung zu passivieren (§ 249 Abs. 1 Satz 1 HGB). Steuerrechtlich ist eine Drohverlustrückstellung jedoch grds. ausgeschlossen (§ 5 Abs. 4a Satz 1 EStG).3

45 Ein Zinsswap verpflichtet die Vertragspartner, zu bestimmten Fälligkeitszeitpunkten gegenseitig bestimmte

Zinszahlungen (meist feste gegen variable) auf bestimmte Nennbeträge zu leisten. Ein Währungsswap verpflichtet die Vertragspartner, die Inhaberschaft deckungsgleicher verzinslicher Kapitalanlagen unterschiedlicher Währungen zu tauschen und zu einem bestimmten Fälligkeitszeitpunkt zurück zu tauschen. Ein ZinsWährungsswap kombiniert die beiden vorgenannten Swapformen. Anders als bei Optionsgeschäften, nämlich wie bei Termingeschäften, wird bei Swaps keine Stillhalteprämie bezahlt bzw. aktiviert resp. passiviert. Entstehende Zahlungsansprüche werden als Ansprüche aus schwebenden Geschäften grds. nicht bilanziert. Vorweggenommene Ausgleichszahlungen sind als vorausbezahlte Zinsen aktiv bzw. passiv abzugrenzen. Handelsrechtlich ist nach der hier vertretenen Auffassung im Fall eines drohenden Verlusts uU eine Drohverlustrückstellung zu passivieren (§ 249 Abs. 1 Satz 1 HGB). Steuerrechtlich ist eine Drohverlustrückstellung jedoch ausgeschlossen (§ 5 Abs. 4a Satz 1 EStG).4

46 Für derivative Sicherungsinstrumente gelten gem. § 254 HGB abweichende Regelungen. Danach sind

ein Grundgeschäft und ein Sicherungsderivat nicht getrennt, sondern verrechnet als Bewertungseinheit zu bilanzieren. Für Kreditinstitute gelten zudem die Spezialvorschriften des § 340e Abs. 3 HGB. Danach sind Finanzinstrumente des Handelsbestands zum beizulegenden Zeitwert abzgl. eines Risikoabschlags zu bewerten; es kommt zur Durchbrechung des Anschaffungskostenprinzips.5 Gem. § 5 Abs. 1a Satz 2 EStG sind in der Handelsbilanz gebildete Bewertungseinheiten zur Absicherung finanzwirtschaftlicher Risiken auch in der Steuerbilanz zu bilden. Überwiegen bei einer solchen Bewertungseinheit nicht realisierte Verluste nicht realisierte Gewinne, erlaubt es § 5 Abs. 4a Satz 2 EStG dafür die in der Handelsbilanz zu passivierende Drohverlustrückstellung ausnahmsweise auch in der Steuerbilanz zu passivieren.

47 Anhangpflichtige Bilanzierende haben gem. § 285 Nr. 19 bzw. 20 HGB für ein nicht zum beizulegenden

Zeitwert (§ 255 Abs. 4 Satz 1 oder 2 HGB) bilanziertes derivatives Finanzinstrument Anhangangaben zu machen. Dies gilt gem. § 285 Nr. 23 HGB nicht, wenn das derivative Finanzinstrument in eine Bewertungseinheit (§ 254 HGB) eingegangen ist, für die eigene Anhangangaben zu machen sind.

dd) Factoring/Forfaitierung 48 Zur kurzfristigen Liquiditätssteigerung (Finanzierungsfunktion), aber auch zur Auslagerung der Debito-

renbuchhaltung, des Inkassos etc. (Dienstleistungsfunktion) tritt beim Factoring ein Forderungsverkäufer (Factoringkunde, Zedent) laufende und optional auch künftige Kundenforderungen (durch Einzel- bzw. Globalzession, Gattungskauf), bei der Forfaitierung konkret bestimmte Forderungen (entsprechend, Spezieskauf) gem. §§ 398 ff. BGB an einen Forderungskäufer (Factor, Zessionar) ab. Als Gegenleistung erhält der Forderungsverkäufer regelmäßig den Nominalwert seiner abgetretenen Forderungen abzüglich einer vom Forderungskäufer einbehaltenen Provision. Je nach Ausgestaltung der Abtretungsvereinbarung ergeben sich Zurechnungsprobleme hinsichtlich der abgetretenen Forderungen:

1 Vgl. Breker, Optionsrechte und Stillhalterverpflichtungen im handelsrechtlichen Jahresabschluss, 76; Beckmann, Termingeschäfte und Jahresabschluß, 227; nach ADS6, § 246 HGB Rz. 372 mwN sind Optionsrechte vom Optionskäufer grds. unter den sonstigen Vermögensgegenständen auszuweisen; nach Noodt in Haufe BilKomm.10, § 246 HGB Rz. 69 handelt es sich bei Optionen um finanzielle, nicht um immaterielle Vermögensgegenstände. 2 Vgl. ADS6, § 246 HGB Rz. 371 ff. 3 GlA ADS6, § 246 HGB Rz. 376 ff.; Eisele/Knobloch, DStR 1993, 617 (621). 4 Vgl. Noodt in Haufe BilKomm.10, § 246 HGB Rz. 71; aA ADS6, § 246 HGB Rz. 378 ff. (380 mwN), nach denen die Passivierung einer Drohverlustrückstellung auch bei negativen Zinsdifferenzen aus Swaps ausscheidet. 5 Vgl. Noodt in Haufe BilKomm.10, § 246 HGB Rz. 73 f.

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B. Vollständigkeit (Abs. 1) | Rz. 51 § 246

Beim echten Factoring bzw. der echten Forfaitierung (Forderungskauf)1 verkauft und überträgt der Forde- 49 rungsverkäufer definierte Kundenforderungen inkl. des Ausfall- bzw. Verzugsrisikos2 (Delkredererisiko) an den Forderungskäufer. Da die Chancen und Risiken aus Wertänderungen auf den Forderungskäufer übergehen, wird dieser sowohl zivilrechtlicher Inhaber als auch wirtschaftlicher Eigentümer und damit Bilanzierender der Forderungen.3 Der Forderungsverkäufer hat die abgetretenen Forderungen aus- und die neuen Forderungen gegen den Forderungskäufer einzubuchen. Beim Forderungsverkäufer verbleibende Risiken (hier zB Vertragsstrafe-, Schadensersatz-, Garantierisiken etc.) sind in seiner Bilanz zurückzustellen bzw. zumindest als Haftungsrisiken darunter zu vermerken (§ 251 HGB).4 Die bei Forderungsabtretung weiterhin bestehende Haftung des Forderungsverkäufers bzgl. des rechtlichen Bestands der Forderung (Veritätsrisiko) ist unschädlich. Beim unechten Factoring bzw. der unechten Forfaitierung (Zessionskredit)5 gewährt der Forderungskäu- 50 fer dem Forderungsverkäufer einen Kredit iH definierter Kundenforderungen des Forderungsverkäufers. Zur Sicherung und Befriedigung dieses Kredits (erfüllungshalber, § 364 Abs. 2 BGB) überträgt der Forderungsverkäufer dem Forderungskäufer die definierten Kundenforderungen. Das Ausfall- bzw. Verzugsrisiko verbleibt beim Forderungsverkäufer. Hierdurch wird der Forderungskäufer zwar zivilrechtlicher Inhaber. Wirtschaftlicher Eigentümer und damit Bilanzierender der definierten Kundenforderungen bleibt jedoch regelmäßig der Forderungsverkäufer, da es nicht zum Übergang der Chancen und Risiken von Wertänderungen auf den Forderungskäufer kommt.6 Lediglich beim offenen Factoring, bei dem die Kunden – anders als beim stillen Factoring – aufgefordert werden, nicht mehr an den Forderungsverkäufer, sondern an den Forderungskäufer zu bezahlen (§ 407 BGB), erfolgt die Bilanzierung der sicherheitshalber abgetretenen Kundenforderungen aus Praktikabilitätsgründen beim Forderungskäufer statt beim Forderungsverkäufer.7 Den vom Forderungskäufer erhaltenen Kredit hat der Forderungsverkäufer stets als Verbindlichkeit zu passivieren. Beim Forderungsverkäufer verbleibende Risiken (hier insbes. Ausfall- bzw. Verzugs-, aber auch Vertragsstrafe-, Schadensersatz-, Garantierisiken etc.) sind in seiner Bilanz zurückzustellen bzw. zumindest als Haftungsrisiken darunter zu vermerken (§ 251 HGB).8

ee) Gebäude/Gebäudeteile/Betriebsvorrichtungen/Scheinbestandteile/Mietereinbauten und Mieterumbauten, jeweils auf fremdem Grund und Boden Zivilrechtlich ist gem. § 946 BGB der Eigentümer des Grund und Bodens bzw. gem. § 12 ErbbauRG der 51 Inhaber eines daran bestellten Erbbaurechts auch Eigentümer der wesentlichen Grundstücksbestandteile. Entsprechendes gilt für den Inhaber anderer bestellter dinglicher Rechte, zB einer Grunddienstbarkeit (§ 1018 BGB), eines Nießbrauchs (§ 1030 BGB), einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit (§§ 1090 ff. BGB) oder einer Reallast (§ 1105 BGB).9 Wesentliche Grundstücksbestandteile sind gem. § 94 BGB dauerhaft fest mit dem Grundstück verbundene Gebäude inkl. gem. § 93 BGB nur durch Zerstörung trennbare Gebäudeteile bzw. sog. Betriebsvorrichtungen (gem. § 68 Abs. 2 Nr. 2 BewG Maschinen und sonstige Vorrichtungen aller Art, die zu einer Betriebsanlage gehören).10 Keine wesentlichen Grundstücksbestandteile sind dagegen sog. Scheinbestandteile (gem. § 95 BGB nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grundstück bzw. Gebäude verbundene bzw. nur zu einem vorübergehenden Zweck in das Gebäude eingefügte Gebäudeteile). Von einem nur vorübergehenden Zweck ist auszugehen, wenn kumulativ a) die Nutzungsdauer der verbundenen bzw. eingefügten Sachen länger als die voraussichtliche Mietdauer ist, b) die verbundenen bzw. eingefügten Sachen auch nach ihrem Ausbau nicht nur einen Schrottwert, sondern noch einen beachtlichen Wiederverwendungswert repräsentieren und c) nach den gesamten Umständen, insbes. nach Art und Zweck der Verbindung bzw. Einfügung damit gerechnet werden kann, dass die verbundenen bzw. eingefügten Sachen später wieder entfernt werden.11 1 Vgl. BGH v. 19.9.1977 – VIII ZR 169/76, BGHZ 69, 254 (juris, Rz. 57). 2 Vgl. BFH v. 15.12.2012 – VI R 28/10, BStBl. II 2010, 966 (Leitsatz); v. 6.6.2013 – IV R 28/10, BFH/NV 2013, 1810 (juris, Rz. 22). 3 Vgl. ADS6, § 246 HGB Rz. 384; Hennrichs in MünchKomm. BilR, § 246 HGB Rz. 195; Noodt in Haufe BilKomm.10, § 246 HGB Rz. 49; Weber-Grellet in Schmidt, EStG39, § 5 Rz. 270 „Factoring“, „Forfaitierung“. 4 Vgl. Hennrichs in MünchKomm. BilR, § 246 HGB Rz. 195; Winnefeld, Bilanz-Handbuch5, Kap. D Rz. 201. 5 Vgl. BGH v. 14.10.1981 – VIII ZR 149/80, BGHZ 82, 50 (2. Orientierungssatz). 6 Vgl. Weber-Grellet in Schmidt, EStG39, § 5 Rz. 270 „Factoring“, „Forfaitierung“; Kleindiek in Großkomm.5, § 246 HGB Rz. 54; Hennrichs in MünchKomm. BilR, § 246 HGB Rz. 197; Winnefeld, Bilanz-Handbuch5, Kap. D Rz. 202. 7 Vgl. Kleindiek in Großkomm.5, § 246 HGB Rz. 54; Hennrichs in MünchKomm. BilR, § 246 HGB Rz. 197; Winnefeld, Bilanz-Handbuch5, Kap. D Rz. 203. 8 Vgl. Hennrichs in MünchKomm. BilR, § 246 HGB Rz. 197; Winnefeld, Bilanz-Handbuch5, Kap. D Rz. 202. 9 Vgl. Füller in MünchKomm. BGB8, § 946 Rz. 7, 16. 10 Vgl. Stresemann in MünchKomm. BGB8, § 94 Rz. 6. 11 Vgl. BFH v. 24.11.1970 – VI R 143/69, BStBl. II 1971, 157 (juris, Rz. 17); v. 4.12.1970 – VI R 157/68, BStBl. II 1971, 165 (juris, Rz. 10).

Kahle/Baltromejus/Kopp | 141

§ 246 Rz. 52 | Vollständigkeit. Verrechnungsverbot 52 Handels- bzw. steuerrechtlich stellen Grund und Boden1 und wesentliche Grundstücksbestandteile (zB un-

bewegliche Gebäude,2 selbständige Gebäudeteile,3 Miteigentumsanteile an selbständigen Gebäude[teilen],4 Außenanlagen wie Einfriedungen, Grünanlagen, oder Bodenbefestigungen im Hof und auf Parkplätzen,5 bewegliche Betriebsvorrichtungen6) sowie bewegliche Scheinbestandteile7 jeweils selbständige materielle Vermögensgegenstände bzw. Wirtschaftsgüter dar.8 Fallen dabei der wirtschaftliche und zivilrechtliche Eigentümer auseinander (zB bei Gebäuden, Gebäudeteilen, Miteigentumsanteilen an Gebäude[teile]n oder Betriebsvorrichtungen, jeweils auf fremdem Grund und Boden), erfolgt die Zurechnung und Bilanzierung nach den allgemeinen Grundsätzen beim wirtschaftlichen Eigentümer. Bei Scheinbestandteilen ist stets der zivilrechtlich berechtigte Hersteller wirtschaftlicher Eigentümer und nicht der davon abweichende zivilrechtliche Eigentümer des fremden Grund und Bodens. Bei Gebäuden, Gebäudeteilen, Miteigentumsanteilen an Gebäude(teile)n und Betriebsvorrichtungen ist der Hersteller wirtschaftlicher Eigentümer und nicht der davon abweichende zivilrechtliche Eigentümer des fremden Grund und Bodens, wenn dem Hersteller für wesentliche Teile der wirtschaftlichen Nutzungsdauer dieser Vermögensgegenstände Besitz (§§ 854 ff. BGB), Gefahr, Nutzungen und Lasten bzw. Chancen und Risiken zustehen9 resp. der Hersteller nach dem Gesamtbild der Verhältnisse die tatsächliche Herrschaft über diese Wirtschaftsgüter in der Weise ausübt, dass er den abweichenden zivilrechtlichen Eigentümer für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf die Wirtschaftsgüter wirtschaftlich ausschließen kann.10

53 Ist der Hersteller nach den vorgenannten Grundsätzen nicht als wirtschaftlicher Eigentümer des Ver-

mögensgegenstands bzw. Wirtschaftsguts auf dem fremden Grund und Boden anzusehen, hat er seine Herstellungskosten handelsrechtlich als „Nutzungsrecht“ zu aktivieren und auf die vereinbarte Nutzungsdauer dieses Rechts abzuschreiben.11 Steuerrechtlich hat ein solcher Hersteller seine Herstellungskosten als „Quasi-Wirtschaftsgut“ bzw. „wie ein materielles Wirtschaftsgut“ zu aktivieren und nach den gesetzlichen Vorschriften abzuschreiben (unbewegliche Gebäude, Gebäudeteile nach § 7 Abs. 4 bis 5a EStG, bewegliche Betriebsvorrichtungen nach § 7 Abs. 1 EStG und § 7g Abs. 5 EStG). Diese steuerrechtlich typisierende Aufwandsverteilungspraxis verwirklicht das objektive Nettoprinzip sowie die Gleichbehandlung von Eigentümern und lediglich nutzungsbefugten Herstellern. Gleichzeitig verhindert sie jedoch bei lediglich nutzungsbefugten Herstellern die Entstehung, Realisierung und Übertragung stiller Reserven (zB nach § 6b EStG). Endet die Nutzung des Wirtschaftsguts zur Einkunftserzielung des Herstellers, bevor die Aufwendungen vollständig vom Hersteller abgezogen werden konnten, ist der verbleibende Betrag den Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Eigentümers zuzurechnen.12

1 Vgl. Kahle/Heinstein in HdJ, II/3 Rz. 19 (Stand Nov. 2015). 2 Vgl. BFH v. 28.7.1999 – X R 116/96, BFH/NV 2000, 182 (juris, Rz. 13); v. 18.7.2001 – X R 111/96, BFH/NV 2002, 173 (juris, Rz. 18); Kahle/Heinstein in HdJ, II/3 Rz. 21 (Stand Nov. 2015). 3 Vgl. BFH v. 26.11.1973 – GrS 5/71, BStBl. II 1974, 132 (juris, Rz. 47: „eigenbetrieblich, [...] fremdbetrieblich, [...] zu Wohnzwecken, [...] durch Eigengebrauch genutzt[e...] Gebäudeteile [sind] gesondert zu behandeln“); v. 27.7.2004 – IX R 54/02, BFH/NV 2004, 1645 (juris, Rz. 9); R 4.2 Abs. 4 EStR; zur Behandlung betrieblich genutzter Grundstücksteile von untergeordneter Bedeutung R 4.2 Abs. 8 EStR; ausführlich zur steuerrechtlichen Abgrenzung eines Gebäudes gegenüber selbständigen Ladeneinbauten, Schaufensteranlagen, Gaststätteneinbauten, Schalterhallen von Kreditinstituten sowie ähnlichen Einbauten, die einem schnellen Wandel des modischen Geschmacks unterliegen, und anderen selbständigen Wirtschaftsgütern R 4.2 Abs. 3 EStR sowie Kahle/Heinstein, DStZ 2006, 824 (826 f.). 4 Vgl. BFH v. 23.8.1999 – GrS 1/97, BStBl. II 1999, 778 (3. Orientierungssatz). 5 Vgl. Kahle/Heinstein in HdJ, II/3 Rz. 18 (Stand Nov. 2015). 6 Vgl. BFH v. 14.2.2007 – XI R 18/06, BStBl. II 2009, 957 (juris, Rz. 20); v. 26.11.1973 – GrS 5/71, BStBl. II 1974, 132 (juris, Rz. 42); Kahle/Heinstein in HdJ, II/3 Rz. 24 (Stand Nov. 2015). 7 Vgl. BFH v. 28.2.2013 – III R 35/12, BStBl. II 2013, 606 (1. Orientierungssatz). 8 Vgl. Schwarz in Schwarz/Pahlke, § 39 AO Rz. 42 (Stand Feb. 2006); Cremer, NWB 2018, 1088 (1088 ff.). 9 Vgl. zu den Voraussetzungen die Ausführungen des IDW oben, Rz. 35 bzw. der Regierungsbegründung zum Gesetzesentwurf des BilMoG Rz. 36. 10 Vgl. zu den Voraussetzungen die Ausführungen der höchstrichterlichen Finanz-Rspr. oben, Rz. 37; zur unterschiedlichen Behandlung von Bauten auf fremdem Grund und Boden durch unterschiedliche BFH-Senate Weber-Grellet, DStR-Beih. 2016, 20 (23), nach dem der IV. Senat (BFH v. 12.2.2015 – IV R 29/12, BFH/NV 2015, 895) Gebäude auf fremdem Grund und Boden lediglich als Wirtschaftsgüter fingiert, während der X. und XI. Senat (BFH v. 14.2.2007 – XI R 18/06, BStBl. II 2009, 957 und v. 22.4.2015 – X R 8/13, BFH/NV 2015, 1409) sie als Wirtschaftsgüter des Fremdbauers einordnen. 11 Vgl. BGH v. 6.11.1995 – II ZR 164/94, NJW 1996, 458 (juris, Rz. 12); Hennrichs in MünchKomm. BilR, § 246 HGB Rz. 199. 12 Vgl. BFH v. 30.1.1995 – GrS 4/92, BStBl. II 1995, 281 (juris, Rz. 48 ff.); v. 23.8.1999 – GrS 1/97, BStBl. II 1999, 778 (juris, Rz. 63); v. 25.2.2010 – IV R 2/07, BStBl. II 2010, 670 (1. Leitsatz); v. 19.12.2012 – IV R 29/09, BStBl. II 2013, 387 (juris, Rz. 27 ff.); BMF v. 5.11.1996 – IV B 2 - S 2134 – 66/96, BStBl. I 1996, 1257; zu Recht kritisch WeberGrellet, BB 2000, 1024 f.

142 | Kahle/Baltromejus/Kopp

B. Vollständigkeit (Abs. 1) | Rz. 57 § 246

Mietereinbauten und Mieterumbauten sind Baumaßnahmen des Mieters an einem gemieteten Gebäude 54 oder Gebäudeteil, die keine Erhaltungsaufwendungen darstellen.1 Entstehen durch solche Baumaßnahmen selbständige materielle Vermögensgegenstände bzw. Wirtschaftsgüter in Form beweglicher Scheinbestandteile, sind diese entsprechend den oben gemachten Ausführungen stets von ihrem herstellenden Mieter als wirtschaftlichem und gleichzeitig zivilrechtlichem Eigentümer zu bilanzieren. Entstehen durch solche Baumaßnahmen dagegen selbständige materielle Vermögensgegenstände bzw. Wirtschaftsgüter in Form beweglicher Betriebsvorrichtungen oder unbeweglicher sonstiger Mietereinbauten und Mieterumbauten, sind diese entsprechend den oben gemachten Ausführungen stets von ihrem, nach den allgemeinen Grundsätzen zu bestimmenden, wirtschaftlichen Eigentümer zu bilanzieren.2 Ist der herstellende Mieter nach den vorgenannten Grundsätzen nicht als wirtschaftlicher Eigentümer 55 der Betriebsvorrichtungen oder sonstigen Mietereinbauten und Mieterumbauten anzusehen, hat er seine Herstellungskosten entsprechend den oben gemachten Ausführungen handelsrechtlich als „Nutzungsrecht“ zu aktivieren und auf die vereinbarte Nutzungsdauer dieses Rechts abzuschreiben3 und steuerrechtlich als „Quasi-Wirtschaftsgut“ bzw. „wie ein materielles Wirtschaftsgut“ zu aktivieren und nach den gesetzlichen Vorschriften abzuschreiben (bewegliche Betriebsvorrichtungen nach § 7 Abs. 1 EStG und § 7g Abs. 5 EStG, unbewegliche Gebäude, Gebäudeteile nach § 7 Abs. 4–5a EStG).4 Vorstehend unbewegliche sonstige Mietereinbauten und Mieterumbauten sind anzunehmen, wenn sie kumulativ a) unmittelbar den besonderen betrieblichen oder beruflichen Zwecken des Mieters dienen (eine unmittelbare sachliche Beziehung zum Betrieb aufweisen) und b) mit dem Gebäude nicht in einem einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang stehen (zB Ladenein- und umbauten, Schaufensteranlagen, nicht jedoch Fahrstuhlanlagen, Heizungsanlagen, Be- und Entlüftungseinrichtungen).5 ff) Leasinggüter (inkl. „sale-and-lease-back-Güter“) Der Begriff des Leasinggeschäfts ist gesetzlich nicht definiert und wird in der Literatur nicht einheitlich 56 abgegrenzt. In der Wirtschaftspraxis umfassen Leasinggeschäfte spezielle Nutzungsüberlassungsverträge, bei denen ein Leasinggeber einen zivilrechtlich ihm gehörenden Vermögensgegenstand bzw. ein zivilrechtlich ihm gehörendes Wirtschaftsgut des Anlagevermögens (da hier entsprechend, im Folgenden Leasinggut) einem Leasingnehmer gegen wiederkehrende Zahlungen überlässt. Dabei reichen die Vertragsgestaltungen von atypischen Miet- bzw. Pachtverträgen bis hin zu besonderen Miet- bzw. Ratenkaufverträgen. Ein Mietbzw. Pachtgegenstand (§§ 535 ff., 581 ff. BGB) ist stets in der Bilanz des Vermieters bzw. Verpächters aufzunehmen.6 Im Unterschied zum Miet- und Mietkaufvertrag gehen beim Leasingvertrag Wartungs-, Instandhaltungs- und Gewährleistungsverpflichtungen auf den Leasingnehmer über. Anders als dem Leasingnehmer steht dem Mietkäufer dafür immer eine Kaufoption zu.7 Ob das Leasinggut in der Handels- bzw. Steuerbilanz (da hier entsprechend, im Folgenden Bilanz) des Leasinggebers oder in der Bilanz des Leasingnehmers aufzunehmen ist, richtet sich nach der Vertragsgestaltung im Einzelfall. Beim operativen Leasing bleibt der Leasinggeber sowohl zivilrechtlicher als auch wirtschaftlicher Eigentü- 57 mer bzw. Inhaber und damit Bilanzierender des Leasingguts. Bezogen auf die wirtschaftliche Nutzungsdauer des Leasingguts charakterisiert sich Operating Leasing durch verhältnismäßig kurzfristige Miet- bzw. Pachtverträge. Operating Leasing ist also insbes. dadurch gekennzeichnet, dass das Leasinggut nach der Grundmietzeit wirtschaftlich noch nicht verbraucht ist und hiernach nicht selten Gegenstand eines sog. Secondhand-Leasings wird.8 UU ist der Leasingnehmer hier jedoch zu Anhangangaben gem. § 285 Nr. 3a HGB verpflichtet.9

1 Vgl. BMF v. 15.1.1976 – IV B 2 - S 2133 – 1/76, BStBl. I 1976, 66 Nr. 1. 2 Vgl. zu den Voraussetzungen die Ausführungen des IDW oben, Rz. 35 bzw. der Regierungsbegründung zum Gesetzesentwurf des BilMoG Rz. 36; zu den Voraussetzungen die Ausführungen der höchstrichterlichen Finanz-Rspr. oben, Rz. 37. 3 Vgl. Hennrichs in MünchKomm. BilR, § 246 HGB Rz. 200. 4 Vgl. für sonstige Mietereinbauten und Umbauten BFH v. 15.10.1996 – VIII R 44/94, BStBl. II 1997, 533 (juris, Rz. 16 ff.); entgegen der früheren Rspr. und Verwaltungsauffassung in BMF v. 15.1.1976 – IV B 2 - S 2133 – 1/76, BStBl. I 1976, 66 Nr. 10. 5 Vgl. BFH v. 26.11.1973 – GrS 5/71, BStBl. II 1974, 132 (juris, Rz. 34 ff. mwN); v. 26.2.1975 – I R 32/73, BStBl. II 1975, 443 (1. Leitsatz). 6 Vgl. ADS6, § 246 Rz. 384. 7 Vgl. Weidenkaff in Palandt, BGB79, vor § 535 Rz. 30 ff.; Noodt in Haufe BilKomm.10, § 246 HGB Rz. 29. 8 Vgl. Böcking/Gros in Ebenroth/Boujong ua., HGB4, § 246 Rz. 31. 9 Vgl. Hennrichs in MünchKomm. BilR, § 246 HGB Rz. 213 mwN.

Kahle/Baltromejus/Kopp | 143

§ 246 Rz. 58 | Vollständigkeit. Verrechnungsverbot 58 Beim Spezial-Leasing ist stets der Leasingnehmer wirtschaftlicher Eigentümer und damit Bilanzierender

des Leasingguts. Spezial-Leasing charakterisiert sich dadurch, dass der Leasinggegenstand derart an die Bedürfnisse des Leasingnehmers angepasst wird, dass er wirtschaftlich ausschließlich vom Leasingnehmer sinnvoll eingesetzt werden kann.1

59 Beim Finanzierungs-Leasing werden die Verträge für eine längere, idR unkündbare Grundmietzeit ge-

schlossen. Dabei enthalten sie oft Regelungen, die auf eine anschließende Weiternutzung durch den Leasingnehmer abzielen, zB Verlängerungs- oder Kaufoptionen des Leasingnehmers oder ein Andienungsrecht des Leasinggebers (Recht des Leasinggebers, dem Leasingnehmer das Leasinggut nach Ablauf der vereinbarten Laufzeit zu verkaufen). Wer beim Finanzierungs-Leasing wirtschaftlicher Eigentümer ist und damit das Leasinggut zu bilanzieren hat, ist steuerrechtlich und in der Praxis regelmäßig auch handelsrechtlich2 nach den typisierenden, praktikablen und auf die oberste Finanzrechtsprechung zurückgehenden3 Leasing-Erlassen zu bestimmen.4 Im Wesentlichen unterscheiden die Leasing-Erlasse bei der Zurechnung des wirtschaftlichen Eigentums bzw. Leasingguts zwischen Voll-5 und Teilamortisationsleasing6 für Mobilien und Voll-7 und Teilamortisationsleasing8 für Immobilien:

60

Zurechnung des wirtschaftlichen Eigentums bei Vollamortisationsverträgen (Anschaffungs- und Herstellungs- inkl. Neben-, insbes. Finanzierungskosten des LG werden innerhalb der unkündbaren Grundmietzeit voll durch die Leasingraten des LN gedeckt) Mit Andienungsrecht (Verkaufsrecht) des LG an den LN nach der Grundmietzeit, jedoch ohne Kaufrecht des LN

Mobilien + Gebäude Grund und Grundmietzeit Boden >= 40% und = 40% und = 40% und